Rede:
ID0202201300

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2022

  • date_rangeDatum: 2. April 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. April 1954 747 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. April 1954. Geschäftliche Mitteilungen 747 C Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Schroeder (Berlin) 747 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Äußerungen des Bundesministers Dr. Wuermeling über das Filmwesen (Drucksache 234) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ehemaliges reichseigenes Filmvermögen (Drucksache 250), mit der B) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesbürgschaft für Filmvorhaben (Drucksache 349), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Koordinierung der Filmpolitik des Bundes und der Länder in bezug auf Steuererleichterungen (Drucksache 380) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion (Drucksache 381) 747 D Paul (SPD), Anfragender 748 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 751 A, 781 C Kalbitzer (SPD), Anfragender . . . 751 D, 770 B, C, D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft 754 B, 759 A Muckermann (CDU/CSU), Antragsteller 756 A Kühn (Köln) (SPD) 759 B, 787 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 764 B, 766 A, 768 C, 789 C Jacobs (SPD) 766 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 768 C Bausch (CDU/CSU) 769 B, 770 C, D Dr. Mende (FDP) 775 C Kemmer (Bamberg) (CDU/CSU) . . 781 D Gräfin Finckenstein (GB/ BHE) . . . 785 A Becker (Hamburg) (DP) 785 C Dr. Strosche (GB/ BHE) 788 A Metzger (SPD) 790 A, 791 A Dr. Mommer (SPD) 791 A D. Dr. Ehlers (CDU/CSU) 792 A Überweisung der Anträge Drucksachen 349, 380, 381 an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 792 C Absetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313) von der Tagesordnung 785 C, 792 C Nächste Sitzung 792 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Heinz Kühn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Luther hat einmal von Erasmus gesagt, er wolle „allenthalben auf Eiern laufen, ohne eines zu zertreten". Nun, man scheint mit uns auch in der CDU-Fraktion und auch in der Regierung der Erkenntnis zu sein, daß der Herr Bundesfamilienminister den Ehrgeiz hat, in seinen Reden das Gegenteil zu tun, keines unzertreten zu lassen. So haben wir denn heute morgen in der Presse zur Kenntnis nehmen müssen, daß nicht der Herr Familienminister unsere Anfrage beantwortet, wie es nach den Nachrichten, die wir selbst von Kollegen der CDU-Fraktion bekommen hatten, vorgesehen war und wie es der Mitteilung entsprach, daß der Herr Bundesfamilienminister bereits einen Antwortentwurf dem Herrn Bundeskanzler vorgelegt habe, der von diesem gebilligt worden sei.
    Wir haben dafür den Herrn Innenminister gehört, — nun, das beruhigt uns nicht! Wir werden nicht darauf verzichten, auch den Herrn Familienminister hier in einer persönlichen Interpretation der Begriffe zu hören, die er in die öffentliche Debatte getragen hat,

    (Zurufe von der Mitte)

    z. B. des Begriffs der Volkszensur, die er draußen in seinen Reden keineswegs so interpretiert hat,
    wie es in den Beschwichtigungsformulierungen des Herrn Bundesinnenministers hier zum Ausdruck gekommen ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir wünschen auch eine persönliche Interpretation des Herrn Familienministers in bezug auf das, was er sich vorgestellt hat, als er staatspolitische Gesichtspunkte bei der Vergabe der Filmbürgschaften gefordert hat. Ich werde in meinen Ausführungen den Herrn Familienminister — wenn er auch noch nicht gesprochen hat — apostrophieren müssen und tue das in der sicheren Erwartung und Hoffnung, daß er hier das Wort ergreifen wird.
    Sie haben, Herr Familienminister, in Ihren Reden draußen im Lande nicht sehr viel Klugheit und Einsicht bewiesen, wenn Sie im diametralen Gegensatz zu dem, was man unter Klugheit und Einsicht versteht, Formulierungen und Beschuldigungen gefunden haben, die jeder Grundlage entbehren. Wir haben mit einigem Erstaunen in einer Zeitung gelesen — es war, wenn ich mich recht entsinne, die „Abendpost" —, daß Sie es richtig fanden, dort ein Interview zu geben, in dem Sie ,erklärt haben, die Sozialdemokratische Partei wolle sich offenbar zum Gralshüter unsittlicher Dinge machen.

    (Lachen und Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie haben in einer anderen Rede — ich glaube, es war Ihre Heidelberger Rede — Herrn Reinhold Maier — dem Stuttgarter Muß-Koalitionisten Ihrer Bonner Koalition —

    (Heiterkeit)

    einen Vorwurf gemacht, indem Sie ihm etwa — in einer wenig fairen Formulierung -- die Frage als rhetorische Frage vorlegten, aber doch mit dem Unterton, daß Sie es ihm zutrauen, ob er etwa befürworten wolle, daß „jeder seine in Ehren ergraute Ehefrau mit staatlicher Legalisierung fortjagen könne". Nun, das ist — gestatten Sie mir, daß der Namen des Herrn Bundesfamilienministers in mir diese Assoziation wachruft — eine etwas wurmstichige Argumentation.

    (Heiterkeit.)

