Rede von
Paul
Bausch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Gut. Ich bin überhaupt überzeugt, daß es uns in der heutigen Debatte und auch bei anderer Gelegenheit gelingen wird, gemeinsame Auffassungen in bezug auf dieses interessante Thema festzustellen.
Es ist ja viel besser, wenn wir uns bemühen, herauszukriegen, wo wir einig sind, als wenn wir uns immer so sehr anstrengen, herauszubekommen, wo wir gegensätzliche Meinungen haben.
Wohin schrankenlose Freiheit führt, das sieht man doch in Italien, wo nach verläßlichen Angaben von 14 führenden Filmproduzenten 4 eingeschriebene Mitglieder der kommunistischen Partei sind und 4 weitere zu ihren Mitläufern gehören.
Schon in der letzten Legislaturperiode hat der Bundestag diese Zusammenhänge klar und eindeutig erkannt. Schon damals wurde mit Zustimmung fast aller Fraktionen des Bundestags ein besonderer Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films eingesetzt. Bundestag und Bundesregierung haben eine sehr sorgfältig und behutsam abgewogene Politik auf dem Ge-
biet des Films eingeleitet. Mein Kollege Muckermann hat auf die leitenden Gesichtspunkte für diese Politik schon hingewiesen. Er hat auch darauf hingewiesen, wie schwer es damals nach dem Krieg, nach der schweren Katastrophe, gewesen- ist, die auch für den Film schon durch die Zerstörung seiner Anlagen und dann erst recht durch die fast vollkommene Demontage seiner Einrichtungen durch die Besatzungsmacht eine unerhört schwere Zeit gebracht hat — wie schwierig die Versuche waren, in Deutschland eine neue Filmwirtschaft aufzubauen. Die Grundzüge der Politik des Bundestags — eine Bundesbürgschaft von 20 Millionen DM, eine Bundesbürgschaft von 60 Millionen DM, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der FSK, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Institutionen für die Bundesbürgschaft — zeigen ganz klar und eindeutig, daß die Politik des Bundes auf dem Filmgebiet von vornherein, schon vom Jahre 1949 an, eine Politik war, die man mit guten Gründen als eine Politik der helfenden Hand gegenüber der Filmwirtschaft bezeichnen kann. Diese Politik der helfenden Hand, diese Politik des Versuchs des Bundes, der Filmwirtschaft aus ihrer Katastrophe herauszuhelfen, hat ganz ohne Zweifel ihre Früchte gezeitigt. Rein wirtschaftlich gesehen: die Filmwirtschaft ist vorangekommen. 'Im Jahre 1953 wurden 103 Spielfilme erzeugt. Was die geistige, sittliche, ethische und künstlerische Substanz des deutschen Films anbelangt, so ist diese ganz naturgemäß ein Spiegelbild der geistigen Krise unserer Zeit. Es muß aber gesagt werden, daß sich — und das ist auch heute schon mehrfach gesagt worden — unter den Filmen, die in Deutschland erzeugt worden sind, eine ganze Reihe hervorragender Werke befinden. Die Schöpfer dieser Werke, die ihre Aufgabe mit einer geradezu unerhörten Hingabe erfüllen, haben sich durch ihre Arbeit Dank und große Verdienste erworben.
Was soll nun in Zukunft geschehen? Darüber ist schon Grundlegendes gesagt worden. Ich will mich darauf beschränken, lediglich einiges von dem, was mein Freund Muckermann hier gesagt hat, noch einmal kurz zu unterstreichen.
