Rede von
Heinz
Kühn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Sachdebatte nicht wieder aufgreifen. Mich ermuntern nur die Diskussionsdarlegungen des Herrn Familienministers zu einigen abschließenden Bemerkungen. Ihre Rede, Herr Familienminister, hat mich an ein Wort Bismarcks erinnert: „Ein Abgeordneter wird nicht ohne weiteres dadurch klüger und einsichtiger, daß er Minister wird".
Herr Minister, Sie haben anerkannt, daß meine
Diskussionsdarlegungen sachlich waren. Aber Sie
können durch diese Anerkennung nicht hineinschmuggeln, daß wir etwa Ihr Familienministerium anerkennen. In einer langen Rede, wie Sie sie in Düsseldorf gehalten haben, mußte schließlich auch einiges enthalten sein, was wir anerkennen und was wir bejahen.
Nun, Sie haben hier gestanden wie ein Unschuldsminister, der eigentlich nichts von allen Berichten auf sich genommen hat, die in der Presse gestanden haben. Die Presse hat nichts von dem richtig berichtet, w a s Sie gesagt haben, oder — besser formuliert — S i e haben nie gesagt, was in der Presse gestanden hat. Da ich nicht annehme, daß Sie künftig keine Reden mehr halten wollen, würde ich Ihnen empfehlen, daß Sie als erste Maßnahme der Volkszensur dann wenigstens die Presse auffordern, über Ihre Reden keine Kommentare mehr zu bringen. Denn Sie wollen uns doch nicht hier darlegen, daß Journalisten vom Range eines Friedländer, der immerhin das besondere Vertrauen des Bundeskanzlers genießt,
Walter Dirks, die „Gegenwart" und viele sehr seriöse Zeitschriften Sie im Wortlaut derart mißverstanden haben sollten, daß eine so unkorrekte Darstellung zustande gekommen wäre!
Aber, Herr Familienminister, was mich an Ihrer Rede besonders beeindruckt hat, war doch der rein theatralisch nicht immer mißlungene Versuch, einer sachlichen Debatte der Vorwürfe hier auszuweichen.
Sie haben in aller Form erklärt, daß Sie es ablehnen würden, hier den Begriff der „Volkszensur" zu interpretieren.
Sie haben statt dessen das böse Wort „Hetze" ausgesprochen. Ich habe daraus nicht genau gehört, daß Sie dies auf uns bezogen haben. Ich glaube, das Stenogramm sagt, daß dies nicht der Fall ist.
Herr Minister, wir hätten aber gerne einiges von Ihnen darüber gehört, was Sie als „staatspolitische Bürgschaftsbedingung" ansehen und was Sie sich nun konkret unter der „Volkszensur" vorstellen. Sie haben nicht dementiert, daß Sie damals jenes Telegramm an den Initiator der Stinkbombenaktion in Düsseldorf gerichtet haben, und das Stenogramm weist aus, daß Ihre Fraktion bei dieser Feststellung sogar „Bravo" gerufen hat.
Zur besseren Information der offensichtlich schlecht informierten CDU-Fraktion dieses Hauses möchte ich Sie darauf aufmerksam machen,
daß die CDU-Regierung des Landes NordrheinWestfalen beim Bundesgericht gegen das freisprechende Urteil im Falle dieses Pfarrers Revision eingelegt hat
und daß das Bundesgericht dieser Eingabe auch stattgegeben hat.
Statt auf diese sachlichen Probleme einzugehen, hat der Herr Minister hier den Weg der Verniedlichung gewählt. Er hat von einer „ehrlichen Aussprache" gesprochen. Aber ich glaube, die Vorbedingung, die erste Etappe dazu wäre eine offene Aussprache und damit ein klares Darlegen dessen, was er will. Statt dessen ist er ins Theater geflüchtet. Er hat „Don Carlos" ausgeschlachtet.
Nun, ich erlaube mir, ihm für die nächste Auseinandersetzung vielleicht die „Jungfrau von Orleans" vorzuschlagen,
weil sie ressortmäßig mehr zu seinem Ministerium, gehört.
Oder vielleicht empfiehlt sich Molières „Tartuffe"? Die Weltliteratur ist ja umfassend und weit.
Über die S a c he werden wir im Ausschuß weiter diskutieren, und wenn die Materie aus dem Ausschuß kommt, werden wir Gelegenheit haben, dies hier wiederum zu tun.
Herr Minister, zum Schluß ein Kompliment. Sie haben mit Ihren Reden in der Öffentlichkeit zu einer leidenschaftlichen Diskussion beigetragen. Das war gut, selbst wenn die Rede schlecht war.
Wenn ich so auf die Ministerbank schaue, werde ich an ein Wort von Ludwig Börne erinnert: „In einem Kübel Langeweile ein Tröpfchen Zeitvertreib".
Sie versuchen, die Personifizierung dieses „Tröpfchens" darzustellen, und auch das ist gut. Wir wollen keine Debatten der schläfrigen Leidenschaftslosigkeit. Herr Minister, wenn Sie den Kampf wollen, werden wir Ihnen immer mit der nötigen Bravour gegenüberstehen. Aber wir bitten
Sie um eines: Wählen Sie dann die sachliche Offenheit und nicht die Desertion in die theatralische Rezitation!