Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da heute eine Generaldebatte über den deutschen Film hier stattfindet, muß ein Wort zu dem Problem „Jugend und Film" gesagt werden. Das hat allerdings, Herr Kollege Mende, nichts mit den Schulfragen zu tun, die Sie so temperamentvoll hier vertreten haben. Ich will das in sehr sachlicher Weise tun, um so mehr, als bei beiderseitigem Verzicht auf rhetorisches und propagandistisches Feuerwerk
und falsche Interpretationen wir nämlich gar nicht so weit auseinander sind, wie es bei den temperamentvollen Ausführungen von Herrn Mende zum Schluß geschienen hat. In all den Fragen, zu denen wir zu sprechen haben, werden wir uns, wenn wir vernünftig miteinander reden und uns zusammensetzen, einigen können.
Film und Jugend sind feste Faktoren in unserer heutigen Zeit, und an diesen Faktoren kann sich niemand vorbeidrücken. Unsere Jugend liebt den Film, und sie hat ein Recht auf den Film. Stärker als der Erwachsene begreift sie den Film als eine neue, faszinierende Sprache unserer Zeit. Sie ist mit dieser Sprache aufgewachsen und findet hierin ein Ausdrucksmittel, das in der Lage ist, unterhaltsame Freude zu bereiten, Sehnsucht zu erwecken und zu stillen, die Phantasie zu entzünden und unaufdringlich Wissen über fremde und entfernte Länder zu verbreiten, der Völkerversöhnung zu dienen und die sozialen Probleme der ganzen Welt besser verstehen zu lernen. Der Hunger der Jugend, den Film in ihren Erlebniskreis einzubeziehen, ist nicht nur vorhanden, sondern er
wächst. Ich bin der Meinung, daß das eine Tatsache ist, die wir alle miteinander respektieren müssen. 1,5 Millionen Menschen strömten im Vorjahr täglich in die rund 5000 Lichtspielhäuser des Bundesgebietes. Das sind nach Angaben der Filmindustrie 10 % mehr als im voraufgegangenen Jahr. Wieviel Jugendliche dabei auf den 2,1 Millionen Sitzplätzen unserer Kinos Platz nehmen, ist wohl ganz verläßlich nicht auszumachen. Nach den filmwirtschaftlichen Schätzungen ist immerhin zu vermuten, daß ein Drittel oder ein Viertel der Filmbesucher in den Jahrgängen bis zu 18 Jahren zu suchen ist. Schon daraus folgt, daß alle Maßnahmen, die dem guten Film dienen, auch der Jugend dienen.
Wie steht es nun heute aus der Sicht der Jugend um den Film in Deutschland? Es ist eine beachtliche Leistung der Filmindustrie festzustellen, wenn man bedenkt, wie sich die wirtschaftliche Katastrophe gerade bei ihr ausgewirkt hat. Vor einer solchen und gleichzeitig vor dem Massenandrang von ausländischen Filmen standen nach Kriegsende die Produzenten und die Verleiher. Es ist kein Zweifel — das möchte ich von vornherein anerkennend sagen —, daß sich die technischkünstlerische Qualität des deutschen Films spürbar gebessert hat. Trotz aller berechtigten Kritik an manchen Erscheinungsformen des sogenannten deutschen Publikumsfilms ist bei dieser Gelegenheit wohl auch ein Wort des Dankes zu sagen. Der neue deutsche Film wußte der jungen Generation Gelegenheit zur Freude und Entspannung zu bieten.
Die Jugend ist — und das ist ihr gutes Recht — ja weit davon entfernt, von jedem Film ein großes, künstlerisches Erlebnis oder einen ernsten Beitrag für die Bewältigung der eigenen Lebenssituation zu erwarten. Anspruchslose Heiterkeit und das Vergnügen an lustigen Situationen sind eine legitime Aufgabe des Unterhaltungsfilms, für die gerade die Jugend auf der Suche nach Zerstreuung und Entspannung offen ist.
