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ID0115301500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 153. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Juni 1951 6075 153. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Juni 1951 Geschäftliche Mitteilungen 6076A Änderungen der Tagesordnung 6076B Anfrage Nr. 190 der Fraktion der DP. betr finanzielle Lage des Rundfunksenders „Radio Bremen" (Nrn. 2272, 2342 der Drucksachen) 6076B Beratung der Interpellation der Abg. Strauß u. Gen. betr. ERP-Mittel für den Fremdenverkehr (Nr. 1990 der Drucksachen) 6076C Strauß (CSU), Interpellant 6076C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 6078D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nrn. 2320, 2089 der Drucksachen) . . . 6076B, 6079C Dr. Preusker (FDP), Berichterstatter 6079C Beschlußfassung 6080B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 (Nr. 2328 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Faßbender, Tobaben, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Glasmeyer, Donhauser u. Gen. betr. Entwurf eines Gesetzes über die Zahlung von Frühdruschprämien (Nr. 2340 der Drucksachen) 6076B, 6080D Ausschußüberweisung 6080D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2303 der Drucksachen) 6080D, 6090D Beratung abgesetzt 6090D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Regelung der Bereitstellung von Bauland (Zweites Wohnungsbaugesetz) (Nr. 2281 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Abg. Lücke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschaffung von Bauland (Baulandbeschaffungsgesetz) (Nr. 2300 der Drucksachen) 6081A Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 6081A Funk (CDU), Antragsteller 6082C Meyer (Bremen) (SPD) 6083D Wirths (FDP) 6085B Dr. Leuchtgens (DP) . . 6087B Dr. Reismann (Z) 6087D Dr. Brönner (CDU) 6089C Ausschußüberweisung 6090C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 86 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 2288 der Drucksachen) 6090D Ausschußüberweisung 6090D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Dauer bestimmter Patente (Nr. 1730 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (16. Ausschuß) (Nr. 2299 der Drucksachen) 6091A Hoogen (CDU), Berichterstatter 6091A, 6092D Schuler (CDU) 6091D Dr.-Ing. Decker (BP) 6092D Abstimmungen 6093C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts (Dr. 2130 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2316 der Drucksachen) 6093D Tenhagen (SPD) : als Berichterstatter 6094A als Abgeordneter . . . 6096B, D, 6098B Dr. Dresbach (CDU) 6097B Strauß (CSU) 6098A Dr. Wellhausen (FDP) (zur Abstimmung) 6098C Abstimmungen 6096A, D, 6098B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Protest gegen Beschlagnahme (Nr. 2235 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Annullierung aller Verpflichtungen der Bundesregierung betr. Remilitarisierung (Nr. 2238 der Drucksachen) . . . 6099A, D Kohl (Stuttgart) (KPD), Antragsteller 6099A Frau Strohbach (KPD), Antragstellerin 6100A Strauß (CSU) 6102C Renner (KPD) 6102D Übergang zur Tagesordnung 6103A Beratung der Übersichten Nr. 30 und Nr. 31 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nrn. 204, 225) 6103C Beschlußfassung 6103C Nächste Sitzung 6103C Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Heinz Meyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau dankbar, daß er bei der Einbringung des Regierungsentwurfs die Notwendigkeit einer Neuordnung mit einer Darstellung des derzeitigen Zustandes unseres Bau- und Bodenrechts begründet hat. Wir wären dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau noch dankbarer gewesen, wenn er mit Rücksicht auf die Entschließung, die der Bundestag am 28. März vorigen Jahres gefaßt hat, stärkeren Nachdruck darauf gelegt hätte, den Gesetzentwurf wenigstens annähernd zu dem Termin vom 30. September 1950, den der Bundestag in dieser Entschließung festgesetzt hat, einzubringen. Damals hat der Bundestag folgendes beschlossen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten dem Haus den Text unserer Entschließung in die Erinnerung zurückrufen. Die Bundesregierung wurde ersucht,
    1. bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen;
    2. in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes
    — und ich möchte gerade diesen Punkt unserer Entschließung unterstreichen —
    die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen.
    Der Herr Bundesminister hat gesagt, daß die Bundesregierung schweren Herzens, aber mit leichter Hand — wir sehen darin eigentlich einen logischen Widerspruch — diesen Gesetzentwurf