Was das System der Filmbürgschaften anbelangt, so sind seine Gefahren und Mängel im Verlaufe ihres Ausbaus in stärkerem Maße hervorgetreten, als das zunächst zu vermuten war. Der Gesellschaft werden zur Begründung der Anträge auf Bewilligung von Bürgschaften neben den Kostennachweisen nur die Drehbücher vorgelegt. Auf Grund der Kostennachweise und der Drehbücher versuchen die verantwortlichen Männer der Filmbürgschaftsgesellschaft sich ein Urteil über die zu schaffenden Filme zu bilden. Die Gesellschaft gibt das Geld des Bundes hin, wenn sie glaubt, daß ein Film seine Herstellungskosten einbringen und einen positiven wirtschaftlichen Ertrag abwerfen wird. Die Richtlinien der Filmbürgschaftsgesellschaft enthalten im Gegensatz zu den Richtlinien der Freiwilligen Selbstkontrolle nur wenige Maßstäbe, die sich auf die Qualität und den Inhalt des Films beziehen. Sie legen im wesentlichen nur die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bürgschaftshingabe fest. Diese Festlegung ist natürlich notwendig, um zu verhüten, daß der Bund bei der Bürgschaftshingabe Geld verliert.
Das Parlament aber, meine Damen und Herren, steht vor der Situation, daß es Millionensummen aus Steuergeldern für die Erzeugung von Filmen bewilligt, aber keine Gewähr dafür hat, daß die erzeugten Filme so beschaffen sind, daß ihre Herstellung verantwortet werden kann. Wenn das Parlament aber — ich hoffe, daß ich damit eine Wahrheit ausspreche und eine Auffassung vertrete, die die allgemeine Billigung findet — schon Geld geben soll, so muß es doch auch wissen, was mit dem Geld geschieht. Dies ist eine einfache, klare Forderung, der vernünftigerweise nicht widersprochen werden kann.
— Ich bin immer offen für gute Gedanken, Herr Ritzel, das wissen Sie ja. — Daß das Parlament dies aber bei dem heutigen System der Bürgschaften nicht weiß, ist im Hinblick auf die Zwitterstellung des Films als Industrieprodukt einerseits und als Kulturträger andererseits ein auf die Dauer nach unserer Auffassung völlig untragbarer Zustand. Denn es kann sich jede Stunde ereignen, daß ein Film auf dem Markt auftaucht, der in der Öffentlichkeit der schärfsten Kritik begegnet, und daß sich dann herausstellt, daß dieser Film mit Hilfe von Steuermitteln des Bundes hergestellt wurde. Mit vollem Recht fragt aber dann das Volk: Sind denn Steuermittel dazu da, anfechtbare Filme zu erzeugen?
Der Bundestag ist dann diesen Angriffen schutzlos preisgegeben. Aus dieser auf die Dauer schwierigen und unbefriedigenden Situation gibt es nur einen einzigen Ausweg, nämlich den, das System der Bundesbürgschaft so bald als möglich abzuschaffen und die Finanzierung der Filme auf dem freien Kapitalmarkt vorzunehmen, was heute ja viel eher möglich ist, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Solange dieses System aber noch besteht, sollte eindeutig klargestellt werden, daß mit Hilfe von Bundesbürgschaften nur solche Filme hergestellt werden, die zumindest den Anforderungen genügen, die die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft nach ihren Richtlinien an den Film stellt. Dieses sicherzustellen, ist der einzige Sinn des von meiner Fraktion gestellten Antrags Drucksache 349. Damit wird ganz und gar nichts Ungewöhnliches, sondern etwas völlig Selbstverständliches gesagt.
Wer vom Staat Geld haben will, muß es sich gefallen lassen, daß sich der Geldgeber an die für ihn bindenden Normen hält. Diese Normen sind aber im Grunde genommen keine anderen als die im Grundgesetz festgelegten.
Damit taucht natürlich die andere Frage auf, ob es nicht geboten ist, in irgendeiner Form staatliche Mittel dafür einzusetzen, daß besonders hervorragende Filmwerke hergestellt werden. Ein solcher Einsatz vollzieht sich in fast allen Ländern Europas. Wir werden auf die Dauer um die Prüfung dieser Frage nicht herumkommen. Ich bin der Meinung, daß sehr sorgfältige Überlegungen darüber angestellt werden sollten, um allen denen, die gute Filme herstellen und die gute Filme in der Öffentlichkeit vorführen, eine wirkliche Ermutigung und eine Hilfe zuteil werden zu lassen.