Wir haben vor allen Dingen auch den Produzenten zu danken, die sich schwierigerer Möglichkeiten des Films bedient haben. Die Jugend, die solche Filme, die oft etwas aus dem Rahmen fallen, immer wieder mit positiver Kritik aufgenommen-
und diskutiert hat, ist sicher nicht mit schuld daran, daß manche Theaterbesitzer diese Filme nur halben Herzens oder überhaupt nicht an das Publikum herangetragen haben.
Trotz alledem muß ein Wort der Kritik zu den negativen Tendenzen des Filmes gesagt werden. Dabei mögen unsere Anerkennung und unser Dank deutlich machen, daß auch unsere kritischen Feststellungen zum deutschen Film, über den hier vor allen Dingen zu reden ist, dem Respekt vor den Möglichkeiten des Films und der Filmliebe der Jugend entspringen.
Zuvor müssen aber einige Mißverständnisse ausgeräumt werden. Zwei Standpunkte sind uns zuwider: erstens derjenige, der behauptet, daß alles Schlimme bei gewissen Jugendlichen, etwa auch die Jugendkriminalität, vom Film herkomme, und zweitens der andere Standpunkt, daß der Film überhaupt keinen negativen Einfluß habe. Sowohl die engstirnigen als auch die leichtsinnigen Leute sind in keiner Weise geeignet, zu diesem sehr wichtigen Thema etwas Vernünftiges beizutragen. Dem Engstirnigen wäre zu sagen, daß der Film eine Aufwärtsentwicklung durchgemacht hat und daß es vielleicht mehr gute Filme gibt, als die ausgesprochenen Kinogegner wahrhaben wollen. Auch die Filmselbstkontrolle, die uns glücklicherweise vor einer Staatszensur bewahrt, ist in ihren Jugendentscheidungen strenger geworden. Dem Leichtsinnigen aber ist bei aller Anerkennung des Umstandes, daß die Filmpsychologie ein wissenschaftliches Neuland darstellt, mit den Worten des Dichters Jean Paul über das Lesen: „Wenn Bücher auch nicht gut und schlecht machen, so machen sie doch besser oder schlechter" entgegenzuhalten: Das gleiche gilt von den Filmen.
Gewisse bedenkliche Erscheinungen des Durchschnittsfilms für die Jugend sind selbstverständlich — das ist auch unsere Meinung — nicht mit Gesetzeszäunen, Polizeimaßnahmen, Zurechtweisungen oder Zensurmaßnahmen auszuräumen. Aber nicht der Einzelfilm ist hier gemeint, sondern das Gesetz der Serie, unter das ein regelmäßiger, junger Filmbesucher leicht gerät, wenn bestimmte negative Elemente gleichmäßig in vielen Filmen wiederkehren. So wenden wir uns vor allen Dingen gegen die „Lebenslüge", die mancher Film in den deutschen Kinos betreibt, gegen jene Überzuckerung und Verbiegung der Wirklichkeit, jene unerträgliche Versimpelung des Lebens, jene unglaubhafte Beziehungslosigkeit zum Dasein überhaupt, die oft das Scheinleben auf der Leinwand kennzeichnet. Und das ist auch und gerade dann so erschreckend, Herr Kollege Mende, wenn es alles mit einer sogenannten ethisch einwandfreien Handlung garniert oder gar mit religiösen Requisiten umstellt wird. Man sollte doch endlich erkennen, daß in einem verlogenen Film echtes Ethos gar nicht wirksam werden kann. Wer das Leben verbiegt, kann sich auch mit einem moralischen Filmschluß nicht aus der Affäre ziehen.
