Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Baulandbeschaffungsgesetz, das Ihnen als zweites Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues vorgelegt worden ist, beruht auf einem einstimmigen Beschluß des Bundestages vom 28. März 1950, der damals gleichzeitig mit der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes gefaßt wurde und durch den die Bundesregierung ersucht wurde, bis zum 30. September 1950 einen Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsneubaues und für den Wiederaufbau vorzulegen und in diesem Gesetzentwurf Bestimmungen zu treffen, die gegebenenfalls unter Änderung von Bestimmungen des Grundgesetzes die schnelle, wirksame, endgültige und zu günstigen Preisen mögliche Enteignung von Grundstücken vorsehen.
Dieses Gesetz hat sich als notwendig erwiesen, weil der derzeitige Rechtszustand auf dem Gebiet der Enteignung überhaupt und der Enteignung für den Wohnungsbau insbesondere ungewöhnlich unbefriedigend ist. Die alten Enteignungsbestimmungen der verschiedenen Ländergesetze, die ja zum Teil sehr alt sind — aus den 70er Jahren stammen oder noch älter sind — und für ganz andere Zwecke bestimmt waren, genügen dafür nicht. Es hat sich auch gezeigt, daß die landesrechtlichen Bestimmungen, die in den Wiederaufbaugesetzen enthalten sind, heute als überholt angesehen werden müssen. Für die Zwecke des Wohnungsbaus hat man sich auf die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 9. Dezember 1919 gestützt, die einen von der Landeszentralbehörde bestellten Bezirkswohnungskommissar ermächtigte, geeignete Grundstücke gegen angemessene Entschädigung zu enteignen, wenn für Klein- und Mittelwohnungen Bau- und Gartenland in passender Lage zu angemessenen Preisen nicht zur Verfügung stand. Die Enteignung erfolgte durch formlosen Bescheid an den Eigentümer. Der Enteignungsbescheid des Bezirkskommissars war endgültig. Nur gegen die Festsetzung der Entschädigung konnte eine von der Landeszentralbehörde zu bestimmende Berufungsbehörde angerufen werden.
Diese Enteignungsbestimmung hat bis zum Erlaß einer Verordnung der Besatzungsmächte — also über 20 Jahre lang — Rechtskraft behalten, die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit betraf, und ist dann weiter durch den Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes aufgehoben worden. Dies ist durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen bestätigt worden.
Nun haben die Länder versucht, das Enteignungsrecht in ihren Wiederaufbaugesetzen zu regeln, beinahe alle Länder in verschiedener Art und Weise. Aber sie sind alle entweder an der Militärgesetzgebung über die Verwaltungsgerichte oder am Grundgesetz gescheitert. Auch darüber bestehen höchstrichterliche Entscheidungen. Daraus ergibt sich für die Enteignung für die Zwecke des Wohnungsbaues folgender Zustand: Zunächst muß eine Verwaltungsbehörde über die Enteignung überhaupt entscheiden. Diese Entscheidung kann im vollen Rechtszug der Verwaltungsgerichtsbarkeit angefochten werden. Dann kann ein ordentliches Gericht über die Höhe der Entschädigung entscheiden, wenn es angerufen wird. Auch diese Entscheidung kann wieder im ganzen ordentlichen Rechtsgang angefochten werden. Das bedeutet, daß eine Entscheidung über eine Enteignung jahrelang hinausgeschoben werden kann. Das ist — von allen Sachverständigen völlig unbestritten — für die Aufgaben des Wohnungsbaus und des Wiederaufbaus unserer Städte vollkommen unerträglich.
Nun hat die Bundesregierung, insbesondere mein Ressort, die Arbeit an einem Entwurf, der diese Fragen regeln soll, sehr frühzeitig — gleich nach der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes — aufgenommen. Die Arbeiten gehen in den April 1950 zurück. Wir haben zunächst geprüft, ob wir nicht durch ein allgemeines Baugesetz einen sehr großen Fragenkomplex gleichzeitig regeln können. Es hat sich herausgestellt, daß in einem allgemeinen Städtebaugesetz so schwierige rechtliche und praktische Fragen aufgeworfen werden,, daß wir uns für diese Arbeit, die von sehr großer Bedeutung sein wird, lange Zeit lassen müssen. Vordringlich aber war das Baulandbeschaffungsgesetz. Die Herren vom Wohnungsausschuß erinnern sich, daß im allerersten Entwurf des Wohnungsbaugesetzes schon Enteignungsbestimmungen standen. Wir haben sie weggelassen', und das mit gutem Grund. Denn wenn es vom Mai 1950 bis zum Juni 1951 gedauert hat, bis Ihnen dieses Gesetz vorgelegt werden konnte, so beruht das nicht auf bösem Willen der Bundesregierung oder der Bürokratie, sondern es liegt daran, daß die Probleme der Enteignung außerordentlich schwierig sind und sehr sorgfältig durchgearbeitet werden müssen. Das ist allerdings in dem Ihnen vorliegenden Entwurf, der auch in dauernder Fühlung mit dem Wohnungsausschuß und den interessierten Herren entstanden ist, geschehen.