    Sie ist weder moralisch schöner noch sachlich richtiger als gewisse Wahldokumente, mit denen gewisse Parteien vor dem 6. September gegen uns in den Kampf gezogen sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun lassen Sie mich ein Wort zu dem eigentlichen Ressort des Herrn Bundesfamilienministers sagen, zur Auffassung über Familie und Ehe. Auch für uns wie für jeden in diesem Hause ist die Ehe eine menschliche Gemeinschaft von höchstem sittlichem Rang. Das ist sie für uns ebenso wie für den Herrn Familienminister. Es gibt in unseren Reihen, in der Sozialdemokratischen Partei Hunderttausende Menschen, die aus ihrem katholischen Glauben die Ehe als ein Sakrament achten und als ein Sakrament führen. Es gibt bei uns wie bei Ihnen, meine Herren von den Koalitionsparteien und insbesondere — im Zusammenhang mit dieser Debatte — bei Ihnen von der CDU, Hunderttausende Menschen, für die die Ehe zwar nicht ein Sakrament ist, für die sie aber doch eine menschliche Gemeinschaft höchsten Rangs und höchsten sittlichen Wertes ist. Bei uns wie bei Ihnen! Und es gibt bei uns wie bei Ihnen etliche, die der Ehe nicht den gebotenen Respekt entgegenbringen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)



    (Kühn [Köln])

    Aber kollektive Urteile daraus abzuleiten, ist das verfehlteste, was man tun könnte. Hüten wir uns vor allen kollektiven Beurteilungen, wie sie im Zusammenhang mit dieser Debatte auch an einer anderen Stelle vorgekommen sind.
    Ich habe im „Echo der Zeit", der unter dem Patronat der deutschen Bischöfe herausgegebenen katholischen Wochenzeitung, einen Artikel abgedruckt gefunden, der auch in anderen Zeitungen erschienen ist und der den ehemals zur obersten Hitlerjugendführung gehörenden Herrn Günther Kaufmann zum Verfasser hat. Dieser Artikel wird dort im „Echo der Zeit" ohne einschränkenden Kommentar und damit wohl in etwa zustimmend wiedergegeben. Er behandelt die Stellung der Mitglieder dieses Hauses zum Bundesfamilienministerium. Darin heißt es wörtlich:
    Der Konflikt in Bonn sitzt tief, er geht quer durch die Parteien. Banaler gesprochen: alles, was sich in Bonn eine Freundin hält und seine Ehefrau irgendwo anders sitzen hat, zählt zur Opposition.

    (Hört! Hört! und Pfui-Rufe von der SPD.)

    Nun, ich kenne entschiedene Gegner des Bundesfamilienministeriums, die ihre Frau in oder bei Bonn haben und keine Freundin besitzen; und ich kenne sehr lautstarke Befürworter, die ihre Frau sehr weit weg und sogar mehr als eine Freundin haben.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Hüten wir uns doch vor diesen kollektiven Beurteilungen und Diffamationen.
    Wenn Sie aber schon gewisse Schwerpunktbeurteilungen in der Frage der Einschätzung der
    Ehe wünschen, dann empfehle ich Ihnen die aufmerksame Lektüre der soziologischen Analysen und und Untersuchungen, die seit 1945 in großer Zahl angestellt worden sind. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, daß gerade die Arbeiterehen in Deutschland ein ungewöhnlich stärkeres Maß an Stabilität und innerer Gesichertheit aufweisen und daß die soziologischen Schwerpunkte für die gesellschaftlichen Dekadenzerscheinungen unserer Zeit, die der Herr Familienminister, Sie, meine Herren von der Koalition, und wir von der Opposition in gleichem Maße bedauern, am stärksten dort in Erscheinung treten, wo nicht wir unsere politische Hausmacht haben.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU: Wo denn?)

    Wir wollen die Diskussion auf einer hohen Ebene führen,

    (Zuruf von der CDU: Na, na!)

    und ich will Ihnen, Herr Familienminister, zubilligen, daß Sie in Ihren Reden draußen im Lande ein sehr ernstes Problem angesprochen haben, wenn auch mit durchaus ungeeigneten und, wie ich hinzufügen möchte, verhängnisvollen Vorschlägen. Sie wollen, wie uns scheint, falsche Werkzeuge an einem richtigen Punkte ansetzen, und ich bin bei der Lektüre Ihrer Reden an ein englisches Sprichwort erinnert worden, in dem es heißt: „Oft ist der Arzt gefährlicher als die Krankheit!"

    (Beifall bei der SPD.)

    Gewiß, es gibt gefährdete Ehen. Sie und wir, wiederum alle Parteien und alle Menschen, die in diesem Hause zur politischen Arbeit zusammengekommen sind, wollen die Familie gesunden lassen und wollen die Ehe festigen. Aber das kann man nicht, meine Herren, und ich sage das bewußt an die Adresse des Herrn Familienministers, indem man danach schnüffelt, ob die mit Scheidungsprozessen befaßten Richter ihren Amtseid mit der religiösen Formel geleistet haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Festigung der Ehe kann man auch nicht erreichen, indem man sie in stärkere Gesetzesfesseln kleidet. Und dieses Ziel erreicht man zum dritten auch nicht, indem man Filme zensiert.

    (Zuruf von der CDU: Na, na!)

    — Ich werde auf dieses Thema noch ausführlicher zu sprechen kommen.
    Die Familiengefährdung ist eine soziale Realität. Sie ist das Erbe einer geistigen Dekomposition und einer materiellen Zerrüttung, deren Verursacher Sie nicht in unseren Reihen suchen werden. Nationalsozialismus und Krieg haben das Problem einer Million von Kriegerwitwen, das Problem des Kriegsgefangenen- und Flüchtlingsschicksals geschaffen. Alles das spielt hier hinein und alles das fordert eine ernste Beurteilung und Untersuchung. Aber diese sozialen Realitäten ändert man nicht durch eine moralisierende Propaganda oder durch staatspolitische oder sonstige Zensur.

    (Beifall bei der SPD.)

