Ich meine, der Film „Die Sünderin" dürfte Ihnen als Beispiel genügen.
Aber nun möchte ich doch noch in diesem Zusammenhang auf etwas sehr Ernstes eingehen. In den Ausführungen des Herrn Kollegen Paul ist auch die Rede von „dunklen Bestrebungen" gewesen, die meinen Gedanken oder Zielen zugrunde lägen.
Ich sehe in dieser Andeutung einen Hinweis auf das, was jetzt draußen etwas deutlicher als „Konfessionalisierung" oder „Klerikalisierung des öffentlichen Lebens" herausgestellt wird. Ich lege das größte Gewicht darauf, bei Gelegenheit dieser Aussprache festzustellen, daß man mit dem Gerede — das gilt auch von dem Gerede einiger Zeitungen — von „Konfessionalisierung" und „Klerikalisierung" das Pech hat, daß meine familienpolitischen Aufgaben und Ziele doch ein gemeinsames Anliegen der Christen b e i d e r Konfessionen sind und daß es Ihnen deshalb einfach nicht gelingen kann, gewisse Affekte an meinem Ministerium erfolgreich abzureagieren oder gar konfessionellen Hader zu entfachen.
Meine Zusammenarbeit mit den Familienorganisationen beider Konfessionen und mit dem inter-konfessionellen deutschen Familienverband ist von Anfang an so eng und harmonisch und freundschaftlich gewesen, nicht zuletzt wurden meine Referate gerade auch von großen evangelischen Zuhörerkreisen so zustimmend und herzlich aufgenommen, daß ich Ihnen schon andere Methoden als konfessionelle Zersetzung anraten muß, wenn Sie meinen, meine Arbeit zum Schutze unserer Familien unbedingt stören zu müssen. Ich fürchte allerdings, meine Damen und Herren, daß Sie, wenn Sie so weitermachen wie bisher, dann nach der ersten „Volkszensur", den Bundestagswahlen von 1953,
bei den nächsten Wahlen eine zweite „Volkszensur" erleben werden, deren Ergebnis allenfalls noch eine Versetzung in den linkesten Teil dieses Raumes ermöglichen wird.
Aber meine Damen und Herren, das soll nicht meine Sorge sein. Mir als Angegriffenem kann es nur nützen, wenn mangels sachlicher Argumente gegen den Inhalt meiner Reden
Unterstellungen benötigt werden, um überhaupt irgend etwas dagegen sagen zu können.
Nun ein Zweites. Ich habe von mir aus immer betont, daß ich den Schutz und die wirtschaftliche Sicherung unserer Familien für eine überparteiliche gemeinsame Aufgabe aller Fraktionen dieses Hauses halte, für die ich mit allen Fraktionen, auch mit der Opposition, gemeinsam arbeiten möchte.
So habe ich in meiner ersten amtlichen Rede im neuen Bundestag am 5. Februar erklärt:
Ich bin nicht hier heraufgekommen, um irgendwelche Unfreundlichkeiten nach der Seite der Opposition hin zu sagen.
Im Gegenteil, ich habe den sehr, sehr herzlichen und dringenden Wunsch, die Aufgabe, die mir als Bundesminister für Familienfragen gestellt ist, gemeinsam mit allen Seiten dieses Hauses in Angriff zu nehmen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß sich zwischen allen Parteien und meiner Arbeit wertvolle Brücken echter Zusammenarbeit finden lassen.
Im gleichen Sinne habe ich mich auch in verschiedenen öffentlichen Kundgebungen im Bundesgebiet geäußert. Um dieses Ziel allseitiger Zusammenarbeit nicht zu gefährden, habe ich mich, seit mir meine neue Aufgabe übertragen wurde — trotz manchen Anlasses —, jeder Polemik, auch gegen die SPD, enthalten und unter alle Anfeindungen aus dem letzten Wahlkampf aus dem ehrlichen Wunsch heraus, gemeinsam mit allen gutwilligen Kräften der mir gestellten wichtigen Aufgabe zu dienen, bewußt einen Strich gezogen. Wenn Sie mich heute angreifen, dürfen Sie von mir natürlich nicht erwarten, daß ich, zumal Sie mich darum gebeten haben, Ihnen zu antworten, auf diese Angriffe schweige oder Ihnen meinetwegen erkläre: „Sie haben vollkommen recht! Ich habe lauter Unsinn geredet".
Das können Sie schließlich nicht verlangen.
Im übrigen gilt das Gesagte auch für die Zeit nach dem 5. Februar, an welchem Tage die heute behandelte Große Anfrage gestellt wurde, die mir zunächst wie eine Kriegserklärung der SPD vorkam. Aber mit der heutigen Begründung hat die SPD ihre Anfrage wohl selber etwas ins Scherzhafte gezogen und damit gezeigt, daß sie ihre
„Kriegserklärung" nicht so ernst nimmt. Ich freue mich darüber, daß sich die Diskussion heute trotz mancher Gegensätzlichkeit und mancher Anfeindung doch in Bahnen bewegte, die weithin sachlich waren.