Über das Problem der Vergnügungssteuer ist schon sehr Gewichtiges gesagt worden. Kürzlich hat ein Mann, der von dieser Angelegenheit sehr viel versteht, gesagt, den Gesetzentwürfen der Län-
der zur Vergnügungssteuer schaue die Geldgier. aus allen Knopflöchern heraus, diese Gesetzentwürfe seien nicht im geringsten von kulturellen Gesichtspunkten berührt. Viel gescheiter, als dem Film durch Bürgschaften zu helfen, sei es, wenn das System der Vergnügungssteuer von Grund auf geändert würde, wenn die von der Filmbewertungsstelle der Länder prädikatisierten Filme durch die Senkung oder durch den Erlaß der Vergnügungssteuer ausgezeichnet würden und wenn dadurch errreicht würde, daß dem wertvollen Film dieselbe Förderung durch die staatliche Hand zuteil würde, die seit Jahr und Tag bei der Oper, beim Schauspiel und beim Ballett in allen Ländern gang und gäbe sei.
Dieser Auffassung können wir nur vollinhaltlich zustimmen. Die Vergnügungssteuer ist in der Mehrzahl der Länder in ihrer heutigen Gestalt roh, rückständig und kulturfeindlich. Filme jeder Art, auch erstklassige Filme, werden heute noch weit höher besteuert als etwa der Zirkus, das Freistilringen, Modeschauen, Preiskegeln und ähnliche Veranstaltungen. Wenn der Weg begangen würde, der hier vorgeschlagen wird, und wenn die Länder sich zu einer Änderung dieser Gesetze entschließen würden, würde also nur die Praxis fortgesetzt, die auf anderem Gebiet, gegenüber den Theatern, schon längst eingeführt ist.
Über die Freiwilige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft gibt es immer wieder Mißverständnisse. Das Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle, in freiwilliger Selbstdisziplin eine Kontrolle aller in Deutschland aufzuführenden Filme vorzunehmen, ist absolut richtig. Der Bund hat dieses Prinzip mit vollem Recht akzeptiert und hat sich auch zur Mitarbeit bereit erklärt. Wie schon oft in der deutschen Geschichte hat sich auch hier das Selbstverwaltungsprinzip als überaus fruchtbar erwiesen.
Falsche Vorstellungen bestehen vielfach über die Zusammensetzung der Arbeitsgremien der Freiwilligen Selbstkontrolle. Drei solche Gremien sind hintereinander aufgebaut: Zunächst der Arbeitsausschuß, dann der Hauptausschuß und dann ein Rechtsausschuß, der überwiegend aus Juristen besteht. Die Meinung, die Herr Kollege Paul hier vertreten hat, in diesen Gremien wimmle es von Theologen, ist völlig irrig. Er hat, glaube ich, gesagt, es seien dort sieben oder acht Theologen tätig, und hat befürchtet, dieses „schwarze" Element entfalte dort einen allzu großen Einfluß. In dem wichtigsten Arbeitskreis der FSK befindet sich, wie schon der Herr Bundesminister des Innern festgestellt hat, unter acht Vertretern nur ein einziger Vertreter von drei Kirchengemeinschaften,
nämlich der katholischen Kirche, der evangelischen Kirche und der jüdischen Religionsgemeinschaft. Die Vertreter dieser drei Religionsgemeinschaften haben zusammen einen Sitz und wechseln jeweils in der Besetzung dieses Sitzes ab.
— Warum bekommen Sie denn immer einen Schreck, lieber Herr Kollege, wenn irgendwo am Horizont ein Geistlicher auftaucht?
Ich bin der Meinung, daß wir gerade der Mitarbeit der Geistlichen in der freiwilligen Selbstkontrolle außerordentlich viel zu verdanken haben.
Diese Herren wirken dort weit weniger mit ihrer Zahl als mit dem Gewicht und der geistigen Autorität ihrer Argumente, mit der Gewissenhaftigkeit und der Sorgfalt, mit der sie dort ihre Arbeit verrichten. Ich meine, Sie, Herr Kollege Jacobs, sollten diese Barriere Ihrer Vorbehalte gegen die Mitarbeit der Kirchen und der Geistlichen einmal überspringen. Versuchen Sie doch Sinn und Verständnis für die Arbeit dieser Männer auch in einem solchen Gremium zu finden.
