Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Interpellanten, daß der Fremdenverkehr im gesamten Bundesgebiet seit der Währungsreform eine starke Zunahme erfuhr und daß ihm in Erfüllung seiner wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Aufgaben eine, durchaus zu beachtende Bedeutung zuzumessen ist. Die Bundesregierung hat daher durch Zuführung zentral steuerbarer Kapitalmarktmittel den Wiederaufbau und die Instandsetzung der Hotels, Fremdenheime, Kuranstalten und ähnlicher Einrichtungen des Fremdenverkehrs in beachtlichem Ausmaß unterstützt. Dieses geschah besonders im Hinblick auf die Rolle dieser Einrichtungen als Devisenbringer.
In Erkenntnis dieser Sachlage hat die Bundesregierung in ihrem ursprünglichen Vorschlag zur Aufteilung der dritten ERP-Tranche nach dem Stand vom 3. 7. bzw. 26. 8. 1950 für den Fremdenverkehr den Betrag von 25 bis 30 Millionen DM vorgesehen. Mit einer Zuteilung in dieser Höhe wäre es möglich gewesen, das Fremdenverkehrsgewerbe in seinem Wiederaufbaustreben weiter nachhaltig zu unterstützen.
Leider konnte diese Absicht nicht durchgeführt werden. Die Marshallplanverwaltung sah nämlich in ihrem Memorandum vom 19. 7. 50 eine starke Kürzung der ursprünglich erwarteten Mittel vor. Das Memorandum enthielt zwar in seinem als Diskussionsgrundlage gedachten Aufteilungsvorschlag noch eine beachtliche Summe für den Fremdenverkehr. Dieser Vorschlag ging jedoch von der Möglichkeit aus, mit innerdeutschen Mitteln ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm in Höhe von einer Milliarde DM aufzustellen. Bekanntlich wurde dieser Vorschlag auf Grund der Wirtschaftsentwicklung seit der KoreaKrise unmöglich.
In den nachfolgenden Verhandlungen stellte sich heraus, daß die ECA nunmehr nur noch für die Grundstoffsektoren der Wirtschaft wie Elektrizitätswirtschaft, Kohlenbergbau, Eisen und Stahl, Wohnungsbau und für Berlin ERP-Mittel freizugeben beabsichtigte. Bei dieser Entscheidung waren volkswirtschaftlich vordringlichste Gebiete wie Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, Seeschiffbau, Forschung und Exportindustrie unberücksichtigt geblieben. Es bedurfte daher außerordentlich schwieriger Verhandlungen, die Bereitschaft der ECA zu wecken, um auch für andere Sektoren als die der Grundstoffindustrie angehörenden gewisse, wenn auch völlig unzureichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht möglich gewesen, diese Bereitschaft auch für den Fremdenverkehr zu erreichen.
Mit der Beantwortung der Frage 1 sind indirekt auch die Fragen 2 und 3 erledigt.
Zu Frage 4 ist zu bemerken, daß der Fremdenverkehr in der ersten ERP-Tranche Kredite in Höhe von 1,1 Millionen DM, in der zweiten einschließlich Berlin mit 25,5 Millionen DM enthalten war.
Zur Frage 5 ist leider festzustellen, daß eine vierte Tranche aus ERP-Mitteln in der bisherigen Form nicht mehr zu erwarten ist. Zwar liegen Äußerungen führender amerikanischer Persönlichkeiten vor, die eine gewisse Weiterführung der Marshallplanhilfe — wenn auch in anderer Form — erhoffen lassen, doch ist nicht anzunehmen, daß dabei Gegenwerte anfallen werden, die dem Fremdenverkehr als Kredithilfe zugeführt werden könnten.
Die Bundesregierung ist ihrerseits bereit, aus STEG-Erlösen oder aus dem Zinsaufkommen bisher gewährter ERP-Kredite Mittel für die Weiterfinanzierung bereits im Rahmen des ERP-Programms anfinanzierter Projekte des Fremdenverkehrs bereitzustellen, soweit eine Prüfung im Einzelfalle ergibt, daß ohne die Gewährung einer weiteren Kreditrate eine Gefährdung der bisherigen Investition eintreten würde.
Aus Zinserträgen bisher gewährter ERP-Kredite wurden zwischenzeitlich für die Weiterfinanzierung begonnener Fremdenverkehrsprojekte 1,2 Millionen DM neu bereitgestellt. Weiterhin ist beabsichtigt, aus Iden in Kürze zu erwartenden STEG-Erlösen noch einmal 3 Millionen für die Weiterfinanzierung einzusetzen.