Protokoll:
2022

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 22

  • date_rangeDatum: 2. April 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:52 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. April 1954 747 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. April 1954. Geschäftliche Mitteilungen 747 C Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Schroeder (Berlin) 747 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Äußerungen des Bundesministers Dr. Wuermeling über das Filmwesen (Drucksache 234) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ehemaliges reichseigenes Filmvermögen (Drucksache 250), mit der B) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesbürgschaft für Filmvorhaben (Drucksache 349), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Koordinierung der Filmpolitik des Bundes und der Länder in bezug auf Steuererleichterungen (Drucksache 380) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion (Drucksache 381) 747 D Paul (SPD), Anfragender 748 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 751 A, 781 C Kalbitzer (SPD), Anfragender . . . 751 D, 770 B, C, D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft 754 B, 759 A Muckermann (CDU/CSU), Antragsteller 756 A Kühn (Köln) (SPD) 759 B, 787 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 764 B, 766 A, 768 C, 789 C Jacobs (SPD) 766 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 768 C Bausch (CDU/CSU) 769 B, 770 C, D Dr. Mende (FDP) 775 C Kemmer (Bamberg) (CDU/CSU) . . 781 D Gräfin Finckenstein (GB/ BHE) . . . 785 A Becker (Hamburg) (DP) 785 C Dr. Strosche (GB/ BHE) 788 A Metzger (SPD) 790 A, 791 A Dr. Mommer (SPD) 791 A D. Dr. Ehlers (CDU/CSU) 792 A Überweisung der Anträge Drucksachen 349, 380, 381 an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 792 C Absetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313) von der Tagesordnung 785 C, 792 C Nächste Sitzung 792 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200000
Meine Damen und Herren!
Ich eröffne die 22. Sitzung des Bundestages und
bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Frau Meyer (Dortmund), Schriftführerin: Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Rademacher für 4 Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Frühwald, Hübner, Dr. Brühler, Klingelhöfer, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn), Dr. von Brentano, Leukert, Dr. Löhr, Seidel (Fürth), Frau Dr. Hubert, Mensing, Demmelmeier und Arnholz.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200100
Ich unterstelle, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs für Herrn Abgeordneten Rademacher einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Heute feiert Frau Abgeordnete Schroeder ihren 67. Geburtstag. Ich spreche ihr herzliche Glückwünsche aus.

(Lebhafter Beifall.)

Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Äußerungen des Bundesministers Dr. Wuermeling über das Filmwesen (Drucksache 234);
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ehemaliges reichseigenes Filmvermögen (Drucksache 250);
c) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Bundesbürgschaft für Filmvorhaben (Drucksache 349);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Koordinierung der Filmpolitik des Bundes und der Länder in bezug auf Steuererleichterungen (Drucksache 380);
e) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion (Drucksache 381).
Meine Damen und Herren, wir werden so verfahren, daß wir zunächst die Begründung der Großen Anfrage zu 1 a, die Antwort der Bundesregierung,


(Präsident D. Dr. Ehlers)

die Begründung der Großen Anfrage zu 1 b, die Antwort der Bundesregierung, dann die gemeinsame Begründung der Anträge zu c bis e hören und anschließend in die allgemeine Aussprache über sämtliche fünf Gegenstände zu Punkt 1 der Tagesordnung eintreten. — Das Haus ist mit dieser Regelung einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Paul. Bitte schön!
Paul (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion, die ich zu begründen habe, fußt auf einer Zeitungsmeldung. Am 4. Februar erschien im Bulletin der Bundesregierung der offizielle Text der Rede des Herrn Bundesministers Dr. Wuermeling, die wir zum Gegenstand der Großen Anfrage machen wollen. Damit erledigt sich Punkt 1 unserer Großen Anfrage, in der wir zunächst zu wissen begehren, ob der Bundesregierung die Äußerungen des genannten Herrn Bundesministers bekannt sind; denn es darf wohl angenommen werden, daß die Bundesregierung von den im Bulletin veröffentlichten Reden Kenntnis besitzt. Wir wollen also in dieser Frage den zuständigen Herrn Minister nicht strapazieren, uns eine Antwort zu erteilen.
Nun aber zur Sache selbst! Wir wollen uns die Erlaubnis erbitten, diesen offiziellen Text der Rede des Herrn Bundesministers zum Gegenstand unserer Betrachtungen zu machen, wobei ich nur hoffen möchte, daß dieser Text vor der Veröffentlichung weder einer Volkszensur noch einer Staatszensur unterlegen hat. Herr Bundesminister Dr. Wuermeling hat am 30. Januar 1954 in Düsseldorf eine Rede gehalten, in der er ausführte:
Alle Bemühungen für unsere Familien werden vergebens sein, wenn die Auffassungen über das wahre Wesen und die Bedeutung von Ehe und Familie durch die Mittel öffentlicher Meinungsbildung — Film, Rundfunk, Presse — verwässert und verfälscht werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202200200

Vor allem ist es der Film, den wir leider weitgehend für die Zerstörung von Ehe und Familie mitverantwortlich machen müssen.
An einer anderen Stelle erklärte der Herr Bundesminister, nachdem er vorher zugegeben hatte, daß in der letzten Zeit auch gute Filme hergestellt worden sind:
Wir wissen aber auch, daß die Mehrzahl der Durchschnittsfilme das eheliche Leben in unwürdiger Weise auf die Leinwand bringt.
Meine Damen und Herren, wir halten es für notwendig, den Deutschen Bundestag mit dieser Rede zu befassen, nicht nur weil sie ungerechtfertigte Verallgemeinerungen enthält, die in dieser Form nicht zutreffen, sondern weil der Herr Bundesminister an seine Behauptungen auch Folgerungen knüpft, die tief in die Freiheit unseres geistigen und kulturellen Schaffens eingreifen. Unsere Große Anfrage wurde nachträglich noch mehr gerechtfertigt, als sich erwies, daß es sich bei der Rede des Herrn Dr. Wuermeling nicht um einen gelegentlichen Exzeß eines vielbeschäftigten Sonntagsredners handelt. Der Herr Bundesfamilienminister hat wesentliche Teile seiner Düsseldorfer Rede — vielleicht in Ermangelung anderer Aufgaben — später auch an anderem Orte wiederholt.
Wir haben uns in dieser Frage nicht deshalb zum Wort gemeldet, um den deutschen Film schlechthin zu verteidigen. Wir sind der Meinung, der deutsche Film ist durchaus nicht so gut, daß man an ihm nicht Kritik üben könnte; im Gegenteil!

(Aha-Rufe von der Mitte.)

Aber diese Kritik — und wir machen von der Freiheit der Kritik auch dem Film gegenüber Gebrauch, darauf können Sie sich verlassen — müßte an anderen Punkten angesetzt werden, als der Herr Bundesminister Wuermeling dies getan hat und tut. Sie müßte auch ein wenig die objektiven Schwierigkeiten in Betracht ziehen, die der deutsche Film zu überwinden hatte und noch heute zu überwinden hat und die darin gesucht werden können, daß das Naziregime den deutschen Film in einen Katastrophenzustand gebracht und in den Augen der Welt — und ich hoffe, auch in den Augen eines großen Teil des deutschen Volkes — diskreditiert hat. Man müßte aber auch die Schwierigkeiten berücksichtigen, die in einem Nachkriegsdeutschland entstanden sind, dem das alte Zentrum Berlin fehlt. Man müßte die wirtschaftlichen und auch die künstlerischen Schwierigkeiten berücksichtigen, die sich beim Film eingestellt haben, und man müßte auch berücksichtigen, daß es sich beim Film um ein Produkt handelt, das der Ausdruck sowohl künstlerischen Könnens als auch technischer Möglichkeiten ist, das zugleich aber auch eine Handelsware darstellt. Wir hätten zu diesem Thema sehr viel zu sagen. Aber da das Gesamtproblem des deutschen Films heute nicht Gegenstand der Beratungen sein kann, wollen wir darauf verzichten.
Betrachten wir uns einmal die Äußerungen des Herrn Bundesministers für Familienfragen etwas näher. Es ist objektiv unrichtig, daß „die Mehrzahl der deutschen Durchschnittsfilme" — wir haben leider sehr wenige Spitzenfilme und haben es fast nur mit Durchschnittsfilmen zu tun —. „das eheliche Leben in unwürdiger Weise auf die Leinwand bringt". Das ist selbst dann unrichtig, wenn man sich die sehr begrenzten Auffassungen des Herrn Dr. Wuermeling zu eigen machen wollte. Es ist aber auch unwahr und ungerecht, den Film weitgehend für die Zerstörung von Ehe und Familie verantwortlich zu machen. In dieser Frage müssen wir schon den deutschen Film in Schutz nehmen.
Der deutsche Film hat sich, wie Sie wissen, bezüglich seiner eigenen und bezüglich der Erzeugnisse fremder Länder der Freiwilligen Filmselbstkontrolle unterstellt. In dieser Einrichtung arbeiten alle Schichten des deutschen Volkes maßgeblich mit, und diese Einrichtung hat sich bisher segensreich ausgewirkt. Ich möchte nur auf eine Tatsache hinweisen, die beweist, daß die Freiwillige Filmselbstkontrolle wohl geeignet ist, Ausartungen beim Film entgegenzutreten. Im Jahre 1953 haben von 479 geprüften Filmen in- und ausländischer Produktion 117 Schnittauflagen erkalten. Wir müssen fragen: Hat der Herr Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling keine Kenntnis von dieser Einrichtung? Das wäre schlimm. Oder stellt er seine Behauptungen trotz Kenntnis dieser Einrichtungen auf? Das wäre schlimmer,


(Paul)

Herr Dr. Wuermeling spricht bei jeder passen-
den und unpassenden Gelegenheit von der Zerstörung von Ehe und Familie. In welcher Welt lebt denn der Herr Dr. Wuermeling? Überlegen wir uns doch einmal, welchem Schicksal das deutsche Volk und auch die deutsche Familie in den letzten 20 Jahren unterworfen waren!

(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

Da war die Nazizeit mit ihrer besonderen Moralauffassung. Dann kam der Krieg, keineswegs eine Zeit moralischen Aufschwungs, der oft in nur kurzen Urlaubswochen Ehen stiftete, bei denen zumindest der eine Teil den Tod vor Augen hatte und bei denen nicht immer nach dem Grundsatz gewählt wurde: Drum prüfe, wer sich ewig bindet! Es kamen der Zusammenbruch und die Nachkriegszeit mit der bitteren Schande der Schändungen. Es kam die Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihrer Heimat, bei der oft der Mann vom Weibe und das Kind von den Eltern gerissen wurden. Es kam das Leben von Millionen deutschen Menschen in Barackenlagern, wobei sich oft vor einem Dutzend und mehr Menschen das Leben von Ehe und Familie sozusagen in der Öffentlichkeit abspielte. Und dazu kam die Wohnung snot, die heute immer noch nicht überwunden ist.
Ziehen wir die Bilanz aus diesem schweren Schicksal des deutschen Volkes: Das deutsche Volk und mit ihm die deutsche Familie haben eine bewunderungswürdige moralische Widerstandskraft erwiesen.

(Beifall bei der SPD.)

Angesichts dieser Tatsache zögere ich nicht, zu erklären: Hut ab vor der deutschen Familie!

(Beifall bei der SPD.)

Hut ab auch vor der deutschen Jugend, die in ihrer übergroßen Mehrzahl in so hohem Maße ohne Schaden an Leib und Seele durch dieses Fegefeuer hindurchgegangen ist!

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wir stehen mit diesem Urteil nicht allein. In diesen Tagen hat Bischof Lilje dem Sinn nach das gleiche gesagt, und auch Professor Schelsky kam in seinen Untersuchungen der Probleme der Familie zu ähnlichen Schlüssen.
Ich erkläre: Bei jeder ernsten Bedrohung der deutschen Familie werden wir Sozialdemokraten die ersten bei der Abwehr der Gefahren sein.

(Beifall bei der SPD. — Rufe in der Mitte: Oh! Oh!)

Dazu brauchen wir keinen Bundesfamilienminister, auch nicht, wenn er Wuermeling heißt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wir haben das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit beschlossen, und wir stehen zu ihm. Es könnten sich manche an unserer Treue zu unserer Verfassung ein Beispiel nehmen.

(Beifall bei der SPD. — Erneute Rufe bei den Regierungsparteien: Oh! Oh!)

Für uns ist auch der Satz des Grundgesetzes über Familie und Ehe niemals eine nur rhetorische Floskel gewesen, ebensowenig wie die anderen Sätze, die von Freiheit für Wort und Schrift und Bild sprechen.
Schließlich darf ich daran erinnern, daß es nicht zuletzt auch wir Sozialdemokraten gewesen sind — und weiter sein werden —, die durch unseren Kampf um eine fortschrittliche Lohnpolitik, Sozialpolitik und Wohnungspolitik mehr für die Festigung und Erhaltung der deutschen Familie getan haben als manche Sonntagsredner.

(Beifall bei der SPD.)

Gewiß, es gibt Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Es gibt auch beim deutschen Film Auswüchse. Ich meine jene Klatschberichte über das Leben reklamesüchtiger Filmgrößen. Gegen solche unschöne Randerscheinungen hat aber z. B. schon unser früh verstorbener Freund Karl Brunner von der Tribüne dieses Hauses Stellung genommen und ist dagegen schon zu Felde gezogen, ehe der Herr Wuermeling den grotesken Einfall hatte, sich mit dem Film zu beschäftigen.

(Beifall bei der SPD. — Anhaltende Gegenrufe von der Mitte: Oh!)

Wir haben aber niemals verallgemeinert, meine Damen und Herren. Wir haben nicht den Film als Ganzes zum Prügelknaben gestempelt. Wir haben auch den am Film tätigen Menschen das Recht auf Privatleben gelassen. Die meisten von ihnen und die besten unter ihnen arbeiten übrigens hart an ihrem Werk.
Daß Filmleute für die Presse interessant sind — ebenso interessant wie z. B. Politiker einschließlich der Bundesminister —, steht auf einem anderen Blatt, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß die ersteren für die Presse meist ergiebiger sind als die anderen, weil sie in der Regel — ich unterstreiche: in der Regel — schöner sind an Gestalt und Angesicht.

(Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Pelster: Kann man nicht immer sagen!)

Auch beim Film werden mitunter mit schmutzigen Dingen Geschäfte gemacht.

(Aha-Rufe von der Mitte.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten haben diese Gesellschaftsordnung nicht erfunden,

(Sehr gut! bei der SPD — Lachen und Zurufe von der Mitte)

in der man aus Dreck Gold preßt. (Anhaltende Heiterkeit.)

Schließlich ist es doch Ihre Auffassung, daß alles in der Welt und in der Wirtschaft dem Liberalismus unterworfen sein soll.

(Lachen in der Mitte und rechts. — Abg. Pelster: Der Sozialismus ist doch schließlich das legitime Kind des Liberalismus!)

Aber es geht dem Bundesminister Dr. W u er m e1 i n g ja nicht um den Film, er sucht doch nur nach Argumenten für seine Bestrebungen, und diese Bestrebungen sind dunkler, sehr dunkler Art.

(Lachen und Zurufe von der Mitte: Oh! Oh!)

Indem der Herr Bundesminister Wuermeling den Film zu kastrieren versucht,

(schallende Heiterkeit)

indem er ihm ein Thema zu entziehen trachtet, (Glocke des Präsidenten)

führt er einen Angriff auf die Freiheit des Geistes und des künstlerischen Schaffens.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)



(Paul)

Wenn Ehe- und Familienprobleme nicht mehr behandelt werden dürfen, wird dem Film ein Teil seiner geistigen Substanz entzogen. Die Künstler aller Zeiten und Völker haben nicht nur das Durchschnittsschicksal dargestellt, es reizte sie die Gestaltung des Ungewöhnlichen, des Tragischen und des Problematischen. Das war so von Sophokles bis Shakespeare und Goethe,

(Heiterkeit und Zurufe von der Mitte. — Glocke des Präsidenten)

das war so von Schillers „Luise Millerin" über Ibsen, Strindberg und Hermann Bahr bis in unsere Zeit.

(Anhaltende Heiterkeit und Zurufe von der Mitte. — Glocke des Präsidenten.)

Wenn die Grundsätze des Herrn Dr. Wuermeling allgemeine Geltung erhalten sollten, dann dürften z. B. auch Mozarts „Figaro" und sein „Don Giovanni" nicht mehr aufgeführt werden, dann müßte nicht nur der Film, dann müßte jede Form der Kunst verdorren. Dann kommt als nächstes der Zwickel beim Badeanzug,

(große Heiterkeit)

dann kommt der Protest gegen unbekleidete Darstellungen in der bildenden Kunst, und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis in jedem Druckerzeugnis jede Zeile nachgeprüft werden muß, ob sie nicht eine erotische Andeutung enthält.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Dann müßte unser Kulturleben — und beim Film würde dies den Anfang nehmen — auf das Niveau einer Courths-Mahler oder auf die verlogene Moral der „Gartenlaube" absinken.

(Zurufe von der Mitte.)

Dann würde der Film nur noch grün sein wie die Heide oder rot wie die Heide oder blau wie die Heide.

(Große Heiterkeit.)

Aber dann, meine Damen und Herren, würden wir beim Film im Inland eine Pleite erleben, und im freien Ausland würde er unverkäuflich werden. Für diese Dinge sollte sich eigentlich auch einmal der Herr Bundeswirtschaftsminister interessieren, wenn er zufällig einmal im Lande ist.
Meine Damen und Herren, man soll doch nicht so zimperlich sein!

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Gerade jene, die soviel von „Volksnähe" schwätzen, sollten sich doch einmal überlegen, daß es in gewissen Teilen unseres deutschen Sprachbereiches die Sitte des Fensterlns schon gegeben hat, ehe noch der Film erfunden war.

(Heiterkeit.)

Das deutsche Volk ist deshalb nicht zugrunde gegangen, es hat rustikalen Sitten zum Trotz aus unserem Landvolk immer noch die besten Kräfte gesogen.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Herr Bundesminister Wuermeling fordert für die Vergabe von Staatskrediten an den Film die Anlegung nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch staatspolitischer Gesichtspunkte. Wir sind begierig, von der Bundesregierung zu erfahren, welcher Art diese Gesichtspunkte sind. Wir sollten gewarnt sein, meine Damen und Herren. Es gibt abschrekkende Beispiele. Man denke an die Nazizeit mit I dem Prädikat „staatspolitisch wertvoll", einem Prädikat, das wahren aufrichtigen Demokraten gleichbedeutend mit der Qualifikation eines schlechten Films sein sollte. Aber wir brauchen gar nicht in die Ferne zu schweifen,

(Zurufe von der Mitte: Sehr richtig!)

sondern brauchen nur in die Gegenwart zu blikken. Denken wir an die in der Sowjetzone hergestellten deutschen Filme. Diese entsprechen in vieler Hinsicht durchaus dem Moralbegriff des Herrn Dr. Wuermeling.

(Lebhafte Pfui-Rufe von der Mitte.)

In ihnen werden die Menschen mit bedeckten Beinen und mit hochgeschlossenen Russenblusen gezeigt, und das Aktivistenpärchen darf sich erst
einen Kuß geben, wenn es sein Übersoll erfüllt hat.

(Anhaltende große Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten.)

Solche Filme müßten im Sinne des Herrn Dr. Wuermeling sehr moralisch sein. Dabei sind sie doch im höchsten Grade unmoralisch vom Standpunkt der Demokratie.
Herr Wuermeling fordert die „Volkszensur". Was stellt er sich darunter vor? Wir wünschen von der Bundesregierung Aufklärung darüber, was darunter zu verstehen ist. Wir erklären: Zensur bleibt Zensur, auch wenn man das Wörtchen „Volks" voransetzt. Wir wenden uns gegen die Tendenz, die in den Äußerungen des Herrn Bundesfamilienministers zum Ausdruck kommt. Wir wenden uns gegen die Kulturreaktion, die darin anklingt. Indem wir diese Frage bei dem konkreten Anlaß zur Sprache bringen, wollen wir ihren Anfängen wehren.
Die Freiheit der künstlerischen Betätigung muß gewahrt bleiben, auch soweit es sich um den Film handelt, auch die Freiheit der Themenwahl. Einziger Maßstab darf sein, ob ein Werk an Gehalt und Darstellung künstlerisch wertvoll ist. Wenn es gilt, die Jugend vor vorzeitiger Beschäftigung mit Problemen zu bewahren, für die sie die Reife noch nicht besitzt, dann vertrauen wir darauf, daß die 7 Theologen in der Filmselbstkontrolle, die 14 Hausfrauen, die 20 Schriftsteller und Journalisten, die 4 Juristen, die 7 Lehrer und all die anderen, von denen wir annehmen, daß sie sehr viel Sinn für Moral und christliche Ethik besitzen, genügend Verantwortungsbewußtsein haben, das sie die entsprechende Bewertung finden läßt. Dabei bin ich mir der Problematik durchaus bewußt, die darin besteht, daß bei Klassifizierungen wie „Jugendverbot" ein Anreiz vorhanden ist, der oft dazu führt, das Verbot zu übertreten. Wir sind deshalb der Meinung, daß der Herr Familienminister sich ein anderes Betätigungsfeld aussuchen sollte. Die Tatsache, daß jemand auf Grund des Systems des politischen Blind- und Blockbuchens zum Minister bestellt worden ist, beweist noch lange nicht, daß er zum Filmkritiker berufen ist. Was wir brauchen, ist eine sachkundige und nicht eine unsachgemäße, aus reaktionären Motiven erfolgende Kritik am Film. Was wir brauchen, ist die stärkere Förderung des guten, des hochwertigen Filmes.

(Abg. Kemmer [Bamberg] : Also doch Förderung!)

Aber das ist eine Aufgabe, für die der Herr Bundesminister für Familienfragen weder zuständig,
noch in der Sache kompetent ist. Darum rufen wir


(Paul)

ihm zu: Hände weg vom deutschen Film und von der deutschen Kultur!

(Beifall bei der SPD. — Lachen und Zurufe von der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200300
Zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.

(Zuruf von der SPD: Wir fragen doch Wuermeling! — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0202200400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich höre gerade aus einem Zwischenruf, daß der betreffende Kollege enttäuscht ist, Herrn Wuermeling hier nicht zu sehen. Ich hoffe, daß er im Laufe der Debatte dazu Gelegenheit haben wird.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

— Ich meine, an diesem Pult nicht zu sehen; Sie werden die Gelegenheit im Laufe des Vormittags noch haben.
Ich darf der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD folgende geschäftsordnungsmäßige Bemerkung vorausschicken: Dem Herrn Präsidenten des Bundestages war am 17. Februar 1954 mitgeteilt worden, daß die Beantwortung dieser Anfrage durch den Herrn Bundesminister für Familienfragen erfolgen werde. Inzwischen hat sich ergeben
— unter anderem auch durch einige Anträge aus dem Hause, die heute ebenfalls zur Debatte stehen —, daß eine allgemeine Erörterung über Fragen des Filmwesens stattfinden wird. Die Beantwortung der Großen Anfrage ist daher dem für diese Anfrage federführenden Bundesminister des Innern übertragen worden.
Dies vorausgeschickt, habe ich namens der Bundesregierung folgendes zu erklären.
Die Frage 1 hat der Antragsteller bereits selbst beantwortet. Ich darf bestätigen, daß der Bundesregierung die Ausführungen bekannt sind, die der Herr Bundesminister für Familienfragen zum Thema Film am 1. Februar 1954 auf einer Veranstaltung des Deutschen Familienbundes in Düsseldorf gemacht hat.
Zu Ziffer 2 der Anfrage: Der Herr Bundesminister für Familienfragen hat in seiner Rede zu dem durchschnittlichen Niveau der Filme Stellung genommen, die heute im Bundesgebiet gespielt werden. Seine Kritik richtete sich gleichermaßen gegen eingeführte Filme aus anderen Ländern wie auch gegen Filme deutscher Produktion.
Die Bundesregierung ist gleichfalls der Meinung, daß das Niveau vieler dieser Filme tief liegt; sie teilt infolgedessen die Besorgnis, daß dadurch in bedauerlicher Weise zu einer kulturellen Verflachung beigetragen wird.

(Beifall in der Mitte.)

Dabei ist zu berücksichtigen, daß gerade der Film die geistige und sittliche Entwicklung der Jugend stark beeinflußt. Erfreulicherweise sind jedoch in letzter Zeit deutsche Filme hergestellt worden, die nach Inhalt und Gestaltung Anerkennung verdienen; auch der Herr Bundesminister für Familienfragen hat das besonders hervorgehoben.
Der Herr Bundesminister für Familienfragen hat den Wunsch ausgesprochen, die Bevölkerung möge solchen Filmen mit Kritik begegnen, die sich über die Würde des Menschen, insbesondere der Frau, hinwegsetzen und die Ehe und Familie mißachten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Er hat ausdrücklich betont, daß sich diese Kritik aus dem Volke im Rahmen unserer Rechtsordnung zu halten habe. Er hat ferner alle Verbände gebeten, die sich die Wahrung dieser Rechtsgüter angelegen sein lassen, das Urteilsvermögen der Bevölkerung in diesem Sinne zu stärken. Nur so, als kritische Ablehnung bedenklicher Filme, nicht aber als irgendeine Präventivmaßnahme gegen das freie künstlerische Schaffen, kann also der Ausdruck „Volkszensur" verstanden werden. Wenn durch das Wort „Zensur" in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstanden sein sollte, so stelle ich hiermit ausdrücklich als Auffassung der Bundesregierung fest, daß gleichwohl die Ausführungen des Herrn Bundesministers für Familienfragen eine andere Auslegung als die von mir gegebene nicht zulassen. Im übrigen hat der Herr Bundesminister für Familienfragen betont, daß er in Übereinstimmung mit Art. 5 des Grundgesetzes eine staatliche Zensur ablehne.
Zu Ziffer 3. Hier wird der Bundesminister für Familienfragen falsch zitiert. Die Bundesregierung hält es für selbstverständlich, daß keine Filmbürgschaften aus öffentlichen Mitteln vergeben werden, bei denen die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft besteht. Damit ist sichergestellt, daß bei der Entscheidung über die Bürgschaft auch die tragenden Rechtsgedanken unserer verfassungsmäßigen Grundordnung berücksichtigt werden. Zu diesen gehört auch Art. 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besondren Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

(Beifall in der Mitte.)

Zu Ziffer 4. Die Rede des Herrn Bundesministers für Familienfragen befaßte sich nicht mit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Im Arbeitsausschuß dieser Einrichtung haben von insgesamt acht Stimmen die Filmwirtschaft 4 Stimmen, Bund, Länder, Bundesjugendring und abwechselnd die beiden christlichen Kirchen und die Israelitische Religionsgemeinschaft je 1 Stimme. Der Bund hat sich durch seine Mitwirkung zum Gedanken der freiwilligen Selbstkontrolle bekannt. Sicherlich wird man über einzelne Entscheidungen verschiedener Meinung sein können und dürfen. Die Träger der Freiwilligen Selbstkontrolle stehen gerade jetzt in Verhandlungen miteinander, um die Grundsätze dieser Einrichtung zu verbessern. Die Verhandlungen werden allseits mit gutem Willen zur Verständigung geführt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200500
Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 234 ist beantwortet. Ich stelle formell die Frage, ob eine Besprechung gewünscht wird.

(Zurufe von der SPD: Nachher!)

— Ja, nachher. Ich wollte nur formell feststellen,
ob die Voraussetzungen der Geschäftsordnung für
die Besprechung der Großen Anfrage gegeben sind.
Es folgt die
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend ehemaliges reichseigenes Filmvermögen (Drucksache 250).
Herr Abgeordneter Kalbitzer, bitte!
Kalbitzer (SPD), Anfragender: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anfrage Druck-


(Kalbitzer)

sache 250 ist aus zwei Besorgnissen heraus gestellt worden. Die erste Besorgnis ist, daß öffentliche Gelder nicht zweckmäßig für die Filmwirtschaft verausgabt werden. Sie erinnern sich vielleicht, daß wir im ersten Bundestag 60 Millionen DM Bundesbürgschaften für den Film zur Verfügung gestellt haben. Ein erheblicher Teil davon ist inzwischen gegeben worden. Die Richtlinien der Bürgschaftsvergabe sind von uns von Anfang an nachdrücklichst kritisiert worden, weil der Zweck, nämlich die notwendige Sanierung des 1945 total ruinierten Films, nicht erfüllt wird und nicht erfüllt werden kann. Einer der wesentlichsten Mängel der Richtlinien über die Vergabe der Gelder liegt darin, daß die Filmproduktion zu 100 °/o verbürgt wird, d. h. mit anderen Worten, daß jedes eigene Risiko der Produzenten ausgeschaltet und zur gleichen Zeit infolge der Form der Bürgschaftsvergabe ein Anreiz zu einer dauernden Überproduktion gegeben wird, ohne daß damit den Filmproduzenten wirklich zu einer Sanierung verholfen wird; diese werden vielmehr weiter wirtschaftlich am Gängelband geführt. So wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was der Bundestag mit den Bürgschaften beabsichtigt hat.
Auf der andern Seite haben wir ein zweites, bundeseigenes Unternehmen, das der Filmwirtschaft erhebliche Kredite zur Verfügung stellt. Das ist das ehemals reichseigene, jetzt bundeseigene und zu liquidierende Goebbels-Ufa-Vermögen. Die Firmen, die nach dem Liquidationsgesetz zu entflechten und zu reprivatisieren sind, produzieren einstweilen mit ihrem eigenen Kapital weiter und machen der neu gegründeten Filmwirtschaft, der durch die Bürgschaften geholfen werden soll, die schärfste und in diesem Maße unlautere Konkurrenz, zumal sie die Kapitalien, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, mit verwenden können. Es ist nach unserer Auffassung unerträglich, daß zwei bundeseigene Unternehmungen gegeneinander arbeiten und sich auf verschiedene Art in der Filmwirtschaft betätigen, so daß der Erfolg des einen notwendigerweise den Mißerfolg des andern Unternehmens herbeiführen muß. Die Filmwirtschaft leidet heute einerseits an der Überproduktion und andererseits an dem Mangel an Eigenkapital, soweit es sich um die nach 1945 aus der Not der Zeit neu entstandenen Unternehmungen handelt. Die Verluste dieser falschen und von der Bundesregierung und ihren Unternehmungen falsch geleiteten Filmproduktion trägt die öffentliche Hand. Damit ist der Beweis für die Berechtigung unserer Besorgnis darüber, daß die Gelder falsch angelegt worden sind, erbracht.
Selbstverständlich müssen wir nun überlegen, welche Möglichkeiten zur Sanierung der Filmwirtschaft gegeben sind. Da möchte ich an die alten Forderungen erinnern, die im Bundestag zwar wiederholt ausgesprochen, aber in keinem einzigen Fall in die Praxis umgesetzt worden sind: die Einfuhr der Filme ist mengenmäßig zu begrenzen, die Zahl der öffentlich geförderten Filme ist auf den Umfang des voraussichtlichen Bedarfs zu begrenzen, und es muß eine Überprüfung der Bürgschaftsrichtlinien vorgenommen werden, um sie mit den Gepflogenheiten der Kredithergabe der Ufi-Liquidationsgeselischaften in Übereinstimmung zu bringen, damit das Gegeneinander dieser beiden bundeseigenen Unternehmungen aufhört. Außerdem muß der Frage der Exportförderung des deutschen Films Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dabei sind wir uns darüber klar, daß es sich einerseits um ein wirtschaftliches, andererseits natürlich um ein qualitatives Problem handelt, weil der deutsche Film bisher nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit gehabt hat, qualitätsmäßig auf dem Weltmarkt anzusprechen.
Die nächste Frage ist die der Vergnügungssteuer, die vom Film bezahlt werden muß und auf die die Gemeinden natürlich dringend angewiesen sind. Bezüglich der Frage der Vergnügungssteuer, die ja auch noch von der Regierungskoalition angesprochen werden wird, möchte ich darauf hinweisen, daß ein Abbau dieser Steuer etwa zu Lasten der Einnahmen der deutschen Gemeinden ganz undenkbar ist. Andererseits ist es aber ein Unsinn, den Film zentral, vom Bund her mit Subventionsgeldern zu unterstützen, die zum Schluß, wenn sie die ganze Filmproduktion durchlaufen haben, als Steuerabgaben wieder herausfließen. Damit hat man weder dem Film gedient, noch ist dadurch der Sinn dieser Subvention erfüllt. Im Gegenteil, man hat das Geld zur Zahlung an die Gemeinden eigentlich nur einen Umweg fließen lassen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Richtig gesagt handelt es sich also um ein Problem der Finanzreform, auf die wir heute allerdings nicht eingehen wollen. Wir müssen aber doch feststellen, daß wir eine der Aufgaben der Finanzreform zum Beispiel darin gesehen hätten, derartige Unsinnigkeiten zu beseitigen.
Lassen Sie mich nun eine zweite Besorgnis, die wir haben, kurz ansprechen. Sie betrifft die Liquidierung des Goebbels-Ufa-Vermögens, die vom Bundestag beschlossen worden ist und bei der wir befürchten, daß die Entwicklung von der Goebbels-Ufa zurück zu einer Hugenberg-Ufa verläuft. Mit anderen Worten: das Staatsmonopol, wie es die Nazis aufgebaut haben, wird nun bei der Reprivatisierung nicht echt aufgeteilt, sondern geht durch Strohmänner dieses ehemals reichseigenen Goebbels-Ufa-Vermögens an eine Zentrale, an einen privaten Monopolisten über.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Dabei möchte ich betonen, daß wir nicht für eine Atomisierung der Filmwirtschaft sind. Die Filmwirtschaft ist ihrer ganzen wirtschaftlichen Konstruktion nach eine Industrie und benötigt große Betriebe. Wir sind deshalb für konkurrierende Großbetriebe und halten die Konkurrenz nicht nur für eine wirtschaftliche, sondern, was wichtiger ist, für eine kulturelle Notwendigkeit.
Die Liquidation ist vor einiger Zeit angelaufen. Wir müssen erklären, daß wir in diesem Punkte angesichts dessen, was wir bisher gesehen haben, die allerschwersten Bedenken hegen. Diese Bedenken richten sich gegen die Spitze des Liquidationsausschusses. Die Spitze des Liquidationsausschusses bietet nach unserer Überzeugung leider nicht die Gewähr für eine loyale Durchführung des Gesetzes. Ich habe keinerlei Ressentiments gegen die politische Vergangenheit des Herrn Kollegen Dr. Vogel. Es ist nur die Frage, ob der Herr Kollege Dr. Vogel durch seine politische Vergangenheit, die in der Presse allgemein publiziert worden ist und, wie man weiß, auch der Bundesregierung zur Kenntnis gekommen Ist, für diese verantwortungsvolle Aufgabe, wo es sich darum handelt, einen Meinungsbildner, nämlich den Film, auf anständige Weise in ein Konkurrenzverhältnis zu bringen und damit jedes Meinungsmonopol auszuschließen, die richtige Eignung besitzt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)



(Kalbitzer)

Ich muß hier leider einen Ihnen wahrscheinlich schon bekannten Satz aus einem früheren Artikel von Herrn Dr. Vogel — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — wiederholen. Herr Kollege Dr. Vogel hat am 2. September 1938 zu den Filmfestspielen in Venedig geschrieben:
Wenn trotzdem der deutsche Großfilm einen so durchschlagenden Erfolg erzielte, so ist das der ebenso stillen wie hingebungsvollen Arbeit zu verdanken, die von allen Beteiligten am Film geleistet wird. Es ist bekannt, daß vor allem auch Reichsminister Dr. Goebbels gerade dem deutschen Film seine besondere Aufmerksamkeit und Energie zugewandt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich will Sie hier nicht mit einer Reihe sehr peinlicher Artikel allgemein nazistischer Tendenz langweilen, sondern möchte nur feststellen, daß diese Einstellung zu Goebbels und den Filmmethoden der Nazizeit einen Kollegen nicht besonders geeignet erscheinen läßt, heute diese Aufgabe zu übernehmen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich glaube, wenn Herr Dr. Vogel es mit der Demokratie gut meinte, würde er sich von selber von dieser Aufgabe zurückziehen.

(Beifall bei der SPD und rechts.)

Denn es gibt in unserem Bundestag weiß Gott genügend Aufgaben, die nicht von dieser politischen Delikatesse sind wie die vorliegende.
Ungefähr das erste, was der Liquidationsausschuß beschlossen hat, war — man kann es nur unter die Überschrift „Vom Hoheitsträger zum Wissensträger" stellen —, Herrn Dr. Winkler, der von 1933 bis 1945 die demokratische freie Presse und den unabhängigen Film für Goebbels aufgekauft hat, in einer Form, die man schlechthin nur als politische Leichenfledderei bezeichnen kann,

(Sehr gut! bei der SPD)

dem Herrn Dr. Winkler, der bis 1945 der oberste Chef der deutschen Nazifilmwirtschaft gewesen ist, 100 000 Mark — D-Mark! — zuzusprechen, und zwar mit der erstaunlichen Begründung, daß Herr Dr. Winkler ein Wissensträger der Filmwirtschaft sei.

(Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört! — Zuruf von der SPD: War auch ein Kriegsgeschädigter!)