    (Meyer [Bremen])

    vorgelegt habe. Wenn wir uns ihn in seinem Inhalt anschauen, müssen wir sagen, daß das schwere Herz und die leichte Hand wahrscheinlich bestimmend dafür gewesen sind, daß trotz der langen Bearbeitung dieser Vorlage eigentlich eine sehr unentwickelte Frucht dabei herausgekommen ist. Obwohl wir inzwischen im Hause Erfahrungen darüber gewonnen haben, daß es oft vorkommt, daß Anträgen des Hauses, die mit Terminen versehen sind, seitens der Bundesregierung nicht, die genügende Beachtung geschenkt wird, glauben wir, daß die Länge der Zeit leider nicht förderlich für den Inhalt, die Form und die Gestalt dieses Gesetzentwurfes gewesen ist. Wenn vielleicht der Zeitraum, den wir für die Bearbeitung gesetzt hatten, stärker beachtet worden wäre, hätten sich die Beteiligten einschließlich der Vertreter des Bundesrats wohl mehr daran erinnert, daß in den letzten Tagen vor der endgültigen Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der gemeinsamen Beratung zwischen den Mitgliedern des Wohnungsausschusses des Bundestages und des gleichen Ausschusses des Bundesrats doch eine fast einmütige Auffassung über die in dieser Frage bestehenden Notwendigkeiten gegeben war. Die Länge der Zeit ist in diesem Zusammenhang, so glauben wir, eigentlich unheilbringend gewesen und hat zu der uns heute vorliegenden Fassung des Gesetzes geführt, die uns leider sehr wenig befriedigt. Auch der Papierverbrauch, der mit dem Zustandekommen dieses Gesetzes verbunden war, hat leider nicht positivere Formulierungen bewirkt, sondern eher das Gegenteil. Es sollen ja wohl acht bis zehn, wenn nicht gar dreizehn Entwürfe zur endgültigen Formung dieser Materie innerhalb der Bundesregierung oder des Bundesministeriums vorgelegt worden sein.
    Doch, meine Damen und Herren, wir wollen uns mit dem Grundsätzlichen dieses Gesetzes beschäftigen. Nach einer allgemeinen Betrachtung fürchten wir sagen zu müssen, daß dieses Gesetz in seiner Formung allzusehr den Interessen des Individuums in einer Überspitzung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte bis zur formalistischen Gestaltung seines Inhalts Rechnung trägt. Wir glauben, daß die Kriegszerstörungen in unseren Gemeinden und die Verpflichtung insonderheit der öffentlichen Hand, mit allen Mitteln den Wiederaufbau unseres schwer zerstörten Vaterlandes zu fördern, vor allem aber auch die Interessen unserer heimatvertriebenen Mitbürger in der Formung des Gesetzes stärkeren Ausdruck finden und die Notwendigkeiten des Gemeinwohls mehr in den Vordergrund rücken müssen, als es bei dem Gesetz in seiner jetzigen Fassung der Fall ist. Wir wissen dabei sehr wohl zwischen dem berechtigten Schutz allen echten Arbeitseigentums und dem Besitz, der etwaigen spekulativen Erwägungen dienen soll, zu unterscheiden. Gegenüber den begründenden Ausführungen meines Vorredners möchte ich sagen, wir glauben keineswegs, daß wir ein Bodenrecht zu schaffen haben, das die berechtigten Interessen des Arbeitseigentums außer acht läßt. Bei der Regelung der Entschädigungsbemessung ist es nach unserer Auffassung von entscheidender Bedeutung, daß das gesichert wird, was auf eigener Leistung beruht, und daß bei der Preisfestsetzung alles ausgeschlossen wird, was etwa heute oder früher aus spekulativen Erwägungen bei der Bodenpreisbemessung eingebracht worden ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im übrigen haben wir auch grundsätzlich gegenüber der Formung dieses Gesetzentwurfes Bedenken, weil wir in ihm keine genügenden Vorschriften sehen, um das schwerwiegende Problem, das im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau unserer zerstörten Gemeinden auftritt, nämlich die Sicherung der notwendigen Gemeinbedarfsflächen zugunsten der Gemeinden, durch eine Regelung zu lösen, die für die öffentliche Hand tragbar wäre. Wir müssen sowohl bei der Entschädigungshöhe für etwa enteigneten Grundbesitz als auch bei der Erlangung der nötigen Gemeinbedarfsflächen daran denken, daß unsere öffentlichen Mittel infolge der vielfachen Beanspruchungen, die von allen Seiten an sie herantreten, beschränkt sind. Jede Erhöhung eines Bodenpreises bedeutet eine Vermehrung der Baukosten, die letzten Endes zu Lasten der öffentlichen Hand geht. Wir müssen bei der Preisregulierung das Gemeinwohl in dem Sinne in den Vordergrund stellen, daß zwar das berechtigte Interesse des Grund- und Bodenbesitzers nicht verletzt wird, daß aber auch an keinen eine Zuwendung erfolgt, auf die er nicht aus eigener Leistung Anspruch hat.
    Uns befriedigt auch nicht, Herr Bundesminister, die Regelung, die wegen des Rechtszuges getroffen ist. Wir anerkennen zwar, daß die Bundesregierung sich bemüht hat, eine Vereinheitlichung herbeizuführen. Wir haben jedoch nach wie vor allerschwerste Bedenken dagegen, daß der im Gesetzentwurf vorgeschriebene Weg mit den Baulandkammern bei den Landgerichten beschritten wird, weil wir erstens glauben, daß bei der heutigen Regelung die sachlichen und personellen Voraussetzungen für die Besetzung dieser Kammer nicht gegeben sind, und weil wir zweitens glauben, daß wir im Streitverfahren nicht die schnelle Entscheidung erreichen, die im Verwaltungsverfahren möglich ist. Doch diese Dinge mögen in der Diskussion und in der Ausschußberatung im einzelnen geprüft und vertieft werden.
    Wir haben mit großem Bedauern davon Kenntnis genommen, daß der Bundesrat in seiner Stellungnahme den dritten, vierten und fünften Abschnitt des ursprünglichen Gesetzentwurfes der Bundesregierung kurzerhand gestrichen hat. Bei allem Verständnis, das wir trotz unserer sehr eingeschränkten Zustimmung auch für die berechtigten Interessen der regionalen Verbände unserer Bundesrepublik haben, glauben wir nicht, daß es möglich ist, das Verfahrensrecht etwa den 11 Ländern zu überlassen und den frischfröhlichen Zustand, wie wir ihn bis heute haben, vielleicht auf Dauer und auf Ewigkeit fortzusetzen.