    Eine sozialere Ordnung ist hier wichtiger als jede moralische Predigt, und ich möchte hinzufügen, meine Damen und Herren: ressortmäßig scheint mir in dieser Frage Herr Schäffer zuständiger zu sein als Herr Wuermeling.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, es gibt auch schlechte Filme. Sie und wir wollen den deutschen Film bessern. Dabei zögere ich: die deutschen Filme, sind sie alle miteinander schlecht? Ich glaube, auch hier sollten wir uns davor hüten, zu generalisieren. Ich anerkenne, daß der Herr Familienminister bereits in seiner Düsseldorfer Rede, ich glaube, an insgesamt drei Stellen darauf hingewiesen hat, daß in neuerer Zeit auch Filme gedreht worden sind, die, wie ich annehme, seinen Beifall finden und die er als bessere Filme bezeichnet hat.
    Gewiß, es bleibt noch minderwertiges Zeug genug. Aber das war schon vor der Erfindung des Films so. Ich entsinne mich, daß Walter R a -t h e n a u einmal an einer Stelle geschrieben hat, daß die Hälfte der Arbeit der zivilisierten Welt der Erzeugung von Unrat diene und die Hälfte des Einkommens der Menschen in der zivilisierten Welt dazu diene, diesen Unrat zu bezahlen!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na also!)

    Nun bin ich nicht so skeptisch, anzunehmen, daß der Unrat ein solches Quantum an menschlicher Produktion umfaßt, es sei denn, daß man hier vom Kriminalschmöker über den Sexualschmöker bis zur Atombombe zusammenfaßt.
    Ich bin übrigens -- wenn ich das hier einschränkend oder verdeutlichend sagen darf — davon überzeugt, Herr Familienminister, daß Sie und wir nicht in jedem Falle darüber einig sind, was unter „besseren Filmen" zu verstehen ist, und darüber, was man als „minderwertiges Zeug" zu bezeichnen hat. Auf jeden Fall aber anerkenne ich auch an dieser Stelle dankbar, daß der Herr Familienminister mit uns in einer Frage einig ist: in der Ablehnung der


    (Kühn [Köln])

    sozialen Milieu-Unwahrhaftigkeit vieler Filme, der
    Verniedlichung und Verkitschung der sozialen
    Probleme, dieser ganzen verlogenen Traumfabrik,

    (Abg. Kemmer [Bamberg]: Sehr richtig!) die so viele Filme umfaßt.


    (Zustimmung bei der SPD.)

    Aber dazu hätten wir nicht eines Bundesfamilienministers bedurft.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Das war nicht eine familienministerielle Erkennnis. Wenn der Herr Familienminister für seine Reden da noch zusätzliches Material braucht, darf ich ihn auf ein bedeutendes Buch aufmerksam machen, das der Sozialist Hendrik de Man vor 1933 unter dem Titel „Die sozialistische Idee" hat erscheinen lassen und in dem er in einem besonderen Kapitel, ausgehend von der Vorstellung, daß jedes Volk vorgelebten Lebensformen nachlebt, sagt, daß es eine gefährliche Neigung der Menschen von heute sei, ihre Vorbilder, ihre Lebensvorbilder von der Filmleinwand zu beziehen. Diese Tatsache verpflichtet uns selbstverständlich alle miteinander, dem Problem des Films eine besondere Beachtung zu schenken.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Aber diese Traumfabrik mit ihren oftmals gefährlichen Tendenzen, meine Damen und Herren, ändern Sie nicht, indem Sie auf dem Wege über die Zensur, sagen wir einmal, gelegentlich einige Bekleidungsreguisiten hinzufügen oder auch ab und an einmal einen Heiligenschein.
    Sie haben sich andeutungsweise in Reden auch gegen die staatliche Zensur ausgesprochen, und der Herr Bundesinnenminister hat heute hier — ich zögere, zu sagen, mit aller Deutlichkeit, aber doch immerhin verbal — zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung keine Zensur beabsichtigt. Aber Minister pflegen ja häufig die Sprache ebenso zu benutzen, wie man es den Diplomaten nachsagt:

    (Sehr gut! bei der SPD)

    weniger zur Verdeutlichung als zur Verbergung ihrer eigentlichen Absichten; bei manchen Reden des Herrn Familienministers habe ich sehr deutlich dieses Gefühl gehabt.
    Alle drei Interpellationen, die die sozialdemokratische Fraktion heute hier vorgelegt hat, wollen die Regierung vor die Notwendigkeit stellen, ihre Absichten in aller Deutlichkeit zu dekuvrieren, ihre Absichten, von denen wir befürchten, daß sie auf einen gemeinsamen Mittelpunkt schließen lassen: wenn nicht die Auslieferung der entscheidenden Meinungsbildungsmittel in die Hand der Regierung, so doch die Unterwerfung dieser Meinungsbildungsmittel unter die Absichten der Regierung. Das eine wäre nicht viel weniger gefährlich als das andere.

    (Oho-Rufe und Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

    Es ist das Verdienst — das für uns nicht anerkennenswerte Verdienst — des Herrn Familienministers, daß er gewisse Zensurabsichten, nun, sagen wir: mit dem Feigenblatt der Moral umkleidet. Der Herr Familienminister hat die sehr verdächtige Vokabel der Volkszensur geprägt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich weiß ganz genau, meine Damen und Herren
    von der CDU, daß auch in Ihren Kreisen sehr viele
    Kollegen sind, die das für eine sehr gefährliche Formulierung halten. Die verbale, die wörtliche Demokratisierung undemokratischer Regierungsabsichten ist zur großen Mode unserer Zeit geworden. So sind wir bereits vom „Volksempfinden" über die „Volksdemokratie" nun auf dem Wege zur „Volkszensur".

    (Beifall bei der SPD.)