Diese 100 000 DM werden erst dann ins rechte Licht gesetzt, wenn man weiß, daß derselbe Liquidationsausschuß für weitere eintausend Ufa-Pensionäre ganze 200 000 DM als Pension und Abfindung zur Verfügung gestellt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Hier ist doch wohl die Frage erlaubt, was die Herren des Liquidationsausschusses, wenn sie in dieser Form Geld ausgeben, noch weiterhin verschenken werden.
Wir halten es für unbedingt notwendig, daß die Ufi-Liquidation, wie es von der Sozialdemokratischen Partei schon von Anfang an gefordert worden ist, einer demokratischen Kontrolle unterstellt wird. Es ist unerträglich, wenn die Bundesregierung einerseits sagt, diese Liquidation sei eine reine Verwaltungsaufgabe und könne nur von Beamten gemacht werden, andererseits aber außer den Beamten, die in dem Ausschuß tätig sind, an die Spitze ausgerechnet einen einzigen CDU-Abgeordneten und dann auch noch Herrn Dr. Vogel stellt. Entweder ist es eine wirkliche Verwaltungsaufgabe, bei der dann auch die Verwaltung die dazu notwendigen Methoden anzuwenden hat, oder es ist eine Aufgabe, bei der das Parlament zu kontrollieren hat; dann ist Herr Dr. Vogel nicht derjenige, der für das Parlament diese Kontrolle ausüben kann.

(Beifall bei der SPD.)

Ich muß Ihnen offen sagen, daß, wenn diese demokratische Kontrolle jetzt nicht nachträglich und schnellstens gewährt wird, ein politischer Skandal unschwer vorauszusagen ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Zum dritten möchte ich auf ein Bedenken zu sprechen kommen, das sich damit befaßt, wer als Strohmann dieses frühere Nazieigentum übernimmt. In der Öffentlichkeit ist bekanntgeworden, daß Strohmänner der früheren Firma Krupp versuchen, die verschiedenen zu liquidierenden Firmen aufzukaufen. Soweit bisher bekanntgeworden ist, sind als Reflektanten dieses Vermögens Banken und Finanzmakler hervorgetreten. Banken sowohl als auch Finanzmakler sind in der Regel keine eigenen Käufer, sondern kaufen für jemandes anderen Rechnung; das ist nur natürlich. Die Öffentlichkeit hat in dieser wichtigen Angelegenheit ein Recht darauf, vor dem Verkauf zu wissen, wer der wirkliche Käufer dieser Vermögen sein wird.

(Beifall bei der SPD. — Vereinzelte Zustimmung rechts.)

Das ist durch die jetzigen Methoden des Liquidationsausschusses nicht nur nicht sichergestellt, sondern garantiert verhindert, weil er bisher im geheimen gearbeitet hat und man das, was über seine Tätigkeit zu erfahren war, nur unter der Hand erfahren konnte.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Um also das Liquidationsgesetz durchzuführen, muß man auf die in dem Gesetz mit ausreichender Sicherheit vorgesehene Ausschaltung der Strohmänner hinarbeiten.
Ich komme zu einem letzten Problem, dem Problem des amerikanischen Einflusses auf den westdeutschen Filmmarkt. In der Bundesrepublik vagabundieren zur Zeit schätzungsweise über 50 Millionen DM in Form von Sperrmark als amerikanisches Kapital. Diese hohen Summen haben sich dadurch angesammelt, daß nach dem Kriege amerikanische Filme einflossen, weil keine deutschen Filme produziert wurden und die Nazi-Filme in der Regel nicht laufen durften. Diese über 50 Millionen DM werden offenbar von den amerikanischen Eigentümern dazu verwandt, in wirtschaftlich unverantwortlicher Weise deutsche Filmtheater aufzukaufen. Außerdem sind heute von den großen Filmverleihen, die ihrerseits von den Bundesbürgschaften profitieren, faktisch mehrere in ausländischer Hand. Es ist uns hier keineswegs darum zu tun, daß alle Unternehmungen, die sich in Deutschland betätigen, auch in deutscher Hand sein müssen, und es wird hier keinesfalls einer nationalen Autarkie das Wort geredet. Aber es ist ein ungesunder Zustand, daß, dank der wirtschaftlichen Unterentwicklung des neuen deutschen Films, nun das ausländische Kapital hier eine übermächtige Rolle spielen kann.

(Sehr richtig! bei der SPD.)



(Kalbitzer)

Wir meinen deshalb, daß es dringend an der Zeit ist, daß die Bundesregierung Schritte unternimmt, um mit den amerikanischen Sperrmarkbesitzern zu vereinbaren, in welcher loyalen Weise die amerikanische Sperrmark hier in Deutschland weiter verwandt wird, und zwar in einer Form, daß sie entweder ihre Sperrmark dadurch verausgaben, daß sie in Deutschland Filme produzieren lassen, oder daß diese Sperrmark transferiert wird, aber nicht dadurch, daß von den Amerikanern deutsche Filmtheater aufgekauft und zu Theaterketten zusammengeschlossen werden und damit dem amerikanischen Film ein übergebührlicher — ich sage: übergebührlicher — Einfluß eingeräumt wird.
Ebenso ist es mit der Frage der Filmeinfuhren. Wir haben seit langem darauf bestanden, daß ausländische Filme — wobei es sich in erster Linie um amerikanische, erst in zweiter und dritter Linie um englische, französische und italienische Filme handelt — in einem begrenzten Umfange eingeführt werden, so wie es außer in Deutschland überall in der Welt üblich ist. Die Bundesregierung hat bisher gemeint, dafür keine Möglichkeit durch Schaffung gesetzlicher Grundlagen zu haben. Ich meine dagegen, die Bundesregierung hätte längst die Möglichkeit gehabt, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, oder hätte versuchen können, selbst ohne gesetzliche Grundlage zu einem Gentleman's Agreement, zu einer Vereinbarung mit den Amerikanern zu kommen. Zu einer Gesundung der deutschen Filmwirtschaft gehört es auch, daß diese den deutschen Markt als erste beliefern kann und daß das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Filmen auch wirtschaftlich ein gesundes und vertretbares Maß hat. Wenn das nicht der Fall sein kann, dann werden alle Subventionen, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart für den Film gegeben wurden und gegeben werden, umsonst gegeben; und das hieße in der Tat eine Verschwendung des Vermögens.
Wir sind der Meinung, daß es möglich sein sollte, die Sanierung des deutschen Films mit einigen Abänderungen der Bürgschaftsrichtlinien zu erreichen, und bitten die Bundesregierung um mehr Aktivität als in der Vergangenheit.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200600
Zur Beantwortung dieser Großen Anfrage hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202200700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Anfrage Drucksache 250 wird wie folgt geantwortet.
Zu Ziffer 1: Die werbenden Teile des ehemals reichseigenen Filmvermögens, nämlich die Aktiengesellschaft für Filmfabrikation (Afifa) in Berlin mit dem Auslagerungsbetrieb in Wiesbaden, die Universum-Film A. G. (Ufa) in Berlin und die Bavaria-Filmkunst GmbH. in München-Geiselgasteig, arbeiten seit dem Zusammenbruch 1945 als filmtechnische Betriebe. Den Atelieranlagen in Berlin, Wiesbaden und München sind jeweils Kopieranstalten angegliedert. In den Atelieranlagen werden laufend Filme deutscher wie auch ausländischer Produzenten hergestellt, während in den Kopierwerken deutsche und ausländische Filme kopiert werden.
Die Gesellschaften haben, wie es seit Jahrzehnten in der Filmindustrie brancheüblich ist, Filmproduzenten bzw. Filmverleihern Atelier- und Kopierwerkskredite eingeräumt. Teile dieser Kredite werden in der Regel aus den anfallenden Einspiel-erlösen abgedeckt, während ein anderer Teil der Sachleistungen jeweils sofort bei Rechnungserteilung bar bezahlt wird. Eine Besicherung der Atelierleistungskredite erfolgt in der Weise, daß die Gesellschaften Wechsel erhalten, die nicht nur die Unterschrift des Produzenten, sondern auch die der Verleihgesellschaft tragen.
Zu diesem brancheüblichen Verfahren der Kreditgewährung sind die ehemaligen Treuhänder des Ufa-Liquidations-Komitees in der Zeit der alliierten Treuhänderschaft durch das Film-Reorganisations-Komitee mit Memo (52) 202 vom 13. September 1952 noch einmal ausdrücklich angewiesen worden. Insgesamt wurden in den Jahren 1951 bis 1953 von den Ufa-Afifa-Betrieben in Berlin rund 71/2 Millionen DM Kredit gegeben, während von der Bavaria-Filmkunst GmbH. in den gleichen Jahren 1951 bis 1953 insgesamt knapp 5 Millionen DM Kredite gewährt wurden. Außer diesen Atelier-und Kopierwerkkrediten, ohne die im übrigen in der Vergangenheit die Produktion deutscher Filme fast unmöglich gewesen wäre, wurden von den Theatergesellschaften der Ufa an eine Reihe deutscher Verleihgesellschaften Filmmietenvorauszahlungen geleistet, die nach Maßgabe der Einspielerlöse bei Abspielen der Filme in den Theatern der Ufa wieder einbehalten worden sind. Auch die Besicherung dieser Forderungen erfolgte durch Verleihwechsel. So sind im Jahre 1951 Filmmietenvorauszahlungen von 100 000 DM, im Jahre 1952 400 000 DM und im Jahre 1953 1 130 000 DM gegeben worden. Kredithilfen der eben geschilderten Art sind jeweils auch von seiten der Atelier- und Kopierbetriebe gegeben worden, die nicht zum ehemals reichseigenen Filmvermögen gehören, sondern sich in privater Hand befinden. Es handelt sich also um ein absolut übliches Verfahren; diese Maßnahmen sind allerdings der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung ist aber der Auffassung, daß diese in der Filmwirtschaft seit je üblichen Kredithilfen keineswegs im Gegensatz zu der Übernahme von Bürgschaften durch die Bürgschaftsgesellschaft für Filmkredite mbH in Frankfurt stehen, sondern daß sie vielmehr diese ergänzen.
Die Bürgschaftsgesellschaft für Filmkredite ist am 1. August 1953 gegründet worden und hat am 1. September des gleichen Jahres ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Aufgabe ist es, die Herstellung deutscher Filme durch die Übernahme von Bürgschaften zu fördern, und zwar mit dem Ziel, durch Hebung der Wirtschaftlichkeit, aber auch durch Qualitätsverbesserung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Filmproduktion zu steigern. Die Bürgschaften werden gegenüber Banken oder Bankenkonsortien übernommen, die sich bereit erklärt haben, einem Unternehmen, das seinen Sitz oder seine gewerbliche Hauptniederlassung im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Berlin-West hat und sich gewerblich mit der Herstellung oder dem Verleih von Filmen befaßt, einen Kredit einzuräumen, der der Herstellung einer bestimmten Anzahl im gleichen Verleihjahr uraufzuführender Filme dienen soll. Dabei ist die Anzahl der Filme so bemessen, oder sie soll jedenfalls so bemessen sein, daß ein wirksamer Risikoausgleich gesichert erscheint. Die Filmbürgschafts-Richtlinien 1953 sehen eine hundertprozentige Verbürgung der eingeräumten Kredite vor, um auf diese Weise eine fühlbare Zinsverbilligung zu erzielen.


(Staatssekretär Dr. Westrick)

Die Bundesregierung vermag hiernach eine gegensätzliche Geschäftspraktik in den Kredithilfen der werbenden Betriebe des ehemals reichseigenen Filmvermögens und in der Übernahme von Bürgschaften durch die Bürgschaftsgesellschaft für Filmkredite mbH. nicht zu erblicken. Beide Hilfsmaßnahmen dienen der deutschen Filmproduktion, um sie in den Stand zu setzen, ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der ausländischen Filmproduktion auf dem Inlands- und Auslandsmarkt zu erhalten und zu steigern.
Zu Ziffer 2 der Anfrage. Zu der Frage, wie die Bundesregierung die Entflechtung der drei ehemals reichseigenen Filmunternehmen Ufa, Bavaria und Afifa und ihrer Tochtergesellschaften vorzunehmen gedenkt, ist zunächst zu bemerken, daß hierbei die Vorschriften des Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemals reichseigenen Filmvermögens vom 5. Juni 1953 einzuhalten sind. Die praktische Durchführung der Entflechtung liegt den beiden Abwicklern der bereits aufgelösten Muttergesellschaft, der Ufa-Film-GmbH., ob, die dabei an die Weisungen des durch das Gesetz vom 5. Juni 1953 errichteten Abwicklungsausschusses gebunden sind. Dieser Ausschuß setzt sich im Sinne des Gesetzes aus je sechs Vertretern des Bundes und der Länder Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Berlin sowie vier Wirtschafts- und Filmsachverständigen mit beratender Stimme zusammen. Die Bundesregierung kann also nicht etwa allein über die Entflechtung der ehemals reichseigenen Filmgesellschaften bestimmen. Bereits im Vorschlag der Bundesregierung vom 13. November 1952 zur Neuordnung der deutschen Filmwirtschaft unter Verwendung des zu reprivatisierenden ) ehemaligen reichseigenen Filmvermögens ist die Bildung mehrerer unabhängiger Gesellschaften vorgesehen worden, und zwar einer Münchner Gesellschaft, einer Berliner Gesellschaft und einer nordwestdeutschen Gesellschaft in Düsseldorf. Die Bundesregierung gedenkt daher, unter grundsätzlichem Festhalten an den in diesem Vorschlag bereits vorgesehenen Maßnahmen im Abwicklungsausschuß folgende Grundsätze zur Entflechtung und Reprivatisierung des ehemals reichseigenen Filmvermögens zu vertreten:
1. Als Eigentümer ist der Bund bei der gesetzlich vorgeschriebenen Reprivatisierung an einer günstigen Verwertung des Vermögens interessiert. Eine Überführung des Bundesvermögens in private Hand zu unangemessen niedrigen Preisen würde diesem Ziel zuwiderlaufen und würde von der Bundesregierung nicht verantwortet werden können; sie würde auch nicht im Interesse der Filmwirtschaft liegen, da nach § 15 des deutschen Gesetzes der Abwicklungserlös für die Förderung der Filmwirtschaft zu verwenden ist.
2. Bei der Entflechtung und Reprivatisierung wird die Bundesregierung bestrebt sein, den Gesamtkomplex so zu gliedern, daß die entstehenden neuen Unternehmungen in sich wirtschaftlich gesund und ertragreich sind, um die Enstehung neuer Krisenherde in der Filmwirtschaft zu verhindern. In diesem Zusammenhang wird auch auf die berechtigten Interessen der gegenwärtigen und ehemaligen Betriebsangehörigen im Rahmen des Möglichen Rücksicht zu nehmen sein. Die vom Abwicklungsausschuß gemäß § 3 des Gesetzes am 8. Januar 1954 beschlossene und inzwischen durchgeführte Neubesetzung der Aufsichtsräte der Ufa, Afifa und Bavaria erlaubte den drei Gesellschaften, ihre bis dahin unter Treuhänderschaft stehenden Betriebe nach dem deutschen Gesellschaftsrecht weiterzuführen. Diese Gesellschaften werden übrigens, voneinander unabhängig und untereinander im Wettbewerb stehend, nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt. Auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung soll nach beschleunigter Erstellung eines Verkaufsprospektes die Bavaria unter angemessener Berücksichtigung der Vermögensinteressen des Bundes so schnell als möglich zum Verkauf gestellt werden. Die Bundesregierung glaubt, schon damit eindeutig ihren Willen zur Privatisierung des ehemals reichseigenen Filmvermögens und ihre klare Absage an ihr unterstellte staatliche Monopolbestrebungen unter Beweis zu stellen.
3. Mit vorstehenden Grundsätzen ist die Frage nach der Betriebsgröße der neu zu bildenden Gesellschaften noch nicht ohne weiteres geklärt. Bei ihrer Lösung wird vorzüglich auch darauf zu achten sein, daß durch die Einschaltung der neuen Unternehmen die deutsche Filmwirtschaft in Zukunft technisch leistungsfähig und international wettbewerbsfähig wird. Sie sollte in die Lage versetzt werden, nicht nur den Inlandsmarkt gegenüber
einer übermächtigen Konkurrenz des Auslands zu
behaupten und zurückzugewinnen, sondern dem deutschen Film auch wieder die Exportmärkte zu erschließen. Es wird daher im wohlverstandenen volkswirtschaftlichen Interesse liegen, dafür zu sorgen, daß die neuen Unternehmen auch in bezug auf ihre Betriebsgröße sowohl mit der technischen als auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung der ausländischen Filmwirtschaft Schritt halten können.
Aus dem Gesetz und den vorstehend angegebenen Grundsätzen ergibt sich demnach folgende Grundkonzeption:
1. Man wird bei dem ehemals reichseigenen Filmvermögen die filmtechnischen Betriebe — das sind Ateliers, Synchronisations- und Kopierbetriebe — grundsätzlich getrennt vom Theaterbesitz entflechten müssen. Bei den filmtechnischen Betrieben wird sich die Frage der künftigen Betriebsgröße aus der bereits bestehenden wirtschaftlich-technischen Verbindung der vorhandenen Betriebsteile weitgehend von selbst beantworten. Auch die Frage der zweckmäßigen Betriebsgröße bei der Neugliederung des Theaterbesitzes wird unter den vorgenannten Gesichtspunkten zu beurteilen sein. Jedenfalls verbietet sich aus gesamtwirtschaftlichen wie auch aus filmwirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Zersplitterung in Kleinstunternehmungen.
2. Die Reprivatisierung wird im allgemeinen zweckmäßigerweise durch eine Veräußerung von Anteilen an den neuen Gesellschaften, nicht dagegen durch Einzelveräußerungen der Substanz zu erfolgen haben. Diese nämlich würde leicht zu einer unwirtschaftlichen Verschleuderung, führen. Schon das jetzt aufgehobene Gesetz Nr. 32 der Alliierten Hohen Kommission schrieb im Art. 5 Abs. 1 vor, daß die in Betrieb befindlichen Unternehmen als Ganzes verkauft werden sollten. Das Bundesgesetz vom 5. Juni 1953 sieht die Veräußerung von Anteilsrechten an den Gesellschaften als Verfahren der Entflechtung und Reprivatisierung ausdrücklich vor.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200800
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich unterstelle, daß das Haus auch die Aussprache über diese Große Anfrage wünscht, nachdem die Anträge der CDU/CSU begründet worden sind.


(Präsident D. Dr. Ehlers)

Dazu hat das Wort Herr Abgeordneter Muckermann.
Muckermann (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Der Film ist ein Kind seiner Zeit, der Vielspältigkeit unseres Lebens, der Durchwachsenheit unseres Daseins mit wirtschaftlichen Gebundenheiten und mit Technik, ist ein Kunsterzeugnis mit AGs und GmbHs. Aus dynamischer Weltanschauung geboren enthält jeder einzelne Film unglaublich viel Leben. Diese Lebensströme können unheilvoll und können bereichernd wirken, und es ist wichtiger, sich über diese Zusammenhänge der Wirkungen klar zu sein, als Theorien auszuspinnen. Denn jedes Filmwerk kann alle deduktiv gewonnenen Theorien und geistreichen Einfälle wieder umwerfen.
Das sagte vor 30 Jahren ein kluger Mann, Professor Lampe, der Gründer und langjährige Leiter des Berliner Film- und Bildinstituts.
Die drei vorliegenden Anträge der CDU/CSU, die zu begründen ich die Ehre habe, sind durch die Entwicklung und durch die augenblickliche Lage des deutschen Films verursacht. Der Start des deutschen Films im Jahre 1945 war denkbar ungünstig. Substanzverlust war in allen Bereichen unseres Lebens zu verzeichnen. Aber hier war er so groß, daß man von einem vollendeten Chaos, von einem Nichts sprechen konnte. Aus diesem Nichts ist wieder vieles geworden. Aber beim Film war noch eine andere größere Schwierigkeit: das gesamte Wirtschaftspotential war auseinandergerissen, es gehörte gar nicht mehr der deutschen Filmwirtschaft; zu einem erheblichen Teil gehörte es dem Staate, d. h. den Siegermächten, nachdem die Machthaber des „Dritten Reiches" für eine nicht zu hohe Summe den gesamten Komplex erworben und gleichgeschaltet hatten. Dadurch war natürlich der Zugriff der Besatzungsmächte wesentlich einfacher geworden. Hinzu kamen die Auswirkungen der militärischen Gesetzgebung, die formaljuristisch, wenn sie nicht im einzelnen durch deutsche Gesetze abgelöst wird, so lange Geltung hat, bis wir wieder im Vollbesitz der langersehnten völkerrechtlichen Souveränität sind.
Im ersten Teil des Antrags betreffend Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion — Drucksache 381 — wird an sich nichts gesagt, was nicht auch in dem Gesetz ausgesprochen wurde. Unser Antrag soll aber eine Ermunterung für die Regierung sein, das Gesetz so schnell wie möglich zu realisieren. Am 5. Juni ist bereits die Hälfte der vorgesehenen Liquidationszeit verstrichen. Wir wünschen nicht, daß die Frist von zwei Jahren wesentlich überschritten wird; denn die Entwicklung und die augenblickliche Lage des deutschen Films schreien geradezu nach einem „Reinen-Tisch-Programm" und nach einer Abstekkung der Fronten zwischen „öffentlicher und privater Hand". Ich bin überzeugt, daß die zuständigen Ressorts das ebenfalls erkennen und sich darum über die heute angesetzte Gesamtdebatte freuen.
Aus der Fülle der vorhandenen Einzelfirmen in Produktion und Verleih ragen nur noch sechs bis acht in der Produktion und ebenso viele im Verleih hervor; d. h., es ist bereits ein gewisser Stabilisierungsprozeß zu verzeichnen, wenn man in diesem Zusammenhang z. B. auch an die 220 Millionen DM Verleiheinnahmen im letzten Jahr denken will.
Im Jahre 1953 wurden 103 deutsche Spielfilme erstellt, darunter 14 in Co-Produktion, und 15 Farbfilme. Insgesamt 41 800 Menschen arbeiten beim deutschen Film. In 5 100 Kinotheatern stehen 2,1 Millionen Sitzplätze zur Verfügung. Auf den Kopf der Bevölkerung entfielen im Jahre 1953 etwa 13 Kinobesuche im Jahr. Welche Entwicklung seit dem Jahre 1946, wo in Deutschland nur ein einziger Film erstellt wurde!
Wenn auch das Filmgeschäft unten beim Konsumenten ein stets liquides, ja täglich liquides ist, so kursiert doch ein Scherzwort beim Film: „Man fährt lieber im Auto, weil man in der Straßenbahn bezahlen muß". In Abs. 2 unseres Antrags ist diese Situation erneut angedeutet, d. h. die Finanzierung und Kapitalbildung. Diese sind in der Filmwirtschaft noch längst nicht geordnet. Wenn in einem Jahr rund 600 Millionen DM vom Kinobesucher an den Theaterkassen eingezahlt werden, so sollte man meinen, daß davon doch 100 Millionen DM für die Produktion weiterer Filme übrigbleiben könnten, mit anderen Worten: die Gesamtprodution des Jahres 1953 hätte theoretisch davon bezahlt werden können. Der gesamte filmische Apparat muß auf diese finanziellen Möglichkeiten hin eingestellt und geordnet werden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Es scheint uns, die am und im Film Tätigen müßten erkennen, daß wir an einem entscheidenden Punkt der Nachkriegsentwicklung angelangt sind, und zwar entscheidend dahingehend, ob es in Zukunft eine eigene deutsche Filmwirtschaft geben kann oder geben soll, die ohne Subventionen lebt, oder ob die überdimensionale Schwemme von draußen unsere Bemühungen ersticken wird.
Der 1. Deutsche Bundestag hat diese Entwicklung kommen sehen und hat vorausschauend im Jahre 1951 dafür gesorgt, daß durch die erste 20-Millionen-Ausfallbürgschaft der deutsche Film überhaupt am Leben blieb. Ob er nun an sich besonders wertvoll war oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Aber er konnte sich. aus dem Nichts langsam wieder erholen und beim deutschen Konsumenten die Sehnsucht nach einem deutschen Film wachhalten und beleben. Daß zwischendurch Mitesser und Bankrotteure abgestoßen werden mußten, nimmt kein Wunder. Aber die vorhandenen ernst zu nehmenden Fachkräfte sind gewillt, aus den vorhandenen Firmen und den augenblicklichen Finanzierungsmöglichkeiten wieder eine vertikal durchgegliederte deutsche Filmwirtschaft erstehen zu lassen, die sich ohne staatliche Unterstützung aus eigenen Einnahmen und aus dem freien Kapitalmarkt finanziert. Berechtigte Wünsche der Filmwirtschaft, d. h. der 15 bis 20 entscheidenden Persönlichkeiten aus den drei Sparten, können bei den Beratungen unserer Anträge als Material mit zur Verfügung gestellt werden.
Die zweite Ausfallbürgschaft des Bundes in Höhe von 60 Millionen DM wurde bisher schon weit über ein Drittel in Anspruch genommen. Nach den neuen Richtlinien sind bessere Garantien geboten, und die Staffelvergabe, die jetzt vorgenommen worden ist, unterstützt bereits die Schwerpunktpolitik. Wie vor dem Zusammen-


(Muckermann)

bruch müssen einige größere Filmzentren entstehen, die durch eigene Produktion, eigenen Verleih und entsprechenden Theaterbesitz krisenfester und kreditwürdiger werden, die aber auch eine stärkere Unterstützung des Films mit Niveau durchhalten können. Dabei ist auch die Kulturfilmproduktion zu erwähnen, die in den letzten zwei Jahren leider um fast 50 % abgesunken ist und früher in Deutschland doch unsere Stärke war.
Die Bedrohung durch den ausländischen Film ist besorgniserregend. Wir benötigen in der Bundesrepublik und Westberlin zirka 200 bis 220 Filme pro Jahr. Für dieses Jahr sind aber 512 Spielfilme angeboten, davon 103 deutscher Produktion, also über 400 ausländische Filme, vor allem aus den USA. Dieses Überangebot ist u. a. auf die langjährige Ohnmacht der deutschen Produktion und die Konsumentenentwicklung vom Kino zum Fernsehen in den USA zurückzuführen. Diese Tatsache bedeutet aber im Rahmen unserer Finanzierungsvorschläge eine gewaltige Kapitalverschleuderung; denn diese Filme können nicht mehr marktgerecht ausgewertet werden. Der Ruf nach Kontingentierung ist seit dem Jahre 1928 nicht mehr verstummt. Vor 1933 empfand man das Verhältnis von 1 zu 1 als äußerstes Zugeständnis. Immerhin hat der deutsche Film in unseren Theatern fast die 50 % Quote aller angebotenen Filme erreicht, ein Beweis, daß nicht der ausländische, sondern der deutsche Film vorgezogen wird. Dabei wollen wir uns keineswegs dem interessanten Auslandsfilm verschließen.
Die Exportziffer ist bereits wieder auf zirka 8 Millionen DM angestiegen, muß aber noch auf mindestens 20 Millionen DM gesteigert werden.
Wenn die USA für die innere Umstellung einen Ausgleich auf dem europäischen und insbesondere dem deutschen Filmmarkt suchen, was von ihrer Perspektive aus durchaus zu verstehen ist, so werden wir unser Augenmerk auf das beschleunigte Zustandekommen einer europäischen Filmgemeinschaft richten müssen. In Frankreich, Italien und Deutschland gibt es heute noch beste Könner auf allen Gebieten des Films. In den verschiedenen Co-Produktionen sind wertvolle Ansätze vorhanden. Wenn bei der langfristigen Finanzierung der deutschen Filmproduktion die USA sich kapitalmäßig zu stark engagieren, fürchten wir um die Zukunft guter deutscher wesenseigener Filme; am liebsten würden wir hier heute schon sagen: europäischer wesenseigener Filme. Man wird gern bereit sein, für Deutschland in Deutschland mit amerikanischem Kapital oder hier erspieltem Vermögen zu produzieren, aber doch nur im Rahmen der eigenen Filmprosperität in den USA.
Unser Antrag Drucksache 381 bedeutet also, daß alle Anstrengungen geistig-kultureller und wirtschaftlich-organisatorischer Art gemacht werden müssen, wenn der deutsche Film diese Gefahrenzone überwinden will. Vergessen wir dabei nicht, daß noch eine allgemeine Krisis zu überwinden ist, vielleicht die schwerste, die überhaupt den Film seit seiner Geburt vor 60 Jahren berührt hat, nämlich die Hinzunahme des Raumes zu Farbe und Ton. Beim Übergang vom Stumm- zum Tonfilm vor etwa 25 Jahren irrten sich selbst seriöse Propheten, welche dieser Entwicklung nur eine kurze Dauer zugestehen wollten. Die technische Entwicklung geht unaufhaltsam voran von
Ton zu Farbe und zu Raum und ist nicht aufzuhalten. Der Mensch muß seinen Geist anstrengen, damit aus dem technisch immer vollendeteren Körper die Seele nicht ganz verschwindet, sonst werden die besten Filme der Zukunft Reklamefilme für alles mögliche sein.
Diese Entwicklung bedeutet: Gewaltige Neuinvestitionen sind erforderlich, mit der erhöhten Gefahr von Fehl-, Zu-spät- oder Zu-früh-Dispositionen. Eine gesund aufgebaute Wirtschaft hält so etwas leichter aus. Der freien Unternehmerinitiative ist also ein breiter Spielraum gegeben. Was der Staat noch tun kann, ohne selbst Unternehmer zu sein, muß er im Interesse des eigenen Volkswohls tun, d. h. die Wege ebnen und die Hindernisse beseitigen.
So ist auch unser Antrag Drucksache 380 zu verstehen, in dem die Regierung gebeten wird, mit den Ländern ein fruchtbares Gespräch anzustreben über die Koordinierung der Filmpolitik von Bund und Ländern. Beide wollen den deutschen Film, insbesondere den wertvollen Film, unterstützen. Die Prädikatisierung durch die Kultusminister der Länder und die Prämiierung durch den Herrn Bundesinnenminister geben diesem Willen Ausdruck, wobei bei der Prämiierung auch ein zweckgebundener Nutzeffekt wesentlich greifbarere Formen annehmen sollte. Aber gewisse steuerliche Erleichterungen scheinen uns unerläßlich zu sein, besonders auch im Hinblick auf die Niveauhebung des deutschen Filmes.

(Zustimmung in der Mitte.)

Der Bund hat seit 1951 insgesamt einen Betrag von 80 Millionen DM an Bürgschaften zur Verfügung gestellt. In die Kassen der Kommunen flossen aber allein im vergangenen Jahr an Filmvergnügungssteuer über 130 Millionen DM.

(Abg. Dr. Vogel: Hört! Hört!)

Die zuständige Gesetzgebung liegt laut Grundgesetz in den Händen der Länderparlamente. Aber es darf nicht ein Faß der Danaiden werden, in das der Bund oben hineinfüllt und aus dem unten die Kommunen zu viel — ich sage nur zu viel —abschöpfen.
Wir brauchen den guten deutschen Film auch fürs Ausland. Er kostet viel Geld, zieht aber das Augenmerk des Auslands wieder stärker auf die deutsche Filmproduktion insgesamt. Derartige Filme sollten im Interesse einer echten deutschen Filmpolitik weitgehend, wenn nicht sogar völlig von der Vergnügungssteuer befreit werden. Das würde einen starken Anreiz für die Filmschaffenden bedeuten.
Der dritte Antrag — Drucksache 349 — hat sein Schwergewicht im Abs. 1. Er soll ein kräftiges Memorandum dafür sein, so schnell wie möglich sich darauf einzustellen, daß die Bürgschaftspolitik des Bundes beendet werden muß.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Daß das aber nicht abrupt geschehen kann, wissen
wir auch; das liegt schon im Ablauf der Einspielzeit eines Filmes begründet, für die man im allgemeinen 18 Monate einsetzt. Es kommt hinzu,
daß bestimmte finanzielle Engagements eingegangen worden sind und laufend eingegangen werden
müssen. Da wir eine Laufzeit von drei Jahren
vorgesehen haben, ist also kein Grund zu einer
Panikstimmung vorhanden. Wir haben nicht die
Absicht, die Planungen zu stören. Aber es ist die


(Muckermann)

letzte Chance; eine dritte Bürgschaft wird es nicht geben. Nach dem Auslauf muß das Endziel, eine konsolidierte Filmwirtschaft, erreicht sein. Die Filmbürgschaftspolitik des Bundes ist kein Perpetuum mobile. Den Versuch, sich mit Subventionen Kapital zu schaffen, sollte man als falsch erkennen und restlos aufgeben.

(Abg. Dr. Mende: Völlig einverstanden!)

Bürgschaften, Reprivatisierung und die anderen Hilfsmöglichkeiten des Bundes und der Länder müssen Hand in Hand gehen. Immer wieder müssen sich die verantwortlichen Stellen sagen, daß es einen großen Unterschied bedeutet, ob man vom freien Kapitalmarkt zehrt oder von Steuergeldern des ganzen Volkes.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Hier könnte man den Bundeswirtschaftsminister zitieren: „Der Staat kann keine Gaben verteilen, die nicht aus den Taschen seiner Staatsbürger geflossen wären."

(Erneute Zustimmung in der Mitte.)

Nur die Feststellung: die bundesverbürgten Filme haben sich so sehr dem Geschmack des Publikums angepaßt, daß finanzielle Verluste an Bundesmitteln oder Steuergeldern nicht zu befürchten sind, ist auf die Dauer noch keine genügende Garantie für eine solche künstlerische oder wirtschaftliche Gesundung des deutschen Filmes, damit er der Filminvasion von draußen begegnen kann und wieder einen Anreiz zu devisenbringendem Export erhält. Keineswegs benötigen wir den langweiligen, den problemmeidenden Spielfilm, sondern den guten deutschen Unterhaltungs- und Kulturfilm, wie er früher bei uns und draußen bekannt war und in der jüngsten Produktion des Jahres 1953 erfreulicherweise wieder sichtbar wurde. Im übrigen ist der Geschmack des deutschen Filmpublikums gar nicht so schlecht, wie manche annehmen.
Angebot und Nachfrage werden auch hier allmählich zu marktregulierenden Faktoren werden, wenn man diese Entwicklung im gesellschaftlichen Raum im freien Spiel der Kräfte sich entfalten läßt. Einrichtungen wie die deutschen Filmklubs fördern diese Entwicklung.

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Wenn Spitzenfilme durch Bundes- oder Länderbürgschaften ermöglicht werden, so hat die Öffentlichkeit durchaus Verständnis dafür. Nichts anderes will der Antrag Drucksache 349 sagen. Die Ziffer 2 mit der Anziehung bestimmter Artikel aus der Verfassung stellt absolut kein Novum dar. Sie wiederholt nur, was in diesem Hohen Hause am 22. Februar 1951 auf Grund eines interfraktionellen Antrags beschlossen worden ist. In jenem interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 1965, der die Unterschrift bekannter Mitglieder des Parlaments aus allen demokratischen Parteien trug, hieß es: „Bestimmte kulturelle und künstlerische Gesichtspunkte dürfen bei der Beurteilung" von Bürgschaftsanträgen „nicht völlig ausgeschlossen werden, ohne dadurch der Tätigkeit der Selbstkontrolle in irgendeiner Form vorzugreifen." Dieser bewährten Stelle bleibt sowieso genügend Arbeit übrig, wenn der fertige Film vorgelegt wird. Erst dort kann man von Zensur, und zwar von einer freiwilligen aus der Wirtschaft selbst, sprechen.
In der damaligen Sitzung des Deutschen Bundestags hatte ich die Ehre, zu erklären, daß wir im Gegensatz zu der Weimarer Methode der Zensur nunmehr den fortschrittlicheren Weg beschritten hätten. In Wiesbaden sei gut gearbeitet worden. Kinderkrankheiten sprächen nicht gegen das System, ebenso nicht die eine oder andere Fehlentscheidung. „Aber" — ich wiederhole wörtlich —„eine Selbstdisziplin im kulturellen Sektor ist höher zu bewerten als der Polizeiknüppel."

(Beifall in der Mitte.)

Eben auf diese Richtlinien der freiwilligen Selbstkontrolle, die im übrigen auf den angezogenen Artikeln des Grundgesetzes basieren, haben wir uns berufen. An diesem unserem Standpunkt hat sich nichts geändert.

(Erneuter Beifall in der Mitte.)