    (Abg. Lücke: Sehr gut!)

    Auch der Entwurf der CDU' befriedigt uns nicht. Wir sehen aber in ihm ebenso wie in dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung vorgelegt hat, eine Grundlage der Diskussion. So will ich mit meinen Ausführungen unsere Bereitschaft bekunden, beide Vorlagen als Beratungsgrundlage zu betrachten. Dabei haben wir die Absicht, wesentliche Veränderungen und, wie wir glauben, Verbesserungen im Interesse des deutschen Wiederaufbaus anzubringen. Wir wollen wirksame Maßnahmen zum Ausschluß aller Spekulationsgewinne aus früheren Jahren und wollen ein einfaches und schnelles Verfahren einführen. Ich stimme mit meinem Vorredner durchaus darin überein, daß das Enteignungsverfahren nur die gesetzliche Androhung gegenüber demjenigen sein kann, der nicht guten Willens ist. Wir sollten versuchen, den für den Wiederaufbau und Neubau unserer deutschen Heimat erforderlichen Boden in möglichst weitem Umfang durch Verhandlungen der Beteiligten zu ge-


    (Meyer [Bremen])

    winnen. Wir sollten gesetzliche Vorschriften schaffen, die denjenigen, die heute den Grund und Boden in der Hand haben, deutlich machen, daß sie nicht mehr als den auf ihren eigenen Leistungen beruhenden Preis fordern können, daß sie jedenfalls im Enteignungsverfahren nicht mehr als diesen Preis bekommen werden.
    Wir wollen mit unserer Mitarbeit und mit unseren Anträgen, die wir in der Ausschußberatung zu stellen haben, den Anforderungen unserer Zeit dienen; wir wollen aber auch den Erkenntnissen dienen, die sich aus moderner Planung für unsere Zeit ergeben. Wir wollen nicht verhehlen, daß wir gegen die vorläufige Regelung, die der Gesetzentwurf vorsieht, allerschwerste Bedenken haben. Es wäre von der größten Bedeutung, das Baurecht einschließlich des Umlegungs- und Planungsrechts grundsätzlich auf bundesgesetzlicher Ebene zu regeln. Aber wir wollen den Weg mitgehen, um das zu erreichen, was vorläufig möglich ist, weil wir andererseits genau wissen, wie schwer es im Schoße dieser Bundesregierung und ihrer Mehrheit sein wird, die mit' dem Enteignungsproblem zusammenhängenden Fragen wirklich in eine Übereinstimmung mit den Notwendigkeiten zu bringen, die sich auf Grund unserer volkswirtschaftlichen Probleme ergeben. Wir wollen dafür gern noch etwas Zeit geben, wenn diese Zeit dazu beitragen könnte, daß wir vor Ablauf der Wahlperiode dieses Hauses ein Baurechtsgesetz verabschieden können. Wir sind nicht der Meinung, daß mit dieser vorläufigen Regelung der Baulandbeschaffung etwa unserem Verlangen Genüge getan ist, das auch unsere Freunde von der anderen Seite des Hauses im Wohnungsausschuß und im Wiederaufbauausschuß einmütig unterstützen. Wir richten in Übereinstimmung mit den anderen Mitgliedern dieser Ausschösse an den Herrn Bundesminister den dringenden Appell, in seinem Ministerium sowohl nach der personellen als auch nach der sachlichen Seite die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine Vorlage betreffend das gesamte Baurecht in absehbarer Zeit an den Bundestag herangebracht und zum Abschluß gebracht werden kann.