    Was haben wir darunter zu verstehen, und was verstehen Sie darunter, Herr Familienminister? Wir wünschen da eine ganz klare und genau so offenherzige Meinungsäußerung von Ihnen hier, wie Sie sie draußen im Lande vorgetragen haben. Der Herr Innenminister Schröder hat aus seinem Ressort mit weißer Salbe gesprochen. Ich erwarte von dem Herrn Bundesfamilienminister bei seinem bekannten Temperament ein größeres Maß an Offenherzigkeit, so wie er es draußen im Lande beweist.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich kenne einen konkreten Modellfall dieser Volkszensur, und ich kenne eine theoretische Erklärung des Herrn Familienministers darüber, was er unter Volkszensur versteht. Das erste, der konkrete Modellfall, war die Aktion eines Pfarrers in Düsseldorf, des Pfarrers Klinkhammer, mit einem Aufgebot an Stinkbomben gegen den übrigens keineswegs sehr hervorragenden Film „Die Sünderin". Wir wollen hier nicht über den Film „Die Sünderin" eine Debatte herbeiführen, obschon dies ein sehr munterer Gegenstand wäre.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Wir wollen uns darüber klar sein: Dieser Film ist zwar in keiner Weise das, was man daraus zu machen versucht hat, aber er ist auch keineswegs ein Produkt hervorragender Filmproduktion gewesen.
    Ich möchte nicht mißverstanden werden, wenn ich hier das Beispiel dieses Pfarrers herbeizitiere. Wir bestreiten der Kirche keineswegs das Recht, ihr Wort der Belehrung und ihr Wort der Beurteilung zu jedem Film zu sagen. Ich glaube, es ist sogar die Pflicht der Kirche, dies zu tun. Aber es ist etwas anderes, ob der Geistliche von der Kanzel, seinem hohen Amte verpflichtet, eine Beurteilung und eine Mahnung ausspricht, oder ob er mit Stinkbomben und einer Art von Rollkommando als Instrumentarium der Volkszensur in die Lichtspieltheater zieht,

    (Beifall bei der SPD)

    oder gar, wie wir das auch erlebt haben, durch Mobilisierung von Schulkindern eine Art modernen Kinderkreuzzugs zur Wiederherstellung der deutschen Frauenehre organisiert,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    diesmal nicht etwa, um das Heilige Land zurückzuerobern, sondern, wie wir es bei dem Film „Die Sünderin" erlebt haben, um die unheilige Sünderin von der Filmleinwand zu verbannen.

    (Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

    Warum bringe ich den Herrn Familienminister mit diesem Ereignis in Verbindung? Deshalb, weil er es gewesen ist, der nach vorliegenden Pressemeldungen damals Herrn Pfarrer Klinkhammer ein Glückwunschtelegramm zu schicken für gut befunden hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Bravo! bei der CDU/CSU.)



    (Kühn [Köln])

    Das ist etwas anderes, meine Damen und Herren, als die Definition, die der Herr Bundesinnenminister uns hier vorgetragen hat,

    (Zustimmung bei der SPD)

    daß nämlich das Volk aufgerufen werden könne, solchen Filmen „mit Kritik zu begegnen". Recht und Pflicht eines jeden Menschen, der einen unsittlichen Film sieht, ist es, nicht nur seine Familie davor zu bewahren, sondern auch durch ein Urteil über einen solchen Film möglichst zu verhindern, daß andere hingehen. Die Diskussion ging also nicht darum, ob solchen Filmen mit Kritik zu begegnen sei, sondern sie ging um jene fragwürdigen Interpretationen des fragwürdigen Begriffs "Volkszensur", die uns hier sehr deutlich manifestiert worden sind, und der Herr Familienminister hat, wie ich glaube, mit seinem Telegramm ziemlich deutlich gemacht, welche Maßnahmen er für Aktionen der Volkszensur hält.

    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

    Nun ein Wort am Rande. Zu Aktionen der Volkszensur ist überhaupt zu sagen, daß sie normalerweise das Gegenteil dessen erreichen, was die Initiatoren beabsichtigen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Hier haben wir ja in der jüngsten Zeit ein Erlebnis als Folge zwar nicht der Volks-, sondern diesmal der Staatszensur, nämlich angesichts des Films „Bis 5 Minuten nach 12",

    (Sehr gut! bei der SPD)

    wo die Verbotsbegründung des Herrn Innenministers nicht übermäßig wahrhaftig war, indem es nämlich hieß, er sei zu wenig anti-nazi. Wahrhaftiger wäre wahrscheinlich die Begründung gewesen, er wirke wehrkraftzersetzend. Nicht zu wenig anti-nazi, sondern zu viel anti-EVG war dieser Film offensichtlich!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Aber die Maßnahme der Staatszensur hat sich doch für diesen sehr fragwürdigen Film als Reklame ausgewirkt; „fragwürdigen Film" deshalb, weil viele ihn sich ja sonst doch nur angeschaut hätten, weil sie glaubten, daß ihnen hier das Negligé von Eva Braun in Aussicht stehe.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Nun, bei Maßnahmen der Volkszensur à la Klinkhammer ist das ganze Problem noch sehr viel fragwürdiger. Wir haben bei uns in Köln beispielsweise erlebt, daß ein Filmtheater auf Grund" dieses Reklamerummels Vormittagsveranstaltungen für die Landwirte einlegen mußte, die ihr Gemüse auf den Markt nach Köln gebracht hatten.

    (Große Heiterkeit bei der SPD.)

    Solche Methoden der Volkszensur können viel eher als Lasterpropaganda wirken — und sie tun es —, selbst wenn sie von den Initiatoren nicht so beabsichtigt sein sollten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das hat schon der alte Voltaire erkannt, als man ihm sagte: „Eines Ihrer Bücher ist zum Verbranntwerden bestimmt!" Darauf antwortete er: „Ausgezeichnet! Bücher sind wie Kastanien: wenn man sie röstet, gehen sie besser!"