In der gleichen Sitzung habe ich anerkannt, „daß die auf Bundesebene in dieser Frage tätigen Persönlichkeiten sich ihrer sehr schweren Aufgabe bisher mit größter Sorgfalt und mit ernstem Verantwortungsbewußtsein gewidmet haben". Wir sollten als Legislative diesen Stellen die Verantwortung erleichtern, die öffentliche Hand aber vor wirtschaftlichen und finanziellen Fehlgriffen bewahren, wie sie uns aus der Weimarer Zeit in Erinnerung an den Phöbus- und Emelka-Komplex noch lebendig vor Augen sind.
Noch ist der Film nicht nur Konfektion. Aber warum sollte das, was an Konfektion sein muß und bleiben wird, nicht passend erstellt werden können. Wir haben doch Beweise aus der früheren Zeit.
Wie die Länder in dieser Frage zu verfahren gedenken, gehört nicht in den Verantwortungsbereich des Bundes. In den Bürgschaftsrichtlinien der Länder ist aber vermerkt: erstens Kostensenkung und Qualitätssteigerung der Filme, zweitens Abbau der staatlichen Hilfe, drittens Exportförderung.
Ich fasse zusammen: alle drei Anträge basieren auf den filmpolitischen Grundsätzen, daß wir die Bedeutung des Films nicht unterschätzen dürfen, daß wir ihm helfen müssen, sich positiv mit in den Gesamtaufbau unseres deutschen Volkes und Staates einzubauen, daß der Staat kein Filmproduzent ist, daß die aus dem Film stammenden Vermögensmittel des Staates bis zu ihrer Reprivatisierung zweckgebunden bleiben, daß wir in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz keine Zensur wünschen, daß die Grundrechte der Verfassung auch vom Film respektiert werden müssen und daß wir nicht zulassen, daß der Film erneut politisch mißbraucht wird, von welcher Seite auch immer ein solcher Versuch kommen möge. Alle Demokraten sollten sich hierin einig sein.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, der CDU/CSU, die drei Anträge an den Fachausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films als federführendem Ausschuß sowie an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen mitberatend freundlichst überweisen zu wollen. Dabei braucht keine Kompetenzschwierigkeit zu entstehen. Im 1. Deutschen Bundestag pflegte man für die Beratung solcher Spezialfragen einen kleinen Unterausschuß aus allen drei beauftragten Ausschüssen zu bilden. Darüber mag aber der federführende Fachausschuß befinden.

(Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)



Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202200900
Meine Damen und Herren, ich eröffne die gemeinsame Aussprache über die beiden Großen Anfragen, die Beantwortung der beiden Großen Anfragen und über die drei Anträge der Fraktion der CDU/CSU.
Zunächst hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202201000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage des verhinderten Bundesministers der Finanzen habe ich zu Ziffer 1 d), Drucksache 380, folgende Erklärung abzugeben.
Nach dem Grundgesetz ist der Bund auf dem Gebiet der Vergnügungssteuer weder für die Gesetzgebung noch für die Verwaltung zuständig.

(Zuruf von der Mitte: Das wissen wir!)

Der Bund hat deshalb keine Möglichkeit, auf dem Gebiet der Vergnügungssteuer bei Filmvorführungen unmittelbar auf die Länder einzuwirken.

(Abg. Kalbitzer: Das ist ja nicht neu!)

Die Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums ist jedoch grundsätzlich bereit, bei der Vergnügungssteuer koordinierend mitzuwirken.

(Bravo! in der Mitte.)

Jedoch wird darauf hingewiesen, daß derartige Fragen vom Arbeitsstab für Gemeindesteuern im Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf bearbeitet werden. Es dürfte deshalb zweckmäßig sein, auch diese Angelegenheit an den Arbeitsstab für Gemeindesteuern heranzutragen.

(Abg. Kalbitzer: Diese Belehrung hatten wir nicht nötig, Herr Staatssekretär!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202201100
Herr Abgeordneter Kalbitzer, Sie geben für sich die Erklärung ab;, aber es könnte ja sein, daß einige Abgeordnete an der Erklärung des Herrn Staatssekretärs interessiert sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.

Heinz Kühn (SPD):
Rede ID: ID0202201200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Luther hat einmal von Erasmus gesagt, er wolle „allenthalben auf Eiern laufen, ohne eines zu zertreten". Nun, man scheint mit uns auch in der CDU-Fraktion und auch in der Regierung der Erkenntnis zu sein, daß der Herr Bundesfamilienminister den Ehrgeiz hat, in seinen Reden das Gegenteil zu tun, keines unzertreten zu lassen. So haben wir denn heute morgen in der Presse zur Kenntnis nehmen müssen, daß nicht der Herr Familienminister unsere Anfrage beantwortet, wie es nach den Nachrichten, die wir selbst von Kollegen der CDU-Fraktion bekommen hatten, vorgesehen war und wie es der Mitteilung entsprach, daß der Herr Bundesfamilienminister bereits einen Antwortentwurf dem Herrn Bundeskanzler vorgelegt habe, der von diesem gebilligt worden sei.
Wir haben dafür den Herrn Innenminister gehört, — nun, das beruhigt uns nicht! Wir werden nicht darauf verzichten, auch den Herrn Familienminister hier in einer persönlichen Interpretation der Begriffe zu hören, die er in die öffentliche Debatte getragen hat,

(Zurufe von der Mitte)

z. B. des Begriffs der Volkszensur, die er draußen in seinen Reden keineswegs so interpretiert hat,
wie es in den Beschwichtigungsformulierungen des Herrn Bundesinnenministers hier zum Ausdruck gekommen ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir wünschen auch eine persönliche Interpretation des Herrn Familienministers in bezug auf das, was er sich vorgestellt hat, als er staatspolitische Gesichtspunkte bei der Vergabe der Filmbürgschaften gefordert hat. Ich werde in meinen Ausführungen den Herrn Familienminister — wenn er auch noch nicht gesprochen hat — apostrophieren müssen und tue das in der sicheren Erwartung und Hoffnung, daß er hier das Wort ergreifen wird.
Sie haben, Herr Familienminister, in Ihren Reden draußen im Lande nicht sehr viel Klugheit und Einsicht bewiesen, wenn Sie im diametralen Gegensatz zu dem, was man unter Klugheit und Einsicht versteht, Formulierungen und Beschuldigungen gefunden haben, die jeder Grundlage entbehren. Wir haben mit einigem Erstaunen in einer Zeitung gelesen — es war, wenn ich mich recht entsinne, die „Abendpost" —, daß Sie es richtig fanden, dort ein Interview zu geben, in dem Sie ,erklärt haben, die Sozialdemokratische Partei wolle sich offenbar zum Gralshüter unsittlicher Dinge machen.

(Lachen und Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie haben in einer anderen Rede — ich glaube, es war Ihre Heidelberger Rede — Herrn Reinhold Maier — dem Stuttgarter Muß-Koalitionisten Ihrer Bonner Koalition —

(Heiterkeit)

einen Vorwurf gemacht, indem Sie ihm etwa — in einer wenig fairen Formulierung -- die Frage als rhetorische Frage vorlegten, aber doch mit dem Unterton, daß Sie es ihm zutrauen, ob er etwa befürworten wolle, daß „jeder seine in Ehren ergraute Ehefrau mit staatlicher Legalisierung fortjagen könne". Nun, das ist — gestatten Sie mir, daß der Namen des Herrn Bundesfamilienministers in mir diese Assoziation wachruft — eine etwas wurmstichige Argumentation.

(Heiterkeit.)

Sie ist weder moralisch schöner noch sachlich richtiger als gewisse Wahldokumente, mit denen gewisse Parteien vor dem 6. September gegen uns in den Kampf gezogen sind.

(Beifall bei der SPD.)

Nun lassen Sie mich ein Wort zu dem eigentlichen Ressort des Herrn Bundesfamilienministers sagen, zur Auffassung über Familie und Ehe. Auch für uns wie für jeden in diesem Hause ist die Ehe eine menschliche Gemeinschaft von höchstem sittlichem Rang. Das ist sie für uns ebenso wie für den Herrn Familienminister. Es gibt in unseren Reihen, in der Sozialdemokratischen Partei Hunderttausende Menschen, die aus ihrem katholischen Glauben die Ehe als ein Sakrament achten und als ein Sakrament führen. Es gibt bei uns wie bei Ihnen, meine Herren von den Koalitionsparteien und insbesondere — im Zusammenhang mit dieser Debatte — bei Ihnen von der CDU, Hunderttausende Menschen, für die die Ehe zwar nicht ein Sakrament ist, für die sie aber doch eine menschliche Gemeinschaft höchsten Rangs und höchsten sittlichen Wertes ist. Bei uns wie bei Ihnen! Und es gibt bei uns wie bei Ihnen etliche, die der Ehe nicht den gebotenen Respekt entgegenbringen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)



(Kühn [Köln])

Aber kollektive Urteile daraus abzuleiten, ist das verfehlteste, was man tun könnte. Hüten wir uns vor allen kollektiven Beurteilungen, wie sie im Zusammenhang mit dieser Debatte auch an einer anderen Stelle vorgekommen sind.
Ich habe im „Echo der Zeit", der unter dem Patronat der deutschen Bischöfe herausgegebenen katholischen Wochenzeitung, einen Artikel abgedruckt gefunden, der auch in anderen Zeitungen erschienen ist und der den ehemals zur obersten Hitlerjugendführung gehörenden Herrn Günther Kaufmann zum Verfasser hat. Dieser Artikel wird dort im „Echo der Zeit" ohne einschränkenden Kommentar und damit wohl in etwa zustimmend wiedergegeben. Er behandelt die Stellung der Mitglieder dieses Hauses zum Bundesfamilienministerium. Darin heißt es wörtlich:
Der Konflikt in Bonn sitzt tief, er geht quer durch die Parteien. Banaler gesprochen: alles, was sich in Bonn eine Freundin hält und seine Ehefrau irgendwo anders sitzen hat, zählt zur Opposition.

(Hört! Hört! und Pfui-Rufe von der SPD.)

Nun, ich kenne entschiedene Gegner des Bundesfamilienministeriums, die ihre Frau in oder bei Bonn haben und keine Freundin besitzen; und ich kenne sehr lautstarke Befürworter, die ihre Frau sehr weit weg und sogar mehr als eine Freundin haben.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Hüten wir uns doch vor diesen kollektiven Beurteilungen und Diffamationen.
Wenn Sie aber schon gewisse Schwerpunktbeurteilungen in der Frage der Einschätzung der
Ehe wünschen, dann empfehle ich Ihnen die aufmerksame Lektüre der soziologischen Analysen und und Untersuchungen, die seit 1945 in großer Zahl angestellt worden sind. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß gerade die Arbeiterehen in Deutschland ein ungewöhnlich stärkeres Maß an Stabilität und innerer Gesichertheit aufweisen und daß die soziologischen Schwerpunkte für die gesellschaftlichen Dekadenzerscheinungen unserer Zeit, die der Herr Familienminister, Sie, meine Herren von der Koalition, und wir von der Opposition in gleichem Maße bedauern, am stärksten dort in Erscheinung treten, wo nicht wir unsere politische Hausmacht haben.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Wo denn?)

Wir wollen die Diskussion auf einer hohen Ebene führen,

(Zuruf von der CDU: Na, na!)

und ich will Ihnen, Herr Familienminister, zubilligen, daß Sie in Ihren Reden draußen im Lande ein sehr ernstes Problem angesprochen haben, wenn auch mit durchaus ungeeigneten und, wie ich hinzufügen möchte, verhängnisvollen Vorschlägen. Sie wollen, wie uns scheint, falsche Werkzeuge an einem richtigen Punkte ansetzen, und ich bin bei der Lektüre Ihrer Reden an ein englisches Sprichwort erinnert worden, in dem es heißt: „Oft ist der Arzt gefährlicher als die Krankheit!"

(Beifall bei der SPD.)

Gewiß, es gibt gefährdete Ehen. Sie und wir, wiederum alle Parteien und alle Menschen, die in diesem Hause zur politischen Arbeit zusammengekommen sind, wollen die Familie gesunden lassen und wollen die Ehe festigen. Aber das kann man nicht, meine Herren, und ich sage das bewußt an die Adresse des Herrn Familienministers, indem man danach schnüffelt, ob die mit Scheidungsprozessen befaßten Richter ihren Amtseid mit der religiösen Formel geleistet haben.

(Beifall bei der SPD.)

Die Festigung der Ehe kann man auch nicht erreichen, indem man sie in stärkere Gesetzesfesseln kleidet. Und dieses Ziel erreicht man zum dritten auch nicht, indem man Filme zensiert.

(Zuruf von der CDU: Na, na!)

— Ich werde auf dieses Thema noch ausführlicher zu sprechen kommen.
Die Familiengefährdung ist eine soziale Realität. Sie ist das Erbe einer geistigen Dekomposition und einer materiellen Zerrüttung, deren Verursacher Sie nicht in unseren Reihen suchen werden. Nationalsozialismus und Krieg haben das Problem einer Million von Kriegerwitwen, das Problem des Kriegsgefangenen- und Flüchtlingsschicksals geschaffen. Alles das spielt hier hinein und alles das fordert eine ernste Beurteilung und Untersuchung. Aber diese sozialen Realitäten ändert man nicht durch eine moralisierende Propaganda oder durch staatspolitische oder sonstige Zensur.

(Beifall bei der SPD.)

Eine sozialere Ordnung ist hier wichtiger als jede moralische Predigt, und ich möchte hinzufügen, meine Damen und Herren: ressortmäßig scheint mir in dieser Frage Herr Schäffer zuständiger zu sein als Herr Wuermeling.

(Beifall bei der SPD.)

Nun, meine Damen und Herren, es gibt auch schlechte Filme. Sie und wir wollen den deutschen Film bessern. Dabei zögere ich: die deutschen Filme, sind sie alle miteinander schlecht? Ich glaube, auch hier sollten wir uns davor hüten, zu generalisieren. Ich anerkenne, daß der Herr Familienminister bereits in seiner Düsseldorfer Rede, ich glaube, an insgesamt drei Stellen darauf hingewiesen hat, daß in neuerer Zeit auch Filme gedreht worden sind, die, wie ich annehme, seinen Beifall finden und die er als bessere Filme bezeichnet hat.
Gewiß, es bleibt noch minderwertiges Zeug genug. Aber das war schon vor der Erfindung des Films so. Ich entsinne mich, daß Walter R a -t h e n a u einmal an einer Stelle geschrieben hat, daß die Hälfte der Arbeit der zivilisierten Welt der Erzeugung von Unrat diene und die Hälfte des Einkommens der Menschen in der zivilisierten Welt dazu diene, diesen Unrat zu bezahlen!

(Zuruf von der CDU/CSU: Na also!)

Nun bin ich nicht so skeptisch, anzunehmen, daß der Unrat ein solches Quantum an menschlicher Produktion umfaßt, es sei denn, daß man hier vom Kriminalschmöker über den Sexualschmöker bis zur Atombombe zusammenfaßt.
Ich bin übrigens -- wenn ich das hier einschränkend oder verdeutlichend sagen darf — davon überzeugt, Herr Familienminister, daß Sie und wir nicht in jedem Falle darüber einig sind, was unter „besseren Filmen" zu verstehen ist, und darüber, was man als „minderwertiges Zeug" zu bezeichnen hat. Auf jeden Fall aber anerkenne ich auch an dieser Stelle dankbar, daß der Herr Familienminister mit uns in einer Frage einig ist: in der Ablehnung der


(Kühn [Köln])

sozialen Milieu-Unwahrhaftigkeit vieler Filme, der
Verniedlichung und Verkitschung der sozialen
Probleme, dieser ganzen verlogenen Traumfabrik,

(Abg. Kemmer [Bamberg]: Sehr richtig!) die so viele Filme umfaßt.


(Zustimmung bei der SPD.)

Aber dazu hätten wir nicht eines Bundesfamilienministers bedurft.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Das war nicht eine familienministerielle Erkennnis. Wenn der Herr Familienminister für seine Reden da noch zusätzliches Material braucht, darf ich ihn auf ein bedeutendes Buch aufmerksam machen, das der Sozialist Hendrik de Man vor 1933 unter dem Titel „Die sozialistische Idee" hat erscheinen lassen und in dem er in einem besonderen Kapitel, ausgehend von der Vorstellung, daß jedes Volk vorgelebten Lebensformen nachlebt, sagt, daß es eine gefährliche Neigung der Menschen von heute sei, ihre Vorbilder, ihre Lebensvorbilder von der Filmleinwand zu beziehen. Diese Tatsache verpflichtet uns selbstverständlich alle miteinander, dem Problem des Films eine besondere Beachtung zu schenken.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Aber diese Traumfabrik mit ihren oftmals gefährlichen Tendenzen, meine Damen und Herren, ändern Sie nicht, indem Sie auf dem Wege über die Zensur, sagen wir einmal, gelegentlich einige Bekleidungsreguisiten hinzufügen oder auch ab und an einmal einen Heiligenschein.
Sie haben sich andeutungsweise in Reden auch gegen die staatliche Zensur ausgesprochen, und der Herr Bundesinnenminister hat heute hier — ich zögere, zu sagen, mit aller Deutlichkeit, aber doch immerhin verbal — zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung keine Zensur beabsichtigt. Aber Minister pflegen ja häufig die Sprache ebenso zu benutzen, wie man es den Diplomaten nachsagt:

(Sehr gut! bei der SPD)

weniger zur Verdeutlichung als zur Verbergung ihrer eigentlichen Absichten; bei manchen Reden des Herrn Familienministers habe ich sehr deutlich dieses Gefühl gehabt.
Alle drei Interpellationen, die die sozialdemokratische Fraktion heute hier vorgelegt hat, wollen die Regierung vor die Notwendigkeit stellen, ihre Absichten in aller Deutlichkeit zu dekuvrieren, ihre Absichten, von denen wir befürchten, daß sie auf einen gemeinsamen Mittelpunkt schließen lassen: wenn nicht die Auslieferung der entscheidenden Meinungsbildungsmittel in die Hand der Regierung, so doch die Unterwerfung dieser Meinungsbildungsmittel unter die Absichten der Regierung. Das eine wäre nicht viel weniger gefährlich als das andere.

(Oho-Rufe und Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

Es ist das Verdienst — das für uns nicht anerkennenswerte Verdienst — des Herrn Familienministers, daß er gewisse Zensurabsichten, nun, sagen wir: mit dem Feigenblatt der Moral umkleidet. Der Herr Familienminister hat die sehr verdächtige Vokabel der Volkszensur geprägt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich weiß ganz genau, meine Damen und Herren
von der CDU, daß auch in Ihren Kreisen sehr viele
Kollegen sind, die das für eine sehr gefährliche Formulierung halten. Die verbale, die wörtliche Demokratisierung undemokratischer Regierungsabsichten ist zur großen Mode unserer Zeit geworden. So sind wir bereits vom „Volksempfinden" über die „Volksdemokratie" nun auf dem Wege zur „Volkszensur".

(Beifall bei der SPD.)

Was haben wir darunter zu verstehen, und was verstehen Sie darunter, Herr Familienminister? Wir wünschen da eine ganz klare und genau so offenherzige Meinungsäußerung von Ihnen hier, wie Sie sie draußen im Lande vorgetragen haben. Der Herr Innenminister Schröder hat aus seinem Ressort mit weißer Salbe gesprochen. Ich erwarte von dem Herrn Bundesfamilienminister bei seinem bekannten Temperament ein größeres Maß an Offenherzigkeit, so wie er es draußen im Lande beweist.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich kenne einen konkreten Modellfall dieser Volkszensur, und ich kenne eine theoretische Erklärung des Herrn Familienministers darüber, was er unter Volkszensur versteht. Das erste, der konkrete Modellfall, war die Aktion eines Pfarrers in Düsseldorf, des Pfarrers Klinkhammer, mit einem Aufgebot an Stinkbomben gegen den übrigens keineswegs sehr hervorragenden Film „Die Sünderin". Wir wollen hier nicht über den Film „Die Sünderin" eine Debatte herbeiführen, obschon dies ein sehr munterer Gegenstand wäre.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Wir wollen uns darüber klar sein: Dieser Film ist zwar in keiner Weise das, was man daraus zu machen versucht hat, aber er ist auch keineswegs ein Produkt hervorragender Filmproduktion gewesen.
Ich möchte nicht mißverstanden werden, wenn ich hier das Beispiel dieses Pfarrers herbeizitiere. Wir bestreiten der Kirche keineswegs das Recht, ihr Wort der Belehrung und ihr Wort der Beurteilung zu jedem Film zu sagen. Ich glaube, es ist sogar die Pflicht der Kirche, dies zu tun. Aber es ist etwas anderes, ob der Geistliche von der Kanzel, seinem hohen Amte verpflichtet, eine Beurteilung und eine Mahnung ausspricht, oder ob er mit Stinkbomben und einer Art von Rollkommando als Instrumentarium der Volkszensur in die Lichtspieltheater zieht,

(Beifall bei der SPD)

oder gar, wie wir das auch erlebt haben, durch Mobilisierung von Schulkindern eine Art modernen Kinderkreuzzugs zur Wiederherstellung der deutschen Frauenehre organisiert,

(Heiterkeit bei der SPD)

diesmal nicht etwa, um das Heilige Land zurückzuerobern, sondern, wie wir es bei dem Film „Die Sünderin" erlebt haben, um die unheilige Sünderin von der Filmleinwand zu verbannen.

(Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

Warum bringe ich den Herrn Familienminister mit diesem Ereignis in Verbindung? Deshalb, weil er es gewesen ist, der nach vorliegenden Pressemeldungen damals Herrn Pfarrer Klinkhammer ein Glückwunschtelegramm zu schicken für gut befunden hat.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Bravo! bei der CDU/CSU.)



(Kühn [Köln])

Das ist etwas anderes, meine Damen und Herren, als die Definition, die der Herr Bundesinnenminister uns hier vorgetragen hat,

(Zustimmung bei der SPD)

daß nämlich das Volk aufgerufen werden könne, solchen Filmen „mit Kritik zu begegnen". Recht und Pflicht eines jeden Menschen, der einen unsittlichen Film sieht, ist es, nicht nur seine Familie davor zu bewahren, sondern auch durch ein Urteil über einen solchen Film möglichst zu verhindern, daß andere hingehen. Die Diskussion ging also nicht darum, ob solchen Filmen mit Kritik zu begegnen sei, sondern sie ging um jene fragwürdigen Interpretationen des fragwürdigen Begriffs "Volkszensur", die uns hier sehr deutlich manifestiert worden sind, und der Herr Familienminister hat, wie ich glaube, mit seinem Telegramm ziemlich deutlich gemacht, welche Maßnahmen er für Aktionen der Volkszensur hält.

(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

Nun ein Wort am Rande. Zu Aktionen der Volkszensur ist überhaupt zu sagen, daß sie normalerweise das Gegenteil dessen erreichen, was die Initiatoren beabsichtigen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Hier haben wir ja in der jüngsten Zeit ein Erlebnis als Folge zwar nicht der Volks-, sondern diesmal der Staatszensur, nämlich angesichts des Films „Bis 5 Minuten nach 12",

(Sehr gut! bei der SPD)

wo die Verbotsbegründung des Herrn Innenministers nicht übermäßig wahrhaftig war, indem es nämlich hieß, er sei zu wenig anti-nazi. Wahrhaftiger wäre wahrscheinlich die Begründung gewesen, er wirke wehrkraftzersetzend. Nicht zu wenig anti-nazi, sondern zu viel anti-EVG war dieser Film offensichtlich!

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber die Maßnahme der Staatszensur hat sich doch für diesen sehr fragwürdigen Film als Reklame ausgewirkt; „fragwürdigen Film" deshalb, weil viele ihn sich ja sonst doch nur angeschaut hätten, weil sie glaubten, daß ihnen hier das Negligé von Eva Braun in Aussicht stehe.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Nun, bei Maßnahmen der Volkszensur à la Klinkhammer ist das ganze Problem noch sehr viel fragwürdiger. Wir haben bei uns in Köln beispielsweise erlebt, daß ein Filmtheater auf Grund" dieses Reklamerummels Vormittagsveranstaltungen für die Landwirte einlegen mußte, die ihr Gemüse auf den Markt nach Köln gebracht hatten.

(Große Heiterkeit bei der SPD.)

Solche Methoden der Volkszensur können viel eher als Lasterpropaganda wirken — und sie tun es —, selbst wenn sie von den Initiatoren nicht so beabsichtigt sein sollten.

(Beifall bei der SPD.)

Das hat schon der alte Voltaire erkannt, als man ihm sagte: „Eines Ihrer Bücher ist zum Verbranntwerden bestimmt!" Darauf antwortete er: „Ausgezeichnet! Bücher sind wie Kastanien: wenn man sie röstet, gehen sie besser!"

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich habe gesagt, es gibt auch eine theoretische Erläuterung dessen, was der Herr Familienminister offensichtlich unter „Volkszensur" versteht. Nach Pressemeldungen vom 8. Februar hat 4r auf einer Tagung der Katholischen Aktion der Diözese Augsburg gesagt, wenn von zwei Schauspielern in letzter Zeit erklärt worden sei, sie würden heiraten, sobald sie frei seien, so gehöre dies ins stille Kämmerlein; wenn es aber in die Welt hinausposaunt werde, sei das Familienministerium dazu da, dagegen Stellung zu nehmen und das Volk aufzufordern, Filme solcher Schauspieler zu meiden.

(Lachen bei der SPD.)

Das ist noch nicht alles. Diese Erklärung haben wir meines Erachtens zu sehen — und erst dadurch gewinnt sie ihr volles Gewicht — in Verbindung mit den Bürgschaftsrichtlinien,

(Hört! Hört! bei der SPD)

wo es nämlich heißt, daß Bundesbürgschaften nicht übernommen werden sollen, wenn als Hauptdarsteller Personen vorgesehen sind, gegen deren Mitwirkung schwere begründete Bedenken bestehen.

(Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Wie sieht das aus? In der Filmbürgschaftsgesellschaft entscheidet über die Gewährung der Filmbürgschaften der aus sieben Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat, in dem das Ministerium für Wirtschaft, das Ministerium für Finanzen, das Ministerium des Innern und das Bundespresse- und Informationsamt vertreten sind. Es ist, glaube ich, eine gar nicht so gewagte Prophetie, wenn ich sage, daß der Herr Bundesfamilienminister den naheliegenden Ehrgeiz hat, in dieser Institution bald nicht nur vertreten, sondern f e de r f ü hr e n d vertreten zu sein. Bei der Protektion, die er bei dem die Richtlinien des Kabinetts bestimmenden Herrn Bundeskanzler hat, können wir, glaube ich, ohne weiteres voraussehen, daß bald die Maximen des Familienministers in dieser Filmbürgschaftsgesellschaft die entscheidenden, die tragenden, die bestimmenden sein werden. Es wird also danach in Zukunft unter Umständen schon genügen, daß ein geschiedener oder in Scheidung befindlicher Schauspieler, der die Absicht seiner Wiederverheiratung in der Presse ankündigt, falls er in einem Film als Hauptfigur mitwirkt, die Bürgschaft für diesen Film verhindert. Meine Damen und Herren, angesichts dieser Tatsache, muß ich sagen, scheint mir der selige Metternich geradezu ein liberalistischer Freiheitsfanatiker gewesen zu sein.

(Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD.)

Gewiß, hier liegt ein ernstes Problem vor. Ich glaube, es. ist eine Frage des guten Geschmacks, Publizistik mit privatesten Privatangelegenheiten zu betreiben, und ich würde dem Herrn Bundesfamilienminister in vollem Umfang folgen, wenn er sagte, es sei weitgehend geschmacklos, was heute viele Filmschauspieler tun, indem sie ihre ureigensten Privatangelegenheiten zum Gegenstand eines Propagandarummels machen. Aber diese Beurteilung vom Standpunkt des Geschmacks, diese menschliche Beurteilung des Verhaltens kann doch nicht entscheidend sein für die Gewährung der Filmbürgschaft, die doch allein vom Gegenstand des Films, aber nicht von dem Privatleben des Schauspielers abzuleiten ist.


(Kühn [Köln])

Das Familienministerium fühlt sich offensichtlich als eine Sorte von kommendem Propagandaministerium, und ich bin fast geneigt, dem Herrn Familienminister ein Motto für seinen am Ende der Kabinettstätigkeit vorzulegenden Rechenschaftsbericht zu geben; ich würde vorschlagen, etwa „Vom Promi zum Fami".

(Schallende Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Der Herr Familienminister hat wortwörtlich gesagt — und dazu wünschen wir von ihm eine Erklärung —: Bürgschaften sollen nach staatspolitischen Gesichtspunkten erteilt werden. Lassen Sie mich hier ein sehr, sehr ernstes Bedenken anmelden. Ich glaube, daß wir damit jede Hoffnung auf die Qualitätssteigerung des deutschen Films zu Grabe tragen müssen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die finanzielle Bürgschaft des Bundes von den Maximen des Herrn Familienministers abhängig zu machen, würde doch bedeuten, daß keine Bürgschaft für die meisten großen Spitzenfilme der Weltproduktion in Deutschland gegeben worden
wäre. Sie werden doch nicht behaupaten wollen
daß der Film „Verdammt in alle Ewigkeit", gegen den Herr Staatssekretär Strauß schon zu Felde gezogen ist, von Herrn Bundesfamilienminister Wuermeling eine Bürgschaft bekommen hätte. Ich will nicht reden über „Moulin Rouge", über „Lohn der Angst", vom „Bitteren Reis" ganz zu schweigen.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich glaube, nicht einmal „Don Camillo und Pep-pone" hätten unter diesem Gesichtspunkt eine Bürgschaft erhalten.

(Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Wie wollen Sie auf diese Art den Weltmarkt für die deutsche Filmproduktion zurückerobern? Wie wollen Sie Künstler und Drehbuchautoren zu Spitzenleistungen ermuntern? Es ist doch eine bekannte Tatsache, daß künstlerische Spitzenproduktionen und hervorragende, über das Durchschnittsniveau hinausgehende Leistungen nur zustande kommen, wenn der Künstler sich in innerer Freiheit vom Stoff und vom Thema her mit Problemhaftem beschäftigen kann.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Noch einmal — und wir wollen in keiner Weise mißverstanden werden —: Wir wollen keinen Unrat und wir wollen keinen Schund. Aber dafür brauchen wir den gefährlichen Schritt von der freiwilligen Selbstkontrolle zur staatlichen Zensur keineswegs zu tun, meine Damen und Herren!

(Zuruf von der CDU/CSU: Tut doch niemand! — Abg. Lücke: Lauter Unterstellungen! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Bitte, ich will auf Ihren Antrag eingehen. Sie beantragen in der entsprechenden Drucksache 381 nicht etwa die staatliche Zensur.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

Aber sie liegt doch im Tenor Ihres Antrags. Sie beantragen, daß der deutsche Film von den Bürgschaften frei gemacht wird, daß er durch private Finanzierung auf dem freien Kapitalmarkt wirtschaftlich getragen wird.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na also! — Was Sie sagen!)

— Bitte, dann füge ich an, was der Herr Familienminister sagt, der doch erklärt: Es muß auf jeden Fall vermieden werden, daß es Filme gibt, die dieses oder jenes propagieren und tun. Hier kommt der große Ermessensraum der Geschmacksdefinition. Meine Damen und Herren, wenn Ihr Antrag durchgeht, wenn die deutsche Filmwirtschaft so gestellt ist, daß sie also nicht mehr finanzielle Unterstützung auf dem Wege der Bürgschaft bekommt, wenn Sie also nicht mehr die Methode der finanziellen Dirigierung praktizieren können, um eine bestimmte Sorte von Filmen zu verhindern, dann müssen Sie doch zur bürokratischen Zensurierung kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihre Unterstellung! — Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja, oder Sie bleiben bei der Volkszensur und rufen die Leute zu Manifestationen auf, wie wir sie dort gesehen haben.
Die freiwillige Selbstkontrolle sollte doch fürwahr auch Ihre Anerkennung finden. Der Herr Bundesinnenminister hat eben gesagt, daß es durchaus Urteile der freiwilligen Selbstkontrolle gibt, über die man geteilter Meinung sein kann.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

Es gibt kaum je ein Urteil eines kollektiven Gremiums, über das die Auffassungen nicht auseinandergehen. Selbst ein einsames Urteil in einer Affäre unterliegt gewöhnlich dem Zweifel bei einem großen Teil von Leuten.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es gibt kein Urteil, das allgemeinverbindlich ist. Aber die freiwillige Selbstkontrolle umfaßt die Vertreter des Bundes, die Vertreter der Länder, der Kirchen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Einen!)

der Jugendorganisationen und der Filmwirtschaft.
Sie werfen in die Debatte: „Einen!" Ich will dazu gern ein Wort sagen. Die katholische Kirche ist nie ungeschickt in ihrer Personalpolitik gewesen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das stellt man auch bei der freiwilligen Selbstkontrolle fest. Einer der Ländervertreter zumindest, der Vertreter von Rheinland-Pfalz, ist der katholische Theologieprofessor Dr. Schmidt, und ich habe mir sagen lassen, daß auch ein weiterer Herr, der via Jugendvertretung in diese Filmselbstkontrolle gekommen ist, der Schriftleiter des „Katholischen Filmdienstes" ist. Ich glaube, man kann doch hier den kirchlichen Einfluß nicht allein darin manifestiert sehen, wieviel Geistliche in einer Institution sitzen. Die katholische Kirche hat ja durchaus auch andere Möglichkeiten der Einflußnahme. Es zeigt sich sehr deutlich, daß sie auch über andere Institutionen ihren Einfluß noch hat verbreitern können. Ich stelle das ohne jede Kritik nur auf den Zwischenruf hin fest, es sitze nur ein kirchlicher Vertreter darin. Entscheidend ist ja gar nicht die Forderung nach der Zahl der dort vorhandenen Vertreter, sondern bei dem Herrn Familienminister — hier muß ich wiederum an seine erklärten Absichten erinnern — läuft es doch darauf hinaus, daß er die Unterwerfung unter die kirchlichen Zensurbestimmungen bzw. unter die kirchliche Beurteilung in der deutschen Filmproduktion erwartet.

(Abg. Dr. Krone: Lieber Himmel! — Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)



(Kühn [Köln])

— Nein, das ist gar nicht unerhört, meine Damen und Herren;

(erneute Zurufe von der Mitte)

denn in seiner Frankfurter Rede hat der Herr Bundesfamilienminister erklärt, daß die Maßnahmen der Filmselbstkontrolle der Kritik deshalb unterzogen werden müßten, weil sie nicht den kirchlichen Urteilen entsprächen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das zeigt doch in hinreichender Deutlichkeit, in welcher Richtung die Tendenz bei dem Herrn Familienminister geht.

(Abg. Sabel: Das stimmt ja gar nicht! — Anhaltende Gegenrufe von der Mitte.)

Wir haben an einer anderen Stelle gesehen, daß Herr Direktor Kochs, der Vertreter der Katholischen Kirche für Filmangelegenheiten, sogar Steuerermäßigungen für die Filme gefordert hat, von denen er sagt: ,,... daß die Kirche sie besonders hervorheben" würde — heißt es wörtlich —, „selbst wenn sie in künstlerischer Hinsicht nicht voll gelungen sind".

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren — ich möchte mit einem Wort abschließen, von dem ich hoffe, daß Sie es mit dem ganzen Gewicht aufnehmen, mit dem ich es ausspreche —, wir wollen keinen Kulturkampf. Kulturkampf wäre ein Verhängnis, wäre ein Verhängnis gerade heute, wo wir alle miteinander in der Verteidigung gegenüber totalitären Regungen in der Welt stehen, welche politische Farbe sie auch immer tragen mögen. Aber jeder, der die Freiheit nach außen sichern will, muß auch die
Freiheit nach innen hundertprozentig respektieren und garantieren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Deshalb wäre jeder Versuch einer Verkirchlichung unseres geistigen Lebens ebenso verhängnisvoll, wie es jeder Versuch einer antikirchlichen Freigeisterei wäre, die hoffentlich vergangenen Zeiten angehört.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die Verteidigung der geistigen Freiheit in diesem Hause sollte in der Demokratie nicht Sache einer Partei sein. Das Anliegen aller muß es sein, die geistige Architektur des demokratischen Staates so weit zu gestalten, daß jeder im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung nach seinen geistigen Prinzipien sein Leben gestalten kann. Wenn aber, lassen Sie mich dies zum Abschluß mit allem Nachdruck sagen, eine Kraft — ob Partei oder Kirche, ob Regierung oder was auch immer — dies verhindern möchte, dann werden wir uns vor unserem Gewissen stets verpflichtet fühlen, als eine Schutzmacht der menschlichen Toleranz und der geistigen Freiheit vor Sie hinzutreten.

(Lebhafter und langanhaltender Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202201300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen, der Bundesminister Wuermeling.

(Unruhe. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0202201400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß einleitend sagen, daß ich mich schwierigeren Situationen gewachsen fühle als derjenigen,

(Lachen bei der SPD)

vor der ich dank der erheiternden Rede des Herrn Kollegen P a u 1 heute stehe.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : „Stolz lieb' ich mir den Spanier!" — Weitere Zurufe von der SPD.)

Wenn mir ein Kollege aus dem Plenum im Zusammenhang mit dieser Rede vorhin den Vorschlag gemacht hat, ich möchte den Herrn Kollegen Paul heute zum Mittagessen einladen, dann weiß ich noch nicht recht, ob ich eine solche Einladung aussprechen soll oder nicht. Aber diese Bemerkung zeigt, welchen Dienst mir Herr Kollege Paul mit seiner Rede erwiesen hat.

(Abg. Dr. Greve: Vielleicht laden Sie Herrn Kühn ein! — Zuruf von der SPD: Sie kennen nicht die Grenzen des Zumutbaren!)