    Unsere Stellungnahme zu dem Gesetz ergibt sich eindeutig aus der Auffassung, daß Bodenbesitz ein anderes ist denn der Besitz beliebig vermehrbarer Ware. Es ist ein Pfand in den Händen des Bodenbesitzers, das zum Wohle der Allgemeinheit für die Schaffung gesunder Wohnungen, Heimstätten und öffentlicher Anlagen — zum niedrigsten Kostenpreis, der überhaupt möglich ist — eingesetzt werden muß. Es sollte hier keinen Raum geben für die Befriedigung erwerbswirtschaftlicher Erwartungen, sondern das Gesetz sollte nur dienen der Erfüllung gemeinsamer Verpflichtungen aller Deutschen, auf daß wir auch hier die Wunden heilen können, die uns der Krieg und der Wahnsinn derjenigen, die leider auch Deutsche waren, geschlagen haben. Wir brauchen dazu ein Enteignungsrecht, um denjenigen gegenüber, die glauben, daß sie sich den Notwendigkeiten unserer Zeit und unseres Volkes verschließen könnten, das Recht der Gesamtheit unseres Volkes auf Herausgabe desjenigen durchzusetzen, das im Interesse unseres Volkes für den Wiederaufbau benötigt wird.

    (Beifall links.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Carl Wirths


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Einige Punkte der Kritik des Herrn Kollegen Meyer kann ich mir selbst zu eigen machen, bei anderen lege ich die Kritik von genau der entgegengesetzten Seite an. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer durchaus einig, wenn er sagt, man solle das gesamte Bau- und Bodenrecht bundeseinheitlich regeln. Ich stimme ihm darin zu, daß hier auch zu der Behandlung der Materie im Ministerium etwas Kritisches zu sagen ist. Den großen Entwurf haben wir im vorigen Sommer bekommen. Dann hat man dieses Baulandbeschaffungsgesetz herausgenommen, das aber durch die dreizehn Gesetzentwürfe hindurch wohl eine Odyssee mitgemacht hat, so daß wahrscheinlich der Verfasser des ursprünglichen Gesetzentwurfs den nunmehr vorliegenden Entwurf nicht mehr wiedererkennen wird.
    Ich bin mit dem Herrn Kollegen Meyer auch darin einig, daß die Absicht im vorigen Jahre durchaus dahin ging, ein Baulandbeschaffungsgesetz nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für den Wiederaufbau zu schaffen. Weil wir das wollten, haben wir die entsprechenden Enteignungsbestimmungen aus dem ersten Entwurf des Bundeswohnungsbaugesetzes herausgenommen. Wir waren der Auffassung, daß man gerade den Wiederaufbau unserer Städte fördern müsse durch die Regulierung und bundesgesetzliche Regelung der bisherigen Enteignungsbestimmungen alter Art, der Länderregelungen und dessen, was sich nach 1945 ergeben hat.
    Wenn man schon hier in diesem Gesetzentwurf eine Regelung für den Gemeinbedarf trifft, dann muß man davon ausgehen, daß man, soweit dieser Gemeinbedarf — und das wird der größte Teil sein — sich auf die Verbreiterung der Straßen, Durchlüftung der Stadtkerne bezieht, nicht an der neuen Bauflucht stehenbleiben kann und das, was an Grundstücken im Privatbesitz dahintersteckt, den bisherigen Länderregelungen oder der Regelung nach altem Recht überlassen kann. Man muß dann auch das regeln, und ich spreche die Erwartung aus, daß es uns im Ausschuß gelingen wird, die entsprechenden Vorschläge in das Gesetz hineinzubringen.
    Meine Damen und Herren! Was wir in dem Gesetzentwurf vermissen, das ist eine gewisse Rangfolge der Enteignung. Ich habe den Eindruck, als ob nun der Entwurf, fußend auf dem vom vorigen Jahre, etwas zu sehr im luftleeren Raum konstruiert worden ist und auf die Bedürfnisse der Praxis des Wiederaufbaues zu wenig Rücksicht nimmt. ich bin der Meinung, daß zunächst einmal, wenn man enteignen will, das Land der öffentlichen Hand herangezogen werden muß,