Dazu gehört auch die Vorliebe für das immer wiederkehrende sogenannte „vornehme Milieu" der vornehmen Gesellschaft, in dem solche Schein-Lebensnähe oft geheuchelt wird und über deren diesbezügliche Ablehnung sich auch die seriösen Filmkritiker aller Lager einig sind. Sehen Sie sich eine der letzten deutschen Uraufführungen an, einen Film mit der Villa eines millionenreichen Kommerzienrats einschließlich elektrisch verstellbarer Trennwand zwischen den Ehebetten und mit Bewohnern, die sich läppisch in althergebrachten Liebesverwechslungen ergehen. Man mag das unter Erwachsenen als eine Bagatelle bezeichnen, aber für die Jugendlichen liegen diese Dinge wesentlich anders. Der genannte Film ist glücklicherweise — aus anderen Gründen — von der Filmselbstkontrolle wenigstens für Jugendliche bis zu 16 Jahren verboten worden. Für andere Filme gleicher Qualität besteht eine solche Handhabe oft nicht. Ich sage nochmals: Nicht der einzelne, sondern der stete Tropfen höhlt den Stein.
Der junge Mensch sieht diese Filme nicht im Einzelexemplar, er sieht die gleichen Milieus selbstverständlich auch in den vielen Auslandsfilmen immer und immer wieder. Sie werden so — wie ein Filmpsychologe bemerkt — „ein unbewußter geistiger Erfahrungs- und Vorstellungsschatz". Nicht das einmalige Sehen solcher Filme, sondern das wiederholte Sehen der gleichen Motive, der gleichen Verhaltensweisen macht gewisse Vorstellungen und dadurch entzündete Wunschträume zu einem festen Erfahrungsbesitz, dessen Herkunft schließlich gar nicht mehr feststellbar ist, an den
aber, weil er durch die ständige Wiederholung selbstverständlicher Bestandteil der Umwelt geworden ist, oft gar nicht mehr kritisch herangegangen wird. Es ist unseres Erachtens kaum von der Hand zu weisen, daß ein großer Teil unserer Jugend durch das unentwegte verlogene vornehme Milieu vieler Filme Gefahr läuft, in soziale Unzufriedenheit zu geraten, anstatt sich auf real erreichbare Verbesserung ihrer Verhältnisse zu konzentrieren.
Filme der Lebenslüge — wir vertreten diese These mit zahlreichen fortschrittlichen Psychologen — führen den jungen Menschen in einer verantwortungslosen Weise von sich selber fort. Natürlich erfüllt der Traumfabrik-Serienfilm bestimmte Wunschvorstellungen der breiten Masse und vielleicht auch der Jugend; aber er erfüllt sie nicht nur, sondern er schafft sie auch leider neu. Er begünstigt damit eine Entwicklung des Unechten in jeder Form, sei es als unechter Geschmack oder als unechte Bildungs- und Lebensziele. Anstatt die Jugend vor echte Realität zu führen, mit der sie sich auseinandersetzen kann, regen viele dieser Filme mit ihrer Fixierung eines falschen Begriffes vom Glück den Trieb zur Nachahmung von Scheinidealen an. Nichts aber steht der Selbstfindung des jungen Menschen mehr entgegen als diese seelische Haltung. Psychologisch und erzieherisch wird der Film an Wert gewinnen, wenn er besonders seinen jungen Besuchern den Mut und das Vertrauen zu sich selbst schenkt und eine gesunde Beziehung zum wirklichen Leben fördert.
Einem weiteren Mißverständnis muß vorgebeugt werden. Unser Ideal ist keineswegs der „brave" Film. Wir wollen auch hier Realisten sein. Das Schlechte und das Dunkle sind nun einmal in der Welt vorhanden, und der Film, der unsere Welt widerspiegelt, kann nicht daran vorübergehen und soll damit auch in gewissem Umfang nicht an der Jugend vorübergehen. Das Schlechte besteht auch nicht darin, daß man es zeigt; es besteht darin, daß es unernst genommen, bagatellisiert oder gar schöngefärbt wird.
Wollen Sie nun wirklich, Herr Kollege Paul, behaupten, daß die Ehe und ihre Konflikte, daß Untreue und Scheidungen in unserem Durchschnittsfilm so behandelt werden, wie es im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit solcher Themen erforderlich wäre?