Im übrigen, meine Damen und Herren, stelle ich mit Befriedigung fest, daß Herr Kollege Kuhn, der eine mehr ins Sachliche gehende Rede gehalten hat, auch manches Positive in meiner Düsseldorfer Filmrede entdeckt hat und sogar mehrfach gesagt hat, daß er dies oder jenes anerkennen müsse. Die Rede kann also wohl gar nicht so schlecht gewesen sein, wie manche das zu Beginn der Diskussion um diese Rede gerne wahrhaben wollten.

(Zuruf von SPD: Das hat Ihnen geschmeichelt!)

Im übrigen, meine Damen und Herren, habe ich mich auf die heutige Aussprache im Plenum genau so gefreut wie Sie. Es fragt sich nur, wer mehr Grund zu dieser Freude hat; denn Sie, meine Damen und Herren, haben das Pech, daß ich nie und nirgends das gesagt oder gefordert habe, was Sie gern möchten, daß ich es gesagt hätte, damit Sie mich angreifen können.

(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Die armen Pressestenographen!)

Der Herr Kollege Paul he etwas humoristische Einlage gegeben. Er hat hier eine so einige Unterstellungen darüber gemacht, was ich mir unter notwendigem Inhalt eines Filmes vorstelle. Die Traumfabrik des Films, von der eben gesprochen wurde, scheint mir ein Waisenknabe gegen die Traumfabrik zu sein, die der Herr Kollege Paul eben von meinem Denken entwickelt hat.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, zur Feststellung dessen, was sich manche unter notwendigem Inhalt eines Filmes vorstellen, will ich Ihnen einmal einen Satz aus einer Zuschrift verlesen, die offenbar aus den Kreisen der Gefolgschaft meiner Gegner kommt. Vom Film wird hier gefordert — ich will jetzt nicht etwa die SPD damit identifizieren, das liegt mir fern —

(Abg. Schoettle: Gut, daß Sie vorsichtig sind!)

Vom Film muß verlangt werden, daß er in eindringlicher Form die männliche Dummheit und die angeborene Raffiniertheit der Frauen schildert. In jedem anderen Fall ist ein Film unzulänglich.

(Zurufe von der SPD.)



(Bundesminister Dr. Wuermeling)

Man kann natürlich auch solche Anforderungen an einen Film stellen. Hier sind sie in Wirklichkeit gestellt. Für die Unterstellungen aber, die Sie mir gemacht haben, gibt es überhaupt keine Wirklichkeit.

(Abg. Dr. Greve: Wo haben Sie das her, Herr Wuermeling? Wo steht das?) — Das kommt aus Leverkusen.


(Zuruf von der SPD: Von Leverkusen ist schon mehr gekommen! — Abg. Dr. Greve: Leverkusen liegt doch im Rheinland, in der Nähe des Kölner Doms! — Weiterer Zuruf von der SPD: Da ist bestimmt der Wurm drin! — Heiterkeit links.)

Nun, meine Damen und Herren, zu den Dingen, die hier behandelt wurden. Ganz weniges nur im einzelnen. In der Rede des Herrn Kollegen Paul wurde der Eindruck erweckt, als spräche ich in meinen Reden draußen im Lande von einem Versagen der deutschen Familie. Davon kann nicht im mindesten die Rede sein. Ganz im Gegenteil, ich habe mit Herrn Professor Schelsky, mit Herrn Landesbischof Lilje, der gerade zitiert wurde, und vielen anderen immer wieder herausgestellt, daß die deutsche Familie ihre ganz große Bewährungsprobe in der Zeit um 1945 wie überhaupt keine andere Institution unseres Gemeinschaftslebens bestanden habe.

(Beifall in der Mitte.)

Deswegen möchte ich hier in aller Form dagegen protestieren, daß der NWDR vorgestern morgen in seinen Frühmeldungen die Behauptung aufstellte, daß Herr Landesbischof Lilje „im Gegensatz zu mir", wovon Herr Landesbischof Lilje, wie ich von einem Teilnehmer weiß, überhaupt nichts gesagt hat, diesen Standpunkt vertreten habe.
Dann wurde von dem Recht der Filmschaffenden auf ein Privatleben gesprochen. Meine Damen und Herren, wer spricht denn den Filmschaffenden das Recht auf ein Privatleben ab? Sie haben ja selber eine Stelle aus meiner Rede zitiert, in der ich das ganz ausdrücklich anerkannt habe. Ich habe lediglich einmal eine Äußerung getan, zu der ich stehe; ich habe auf die Tatsache hingewiesen, daß das Privatleben zahlreicher bedeutender Filmschauspieler von vielen Menschen in der Bundesrepublik als vorbildlich angesehen wird und daß diese Künstler deswegen ähnliche Verantwortungen tragen wie Politiker im öffentlichen Leben, die auch im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen.
Was die Frage der sogenannten Volkszensur angeht, so werde ich mich nicht dazu verleiten lassen, hier irgendwelche Erklärungen abzugeben,

(Aha-Rufe und Lachen bei der SPD)

aus denen Sie nachher die Folgerung ziehen zu können glauben, ich hätte hier etwas anderes gesagt als die Bundesregierung.

(Zuruf von der SPD: Streiten Sie Ihr Telegramm ab?)

Bisher bin ich nämlich mit der Bundesregierung, wie Herr Bundesminister Schröder festgestellt hat, in dem, was ich will und wünsche, vollkommen einig. Deswegen genügt es vollkommen, daß die Erklärung der Bundesregierung hier abgegeben worden ist. Wenn man mir sagt, die Erklärung der Bundesregierung über den Ausdruck „Volkszensur" sei nicht deutlich genug, dann stelle ich fest,

(Zurufe von der SPD: Ihr Telegramm! Ihr Telegramm!)


(Lebhafte Zurufe links.)

Im übrigen noch eins, meine Damen und Herren. Es ist selbstverständlich absolut unwahr, daß ich in Frankfurt etwa die kirchliche Filmbegutachtung zum Maßstab für die Gewährung von Filmbürgschaften habe machen wollen. Ich bin dort lediglich in der Diskussion gefragt worden,

(Abg. Kühn [Köln]: Das haben Sie doch behauptet!)

wie ich mich zur Selbstkontrolle stelle. Ich habe sie als gute Einrichtung bezeichnet und habe in anderem Zusammenhange u. a. nur die Tatsache erwähnt, daß die kirchlichen Beurteilungen vielfach abwichen von den Beurteilungen der Filmselbstkontrolle, ohne dabei aber irgendwie die mir unterstellte Forderung zu erheben. Das ist eben wie-. der eine dieser Entstellungen durch Leute, die ohne solche nicht auskommen können, weil sie mir nämlich sonst nichts anhängen können.

(Abg. Pelster: Sehr gut! — Abg. Marx: Methode „Haltet den Dieb"!)

Nun, meine Damen und Herren, noch eines in diesem Zusammenhang. Wenn diese Filmrede, die ich in Düsseldorf gehalten habe, in der Öffentlichkeit kritisiert wird, — nun, gerade heute morgen geht mir mit der Post wieder eine Stellungnahme zu, die aus evangelischen Kreisen kommt und die sich gerade sehr positiv zu dieser Rede stellt. Es sind die „Mitteilungen der Evangelischen Zentralbildkammer Witten" in der Korrespondenz „Film und Bild". Weil hier eine meines Erachtens so gute Auslegung gegeben ist, bitte ich, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wenige Zeilen daraus vortragen zu dürfen. Da heißt es:
Die in den Ausführungen des Herrn Ministers enthaltenen Vorwürfe gelten so, wie wir es verstanden haben, nicht „der Filmindustrie", sondern denen, die dem Volk in ihren Produktionen Gangster, ladykiller, Mörder und erotische Superatombomben als die eigentlichen „Helden" des Lebens hinstellen und ihre Taten vom Ehebruch bis zum Selbstmord oder Mord als normale Erscheinungen des bürgerlichen Lebens. Diejenigen aber innerhalb der Filmwirtschaft, denen ein Dauerappell an die niederen Instinkte gerade recht ist, um damit Geld zu verdienen, die also augenscheinlich von den kulturellen Möglichkeiten ihrer Arbeit nichts wissen oder nichts wissen wollen, die sollten sich nicht nur von einem Minister, sondern auch von den vielen ernsthaften Mitarbeitern im Film getrost sagen lassen, daß es nicht zu verantworten ist, eine Filmwirtschaft zu konsolidieren, die sich trotz aller Mahnungen nicht scheut, mit der Vergiftung unserer Ehe- und Familienauffassung ein Geschäft zu machen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Kein vernünftiger Mensch wird von einem
Staat verlangen, daß er die Steuergroschen
seiner Bürger für Filme hergibt, die mit dazu


(Bundesminister Dr. Wuermeling)

beitragen, sein Fundament, nämlich die Familie, zu zerstören, und das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit hat ganz besonderes Verständnis gerade dafür.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, ich habe dem nichts hinzuzufügen.

(Zurufe von der SPD.)

Denn das ist ganz genau das, was ich neben der Anerkennung der guten Filme in meiner Düsseldorfer Rede gesagt habe. Wenn mir also hier alles mögliche unterstellt wird, so rennen meine Gegner insofern offene Türen ein, als sie eben das Pech haben, daß ich nirgends und nie das gesagt habe, was sie möchten, daß ich es gesagt hätte.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie den Ausdruck „Volkszensur" gebraucht?)


Peter Jacobs (SPD):
Rede ID: ID0202201500
Herr Minister, sind Sie dann in der Lage, einen Film zu nennen, der mit Bundesbürgschaftsmitteln hergestellt wurde und diese destruktiven und ehezerstörenden Tendenzen, wie Sie eben vorgelesen haben, auch enthält? Wenn nicht, sollten doch solche von kirchlicher Seite kommenden Urteile in diesem Hause besser unterbleiben.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0202201600
Ich meine, der Film „Die Sünderin" dürfte Ihnen als Beispiel genügen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber nun möchte ich doch noch in diesem Zusammenhang auf etwas sehr Ernstes eingehen. In den Ausführungen des Herrn Kollegen Paul ist auch die Rede von „dunklen Bestrebungen" gewesen, die meinen Gedanken oder Zielen zugrunde lägen.

(Zurufe von der SPD.)

Ich sehe in dieser Andeutung einen Hinweis auf das, was jetzt draußen etwas deutlicher als „Konfessionalisierung" oder „Klerikalisierung des öffentlichen Lebens" herausgestellt wird. Ich lege das größte Gewicht darauf, bei Gelegenheit dieser Aussprache festzustellen, daß man mit dem Gerede — das gilt auch von dem Gerede einiger Zeitungen — von „Konfessionalisierung" und „Klerikalisierung" das Pech hat, daß meine familienpolitischen Aufgaben und Ziele doch ein gemeinsames Anliegen der Christen b e i d e r Konfessionen sind und daß es Ihnen deshalb einfach nicht gelingen kann, gewisse Affekte an meinem Ministerium erfolgreich abzureagieren oder gar konfessionellen Hader zu entfachen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

Meine Zusammenarbeit mit den Familienorganisationen beider Konfessionen und mit dem inter-konfessionellen deutschen Familienverband ist von Anfang an so eng und harmonisch und freundschaftlich gewesen, nicht zuletzt wurden meine Referate gerade auch von großen evangelischen Zuhörerkreisen so zustimmend und herzlich aufgenommen, daß ich Ihnen schon andere Methoden als konfessionelle Zersetzung anraten muß, wenn Sie meinen, meine Arbeit zum Schutze unserer Familien unbedingt stören zu müssen. Ich fürchte allerdings, meine Damen und Herren, daß Sie, wenn Sie so weitermachen wie bisher, dann nach der ersten „Volkszensur", den Bundestagswahlen von 1953,

(Beifall bei der CDU/CSU)

bei den nächsten Wahlen eine zweite „Volkszensur" erleben werden, deren Ergebnis allenfalls noch eine Versetzung in den linkesten Teil dieses Raumes ermöglichen wird.

(Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Abg. Marx: Filmstar Wuermeling! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Aber meine Damen und Herren, das soll nicht meine Sorge sein. Mir als Angegriffenem kann es nur nützen, wenn mangels sachlicher Argumente gegen den Inhalt meiner Reden

(Abg. Marx: Filmstar Wuermeling!)

Unterstellungen benötigt werden, um überhaupt irgend etwas dagegen sagen zu können.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Nun ein Zweites. Ich habe von mir aus immer betont, daß ich den Schutz und die wirtschaftliche Sicherung unserer Familien für eine überparteiliche gemeinsame Aufgabe aller Fraktionen dieses Hauses halte, für die ich mit allen Fraktionen, auch mit der Opposition, gemeinsam arbeiten möchte.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir eben gemerkt! — Weitere Zurufe von der SPD.)

So habe ich in meiner ersten amtlichen Rede im neuen Bundestag am 5. Februar erklärt:
Ich bin nicht hier heraufgekommen, um irgendwelche Unfreundlichkeiten nach der Seite der Opposition hin zu sagen.

(Lachen bei der SPD.)

Im Gegenteil, ich habe den sehr, sehr herzlichen und dringenden Wunsch, die Aufgabe, die mir als Bundesminister für Familienfragen gestellt ist, gemeinsam mit allen Seiten dieses Hauses in Angriff zu nehmen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß sich zwischen allen Parteien und meiner Arbeit wertvolle Brücken echter Zusammenarbeit finden lassen.
Im gleichen Sinne habe ich mich auch in verschiedenen öffentlichen Kundgebungen im Bundesgebiet geäußert. Um dieses Ziel allseitiger Zusammenarbeit nicht zu gefährden, habe ich mich, seit mir meine neue Aufgabe übertragen wurde — trotz manchen Anlasses —, jeder Polemik, auch gegen die SPD, enthalten und unter alle Anfeindungen aus dem letzten Wahlkampf aus dem ehrlichen Wunsch heraus, gemeinsam mit allen gutwilligen Kräften der mir gestellten wichtigen Aufgabe zu dienen, bewußt einen Strich gezogen. Wenn Sie mich heute angreifen, dürfen Sie von mir natürlich nicht erwarten, daß ich, zumal Sie mich darum gebeten haben, Ihnen zu antworten, auf diese Angriffe schweige oder Ihnen meinetwegen erkläre: „Sie haben vollkommen recht! Ich habe lauter Unsinn geredet".

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

Das können Sie schließlich nicht verlangen.

(Zuruf von der SPD: Polemik ist keine Antwort!)

Im übrigen gilt das Gesagte auch für die Zeit nach dem 5. Februar, an welchem Tage die heute behandelte Große Anfrage gestellt wurde, die mir zunächst wie eine Kriegserklärung der SPD vorkam. Aber mit der heutigen Begründung hat die SPD ihre Anfrage wohl selber etwas ins Scherzhafte gezogen und damit gezeigt, daß sie ihre


(Bundesminister Dr. Wuermeling)

„Kriegserklärung" nicht so ernst nimmt. Ich freue mich darüber, daß sich die Diskussion heute trotz mancher Gegensätzlichkeit und mancher Anfeindung doch in Bahnen bewegte, die weithin sachlich waren.
Nun noch ein Drittes: Nicht nur in der Presse, sondern auch hier in der Debatte wurde im Unterton und manchen Einzelworten das Thema, das wir heute erörtern, über den Rahmen der Filmfrage hinaus in die allgemeine kulturpolitische Ebene hinein ausgeweitet, auf der ja manche Leute ihren ganzen Kampf gegen mich führen, ohne begründeten Anlaß dazu zu haben.

(Lachen bei der SPD.)

Ich möchte deswegen zum Zwecke der Klarstellung ganz kurz drei Punkte berühren; denn die Dinge müssen einmal klar und konkret herausgestellt werden, damit endlich das dumme Gerede von dem „klerikalisierenden" Minister ein Ende findet.
Meine amtliche Tätigkeit bewegt sich hauptsächlich auf der Ebene der wirtschaftlichen Hilfe für die Familie; aber die öffentliche Diskussion hat sehr wenig Interesse dafür gezeigt und sich nur um Dinge gekümmert, die an sich wirklich sehr am Rande meiner Arbeit liegen. Dabei geht es in diesem Randbereich um drei Themen, erstens den Film, zweitens die Ehescheidung und drittens den § 67 des Personenstandsgesetzes.
Zur Filmfrage habe ich mich bereits geäußert. Ich stelle fest, daß die heutige Erklärung der Bundesregierung klargestellt hat, daß die in der Großen Anfrage über den Inhalt meiner Düsseldorfer Rede enthaltenen Behauptungen in wesentlichen Punkten unrichtig sind, und weiter, daß das in meiner Düsseldorfer Rede zum Thema Familie dargelegte sachliche Anliegen nicht nur mein Anliegen, sondern ein Anliegen unserer Bundesregierung ist, so daß in diesem Punkte nicht der mindeste Anlaß zu den gegen mich gerichteten Angriffen gegeben ist.
Nun zur Ehescheidungsfrage. Was die von mir in öffentlichen Reden betonte Notwendigkeit einer Änderung des § 48 der vom Kontrollrat erlassenen Ehescheidungsvorschriften angeht, so habe ich die Forderung erhoben, ein Ehescheidungsrecht zu schaffen, nach dem es nicht möglich ist, seine in Ehren ergraute schuldlose Frau mit staatlicher Sanktionierung zu verstoßen, weil einem ein junges Mädchen besser gefällt. Der frühere Bundesjustizminister Dr. Dehler, der jetzige Vorsitzende der Freien Demokraten, hat ebenso wie unser jetziger Bundesjustizminister die gleiche Forderung bereits dahin formuliert, daß eine Ehescheidung nach § 48 — dreijährige Trennung — gegen den Willen des unschuldigen Teiles nicht mehr möglich sein soll. Es handelt sich dabei vor allem um den Schutz der Frau. Auch in diesem Punkt habe ich also nichts als eine gemeinsame Forderung aller derjenigen vertreten, die eine hohe Meinung von den Rechten und Pflichten der Ehepartner untereinander und gegenüber den Kindern haben. Wenn ich in diesem Punkte mit dem Herrn Kollegen Dehler einig bin, wo ist dann, so frage ich jetzt die Öffentlichkeit, hier „Konfessionalismus" oder „Klerikalismus"?

(Beifall in der Mitte.)

Der dritte Punkt betrifft den § 67 des Personenstandsgesetzes. Den Entwurf zur Aufhebung der von beiden christlichen Kirchen als diskriminierend empfundenen Strafvorschrift des § 67 habe ich erstmals zugleich mit allen Kabinettskollegen zur Kenntnis bekommen, ohne vorher irgendwie beteiligt gewesen zu sein, und ich habe ihm wie jedes andere Kabinettsmitglied zugestimmt. Ich bin also an diesem Gesetzentwurf etwa genau so schuldig oder unschuldig wie vielleicht Herr Kollege Reinhold Maier an der Kanzlerschaft Konrad Adenauers.

(Lachen bei der SPD.)

In der Frage der fakultativen standesamtlichen oder kirchlichen Eheschließung bin ich seit Jahr und Tag unverändert dafür eingetreten, es in Deutschland bei dem jetzigen Zustand zu belassen, weil die Meinungen über eine fakultative standesamtliche oder kirchliche Eheschließung in unserem konfessionell gemischten Lande zu verschieden sind. Wer, meine Damen und Herren, kann denn da ausgerechnet mir „Konfessionalisierung" oder „Klerikalisierung" vorwerfen, wenn ich als Katholik so eindeutig für Toleranz gegenüber den Auffassungen unserer evangelischen Mitbürger eintrete und weiter eintreten werde?
Nun, es geht einigen Leuten im Lande draußen bei diesen Dingen ja um etwas ganz anderes. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Es geht nicht um diese Einzelthemen, die ich soeben hier behandelt habe, weil das die konkreten Punkte sind, an denen man diese Hetze aufhängen kann. Meine Gegner wissen ganz genau, daß ich seit langen Jahren nicht müde werde, das uns in gemeinsamer Verfolgungszeit vor 1945 geschenkte Gemeinschaftsbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen beider Konfessionen zu vertiefen und zu festigen und alle konfessionelle I Fehde im politischen Raum ein für allemal zu begraben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Verwirklichung dieses Wollens soll durch Unterstellungen, durch Hetze, durch Verleumdungen und anderes mehr vereitelt werden, weil es in Deutschland eben eine Anzahl Leute gibt, die nur im trüben Wasser konfessionellen Haders noch politische Erfolge erzielen zu können glauben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich gebe Ihnen die Versicherung: je stärker die Versuche, durch Entfachung konfessioneller Zwietracht die politische Atmosphäre zu trüben, fortgesetzt werden, um so mehr wird die allgemeine Erkenntnis wachsen, daß alle Christen in Deutschland gemeinsame Gegner haben. Ich danke Ihnen von der SPD, daß Sie durch die Aufrollung dieser Debatte diese Klarstellung ermöglicht haben.

(Unruhe bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Was wollen Sie damit sagen? — Ganz klar, was er will! — Das ist ganz klar, ist ja zu deutlich!)

Auf diesem Hintergrunde aber nun noch ein anderes! In der heutigen Debatte wurde bereits der Herr Ministerpräsident a. D. Reinhold Maier zitiert. Ich pflege als Bundesminister keine Angriffe gegen Kollegen aus diesem Hause, insbesondere nicht aus der Koalition, zu führen; aber wenn ich selber angegriffen werde, wie das auf dem Hintergrunde des soeben Gesagten durch Herrn Kollegen Maier geschehen ist, so habe ich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, mich gegen das, was gesagt wurde, zu verteidigen. In diesem Zusammenhang muß ich


(Bundesminister Dr. Wuermeling)

deswegen auch einige Worte zu den Mainzer Angriffen des Herrn Kollegen Reinhold Maier gegen mein Ministerium sagen. Herr Kollege Maier hat nach dem von ihm selbst in den „Deutschen Kommentaren" veröffentlichten Wortlaut in Mainz gesagt:
Sichtbar hat der Kampf begonnen. Ein eigenes Ressort mit dem verharmlosenden Namen „Familienministerium" ist entstanden . . . Machen wir uns jedoch nicht leichtfertig nur auf Donquichotterien gefaßt! Es geht um sehr reale Dinge. Mit realen Methoden werden sie in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

(Zustimmung bei der SPD.)

Der „frisch, fromm, fröhlich, frei" dahinströmende deutsche Geist soll versiegen, seine Quellen will man verstopfen. Meine Herren Kommilitonen, die Zeit ist gekommen, „Don Carlos" zu lesen. Marquis de Posa ist unser Mann. Sein Wort: „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!" ist unser Wort.

(Lebhafter langanhaltender Beifall bei der SPD und der FDP.)

Nun, wenn in Deutschland keine Gedankenfreiheit bestände, hätte Herr Kollege Maier diese Rede nicht halten können.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : So hat man auch schon mal vor 20 Jahren geantwortet!)

— Ich stelle mit großem Bedauern fest, daß mir die Unterstellungen, mit denen draußen in der Presse gearbeitet wurde, offensichtlich auch von der SPD gemacht werden. Ich kann das nur nochmals schmerzlich bedauern. Wir sollten uns hier auf einem Boden ehrlicher Aussprache miteinander bewegen.

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU/ CSU. — Abg. Neubauer: Sagen Sie das mal dem Bundeskanzler!)

Wenn ich nun hier etwas gegenüber einem Koalitionskollegen sage, so verteidige ich mich hier natürlich nicht in der Freiheit, deren Herr Kollege Dehler sich seit einiger Zeit wieder erfreuen darf, sondern im Rahmen der Pflichten eines Mitgliedes des Koalitionskabinetts.
Ich habe zweierlei zu sagen. Erstens habe ich eine Frage an Herrn Kollegen Maier zu stellen: Was ist gemeint mit den „sehr realen Dingen, die mit realen Methoden in die Wirklichkeit umgesetzt werden"? Ich bitte Herrn Kollegen Maier um konkrete Angaben zu dieser Frage, damit endlich die Nebel einmal zerstreut werden, hinter denen sich diese Angriffe von den verschiedensten Seiten zu tarnen pflegen.

(Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Meinen Standpunkt habe ich in aller Öffentlichkeit dargelegt. Tun Sie bitte das gleiche!

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Die „konkrete Angabe" steht am Rednerpult!)

Das zweite, was ich dazu zu sagen habe, ist das Folgende. Herr Kollege Maier hat uns empfohlen, den „Don Carlos" zu lesen. Ich bin seinem Rate gefolgt und habe darin so wertvolle aktuelle Zitate gefunden,

(Zuruf von der SPD: Bei Philipp?)

daß ich gar nicht erst bei Goethe zu suchen
brauchte. Wenn Herr Kollege Maier mich anscheinend doch auch mit einem Unterton im Sinne klerikalisierender oder konfessioneller Tendenzen verdächtigen zu sollen glaubte, so antworte ich zunächst mit Don Carlos aus dem ersten Akt:
Schon seh ich deine Seele,
Vom giftgen Schlangenbiß des Argwohns
bluten.

(Beifall in der Mitte und Heiterkeit.) An einer weiteren Stelle heißt es:

Doch hab ich immer sagen hören, daß
. . . Geschichtenträger
Des Übels mehr auf dieser Welt getan,
Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht
konnten.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

Auch im zweiten Akt ist eine in diesen Zusammenhang sehr schön passende Stelle, als die Prinzessin zum Prinzen sagt: — —

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0202201700
Ich frage den Herrn Familienminister, ob er auch den fünften Akt von „Don Carlos" gelesen hat, den Satz, wo der Kardinal-Großinquisitor dem König Philipp vorwirft, daß er die Gesetze der Monarchenkunst nicht mehr kenne und sagt: Menschen sind Zahlen, weiter nichts!

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0202201800
Herr Kollege, ich darf Ihnen antworten, daß ich neuerdings auf die Aufforderung des Herrn Kollegen Maier den ganz en Don Carlos gelesen habe,

(Heiterkeit)

daß ich nur keinen Anlaß gefunden habe, gerade diese Stelle zu zitieren, weil sie mir in die heutige Situation nicht zu passen scheint.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Heiterkeit.)

In der gleichen Linie wie die eben von mir gegebenen Zitate liegt nun die Aufforderung der Prinzessin an Don Carlos im zweiten Akt, die ich an Herrn Kollegen Maier richten möchte und die da lautet:
Sie sind nicht fröhlich, guter Prinz, — Sie
leiden —Sie brauchen Ruhe, lieber Karl — Ihr Blut Ist jetzt in Aufruhr — setzen Sie sich zu mir — (Schallende Heiterkeit.)

— Meine Herren, Sie lachen zu früh! Die Hauptsache kommt ja noch!

(Erneute Heiterkeit.)

Ihr Blut ist jetzt in Aufruhr — setzen Sie sich
zu mir —
Weg mit den schwarzen Fieberphantasien!

(Fortgesetzte stürmische Heiterkeit im ganzen Hause.)

Meine Damen und Herren, wegen dieser Zitate wurde mir gewiß der „Don Carlos" nicht empfohlen!
Ich habe nun auch noch andere gefunden, die der gegenwärtigen Situation des Herrn Kollegen Maier vielleicht etwas näher liegen, nachdem er die Villa Reitzenstein verlassen hat. Der „Don Carlos" beginnt ja doch gleich mit den Worten:
Die schönen Tage in Aranjuez
sind nun zu Ende.

(Heiterkeit. -Zuruf von der SPD: Lesen Sie ihn doch ganz vor!)



(Bundesminister Dr. Wuermeling)

Als das neue Kabinett Müller gebildet war, da schienen mir zwei Zeilen aus dem zweiten Akt von ganz besonderer Bedeutung:
Wo bin ich? Rasender Betrug — ich habe Das rechte Kabinett verfehlt.

(Erneute schallende Heiterkeit im ganzen Hause. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Sie sind richtig eingestiegen!)

Meine Damen und Herren, ich bin gewiß, mit dieser im wahrsten Sinne des Wortes klassischen Abwehr des Angriffs meines Koalitionskollegen Reinhold Maier dem Koalitionsfrieden bestmöglich gedient

(Zuruf von der SPD: Und die Antwort auf die Anfragen?)

und der Liebe zur klassischen Literatur neue Impulse gegeben zu haben. Wie schön hätte unsere ganze heutige Aussprache in allen ihren Teilen sein können, wenn auch bei anderen Reden solche Liebe spürbar gewesen wäre!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Oho!-Rufe von der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202201900
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Es wird mir eben mitgeteilt, daß Tribünenbesucher Beifall und Mißfallen durch Klatschen und dergleichen äußern. Das ist in diesem Hause nicht zulässig. Ich möchte darum bitten, daß sich die Besucher der Tribüne neutral verhalten, damit ich nicht gezwungen werde, sie gegebenenfalls räumen zu lassen.
Bitte, Herr Abgeordneter!

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0202202000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir den bisherigen Ablauf der Debatte um den Film und über den Film zu vergegenwärtigen versuche und wenn ich insbesondere die Rede, die Herr Kollege Kühn hier gehalten hat, überdenke, dann erfüllt mich zunächst ein Gefühl des Dankes dafür, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit haben, auch solche heiklen und schwierigen Streitfragen in so vollkommener Offenheit zum Austrag zu bringen, wie das hier geschieht. Freiheit ist eine große Sache. Ich glaube auch im Namen meiner Fraktion sprechen zu dürfen, wenn ich sage: wir von der CDU werden auf alle Fälle dafür eintreten, daß auch in Zukunft diese Freiheit zur offenen Aussprache selbst über die heikelsten und schwierigsten Dinge hier in der Bundesrepublik gesichert bleibt und möglichst bald für ganz Deutschland geschaffen und gesichert wird. Wir hoffen, daß man es auch uns nicht übelnimmt, wenn wir ebenso offen das sagen, was wir auf dem Herzen haben, und daß auch Sie, meine Herren von der Opposition, uns gestatten, ganz freimütig unsere Meinung und unsere Überzeugung hier zu bekennen.
Zunächst liegt es mir am Herzen, gewissermaßen zur Bereinigung der Situation und der Atmosphäre, in der wir sprechen — denn es kommt ja ungeheuer viel darauf an, daß wir die Diskussion über lebenswichtige Probleme unseres Volkes in einer sauberen und guten Atmosphäre vollziehen —, zunächst ein Wort zu den persönlichen Angriffen sagen, die Herr Abgeordneter Kalbitzer gegen meinen Fraktionskollegen Dr. V o g e l gerichtet hat.

(Zuruf von der SPD: Ah!) Meine Damen und Herren, ich habe den Kollegen Dr. Vogel zu der Zeit nicht gekannt, auf die Herr Kalbitzer Bezug genommen hat. Aber ich kann Ihnen eines sagen: mir liegen unbestreitbare Beweise vor, wonach es keinesfalls sicher ist, daß die von Herrn Kalbitzer zitierten Sätze auch von Dr. Vogel geschrieben worden sind. Ich will darauf verzichten, diese Beweise hier vorzutragen. Ich könnte es jederzeit tun.

Wenn wir versuchen, uns in jene Zeit des Jahres 1938 zurückzuversetzen, so wissen wir doch ganz genau, daß es damals unzählige gute und ehrliche und redliche Demokraten gegeben hat, die, wenn sie überhaupt ihr Gewerbe als Schriftleiter und als Journalisten durchführen wollten, genötigt waren, sich nach außen hin irgendwie abzuschirmen, nach außen hin zu tarnen und jeden frei geschriebenen Satz gewissermaßen in ein braunes Papier einzuwickeln, um überhaupt weiterleben zu können. Meine Damen und Herren, solche Journalisten, die unter diesem Druck, unter solchem Zwang standen, gab es damals nicht nur in unseren Reihen, sondern sie gab es auch bei der SPD.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Aber ist es denn so schwer, sich an das zu erinnern, was damals geschah? Ist es denn so schwer? Meine Damen und Herren, sehen Sie bitte die Lage an, in der sich die Deutschen in der Sowjetzone befinden! Es ist Ihnen genau so gut wie uns bekannt, daß unzählige gute und ehrliche Demokraten, die heute in der Sowjetzone leben, wenn sie überhaupt noch ihre Existenz führen wollen, genötigt sind, sich nach außen hin zu tarnen und mit Maßnahmen abzuschirmen, die ihnen selbst innerlich zuwider sind, die sie aber einfach ergreifen müssen, um leben zu können.
Nun, wollen wir so weitermachen, wie Herr Kalbitzer mit seinen persönlichen Angriffen begonnen hat? Muten Sie uns zu, wollen Sie uns dazu zwingen, nun zur politischen Vergangenheit von Männern Stellung zu nehmen, die in Ihren Reihen stehen?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wir könnten das wirklich tun. Ich könnte es wirklich tun. Die Namen stünden zur Verfügung. Ich will sie aber nicht nennen. Es läge zwar sehr nahe, meine Damen und Herren von der Opposition. Aber ich will es nicht tun. Einfach deshalb, weil ich glaube, daß wir als Willensträger der Demokratie und also solche, die gemeinsam berufen sind, die Demokratie nach außen hin zu verteidigen, die Hände davon lassen sollten, uns gegenseitig auf diese Art und Weise zu zerfleischen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Thema des Tages kommen. Es ist ein Thema, das breite Schichten unseres Volkes brennend interessiert. Ich glaube, es ist gut und nützlich, daß der Deutsche Bundestag einmal die Gelegenheit ergriffen hat, eine Grundsatzdebatte und eine Generalaussprache über den Film zu führen. Im Hintergrund dieser ganzen Aussprache, im Hintergrund alles dessen, was wir heute hier zu verhandeln haben, steht irgendwie die Frage: Welche Stellung hat der Staat, in unserem Falle der Bund, zum Film einzunehmen? Soll der Staat in bezug auf den Film etwas tun? — wenn ja: was soll er tun? Oder soll er ganz die Hände vom


(Bausch)

Film lassen, soll er auf jegliche Aktivität in bezug auf den Film verzichten?
In der letzten Sitzung des zuständigen Fachausschusses des Bundestags hat ein Vertreter der Opposition eine Erklärung abgegeben, die für mich, wie ich Ihnen offen sagen möchte, sehr erstaunlich war und die dahin ging, nach der Verfassung habe der Bundestag keine Verantwortung für den Film.
Nun, meine Damen und Herren, nach dem, was bei uns in Deutschland in der Vergangenheit geschehen ist, haben wir ganz gewiß allen Anlaß, die Grenzen, die dem Staat für seine Tätigkeit gezogen sind, sehr, sehr sorgfältig abzuschätzen und zu überprüfen. Dies gilt doppelt für die Tätigkeit des Staates gegenüber dem Film. Der Film hat heute in der Welt eine geradezu beispiellose Macht errungen. Der Film entfaltet heute für Millionen von Menschen, darunter für zahllose Jugendliche, eine normenbildende Kraft. In einer Zeit, in der sich das Gewicht des gesprochenen Wortes allein immer mehr vermindert, wird sich — ich glaube in dieser Vermutung nicht fehlzugehen — die Macht des Films in der Zukunft sehr wahrscheinlich noch sehr viel mehr steigern. Diese Macht kann ebensosehr zum Guten wie zum Bösen benutzt werden. Die Zukunft unseres Volkes hängt mit davon ab, daß sich diese Macht in unserem Volk zum Guten auswirkt. Aber auch die ganze Zukunft des Films hängt davon ab, daß er seine erstaunlichen technischen Wunder in den Dienst des Guten stellt.
Gleichzeitig jedoch muß ganz eindeutig ausgesprochen werden: Der Staat und seine Organe können das letztlich Entscheidende dazu, daß der Film diese seine Bestimmung erfüllen kann, nicht tun.
Wenn ich dies ausspreche, so bedeutet dies aber ganz und gar nicht, daß ich damit der Auffassung Ausdruck geben wollte, der Bund könnte gegenüber dem Film völlige Abstinenz üben. Dies halte ich in der Tat für unmöglich. Totalitäre Staaten benutzen den Film heute noch als eines der wichtigsten ideologischen Kampfmittel zur Aufrechterhaltung ihrer totalitären Herrschaft und zur Überwindung der freien Welt. Schon aus diesem Grunde kann es uns nicht gleichgültig sein, was in der freien Welt und in der freien Bundesrepublik mit dem Film geschieht. Aber auch im Blick auf das Grundgesetz — Herr Kollege Kalbitzer, Sie gucken mich gerade an — muß der These Ihrer These —, der Bund habe nach dem Grundgesetz keine Verantwortung für den Film, nachdrücklich widersprochen werden.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0202202100
Herr Kollege, Sie haben mich völlig mißverstanden. Ich habe nur gesagt: der Ausschuß hat sich mit Filmsachen nur dann zu befassen, wenn das Plenum sie ihm zuweist.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0202202200
Herr Kollege Kalbitzer, dann haben Sie sich mißverständlich ausgedrückt. Sie haben wörtlich gesagt: Der Bundestag oder „der zuständige Ausschuß des Bundestages haben nach dem Grundgesetz keine Verantwortung gegenüber dem Film".

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0202202300
Dann wäre es doch widersinnig, wenn ich jetzt Anträge zu dem Thema stellen wollte.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0202202400
Deshalb ist mir Ihre Bemerkung so unfaßlich und unverständlich gewesen.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0202202500
Das war sie auch.