    (Beifall in der Mitte)

    und ich bin der Meinung, daß man hier auch an dem Landbesitz etwa der Bundesbahn, der nicht zu Betriebszwecken notwendig ist, nicht vorbeikommt. Sie sträubt sich mit Händen und Füßen dagegen. Sie hat eine ganze Reihe von Grundstücken, die auch als Bauland geeignet sind. Auch dieser öffentliche Besitz muß zunächst herangezogen werden. Dann muß eine weitere Rang- oder Stufenfolge dadurch geschaffen werden, daß wir an die Trümmergrundstücke herankommen, zweitens an die Baulücken, drittens an das Land an ausgebauten Straßen. Ich bin der Meinung, daß man unerschlossenes Bauland nur dann enteignen soll, wenn sonst kein Weg gegeben ist, um etwa Kleinsiedlungen und Eigenheime zu erstellen.
    Aber wenn man sich etwa mit der Enteignung der Trümmergrundstücke beschäftigt, muß man — hier widerspreche ich dem Herrn Kollegen Meyer —, davon ausgehen, daß der Eigentümer des Trümmergrundstücks sein Haus, sein Gebäude


    (Wirths)

    durch den Krieg verloren hat; er kann nicht damit rechnen, daß er eine Entschädigung durch den Lastenausgleich bekommt; im Gegenteil, wir haben eine ganze Reihe von Fällen, in denen die Trümmergrundstücke noch zum Lastenausgleich beitragen müssen. Ich sehe da keinen Weg, wie man diese Leute in ihren Besitzverhältnissen, in ihren Vermögenswerten noch mehr einschränken soll. Ich bin andererseits der Meinung, daß man, gerade zur Förderung des Wiederaufbaues, diese Leute mehr unterstützen sollte, und ich glaube, ehe man an die Enteignung eines solchen Grundstücks herangeht, muß man dem Besitzer einen Weg weisen, wie er selber wieder aufbauen kann,

    (Sehr richtig!)

    d. h. man muß gerade aus städtebaulichen Gründen diesen Leuten bevorzugt mit der Hergabe von Landesmitteln dienen.

    (Abg. Dr. Preusker: Jawohl!)

    Es ist leider festzustellen, daß in den meisten unserer Städte die Planungsämter und die Verwaltungen allgemein sich viel zuwenig um diese Dinge
    kümmern und den an sich aufbauwilligen Trümmergrundstücksbesitzern viel zuwenig Hilfe geben.

    (Sehr gut!)