Man braucht nicht unbedingt etwas gegen die komödienhafte Darstellung solcher Themen zu sagen, die sogar positiv wirken kann; aber alles gegen die Methode, dem jungen Menschen und hier gerade dem über 16jährigen, der ja den nicht jugendfreien Film schon besuchen darf, z. B. die Ehescheidung als eine bequeme, selbstverständliche Möglichkeit einer Konfliktlösung darzustellen. Was wir bei solchen Lösungen wirklich ernsthaft bekämpfen, insbesondere in der Wirkung auf die jungen Leute, ist folgendes: hierdurch entsteht bei jungen Leuten immer wieder der Eindruck, das Verbrechen sei eine Heldentat und der Ehebruch eine Tugend.
— Ja, das ist wirklich so. In diesem Punkt befinden wir uns sicher in Übereinstimmung mit dem weitaus größten Teil des deutschen Volkes. In wie-vielen Familien, bei wievielen Kriegerwitwen, gerade aus den sozial schwachen Schichten, werden
Konflikte und Probleme echt und sauber ausgetragen, durchgestanden und gelöst! Es ist deshalb geradezu ein Hohn auf diese Familien, wie bequem und leichtsinnig diese Probleme oft im Film gelöst werden.
Nun ein Wort zu dem Erotischen. Kein vernünftiger Mensch wird gegen die Behandlung des Erotischen im Film auch vor älteren Jugendlichen etwas einzuwenden haben, wenn sichtbar wird, daß auch die Erotik und die Sexualität der Ordnung bedarf, ohne die ein erfülltes Leben nicht zu verwirklichen ist. Wenn aber die Erotik mißbraucht oder mißdeutet wird oder, wie es vielfach in den Filmen geschieht, zum Tummelplatz seniler Schlüssellochgucker degradiert wird, so daß der Film gerade noch die Filmselbstkontrolle passieren darf, ist das fü r die Jahrgänge von 16 bis 18 besonders übel. Andererseits muß zugegeben werden, daß manche Regisseure auch bei verantwortungsbewußter Behandlung des Erotischen und Sexuellen als Konfliktstoff oder als Anlaß zu tragischer Verstrickung nicht selten deswegen in schwierige Situationen kommen, weil sie an die ersten Jugendjahrgänge von 16 bis 18 also, oberhalb der gesetzlichen Altersgrenze, die ja bei 16 Jahren liegt, denken müssen. Niemand wird bereit sein — um einen der neueren Filme zu nehmen —, den Film „Zur Liebe verdammt", wo das Problem der Mannstollheit einer krankhaft veranlagten Frau behandelt wird, für 16- oder 17jährige als geeignet zu bezeichnen. Solche Filme sind im Gegenteil gerade für die Krisenzeit der Pubertät schon vom Thema her keine zuträgliche Kost.
Wir sind auch aus diesem Grunde, aber nicht nur deshalb, geneigt, die bisherige Festsetzung der Altersgrenze von 16 Jahren einer kritischen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls die Heraufsetzung des oberen Grenzalters zu befürworten.
Die Frage nach dem oberen Grenzalter ist für den der Jugend gegenüber verantwortlichen Personenkreis, Eltern, Erzieher, Jugendpfleger, Jugendfürsorger und auch Gesetzgeber, ebenso wichtig wie für die Filmschaffenden selbst. Den zuerst Genannten ist daran gelegen, die Jugend vor den schädigenden Einflüssen ungeeigneter Filme auf die noch nicht voll ausgereiften und darum auch bei normalem Entwicklungsverlauf moralisch nicht voll widerstandsfähigen Personen zu bewahren.