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich habe gesagt, es gibt auch eine theoretische Erläuterung dessen, was der Herr Familienminister offensichtlich unter „Volkszensur" versteht. Nach Pressemeldungen vom 8. Februar hat 4r auf einer Tagung der Katholischen Aktion der Diözese Augsburg gesagt, wenn von zwei Schauspielern in letzter Zeit erklärt worden sei, sie würden heiraten, sobald sie frei seien, so gehöre dies ins stille Kämmerlein; wenn es aber in die Welt hinausposaunt werde, sei das Familienministerium dazu da, dagegen Stellung zu nehmen und das Volk aufzufordern, Filme solcher Schauspieler zu meiden.

    (Lachen bei der SPD.)

    Das ist noch nicht alles. Diese Erklärung haben wir meines Erachtens zu sehen — und erst dadurch gewinnt sie ihr volles Gewicht — in Verbindung mit den Bürgschaftsrichtlinien,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    wo es nämlich heißt, daß Bundesbürgschaften nicht übernommen werden sollen, wenn als Hauptdarsteller Personen vorgesehen sind, gegen deren Mitwirkung schwere begründete Bedenken bestehen.

    (Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Wie sieht das aus? In der Filmbürgschaftsgesellschaft entscheidet über die Gewährung der Filmbürgschaften der aus sieben Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat, in dem das Ministerium für Wirtschaft, das Ministerium für Finanzen, das Ministerium des Innern und das Bundespresse- und Informationsamt vertreten sind. Es ist, glaube ich, eine gar nicht so gewagte Prophetie, wenn ich sage, daß der Herr Bundesfamilienminister den naheliegenden Ehrgeiz hat, in dieser Institution bald nicht nur vertreten, sondern f e de r f ü hr e n d vertreten zu sein. Bei der Protektion, die er bei dem die Richtlinien des Kabinetts bestimmenden Herrn Bundeskanzler hat, können wir, glaube ich, ohne weiteres voraussehen, daß bald die Maximen des Familienministers in dieser Filmbürgschaftsgesellschaft die entscheidenden, die tragenden, die bestimmenden sein werden. Es wird also danach in Zukunft unter Umständen schon genügen, daß ein geschiedener oder in Scheidung befindlicher Schauspieler, der die Absicht seiner Wiederverheiratung in der Presse ankündigt, falls er in einem Film als Hauptfigur mitwirkt, die Bürgschaft für diesen Film verhindert. Meine Damen und Herren, angesichts dieser Tatsache, muß ich sagen, scheint mir der selige Metternich geradezu ein liberalistischer Freiheitsfanatiker gewesen zu sein.

    (Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Gewiß, hier liegt ein ernstes Problem vor. Ich glaube, es. ist eine Frage des guten Geschmacks, Publizistik mit privatesten Privatangelegenheiten zu betreiben, und ich würde dem Herrn Bundesfamilienminister in vollem Umfang folgen, wenn er sagte, es sei weitgehend geschmacklos, was heute viele Filmschauspieler tun, indem sie ihre ureigensten Privatangelegenheiten zum Gegenstand eines Propagandarummels machen. Aber diese Beurteilung vom Standpunkt des Geschmacks, diese menschliche Beurteilung des Verhaltens kann doch nicht entscheidend sein für die Gewährung der Filmbürgschaft, die doch allein vom Gegenstand des Films, aber nicht von dem Privatleben des Schauspielers abzuleiten ist.


    (Kühn [Köln])

    Das Familienministerium fühlt sich offensichtlich als eine Sorte von kommendem Propagandaministerium, und ich bin fast geneigt, dem Herrn Familienminister ein Motto für seinen am Ende der Kabinettstätigkeit vorzulegenden Rechenschaftsbericht zu geben; ich würde vorschlagen, etwa „Vom Promi zum Fami".

    (Schallende Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Familienminister hat wortwörtlich gesagt — und dazu wünschen wir von ihm eine Erklärung —: Bürgschaften sollen nach staatspolitischen Gesichtspunkten erteilt werden. Lassen Sie mich hier ein sehr, sehr ernstes Bedenken anmelden. Ich glaube, daß wir damit jede Hoffnung auf die Qualitätssteigerung des deutschen Films zu Grabe tragen müssen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die finanzielle Bürgschaft des Bundes von den Maximen des Herrn Familienministers abhängig zu machen, würde doch bedeuten, daß keine Bürgschaft für die meisten großen Spitzenfilme der Weltproduktion in Deutschland gegeben worden
    wäre. Sie werden doch nicht behaupaten wollen
    daß der Film „Verdammt in alle Ewigkeit", gegen den Herr Staatssekretär Strauß schon zu Felde gezogen ist, von Herrn Bundesfamilienminister Wuermeling eine Bürgschaft bekommen hätte. Ich will nicht reden über „Moulin Rouge", über „Lohn der Angst", vom „Bitteren Reis" ganz zu schweigen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich glaube, nicht einmal „Don Camillo und Pep-pone" hätten unter diesem Gesichtspunkt eine Bürgschaft erhalten.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wie wollen Sie auf diese Art den Weltmarkt für die deutsche Filmproduktion zurückerobern? Wie wollen Sie Künstler und Drehbuchautoren zu Spitzenleistungen ermuntern? Es ist doch eine bekannte Tatsache, daß künstlerische Spitzenproduktionen und hervorragende, über das Durchschnittsniveau hinausgehende Leistungen nur zustande kommen, wenn der Künstler sich in innerer Freiheit vom Stoff und vom Thema her mit Problemhaftem beschäftigen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Noch einmal — und wir wollen in keiner Weise mißverstanden werden —: Wir wollen keinen Unrat und wir wollen keinen Schund. Aber dafür brauchen wir den gefährlichen Schritt von der freiwilligen Selbstkontrolle zur staatlichen Zensur keineswegs zu tun, meine Damen und Herren!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tut doch niemand! — Abg. Lücke: Lauter Unterstellungen! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Bitte, ich will auf Ihren Antrag eingehen. Sie beantragen in der entsprechenden Drucksache 381 nicht etwa die staatliche Zensur.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

    Aber sie liegt doch im Tenor Ihres Antrags. Sie beantragen, daß der deutsche Film von den Bürgschaften frei gemacht wird, daß er durch private Finanzierung auf dem freien Kapitalmarkt wirtschaftlich getragen wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na also! — Was Sie sagen!)