— Sie können ruhig sagen, Herr Jacobs, ich verstünde davon nichts, Sie allein verstünden davon etwas. Das amüsiert mich nur.
Ich glaube also, daß die Freiwillige Selbstkontrolle trotz einiger Fehler, die mit unterlaufen sind, eine sehr nützliche Tätigkeit entfaltet hat.
Die Arbeit der Selbstkontrolle bedeutet aber wohl eine gewisse Reinigung der Filme unter formal erfaßbaren Gesichtspunkten, namentlich unter dem Gesichtspunkt, ob die Filme das sittliche Empfinden in ihrer Gesamtheit oder in einigen Szenen verletzen. Die Freigabe bedeutet aber — das möchte ich ganz eindeutig sagen — keinesfalls eine Empfehlung der Filme durch die Selbstkontrolle und ganz gewiß nicht eine Empfehlung durch alle ihre Mitglieder. Die Kirchen z. B. — um darüber noch ein Wort zu sagen — haben sich öffentlich dazu bekannt, daß diese Zusammenarbeit in der Selbstkontrolle eine sehr fruchtbare ist, und sie haben sie grundsätzlich bejaht. Aber sie beklagen sich doch andererseits immer wieder darüber, daß sie sich in der Freiwilligen Selbstkontrolle häufig in der Rolle einer hoffnungslos überspielten Minderheit befinden. Von einer Klerikalisierung der Filmwirtschaft mit Hilfe der Freiwilligen Selbstkontrolle kann also nicht die Rede sein. Eine solche angebliche Klerikalisierung ist ein reines Phantasieprodukt.
So bedeutsam die Maßnahmen sind, die wir für den Film vom Staate her ergreifen können, so werden wir doch, wenn wir die Bilanz ziehen, aufs ganze gesehen die Feststellung bestätigt finden, die ich zum Eingang meiner Ausführungen machte: Der Staat und seine Organe können das wirklich Entscheidende dazu, daß der Film eine positive und aufbauende Macht für unser Volk wird, nicht tun.
Was aber der Staat nicht tun kann — nun möchte ich ein Wort zu dem großen Thema der Volkszensur, wie Sie es zu nennen belieben, sagen,
— auch Sie haben ja dieses Wort aufgegriffen und haben dazu sehr gründlich Stellung genommen.
Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen sage, was ich mir unter diesem Wort „Volkszensur", das ich nicht geschaffen habe, das ich genau so wie Sie in der Zeitung gelesen habe, vorstelle.
Was der Staat auf dem Gebiet des Films nicht tun kann, das soll der freie Bürger tun.
— Ich kann mir unter einem freien Bürger etwas vorstellen, verehrter Herr Kollege!
Ich kann mir darunter wirklich etwas vorstellen.
Niemand kann es dem Staatsbürger verwehren, seine Stellung zu beziehen und einen schlechten Film abzulehnen und einen guten gutzuheißen.
Niemand auf der Welt hat das Recht, der Entscheidung des freien Bürgers vorzugreifen. In einer freien Demokratie fällt die letzte Entscheidung über den Film im Volke selbst.
So verstehe ich das Wort von der Volkszensur oder dem Volksentscheid.
Diese Feststellung enthält freilich ein großes Wagnis. Denn wir wissen, daß es Kreise in unserem Volk gibt — ich sage das ganz offen —, die zwar jahraus, jahrein das Kino besuchen, aber nicht eine Spur von Verantwortung für das Niveau der vorgeführten Filme empfinden. Wir wissen auch, daß es Kreise in unserem Volk gibt, die kein Unterscheidungsvermögen für die Qualität eines Films haben oder die sogar ihre helle Freude an schlechten Filmen haben.