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0202202600
Ich nehme das gern zur Kenntnis.
Daß der Bundestag als solcher, daß die oberste gesetzgebende Instanz der Bundesrepublik eine Aufgabe auch gegenüber dem Film hat, ergibt sich für mich und nach meiner Überzeugung schon aus dem allerersten Satz des Grundgesetzes, Art. 1 Abs. 1 Satz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

(Bravo! bei der SPD.)

Wagt es aber jemand, im Ernst zu bezweifeln, daß man im Film nicht nur die Würde des Menschen zu achten und zu respektieren, sondern auch in oft erschreckender Weise mit Füßen zu treten vermag? Geschieht dies nicht täglich in der Welt, landauf, landab? Ich rate Ihnen, meine Damen und Herren, einmal nach Wiesbaden zu reisen, dort einen Besuch bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft zu machen und sich wenigstens einen Teil des Inhalts der sogenannten Schreckenskammer zeigen zu lassen, in der jene Filme und jene Teile von Filmen aufbewahrt werden, die von der Selbstkontrolle der Filmwirtschaft als unmöglich und gefährlich von der Vorführung ausgeschlossen worden sind.

(Abg. Kalbitzer: So pervers war ich noch nicht!)

Daß die Freiheit des Films ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in den Bestimmungen zum Schutze der Jugend findet und daß Art. 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, das alles zeigt doch ganz eindeutig und klar, daß dem Gesetzgeber schon durch das Grundgesetz Aufgaben übertragen sind, denen sich das zentrale Parlament des Landes niemals entziehen kann. Sind wir darin einig, Herr Kalbitzer?

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0202202700
Natürlich, sonst hätten wir doch diese Diskussion heute morgen nicht!

Paul Bausch (CDU):
Rede ID: ID0202202800
Gut. Ich bin überhaupt überzeugt, daß es uns in der heutigen Debatte und auch bei anderer Gelegenheit gelingen wird, gemeinsame Auffassungen in bezug auf dieses interessante Thema festzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist ja viel besser, wenn wir uns bemühen, herauszukriegen, wo wir einig sind, als wenn wir uns immer so sehr anstrengen, herauszubekommen, wo wir gegensätzliche Meinungen haben.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Wohin schrankenlose Freiheit führt, das sieht man doch in Italien, wo nach verläßlichen Angaben von 14 führenden Filmproduzenten 4 eingeschriebene Mitglieder der kommunistischen Partei sind und 4 weitere zu ihren Mitläufern gehören.
Schon in der letzten Legislaturperiode hat der Bundestag diese Zusammenhänge klar und eindeutig erkannt. Schon damals wurde mit Zustimmung fast aller Fraktionen des Bundestags ein besonderer Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films eingesetzt. Bundestag und Bundesregierung haben eine sehr sorgfältig und behutsam abgewogene Politik auf dem Ge-


(Bausch)

biet des Films eingeleitet. Mein Kollege Muckermann hat auf die leitenden Gesichtspunkte für diese Politik schon hingewiesen. Er hat auch darauf hingewiesen, wie schwer es damals nach dem Krieg, nach der schweren Katastrophe, gewesen- ist, die auch für den Film schon durch die Zerstörung seiner Anlagen und dann erst recht durch die fast vollkommene Demontage seiner Einrichtungen durch die Besatzungsmacht eine unerhört schwere Zeit gebracht hat — wie schwierig die Versuche waren, in Deutschland eine neue Filmwirtschaft aufzubauen. Die Grundzüge der Politik des Bundestags — eine Bundesbürgschaft von 20 Millionen DM, eine Bundesbürgschaft von 60 Millionen DM, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der FSK, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Institutionen für die Bundesbürgschaft — zeigen ganz klar und eindeutig, daß die Politik des Bundes auf dem Filmgebiet von vornherein, schon vom Jahre 1949 an, eine Politik war, die man mit guten Gründen als eine Politik der helfenden Hand gegenüber der Filmwirtschaft bezeichnen kann. Diese Politik der helfenden Hand, diese Politik des Versuchs des Bundes, der Filmwirtschaft aus ihrer Katastrophe herauszuhelfen, hat ganz ohne Zweifel ihre Früchte gezeitigt. Rein wirtschaftlich gesehen: die Filmwirtschaft ist vorangekommen. 'Im Jahre 1953 wurden 103 Spielfilme erzeugt. Was die geistige, sittliche, ethische und künstlerische Substanz des deutschen Films anbelangt, so ist diese ganz naturgemäß ein Spiegelbild der geistigen Krise unserer Zeit. Es muß aber gesagt werden, daß sich — und das ist auch heute schon mehrfach gesagt worden — unter den Filmen, die in Deutschland erzeugt worden sind, eine ganze Reihe hervorragender Werke befinden. Die Schöpfer dieser Werke, die ihre Aufgabe mit einer geradezu unerhörten Hingabe erfüllen, haben sich durch ihre Arbeit Dank und große Verdienste erworben.
Was soll nun in Zukunft geschehen? Darüber ist schon Grundlegendes gesagt worden. Ich will mich darauf beschränken, lediglich einiges von dem, was mein Freund Muckermann hier gesagt hat, noch einmal kurz zu unterstreichen.
Was das System der Filmbürgschaften anbelangt, so sind seine Gefahren und Mängel im Verlaufe ihres Ausbaus in stärkerem Maße hervorgetreten, als das zunächst zu vermuten war. Der Gesellschaft werden zur Begründung der Anträge auf Bewilligung von Bürgschaften neben den Kostennachweisen nur die Drehbücher vorgelegt. Auf Grund der Kostennachweise und der Drehbücher versuchen die verantwortlichen Männer der Filmbürgschaftsgesellschaft sich ein Urteil über die zu schaffenden Filme zu bilden. Die Gesellschaft gibt das Geld des Bundes hin, wenn sie glaubt, daß ein Film seine Herstellungskosten einbringen und einen positiven wirtschaftlichen Ertrag abwerfen wird. Die Richtlinien der Filmbürgschaftsgesellschaft enthalten im Gegensatz zu den Richtlinien der Freiwilligen Selbstkontrolle nur wenige Maßstäbe, die sich auf die Qualität und den Inhalt des Films beziehen. Sie legen im wesentlichen nur die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bürgschaftshingabe fest. Diese Festlegung ist natürlich notwendig, um zu verhüten, daß der Bund bei der Bürgschaftshingabe Geld verliert.
Das Parlament aber, meine Damen und Herren, steht vor der Situation, daß es Millionensummen aus Steuergeldern für die Erzeugung von Filmen bewilligt, aber keine Gewähr dafür hat, daß die erzeugten Filme so beschaffen sind, daß ihre Herstellung verantwortet werden kann. Wenn das Parlament aber — ich hoffe, daß ich damit eine Wahrheit ausspreche und eine Auffassung vertrete, die die allgemeine Billigung findet — schon Geld geben soll, so muß es doch auch wissen, was mit dem Geld geschieht. Dies ist eine einfache, klare Forderung, der vernünftigerweise nicht widersprochen werden kann.

(Abg. Ritzel: Ich werde Sie bei der Beratung über das Presse- und Informationsamt daran erinnern!)

— Ich bin immer offen für gute Gedanken, Herr Ritzel, das wissen Sie ja. — Daß das Parlament dies aber bei dem heutigen System der Bürgschaften nicht weiß, ist im Hinblick auf die Zwitterstellung des Films als Industrieprodukt einerseits und als Kulturträger andererseits ein auf die Dauer nach unserer Auffassung völlig untragbarer Zustand. Denn es kann sich jede Stunde ereignen, daß ein Film auf dem Markt auftaucht, der in der Öffentlichkeit der schärfsten Kritik begegnet, und daß sich dann herausstellt, daß dieser Film mit Hilfe von Steuermitteln des Bundes hergestellt wurde. Mit vollem Recht fragt aber dann das Volk: Sind denn Steuermittel dazu da, anfechtbare Filme zu erzeugen?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Der Bundestag ist dann diesen Angriffen schutzlos preisgegeben. Aus dieser auf die Dauer schwierigen und unbefriedigenden Situation gibt es nur einen einzigen Ausweg, nämlich den, das System der Bundesbürgschaft so bald als möglich abzuschaffen und die Finanzierung der Filme auf dem freien Kapitalmarkt vorzunehmen, was heute ja viel eher möglich ist, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Solange dieses System aber noch besteht, sollte eindeutig klargestellt werden, daß mit Hilfe von Bundesbürgschaften nur solche Filme hergestellt werden, die zumindest den Anforderungen genügen, die die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft nach ihren Richtlinien an den Film stellt. Dieses sicherzustellen, ist der einzige Sinn des von meiner Fraktion gestellten Antrags Drucksache 349. Damit wird ganz und gar nichts Ungewöhnliches, sondern etwas völlig Selbstverständliches gesagt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Wer vom Staat Geld haben will, muß es sich gefallen lassen, daß sich der Geldgeber an die für ihn bindenden Normen hält. Diese Normen sind aber im Grunde genommen keine anderen als die im Grundgesetz festgelegten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Damit taucht natürlich die andere Frage auf, ob es nicht geboten ist, in irgendeiner Form staatliche Mittel dafür einzusetzen, daß besonders hervorragende Filmwerke hergestellt werden. Ein solcher Einsatz vollzieht sich in fast allen Ländern Europas. Wir werden auf die Dauer um die Prüfung dieser Frage nicht herumkommen. Ich bin der Meinung, daß sehr sorgfältige Überlegungen darüber angestellt werden sollten, um allen denen, die gute Filme herstellen und die gute Filme in der Öffentlichkeit vorführen, eine wirkliche Ermutigung und eine Hilfe zuteil werden zu lassen.
Über das Problem der Vergnügungssteuer ist schon sehr Gewichtiges gesagt worden. Kürzlich hat ein Mann, der von dieser Angelegenheit sehr viel versteht, gesagt, den Gesetzentwürfen der Län-


(Bausch)

der zur Vergnügungssteuer schaue die Geldgier. aus allen Knopflöchern heraus, diese Gesetzentwürfe seien nicht im geringsten von kulturellen Gesichtspunkten berührt. Viel gescheiter, als dem Film durch Bürgschaften zu helfen, sei es, wenn das System der Vergnügungssteuer von Grund auf geändert würde, wenn die von der Filmbewertungsstelle der Länder prädikatisierten Filme durch die Senkung oder durch den Erlaß der Vergnügungssteuer ausgezeichnet würden und wenn dadurch errreicht würde, daß dem wertvollen Film dieselbe Förderung durch die staatliche Hand zuteil würde, die seit Jahr und Tag bei der Oper, beim Schauspiel und beim Ballett in allen Ländern gang und gäbe sei.
Dieser Auffassung können wir nur vollinhaltlich zustimmen. Die Vergnügungssteuer ist in der Mehrzahl der Länder in ihrer heutigen Gestalt roh, rückständig und kulturfeindlich. Filme jeder Art, auch erstklassige Filme, werden heute noch weit höher besteuert als etwa der Zirkus, das Freistilringen, Modeschauen, Preiskegeln und ähnliche Veranstaltungen. Wenn der Weg begangen würde, der hier vorgeschlagen wird, und wenn die Länder sich zu einer Änderung dieser Gesetze entschließen würden, würde also nur die Praxis fortgesetzt, die auf anderem Gebiet, gegenüber den Theatern, schon längst eingeführt ist.
Über die Freiwilige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft gibt es immer wieder Mißverständnisse. Das Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle, in freiwilliger Selbstdisziplin eine Kontrolle aller in Deutschland aufzuführenden Filme vorzunehmen, ist absolut richtig. Der Bund hat dieses Prinzip mit vollem Recht akzeptiert und hat sich auch zur Mitarbeit bereit erklärt. Wie schon oft in der deutschen Geschichte hat sich auch hier das Selbstverwaltungsprinzip als überaus fruchtbar erwiesen.
Falsche Vorstellungen bestehen vielfach über die Zusammensetzung der Arbeitsgremien der Freiwilligen Selbstkontrolle. Drei solche Gremien sind hintereinander aufgebaut: Zunächst der Arbeitsausschuß, dann der Hauptausschuß und dann ein Rechtsausschuß, der überwiegend aus Juristen besteht. Die Meinung, die Herr Kollege Paul hier vertreten hat, in diesen Gremien wimmle es von Theologen, ist völlig irrig. Er hat, glaube ich, gesagt, es seien dort sieben oder acht Theologen tätig, und hat befürchtet, dieses „schwarze" Element entfalte dort einen allzu großen Einfluß. In dem wichtigsten Arbeitskreis der FSK befindet sich, wie schon der Herr Bundesminister des Innern festgestellt hat, unter acht Vertretern nur ein einziger Vertreter von drei Kirchengemeinschaften,

(Abg. Jacobs: Die anderen sind doch nicht dagegen! Sie sind doch auch kein Pfarrer!)

nämlich der katholischen Kirche, der evangelischen Kirche und der jüdischen Religionsgemeinschaft. Die Vertreter dieser drei Religionsgemeinschaften haben zusammen einen Sitz und wechseln jeweils in der Besetzung dieses Sitzes ab.

(Abg. Jacobs: Herr Bausch, Sie sind doch in dem Sinne auch kein kirchlicher Vertreter, kein Geistlicher! Halten Sie sich denn für weniger legitimiert, über diesen Punkt zu sprechen?)

— Warum bekommen Sie denn immer einen Schreck, lieber Herr Kollege, wenn irgendwo am Horizont ein Geistlicher auftaucht?

(Beifall in der Mitte.) Ich bin der Meinung, daß wir gerade der Mitarbeit der Geistlichen in der freiwilligen Selbstkontrolle außerordentlich viel zu verdanken haben.


(Erneuter Beifall in der Mitte.)

Diese Herren wirken dort weit weniger mit ihrer Zahl als mit dem Gewicht und der geistigen Autorität ihrer Argumente, mit der Gewissenhaftigkeit und der Sorgfalt, mit der sie dort ihre Arbeit verrichten. Ich meine, Sie, Herr Kollege Jacobs, sollten diese Barriere Ihrer Vorbehalte gegen die Mitarbeit der Kirchen und der Geistlichen einmal überspringen. Versuchen Sie doch Sinn und Verständnis für die Arbeit dieser Männer auch in einem solchen Gremium zu finden.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Jacobs: Ich gebe zu, daß die meisten Geistlichen mehr befähigt wären als Sie!)

— Sie können ruhig sagen, Herr Jacobs, ich verstünde davon nichts, Sie allein verstünden davon etwas. Das amüsiert mich nur.

(Zuruf von der Mitte: Das nimmt sowieso keiner ernst!)

Ich glaube also, daß die Freiwillige Selbstkontrolle trotz einiger Fehler, die mit unterlaufen sind, eine sehr nützliche Tätigkeit entfaltet hat.

(Abg. Jacobs: Sehr richtig!)

Die Arbeit der Selbstkontrolle bedeutet aber wohl eine gewisse Reinigung der Filme unter formal erfaßbaren Gesichtspunkten, namentlich unter dem Gesichtspunkt, ob die Filme das sittliche Empfinden in ihrer Gesamtheit oder in einigen Szenen verletzen. Die Freigabe bedeutet aber — das möchte ich ganz eindeutig sagen — keinesfalls eine Empfehlung der Filme durch die Selbstkontrolle und ganz gewiß nicht eine Empfehlung durch alle ihre Mitglieder. Die Kirchen z. B. — um darüber noch ein Wort zu sagen — haben sich öffentlich dazu bekannt, daß diese Zusammenarbeit in der Selbstkontrolle eine sehr fruchtbare ist, und sie haben sie grundsätzlich bejaht. Aber sie beklagen sich doch andererseits immer wieder darüber, daß sie sich in der Freiwilligen Selbstkontrolle häufig in der Rolle einer hoffnungslos überspielten Minderheit befinden. Von einer Klerikalisierung der Filmwirtschaft mit Hilfe der Freiwilligen Selbstkontrolle kann also nicht die Rede sein. Eine solche angebliche Klerikalisierung ist ein reines Phantasieprodukt.

(Abg. Frau Wolff [Berlin] : Hat auch keiner gesagt!)

So bedeutsam die Maßnahmen sind, die wir für den Film vom Staate her ergreifen können, so werden wir doch, wenn wir die Bilanz ziehen, aufs ganze gesehen die Feststellung bestätigt finden, die ich zum Eingang meiner Ausführungen machte: Der Staat und seine Organe können das wirklich Entscheidende dazu, daß der Film eine positive und aufbauende Macht für unser Volk wird, nicht tun.
Was aber der Staat nicht tun kann — nun möchte ich ein Wort zu dem großen Thema der Volkszensur, wie Sie es zu nennen belieben, sagen,

(Abg. Kühn [Köln] : Wie Herr Wuermeling es zu nennen beliebt!)

— auch Sie haben ja dieses Wort aufgegriffen und haben dazu sehr gründlich Stellung genommen.

(Abg. Kühn [Köln] : Zu den Absichten Wuermelings!)



(Bausch)

Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen sage, was ich mir unter diesem Wort „Volkszensur", das ich nicht geschaffen habe, das ich genau so wie Sie in der Zeitung gelesen habe, vorstelle.

(Zuruf von der SPD: Herrn Wuermeling müssen Sie das sagen!)

Was der Staat auf dem Gebiet des Films nicht tun kann, das soll der freie Bürger tun.

(Zuruf von der SPD: Mit weißen Mäusen? — Abg. Dr. Mende: Aber in den Grenzen des Rechtsstaats!)

— Ich kann mir unter einem freien Bürger etwas vorstellen, verehrter Herr Kollege!

(Beifall in der Mitte.)

Ich kann mir darunter wirklich etwas vorstellen.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch eine dumme Bemerkung, Herr Bausch!)

Niemand kann es dem Staatsbürger verwehren, seine Stellung zu beziehen und einen schlechten Film abzulehnen und einen guten gutzuheißen.

(Sehr gut! Sehr richtig! in der Mitte.)

Niemand auf der Welt hat das Recht, der Entscheidung des freien Bürgers vorzugreifen. In einer freien Demokratie fällt die letzte Entscheidung über den Film im Volke selbst.

(Beifall in der Mitte.)

So verstehe ich das Wort von der Volkszensur oder dem Volksentscheid.
Diese Feststellung enthält freilich ein großes Wagnis. Denn wir wissen, daß es Kreise in unserem Volk gibt — ich sage das ganz offen —, die zwar jahraus, jahrein das Kino besuchen, aber nicht eine Spur von Verantwortung für das Niveau der vorgeführten Filme empfinden. Wir wissen auch, daß es Kreise in unserem Volk gibt, die kein Unterscheidungsvermögen für die Qualität eines Films haben oder die sogar ihre helle Freude an schlechten Filmen haben.

(Abg. Jacobs: Siehe die Gemüsebauern!)

Auch sie haben die Gestalt des deutschen Films mitgeprägt, wenn auch in negativem Sinne. Es wäre völlig falsch, wenn der deutschen Filmwirtschaft die alleinige Schuld an gewissen Mißständen zugeschrieben

(Abg. Jacobs: Sehr richtig!)

und sie gewissermaßen zum alleinigen Prügelknaben dafür gemacht werden sollte, daß sich der deutsche Film heute noch in einem gewissen Krisenzustand befindet. Es ist eine durchaus nicht eindeutig zu beantwortende Frage, wer mehr Schuld an schlechten Filmen trägt, ob die Produzenten, die sie herstellen, oder die Kinobesucher, die sie bestaunen.
In einem interessanten Buch von Karl Bednarik „Der junge Arbeiter von heute — ein neuer Typ" — der Verfasser stammt aus der Sozialistischen Arbeiterjugend — stehen folgende interessante und zum Nachdenken anregende Sätze:
Der Schablonfilm, den die Arbeiterjugend bevorzugt, ist eine seit Jahren eingespielte Kollektivarbeit der Produzenten mit dem Konsumenten. Keine Meinung ist haltloser als jene, daß der Film die Jugend verderbe; im Gegenteil verdirbt die Jugend den Film, so wie sie,
wenn auch nicht in demselben Maße, durch die Art ihrer Lektüre das Literaturniveau senkt. Die Arbeiterjugend stellt heute den größten Teil der Kinobesucher. Sie ist das Heer jener, die mit einem nicht geringen Teil ihres Einkommens den Film finanzieren und bestimmen.
Dieser Auffassung mag widersprochen werden. Man kann darüber streiten, ob sie nicht zu überspitzt formuliert ist. Aber der gewaltige Einfluß der Kinobesucher auf die Ausgestaltung der Filme kann nicht ernsthaft geleugnet werden. Das gilt nicht nur für die jungen Arbeiter, sondern ebenso für jene zahllosen anderen Kinobesucher, die sich gedankenlos und willenlos der Welt des Films hingeben, um sich von ihr betäuben zu lassen, ohne daß sie irgendeine Verantwortung für den Film empfinden.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt heute in Deutschland Gott sei Dank eine große und ständig wachsende Zahl von Kinobesuchern, die von einem lebendigen Verantwortungsbewußtsein für den Film erfüllt sind. Auf ihre Entscheidung, auf die Entscheidung der verantwortungsbewußten Menschen in Deutschland vertrauen wir. Wir von der CDU sind, aufs Ganze gesehen, in der Zeit seit 1945 nicht schlecht damit gefahren, daß wir auf die Entscheidung des Volkes vertraut haben.

(Beifall in der Mitte.)

Die Filmkritik leistete dem deutschen Film sehr oft wertvollste Dienste. Leider wird diese Kritik von den Theaterbesitzern nicht immer positiv aufgenommen. Eine große Zeitung meines Landes — es war keine CDU-Zeitung, sondern eine Zeitung, deren Herausgeber der Kollege Schoettle von der SPD-Fraktion ist — veröffentlichte unlängst eine Kritik an dem schlechten Niveau der in der Landeshauptstadt gespielten Filme. Diese Zeitung wurde darauf samt der anderen großen Zeitung meiner Landeshauptstadt von den Filmtheaterbesitzern in Acht und Bann erklärt und unter Anzeigenboykott gestellt. Solche Dinge sollten sich nicht ereignen. Wenn der Film für sich die Freiheit der Gestaltung in Anspruch nimmt, sollte er auch der Presse die Freiheit der Kritik zugestehen.

(Beifall in der Mitte.)

Zahlreiche Erzieher, die von Sorge um den Einfluß des Filmes auf die Jugend erfüllt sind, bemühen sich, auf die Jugend einzuwirken, um sie zur kritischen Betrachtung des Filmes anzuleiten. Die rasch gewachsene Bewegung der Filmklubs — es war heute schon die Rede von ihnen — hat sich große Verdienste um den Film erworben. Die aus der Arbeit der Besatzungsmächte erwachsenen Filmdienste — sie sind insbesondere in der amerikanischen und britischen Zone tätig gewesen — haben eine überaus positive und wertvolle Aufbauarbeit für den Film geleistet, die sich in neuerer Zeit immer mehr ausbreitet und die volle Förderung verdient. Jugendverbände, Elternvereinigungen, Kulturorganisationen und andere freie Kräfte der verschiedensten Art haben eine Verantwortung für den Film empfunden und aus dieser Verantwortung gehandelt. Aber am allerbedeutsamsten war es wohl, daß in den Kirchen beider Konfessionen große Organisationen entstanden sind, die sich um den Film kümmern. In ihnen haben sich fast 4 Millionen Menschen zum Kampf für den guten Film und gegen den schlechten Film zusammengefunden. Diese Streitmacht zählt nach der Feststellung der Zeitschrift „Die Gegenwart" heute


(Bausch)

schon drei- bis viermal mehr Mitglieder als alle politischen Parteien zusammengenommen und hat mehr als zwei Drittel der Stärke des Deutschen Gewerkschaftsbundes erreicht. Es sind freie deutsche Staatsbürger, die sich aus freier sittlicher Entscheidung, im Bewußtsein ihrer Verantwortung für die eigene Person, für ihre Kinder, für die Familie, für ihr Volk und für die Welt für den guten Film einsetzen. In einer gemeinsamen Entschließung haben sie ihren Willen wie folgt bekundet:
Wir stimmen darin überein, daß die Gesundung des deutschen Filmes und die Herstellung von Qualitätsfilmen nicht allein oder vornehmlich von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängen. Vielmehr kommt es darauf an, in der Filmgestaltung das echt Menschliche zu bewahren und durch sie die heilenden Kräfte der Lebensbewältigung zu stärken. Für solche Filmwerke werden wir eintreten, und wir sind bereit, das Verständnis für sie zu erweitern und zu vertiefen.
Müßte nicht die Filmwirtschaft eine helle Freude daran haben, daß sie eine so verantwortungsbewußte Kundschaft hat? Ich vermute wohl richtig, wenn ich annehme, daß sich der Herr Bundesminister für Familienfragen bei seiner Rede in Düsseldorf zum Sprecher dieser Staatsbürger gemacht hat, wenn er Kritik am Film geübt hat. Wenn ein Bundesminister sich zum Sprecher der Staatsbürger unseres Landes macht, so empfinde ich das als eine gute Sache. Die Minister sollen nicht allzuhoch oben in den Wolken thronen, sondern sie sollen sich bei Wahrnehmung ihres Ministeramtes auch zu Anwälten des Volkes machen. Sie sollen versuchen, herauszuhören und herauszuspüren, was der Wille des Volkes ist.

(Beifall in der Mitte.)

Es ist nicht meine Aufgabe, die Rede des Ministers in allen Einzelheiten hier zu vertreten. Dazu ist er, wie Sie selbst gesehen haben, selbst Manns genug.
Man darf an der Wirklichkeit und an den Tatsachen nicht vorbeigehen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich weite Schichten unseres Volkes heute in einer offenen Auflehnung gegen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Filme befinden, die heute in den Filmtheatern gezeigt werden. Diese Staatsbürger legen an den Film die Maßstäbe des christlichen Sittengesetzes an und kommen dabei vielfach zu negativen Ergebnissen.
Es wäre ein großer Irrtum, anzunehmen, daß diese Einstellung nur für die Haltung der katholischen Staatsbürger bestimmend wäre. Sie gilt — ich unterstreiche, was hier der Familienminister gesagt hat — genau so für breite Schichten des evangelischen Volkes.

(Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

Unlängst übte eine deutsche Filmzeitung Kritik an den amerikanischen Grundsätzen der Filmselbstkontrolle und bemerkte: „Die Welt ist fortgeschritten, aber der amerikanische production code ist stehengeblieben." Darauf schrieb der „Evangelische Filmbeobachter", — das Organ der evangelischen, kirchlichen Filmarbeit — einige herbe Glossen über den viel gerühmten „Fortschritt" der Welt auf dem Gebiet des Films und stellte schließlich mit einem einzigen, lapidaren Satz fest:
„Gottes Gebote werden durch keinen Fortschritt überholt; sie sind auch keine Zwangsjacke, sondern sie sind die einzige Chance, mit dem Leben — auch mit dem Leben von 1954 — auf eine sinnvolle Weise fertig zu werden."

(Beifall in der Mitte.)

Jene Filmzeitung, die unlängst schrieb, die Evangelische Kirche lehne eine kirchliche Nebenzensur als „unwürdige Bevormundung der Freiheit eines christlichen Menschen ab", griff im entscheidenden Punkt völlig daneben. Der evangelische Filmbeauftragte, Pfarrer Werner H e ß , hat kürzlich konstatiert, daß sich die evangelischen und katholischen Auffassungen über das Filmwesen zu 99% decken. In der Spielzeit von 1953 haben die Kirchen beider Konfessionen 150 Filme überprüft. Nur bei einem von diesen kam es zwischen den beiden Kirchen zu einer verschiedenen Beurteilung. Angesichts dieser Tatsache sollte man endlich aufhören, mit dem Schlagwort von der drohenden Klerikalisierung des Films künstlich Gegensätze zwischen evangelischen und katholischen Bürgern zu konstruieren; denn hier gibt es gar keine solchen.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, ich fühle mich als evangelischer Christ verpflichtet, einmal ganz eindeutig und klar an dieser Stelle eine Tatsache auszusprechen, um die es hier geht:
Das Wesen evangelischen Christentums besteht nicht darin, Antithesen gegen die katholische Welt herauszuarbeiten. Das Wesen und der Kern des evangelischen Christentums liegt darin, auf den Herrn der Kirche zu hören und ihm zu gehorchen.

(Erneuter Beifall in der Mitte.)

Man sollte auf die Staatsbürger, die den besseren Film fordern, hören. Sie können mit Recht verlangen, daß man sie hört. Sie sind nicht deshalb minderen Rechtes, weil sie sich auf das christliche Sittengesetz berufen. Dem Staatsbürger kann man nicht den Mund verbieten. Der Staatsbürger ist der Oberbefehlshaber in der Demokratie. In ihr gebietet das Volk. Es erscheint heute nötig, darauf hinzuweisen, daß in einer freien Demokratie die Staatsgewalt vom Volk ausgeht.
Ein großer Deutscher hat einmal gesagt, man solle dem Volk aufs Maul sehen. Ich habe den Eindruck, daß es sich je und dann auch für den Deutschen Bundestag empfiehlt, dem Volk „aufs Maul zu sehen". Wenn sich der Bundestag bei seiner Einstellung zu den Filmproblemen von dem Blick auf das leiten läßt, was das echte Anliegen verantwortungsbewußter Volksschichten ist, dann wird er zu einer guten, eindeutigen, klaren, fruchtbaren und sinnvollen Entscheidung kommen.
Die Filmwirtschaft hat in letzter Zeit auf die Kritik am Film — leider, muß ich sagen — sehr, sehr bitter reagiert. Sie ist im vollen Recht, wenn sie sich gegen Verallgemeinerungen wehrt. Sie handelt aber falsch, wenn sie die kritischen Stimmen mißachtet und ihnen von vornherein böswillige Absichten unterstellt.
Im Geschäftsleben gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, die Wünsche der Kunden sorglich zu behandeln und die Wünsche der guten Kunden ganz besonders zu beachten.

(Zuruf von der SPD: Sie gehen zuwenig ins Kino!)

Meine Herren von der Filmwirtschaft — ich bin sicher, daß eine Reihe von ihnen hier sind —, beachten Sie wohl, daß es Millionen Ihrer besten

Kunden sind, die heute an Ihre Türe klopfen. Achtung und Respekt vor diesen Kunden muß der Filmwirtschaft dringend empfohlen werden. Diese Empfehlung ist sehr gut gemeint. Sie kommt von einem Manne, der sich mit als Anwalt der Filmwirtschaft fühlt und der in besonderem Maße von positiven Leistungen, die die Filmwirtschaft vollbracht hat, beeindruckt ist. Kundendienst, pfleglicher und sorgfältiger Dienst am Kunden ist das Gebot der Stunde für die Filmwirtschaft.
Ich sehe es als ein erfreuliches Zeichen von Rücksichtnahme auf Kundenwünsche an, daß die deutschen Verleihfirmen — wie mir dieser Tage mitgeteilt wurde — beschlossen haben, sorgfältige Maßnahmen zu treffen, die die völlige Gewähr dafür bieten, daß künftighin nur solches Werbematerial verwendet wird, das von der Selbstkontrolle freigegeben ist. Ein weiteres erfreuliches Zeichen ist, daß die deutschen Verleihfirmen in allerneuester Zeit einen Arbeitskreis für Autorennachwuchs gegründet haben, der die besten Vorschläge für Drehbücher mit beachtlichen Geldbeträgen prämiieren soll. Auf diese Weise sollen dem Film neue Kräfte zugeführt und das künstlerische und das kulturelle Niveau des Films gehoben werden.
Zu einem guten Kundendienst gehört aber die fortlaufende gewissenhafte Erforschung dessen, was der Kunde will. Es wird immer wieder behauptet, die breite Masse unseres Volkes wolle nur den schlechten und minderwertigen Film. Für diese Behauptung ist man aber bisher den Beweis schuldig geblieben. Ganz gewiß gibt es breite Schichten von Leuten, die das Schlechte und Minderwertige vorziehen. Aber warum rückt die Filmwirtschaft nicht mit klaren und unwiderlegbaren statistischen Feststellungen über die Einspielergebnisse der guten und erstklassigen Filme heraus? Warum bleibt alles in einem gewissen Dunkel? Warum ist es nicht möglich, einwandfreie Feststellungen über die Spielergebnisse aller Filme zu bekommen, die wir im Laufe der letzten Jahre in Deutschland gesehen haben?
Bisher hat nur eine einzige Filmzeitschrift Übersichten über die Einspielergebnisse von Filmen veröffentlicht. Diese Ergebnisse beschränken sich aber auf acht Großstädte der Bundesrepublik. Wenn diese Feststellungen auch heute noch keine allgemeingültigen Schlüsse zulassen, so kann immerhin festgestellt werden, daß unter den 20 innerhalb eines Vierteljahres in diesen Großstädten am besten gebuchten Filmen die prädikatisierten Filme weitaus in der Mehrzahl waren. Nur 6 von diesen 20 Filmen waren solche von geringerer Qualität. Die These, die starke Herausstellung des Erotischen sei ein sicherer Kassenerfolg, hat sich längst als falsch erwiesen. Einer der größten amerikanischen Filmmänner hat für seinen Geschäftsbereich die einfache und klare Parole aufgestellt: „Die Anständigkeit macht Geld!"
Solange nicht durch unwiderlegbare statistische Nachweise das Gegenteil bewiesen ist, wird auch bei uns, davon bin ich überzeugt, der anständig und sauber gearbeitete Film auf die Dauer der bessere Kassenerfolg sein. Die überwältigenden Erfolge einer ganzen Reihe von hervorragenden Filmen, die wir in letzter Zeit in Deutschland gesehen haben, zeigen dies ganz eindeutig. Ich könnte hierzu Namen nennen. Denn es ist bekanntgeworden, wie groß der Kassenerfolg dieser
Filme war. Diese Tatsache muß für unsere Orientierung und Beurteilung bestimmend sein.
Unser Volk will den guten Film. Es will reine Entspannung, es will Ablenkung, es will heitere Unterhaltung. Es erwartet aber vom Film noch mehr. Carl Zuckmayer hat in einer Festschrift für das Bochumer Schauspielhaus erklärt:
Die Seelen hungern, die Herzen frieren, die Geister dürsten. Es ist die Aufgabe des Dramas und die Sendung der Tragödie, Heil zu künden.
Ich glaube, Zuckmayer hat recht. Das Filmschauspiel soll das Leben so darstellen, wie es ist, mit allen seinen Konflikten. Unser Volk erwartet aber vom Film, daß er echte, konstruktive Antworten auf die großen brennenden Probleme des menschlichen Gemeinschaftslebens unserer Zeit gibt. Wenn es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen allen verantwortungsbewußten Kräften in unserem Volk und der deutschen Filmwirtschaft kommt, dann und nur dann wird der deutsche Film seiner inneren Bestimmung gerecht werden können. Der deutsche Film wird dann eine Quelle der Kraft und der Ermutigung für unser Volk werden.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202202900
Ich habe noch neun Redner für diesen Punkt der Tagesordnung auf der Liste stehen. Um 15 Uhr wollten wir überhaupt schließen. Ich bitte die Herren Redner, das zu überlegen. Wenn wir weiter so verfahren, kann nicht jeder Redner eine Stunde sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0202203000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe mit Ihnen einig, Herr Präsident, in dem Bedauern, daß nach der sehr lebhaften und zum Teil humoristischen Einführung früh 9 Uhr — die mich beinahe an den 1. April und weniger an den 2. April erinnerte, mit Beispielen aus dem Gebiet der Landwirtschaft, wofür ich bisher immer Herrn Kollegen Horlacher für zuständig erachtet habe, mit Beispielen aus dem Gebiet der Kosmetik, wenn ich an die Beseitigung von Mitessern im Film denke — die Debatte um die Mittagszeit nunmehr in eine Luminal-Atmosphäre hineingekommen ist. Es ist eine undankbare Aufgabe für einen Redner, zu sprechen, wenn durch die vorher gehaltenen Reden bereits eine erhebliche Ermüdung eingetreten ist, nicht zuletzt deshalb, weil leider nicht alle Kollegen beachten, daß Zuhören wesentlich mehr ermüdet als Reden.
Die Debatte hat sich bisher um zwei Komplexe bewegt, um die Person des Herrn Bundesministers für Familienfragen sowie einige von ihm gehaltene Reden und um die Sache des deutschen Films. Ich darf zunächst etwas zur materiellen Situation des deutschen Films sagen und in dieser Hinsicht Herrn Kollegen Muckermann ergänzen. Auf die übermäßige Konzentration des deutschen Films in der Zeit zwischen 1927 und 1945 erfolgte die Atomisierung des deutschen Filmwesens, nicht nur aus politischen Gründen, sondern zum Teil auch aus Gründen wirtschaftlicher Konkurrenz. Im Jahre 1945 stehen wir vor einem völligen Chaos der deutschen Filmwirtschaft, kein Film wird gedreht, im Jahre 1946 einer. Sein Titel könnte vielleicht eine Mahnung an die Politiker und auch an die Publizisten sein. Er lautet nämlich: „Sag' die Wahrheit!". Im Jahre 1947 werden bereits 7 Filme


(Dr. Mende)

gedreht, 1948 23, 1949 62, 1950 82, im Jahre 1951 ein Rückschlag auf 60 Filme, im Jahre 1952 82 und im Jahre 1953 die Zahl von 103 Filmen, so daß wir im Jahre 1953 die Produktion des Jahres 1938 wieder erreicht haben.
Was das bedeutet, meine Damen und Herren, ersehen Sie aus einigen Zahlen. Jeder Film kostet im Durchschnitt eine Million DM Herstellungskosten. Der Umsatz an den Kassen im Inlande beträgt in den 5100 Theatern bei 2,1 Millionen Sitzplätzen rund 600 bis 650 Millionen DM. Allein 170 Millionen DM werden an Vergnügungssteuern abgeführt. An Devisen wurden im Jahre 1939 20 Millionen, im Jahre 1944 sogar 40 Millionen RM, heute leider nur noch 6 Millionen DM eingebracht. Sie sehen, welche wirtschaftliche Bedeutung die deutsche Filmindustrie hat.
Leider ist neben dem Eindringen der Auslandsfilme nach 1945 auch der Verlust des Inlandsmarktes zu einem Drittel zu beklagen; ich meine damit die deutschen Ostgebiete und Mitteldeutschland.
Wir haben im Verleihjahr 1952/53 417 Filme zu verzeichnen, davon 78 deutsche, jedoch 227 aus den Vereinigten Staaten und schließlich aus Italien, Frankreich und England etwa je zwischen 20 und 30. Sie sehen, wie stark der ausländische Film die Zeit nach 1945 benutzen konnte, mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln in den deutschen Filmmarkt einzudringen. Die Filmerlöse betragen dementsprechend im Jahre 1952 allein aus den amerikanischen Filmen 78 Millionen DM, die auf Sperrkonto in Deutschland gezahlt sind, während in den EZU-Raum im gleichen Jahre 16 Millionen DM transferiert wurden.
Die Belastungen des Films sind hier vom Herrn Kollegen Muckermann schon dargelegt worden: Im Jahre 1935 7,5 % Vergnügungssteuer, im Jahre 1952 über 20 %. — Herr Kollege Muckermann, hier gleich eine Mahnung: Es genügt nicht, daß Sie hier für eine Senkung der Vergnügungssteuer eintreten; entscheidend ist, daß das auch die von Ihnen getragene Landesregierung Nordrhein-Westfalen tut, die im Augenblick dabei ist, die Vergnügungssteuer noch über 20 % zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD.)