    — Bitte, dann füge ich an, was der Herr Familienminister sagt, der doch erklärt: Es muß auf jeden Fall vermieden werden, daß es Filme gibt, die dieses oder jenes propagieren und tun. Hier kommt der große Ermessensraum der Geschmacksdefinition. Meine Damen und Herren, wenn Ihr Antrag durchgeht, wenn die deutsche Filmwirtschaft so gestellt ist, daß sie also nicht mehr finanzielle Unterstützung auf dem Wege der Bürgschaft bekommt, wenn Sie also nicht mehr die Methode der finanziellen Dirigierung praktizieren können, um eine bestimmte Sorte von Filmen zu verhindern, dann müssen Sie doch zur bürokratischen Zensurierung kommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihre Unterstellung! — Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ja, oder Sie bleiben bei der Volkszensur und rufen die Leute zu Manifestationen auf, wie wir sie dort gesehen haben.
    Die freiwillige Selbstkontrolle sollte doch fürwahr auch Ihre Anerkennung finden. Der Herr Bundesinnenminister hat eben gesagt, daß es durchaus Urteile der freiwilligen Selbstkontrolle gibt, über die man geteilter Meinung sein kann.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

    Es gibt kaum je ein Urteil eines kollektiven Gremiums, über das die Auffassungen nicht auseinandergehen. Selbst ein einsames Urteil in einer Affäre unterliegt gewöhnlich dem Zweifel bei einem großen Teil von Leuten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es gibt kein Urteil, das allgemeinverbindlich ist. Aber die freiwillige Selbstkontrolle umfaßt die Vertreter des Bundes, die Vertreter der Länder, der Kirchen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Einen!)

    der Jugendorganisationen und der Filmwirtschaft.
    Sie werfen in die Debatte: „Einen!" Ich will dazu gern ein Wort sagen. Die katholische Kirche ist nie ungeschickt in ihrer Personalpolitik gewesen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das stellt man auch bei der freiwilligen Selbstkontrolle fest. Einer der Ländervertreter zumindest, der Vertreter von Rheinland-Pfalz, ist der katholische Theologieprofessor Dr. Schmidt, und ich habe mir sagen lassen, daß auch ein weiterer Herr, der via Jugendvertretung in diese Filmselbstkontrolle gekommen ist, der Schriftleiter des „Katholischen Filmdienstes" ist. Ich glaube, man kann doch hier den kirchlichen Einfluß nicht allein darin manifestiert sehen, wieviel Geistliche in einer Institution sitzen. Die katholische Kirche hat ja durchaus auch andere Möglichkeiten der Einflußnahme. Es zeigt sich sehr deutlich, daß sie auch über andere Institutionen ihren Einfluß noch hat verbreitern können. Ich stelle das ohne jede Kritik nur auf den Zwischenruf hin fest, es sitze nur ein kirchlicher Vertreter darin. Entscheidend ist ja gar nicht die Forderung nach der Zahl der dort vorhandenen Vertreter, sondern bei dem Herrn Familienminister — hier muß ich wiederum an seine erklärten Absichten erinnern — läuft es doch darauf hinaus, daß er die Unterwerfung unter die kirchlichen Zensurbestimmungen bzw. unter die kirchliche Beurteilung in der deutschen Filmproduktion erwartet.

    (Abg. Dr. Krone: Lieber Himmel! — Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)



    (Kühn [Köln])

    — Nein, das ist gar nicht unerhört, meine Damen und Herren;

    (erneute Zurufe von der Mitte)

    denn in seiner Frankfurter Rede hat der Herr Bundesfamilienminister erklärt, daß die Maßnahmen der Filmselbstkontrolle der Kritik deshalb unterzogen werden müßten, weil sie nicht den kirchlichen Urteilen entsprächen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das zeigt doch in hinreichender Deutlichkeit, in welcher Richtung die Tendenz bei dem Herrn Familienminister geht.

    (Abg. Sabel: Das stimmt ja gar nicht! — Anhaltende Gegenrufe von der Mitte.)

    Wir haben an einer anderen Stelle gesehen, daß Herr Direktor Kochs, der Vertreter der Katholischen Kirche für Filmangelegenheiten, sogar Steuerermäßigungen für die Filme gefordert hat, von denen er sagt: ,,... daß die Kirche sie besonders hervorheben" würde — heißt es wörtlich —, „selbst wenn sie in künstlerischer Hinsicht nicht voll gelungen sind".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren — ich möchte mit einem Wort abschließen, von dem ich hoffe, daß Sie es mit dem ganzen Gewicht aufnehmen, mit dem ich es ausspreche —, wir wollen keinen Kulturkampf. Kulturkampf wäre ein Verhängnis, wäre ein Verhängnis gerade heute, wo wir alle miteinander in der Verteidigung gegenüber totalitären Regungen in der Welt stehen, welche politische Farbe sie auch immer tragen mögen. Aber jeder, der die Freiheit nach außen sichern will, muß auch die
    Freiheit nach innen hundertprozentig respektieren und garantieren.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Deshalb wäre jeder Versuch einer Verkirchlichung unseres geistigen Lebens ebenso verhängnisvoll, wie es jeder Versuch einer antikirchlichen Freigeisterei wäre, die hoffentlich vergangenen Zeiten angehört.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Verteidigung der geistigen Freiheit in diesem Hause sollte in der Demokratie nicht Sache einer Partei sein. Das Anliegen aller muß es sein, die geistige Architektur des demokratischen Staates so weit zu gestalten, daß jeder im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung nach seinen geistigen Prinzipien sein Leben gestalten kann. Wenn aber, lassen Sie mich dies zum Abschluß mit allem Nachdruck sagen, eine Kraft — ob Partei oder Kirche, ob Regierung oder was auch immer — dies verhindern möchte, dann werden wir uns vor unserem Gewissen stets verpflichtet fühlen, als eine Schutzmacht der menschlichen Toleranz und der geistigen Freiheit vor Sie hinzutreten.