Auch sie haben die Gestalt des deutschen Films mitgeprägt, wenn auch in negativem Sinne. Es wäre völlig falsch, wenn der deutschen Filmwirtschaft die alleinige Schuld an gewissen Mißständen zugeschrieben
und sie gewissermaßen zum alleinigen Prügelknaben dafür gemacht werden sollte, daß sich der deutsche Film heute noch in einem gewissen Krisenzustand befindet. Es ist eine durchaus nicht eindeutig zu beantwortende Frage, wer mehr Schuld an schlechten Filmen trägt, ob die Produzenten, die sie herstellen, oder die Kinobesucher, die sie bestaunen.
In einem interessanten Buch von Karl Bednarik „Der junge Arbeiter von heute — ein neuer Typ" — der Verfasser stammt aus der Sozialistischen Arbeiterjugend — stehen folgende interessante und zum Nachdenken anregende Sätze:
Der Schablonfilm, den die Arbeiterjugend bevorzugt, ist eine seit Jahren eingespielte Kollektivarbeit der Produzenten mit dem Konsumenten. Keine Meinung ist haltloser als jene, daß der Film die Jugend verderbe; im Gegenteil verdirbt die Jugend den Film, so wie sie,
wenn auch nicht in demselben Maße, durch die Art ihrer Lektüre das Literaturniveau senkt. Die Arbeiterjugend stellt heute den größten Teil der Kinobesucher. Sie ist das Heer jener, die mit einem nicht geringen Teil ihres Einkommens den Film finanzieren und bestimmen.
Dieser Auffassung mag widersprochen werden. Man kann darüber streiten, ob sie nicht zu überspitzt formuliert ist. Aber der gewaltige Einfluß der Kinobesucher auf die Ausgestaltung der Filme kann nicht ernsthaft geleugnet werden. Das gilt nicht nur für die jungen Arbeiter, sondern ebenso für jene zahllosen anderen Kinobesucher, die sich gedankenlos und willenlos der Welt des Films hingeben, um sich von ihr betäuben zu lassen, ohne daß sie irgendeine Verantwortung für den Film empfinden.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt heute in Deutschland Gott sei Dank eine große und ständig wachsende Zahl von Kinobesuchern, die von einem lebendigen Verantwortungsbewußtsein für den Film erfüllt sind. Auf ihre Entscheidung, auf die Entscheidung der verantwortungsbewußten Menschen in Deutschland vertrauen wir. Wir von der CDU sind, aufs Ganze gesehen, in der Zeit seit 1945 nicht schlecht damit gefahren, daß wir auf die Entscheidung des Volkes vertraut haben.
Die Filmkritik leistete dem deutschen Film sehr oft wertvollste Dienste. Leider wird diese Kritik von den Theaterbesitzern nicht immer positiv aufgenommen. Eine große Zeitung meines Landes — es war keine CDU-Zeitung, sondern eine Zeitung, deren Herausgeber der Kollege Schoettle von der SPD-Fraktion ist — veröffentlichte unlängst eine Kritik an dem schlechten Niveau der in der Landeshauptstadt gespielten Filme. Diese Zeitung wurde darauf samt der anderen großen Zeitung meiner Landeshauptstadt von den Filmtheaterbesitzern in Acht und Bann erklärt und unter Anzeigenboykott gestellt. Solche Dinge sollten sich nicht ereignen. Wenn der Film für sich die Freiheit der Gestaltung in Anspruch nimmt, sollte er auch der Presse die Freiheit der Kritik zugestehen.