Im Jahre 1951 hat der 1. Bundestag die erste große Filmdebatte in Erkenntnis der materiellen, aber auch der staatspolitischen Bedeutung des deutschen Films geführt. Wir haben damals die Bürgschaften beschlossen und wir hofften, daß sich aus den Bürgschaften eine Initialzündung ergeben würde. Wir bedauern, daß das nicht in dem erhofften Umfange der Fall war.
Wenn nunmehr die CDU mit Drucksache 349 eine neue Bürgschaftsaktion unter neuen Gesichtspunkten fordert, so hatten wir beim Lesen dieser Drucksache ursprünglich das unangenehme Gefühl, daß auch die Methoden der Erteilung im Sinne eines stärkeren Eingreifens des Staates, der öffentlichen Hand oder gar noch anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts geändert werden sollten. Nach dem, was Herr Kollege Muckermann hier erklärt hat, stehe ich nicht an, festzustellen, daß seine Interpretation des Antrags wesentlich anders war. Wenn das Prädikat eines „großen Liberalen" nicht leider schon vergeben wäre, Herr Kollege Muckermann, so würde ich es Ihnen heute auf Grund Ihrer hier gegebenen Begründung zusprechen. Aber seien Sie be- scheiden und nehmen Sie das Lob eines „kleinen
Liberalen" für die Interpretation Ihres Antrags entgegen, die weit über das hinausgeht, was in Wirklichkeit drinsteht; denn es heißt hier, daß Sie die Bürgschaftserteilung „insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Förderung einer künstlerisch und staatspolitisch wertvollen Filmproduktion" gehandhabt wissen möchten. In Ihren Ausführungen war zu erkennen, daß Sie am liebsten grundsätzlich von der Bürgschaftserteilung herunterkommen und die Finanzierung des deutschen Films dem freien Spiel des Wettbewerbs überlassen möchten. In dieser Hinsicht treffen sich völlig unsere Auffassungen.
Die bisherige Praxis des Bürgschaftswesens war nicht sehr glücklich. Sie wurde sehr stark bürokratisch geübt, und es bestand die Gefahr der Lenkung und auch der Zensur mittels der Bürgschaftserteilung. Im früheren interministeriellen Ausschuß saßen je ein Vertreter des Wirtschafts-, des Finanz- und des Innenministeriums, während die Revisions- und Treuhandgesellschaft die wirtschaftlichen Fragen überprüfte. Heute ist nach den neuen Bürgschaftsrichtlinien sogar noch das Bundespresse- und Informationsamt mit eingeschaltet. Hier entsteht allerdings die Gefahr, daß mittels der Bürgschaften eine staatspolitische Lenkung beginnt. Wirtschaftsministerium und Finanzministerium — gar keine Debatte. Bundesinnenministerium — auch noch zu akzeptieren aus der Ressortverantwortung. Aber Presse- und Informationsamt — hier fangen wir an, nachdenklich zu werden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ja, es ist sogar der Wunsch aufgetreten, daß zusätzlich auch noch das Familienministerium eingeschaltet werden sollte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Mit demselben Recht könnten das Justizministerium die Wahrung des Rechts in den Drehbüchern und das Wohnungsbauministerium die Frage des sozialen Wohnungsbaues ebenfalls überprüfen wollen. Ich glaube, hier sollten wir eine Schranke gegenüber der Bürokratie in jenen Bürgschaftsausschüssen aufrichten.
Wir von der freien demokratischen Fraktion haben grundsätzliche Bedenken gegen die starke Verflechtung des Staates mit wirtschaftlichen Unternehmungen und gegen das immer stärkere Infiltrieren der Ministerialbürokratie in die Aufsichts- und Verwaltungsräte solcher Unternehmungen.

(Beifall bei der FDP und beim GB/ BHE.)

Wir haben daher, um einmal eine Übersicht über dieses Dschungel zu gewinnen, vor einigen Wochen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, mit dem Ziel, zu erfahren, wie stark und wo die Ministerialbürokratie bereits in Verwaltungs- und Aufsichtsräten tätig ist. Die Antwort, die daraufhin erteilt wurde, geht an den Dingen vorbei; in einer privaten Unterhaltung einiger höherer und höchster Ministerialbeamter ist diese Anfrage von zwanzig Bundestagsabgeordneten sogar als eine Unverschämtheit und Frechheit bezeichnet worden.

(Hört! Hört! bei der FDP und der SPD.)

Meine Damen und Herren, in Bonn sollte man vorsichtig sein. Auch private Unterhaltungen pflegen
hier binnen 48 Stunden bekanntzuwerden. Das
liegt an dem Klima Bonns. Aber ich glaube, diese
Äußerung, über die noch an anderer Stelle zu
sprechen sein wird, ist symptomatisch für die Ein-


(Dr. Mende)

stellung eines Teils der Ministerialbürokratie zu den legitimen Kontrollfunktionen dieses Parlaments.

(Beifall bei der FDP, SPD und dem GB/ BHE.)

Es bliebe daher zu überlegen, ob dieses Haus nicht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einsetzt, um die letzte Klarheit über diese für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und gerade für die freie Wirtschaft sehr entscheidende Frage zu gewinnen.
Wir haben im ersten Bundestag durch ein Filmquotengesetz versucht, den deutschen Film zu schützen. Das Filmquotengesetz ist gescheitert. Es mußte scheitern, weil letzten Endes der Film damals weder quoten- und schutzwürdig noch das Gesetz mit den freiwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu vereinbaren war. Es scheiterte auch der Versuch, mittels des „Filmgroschens" eine Stützung des deutschen Films zu erreichen. Auch der Versuch der Synchronisationssteuer mußte fallengelassen werden. Aber, Herr Kollege Muckermann, wir sollten noch einmal die Überlegungen aufgreifen, ob nicht die Belastung der Schwarz-Weiß-Filme und auch der Farbfilme mit einer Synchronisationssteuer bei ihrer Einfuhr für den allzu starken Einfluß des ausländischen Marktes ein Äquivalent schaffen könnte.
Was die staatspolitischen und künstlerischen Gesichtspunkte betrifft, so hat gerade Herr Kollege Muck ermann erfahren, wie schwer es ist, in einem Bürgschaftsausschuß an Hand des Drehbuchs, das man studiert und von dem man letzten Endes nicht weiß, wie es dann im Film gestaltet wird, sich ein objektives Urteil über den staatspolitischen Wert oder Unwert oder über den künstlerischen Wert oder Unwert eines Films zu bilden. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, Herr Kollege Muckermann, so waren Sie es, der damals für die Bürgschaftserteilung an den umstrittenen Film „Die Sünderin" gestimmt hat, während sich der liberale Kollege Nowack meiner Partei der Stimme enthielt.

(Hört! Hört! links und rechts. — Unruhe in der Mitte.)

Sie haben uns später auch die Erklärung gegeben, daß nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft wurde und der Bürgschaftsausschuß sich nicht anmaßen durfte, in die staatspolitische und künstlerische Gestaltung hineinzureden, und daß das Drehbuch nachher bei der Gestaltung des Films wesentlich geändert worden sei. Dies ist ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe in einem bürokratischen Bewilligungsausschuß zu finden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Bezüglich der Art, dann dagegen zu protestieren, möchte ich der Meinung Ausdruck geben, daß weder das Vorgehen des Geistlichen Klinkhammer in Düsseldorf noch die gesteuerten Demonstrationen gegen die „Unsterbliche Geliebte" für uns mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vereinbar sind. Beide Seiten haben damals, Herr Kollege Bausch, bezüglich einer Steuerung der vox populi zuviel getan. Am Ende macht man durch das Erregen von Aufsehen für den Film nur Reklame, und „Die Sünderin" ist nicht zuletzt deswegen ein riesiges Geschäft geworden, weil man durch das Erregen von Aufsehen überhaupt erst dafür gesorgt hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Nicht anders liegt es bei dem Film „Die unsterbliche Geliebte", die erst dann frequentiert wurde — ich meine den Film —,

(Heiterkeit)

als die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht wurde.
Ich freue mich auch, Herr Kollege Muckermann, feststellen zu können, daß Sie sich in der Drucksache 380 von dem überspitzten Föderalismus abwenden, indem Sie die Möglichkeit einer stärkeren Koordinierung der Steuerpolitik und der Filmpolitik von Bund und Ländern wünschen. Damit bin ich sehr einverstanden. Ich möchte nur anregen, das auch auf das Gebiet des Schul- und Bildungswesens auszudehnen.

(Beifall rechts und links.)

Denn es ist wichtiger, den Schulbeginn in allen Volksschulen Deutschlands einheitlich festzulegen, als die Steuerpolitik für den Film im Bund und in den Ländern auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Ich darf mich nach dieser materiellen Diskussion der ideellen und staatspolitischen Situation des deutschen Films zuwenden und auch hier aus dem Jahre 1951 zitieren. Damals haben wir, der verstorbene sehr verehrte Herr Kollege Brunner, ein Experte des Filmwesens, wie Sie, Herr Muckermann, Herr Kollege Vogel wie ich, uns über das geringe Niveau des deutschen Films beklagt. Wir sprachen von der Blockierung des Nachwuchses durch einen Großmutterkomplex! Wir stellten damals fest, daß uns als jugendliche Heldinnen auf der Leinwand die gleichen Damen präsentiert wurden, die schon unsere Väter in freudige Erregung versetzten und unsere Kinder auch noch von den Schularbeiten abhalten werden.

(Heiterkeit.)

Wir stellten ferner fest, daß die Gagenforderungen nicht immer mit dem Lebensstandard eines besiegten, sparenden Volkes in Einklang zu bringen waren. Das Beispiel, daß man lieber Auto als Straßenbahn fährt, weil man in der Straßenbahn bezahlen müsse, ist ja schon zitiert worden. Wir müssen feststellen, daß es inzwischen besser geworden ist. Der Großmutterkomplex ist dahin. In einem organischen Wachstum hat sich eine große Anzahl von Nachwuchskünstlern im Film durchsetzen können, deren Namen uns bei der Debatte von 1951 völlig unbekannt waren. Es geht sogar so weit, daß der deutsche Film in Cannes bereits wieder konkurrenzfähig auftreten kann. Man sollte auch hier anerkennen, daß in einem unbeeinflußten, organischen Wachstum die beste Chance einer Entwicklung des deutschen Films liegt.
Nun zu der Frage der Volkszensur und der Änderung in der Zusammensetzung der Freiwilligen Selbstkontrolle. Es ist weitgehend unbekannt, wie sich die Freiwillige Selbstkontrolle zusammensetzt und auf welchen Grundlagen und nach welchen Verfahrensvorschriften sie arbeitet. Ich freue mich über die Feststellung des Kollegen Bausch, daß er das Prinzip der freiwilligen Kontrolle für besser erachtet als eine staatliche Kontrollfunktion. Die Selbstkontrolle hat sich als eine freiwillige Institution — wie der Name schon sagt — aus den Sparten des Films, aus Produktion, Theater, Verleih, aus der öffentlichen Hand und aus den religiösen Institutionen gebildet.
Die Prüfungsgesichtspunkte — ich bitte, genau zuzuhören, weil das für die Beurteilung der Tätig-


(Dr. Mende)

keit der Freiwilligen Selbstkontrolle wichtig ist — sind folgende: Es sollen in Deutschland keine Filme zugelassen werden, die Themen, Handlungen oder Situationen beinhalten, welche geeignet sind, das sittliche oder religiöse Empfinden zu verletzen, entsittlichend oder verrohend zu wirken; nationalsozialistische, militaristische, imperialistische, nationalistische und rassenhetzerische Tendenzen zu fördern; die Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten zu gefährden; die verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Grundlagen des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit und in seinen Ländern zu gefährden oder herabzuwürdigen; durch propagandistische oder tendenziöse Beleuchtung geschichtliche Tatsachen zu verfälschen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Wirkung des Dargestellten, nicht der Inhalt oder die Darstellung als solche.

(Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt wieder den Vorsitz.)

Nach diesen Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle können somit Filme destruktiven oder eheverneinenden Inhalts gar nicht zugelassen werden. Aus meiner bescheidenen Kenntnis des Films muß ich sagen, die meisten Filme enden doch, Herr Familienminister Wuermeling, mit dem Happy-End, das nach meiner christlichen und staatlichen Auffassung nachher auch legalisiert werden dürfte, und zwar in einer staatlichen und kirchlichen Trauung, je nach den einzelnen Grundsätzen der entsprechenden Länder. Also so destruktiv habe ich den Film bezüglich der Ehe bisher nicht finden können; im Gegenteil, er reizt erst recht zu der Bindung durch das Happy-End am Schluß.
In den Ausschüssen sind die öffentliche Hand und die Filmwirtschaft paritätisch vertreten. Herr Kollege Bausch hat schon den Arbeitsausschuß mit acht Prüfern genannt, wobei Bund, Länder, Kirchen und Bundesjugendring je einen Vertreter entsenden. Kirche und Bundesjugendring haben sich dadurch ausgezeichnet, daß sie besonders qualifizierte Kräfte hineinschicken. Bei Jugendentscheidungen tritt ein von den Ländern bestellter Jugendpsychologe oder Pädagoge hinzu, so daß die öffentliche Hand in der Mehrheit ist. Beim Hauptausschuß, bestehend aus 15 Prüfern, werden durch Bund, Länder und Kirchen je zwei, durch den Bundesjugendring ein Vertreter benannt, zusammen sieben, und durch die Filmwirtschaft ebenfalls sieben Vertreter. Bei Jugendentscheidungen werden fünf Beisitzer durch Jugendpsychologen oder Pädagogen ersetzt. Der Rechtsausschuß als eine Berufungs- und Revisionsinstanz besteht aus fünf Juristen, die planmäßige Mitglieder von ordentlichen Gerichten oder ordentliche Universitätsrechtslehrer sind, benannt vom Bund, den Ländern und der Filmwirtschaft. Bei Jugendentscheidungen treten noch zwei Jugendrichter hinzu. Alle Prüfungsausschüsse der Freiwilligen Selbstkontrolle sind weder in ihrer Gesamtheit noch in ihren einzelnen Mitgliedern weisungsgebunden, sondern in ihrer Prüftätigkeit persönlich und sachlich unabhängig. Eine idealere Zusammensetzung als jene auf der Grundlage der allgemeinen Verfahrensvorschriften des Rechts arbeitenden Instanzen von Arbeitsausschuß, Hauptausschuß als Berufungsinstanz und Rechtsausschuß als Revisionsausschuß kann man nicht finden. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß sich die Freiwillige Selbstkontrolle im großen und ganzen bewährt hat. Kleine Mängel sind noch vorhanden, z. B. bei den Vorspannen, die leider etwas zu reißerisch und zu marktschreierisch in der Reklame sind. Die Auswüchse der Plakatwerbung können vielleicht da durch ausgeräumt werden, daß in Zukunft auch
die Plakate mit einem Stempel der Filmselbstkontrolle zu versehen sind, eine Maßnahme, die,
wenn ich mich nicht irre, bereits beschlossen ist.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es sind insgesamt von der Filmselbstkontrolle im Jahre 1953 479 Filme geprüft worden. Neun Filme wurden nicht zugelassen. 117 Filme wurden erst nach Schnitten, Umarbeitungen und sonstigen Auflagen, zum Teil erheblichen Ausmaßes, freigegeben. 229 Filme wurden als jugendgeeignet, 65 Filme sogar als jugendgeeignet und jugendfördernd erklärt. Die Maßstäbe, die bei dieser Prüfung angelegt wurden, waren strenger als im Ausland.
Aber neben dieser Tätigkeit der Freiwilligen Selbstkontrolle hat sich leider eine Art Nebenzensur entwickelt. Meine Damen und Herren, auch ich möchte nicht mißverstanden werden und daher hier das Recht zur Kritik jedwedem zubilligen, insbesondere selbstverständlich den Religionsgemeinschaften. Es hat der Pfarrer, es hat der Pastor das Recht, sei es in der Kirche, sei es in dem Raum der kirchlichen Jugendbewegung, die schärfste Kritik gegenüber Tendenzen im Film zu üben, die nicht in Einklang zu bringen sind mit den religiösen und sittlichen Anschauungen. Aber diese Kritik muß sich im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung halten und darf nicht zu einer Art Nebenzensur ausarten.

(Zuruf des Abg. Dr. Dresbach.)

Wir haben durch die Filmwirtschaft einige Beispiele übermittelt bekommen, aus denen hervorgeht, Herr Kollege Dresbach, daß die Gefahr der Errichtung einer Nebenzensur leider gegeben ist,

(Abg. Dr. Dresbach: Ja, Herr Mende, ich hatte gesagt: In der Zensur herrscht Gewerbefreiheit!)

und zwar unter Ausübung eines nicht immer an Toleranz erinnernden Druckes. Ich bitte Sie, diese Beispiele als das zu nehmen, was sie sind, als Beispiele, die uns durch den Syndikus des Spitzenverbandes der Filmindustrie, immerhin einen Rechtsanwalt, übermittelt wurden, der sich über die Prüfung solcher Beispiele als Jurist wahrscheinlich im klaren ist.
Das katholische Pfarramt in Bayerniederhofen schreibt am 16. März 1954 an die Post-Lichtspiele in Trauchgau/ Oberbayern:
Die Vorführung des Films „Tödliche Liebe"
wurde hier in der Pfarrgemeinde nicht erlaubt.
Ein zweites Beispiel: Der Marktgemeinderat Wertach/ Allgäu schreibt am 13. März 1954 an die PostLichtspiele in Trauchgau:
Anbei wird gemeindeamtlich bestätigt, daß der Film „Tödliche Liebe", der am Samstag, dem 13. 3. 1954 im Gasthaus „Engel" in Wertach vorgeführt werden sollte, von der Marktgemeinde als Polizeibehörde auf Veranlassung der Geistlichkeit sowie durch Einspruch eines Teiles der Bevölkerung verboten wurde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

In Achern in Baden konnte der Film „Professor Nachtfalter" nicht zum Einsatz kommen, weil der Ortsgeistliche darauf bestand, daß Filme, die im Filmdienst mit „3" eingestuft sind, dort nicht vorgeführt werden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)



(Dr. Mende)

Als in Neumarkt-St. Veit der Film „Reise nach Marrakesch" gezeigt wurde, ließ Pfarrer Stehlböck die Büßerglocken läuten und betete für die arme Sünderin, Frau Mayerhofer, die Besitzerin des Filmtheaters und Ehefrau des Bundestagsabgeordneten der Bayernpartei Mayerhofer.

(Große Heiterkeit.)

In der Sonntagspredigt kamen die Worte vor: „Beten wir für die Verblendung dieser Frau" und „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen".

(Erneute große Heiterkeit.)

In Bardenberg wurde anläßlich der Vorführung des Films „Große Freiheit Nr. 7" unter Anführung des Ortsgeistlichen, der sich zu diesem Zweck mit einem Plakat ausgestattet hatte, von Mitgliedern der Katholischen Filmkommission ein Kordon um den Filmtheatereingang gebildet, um Besucher am Betreten des Theaters zu hindern.
Und das letzte Beispiel aus der Vielzahl von rund 50 Beispielen: In Konz bei Trier wurde auf kirchliche Einwirkung durch die örtliche Polizeibehörde am Karfreitag die Vorführung des Films „Der Seelenbräu" untersagt, obwohl der Film von der Freiwilligen Selbstkontrolle für stille Feiertage freigegeben ist und vom Katholischen Filmdienst die Zensur „l" erhalten hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, an Hand dieser Beispiele will ich Ihnen die Gefahr einer Nebenzensur aufzeigen. Ich wäre dankbar, wenn sich das Bundesinnenministerium dazu äußerte, ob diese Art der Nebenzensur sich noch im Bereich des Art. 5 des Grundgesetzes hält, in dem es heißt, daß eine Zensur nicht stattfindet. Wenn das nicht der Fall ist, ist es zweckmäßig, in Zusammenarbeit mit den
B) Ländern die Ortspolizeibehörden anzuweisen, nicht allzu schnell zu Verboten zu schreiten.
Nun die Stimme des Volkes. Herr Kollege Bausch, ich bekomme immer ein beklemmendes Gefühl, wenn ich von der Stimme des Volkes höre, denn sie pflegt erst „Hosianna" und dann „Kreuziget ihn" zu rufen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Und wenn ein großer liberaler Statthalter vor fast 2000 Jahren vor sie hintritt und dem einen Gerechten noch eine Chance geben will, dann wählt sie den Barabbas, den Verbrecher, und hat ihn frei bekommen, den Gottessohn kreuzigte sie.

(Abg. Dr. Dresbach: Aber bei der „Vox populi — vox Rindvieh" sind Sie noch nicht angekommen!?)

Benjamin Constant hat erklärt, daß die Demokratie, wenn sie überspitzt wird, zum schrecklichsten Steigbügelhalter der Despotie entarten kann. Wir sollten also möglichst diese Assoziation von Volksempfinden, Volkszensur und Volksdemokratie vermeiden. Ein Politiker und ein im öffentlichen Leben stehender Verantwortlicher hat mehr zu tun, als nur auf die Vox populi zu hören. Er hat die Verantwortung vor seinem Gewissen und Gott, sein Handeln im Sinne des Kategorischen Imperativs Immanuel Kants bestimmen zu lassen.

(Lebhafter Beifall bei FDP und SPD.)

Es würde zu weit führen und den Wünschen des Herrn Präsidenten widersprechen, wenn ich mich in eine Diskussion einließe, wo wohl mehr künstlerische Schöpfungen entstehen können, in der Atmosphäre der Freiheit oder in der stickigen Luft
der Unduldsamkeit. Goethes Faust II. Teil mit der( Läuterung Fausts durch die Berührung mit der antiken Helena wäre niemals zugelassen worden, wenn Pfarrer Klinkhammer darüber zu bestimmen gehabt hätte.

(Lebhafter Beifall bei FDP und SPD.)

Und Rembrandt hätte niemals seine Saskia malen dürfen, Rubens niemals das Ewig-Weibliche in derart vitaler Form, und Auguste Renoir schon lange nicht. Es wäre auch nichts von Rodin in der bildenden Kunst, von seinen wunderschönen Skulpturen überliefert, wenn wir die Freiheit des Geistes und damit die Schöpferkraft des Künstlers durch eine allzusehr nur in die Gegenwart projizierte politische oder konfessionelle Engstirnigkeit stranguliert hätten.

(Erneuter lebhafter Beifall bei FDP und SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Mir scheint, daß es am besten ist, sich an Blaise Pascal zu halten, dessen „Pensées" der Herr Bundesminister ebenso gut kennt wie ich auch. Blaise Pascal sagt auf die Frage, ist der Mensch nun gut, ist er schlecht, hat Jean Jacques Rousseau mit seinem „Retournons á la nature" recht: Der Mensch ist weder gut noch schlecht; das Verhängnis will es nur, daß er oft zum Teufel wird, wenn man mit Gewalt einen Engel aus ihm machen will.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Die Konsequenz, die er daraus zieht, ist für uns Liberale sehr interessant: Man muß daher den Menschen unter Bedingungen setzen, die ihm einen Anreiz zum Guten bieten und ihn hindern, Böses zu tun.

(Beifall bei der FDP und SPD. — Zurufe von der Mitte: Also!)


(Zuruf von der Mitte: Einverstanden!)

Durch die Bestimmungen unseres Strafrechts haben wir genügend Barrieren gegen das Böse aufgerichtet, nicht zuletzt auch durch die Kritik der Konfessionen und der Jugendorganisationen, der ich jede Schärfe zubillige, wenn sie sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Bevor ich nun zu dem Ufi-Komplex komme, noch ein Wort jetzt zu der Person des Herrn Bundesministers für Familienfragen, den ja ein Teil der Kollegen schon länger kennt. Wir kennen ihn als streitbaren Abgeordneten des 1. Bundestags, der uns während der Beratungen des Wahlgesetzes das Wort vom „Kommunistenförderungsgesetz" zurief, wofür sich sein Fraktionsvorsitzender nachher vor diesem Hause quasi entschuldigen mußte. Wir kennen ihn also aus mancher scharfen Rede. Aber uns Freien Demokraten, die wir den Weg des Herrn Bundesministers ins Kabinett mit großen Bedenken verfolgt haben — das ist ja nicht unbekannt —, ist die Rede, die er in Düsseldorf zur Eröffnung des Wahlkampfes hielt, noch in guter Erinnerung. Meine Damen und Herren, wer hat wohl — und Herr Kollege Dresbach wird es bestätigen — bessere Reden auf den Herrn Bundeskanzler und auf das Wiederkehren der nichtsozialistischen Koalition gehalten als viele


(Dr. Mende)

unserer Kollegen? Und wer hat fairer und loyaler als wir immer wieder das Gemeinsame der Koalition und die Persönlichkeit des Bundeskanzlers in diesem Wahlkampf herausgestellt, als es um die Alternative Adenauer oder Ollenhauer ging? Ich billige Ihnen nur eine Ausnahme zu, Oberhausen, aber die hatte ihren Grund.

(Zuruf von der Mitte: Baden-Württemberg! — Weitere Zurufe.)

Und nun die Antwort? Der damalige Bundestagsabgeordnete Wuermeling sagt in Düsseldorf, daß die Liberalen, die mit im Kabinett waren und maßgeblich mit die Politik dieser Regierung bestimmt haben, insbesondere in Wirtschaftsfragen, genau so schlecht seien wie die Marxisten, nur unbedeutender und daher ungefährlicher. Das war der Auftakt, und dann kam noch manches andere hinzu. Herr Pater Leppich spricht von der Trilogie des Teufels, von Marxismus, Liberalismus und Sexualismus.

(Lachen bei der FDP und SPD.)

Ich möchte mich nicht in eine Diskussion mit meinem oberschlesischen Landsmann Pater Leppich einlassen. Aber ich stelle hier fest, daß wir Liberale für uns in Anspruch nehmen — das sage ich bewußt, weil auch gerade mein Vorredner die ethische Seite dieser Debatte angerührt hat —, genau so gute Katholiken und Protestanten zu sein, wie es auch die anderen in diesem Hause für sich beanspruchen.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Genau so wie wir den Sozialdemokraten das Monopol auf die sozialen Fragen absprechen, müssen wir der CDU/CSU das Monopol auf das Christentum absprechen.

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Ich glaube unsere Meinung zu dieser Frage hier nicht besser aussprechen zu können als mit den Worten eines bekannten Liberalen, der im Parlamentarischen Rat erklärt hat:
Christus ist nicht Gottmensch geworden und
auf die Erde gekommen, um mit seinem
Namen irgendeiner politischen Richtung Möglichkeiten zu parteipolitischer Propaganda zu
geben, sondern um uns alle zu erlösen, Sozia-
listen, Demokraten und auch Kommunisten.

(Erneuter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE. — Zurufe von der Mitte.)

Wenn es nun schon darauf ankommt, die Kluft in dieser Frage anzurühren, so möchte ich das auch bezüglich der konfessionellen Fehde tun, von der, wie der Herr Bundesminister Wuermeling sagt, angeblich von uns so viel gesprochen wird. Der Herr Bundesminister sagt, es sei die große Aufgabe gerade der CDU — und er selbst sei maßgeblich daran beteiligt —, Katholiken und Protestanten in einem Lager zusammenzuführen. Auch wir erkennen es als das große staatspolitische Verdienst der CDU, der Union, an, daß sie jenen verhängnisvollen religiösen Gegensatz in Deutschland zu überbrücken versucht. Dann aber muß man auch unser Anliegen verstehen, daß wir logischerweise mit der Überbrückung so früh wie möglich beginnen wollen, d. h. in einer christlichen Gemeinschaftsschule,

(lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE — Zurufe von der Mitte)

in der Katholiken und Protestanten gemeinsam die abendländisch-christliche Kultur vermittelt erhalten und sich lediglich im Religionsunterricht trennen, der nach der Maßgabe und unter der Aufsicht der Kirchen als Pflichtunterricht erteilt werden soll. Es erscheint uns unlogisch, Herr Minister Wuermeling, daß man auf der unteren Ebene trennt und in der Kindesseele jenen verhängnisvollen Gegensatz aufreißt, den man oben beseitigen will.

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.) Wer uns daher dieser Auffassung wegen, aus diesem Bekenntnis zur christlichen Gemeinschaftsschule Christenfeindlichkeit und Kirchenfeindlichkeit unterstellen will und wer dafür die Literatur des Altliberalismus des vorigen Jahrhunderts heranzieht, der lebt nicht im Jahre 1954, oder er ist unanständig im Gebrauch seiner politischen Propaganda.


(Erneuter lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Als letztes zu dem Herrn Altministerpräsidenten Reinhold Maie r. Ich habe mit ihm manchen Gegensatz auch in der Bundestagsfraktion ausgetragen. Ich weiß nicht, ob es klug ist, aus dem Bewußtsein des Sieges eine Hybris zu züchten

(Zuruf von der Mitte: Wer tut das?)

und hier Reinhold Maier ironisch zu zitieren, der an der Kanzlerschaft Adenauers unschuldig sei. Meine Damen und Herren, c'est le ton qui fait la musique! Wenn man Reinhold Maier immer in dieser ironisch-satirischen Art stichelt — auch heute wurde er dreimal zitiert —, darf man sich nicht wundern, daß dieses kantige Etwas entsprechend reagiert.

(Abg. Lücke: Das hat Herr Wuermeling auch getan! -Weiterer Zuruf von der Mitte: Wer hat angefangen?)

— „Wer hat angefangen?" Die Frage „Wer hat angefangen?" sollte in der Klippschule, aber nicht hier gestellt werden.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und SPD. — Unruhe in der Mitte.)

Als letztes noch ein Zitat: Die schönen Tage in Aranjuez sind zu Ende! Trösten wir uns! Zu Ende sind die schönen Tage auf dieser Welt mal für alle von uns, und die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist weder für den einen der Hades noch für den andern der Olymp.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Nun noch einige Worte zu der Ufi-Entflechtung. Wir sind der Auffassung, daß man im deutschen Film die beste Lösung dann findet, wenn man einige konkurrenzfähige Kerngesellschaften bildet, die in einem freien Wettbewerb das Niveau des deutschen Films so hochschrauben, daß wir auf dem Weltmarkt wieder erscheinen können. Gerade wir sind die größten Freunde einer Reprivatisierung, die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht verhindern soll. Wir vertreten daher nach wie vor die Auffassung, die wir damals zum UfiEntflechtungsgesetz hier verkündet haben. Es sollen keine stark konzentrierten Wirtschaftsformen,


(Dr. Mende)

insbesondere keine monopolartigen Verhältnisse auf dem Filmgebiet entstehen oder wieder entstehen. Die Filmwirtschaft soll ausschließlich auf privater Grundlage, also frei von staatlichem Einfluß und staatlicher Beteiligung, arbeiten, und jede Politisierung der Filmwirtschaft, insbesondere ihr Einsatz für bestimmte politische Machtgruppen, soll unbedingt verhindert werden. Meine Damen und Herren, tun wir nicht so, als wenn nur ein Teil im Haus heute in dieser Frage lammfromm wäre. Herr Kalbitzer, vor dem 6. September hat sich das Norddeutsche Filmkontor nicht so sehr durch die Hilfe der CDU, sondern durch Ihre Hilfe und die Hilfe Ihrer Freunde bemüht, aus dem UfiKomplex für Ihre Zwecke möglichst viel dienstbar zu machen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Weder der Versuch, nach dem 6. September eine Machtzusammenballung bei der Koalition, noch der Versuch, vor dem 6. September über die Gewerkschaften Macht im Film zu erreichen, können von uns geduldet werden.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Für uns liegt die richtige Strukturveränderung des deutschen Filmwesens in der Mitte zwischen nationalsozialistischer Konzentration und besatzungsrechtlicher Zerschlagung. Ich glaube, daß in einem organischen Wachsen diese Lösung zu finden ist. Entscheidend wird aber für die Beurteilung des deutschen Films in der Welt nicht so sehr die wirtschaftliche als die künstlerische Leistung sein. Ich darf hier nun die Frage stellen, ob „Don Camillo und Peppone" — das ist schon gesagt worden —, ob „Sie tanzte nur einen Sommer", ob „Der blaue Engel", ob „Endstation Sehnsucht", ob „Verdammt in alle Ewigkeit", ob „Bitterer Reis", ob „Fahrraddiebe" oder ob viele andere Filme in Deutschland überhaupt hätten gedreht werden können, wenn die Erteilung der Bürgschaften an gewisse Vorstellungen geknüpft worden wäre, die zum Teil in der Mitte dieses Hauses in der letzten Zeit leider sichtbar geworden sind.

(Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

Wir wehren uns gegen diese Vorstellungen, sosehr wir an dem Erfolg der CDU/CSU mitbeteiligt sind. Ja, wir haben sogar auf Grund einer übergroßen Koalitionsloyalität Haare gelassen.

(Heiterkeit. — Oho-Rufe von der Mitte.) — Jawohl! Wir sind der Auffassung,


(Zuruf von der Mitte: Das wollen Sie jetzt wohl nachholen?)

daß wir allzuviel von Ihnen und Ihrem großen Liberalen Adenauer gesprochen haben und allzu-wenig von uns, daß wir unser Licht dadurch unter den Scheffel gestellt haben. Aber selbst wenn wir an diesem Erfolg maßgeblich mitbeteiligt sind der beste Kronzeuge dafür ist doch der Herr Bundeskanzler selbst —, so gibt der Wahlerfolg des 6. September niemandem das Recht, in einer mechanistischen Übertragung des d'Hondtschen Systems alle Gebiete des deutschen öffentlichen, insbesondere des publizistischen Lebens zu usurpieren. Dagegen werden wir mit allen Freiheitsliebenden aufstehen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202203100
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (CDU):
Rede ID: ID0202203200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mende hat einen Vorfall erwähnt, der mir Anlaß gegeben hat, mich wieder zum Worte zu melden. Er hat eine Kleine Anfrage seiner Fraktion zitiert, die an die Bundesregierung gerichtet war mit dem Ziele, zu erfahren, wie viele Beamte in bundeseigenen Gesellschaften in Aufsichtsräten und ähnlichen Gremien säßen. Ich habe die Anfrage damals beantwortet; dem Hause liegt der Text vor.
Herr Kollege Mende hat sich nun auf eine private Unterhaltung von, wie er sagt, höheren Ministerialbeamten bezogen. Ich halte es für nicht ganz korrekt, wenn hier nicht Roß und Reiter genannt werden.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich lege großen Wert darauf, und ich gebe mir selbst die größte Mühe darum, ein richtiges Verhältnis zwischen Ministerialbürokratie und Parlament herzustellen. Ich weiß so gut wie vielleicht mancher von Ihnen, daß auf diesem Gebiet einiges zu tun ist und zu tun sein wird. Man dient aber solchen Bemühungen nicht dadurch, daß man private Unterhaltungen zitiert, aber apokryph bleiben läßt. Deswegen richte ich an den Herrn Kollegen Mende die ausdrückliche Bitte — und ich richte sie an ihn von dieser Stelle aus —, hier Roß und Reiter zu nennen. Er darf versichert sein, daß, wenn beanstandenswerte Vorgänge vorliegen, ich nicht zögern werde, einzugreifen.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Mende: Das wird geschehen!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202203300
Das Wort hat der Abgeordnete Kemmer.