    (Lebhafter und langanhaltender Beifall bei der SPD.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen, der Bundesminister Wuermeling.

(Unruhe. — Zurufe von der SPD.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz-Josef Wuermeling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß einleitend sagen, daß ich mich schwierigeren Situationen gewachsen fühle als derjenigen,

    (Lachen bei der SPD)

    vor der ich dank der erheiternden Rede des Herrn Kollegen P a u 1 heute stehe.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : „Stolz lieb' ich mir den Spanier!" — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Wenn mir ein Kollege aus dem Plenum im Zusammenhang mit dieser Rede vorhin den Vorschlag gemacht hat, ich möchte den Herrn Kollegen Paul heute zum Mittagessen einladen, dann weiß ich noch nicht recht, ob ich eine solche Einladung aussprechen soll oder nicht. Aber diese Bemerkung zeigt, welchen Dienst mir Herr Kollege Paul mit seiner Rede erwiesen hat.

    (Abg. Dr. Greve: Vielleicht laden Sie Herrn Kühn ein! — Zuruf von der SPD: Sie kennen nicht die Grenzen des Zumutbaren!)

    Im übrigen, meine Damen und Herren, stelle ich mit Befriedigung fest, daß Herr Kollege Kuhn, der eine mehr ins Sachliche gehende Rede gehalten hat, auch manches Positive in meiner Düsseldorfer Filmrede entdeckt hat und sogar mehrfach gesagt hat, daß er dies oder jenes anerkennen müsse. Die Rede kann also wohl gar nicht so schlecht gewesen sein, wie manche das zu Beginn der Diskussion um diese Rede gerne wahrhaben wollten.

    (Zuruf von SPD: Das hat Ihnen geschmeichelt!)

    Im übrigen, meine Damen und Herren, habe ich mich auf die heutige Aussprache im Plenum genau so gefreut wie Sie. Es fragt sich nur, wer mehr Grund zu dieser Freude hat; denn Sie, meine Damen und Herren, haben das Pech, daß ich nie und nirgends das gesagt oder gefordert habe, was Sie gern möchten, daß ich es gesagt hätte, damit Sie mich angreifen können.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Die armen Pressestenographen!)

    Der Herr Kollege Paul he etwas humoristische Einlage gegeben. Er hat hier eine so einige Unterstellungen darüber gemacht, was ich mir unter notwendigem Inhalt eines Filmes vorstelle. Die Traumfabrik des Films, von der eben gesprochen wurde, scheint mir ein Waisenknabe gegen die Traumfabrik zu sein, die der Herr Kollege Paul eben von meinem Denken entwickelt hat.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, zur Feststellung dessen, was sich manche unter notwendigem Inhalt eines Filmes vorstellen, will ich Ihnen einmal einen Satz aus einer Zuschrift verlesen, die offenbar aus den Kreisen der Gefolgschaft meiner Gegner kommt. Vom Film wird hier gefordert — ich will jetzt nicht etwa die SPD damit identifizieren, das liegt mir fern —

    (Abg. Schoettle: Gut, daß Sie vorsichtig sind!)

    Vom Film muß verlangt werden, daß er in eindringlicher Form die männliche Dummheit und die angeborene Raffiniertheit der Frauen schildert. In jedem anderen Fall ist ein Film unzulänglich.

    (Zurufe von der SPD.)



    (Bundesminister Dr. Wuermeling)

    Man kann natürlich auch solche Anforderungen an einen Film stellen. Hier sind sie in Wirklichkeit gestellt. Für die Unterstellungen aber, die Sie mir gemacht haben, gibt es überhaupt keine Wirklichkeit.

    (Abg. Dr. Greve: Wo haben Sie das her, Herr Wuermeling? Wo steht das?) — Das kommt aus Leverkusen.


    (Zuruf von der SPD: Von Leverkusen ist schon mehr gekommen! — Abg. Dr. Greve: Leverkusen liegt doch im Rheinland, in der Nähe des Kölner Doms! — Weiterer Zuruf von der SPD: Da ist bestimmt der Wurm drin! — Heiterkeit links.)

    Nun, meine Damen und Herren, zu den Dingen, die hier behandelt wurden. Ganz weniges nur im einzelnen. In der Rede des Herrn Kollegen Paul wurde der Eindruck erweckt, als spräche ich in meinen Reden draußen im Lande von einem Versagen der deutschen Familie. Davon kann nicht im mindesten die Rede sein. Ganz im Gegenteil, ich habe mit Herrn Professor Schelsky, mit Herrn Landesbischof Lilje, der gerade zitiert wurde, und vielen anderen immer wieder herausgestellt, daß die deutsche Familie ihre ganz große Bewährungsprobe in der Zeit um 1945 wie überhaupt keine andere Institution unseres Gemeinschaftslebens bestanden habe.

    (Beifall in der Mitte.)