    Überlegen Sie sich einmal, wieviel Gelände an ausgebauten Straßen zur Verfügung steht! Ich glaube, der Ausschuß wird gut daran tun, sich aus einer Reihe von Großstädten eine Übersicht geben zu lassen. Ich kann Ihnen aus meiner Heimatstadt Wuppertal sagen, daß wir nicht weniger als 197 km Straßenfronten an ausgebauten Straßen haben und an Baulücken, die durch Kriegseinwirkung entstanden sind. Wenn Sie davon all das abziehen, was auf Grund der neuen Planung als Bauland nicht mehr verwertbar ist, dann können wir an ausgebauten Straßen immerhin soviel Menschen ansiedeln, daß die Einwohnerzahl unserer Stadt die Halbe-Millionen-Grenze überschreiten würde; aber diesen Ehrgeiz haben wir gar nicht. Das beweist, daß man für den mehrgeschossigen Bau zunächst einmal unter allen Umständen auf dieses Land an ausgebauten Straßen zurückgreifen muß, mit anderen Worten, daß man nicht neues Gelände zu erschließen braucht. Man sollte also nicht im Wege der Enteignung Gelände erwerben, um auf ihm drei- oder viergeschossige Mietwohnhäuser aufzubauen.
    Bezüglich des unerschlossenen Geländes müssen wir uns überlegen, welchen Zwecken es jetzt dient. Ist es landwirtschaftlich genutzt, dann gibt es sehr große Schwierigkeiten. Ich glaube nicht, daß wir es uns leisten können, in erheblichem Umfange landwirtschaftlich genutztes Gelände zu nehmen. Das zwingt uns dann automatisch dazu, uns etwa die Landschaftsschutzbestimmungen vorzunehmen und hier Änderungen zu treffen. Das können wir, weil in vielen Großstädten nach dem Kriege auch Baumbestände abgeholzt worden sind, und ich kann mir vorstellen, daß eine Aufforstung durch Obstbäume in Gärten sehr viel dienlicher ist, als wenn man etwa wieder Kiefern oder Laubbäume anpflanzt.
    Eine wichtige Gruppe, die uns beim Wiederaufbau außerordentlich hemmt, ist im Gesetz unberücksichtigt geblieben. Ich meine die Restitutionsgrundstücke. Der Ausschuß wird sich überlegen müssen, ob nicht die Möglichkeit besteht, die Enteignung, die dann vielleicht nur durch die öffentliche Hand zu vollziehen wäre, auch auf Restitutionsgrundstücke auszudehnen. Sollte das in diesem Gesetz nicht möglich sein, dann müßten wir dafür ein besonderes Gesetz vorsehen, denn dazu ist die Zustimmung der Hohen Kommission notwendig. Die Tatsache, daß brachliegende Grundstücke eben wegen der Restitution dem Zugriff nicht zugänglich sind, hemmt uns beim Wiederaufbau in sehr starkem Maße.
    Ich vermisse in dem Gesetz einen Hinweis an die Grundstückseigentümer — in dem Entwurf der Abgeordneten Lücke und Genossen ist das dankenswerterweise geschehen — auf die Möglichkeiten, die im Gesetz über das Wohnungseigentum liegen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Eine ganze Reihe von ausgebombten Grundstücksbesitzern hätte die Möglichkeit, wiederaufzubauen durch die Hereinnahme Dritter, die eine Wohnung oder eine gewerbliche Einheit erwerben wollen, und zwar gerade auf dem Wege des Wohnungseigentums und des Teileigentums. Für viele dieser Grundstücksbesitzer kommt dadurch das Kapital, das jetzt gewissermaßen tot in ihren Grundstücken liegt, wieder zum Leben.
    Wir werden ferner prüfen müssen, wieweit diese Bestimmungen mit der jetzt in Gang befindlichen Umlegung in Einklang zu bringen sind. Wir haben in allen Ländern die Landesaufbaugesetze. Die Umlegungsbestimmungen variieren nicht allzu sehr. Aber das Durchführungsverfahren ist außerordentlich kompliziert und dauert viele Monate. Erst kommt der Leitfaden, dann kommen die Durchführungspläne, und dann muß die Sache erst Instanzen durchlaufen, auch auf der Ebene der Selbstverwaltung. Wenn man also auch Grundstücke, die nur dem Wiederaufbau, also weniger dem Wohnungsbau dienen sollen, mit hereinnehmen will, dann muß auch diese Frage geklärt werden.
    Meine Damen und Herren, es ist hier auch viel über den Grundstückspreis und die Entwicklung der Grundstückspreise geredet worden. Im Gesetz wird von dem zulässigen Höchstpreis gesprochen; das ist der Stoppreis, der seinerseits auf Gutachten der Preisbehörden oder Sachverständiger basiert. Diese Gutachten haben ihrerseits die Preissammlung aus den letzten Jahrzehnten zur Grundlage, und Sie können feststellen, daß der Verkehrswert, also der gemeine Wert, manchmal unter diesem Stoppreis liegt. Die große Frage ist die: Was geschieht, wenn man den Preisstopp beseitigen würde? Ich bin der Meinung, daß im Stadtkern die Preise erheblich sinken würden,