Nun noch ein Drittes: Nicht nur in der Presse, sondern auch hier in der Debatte wurde im Unterton und manchen Einzelworten das Thema, das wir heute erörtern, über den Rahmen der Filmfrage hinaus in die allgemeine kulturpolitische Ebene hinein ausgeweitet, auf der ja manche Leute ihren ganzen Kampf gegen mich führen, ohne begründeten Anlaß dazu zu haben.
Ich möchte deswegen zum Zwecke der Klarstellung ganz kurz drei Punkte berühren; denn die Dinge müssen einmal klar und konkret herausgestellt werden, damit endlich das dumme Gerede von dem „klerikalisierenden" Minister ein Ende findet.
Meine amtliche Tätigkeit bewegt sich hauptsächlich auf der Ebene der wirtschaftlichen Hilfe für die Familie; aber die öffentliche Diskussion hat sehr wenig Interesse dafür gezeigt und sich nur um Dinge gekümmert, die an sich wirklich sehr am Rande meiner Arbeit liegen. Dabei geht es in diesem Randbereich um drei Themen, erstens den Film, zweitens die Ehescheidung und drittens den § 67 des Personenstandsgesetzes.
Zur Filmfrage habe ich mich bereits geäußert. Ich stelle fest, daß die heutige Erklärung der Bundesregierung klargestellt hat, daß die in der Großen Anfrage über den Inhalt meiner Düsseldorfer Rede enthaltenen Behauptungen in wesentlichen Punkten unrichtig sind, und weiter, daß das in meiner Düsseldorfer Rede zum Thema Familie dargelegte sachliche Anliegen nicht nur mein Anliegen, sondern ein Anliegen unserer Bundesregierung ist, so daß in diesem Punkte nicht der mindeste Anlaß zu den gegen mich gerichteten Angriffen gegeben ist.
Nun zur Ehescheidungsfrage. Was die von mir in öffentlichen Reden betonte Notwendigkeit einer Änderung des § 48 der vom Kontrollrat erlassenen Ehescheidungsvorschriften angeht, so habe ich die Forderung erhoben, ein Ehescheidungsrecht zu schaffen, nach dem es nicht möglich ist, seine in Ehren ergraute schuldlose Frau mit staatlicher Sanktionierung zu verstoßen, weil einem ein junges Mädchen besser gefällt. Der frühere Bundesjustizminister Dr. Dehler, der jetzige Vorsitzende der Freien Demokraten, hat ebenso wie unser jetziger Bundesjustizminister die gleiche Forderung bereits dahin formuliert, daß eine Ehescheidung nach § 48 — dreijährige Trennung — gegen den Willen des unschuldigen Teiles nicht mehr möglich sein soll. Es handelt sich dabei vor allem um den Schutz der Frau. Auch in diesem Punkt habe ich also nichts als eine gemeinsame Forderung aller derjenigen vertreten, die eine hohe Meinung von den Rechten und Pflichten der Ehepartner untereinander und gegenüber den Kindern haben. Wenn ich in diesem Punkte mit dem Herrn Kollegen Dehler einig bin, wo ist dann, so frage ich jetzt die Öffentlichkeit, hier „Konfessionalismus" oder „Klerikalismus"?
Der dritte Punkt betrifft den § 67 des Personenstandsgesetzes. Den Entwurf zur Aufhebung der von beiden christlichen Kirchen als diskriminierend empfundenen Strafvorschrift des § 67 habe ich erstmals zugleich mit allen Kabinettskollegen zur Kenntnis bekommen, ohne vorher irgendwie beteiligt gewesen zu sein, und ich habe ihm wie jedes andere Kabinettsmitglied zugestimmt. Ich bin also an diesem Gesetzentwurf etwa genau so schuldig oder unschuldig wie vielleicht Herr Kollege Reinhold Maier an der Kanzlerschaft Konrad Adenauers.
In der Frage der fakultativen standesamtlichen oder kirchlichen Eheschließung bin ich seit Jahr und Tag unverändert dafür eingetreten, es in Deutschland bei dem jetzigen Zustand zu belassen, weil die Meinungen über eine fakultative standesamtliche oder kirchliche Eheschließung in unserem konfessionell gemischten Lande zu verschieden sind. Wer, meine Damen und Herren, kann denn da ausgerechnet mir „Konfessionalisierung" oder „Klerikalisierung" vorwerfen, wenn ich als Katholik so eindeutig für Toleranz gegenüber den Auffassungen unserer evangelischen Mitbürger eintrete und weiter eintreten werde?
Nun, es geht einigen Leuten im Lande draußen bei diesen Dingen ja um etwas ganz anderes.
Es geht nicht um diese Einzelthemen, die ich soeben hier behandelt habe, weil das die konkreten Punkte sind, an denen man diese Hetze aufhängen kann. Meine Gegner wissen ganz genau, daß ich seit langen Jahren nicht müde werde, das uns in gemeinsamer Verfolgungszeit vor 1945 geschenkte Gemeinschaftsbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen beider Konfessionen zu vertiefen und zu festigen und alle konfessionelle I Fehde im politischen Raum ein für allemal zu begraben.