    Deswegen möchte ich hier in aller Form dagegen protestieren, daß der NWDR vorgestern morgen in seinen Frühmeldungen die Behauptung aufstellte, daß Herr Landesbischof Lilje „im Gegensatz zu mir", wovon Herr Landesbischof Lilje, wie ich von einem Teilnehmer weiß, überhaupt nichts gesagt hat, diesen Standpunkt vertreten habe.
    Dann wurde von dem Recht der Filmschaffenden auf ein Privatleben gesprochen. Meine Damen und Herren, wer spricht denn den Filmschaffenden das Recht auf ein Privatleben ab? Sie haben ja selber eine Stelle aus meiner Rede zitiert, in der ich das ganz ausdrücklich anerkannt habe. Ich habe lediglich einmal eine Äußerung getan, zu der ich stehe; ich habe auf die Tatsache hingewiesen, daß das Privatleben zahlreicher bedeutender Filmschauspieler von vielen Menschen in der Bundesrepublik als vorbildlich angesehen wird und daß diese Künstler deswegen ähnliche Verantwortungen tragen wie Politiker im öffentlichen Leben, die auch im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen.
    Was die Frage der sogenannten Volkszensur angeht, so werde ich mich nicht dazu verleiten lassen, hier irgendwelche Erklärungen abzugeben,

    (Aha-Rufe und Lachen bei der SPD)

    aus denen Sie nachher die Folgerung ziehen zu können glauben, ich hätte hier etwas anderes gesagt als die Bundesregierung.

    (Zuruf von der SPD: Streiten Sie Ihr Telegramm ab?)

    Bisher bin ich nämlich mit der Bundesregierung, wie Herr Bundesminister Schröder festgestellt hat, in dem, was ich will und wünsche, vollkommen einig. Deswegen genügt es vollkommen, daß die Erklärung der Bundesregierung hier abgegeben worden ist. Wenn man mir sagt, die Erklärung der Bundesregierung über den Ausdruck „Volkszensur" sei nicht deutlich genug, dann stelle ich fest,

    (Zurufe von der SPD: Ihr Telegramm! Ihr Telegramm!)


    (Lebhafte Zurufe links.)

    Im übrigen noch eins, meine Damen und Herren. Es ist selbstverständlich absolut unwahr, daß ich in Frankfurt etwa die kirchliche Filmbegutachtung zum Maßstab für die Gewährung von Filmbürgschaften habe machen wollen. Ich bin dort lediglich in der Diskussion gefragt worden,

    (Abg. Kühn [Köln]: Das haben Sie doch behauptet!)

    wie ich mich zur Selbstkontrolle stelle. Ich habe sie als gute Einrichtung bezeichnet und habe in anderem Zusammenhange u. a. nur die Tatsache erwähnt, daß die kirchlichen Beurteilungen vielfach abwichen von den Beurteilungen der Filmselbstkontrolle, ohne dabei aber irgendwie die mir unterstellte Forderung zu erheben. Das ist eben wie-. der eine dieser Entstellungen durch Leute, die ohne solche nicht auskommen können, weil sie mir nämlich sonst nichts anhängen können.

    (Abg. Pelster: Sehr gut! — Abg. Marx: Methode „Haltet den Dieb"!)

    Nun, meine Damen und Herren, noch eines in diesem Zusammenhang. Wenn diese Filmrede, die ich in Düsseldorf gehalten habe, in der Öffentlichkeit kritisiert wird, — nun, gerade heute morgen geht mir mit der Post wieder eine Stellungnahme zu, die aus evangelischen Kreisen kommt und die sich gerade sehr positiv zu dieser Rede stellt. Es sind die „Mitteilungen der Evangelischen Zentralbildkammer Witten" in der Korrespondenz „Film und Bild". Weil hier eine meines Erachtens so gute Auslegung gegeben ist, bitte ich, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wenige Zeilen daraus vortragen zu dürfen. Da heißt es:
    Die in den Ausführungen des Herrn Ministers enthaltenen Vorwürfe gelten so, wie wir es verstanden haben, nicht „der Filmindustrie", sondern denen, die dem Volk in ihren Produktionen Gangster, ladykiller, Mörder und erotische Superatombomben als die eigentlichen „Helden" des Lebens hinstellen und ihre Taten vom Ehebruch bis zum Selbstmord oder Mord als normale Erscheinungen des bürgerlichen Lebens. Diejenigen aber innerhalb der Filmwirtschaft, denen ein Dauerappell an die niederen Instinkte gerade recht ist, um damit Geld zu verdienen, die also augenscheinlich von den kulturellen Möglichkeiten ihrer Arbeit nichts wissen oder nichts wissen wollen, die sollten sich nicht nur von einem Minister, sondern auch von den vielen ernsthaften Mitarbeitern im Film getrost sagen lassen, daß es nicht zu verantworten ist, eine Filmwirtschaft zu konsolidieren, die sich trotz aller Mahnungen nicht scheut, mit der Vergiftung unserer Ehe- und Familienauffassung ein Geschäft zu machen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Kein vernünftiger Mensch wird von einem
    Staat verlangen, daß er die Steuergroschen
    seiner Bürger für Filme hergibt, die mit dazu


    (Bundesminister Dr. Wuermeling)

    beitragen, sein Fundament, nämlich die Familie, zu zerstören, und das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit hat ganz besonderes Verständnis gerade dafür.

    (Beifall in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich habe dem nichts hinzuzufügen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Denn das ist ganz genau das, was ich neben der Anerkennung der guten Filme in meiner Düsseldorfer Rede gesagt habe. Wenn mir also hier alles mögliche unterstellt wird, so rennen meine Gegner insofern offene Türen ein, als sie eben das Pech haben, daß ich nirgends und nie das gesagt habe, was sie möchten, daß ich es gesagt hätte.

    (Zuruf von der SPD: Haben Sie den Ausdruck „Volkszensur" gebraucht?)