Rede von
Friedrich
Funk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor einem Jahr, am 28. März 1950, hat der Bundestag in einer Entschließung zum Ausdruck gebracht, daß die Enteignung von Grundstücken zugunsten des Wohnungsbaues beschleunigt gesetzlich geregelt werden müsse. Über die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes besteht kein Zweifel. Die Schwierigkeit der Materie brachte es aber mit sich, daß die Vorverhandlungen sich immer wieder in die Länge zogen. Draußen im Land war der Schrei nach Bauland wahrzunehmen, Siedlungen sollten und wollten gebaut werden, die Städte warteten auf Wiederaufbau, und in zahlreichen Fällen fehlte es an notwendigem Bauland.
Bei dieser Sachlage hat sich eine Gruppe meiner politischen Freunde, nachdem die Fertigstellung des Regierungsentwurfs sich fast ein Jahr verzögerte, entschlossen, einen Gesetzentwurf zur Beschaffung von Bauland auszuarbeiten. Unsere Arbeit begann etwa vor einem halben Jahr. Nach unserer Meinung muß die Baulandenteignung so geschehen, daß sie nichts anderes ist als eine Weiterentwicklung der bisherigen Enteignungsgesetze.
Grundsätzlich muß gesagt werden, daß die Schaffung von Wohnraum ein Anliegen der Allgemeinheit ist, so daß sie den Eingriff in das Privateigentum durchaus rechtfertigt. Es war dabei zu berücksichtigen, daß der Bauwillige es nicht allein in der Hand haben darf, das Verfahren auf ein Grundstück zu lenken, das ihm gerade als das richtige erscheint. Vielmehr soll die Enteignungsbehörde, die schließlich zu einer vernünftigen Lenkung der Bautätigkeit in Richtung auf geignetes Gelände mitberufen ist, die Möglichkeit haben, auch ein anderes, besser geeignetes Grundstück zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Im Vordergrund steht für uns der Bauwillige. Sein Bauvorhaben ist zunächst einmal zu prüfen. Es muß unter allen Umständen zuerst geklärt werden, ob nicht andere Wege, insbesondere der freihändige Grundstückskauf oder die Hilfe der öffentlichen Hand, zum Ziele führen würden. Erst dann entsteht die Frage, ob das vom Bauwilligen begehrte Grundstück der Enteignung unterliegen soll. Wir legen Wirt darauf, daß zunächst Gelände an anbaufähigen Straßen oder wenigstens solches Gelände erfaßt wird, das bereits verplant ist. Bei der Heranziehung anderer Grundstücke, deren Baulandeigenschaft immerhin nicht mehr selbstverständlich ist, muß sich die Enteignungsbehörde mit anderen behördlichen Stellen ins Benehmen setzen. Die Grundsätze vernünftiger Planung müssen unter allen Umständen eingehalten werden, schon um volkswirtschaftlich verfehlte Investitionen zu vermeiden. Die Einschaltung anderer Behörden wird naturgemäß manchmal das Verfahren recht erschweren. Wir haben jedoch durch das Setzen von Fristen dafür gesorgt, daß derartige Vorfragen beschleunigt geklärt werden.
Wir haben uns bemüht, unseren Entwurf in einzelne kurze Vorschriften aufzugliedern, vielfach unter Verzicht auf die Regelung von Teilfragen, zu deren Entscheidung sich die Enteignungsbehörde an den von uns am Anfang des Entwurfs herausgestellten Begriff der Baulandenteignung halten muß. Auf jeden Fall darf eine Baulandenteignung immer nur im Rahmen des allgemeinen Wohles zulässig sein.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage der Entschädigung. Die Entschädigung muß unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten festgesetzt werden. Das wird nicht immer leicht sein. Keinesfalls darf es dahin kommen, daß die Baulandenteignung ein bevorzugtes Mittel wird, um wesentlich billiger als im freien Erwerb ein Grundstück in die Hand zu bekommen.
Hier muß gleiches Recht für alle gelten.
Die Entschädigung muß angemessen sein. Der Begriff der angemessenen Entschädigung ist anerkanntermaßen in der bisherigen Rechtsprechung zum Enteignungsrecht bereits weitgehend geklärt. Dem Enteigneten soll nicht ein ihn einseitig belastendes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt werden; andererseits darf er aber auch sein Eigentumsrecht nicht rücksichtslos ausnützen. Die Entschädigung soll für beide Teile einen billigen und gerechten Ausgleich ihrer Interessen schaffen. Nur so wird dem Grundgesetz Genüge getan. Die Enteignungsbehörde, die schließlich eine Instanz mit besonderer Sachkunde sein soll und sein wird, müßte hier die Funktion der Preisbehörde wahrnehmen.
Um das Enteignungsverfahren nicht übermäßig in die Länge zu ziehen, haben wir Fristen vorgesehen, die zu einer Straffung und Beschleunigung des Verfahrens führen sollen. Auf jeden Fall müßte nach unserer Auffassung die Höhe der Entschädigung durch das ordentliche Gericht im Einklang mit Art. 14 des Grundgesetzes geprüft werden können. Um eine Zweigleisigkeit zu vermeiden, schlagen wir vor, bei den Landgerichten eine Kammer, für Baulandsachen zu bilden. Diese müßte unserer Auffassung nach mit zwei Richtern des Landgerichts und einem Verwaltungsrichter besetzt sein. In zweiter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht, das unter bestimmten Voraussetzungen die Angelegenheit auch vor den Bundesgerichtshof bringen kann.
Wir glauben, daß allein das Vorhandensein der Möglichkeit, in das Privateigentum durch Baulandenteignung einzugreifen, in vielen Fällen dazu führen wird, daß sich ein Grundstückseigentümer, der sich bisher weigerte, sein Gelände herzugeben, nunmehr bereitfinden wird, das Grundstück freihändig zu verkaufen, wenn er es nicht selbst bebauen kann. Wir erhoffen von diesem Gesetz also vor allen Dingen eine solche mittelbare Wirkung.
Meine Damen und Herren, ich bin selbst Landwirt. Diesen Entwurf hat eine ganze Reihe meiner bäuerlichen Freunde mit unterschrieben. Wir sind der Meinung, daß Eigentum verpflichtet. Seine Verpflichtung zeigt sich besonders da, wo Eigentum zur Schaffung von Wohnraum in andere Hände übergehen muß, um einem großen sozialen Ziel zu dienen.
Es geht uns hier um die Verwirklichung einer sozialen Forderung, die über den Wohnungsbau hinausreichend unserer weiteren sozialen Gesetzgebung den Weg bereiten soll.
Ich stelle den Antrag auf Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht federführend, gleichzeitig an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.