Zahlreiche Erzieher, die von Sorge um den Einfluß des Filmes auf die Jugend erfüllt sind, bemühen sich, auf die Jugend einzuwirken, um sie zur kritischen Betrachtung des Filmes anzuleiten. Die rasch gewachsene Bewegung der Filmklubs — es war heute schon die Rede von ihnen — hat sich große Verdienste um den Film erworben. Die aus der Arbeit der Besatzungsmächte erwachsenen Filmdienste — sie sind insbesondere in der amerikanischen und britischen Zone tätig gewesen — haben eine überaus positive und wertvolle Aufbauarbeit für den Film geleistet, die sich in neuerer Zeit immer mehr ausbreitet und die volle Förderung verdient. Jugendverbände, Elternvereinigungen, Kulturorganisationen und andere freie Kräfte der verschiedensten Art haben eine Verantwortung für den Film empfunden und aus dieser Verantwortung gehandelt. Aber am allerbedeutsamsten war es wohl, daß in den Kirchen beider Konfessionen große Organisationen entstanden sind, die sich um den Film kümmern. In ihnen haben sich fast 4 Millionen Menschen zum Kampf für den guten Film und gegen den schlechten Film zusammengefunden. Diese Streitmacht zählt nach der Feststellung der Zeitschrift „Die Gegenwart" heute
schon drei- bis viermal mehr Mitglieder als alle politischen Parteien zusammengenommen und hat mehr als zwei Drittel der Stärke des Deutschen Gewerkschaftsbundes erreicht. Es sind freie deutsche Staatsbürger, die sich aus freier sittlicher Entscheidung, im Bewußtsein ihrer Verantwortung für die eigene Person, für ihre Kinder, für die Familie, für ihr Volk und für die Welt für den guten Film einsetzen. In einer gemeinsamen Entschließung haben sie ihren Willen wie folgt bekundet:
Wir stimmen darin überein, daß die Gesundung des deutschen Filmes und die Herstellung von Qualitätsfilmen nicht allein oder vornehmlich von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängen. Vielmehr kommt es darauf an, in der Filmgestaltung das echt Menschliche zu bewahren und durch sie die heilenden Kräfte der Lebensbewältigung zu stärken. Für solche Filmwerke werden wir eintreten, und wir sind bereit, das Verständnis für sie zu erweitern und zu vertiefen.
Müßte nicht die Filmwirtschaft eine helle Freude daran haben, daß sie eine so verantwortungsbewußte Kundschaft hat? Ich vermute wohl richtig, wenn ich annehme, daß sich der Herr Bundesminister für Familienfragen bei seiner Rede in Düsseldorf zum Sprecher dieser Staatsbürger gemacht hat, wenn er Kritik am Film geübt hat. Wenn ein Bundesminister sich zum Sprecher der Staatsbürger unseres Landes macht, so empfinde ich das als eine gute Sache. Die Minister sollen nicht allzuhoch oben in den Wolken thronen, sondern sie sollen sich bei Wahrnehmung ihres Ministeramtes auch zu Anwälten des Volkes machen. Sie sollen versuchen, herauszuhören und herauszuspüren, was der Wille des Volkes ist.
Es ist nicht meine Aufgabe, die Rede des Ministers in allen Einzelheiten hier zu vertreten. Dazu ist er, wie Sie selbst gesehen haben, selbst Manns genug.
Man darf an der Wirklichkeit und an den Tatsachen nicht vorbeigehen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich weite Schichten unseres Volkes heute in einer offenen Auflehnung gegen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Filme befinden, die heute in den Filmtheatern gezeigt werden. Diese Staatsbürger legen an den Film die Maßstäbe des christlichen Sittengesetzes an und kommen dabei vielfach zu negativen Ergebnissen.
Es wäre ein großer Irrtum, anzunehmen, daß diese Einstellung nur für die Haltung der katholischen Staatsbürger bestimmend wäre. Sie gilt — ich unterstreiche, was hier der Familienminister gesagt hat — genau so für breite Schichten des evangelischen Volkes.
Unlängst übte eine deutsche Filmzeitung Kritik an den amerikanischen Grundsätzen der Filmselbstkontrolle und bemerkte: „Die Welt ist fortgeschritten, aber der amerikanische production code ist stehengeblieben." Darauf schrieb der „Evangelische Filmbeobachter", — das Organ der evangelischen, kirchlichen Filmarbeit — einige herbe Glossen über den viel gerühmten „Fortschritt" der Welt auf dem Gebiet des Films und stellte schließlich mit einem einzigen, lapidaren Satz fest:
„Gottes Gebote werden durch keinen Fortschritt überholt; sie sind auch keine Zwangsjacke, sondern sie sind die einzige Chance, mit dem Leben — auch mit dem Leben von 1954 — auf eine sinnvolle Weise fertig zu werden."