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    während in den besseren Wohnvierteln draußen die Preise allerdings steigen würden. Letzteres könnte uns gleichgültig sein, denn das ist keine Angelegenheit des Wiederaufbaus und auch keine Angelegenheit des sozialen Wohnungsbaus. Wir wären auf diesem Gebiete einen wesentlichen Schritt weiter, wenn man erreicht hätte, daß der Wert der Grundstücke und der Wert auch der Trümmergrundstücke bei der Finanzierung des Wiederaufbaus auch dem Erwerber voll angerechnet würden. Solange in vielen Ländern dieser Wert überhaupt nicht, in anderen nur mit einer Verzinsung angerechnet wird, die netto nachher 2 % ausmacht, ist ein Grundstücksumsatz überhaupt nicht möglich. Würden wir den Grundstücksmarkt ankurbeln, dann brauchten wir sehr häufig gar nicht zu Enteignungsmaßnahmen zu greifen.
    Ich bin nun der Meinung, daß man gerade aus dem vorhin genannten Grunde, nämlich daß man den Trümmergrundstücksbesitzer nicht noch schlechter behandeln kann, als er durch das Schicksal und die Nachkriegszeit schon behandelt worden


    (Wirths)

    ist, eine Sonderregelung für die Gemeinden nicht generell treffen kann. Ich könnte mir vorstellen, daß man gewisse Ausnahmebestimmungen vorsieht. Aber eine Bevorzugung der Gemeinden darf nach meinem Dafürhalten nicht erfolgen.
    Ich bedaure mit dem Kollegen Meyer, daß der Bundesrat die Verfahrensvorschriften bei Enteignungsbehörden und auch die Vorschriften über den Rechtsweg gestrichen hat. Andererseits bin ich im Gegensatz zu ihm der Auffassung, daß die Baulandkammern — eine Konstruktion, wie sie das Gesetz jetzt vorsieht —, besetzt mit Richtern der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte, ein durchaus geeignetes Instrument sind. Ich bin nicht der Ansicht, Kollege Meyer, daß das Verfahren bei den Verwaltungsgerichten schneller geht. Ich glaube vielmehr, daß es noch langwieriger sein wird, einmal, weil die Verwaltungsrichter außerordentlich überlastet sind, zum andern, weil sie weitab vom Schuß sitzen. Die Baulandkammern im Bereich der Landgerichte sind nahebei. Ihnen stehen sofort Sachverständige zur Verfügung, die die notwendigen Kenntnisse auf dem Grundstücksmarkt haben. Das Interesse der öffentlichen Hand wird durch die Verwaltungsrichter gewahrt, die den Behördengang besser kennen. Andererseits ist es nicht richtig, wenn man erklärt, das sei eine ureigene Sache der Verwaltungsgerichte, weil es sich um Anordnungen der Verwaltung handele. Nein, in vielen Fällen wird die Enteignungsbehörde nur, sagen wir einmal, eine Clearingstelle für den Übergang von Grundeigentum aus privater Hand in andere private Hand sein.
    Ich glaube also, daß die Konstruktion des Rechtsweges im Entwurf gut ist. Ich bin auch der Meinung, daß gerade die Bestimmungen über die Ausführungsanordnung richtig sind. Ich weiß allerdings im Augenblick nicht, wie wir im Ausschuß zu einer einheitlichen Meinung kommen sollen; aber ich nehme gern zur Kenntnis, daß der Herr Kollege Meyer für seine Fraktion die Bereitwilligkeit erklärt hat, positiv mitzuarbeiten. Nach den Erfahrungen, die wir in unseren Ausschüssen gemacht haben, werden wir die Probleme sicher in loyaler und sachlicher Weise zu klären versuchen und werden dann hoffentlich in ganz kurzer Zeit dem Hause unsere Vorschläge machen können.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)