Emil Kemmer (CSU):
Rede ID: ID0202203400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da heute eine Generaldebatte über den deutschen Film hier stattfindet, muß ein Wort zu dem Problem „Jugend und Film" gesagt werden. Das hat allerdings, Herr Kollege Mende, nichts mit den Schulfragen zu tun, die Sie so temperamentvoll hier vertreten haben. Ich will das in sehr sachlicher Weise tun, um so mehr, als bei beiderseitigem Verzicht auf rhetorisches und propagandistisches Feuerwerk

(Sehr gut! in der Mitte)

und falsche Interpretationen wir nämlich gar nicht so weit auseinander sind, wie es bei den temperamentvollen Ausführungen von Herrn Mende zum Schluß geschienen hat. In all den Fragen, zu denen wir zu sprechen haben, werden wir uns, wenn wir vernünftig miteinander reden und uns zusammensetzen, einigen können.
Film und Jugend sind feste Faktoren in unserer heutigen Zeit, und an diesen Faktoren kann sich niemand vorbeidrücken. Unsere Jugend liebt den Film, und sie hat ein Recht auf den Film. Stärker als der Erwachsene begreift sie den Film als eine neue, faszinierende Sprache unserer Zeit. Sie ist mit dieser Sprache aufgewachsen und findet hierin ein Ausdrucksmittel, das in der Lage ist, unterhaltsame Freude zu bereiten, Sehnsucht zu erwecken und zu stillen, die Phantasie zu entzünden und unaufdringlich Wissen über fremde und entfernte Länder zu verbreiten, der Völkerversöhnung zu dienen und die sozialen Probleme der ganzen Welt besser verstehen zu lernen. Der Hunger der Jugend, den Film in ihren Erlebniskreis einzubeziehen, ist nicht nur vorhanden, sondern er


(Kemmer [Bamberg])

wächst. Ich bin der Meinung, daß das eine Tatsache ist, die wir alle miteinander respektieren müssen. 1,5 Millionen Menschen strömten im Vorjahr täglich in die rund 5000 Lichtspielhäuser des Bundesgebietes. Das sind nach Angaben der Filmindustrie 10 % mehr als im voraufgegangenen Jahr. Wieviel Jugendliche dabei auf den 2,1 Millionen Sitzplätzen unserer Kinos Platz nehmen, ist wohl ganz verläßlich nicht auszumachen. Nach den filmwirtschaftlichen Schätzungen ist immerhin zu vermuten, daß ein Drittel oder ein Viertel der Filmbesucher in den Jahrgängen bis zu 18 Jahren zu suchen ist. Schon daraus folgt, daß alle Maßnahmen, die dem guten Film dienen, auch der Jugend dienen.
Wie steht es nun heute aus der Sicht der Jugend um den Film in Deutschland? Es ist eine beachtliche Leistung der Filmindustrie festzustellen, wenn man bedenkt, wie sich die wirtschaftliche Katastrophe gerade bei ihr ausgewirkt hat. Vor einer solchen und gleichzeitig vor dem Massenandrang von ausländischen Filmen standen nach Kriegsende die Produzenten und die Verleiher. Es ist kein Zweifel — das möchte ich von vornherein anerkennend sagen —, daß sich die technischkünstlerische Qualität des deutschen Films spürbar gebessert hat. Trotz aller berechtigten Kritik an manchen Erscheinungsformen des sogenannten deutschen Publikumsfilms ist bei dieser Gelegenheit wohl auch ein Wort des Dankes zu sagen. Der neue deutsche Film wußte der jungen Generation Gelegenheit zur Freude und Entspannung zu bieten.
Die Jugend ist — und das ist ihr gutes Recht — ja weit davon entfernt, von jedem Film ein großes, künstlerisches Erlebnis oder einen ernsten Beitrag für die Bewältigung der eigenen Lebenssituation zu erwarten. Anspruchslose Heiterkeit und das Vergnügen an lustigen Situationen sind eine legitime Aufgabe des Unterhaltungsfilms, für die gerade die Jugend auf der Suche nach Zerstreuung und Entspannung offen ist.
Wir haben vor allen Dingen auch den Produzenten zu danken, die sich schwierigerer Möglichkeiten des Films bedient haben. Die Jugend, die solche Filme, die oft etwas aus dem Rahmen fallen, immer wieder mit positiver Kritik aufgenommen-
und diskutiert hat, ist sicher nicht mit schuld daran, daß manche Theaterbesitzer diese Filme nur halben Herzens oder überhaupt nicht an das Publikum herangetragen haben.
Trotz alledem muß ein Wort der Kritik zu den negativen Tendenzen des Filmes gesagt werden. Dabei mögen unsere Anerkennung und unser Dank deutlich machen, daß auch unsere kritischen Feststellungen zum deutschen Film, über den hier vor allen Dingen zu reden ist, dem Respekt vor den Möglichkeiten des Films und der Filmliebe der Jugend entspringen.
Zuvor müssen aber einige Mißverständnisse ausgeräumt werden. Zwei Standpunkte sind uns zuwider: erstens derjenige, der behauptet, daß alles Schlimme bei gewissen Jugendlichen, etwa auch die Jugendkriminalität, vom Film herkomme, und zweitens der andere Standpunkt, daß der Film überhaupt keinen negativen Einfluß habe. Sowohl die engstirnigen als auch die leichtsinnigen Leute sind in keiner Weise geeignet, zu diesem sehr wichtigen Thema etwas Vernünftiges beizutragen. Dem Engstirnigen wäre zu sagen, daß der Film eine Aufwärtsentwicklung durchgemacht hat und daß es vielleicht mehr gute Filme gibt, als die ausgesprochenen Kinogegner wahrhaben wollen. Auch die Filmselbstkontrolle, die uns glücklicherweise vor einer Staatszensur bewahrt, ist in ihren Jugendentscheidungen strenger geworden. Dem Leichtsinnigen aber ist bei aller Anerkennung des Umstandes, daß die Filmpsychologie ein wissenschaftliches Neuland darstellt, mit den Worten des Dichters Jean Paul über das Lesen: „Wenn Bücher auch nicht gut und schlecht machen, so machen sie doch besser oder schlechter" entgegenzuhalten: Das gleiche gilt von den Filmen.
Gewisse bedenkliche Erscheinungen des Durchschnittsfilms für die Jugend sind selbstverständlich — das ist auch unsere Meinung — nicht mit Gesetzeszäunen, Polizeimaßnahmen, Zurechtweisungen oder Zensurmaßnahmen auszuräumen. Aber nicht der Einzelfilm ist hier gemeint, sondern das Gesetz der Serie, unter das ein regelmäßiger, junger Filmbesucher leicht gerät, wenn bestimmte negative Elemente gleichmäßig in vielen Filmen wiederkehren. So wenden wir uns vor allen Dingen gegen die „Lebenslüge", die mancher Film in den deutschen Kinos betreibt, gegen jene Überzuckerung und Verbiegung der Wirklichkeit, jene unerträgliche Versimpelung des Lebens, jene unglaubhafte Beziehungslosigkeit zum Dasein überhaupt, die oft das Scheinleben auf der Leinwand kennzeichnet. Und das ist auch und gerade dann so erschreckend, Herr Kollege Mende, wenn es alles mit einer sogenannten ethisch einwandfreien Handlung garniert oder gar mit religiösen Requisiten umstellt wird. Man sollte doch endlich erkennen, daß in einem verlogenen Film echtes Ethos gar nicht wirksam werden kann. Wer das Leben verbiegt, kann sich auch mit einem moralischen Filmschluß nicht aus der Affäre ziehen.

(Abg. Lücke: Sehr gut!)

Dazu gehört auch die Vorliebe für das immer wiederkehrende sogenannte „vornehme Milieu" der vornehmen Gesellschaft, in dem solche Schein-Lebensnähe oft geheuchelt wird und über deren diesbezügliche Ablehnung sich auch die seriösen Filmkritiker aller Lager einig sind. Sehen Sie sich eine der letzten deutschen Uraufführungen an, einen Film mit der Villa eines millionenreichen Kommerzienrats einschließlich elektrisch verstellbarer Trennwand zwischen den Ehebetten und mit Bewohnern, die sich läppisch in althergebrachten Liebesverwechslungen ergehen. Man mag das unter Erwachsenen als eine Bagatelle bezeichnen, aber für die Jugendlichen liegen diese Dinge wesentlich anders. Der genannte Film ist glücklicherweise — aus anderen Gründen — von der Filmselbstkontrolle wenigstens für Jugendliche bis zu 16 Jahren verboten worden. Für andere Filme gleicher Qualität besteht eine solche Handhabe oft nicht. Ich sage nochmals: Nicht der einzelne, sondern der stete Tropfen höhlt den Stein.
Der junge Mensch sieht diese Filme nicht im Einzelexemplar, er sieht die gleichen Milieus selbstverständlich auch in den vielen Auslandsfilmen immer und immer wieder. Sie werden so — wie ein Filmpsychologe bemerkt — „ein unbewußter geistiger Erfahrungs- und Vorstellungsschatz". Nicht das einmalige Sehen solcher Filme, sondern das wiederholte Sehen der gleichen Motive, der gleichen Verhaltensweisen macht gewisse Vorstellungen und dadurch entzündete Wunschträume zu einem festen Erfahrungsbesitz, dessen Herkunft schließlich gar nicht mehr feststellbar ist, an den


(Kemmer [Bamberg])

aber, weil er durch die ständige Wiederholung selbstverständlicher Bestandteil der Umwelt geworden ist, oft gar nicht mehr kritisch herangegangen wird. Es ist unseres Erachtens kaum von der Hand zu weisen, daß ein großer Teil unserer Jugend durch das unentwegte verlogene vornehme Milieu vieler Filme Gefahr läuft, in soziale Unzufriedenheit zu geraten, anstatt sich auf real erreichbare Verbesserung ihrer Verhältnisse zu konzentrieren.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Filme der Lebenslüge — wir vertreten diese These mit zahlreichen fortschrittlichen Psychologen — führen den jungen Menschen in einer verantwortungslosen Weise von sich selber fort. Natürlich erfüllt der Traumfabrik-Serienfilm bestimmte Wunschvorstellungen der breiten Masse und vielleicht auch der Jugend; aber er erfüllt sie nicht nur, sondern er schafft sie auch leider neu. Er begünstigt damit eine Entwicklung des Unechten in jeder Form, sei es als unechter Geschmack oder als unechte Bildungs- und Lebensziele. Anstatt die Jugend vor echte Realität zu führen, mit der sie sich auseinandersetzen kann, regen viele dieser Filme mit ihrer Fixierung eines falschen Begriffes vom Glück den Trieb zur Nachahmung von Scheinidealen an. Nichts aber steht der Selbstfindung des jungen Menschen mehr entgegen als diese seelische Haltung. Psychologisch und erzieherisch wird der Film an Wert gewinnen, wenn er besonders seinen jungen Besuchern den Mut und das Vertrauen zu sich selbst schenkt und eine gesunde Beziehung zum wirklichen Leben fördert.
Einem weiteren Mißverständnis muß vorgebeugt werden. Unser Ideal ist keineswegs der „brave" Film. Wir wollen auch hier Realisten sein. Das Schlechte und das Dunkle sind nun einmal in der Welt vorhanden, und der Film, der unsere Welt widerspiegelt, kann nicht daran vorübergehen und soll damit auch in gewissem Umfang nicht an der Jugend vorübergehen. Das Schlechte besteht auch nicht darin, daß man es zeigt; es besteht darin, daß es unernst genommen, bagatellisiert oder gar schöngefärbt wird.
Wollen Sie nun wirklich, Herr Kollege Paul, behaupten, daß die Ehe und ihre Konflikte, daß Untreue und Scheidungen in unserem Durchschnittsfilm so behandelt werden, wie es im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit solcher Themen erforderlich wäre?
Man braucht nicht unbedingt etwas gegen die komödienhafte Darstellung solcher Themen zu sagen, die sogar positiv wirken kann; aber alles gegen die Methode, dem jungen Menschen und hier gerade dem über 16jährigen, der ja den nicht jugendfreien Film schon besuchen darf, z. B. die Ehescheidung als eine bequeme, selbstverständliche Möglichkeit einer Konfliktlösung darzustellen. Was wir bei solchen Lösungen wirklich ernsthaft bekämpfen, insbesondere in der Wirkung auf die jungen Leute, ist folgendes: hierdurch entsteht bei jungen Leuten immer wieder der Eindruck, das Verbrechen sei eine Heldentat und der Ehebruch eine Tugend.

(Widerspruch bei der SPD.)

— Ja, das ist wirklich so. In diesem Punkt befinden wir uns sicher in Übereinstimmung mit dem weitaus größten Teil des deutschen Volkes. In wie-vielen Familien, bei wievielen Kriegerwitwen, gerade aus den sozial schwachen Schichten, werden
Konflikte und Probleme echt und sauber ausgetragen, durchgestanden und gelöst! Es ist deshalb geradezu ein Hohn auf diese Familien, wie bequem und leichtsinnig diese Probleme oft im Film gelöst werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Nun ein Wort zu dem Erotischen. Kein vernünftiger Mensch wird gegen die Behandlung des Erotischen im Film auch vor älteren Jugendlichen etwas einzuwenden haben, wenn sichtbar wird, daß auch die Erotik und die Sexualität der Ordnung bedarf, ohne die ein erfülltes Leben nicht zu verwirklichen ist. Wenn aber die Erotik mißbraucht oder mißdeutet wird oder, wie es vielfach in den Filmen geschieht, zum Tummelplatz seniler Schlüssellochgucker degradiert wird, so daß der Film gerade noch die Filmselbstkontrolle passieren darf, ist das fü r die Jahrgänge von 16 bis 18 besonders übel. Andererseits muß zugegeben werden, daß manche Regisseure auch bei verantwortungsbewußter Behandlung des Erotischen und Sexuellen als Konfliktstoff oder als Anlaß zu tragischer Verstrickung nicht selten deswegen in schwierige Situationen kommen, weil sie an die ersten Jugendjahrgänge von 16 bis 18 also, oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze, die ja bei 16 Jahren liegt, denken müssen. Niemand wird bereit sein — um einen der neueren Filme zu nehmen —, den Film „Zur Liebe verdammt", wo das Problem der Mannstollheit einer krankhaft veranlagten Frau behandelt wird, für 16- oder 17jährige als geeignet zu bezeichnen. Solche Filme sind im Gegenteil gerade für die Krisenzeit der Pubertät schon vom Thema her keine zuträgliche Kost.
Wir sind auch aus diesem Grunde, aber nicht nur deshalb, geneigt, die bisherige Festsetzung der Altersgrenze von 16 Jahren einer kritischen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls die Heraufsetzung des oberen Grenzalters zu befürworten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Frage nach dem oberen Grenzalter ist für den der Jugend gegenüber verantwortlichen Personenkreis, Eltern, Erzieher, Jugendpfleger, Jugendfürsorger und auch Gesetzgeber, ebenso wichtig wie für die Filmschaffenden selbst. Den zuerst Genannten ist daran gelegen, die Jugend vor den schädigenden Einflüssen ungeeigneter Filme auf die noch nicht voll ausgereiften und darum auch bei normalem Entwicklungsverlauf moralisch nicht voll widerstandsfähigen Personen zu bewahren.

(Zuruf von der SPD: Wehrgesetz!)

— Sie haben ein ganz anderes Gesetz gemacht, wo Sie mit uns sehr freudig zugestimmt haben, daß die Altersgrenze hinaufgesetzt wird. Ich komme gleich darauf. — Der Filmschaffende jedoch wird in der Entfaltung seiner künstlerischen Absichten behindert, wenn er auf Grund vorliegender Bestimmungen oder Vereinbarungen bei jedem Film ein noch unreifes Publikum als Zuschauer von vornherein berücksichtigen muß. Unter diesen Schwierigkeiten leidet auch die Filmselbstkontrolle. Darum sind viele Erzieher, Jugendverbände und auch die Landesjugendbehörden oder mindestens ein Teil der Landesjugendbehörden sich darüber klar geworden, daß sich die 16-Jahresgrenze nicht empfiehlt. Denn sie liegt eben innerhalb der Pubertätskrise. In der Novelle zum Jugendgerichtsgesetz haben wir der Situation der Jugend Rechnung getragen, indem wir die Altersgrenze auf 21 Jahre heraufgesetzt haben. Das ist mit Recht in warmen Worten von den Rednern aller Parteien


(Kemmer [Bamberg])

und von den Fachleuten begrüßt worden. Wir sollten auch hier konsequent bleiben.
Ein Wort noch zu dem für die Jugend besonders augenfälligen Gebiet der Filmreklame. Für die Filmproduktion und den Filmverleih gelten in erster Linie die wirtschaftlichen Gesetze. Die Ware Film verlangt selbstverständlich nach Werbung. Diese Werbung so blickfangfreudig und attraktiv zu gestalten wie möglich und dabei auch noch auf die Jugendschutzbestimmungen Rücksicht zu nehmen, ist für die Werbechefs der Filmverleiher sicher nicht ganz einfach. Aber uns scheint, man sollte es doch auch in diesem Punkte etwas mehr mit der Wahrhaftigkeit halten. Wie soll man denn ahnen, daß sich hinter den gleichbleibend grellbemalten Kinofronten einmal eine Kinovorführung von gehobenem Niveau ereignet. Die schlechten Filmplakate machen es den Jugendlichen, da man dem Filmtitel ja ohnehin nicht trauen kann, so schwer wie möglich, gute Filme aufzuspüren. Kein Buchhändler kommt auf den Gedanken, Goethe oder Schiller in einem Umschlag unserer „berühmten" Magazine auszustellen. Es kann Ihnen jedoch passieren, daß Sie einen Film von hohem künstlerischem Rang auf folgende Weise angepriesen sehen; ich zitiere hier wörtlich:
Überlegen Sie gut, ob Sie sich diesen Film ansehen möchten! Er ist aufregend, gefährlich, faszinierend und schamlos zugleich, aber er zeigt Ihnen den sicheren Weg zu Karriere und Aufstieg.
Es kann einem Theaterbesitzer passieren, daß ein ihm möglicherweise unbekannter überdurchschnittlicher Abenteurerfilm mit folgendem Werberatschlag empfohlen wird: „Die tierhafte Schönheit dunkler Frauen und die Geheimnisse ihrer Gemächer usw." Auch das ist wörtlich von einem guten Film zitiert. Wir halten so etwas für eine bedauerliche Irreführung des Publikums. Sie ist ebenso bezeichnend, wie es bezeichnend war, daß die Filmselbstkontrolle sogar einen Teil der Reklame für den positiv angelegten Ehefilm „Ich und Du" wegen Jugendgefährdung verbieten mußte. Da wundert sich dann die Filmwirtschaft, daß die Abgeordneten, die für die hohe Filmvergnügungssteuer verantwortlich sind und die nur wenig ins Kino gehen, aber oft an den Filmplakaten vorbeiwandern, eine so geringe Meinung vom Filmniveau haben.
Nun zu dem Antrag meiner Fraktion, daß bei
der Vergabe von Filmbürgschaften die staatspolitisch wertvolle Filmproduktion besonders berücksichtigt und gefördert werden soll. Es ist sehr
merkwürdig, daß sich ein solcher Wirbel um diese
Forderung entzünden konnte, wie es teilweise geschehen ist. Ein Leitartikelschreiber des Fachorgans für die Filmindustrie „Der neue Film" ist
auch schlecht beraten gewesen, daß er in dem Wort
„staatspolitisch wertvoll" eine solche Gefahr witterte. Herr Justus, so ist dieser Artikel gezeichnet,
hatte wirklich keinen guten Tag, als er in seinem
Artikel Befürchtungen Raum gab im Hinblick auf
Filme wie „Jud Süß", „Kolberg" oder „Über alles
in der Welt". Wir wollen hoffen, daß Herr Justus
damals alles getan hat, solche Filme zu verhindern.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Seit vier Jahren fördern wir aus Mitteln des Bundesjugendplans staatspolitische Bildungsarbeit, die von der sozialistischen bis zur konfessionellen Jugend gern in Anspruch genommen werden, und alle fordern mit Recht die Erhöhung dieser Mittel für die staatspolitische Erziehung. Wir haben sogar — in Einmütigkeit mit allen Gruppen — Richtlinien festgelegt, in denen klargestellt wird, wann Tagungen, Lehrgänge usw. für staatspolitisch wichtig erklärt werden und damit aus Bundesmitteln zuschußwürdig sind. Die Bundeszentrale für Heimatdienst fördert und leistet selbst schon seit Jahren in objektiver Form eine ausgezeichnete staatspolitische Bildungsarbeit, über deren Qualität und Notwendigkeit wir sogar in diesem Hause einig sind. Warum können nicht auch Filme eine staatspolitische Aufgabe erfüllen, und warum soll man solche Filme nicht auch besonders fördern und auch finanziell unterstützen!

(Abg. Bausch: Sehr richtig!)

Zum Schluß möchte ich einige Forderungen zur positiven Förderung des Jugendfilms zur Debatte stellen.
1. Ganz gleich, welcher Weg in Zukunft zur Filmfinanzierung beschritten wird, immer sollte eine eigene dramaturgische Abteilung mit kleinem Beirat für Jugend- und Kulturfilme eingerichtet werden. Diese Abteilung soll a) jugendfördernde Normalfilme und Kinderfilme bearbeiten und b) zu allen übrigen Filmvorhaben vom Standpunkt einer modernen, aufgeschlossenen Pädagogik aus Stellung nehmen.
2. In jeder Achter-Staffel etwa sollten ein oder zwei Jugendfilme sein.
3. In den Filmbürgschaftsrichtlinien sollen Möglichkeiten geschaffen werden, den besonders wert- vollen Film auch im Hinblick auf den Jugendfilm weitgehend zu fördern. Diese Möglichkeit soll auch bei eventuellen Neuregelungen der Filmfinanzierung berücksichtigt und ausgebaut werden.
4. Die Fähigkeit der Jugend, Filme zu beurteilen, muß geweckt und gefördert werden durch Filmkritik in den Jugendgruppen, Jugendheimen und auch im Unterricht, durch die Filmdienste der Jugend und ihre Veröffentlichungen und durch besondere Förderung der in manchen Städten ausgezeichnet arbeitenden Filmklubs innerhalb und außerhalb der Jugendverbände.
Schließlich möchten wir eine verstärkte Förderung der Schmaltonfilme für die Jugend im nichtgewerblichen Filmwesen. Beim Institut für Film und Bild in München wurde hierfür aus Mitteln des Bundesjugendplans eine Zentrale in Form eines eigenen Referats geschaffen. Aus Mitteln des Bundesjugendplans wollen wir jedoch keine direkten Produktionssubventionen geben.
Ich bin der Meinung, nach all dem Gesagten läßt sich eine Synthese finden zwischen dem berechtigten Anliegen der Filmwirtschaft und dem berechtigten Anliegen der Jugend und derer, die es wirklich lich gut mit ihr meinen. Wir, die wir das Interesse der Jugend wahren wollen, sind keine Fachleute auf dem Gebiet der Filmwirtschaft. Die Filmschaffenden sind meistens keine Fachleute auf unserem Gebiet. Darin liegt zwar eine gewisse Schwierigkeit, aber die läßt sich überbrücken. Wir sind sogar der Meinung, und das ist heute ja wiederholt ausgesprochen worden, daß auch mit dem guten Film Geld verdient werden kann. Es kommt nur darauf an, daß wir uns rechtzeitig und oft genug zusammensetzen, damit wir gemeinsam den jeweils rechten Weg finden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202203500
Das Wort hat die Abgeordnete Gräfin Finckenstein.


Eva Gräfin Finckenstein (CDU):
Rede ID: ID0202203600
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte für meine Fraktion — Gesamtdeutscher Block/ BHE — angesichts der vorgeschrittenen Zeit nur zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Bundesbürgschaft für Filmvorhaben sprechen, weil in diesem Antrag gewissermaßen der Kern des Problems, das uns heute beschäftigt, eingefangen ist.
In dem Punkt 2 des Antrags sind drei Artikel des Grundgesetzes angezogen, die inhaltlich verschiedenen Zielen dienen. Es wird selbstverständlich von niemandem beanstandet werden, wenn Art. 18 des Grundgesetzes, der Selbstschutz der Demokratie gegen die mißbräuchliche Benutzung der demokratischen Freiheit, bei der Vergabe von Bürgschaften in Anspruch genommen wird.
Art. 5 des Grundgesetzes, der ebenfalls in diesem Antrag angezogen ist, spricht von Vorschriften der allgemeinen Gesetze, von den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Von diesen drei Gebieten kann im Zusammenhang mit der Bürgschaftserteilung nur der Schutz der Jugend gemeint sein. Um die Jugend zu schützen, gibt es bekanntlich das Jugendverbot bestimmter, gefährlich erscheinender Filme. Wir können aber nicht einsehen, daß diese Filme deshalb bei der Erteilung von Bürgschaften benachteiligt sein sollen. Denn gerade der wertvolle Problemfilm, den wir doch sicherlich fördern und nicht abwürgen wollen, kann möglicherweise für die Jugend völlig ungeeignet sein.
Art. 6 Abs. 1 stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Wenn wir diesen Artikel für die Vergabe von Bürgschaften anziehen wollen, geraten wir in Gewissenskonflikte. Ich darf hier nur einmal zwei Themen zur Diskussion stellen. Gefährdet es Ehe und Familie, wenn eine Leidenschaft dargestellt wird, die alle Bindungen eruptiv zerreißt? Auf den ersten Blick müßte man sagen: ja. Aber das ist das Thema von „Anna Karenina", das Thema von „Madame Bovary", das Thema von „Effi Briest", und es wird niemand bestreiten, daß die Welt ärmer wäre, wenn es diese Kunstwerke nicht gäbe. Es wird niemand sagen können, daß man sie nicht verfilmen dürfe. Gehen wir einen kleinen Schritt weiter. Zerstört es die Familie, wenn ein unschuldiges Kind verführt wird? Wieder muß man auf den ersten Blick sagen: ja. Aber dies ist ein wichtiger Teil der Handlung von Goethes „Faust".
Ich bringe diese Beispiele nur, um zu sagen, daß große, gestaltete Stoffe ohne den tragischen Konflikt nicht auskommen, wobei es noch wesentlich ist, daß das Schicksalhafte, das eigentlich Tragische den Schwerpunkt bildet. Ohne Reue, ohne Schuld, ohne Buße gibt es kein Drama und gibt es keine Kunst. Also nicht die Handlung an sich ist familienzerstörend, sondern das, was der Autor daraus macht. Ob ein Stück frivol wirkt oder dramatisch, das hängt doch davon ab, wie der Autor den Stoff anpackt; aber niemals hängt es vom Stoff selbst ab. Die Gefahr, daß vom Stoff her Fehlurteile gefällt werden, scheint uns groß, ja, ist beinahe nicht zu umgehen. Es liegt doch im Wesen von Verboten, daß sie sich an das Formale halten, weil das Formale die sicherste Rückendeckung für jede Entscheidung ist.
Es ist auch bedauerlich, daß der Antrag der CDU, weil er mit § 9 der Richtlinien für die Gewährung einer Bundesbürgschaft gekoppelt ist, zu diesem Problem nur negativ Stellung nehmen kann. Mit anderen Worten: er könnte nur verhindern oder ' abdrehen, aber nicht aufbauen.
Meine politischen Freunde unterstützen selbstverständlich den Schutz der Familie; aber wir fürchten die Enge, die von formalen Klammern erzeugt wird. Wir würden uns über jede Maßnahme freuen, die geeignet ist, die Stärke der Familie und die Kraft der Mutterliebe oder andere Stoffe dieser Art mehr als bisher zum Thema von künstlerischen Filmen zu machen. Die Worte, die der Vorredner Kollege Bausch in dieser Richtung gefunden hat, sollten uns sehr ermutigen. Wir möchten aber davor warnen, dem deutschen Film, der sich nach 1945 unter den schwierigsten Bedingungen wieder emporgearbeitet hat, Fesseln der Enge anzulegen. Wir empfehlen der CDU/CSU deshalb, in ihrem Antrag die Bezugnahme auf Art. 6 des Grundgesetzes wegzulassen und nur auf die Artikel 5 und 18 Bezug zu nehmen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202203700
Das Wort hat der Abgeordnete Becker (Hamburg).
Meine Damen und Herren, bevor Herr Abgeordneter Becker hier ist, darf ich sagen, daß sich die Fraktion der SPD mit der Absetzung des Punktes 2 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Pressepolitische Pläne der Bundesregierung, von der heutigen Tagesordnung einverstanden erklärt hat. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Bitte, Herr Abgeordneter Becker!

Fritz Becker (DP):
Rede ID: ID0202203800
Meine Damen und Herren! Trotz der Ankündigung, die der Herr Präsident eben dem Hohen Hause gemacht hat, werde ich mich befleißigen, recht kurz zu sein. Das Thema ist ausgiebig nach allen Seiten hin erörtert worden. Vor allen Dingen ist der deutschen Filmproduktion von dieser Stelle .aus eine Unzahl von Belehrurigen, Ratschlägen und Ermahnungen gegeben worden. Die Lichtblicke, die der deutschen Filmproduktion gegeben worden sind, sind nur gering. Als Faktum konnte man eigentlich nur den Willen der CDU-Fraktion feststellen, die Bundesbürgschaften allmählich ablaufen zu lassen. Als Äquivalent dafür wurden von den verschiedenen Rednern, beispielsweise auch der FDP, eigentlich nur einige vage Andeutungen gemacht. Danach ist der gute Wille vorhanden, in unserem Ausschuß für Film, Presse und Funk noch einmal die Frage zu überprüfen, ob etwa durch Einführung einer Synchronisationssteuer, vielleicht auch durch nochmalige Aufnahme des Projekts des Filmgroschens oder, wie der Antrag der CDU es vorsieht, durch gemeinsame Beratungen des Bundes und der Länder über steuerliche Erleichterungen ein gewisses Äquivalent für das Wegfallen der Bundesbürgschaften zu erreichen ist. Das ist für die Filmproduktion und damit für das Filmpublikum sehr wenig.
Bedauerlicherweise hat die heutige Debatte nicht dazu geführt, daß auch seitens der Regierung ein ganz klares Bekenntnis zur deutschen Filmproduktion abgelegt worden ist. Gerade angesichts der Mißverständnisse, die durch die hier so oft zitierte Düsseldorfer Rede des Herrn Ministers Wuermeling entstanden sind, hat der Minister Wuermeling selber heute eine große Chance verpaßt. Er hätte nämlich die Möglichkeit gehabt, von dieser Stelle aus eine versöhnliche Haltung einzunehmen. Er


(Becker [Hamburg])

hätte betont darauf hinweisen können, welchen Dienst alle Filmschaffenden im Laufe der letzten Jahre der deutschen Familie geleistet haben.

(Abg. Bausch: Nicht alle!)

Denn sie sind es doch gewesen, sowohl die Produzenten als auch die Künstler, die Kameraleute, die Regisseure, die das bißchen Licht in das trostlose Dasein der auseinandergerissenen Familien in der Nachkriegszeit hineingebracht haben. Wenn von Regierungsseite — allerdings außerhalb amtlicher Funktion — draußen bei den Reden gerade die Filmproduktion mit moralischen Ratschlägen, Appellen und Beanstandungen bedacht wird, dann möchte ich hier als Abgeordneter dieses Hauses sagen: was die Filmproduktion in der Nachkriegszeit geleistet hat, ist der sittlichen Leistung ebenbürtig, die die 'deutsche Familie in ihrer Gesamtheit durch ihren Zusammenhalt im Volke gezeigt hat. Ich glaube, die positiven Seiten, die die Filmproduktion aufweist, sind viel größer als die negativen Seiten, die nach unserem Empfinden zum größten Teil von der 'außendeutschen Produktion kommen.
Dieser versöhnliche Schritt ist nicht getan worden. Herr Minister Wuermeling hat sich vielmehr darauf zurückgezogen, unter Zitierung aus dem Schiller eine gewisse heitere Polemik mit seinen Gegnern zu führen. Herr Innenminister Schröder hat die Erklärung abgegeben, es werde keine Staatszensur angestrebt. Die Redner der CDU/ CSU, Herr Muckermann und Herr Bausch, haben ebenfalls versöhnliche Worte gefunden, und alles stand so ungefähr unter dem Thema „Der Kulturkampf findet nicht statt". Den Rednern, die hier gesprochen haben — selbstverständlich auch den Vertretern der Regierung — glaube ich aufs Wort, daß es nicht in ihrem Willen liegt, einen Kulturkampf zu entfachen oder zu fördern. Aber das, was im Lande vor sich geht, stimmt doch den einzelnen sehr bedenklich.

(Sehr richtig! bei der DP.)

Meines Erachtens liegt die Gefahr darin, daß, da der Minister Wuermeling aus einer gewissen ganz stark geprägten kirchlichen Vorstellungswelt kommt, hier nicht die Unterscheidung wahrgenommen wird, die zwischen einem weltlichen Amt und einem religiös-kirchlichen Bestreben liegt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Darauf sind letzten Endes auch die Mißverständnisse zurückzuführen. Es ist nicht nur die Düsseldorfer Rede; noch im vorigen Monate wieder — es war, glaube ich, in Fulda — hat Herr Minister Wuermeling erklärt, der Familienminister wolle nichts weiter sein als der Schutzpatron der deutschen Familie. Das ist bestimmt gut gemeint. Wie klingt das aber in unseren norddeutschen Ohren? Wir wollen nicht einen Schutzpatron. Ich weiß nicht, wie ein Katholik darüber denkt, wenn sich ein Minister selber zum Schutzpatron erhebt; das kann er vielleicht nicht nachempfinden.

(Heiterkeit.)

Aber ich muß auf der anderen Seite sagen, wir wollen doch in einem Minister unseres Landes nicht nur den Vertreter der Interessen der christlichen Familien sehen, sondern aller deutschen Familien. Wir wollen auch nicht, daß hier von der Regierung aus autoritativ mit Wortprägungen und Begriffen aus einer bestimmten geistigen Umwelt heraus gearbeitet wird, die in anderen Teilen unseres Vaterlandes ganz anders klingen als dort, wo sie gesprochen werden.
Darum möchte ich hier klar und ausdrücklich erklären: von der konservativen Haltung meiner Partei her haben wir keine Verbindung mit jenen Bestrebungen, die heute darauf hinauslaufen, etwa die vielgerühmte bürgerliche doppelte Moral wiederherzustellen.

(Unruhe und Widerspruch bei der CDU/CSU.) Ich erkläre, mir persönlich wäre es viel lieber, die Moral in unserem Volke ist um einen Punkt oder um zwei Punkte geringer, als daß wir wieder diese doppelte Moral bekommen, wo vor der Öffentlichkeit wer weiß welche guten Prinzipien verfochten werden, während hinter verschlossenen Türen es anders aussieht. Herr Dr. Mende hat vorhin seinen liberalen Standpunkt vertreten. Ich kann als Vertreter einer konservativen Partei nur sagen: soweit es sich darum handelt, die Geistesfreiheit zu verteidigen, nämlich die Freiheit auf dem Gebiete, auf dem sie wirklich zu Hause sein soll, dem Gebiete des Kulturschaffens und des Geisteslebens, werden diese Ausführungen von unserer konservativen Partei aus unterschrieben. Wir haben nicht etwa die Absicht, jene Zustände wieder einreißen zu lassen oder wieder herbeizuführen, daß die geistliche Macht nach dem weltlichen Schwert greift. Gerade das wollen wir als Konservative verhindern. Es war mir ein Bedürfnis, dies in diesem Zusammenhang auszuführen.


(Zuruf von der Mitte: Herr Becker, das glauben Sie doch selbst nicht!)