— Sie haben ein ganz anderes Gesetz gemacht, wo Sie mit uns sehr freudig zugestimmt haben, daß die Altersgrenze hinaufgesetzt wird. Ich komme gleich darauf. — Der Filmschaffende jedoch wird in der Entfaltung seiner künstlerischen Absichten behindert, wenn er auf Grund vorliegender Bestimmungen oder Vereinbarungen bei jedem Film ein noch unreifes Publikum als Zuschauer von vornherein berücksichtigen muß. Unter diesen Schwierigkeiten leidet auch die Filmselbstkontrolle. Darum sind viele Erzieher, Jugendverbände und auch die Landesjugendbehörden oder mindestens ein Teil der Landesjugendbehörden sich darüber klar geworden, daß sich die 16-Jahresgrenze nicht empfiehlt. Denn sie liegt eben innerhalb der Pubertätskrise. In der Novelle zum Jugendgerichtsgesetz haben wir der Situation der Jugend Rechnung getragen, indem wir die Altersgrenze auf 21 Jahre heraufgesetzt haben. Das ist mit Recht in warmen Worten von den Rednern aller Parteien
und von den Fachleuten begrüßt worden. Wir sollten auch hier konsequent bleiben.
Ein Wort noch zu dem für die Jugend besonders augenfälligen Gebiet der Filmreklame. Für die Filmproduktion und den Filmverleih gelten in erster Linie die wirtschaftlichen Gesetze. Die Ware Film verlangt selbstverständlich nach Werbung. Diese Werbung so blickfangfreudig und attraktiv zu gestalten wie möglich und dabei auch noch auf die Jugendschutzbestimmungen Rücksicht zu nehmen, ist für die Werbechefs der Filmverleiher sicher nicht ganz einfach. Aber uns scheint, man sollte es doch auch in diesem Punkte etwas mehr mit der Wahrhaftigkeit halten. Wie soll man denn ahnen, daß sich hinter den gleichbleibend grellbemalten Kinofronten einmal eine Kinovorführung von gehobenem Niveau ereignet. Die schlechten Filmplakate machen es den Jugendlichen, da man dem Filmtitel ja ohnehin nicht trauen kann, so schwer wie möglich, gute Filme aufzuspüren. Kein Buchhändler kommt auf den Gedanken, Goethe oder Schiller in einem Umschlag unserer „berühmten" Magazine auszustellen. Es kann Ihnen jedoch passieren, daß Sie einen Film von hohem künstlerischem Rang auf folgende Weise angepriesen sehen; ich zitiere hier wörtlich:
Überlegen Sie gut, ob Sie sich diesen Film ansehen möchten! Er ist aufregend, gefährlich, faszinierend und schamlos zugleich, aber er zeigt Ihnen den sicheren Weg zu Karriere und Aufstieg.
Es kann einem Theaterbesitzer passieren, daß ein ihm möglicherweise unbekannter überdurchschnittlicher Abenteurerfilm mit folgendem Werberatschlag empfohlen wird: „Die tierhafte Schönheit dunkler Frauen und die Geheimnisse ihrer Gemächer usw." Auch das ist wörtlich von einem guten Film zitiert. Wir halten so etwas für eine bedauerliche Irreführung des Publikums. Sie ist ebenso bezeichnend, wie es bezeichnend war, daß die Filmselbstkontrolle sogar einen Teil der Reklame für den positiv angelegten Ehefilm „Ich und Du" wegen Jugendgefährdung verbieten mußte. Da wundert sich dann die Filmwirtschaft, daß die Abgeordneten, die für die hohe Filmvergnügungssteuer verantwortlich sind und die nur wenig ins Kino gehen, aber oft an den Filmplakaten vorbeiwandern, eine so geringe Meinung vom Filmniveau haben.
Nun zu dem Antrag meiner Fraktion, daß bei
der Vergabe von Filmbürgschaften die staatspolitisch wertvolle Filmproduktion besonders berücksichtigt und gefördert werden soll. Es ist sehr
merkwürdig, daß sich ein solcher Wirbel um diese
Forderung entzünden konnte, wie es teilweise geschehen ist. Ein Leitartikelschreiber des Fachorgans für die Filmindustrie „Der neue Film" ist
auch schlecht beraten gewesen, daß er in dem Wort
„staatspolitisch wertvoll" eine solche Gefahr witterte. Herr Justus, so ist dieser Artikel gezeichnet,
hatte wirklich keinen guten Tag, als er in seinem
Artikel Befürchtungen Raum gab im Hinblick auf
Filme wie „Jud Süß", „Kolberg" oder „Über alles
in der Welt". Wir wollen hoffen, daß Herr Justus
damals alles getan hat, solche Filme zu verhindern.