Die Verwirklichung dieses Wollens soll durch Unterstellungen, durch Hetze, durch Verleumdungen und anderes mehr vereitelt werden, weil es in Deutschland eben eine Anzahl Leute gibt, die nur im trüben Wasser konfessionellen Haders noch politische Erfolge erzielen zu können glauben.
Ich gebe Ihnen die Versicherung: je stärker die Versuche, durch Entfachung konfessioneller Zwietracht die politische Atmosphäre zu trüben, fortgesetzt werden, um so mehr wird die allgemeine Erkenntnis wachsen, daß alle Christen in Deutschland gemeinsame Gegner haben. Ich danke Ihnen von der SPD, daß Sie durch die Aufrollung dieser Debatte diese Klarstellung ermöglicht haben.
Auf diesem Hintergrunde aber nun noch ein anderes! In der heutigen Debatte wurde bereits der Herr Ministerpräsident a. D. Reinhold Maier zitiert. Ich pflege als Bundesminister keine Angriffe gegen Kollegen aus diesem Hause, insbesondere nicht aus der Koalition, zu führen; aber wenn ich selber angegriffen werde, wie das auf dem Hintergrunde des soeben Gesagten durch Herrn Kollegen Maier geschehen ist, so habe ich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, mich gegen das, was gesagt wurde, zu verteidigen. In diesem Zusammenhang muß ich
deswegen auch einige Worte zu den Mainzer Angriffen des Herrn Kollegen Reinhold Maier gegen mein Ministerium sagen. Herr Kollege Maier hat nach dem von ihm selbst in den „Deutschen Kommentaren" veröffentlichten Wortlaut in Mainz gesagt:
Sichtbar hat der Kampf begonnen. Ein eigenes Ressort mit dem verharmlosenden Namen „Familienministerium" ist entstanden . . . Machen wir uns jedoch nicht leichtfertig nur auf Donquichotterien gefaßt! Es geht um sehr reale Dinge. Mit realen Methoden werden sie in die Wirklichkeit umgesetzt werden.
Der „frisch, fromm, fröhlich, frei" dahinströmende deutsche Geist soll versiegen, seine Quellen will man verstopfen. Meine Herren Kommilitonen, die Zeit ist gekommen, „Don Carlos" zu lesen. Marquis de Posa ist unser Mann. Sein Wort: „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!" ist unser Wort.
Nun, wenn in Deutschland keine Gedankenfreiheit bestände, hätte Herr Kollege Maier diese Rede nicht halten können.
— Ich stelle mit großem Bedauern fest, daß mir die Unterstellungen, mit denen draußen in der Presse gearbeitet wurde, offensichtlich auch von der SPD gemacht werden. Ich kann das nur nochmals schmerzlich bedauern. Wir sollten uns hier auf einem Boden ehrlicher Aussprache miteinander bewegen.
Wenn ich nun hier etwas gegenüber einem Koalitionskollegen sage, so verteidige ich mich hier natürlich nicht in der Freiheit, deren Herr Kollege Dehler sich seit einiger Zeit wieder erfreuen darf, sondern im Rahmen der Pflichten eines Mitgliedes des Koalitionskabinetts.
Ich habe zweierlei zu sagen. Erstens habe ich eine Frage an Herrn Kollegen Maier zu stellen: Was ist gemeint mit den „sehr realen Dingen, die mit realen Methoden in die Wirklichkeit umgesetzt werden"? Ich bitte Herrn Kollegen Maier um konkrete Angaben zu dieser Frage, damit endlich die Nebel einmal zerstreut werden, hinter denen sich diese Angriffe von den verschiedensten Seiten zu tarnen pflegen.
Meinen Standpunkt habe ich in aller Öffentlichkeit dargelegt. Tun Sie bitte das gleiche!
Das zweite, was ich dazu zu sagen habe, ist das Folgende. Herr Kollege Maier hat uns empfohlen, den „Don Carlos" zu lesen. Ich bin seinem Rate gefolgt und habe darin so wertvolle aktuelle Zitate gefunden,
daß ich gar nicht erst bei Goethe zu suchen
brauchte. Wenn Herr Kollege Maier mich anscheinend doch auch mit einem Unterton im Sinne klerikalisierender oder konfessioneller Tendenzen verdächtigen zu sollen glaubte, so antworte ich zunächst mit Don Carlos aus dem ersten Akt:
Schon seh ich deine Seele,
Vom giftgen Schlangenbiß des Argwohns
bluten.
An einer weiteren Stelle heißt es:
Doch hab ich immer sagen hören, daß
. . . Geschichtenträger
Des Übels mehr auf dieser Welt getan,
Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht
konnten.
Auch im zweiten Akt ist eine in diesen Zusammenhang sehr schön passende Stelle, als die Prinzessin zum Prinzen sagt: — —