Jene Filmzeitung, die unlängst schrieb, die Evangelische Kirche lehne eine kirchliche Nebenzensur als „unwürdige Bevormundung der Freiheit eines christlichen Menschen ab", griff im entscheidenden Punkt völlig daneben. Der evangelische Filmbeauftragte, Pfarrer Werner H e ß , hat kürzlich konstatiert, daß sich die evangelischen und katholischen Auffassungen über das Filmwesen zu 99% decken. In der Spielzeit von 1953 haben die Kirchen beider Konfessionen 150 Filme überprüft. Nur bei einem von diesen kam es zwischen den beiden Kirchen zu einer verschiedenen Beurteilung. Angesichts dieser Tatsache sollte man endlich aufhören, mit dem Schlagwort von der drohenden Klerikalisierung des Films künstlich Gegensätze zwischen evangelischen und katholischen Bürgern zu konstruieren; denn hier gibt es gar keine solchen.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich als evangelischer Christ verpflichtet, einmal ganz eindeutig und klar an dieser Stelle eine Tatsache auszusprechen, um die es hier geht:
Das Wesen evangelischen Christentums besteht nicht darin, Antithesen gegen die katholische Welt herauszuarbeiten. Das Wesen und der Kern des evangelischen Christentums liegt darin, auf den Herrn der Kirche zu hören und ihm zu gehorchen.
Man sollte auf die Staatsbürger, die den besseren Film fordern, hören. Sie können mit Recht verlangen, daß man sie hört. Sie sind nicht deshalb minderen Rechtes, weil sie sich auf das christliche Sittengesetz berufen. Dem Staatsbürger kann man nicht den Mund verbieten. Der Staatsbürger ist der Oberbefehlshaber in der Demokratie. In ihr gebietet das Volk. Es erscheint heute nötig, darauf hinzuweisen, daß in einer freien Demokratie die Staatsgewalt vom Volk ausgeht.
Ein großer Deutscher hat einmal gesagt, man solle dem Volk aufs Maul sehen. Ich habe den Eindruck, daß es sich je und dann auch für den Deutschen Bundestag empfiehlt, dem Volk „aufs Maul zu sehen". Wenn sich der Bundestag bei seiner Einstellung zu den Filmproblemen von dem Blick auf das leiten läßt, was das echte Anliegen verantwortungsbewußter Volksschichten ist, dann wird er zu einer guten, eindeutigen, klaren, fruchtbaren und sinnvollen Entscheidung kommen.
Die Filmwirtschaft hat in letzter Zeit auf die Kritik am Film — leider, muß ich sagen — sehr, sehr bitter reagiert. Sie ist im vollen Recht, wenn sie sich gegen Verallgemeinerungen wehrt. Sie handelt aber falsch, wenn sie die kritischen Stimmen mißachtet und ihnen von vornherein böswillige Absichten unterstellt.
Im Geschäftsleben gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, die Wünsche der Kunden sorglich zu behandeln und die Wünsche der guten Kunden ganz besonders zu beachten.
Meine Herren von der Filmwirtschaft — ich bin sicher, daß eine Reihe von ihnen hier sind —, beachten Sie wohl, daß es Millionen Ihrer besten
Kunden sind, die heute an Ihre Türe klopfen. Achtung und Respekt vor diesen Kunden muß der Filmwirtschaft dringend empfohlen werden. Diese Empfehlung ist sehr gut gemeint. Sie kommt von einem Manne, der sich mit als Anwalt der Filmwirtschaft fühlt und der in besonderem Maße von positiven Leistungen, die die Filmwirtschaft vollbracht hat, beeindruckt ist. Kundendienst, pfleglicher und sorgfältiger Dienst am Kunden ist das Gebot der Stunde für die Filmwirtschaft.