Ich darf nun zu dem Leitgedanken des Gesetzentwurfs einiges bemerken. Der Zweck liegt darin, in einem ebenso einfachen wie schnellen, aber auch gerechten und dem Eigentümer vollen Schutz gewährenden Rechtsverfahren dem Wohnungsbau das für die nächste Zeit benötigte Bauland zur Verfügung zu stellen, und zwar sowohl für den Neubau an den Stadträndern oder in den ländlichen Bezirken, wie vor allem auch für den Wiederaufbau unserer zerstörten Stadtkerne. Dabei haben wir uns entschlossen, alle diejenigen umstrittenen Fragen wegzulassen und sie zunächst der Regelung der Landesgesetzgebung zu überlassen, die die Verabschiedung des Gesetzes verzögern würden, wie Umlegung, Zusammenlegung, Planung, Grundstücksbewertung, unentgeltliche Bedarfsflächenabtretung. Diese Sachgebiete werden dem umfassenderen Gesetz vorbehalten. Diese Aufgaben —
Umlegung, Zusammenlegung —, die vor allem beim Wiederaufbau in Frage kommen, sind landesgesetzlich geregelt, sie sind aber innerhalb des Landesrechts nicht ohne die Möglichkeit der Enteignung durchzusetzen.
Die Bundesregierung ist an dieses Gesetz nicht leichten Herzens herangegangen.
— Es war ja nicht das schwere Herz, das die Vorlage des Gesetzentwurfs so lange verzögert hat, sondern es waren die technischen Schwierigkeiten, Herr Kollege Meyer. Das Eigentum ist nun einmal ein Eckstein unserer Grundrechte, und Eingriffe in das Eigentum müssen sehr wohl überlegt und mit entsprechenden Rechtsgarantien versehen werden.
Die Enteignung beschränkt sich auf die Bereitstellung von Gelände zur Errichtung von Wohngebäuden und der erforderlichen Gemeindebedarfsflächen. Luxuswohnungen sind selbstverständlich ausgeschlossen. Die Bauabsichten des Eigentümers werden geschützt. Er kann die Enteignung abwenden, wenn er das Grundstück binnen eines Jahres selbst bebaut. Es ist auch Vorsorge getroffen, daß nicht etwa planlos enteignet wird oder große Vorräte von Land in die öffentliche Hand kommen. Wir haben vorgesehen, daß nur solche Grundstücke enteignet werden können, die nach den Ergebnissen der Ortsplanung für eine Bebauung geeignet sind. Zur Behebung der Wohnungsnot kann die Enteignung zugunsten eines jeden Bauwilligen erfolgen, der glaubhaft macht, daß er das Grundstück alsbald bebauen wird. Damit wird entsprechend dem Ersten Wohnungsbaugesetz der gesamte Wohnungsbau und nicht nur ein Teilgebiet erfaßt werden.
Die Enteignung erfolgt nur gegen angemessene Entschädigung. Ich brauche für diejenigen Damen und Herren, die sich mit den Fragen beschäftigt haben, hier nicht anzudeuten, wie ungeheuer schwierig die Grundstücksbewertung insbesondere der Ruinen- und Trümmergrundstücke ist. Hier ist eine Obergrenze durch die heute noch geltenden gesetzlichen Stoppreise gezogen. Im übrigen dürfte der gemeine Wert maßgebend sein. Hier müssen wir der Praxis weitgehenden Entwicklungsraum geben, um dann vielleicht später mit gesetzlichen Regelungen einzugreifen.
Die Entschädigung ist grundsätzlich in Geld in der Form einer Barzahlung zu gewähren. In bestimmten Fällen soll sie aber so durchgeführt werden, daß anderes Land gegeben wird, vor allem dann, wenn bäuerlicher Besitz oder gärtnerisch genutzte Grundstücke in Frage kommen. Umstritten ist die Bestimmung, die es den Gemeinden — als Ausnahmefall — gestattet, die Entschädigung in zehn Jahresraten abzutragen. Die Bundesregierung hat geglaubt, von dieser Bestimmung nicht absehen zu können, weil bei den Umlegungen beim Neuaufbau der zerstörten Städte so große Summen anfallen, daß nicht abzusehen ist, wie die Gemeinden heute in der Lage sein sollten, sie auf den Tisch zu legen.
Wir haben über das Verfahren Bestimmungen vorgesehen und sind dann, ich glaube, zu einer brauchbaren und interessanten Lösung hinsichtlich des Rechtsschutzes gekommen. Das Gesetz überträgt die Enteignung einer Verwaltungsbehörde. Der Rechtszug aber ist ein einheitlicher über die Enteignung als solche und über die Entschädigung als solche und geht an neu zu schaffende Baulandkammern bei den Landgerichten und bei den Oberlandesgerichten. So glauben wir einen richtig ausgewogenen, richtig abgesteckten Weg gefunden zu haben, der sowohl dem Interesse der Allgemeinheit an einer raschen Entscheidung als auch dem Interesse des Einzelnen an einem ausgiebigen Rechtsschutz entspricht.
Das Gesetz hat dem Bundesrat vorgelegen. Der Bundesrat hat die Anträge von vier Bundesratsausschüssen, die sich zum Teil überschnitten, zum Teil widersprachen, angenommen. In der Bundesratsfassung ist von dem Gesetz eigentlich nicht viel mehr übrig geblieben als die Überschrift. Aber ich glaube, daß diese Schwierigkeiten im Laufe der gesetzlichen Prozedur weiter ausgeglichen werden können. Ich nehme an, daß das Gesetz dem Ausschuß überwiesen wird. Gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf der Regierung ist von einer Fraktion des Hohen Hauses ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt worden. Ich glaube, daß aus diesem Entwurf Formulierungen und materielle Anregungen in den Regierungsentwurf übernommen werden können.
Ich habe nur die eine Hoffnung, daß wir hier in der parlamentarischen Arbeit mit dieser schwierigen Materie wenigstens so rasch fertig werden, daß das Gesetz für die Bausaison des nächsten Jahres noch rechtzeitig Rechtskraft erlangt.