Noch ein Wort zu der Entflechtung des Ufa-Vermögens. Auch da waren die Erklärungen der Regierung, glaube ich, bisher nicht so, daß hinsichtlich der Bedenken eine Beruhigung innerhalb des Lagers der deutschen Filmproduktion eintreten kann. Es .ist mir z. B. nicht verständlich, warum nicht der Abwicklungsausschuß und auch die Vorstände der neu gebildeten Gesellschaften einmal klar und deutlich vor der Öffentlichkeit erklären: Jawohl, wenn es irgend möglich ist, werden wir den Theaterpark in kleinen Einheiten wieder in private Hände zurückführen. Es ist mir nicht verständlich, daß hier kein Wort darüber gesagt wird, inwieweit z. B. die Heimatvertriebenen dabei berücksichtigt werden, wie es ja das Gesetz betreffend die Entflechtung der Ufa vorsieht. In der Filmwirtschaft ist es genau so wie in allen anderen Wirtschaftszweigen wünschenswert, daß es große, mittlere und auch kleine Firmen gibt. Gerade beim Theaterbesitz ist es unser Anliegen, eine möglichst weitgehende Streuung zu erreichen. Dann ist der Theaterbesitz nämlich unter Umständen krisenfester, als wenn er sich mit einer Produktions- oder Verleihfirma liiert. Wenn eine solche Firma in Konkurs gerät, geraten all diese Theater auf Grund ihrer Abhängigkeit mit in den Konkurs. Ich würde es also sehr begrüßen, wenn die Bundesregierung in Verfolg der Antwort, die sie wahrscheinlich noch auf die Anträge der CDU geben wird, diesem Thema der Reprivatisierung speziell der Filmtheater noch ein besonderes Augenmerk widmete.
Ich darf zusammenfassend hinsichtlich der wirtschaftlichen Seite noch folgendes sagen. Es ist doch eigentlich unverständlich, daß ausgerechnet ein Wirtschaftszweig, der so eng mit dem Kulturellen verbunden ist, unter der größten Steuerlast leidet, die überhaupt ein Wirtschaftszweig aufzubringen hat. Ich glaube, daß hier unbedingt etwas geändert werden muß, und sei es, daß im Wege der Großen Steuerreform die Verteilung der Steuern anders geregelt wird. Es ist einfach unverständlich,


(Becker [Hamburg])

daß ausgerechnet die Filmwirtschaft in allen ihren Sparten auf die Dauer dieser Sonderbesteuerung unterliegt. Das ist gerade das Gegenteil von dem, was andere Staaten tun, die nämlich Gelder zur Verfügung stellen, ohne damit irgendeine Staatszensur zu verbinden.
Da die Zeit so weit fortgeschritten ist, möchte ich meine Ausführungen hier abschließen. Ich betone, daß einige Anträge der CDU insofern besonders begrüßenswert sind, als sie den Anlaß geben, die ganze Materie im Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films weiter zu behandeln. Ich hoffe, daß die Beratungen dieses Ausschusses zu dem Ergebnis führen, daß die Filmwirtschaft und damit das von ihr bediente Filmpublikum mit etwas leichterem Herzen in die Zukunft hineinschauen kann, als es augenblicklich der Fall ist.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202203900
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.

Heinz Kühn (SPD):
Rede ID: ID0202204000
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Sachdebatte nicht wieder aufgreifen. Mich ermuntern nur die Diskussionsdarlegungen des Herrn Familienministers zu einigen abschließenden Bemerkungen. Ihre Rede, Herr Familienminister, hat mich an ein Wort Bismarcks erinnert: „Ein Abgeordneter wird nicht ohne weiteres dadurch klüger und einsichtiger, daß er Minister wird".

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Herr Minister, Sie haben anerkannt, daß meine
Diskussionsdarlegungen sachlich waren. Aber Sie
können durch diese Anerkennung nicht hineinschmuggeln, daß wir etwa Ihr Familienministerium anerkennen. In einer langen Rede, wie Sie sie in Düsseldorf gehalten haben, mußte schließlich auch einiges enthalten sein, was wir anerkennen und was wir bejahen.

(Zuruf von der Mitte: Bringen Sie doch einmal etwas Neues!)

Nun, Sie haben hier gestanden wie ein Unschuldsminister, der eigentlich nichts von allen Berichten auf sich genommen hat, die in der Presse gestanden haben. Die Presse hat nichts von dem richtig berichtet, w a s Sie gesagt haben, oder — besser formuliert — S i e haben nie gesagt, was in der Presse gestanden hat. Da ich nicht annehme, daß Sie künftig keine Reden mehr halten wollen, würde ich Ihnen empfehlen, daß Sie als erste Maßnahme der Volkszensur dann wenigstens die Presse auffordern, über Ihre Reden keine Kommentare mehr zu bringen. Denn Sie wollen uns doch nicht hier darlegen, daß Journalisten vom Range eines Friedländer, der immerhin das besondere Vertrauen des Bundeskanzlers genießt,

(Lachen bei der SPD)

Walter Dirks, die „Gegenwart" und viele sehr seriöse Zeitschriften Sie im Wortlaut derart mißverstanden haben sollten, daß eine so unkorrekte Darstellung zustande gekommen wäre!

(Zustimmung bei der SPD.)

Aber, Herr Familienminister, was mich an Ihrer Rede besonders beeindruckt hat, war doch der rein theatralisch nicht immer mißlungene Versuch, einer sachlichen Debatte der Vorwürfe hier auszuweichen.

(Sehr gut! bei der SPD.) Sie haben in aller Form erklärt, daß Sie es ablehnen würden, hier den Begriff der „Volkszensur" zu interpretieren.


(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie haben statt dessen das böse Wort „Hetze" ausgesprochen. Ich habe daraus nicht genau gehört, daß Sie dies auf uns bezogen haben. Ich glaube, das Stenogramm sagt, daß dies nicht der Fall ist.
Herr Minister, wir hätten aber gerne einiges von Ihnen darüber gehört, was Sie als „staatspolitische Bürgschaftsbedingung" ansehen und was Sie sich nun konkret unter der „Volkszensur" vorstellen. Sie haben nicht dementiert, daß Sie damals jenes Telegramm an den Initiator der Stinkbombenaktion in Düsseldorf gerichtet haben, und das Stenogramm weist aus, daß Ihre Fraktion bei dieser Feststellung sogar „Bravo" gerufen hat.
Zur besseren Information der offensichtlich schlecht informierten CDU-Fraktion dieses Hauses möchte ich Sie darauf aufmerksam machen,

(anhaltende Gegenrufe von der Mitte)

daß die CDU-Regierung des Landes NordrheinWestfalen beim Bundesgericht gegen das freisprechende Urteil im Falle dieses Pfarrers Revision eingelegt hat

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Das muß doch der Staatsanwalt tun!)

und daß das Bundesgericht dieser Eingabe auch stattgegeben hat.
Statt auf diese sachlichen Probleme einzugehen, hat der Herr Minister hier den Weg der Verniedlichung gewählt. Er hat von einer „ehrlichen Aussprache" gesprochen. Aber ich glaube, die Vorbedingung, die erste Etappe dazu wäre eine offene Aussprache und damit ein klares Darlegen dessen, was er will. Statt dessen ist er ins Theater geflüchtet. Er hat „Don Carlos" ausgeschlachtet.

(Heiterkeit.)

Nun, ich erlaube mir, ihm für die nächste Auseinandersetzung vielleicht die „Jungfrau von Orleans" vorzuschlagen,

(erneute Heiterkeit)

weil sie ressortmäßig mehr zu seinem Ministerium, gehört.

(Große Heiterkeit. — Zurufe von der Mitte.) Oder vielleicht empfiehlt sich Molières „Tartuffe"? Die Weltliteratur ist ja umfassend und weit.


(Sehr gut! bei der SPD.)

Über die S a c he werden wir im Ausschuß weiter diskutieren, und wenn die Materie aus dem Ausschuß kommt, werden wir Gelegenheit haben, dies hier wiederum zu tun.
Herr Minister, zum Schluß ein Kompliment. Sie haben mit Ihren Reden in der Öffentlichkeit zu einer leidenschaftlichen Diskussion beigetragen. Das war gut, selbst wenn die Rede schlecht war.

(Heiterkeit.)

Wenn ich so auf die Ministerbank schaue, werde ich an ein Wort von Ludwig Börne erinnert: „In einem Kübel Langeweile ein Tröpfchen Zeitvertreib".

(Erneute Heiterkeit.)

Sie versuchen, die Personifizierung dieses „Tröpfchens" darzustellen, und auch das ist gut. Wir wollen keine Debatten der schläfrigen Leidenschaftslosigkeit. Herr Minister, wenn Sie den Kampf wollen, werden wir Ihnen immer mit der nötigen Bravour gegenüberstehen. Aber wir bitten


(Kühn [Köln])

Sie um eines: Wählen Sie dann die sachliche Offenheit und nicht die Desertion in die theatralische Rezitation!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202204100
Das Wort hat der Abgeordnete Strosche.

Dr. Johannes-Helmut Strosche (GB/BHE):
Rede ID: ID0202204200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Filmkomplex, der heute vormittag zur Debatte stand, zerfällt offensichtlich und wohl auch zwangsläufig in zwei Teile: in einen mehr kulturpolitischen Charakters mit wirtschaftspolitischem Einschlag und in einen anderen Teil mehr wirtschaftspolitischen Charakters mit kulturpolitischen Nuancen. Das ist bedingt durch die Art der Vorlagen.
Lassen Sie mich einige Worte zu den mehr wirtschaftspolitischen Dingen sagen. Ich beziehe mich auf die SPD-Anfrage, Drucksache 250, und auf die CDU/CSU-Anträge betreffend Koordinierung der Filmpolitik des Bundes und der Länder in bezug auf Steuererleichterungen und betreffend Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion, Drucksachen 380 und 381. Wir wissen, daß es der Sinn des Ufi-Konzern-Entflechtungs- und Reprivatisierungsgesetzes vom 5. 6. 1953 war, Filmwirtschaftsmonopolen, übergroßem staatlichen Einfluß und damit auch der Möglichkeit einer gewissen Politisierung der Filmwirtschaft Einhalt zu gebieten. Es ist offensichtlich geworden, daß die auf Grund dieses Gesetzes eingesetzte Treuhandverwaltung, etwas zu langsam, vielleicht auch etwas zu sehr verborgen und allzu diskret gewirkt hat und daß sie oftmals doch ein wenig vom Sinn dieses Gesetzes abgewichen ist. Ich möchte da insbesondere auf die Fragen der Koppelung von Filmatelierverträgen mit Filmkopierverträgen usw. hinweisen, auch auf jenen § 8 Ziffer 3 des UfiGesetzes, nach dem die heimatvertriebenen Filmschaffenden bei der Reprivatisierung berücksichtigt werden sollten. Im übrigen sind hier schon viele richtige Worte gefunden worden, insbesondere von dem sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Mende, etwa, daß wir auch auf diesem wirtschaftspolitischen Felde eine gesunde und richtige Mitte finden müssen, auf der einen Seite eine maßvolle Entflechtung, auf der anderen Seite das Bestreben, keine Atomisierung herbeizuführen.
In Verbindung mit diesen Fragen muß zwangsläufig die Steuerlast der Filmwirtschaft behandelt werden, die im Vergleich zum Ausland sehr groß ist. Gerade die Vergnügungsteuer, die früher etwa 7 % betragen hat und jetzt über 20 % steht, ist zweifellos untragbar. Es müßte das Bestreben sein, für alle prädikatisierten Spiel- und Kulturfilme, vor allem für die als „besonders wertvoll" prädikatisierten Filme und für besondere Jugendvorstellungen in allen Bundesländern eine Ermäßigung zu schaffen. Das ist eine Angelegenheit des guten Willens auf Länderebene, zum Teil auch die Aufgabe einer Finanzreform.

(Abg. Albers: Zahlen wir etwas mehr Gewerbeund Umsatzsteuer!)

— Es steht dann noch die Frage an, warum auch in diesem Falle keine „Großhandelsvergünstigung" bezüglich der Umsatzsteuer Platz gegriffen hat.
Auch wir begrüßen jede sinnvolle Koordinierung zwischen Bund und Ländern, die wir verstärkt auch einmal auf der kulturpolitischen Ebene sehen möchten. Herr Kollege Dr. Mende hat mit Recht gefordert, daß diese Dinge auch in anderen Sparten des kulturellen Lebens vorangetrieben werden, nicht nur auf diesem engbegrenzten Felde. Unbestreitbar liegen gewisse Gefahren darin, daß sich über Strohmänner — das Schlagwort ist aufgeklungen — ein „Weg zurück zu Hugenberg" anbahnen könnte. Vor allem aber ist dem Aufkauf deutscher Substanz, wenn ich so sagen darf, durch das Ausland, besonders durch die Sperrmarkbesitzer aus den USA, stärkster Widerstand entgegenzusetzen.
Nun aber zu den mehr kulturpolitischen Fragen, die heute bei dieser Generaldebatte aufgeworfen worden sind! Die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers sind zweifellos für uns alle nicht unerfreulich und in vielfacher Richtung dankenswert und beruhigend gewesen, beruhigend, da gewisse Kulturkampfmöglichkeiten aus den Augen gerückt worden sind. Allerdings sind sie durch die, wie ich meinen möchte, nicht sehr überzeugenden Ausführungen des Herrn Familienministers doch nicht ganz und nicht für alle Zeiten ausgeschaltet.

(Abg. Albers: Das könnte euch passen!)

Wir hätten die Bitte, insbesondere an den Herrn Familienminister, sich in Hinkunft besonders auch mit jenen Gebieten zu beschäftigen, in denen das Wohl, der Standard und damit auch der kulturelle Aufbau und die kulturelle und menschlich-sittliche Entwicklung einer Familie wirklich ruhen, nämlich mit dem sozialen Feld.

(Zuruf von der Mitte: Na also!)

Nach der Katastrophe von 1945 muß vor allem dieses Feld bestellt werden; es ist gerade auch im Hinblick auf die Fragen, für die der Herr Familienminister zuständig erscheint und die er meistern will, ganz besonders wichtig.
Die mehr oder minder massiven und manchmal verallgemeinernden Angriffe auf die deutsche Filmwirtschaft sind nur zum Teil begründet. Man darf nie vergessen, wie schwierig wirtschaftlich, aber auch geistig-seelisch und damit künstlerisch und ästhetisch die Ausgangsposition des Jahres 1945 auch für unsere Filmwirtschaft gewesen ist. Diese Katastrophe, die bekanntlich nicht nur eine materielle, sondern auch eine seelisch-geistige gewesen ist, hat unsere Filmwirtschaft zweifellos vor eine Aufgabe gestellt, angesichts deren Größe wir der Filmwirtschaft für die teilweise Meisterung
— das wurde schon von dem Herrn Vorredner gesagt! — unseren Dank aussprechen müssen.
Der Begriff der Volkszensur, der hier so leidenschaftlich umstritten wurde, — —

(Zuruf von der Mitte: Fürchterlich langweilig! — Abg. Pelster: Langsam wird's langweilig mit der Volkszensur! -Gegenrufe vom GB/ BHE.)

— Herr Kollege, ich habe ruhig zugehört, als die anderen Herren Kollegen gesprochen haben; ich kann dasselbe auch von Ihnen erwarten. —

(Zuruf von der Mitte: Jeder hat das Recht, Zwischenrufe zu machen!)

Der Begriff der „Volkszensur" ist erfreulicherweise auch durch den Herrn Bundesinnenminister etwas geklärt, etwas „entspannt" worden. Aber wer etwa in der Stadt Regensburg die Krawalle um „Die Sünderin" miterlebt hat, der muß sagen, daß hier Möglichkeiten bestehen, die Volksmeinung nach bestimmten Richtungen hin, auch bei diesen Problemen, derart aufzuwiegeln, daß man sehr vorsichtig sein und jede Art von Nebenzensur und sonsti-


(Dr. Strosche)

gen Möglichkeiten terroristischer Beeinflussung ausschalten muß.

(Abg. Dr. Mende: Sehr gui!)

Man wird eine Zensur nur in dem Sinne für richtig halten, und so ist sie wohl auch gemeint gewesen und vom Herrn Bundesinnenminister interpretiert worden, die einer nichtterroristischen Kritik, einer gewissen Selbstläuterung im Geschmack und auch in der Einstellung zum Film und zum Kunstwerk ihre freie demokratische Möglichkeit läßt.
Man soll im übrigen keine zu geringe Meinung vom Publikum haben. Bei aller Notwendigkeit, den unreifen Menschen, den Jugendlichen, in einem gefährlichen Lebensabschnitt abzuschirmen und zu lenken, hat sich herausgestellt — das ist heute auch bereits einige Male betont worden —, daß der gute Film sich bezahlt machen kann und daß im allgemeinen die Menschen wissen, was wirklich wertvoll ist, wenn auch hier und da einige„ schwarze Schafe" dabei bleiben.
„Staatspolitisch wichtig"?! Es wird keiner abstreiten, daß Film, Presse und Rundfunk staatspolitisch wichtig sind. Wir müssen aber wohl versuchen, den besten Weg zwischen Einhaltung der Freiheit und gewiß notwendiger Verhütung abträglicher Auswüchse zu finden und vor allem in der Gestaltung, auch in der ästhetisch-künstlerischen Gestaltung des Films eine Mitte zu finden, was zweifellos nicht immer leicht ist, die aber dann auch jeden Kulturkampfes enthoben sein kann.
Ich glaube, die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft hat tatsächlich so gearbeitet, daß wir bezüglich ihrer Prüfungsgesichtspunkte und der Prüfungsarbeit, die in ihren Ausschüssen geleistet wurde, Vertrauen zu ihr haben können. Sie hat relativ sehr gut gearbeitet! Einen hundertprozentig befriedigenden Zustand wird man bei all diesen Dingen nie erreichen können. Es darf jedoch nicht vergessen werden — das ist eine Art Binsenwahrheit, die aber in die Erinnerung zurückgerufen werden soll —, daß alle klassischen Kunstwerke, auch unserer Klassik an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, vor allem in der Zeit des Sturms und Drangs, als ganz besonders revolutionär, schockierend, aufregend und bei gewissen Volksteilen sogar als abstoßend empfunden worden sind und doch nach einer gewissen Zeit ihren ewigen Gehalt ästhetischer, künstlerischer und menschenbildender Form geoffenbart haben. Hier einen gewissen Spielraum der Entfaltung freier schöpferischer Kräfte zu lassen, ist und bleibt ein Risiko, das man eben eingehen muß und das man nicht irgendwie formalistisch verengen und allzu nah und kurzsichtig betrachten sollte. Es ist also besser, den gegenwärtigen nicht hundertprozentig befriedigenden Zustand zu bewahren, als auf irgendwelche gesteuerte Volksmeinung hin einen Freiheitsentzug durch staatlich-bürokratische, kulturpolitische oder sonstige Einflußnahmen anzubahnen, dessen Ende nie ganz zu übersehen ist und der, wie wir heute mit Recht gehört haben, oftmals in das Gegenteil dessen umschlägt, was wir alle wünschen.
Was wir aber alle wünschen, das ist der wertvolle deutsche Film, der bei Einarbeitung alles dessen, was uns als deutschen Menschen im Rahmen der abendländisch-christlichen Kultur wert und teuer ist, doch auch große Möglichkeiten in sich birgt. Er könnte der ausländischen Öffentlichkeit interessant und gewichtig genug erscheinen, weil er echte Probleme des Lebens mit all ihrer Tragik in einer künstlerisch vollendeten Form aufgreift. Wenn wir diesen weltoffenen und doch unserer gesamten Auffassung entsprechenden Film gefunden haben, dann bedarf es auch nicht irgendwelcher einschränkender formalistischer oder irgendwie im schlimmen Sinne reaktionärer Einflußnahme, sondern dann können wir im Vertrauen auf unser junges demokratisches Leben auch auf diesem Sektor zuversichtlich in die Zukunft schauen.

(Beifall beim GB/ BHE.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202204300
Das Wort hat der Bundesminister für Familienfragen.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0202204400
Meine Damen und Herren! Nur drei ganz kurze Bemerkungen. In einer Rede ist das Wort vom „Schutzpatron der Familie" zitiert worden.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nur schön!) Ich kann nur meiner größten Überraschung darüber Ausdruck geben, daß diese Formulierung überhaupt ins Konfessionell-Katholische umgebogen werden kann.


(Zuruf von der SPD: Wieso denn?)

Daß so etwas geschieht, beweist nur, wo und wie manche Leute mit aller Gewalt irgend etwas suchen, was eben nicht da ist.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Sabel: Er weiß nicht, was ein Schutzpatron ist!)

Meine Damen und Herren, seien Sie mir nicht böse,
wenn ich in diesem Zusammenhang bezüglich dieses
Redners noch einmal Don Carlos zitiere und hier wirklich sage: „Der Knabe Carl fängt an, mir fürchterlich zu werden!"

(Heiterkeit in der Mitte.—Abg. Dr. Greve: Er heißt aber Heinz!)

Und die zweite Bemerkung ist folgende: Ich habe niemals Stinkbomben als Mittel der Volkszensur gebilligt oder gutgeheißen

(erneute Zurufe von der SPD)

und werde das auch künftig nicht tun. Wenn ich einmal ein Telegramm geschickt habe, dann habe ich eine Haltung gutgeheißen,

(Beifall in der Mitte — Aha! bei der SPD)

aber nicht alle Einzelheiten, mit denen diese Haltung dokumentiert wurde.

(Zuruf von der SPD: Das war eine Stinkbombenhaltung! — Zu dieser Haltung gehörten Stinkbomben!)

Und drittens: Die Rede, die der Kollege Kühn als Erwiderung auf meine Antwort gehalten hat, hat mir den klaren Beweis erbracht, daß gegen meine heutige Rede Wirksames nicht zu sagen war. Die „Volkszensur" ist von Herrn Bundesminister Schröder in den Ausführungen der Regierungserklärung eindeutig interpretiert worden. Sie, meine Herren (zur SPD), ärgern sich ja bloß darüber, daß das, was Sie mir unterstellt haben, nicht darin vorkommt, d. h. daß ich in der heutigen Diskussion recht behalten habe.

(Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Das sollten Sie einmal in Ihrer Familie sagen, Herr Wuermeling! — Zurufe von der SPD: Das ist ein Bundesminister! — So ein Theater! — Weitere Zurufe links.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202204500
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.


Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0202204600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bausch hat davon gesprochen, wir sollten danach trachten, möglichst die gemeinsamen Dinge zu sehen und danach erst die uns unterscheidenden. hat auch eine ganze Reihe solcher Gemeinsamkeiten angeführt. Ich bin auch der Meinung, daß in dieser Frage in der Tat eine ganze Reihe von gemeinsamen Anschauungen vorhanden sind. Ich glaube jedoch, daß uns die Debatte auch gezeigt hat, wie sehr wir in der Gefahr sind, Vorurteile zu Urteilen werden zu lassen. Sie zeigt sich insbesondere immer dann, wenn man auf das Gebiet des Kirchlichen und Christlichen kommt. Der Herr Kollege Bausch ist selber dieser Gefahr unterlegen und hat ein Vorurteil zu einem Urteil werden lassen. Er hat davon gesprochen, unsere Redner seien der Meinung gewesen, daß wir uns gegen eine Klerikalisierung der Filmselbstkontrolle wehren müßten. Wenn Sie genau zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, daß in den Ausführungen unserer Sprecher davon überhaupt nicht die Rede gewesen ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir haben keineswegs Angst davor, daß die Filmselbstkontrolle klerikalisiert werden könne.
Wenn von Klerikalisierung schon die Rede ist — und ich glaube, es geschieht nicht so ganz ohne Grund —, so muß das ja nicht einfach auf alle Gebiete übertragen werden. Wir haben eines deutlich gemacht. Das muß noch einmal klar hervorgehoben werden, um Mißverständnissen, aber auch böswilligen Deutungen vorzubeugen. Wir Sozialdemokraten bejahen, daß in der Filmselbstkontrolle auch die Kirchen vertreten sind und ihr Teil dazu beitragen, daß eine gute Lösung gefunden wird.

(Bravo-Rufe in der Mitte.)

Ich unterstreiche das ausdrücklich, damit niemand aus dem Hause gehen und das Gegenteil behaupten kann. Allerdings haben wir auch folgendes deutlich gemacht — und da fängt die Sache mit der Klerikalisierung an —:

(Zuruf von der Mitte: Die gibt es ja gar nicht!) Wir sind nicht der Meinung, daß es nur amtlich abgestempelte Vertreter der Kirchen gibt und daß diese allein ein Wort für die Kirche zu sagen haben, sondern wir sind der Ansicht, daß die Menschen, die genau so in der Filmselbstkontrolle sitzen, wie sie hier im Bundestag oder sonstwo sind, auch Christen und Vertreter ihrer Kirche sind und, mögen sie auch nicht den Stempel eines Vertreters der Kirche tragen, doch auch das Recht haben, ein Wort für ihre Kirche und im Sinne der Kirche zu sagen.


(Zuruf von der Mitte: Dann sagen sie aber ihre persönliche Meinung und nicht die der Kirche!)

Wenn diese Leute in der Filmselbstkontrolle sitzen, haben sie also genau so gut das Recht, ein Wort zu sagen. Wir sind da tatsächlich in der Gefahr, uns zu scheiden und zu trennen.

(Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

In dieser außerordentlichen Gefahr stehen wir andauernd. Und das ist die Gefahr der Klerikalisierung.

(Zuruf von der Mitte: Diese Leute sagen dann aber ihre persönliche Meinung und nicht die der Kirche!)

— Ich kann Sie jetzt nicht verstehen. Die Zeit ist
auch zu kurz, als daß ich mich in eine längere Debatte mit Ihnen einlassen könnte, so gern ich das tun möchte.
Ebenso hat uns der Familienminister deutlich gezeigt, wie er von Vorurteilen erfüllt ist. Er hat an einer Stelle seiner Rede gesagt, daß er keine Unfreundlichkeit gegen die Opposition beabsichtige. Das ist sehr schön. Wir hören so etwas gern, nur möchten wir auch daran glauben können. Der Herr Familienminister hat nämlich diese Unfreundlichkeiten bereits einige Sätze vorher verspritzt und es offenbar nicht bemerkt. Von Leuten, die den Herrn Familienminister gut kennen und auf deren Urteil ich sogar etwas gebe, wird mir immer wieder gesagt, daß er ein wohlmeinender, gutmeinender Mann sei.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wenn das der Fall ist, dann hat er, wie ich Taube feststellen zu dürfen, keine genügende Kontrolle darüber, was er sagt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Vielleicht ist das der springende Punkt beim Herrn Familienminister, und vielleicht ist er deswegen auch nicht recht am Platze.

(Zustimmung bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

Wie sind denn die Dinge gewesen? Der Herr Familienminister hat z. B. in den Sätzen vorher davon gesprochen, seine Gegner möchten die konfessionelle Zersetzung gern für sich 'benutzen. Ich will es dahingestellt sein lassen, wen er damit gemeint hat. Daß er uns damit gemeint hat, darüber kann es keinen Zweifel geben; ob er auch die FDP und die DP gemeint hat, weiß ich nicht; ich möchte es beinahe unterstellen.

(Zuruf von der Mitte: Aha!)

Aber wenn man in dieser Weise kämpft, daß man dem anderen unterstellt, er wolle aus der konfessionellen Zersetzung politisches Kapital schlagen, dann 'hat man aus einem Vorurteil heraus bereits wieder ein Urteil gefällt. Hier tritt eben das alte Vorurteil nicht nur des Herrn Wuermeling, sondern auch sehr vieler 'anderer Leute zutage, die einfach davon ausgehen, daß, wenn von sozialdemokratischer Seite irgendein kritisches Wort gesagt wird, dieses stets verneinenden Charakter habe. Wenn wir auch in bezug auf religiöse und kirchliche Fragen kritische Worte sagen, dann haben Sie noch lange nicht das Recht, daraus zu folgern, wir seien antichristlich oder antikirchlich eingestellt. Ich stehe viel zu lange im kirchlichen Leben, als daß ich nicht wüßte, daß die Notwendigkeit besteht, daß man im kirchlichen Raum selber die kritischen Dinge sagt und daß man gerade deswegen, weil man auch kritische Dinge sagt, zur Sache steht.
Bei der Frage der Klerikalisierung geht es doch um ein Problem, das wir beim Staat genau so haben. Wir als gute Staatsbürger — und ich will hoffen, daß wir hier alle gute Staatsbürger sind — wehren uns mit Recht dagegen, daß der Staat seine Machtposition mißbraucht. Ich als guter Angehöriger meiner Kirche trete dafür ein, daß sie ihre Machtposition nicht mißbraucht oder, noch besser gesagt, daß sie überhaupt keine Machtposition einnimmt, weil das nicht Sache der Kirche ist, sondern daß die Kirche etwas davon weiß, daß sie um der Liebe willen handeln muß und daß sie eine andere Position hat.
Ich glaube, hier handelt es sich in der Tat um Dinge, die nicht ganz klar sind. Der Kollege Mende


(Metzger)

hat von der Nebenzensur gesprochen und hat uns Beispiele angeführt. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren — auch die Damen und Herren, die von der katholischen Seite kommen —, daß wir das einfach so leicht hinnehmen dürfen. Ich meine, daß wir ganz im Gegenteil alle Veranlassung haben, hier unser Gewissen zu prüfen und auch die Haltung zu prüfen — allerdings auch die Haltung! Wenn wir solche Dinge hören — und das sind nur einige Beispiele, ich könnte Ihnen ganz andere Beispiele bringen, dazu ist jetzt die Zeit nicht da —, dann werden Sie verstehen, daß wir Veranlassung haben, vorsichtig zu sein.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0202204700
Herr Präsident, darf ich einmal unterbrechen! Hält es der Herr Präsident für der Würde des Parlaments entsprechend, daß der Herr Minister, zu dem gesprochen wird, aus dem Saale geht?

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202204800
Herr Abgeordneter Mommer, Ihnen ist völlig bekannt, daß ich auf die Art und Weise, in welcher die Minister an der Debatte teilnehmen, keinerlei Einfluß habe, genau so wenig wie das Haus. Ich glaube nicht, daß dieses Monitum berechtigt ist, mir gegenüber jedenfalls nicht. Welche Meinung Sie im einzelnen dazu haben, muß Ihnen überlassen bleiben.
Bitte, Herr Abgeordneter Metzger, wollen Sie weiter sprechen!

Ludwig Metzger (SPD):
Rede ID: ID0202204900
Ich glaube, wir müssen alle ernsthaft prüfen, ob nicht irgendwo Übergriffe vorhanden sind, ob nicht irgendwo ein Machtbewußtsein sich geltend macht, das wir gerade vom Christlichen her unter keinen Umständen bejahen können. Wenn wir es mit dem Christentum ernst meinen, müssen wir auf der Hut sein. Das Wort von der Volkszensur ist nicht aus dem Weg geräumt. Der Herr Minister Wuermeling hat zum Schluß noch einmal geglaubt, er sei als Sieger aus der Debatte hervorgegangen und habe recht gehabt. Schon zu der Einstellung, er habe recht gehabt und die anderen hätten unrecht gehabt, muß ich sagen: gerade von einer christlichen Haltung her sollte man so nicht reden. Aber der Herr Minister hat etwas anderes getan — und damit hat er sich wieder demaskiert —, er hat nämlich zugegeben, das Telegramm an diejenigen geschickt zu haben, die die öffentliche Ordnung gestört haben. Und er hat uns gesagt: Ich habe nicht alles gebilligt, ich habe die Haltung gebilligt.
Wir haben ganz erhebliche Bedenken und wir haben Angst davor, daß man mit der Billigung einer Haltung, die man so ins Blaue hinein rechtfertigen kann, auch die Konsequenzen mit in Kauf nimmt.

(Zuruf von der Mitte: Wir sind doch keine Sozialdemokraten!)

Wir haben allerdings die Befürchtung, daß sehr viel von Haltung die Rede ist, ohne daß man von den Konsequenzen redet, daß man die Konsequenzen will oder mindestens mit in Kauf nimmt. Und wenn wir an die Debatte hier denken, so sind unsere Bedenken — —

(Abg. Majonica: Herr Kollege Metzger, was sagen Sie denn zu den Freiburger Studenten, die gegen Harlan demonstriert haben? — Abg. Dr. Greve: Das war sehr richtig! Es war höchste Zeit, daß sie demonstriert haben!)

— Haben wir Telegramme geschickt? Der Herr Minister Wuermeling hat Telegramme geschickt, aber nicht wir.

(Abg. Dr. Greve: Vielleicht auch an Harlan!)

Er hat diese Tat damit begründet, daß er sagt, in der Haltung sei er damit einig. — Wenn wir diese Haltung einnehmen, können wir allerdings auf diesem Gebiet noch mancherlei erwarten.

(Zuruf von der Mitte: Herr Metzger, da ist Herr Dr. Wuermeling noch gar nicht Minister gewesen!)

Wie wenig die Sorge darum, daß auf dem Gebiet des Konfessionellen, des Kirchlichen die Gefahr der Klerikalisierung entsteht, von der Hand zu weisen ist, zeigt nicht nur die Tatsache, daß wir Sozialdemokraten, die Liberalen usw. erhebliche Bedenken haben, sondern das beweist auch die Tatsache, daß kirchliche Gremien sich sehr ernsthaft mit diesen Fragen befassen. Ich möchte jedem Abgeordneten hier im Hause, einerlei, wo er steht, empfehlen, einmal die Verhandlungen zu verfolgen, die auf der Synode der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin gepflogen worden sind. Leider kann ich Ihnen nicht vermitteln, was in dem Ausschuß für Familienfragen verhandelt worden ist, in dem ich selber mitgesessen habe, weil der Ausschuß nicht öffentlich getagt hat. Aber lesen -Sie einmal die Reden; dann werden Sie finden, was auch da an Befürchtungen laut wird. Ich will Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nur eine Stelle aus der Entschließung der Synode vorlesen, aus der Sie ersehen können, daß man nicht ohne Bedenken ist. Es heißt da:
Die Synode hält es für geboten,

(Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD.)

— meine Herren, Sie werden nichts dagegen haben, daß ich die Worte eines kirchlichen Gremiums vorlese; oder sollte sich dagegen Widerspruch erheben?, ich glaube doch, kaum —
an dem geltenden Recht der obligatorischen Zivilehe festzuhalten. Sie befürchtet, daß die Einführung der fakultativen Zivilehe zu Gewissenszwang führt, die Rechtseinheit beeinträchtigt, Rechtsverwirrung stiftet, was um des Zusammenlebens der Menschen in unserem Volk willen vermieden werden muß.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dasselbe, was Herr Dr. Wuermeling gesagt hat!)

Ich glaube, die Synode hat hier auf einen sehr deutlichen Punkt verwiesen, auf das Zusammenleben des Volkes. Meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Familienminister, ich bitte, immer daran zu denken, daß um des Zusammenlebens des Volkes willen eine ganze Reihe von Dingen nicht getan werden dürfen, die hier immer wieder versucht werden. Man weicht zwar zurück, wenn man Widerstände merkt. Aber wir haben den Eindruck, daß dieses Zurückweichen nur taktischer Natur ist, daß der Nachstoß kommt.

(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn wir uns dagegen wehren — ich will das noch einmal ausdrücklich sagen —, so nicht etwa deswegen, weil wir gegen die christlichen Gehalte oder gegen die Kirche sind, sondern im Gegenteil, weil wir wollen, daß das Christentum sich in unserem Volke rein darstellt und daß es auch nicht


(Metzger)

mißbraucht wird, sei es politisch, sei es sonst in irgendeiner Weise. Darum geht es. Wir haben es von der Fraktion der SPD aus für richtig gehalten, das noch einmal deutlich herauszustellen, damit es endlich aufhört, daß man Vorurteile besitzt und daraus das Recht herleitet, sich Urteile zu bilden und damit Urteile über andere zu fällen, die ihnen Unrecht tun.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202205000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehlers.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0202205100
Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt keine Rede mehr halten, obwohl einige Ausführungen von Vorrednern, insbesondere auch das, was Herr Kollege Mende gesagt hat, Anlaß geben könnten, etwas Deutliches zu sagen. Es ist nötig, das an anderer Stelle zu tun. Ich habe den Eindruck, die Tatsache, daß die Familienprobleme durch den Antrag der CDU/CSU und durch die Verbindung mit den Ausführungen des Herrn Ministers Dr. Wuermeling in die Debatte hineingezogen worden sind, bietet keinen Anlaß, heute eine Debatte über Konfessionalismus und über Klerikalismus zu führen.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)

Ich habe den Vorzug, zusammen mit dem verehrten Kollegen Metzger in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zu sitzen, und es wäre zu dem, was da erklärt und im einzelnen erörtert worden ist, noch einiges zu sagen. Aber auch da bin ich der Meinung, daß das nicht das Thema und der Gegenstand der heutigen Debatte im Bundestag ist, und darum sollte hier darüber auch nicht geredet werden. Sie können sich aber darauf verlassen, daß zu dieser Frage in den nächsten Wochen in der Öffentlichkeit mit einiger Deutlichkeit gesprochen werden wird. Denn ich habe nicht die Absicht, widerspruchslos zuzulassen, daß unter der Firma „Kampf gegen Klerikalisierung und Konfessionalisierung" die Landtagswahlen dieses Jahres vorbereitet werden.

(Lebhafter anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0202205200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe daher die Debatte zu Punkt 1 a bis e der heutigen Tagesordnung.
Nach der Geschäftsordnung sind die Punkte a und b durch die Aussprache erledigt. Die Anträge unter c — Drucksache 349 —, d — Drucksache 380
— und e — Drucksache 381 — müssen zur Ausschußberatung überwiesen werden. Es ist vereinbart, den Antrag Drucksache 349 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — zu überweisen.

(Widerspruch. — Abg. D. Dr. Ehlers: Ausschuß für Presse, Rundfunk, Film! — Abg. Bausch: Ich bitte ums Wort!)

— Bitte? — Ich höre eben — das war mir nicht bekannt —, daß der Abgeordnete Muckermann Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — mitberatend — beantragt hat,

(Abg. Bausch: Ja!)

also umgekehrt, als ich es gesagt habe. Soll das für alle drei Anträge gelten?

(Abg. Bausch: Ja!)

— Gut! Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; es ist so beschlossen.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313),
ist abgesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 23. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. April 1954, 9 Uhr, und schließe die 22. Sitzung des Deutschen Bundestages.