Ich sehe es als ein erfreuliches Zeichen von Rücksichtnahme auf Kundenwünsche an, daß die deutschen Verleihfirmen — wie mir dieser Tage mitgeteilt wurde — beschlossen haben, sorgfältige Maßnahmen zu treffen, die die völlige Gewähr dafür bieten, daß künftighin nur solches Werbematerial verwendet wird, das von der Selbstkontrolle freigegeben ist. Ein weiteres erfreuliches Zeichen ist, daß die deutschen Verleihfirmen in allerneuester Zeit einen Arbeitskreis für Autorennachwuchs gegründet haben, der die besten Vorschläge für Drehbücher mit beachtlichen Geldbeträgen prämiieren soll. Auf diese Weise sollen dem Film neue Kräfte zugeführt und das künstlerische und das kulturelle Niveau des Films gehoben werden.
Zu einem guten Kundendienst gehört aber die fortlaufende gewissenhafte Erforschung dessen, was der Kunde will. Es wird immer wieder behauptet, die breite Masse unseres Volkes wolle nur den schlechten und minderwertigen Film. Für diese Behauptung ist man aber bisher den Beweis schuldig geblieben. Ganz gewiß gibt es breite Schichten von Leuten, die das Schlechte und Minderwertige vorziehen. Aber warum rückt die Filmwirtschaft nicht mit klaren und unwiderlegbaren statistischen Feststellungen über die Einspielergebnisse der guten und erstklassigen Filme heraus? Warum bleibt alles in einem gewissen Dunkel? Warum ist es nicht möglich, einwandfreie Feststellungen über die Spielergebnisse aller Filme zu bekommen, die wir im Laufe der letzten Jahre in Deutschland gesehen haben?
Bisher hat nur eine einzige Filmzeitschrift Übersichten über die Einspielergebnisse von Filmen veröffentlicht. Diese Ergebnisse beschränken sich aber auf acht Großstädte der Bundesrepublik. Wenn diese Feststellungen auch heute noch keine allgemeingültigen Schlüsse zulassen, so kann immerhin festgestellt werden, daß unter den 20 innerhalb eines Vierteljahres in diesen Großstädten am besten gebuchten Filmen die prädikatisierten Filme weitaus in der Mehrzahl waren. Nur 6 von diesen 20 Filmen waren solche von geringerer Qualität. Die These, die starke Herausstellung des Erotischen sei ein sicherer Kassenerfolg, hat sich längst als falsch erwiesen. Einer der größten amerikanischen Filmmänner hat für seinen Geschäftsbereich die einfache und klare Parole aufgestellt: „Die Anständigkeit macht Geld!"
Solange nicht durch unwiderlegbare statistische Nachweise das Gegenteil bewiesen ist, wird auch bei uns, davon bin ich überzeugt, der anständig und sauber gearbeitete Film auf die Dauer der bessere Kassenerfolg sein. Die überwältigenden Erfolge einer ganzen Reihe von hervorragenden Filmen, die wir in letzter Zeit in Deutschland gesehen haben, zeigen dies ganz eindeutig. Ich könnte hierzu Namen nennen. Denn es ist bekanntgeworden, wie groß der Kassenerfolg dieser
Filme war. Diese Tatsache muß für unsere Orientierung und Beurteilung bestimmend sein.
Unser Volk will den guten Film. Es will reine Entspannung, es will Ablenkung, es will heitere Unterhaltung. Es erwartet aber vom Film noch mehr. Carl Zuckmayer hat in einer Festschrift für das Bochumer Schauspielhaus erklärt:
Die Seelen hungern, die Herzen frieren, die Geister dürsten. Es ist die Aufgabe des Dramas und die Sendung der Tragödie, Heil zu künden.
Ich glaube, Zuckmayer hat recht. Das Filmschauspiel soll das Leben so darstellen, wie es ist, mit allen seinen Konflikten. Unser Volk erwartet aber vom Film, daß er echte, konstruktive Antworten auf die großen brennenden Probleme des menschlichen Gemeinschaftslebens unserer Zeit gibt. Wenn es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen allen verantwortungsbewußten Kräften in unserem Volk und der deutschen Filmwirtschaft kommt, dann und nur dann wird der deutsche Film seiner inneren Bestimmung gerecht werden können. Der deutsche Film wird dann eine Quelle der Kraft und der Ermutigung für unser Volk werden.