Seit vier Jahren fördern wir aus Mitteln des Bundesjugendplans staatspolitische Bildungsarbeit, die von der sozialistischen bis zur konfessionellen Jugend gern in Anspruch genommen werden, und alle fordern mit Recht die Erhöhung dieser Mittel für die staatspolitische Erziehung. Wir haben sogar — in Einmütigkeit mit allen Gruppen — Richtlinien festgelegt, in denen klargestellt wird, wann Tagungen, Lehrgänge usw. für staatspolitisch wichtig erklärt werden und damit aus Bundesmitteln zuschußwürdig sind. Die Bundeszentrale für Heimatdienst fördert und leistet selbst schon seit Jahren in objektiver Form eine ausgezeichnete staatspolitische Bildungsarbeit, über deren Qualität und Notwendigkeit wir sogar in diesem Hause einig sind. Warum können nicht auch Filme eine staatspolitische Aufgabe erfüllen, und warum soll man solche Filme nicht auch besonders fördern und auch finanziell unterstützen!
Zum Schluß möchte ich einige Forderungen zur positiven Förderung des Jugendfilms zur Debatte stellen.
1. Ganz gleich, welcher Weg in Zukunft zur Filmfinanzierung beschritten wird, immer sollte eine eigene dramaturgische Abteilung mit kleinem Beirat für Jugend- und Kulturfilme eingerichtet werden. Diese Abteilung soll a) jugendfördernde Normalfilme und Kinderfilme bearbeiten und b) zu allen übrigen Filmvorhaben vom Standpunkt einer modernen, aufgeschlossenen Pädagogik aus Stellung nehmen.
2. In jeder Achter-Staffel etwa sollten ein oder zwei Jugendfilme sein.
3. In den Filmbürgschaftsrichtlinien sollen Möglichkeiten geschaffen werden, den besonders wert- vollen Film auch im Hinblick auf den Jugendfilm weitgehend zu fördern. Diese Möglichkeit soll auch bei eventuellen Neuregelungen der Filmfinanzierung berücksichtigt und ausgebaut werden.
4. Die Fähigkeit der Jugend, Filme zu beurteilen, muß geweckt und gefördert werden durch Filmkritik in den Jugendgruppen, Jugendheimen und auch im Unterricht, durch die Filmdienste der Jugend und ihre Veröffentlichungen und durch besondere Förderung der in manchen Städten ausgezeichnet arbeitenden Filmklubs innerhalb und außerhalb der Jugendverbände.
Schließlich möchten wir eine verstärkte Förderung der Schmaltonfilme für die Jugend im nichtgewerblichen Filmwesen. Beim Institut für Film und Bild in München wurde hierfür aus Mitteln des Bundesjugendplans eine Zentrale in Form eines eigenen Referats geschaffen. Aus Mitteln des Bundesjugendplans wollen wir jedoch keine direkten Produktionssubventionen geben.
Ich bin der Meinung, nach all dem Gesagten läßt sich eine Synthese finden zwischen dem berechtigten Anliegen der Filmwirtschaft und dem berechtigten Anliegen der Jugend und derer, die es wirklich lich gut mit ihr meinen. Wir, die wir das Interesse der Jugend wahren wollen, sind keine Fachleute auf dem Gebiet der Filmwirtschaft. Die Filmschaffenden sind meistens keine Fachleute auf unserem Gebiet. Darin liegt zwar eine gewisse Schwierigkeit, aber die läßt sich überbrücken. Wir sind sogar der Meinung, und das ist heute ja wiederholt ausgesprochen worden, daß auch mit dem guten Film Geld verdient werden kann. Es kommt nur darauf an, daß wir uns rechtzeitig und oft genug zusammensetzen, damit wir gemeinsam den jeweils rechten Weg finden.