Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bausch hat davon gesprochen, wir sollten danach trachten, möglichst die gemeinsamen Dinge zu sehen und danach erst die uns unterscheidenden. hat auch eine ganze Reihe solcher Gemeinsamkeiten angeführt. Ich bin auch der Meinung, daß in dieser Frage in der Tat eine ganze Reihe von gemeinsamen Anschauungen vorhanden sind. Ich glaube jedoch, daß uns die Debatte auch gezeigt hat, wie sehr wir in der Gefahr sind, Vorurteile zu Urteilen werden zu lassen. Sie zeigt sich insbesondere immer dann, wenn man auf das Gebiet des Kirchlichen und Christlichen kommt. Der Herr Kollege Bausch ist selber dieser Gefahr unterlegen und hat ein Vorurteil zu einem Urteil werden lassen. Er hat davon gesprochen, unsere Redner seien der Meinung gewesen, daß wir uns gegen eine Klerikalisierung der Filmselbstkontrolle wehren müßten. Wenn Sie genau zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, daß in den Ausführungen unserer Sprecher davon überhaupt nicht die Rede gewesen ist.
Wir haben keineswegs Angst davor, daß die Filmselbstkontrolle klerikalisiert werden könne.
Wenn von Klerikalisierung schon die Rede ist — und ich glaube, es geschieht nicht so ganz ohne Grund —, so muß das ja nicht einfach auf alle Gebiete übertragen werden. Wir haben eines deutlich gemacht. Das muß noch einmal klar hervorgehoben werden, um Mißverständnissen, aber auch böswilligen Deutungen vorzubeugen. Wir Sozialdemokraten bejahen, daß in der Filmselbstkontrolle auch die Kirchen vertreten sind und ihr Teil dazu beitragen, daß eine gute Lösung gefunden wird.
Ich unterstreiche das ausdrücklich, damit niemand aus dem Hause gehen und das Gegenteil behaupten kann. Allerdings haben wir auch folgendes deutlich gemacht — und da fängt die Sache mit der Klerikalisierung an —:
Wir sind nicht der Meinung, daß es nur amtlich abgestempelte Vertreter der Kirchen gibt und daß diese allein ein Wort für die Kirche zu sagen haben, sondern wir sind der Ansicht, daß die Menschen, die genau so in der Filmselbstkontrolle sitzen, wie sie hier im Bundestag oder sonstwo sind, auch Christen und Vertreter ihrer Kirche sind und, mögen sie auch nicht den Stempel eines Vertreters der Kirche tragen, doch auch das Recht haben, ein Wort für ihre Kirche und im Sinne der Kirche zu sagen.
Wenn diese Leute in der Filmselbstkontrolle sitzen, haben sie also genau so gut das Recht, ein Wort zu sagen. Wir sind da tatsächlich in der Gefahr, uns zu scheiden und zu trennen.
In dieser außerordentlichen Gefahr stehen wir andauernd. Und das ist die Gefahr der Klerikalisierung.
— Ich kann Sie jetzt nicht verstehen. Die Zeit ist
auch zu kurz, als daß ich mich in eine längere Debatte mit Ihnen einlassen könnte, so gern ich das tun möchte.
Ebenso hat uns der Familienminister deutlich gezeigt, wie er von Vorurteilen erfüllt ist. Er hat an einer Stelle seiner Rede gesagt, daß er keine Unfreundlichkeit gegen die Opposition beabsichtige. Das ist sehr schön. Wir hören so etwas gern, nur möchten wir auch daran glauben können. Der Herr Familienminister hat nämlich diese Unfreundlichkeiten bereits einige Sätze vorher verspritzt und es offenbar nicht bemerkt. Von Leuten, die den Herrn Familienminister gut kennen und auf deren Urteil ich sogar etwas gebe, wird mir immer wieder gesagt, daß er ein wohlmeinender, gutmeinender Mann sei.
Wenn das der Fall ist, dann hat er, wie ich Taube feststellen zu dürfen, keine genügende Kontrolle darüber, was er sagt.
Vielleicht ist das der springende Punkt beim Herrn Familienminister, und vielleicht ist er deswegen auch nicht recht am Platze.
Wie sind denn die Dinge gewesen? Der Herr Familienminister hat z. B. in den Sätzen vorher davon gesprochen, seine Gegner möchten die konfessionelle Zersetzung gern für sich 'benutzen. Ich will es dahingestellt sein lassen, wen er damit gemeint hat. Daß er uns damit gemeint hat, darüber kann es keinen Zweifel geben; ob er auch die FDP und die DP gemeint hat, weiß ich nicht; ich möchte es beinahe unterstellen.
Aber wenn man in dieser Weise kämpft, daß man dem anderen unterstellt, er wolle aus der konfessionellen Zersetzung politisches Kapital schlagen, dann 'hat man aus einem Vorurteil heraus bereits wieder ein Urteil gefällt. Hier tritt eben das alte Vorurteil nicht nur des Herrn Wuermeling, sondern auch sehr vieler 'anderer Leute zutage, die einfach davon ausgehen, daß, wenn von sozialdemokratischer Seite irgendein kritisches Wort gesagt wird, dieses stets verneinenden Charakter habe. Wenn wir auch in bezug auf religiöse und kirchliche Fragen kritische Worte sagen, dann haben Sie noch lange nicht das Recht, daraus zu folgern, wir seien antichristlich oder antikirchlich eingestellt. Ich stehe viel zu lange im kirchlichen Leben, als daß ich nicht wüßte, daß die Notwendigkeit besteht, daß man im kirchlichen Raum selber die kritischen Dinge sagt und daß man gerade deswegen, weil man auch kritische Dinge sagt, zur Sache steht.
Bei der Frage der Klerikalisierung geht es doch um ein Problem, das wir beim Staat genau so haben. Wir als gute Staatsbürger — und ich will hoffen, daß wir hier alle gute Staatsbürger sind — wehren uns mit Recht dagegen, daß der Staat seine Machtposition mißbraucht. Ich als guter Angehöriger meiner Kirche trete dafür ein, daß sie ihre Machtposition nicht mißbraucht oder, noch besser gesagt, daß sie überhaupt keine Machtposition einnimmt, weil das nicht Sache der Kirche ist, sondern daß die Kirche etwas davon weiß, daß sie um der Liebe willen handeln muß und daß sie eine andere Position hat.
Ich glaube, hier handelt es sich in der Tat um Dinge, die nicht ganz klar sind. Der Kollege Mende
hat von der Nebenzensur gesprochen und hat uns Beispiele angeführt. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren — auch die Damen und Herren, die von der katholischen Seite kommen —, daß wir das einfach so leicht hinnehmen dürfen. Ich meine, daß wir ganz im Gegenteil alle Veranlassung haben, hier unser Gewissen zu prüfen und auch die Haltung zu prüfen — allerdings auch die Haltung! Wenn wir solche Dinge hören — und das sind nur einige Beispiele, ich könnte Ihnen ganz andere Beispiele bringen, dazu ist jetzt die Zeit nicht da —, dann werden Sie verstehen, daß wir Veranlassung haben, vorsichtig zu sein.