Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 234 ist beantwortet. Ich stelle formell die Frage, ob eine Besprechung gewünscht wird.
— Ja, nachher. Ich wollte nur formell feststellen,
ob die Voraussetzungen der Geschäftsordnung für
die Besprechung der Großen Anfrage gegeben sind.
Es folgt die
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend ehemaliges reichseigenes Filmvermögen .
Herr Abgeordneter Kalbitzer, bitte!
Kalbitzer , Anfragender: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anfrage Druck-
sache 250 ist aus zwei Besorgnissen heraus gestellt worden. Die erste Besorgnis ist, daß öffentliche Gelder nicht zweckmäßig für die Filmwirtschaft verausgabt werden. Sie erinnern sich vielleicht, daß wir im ersten Bundestag 60 Millionen DM Bundesbürgschaften für den Film zur Verfügung gestellt haben. Ein erheblicher Teil davon ist inzwischen gegeben worden. Die Richtlinien der Bürgschaftsvergabe sind von uns von Anfang an nachdrücklichst kritisiert worden, weil der Zweck, nämlich die notwendige Sanierung des 1945 total ruinierten Films, nicht erfüllt wird und nicht erfüllt werden kann. Einer der wesentlichsten Mängel der Richtlinien über die Vergabe der Gelder liegt darin, daß die Filmproduktion zu 100 °/o verbürgt wird, d. h. mit anderen Worten, daß jedes eigene Risiko der Produzenten ausgeschaltet und zur gleichen Zeit infolge der Form der Bürgschaftsvergabe ein Anreiz zu einer dauernden Überproduktion gegeben wird, ohne daß damit den Filmproduzenten wirklich zu einer Sanierung verholfen wird; diese werden vielmehr weiter wirtschaftlich am Gängelband geführt. So wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was der Bundestag mit den Bürgschaften beabsichtigt hat.
Auf der andern Seite haben wir ein zweites, bundeseigenes Unternehmen, das der Filmwirtschaft erhebliche Kredite zur Verfügung stellt. Das ist das ehemals reichseigene, jetzt bundeseigene und zu liquidierende Goebbels-Ufa-Vermögen. Die Firmen, die nach dem Liquidationsgesetz zu entflechten und zu reprivatisieren sind, produzieren einstweilen mit ihrem eigenen Kapital weiter und machen der neu gegründeten Filmwirtschaft, der durch die Bürgschaften geholfen werden soll, die schärfste und in diesem Maße unlautere Konkurrenz, zumal sie die Kapitalien, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, mit verwenden können. Es ist nach unserer Auffassung unerträglich, daß zwei bundeseigene Unternehmungen gegeneinander arbeiten und sich auf verschiedene Art in der Filmwirtschaft betätigen, so daß der Erfolg des einen notwendigerweise den Mißerfolg des andern Unternehmens herbeiführen muß. Die Filmwirtschaft leidet heute einerseits an der Überproduktion und andererseits an dem Mangel an Eigenkapital, soweit es sich um die nach 1945 aus der Not der Zeit neu entstandenen Unternehmungen handelt. Die Verluste dieser falschen und von der Bundesregierung und ihren Unternehmungen falsch geleiteten Filmproduktion trägt die öffentliche Hand. Damit ist der Beweis für die Berechtigung unserer Besorgnis darüber, daß die Gelder falsch angelegt worden sind, erbracht.
Selbstverständlich müssen wir nun überlegen, welche Möglichkeiten zur Sanierung der Filmwirtschaft gegeben sind. Da möchte ich an die alten Forderungen erinnern, die im Bundestag zwar wiederholt ausgesprochen, aber in keinem einzigen Fall in die Praxis umgesetzt worden sind: die Einfuhr der Filme ist mengenmäßig zu begrenzen, die Zahl der öffentlich geförderten Filme ist auf den Umfang des voraussichtlichen Bedarfs zu begrenzen, und es muß eine Überprüfung der Bürgschaftsrichtlinien vorgenommen werden, um sie mit den Gepflogenheiten der Kredithergabe der Ufi-Liquidationsgeselischaften in Übereinstimmung zu bringen, damit das Gegeneinander dieser beiden bundeseigenen Unternehmungen aufhört. Außerdem muß der Frage der Exportförderung des deutschen Films Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dabei sind wir uns darüber klar, daß es sich einerseits um ein wirtschaftliches, andererseits natürlich um ein qualitatives Problem handelt, weil der deutsche Film bisher nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit gehabt hat, qualitätsmäßig auf dem Weltmarkt anzusprechen.
Die nächste Frage ist die der Vergnügungssteuer, die vom Film bezahlt werden muß und auf die die Gemeinden natürlich dringend angewiesen sind. Bezüglich der Frage der Vergnügungssteuer, die ja auch noch von der Regierungskoalition angesprochen werden wird, möchte ich darauf hinweisen, daß ein Abbau dieser Steuer etwa zu Lasten der Einnahmen der deutschen Gemeinden ganz undenkbar ist. Andererseits ist es aber ein Unsinn, den Film zentral, vom Bund her mit Subventionsgeldern zu unterstützen, die zum Schluß, wenn sie die ganze Filmproduktion durchlaufen haben, als Steuerabgaben wieder herausfließen. Damit hat man weder dem Film gedient, noch ist dadurch der Sinn dieser Subvention erfüllt. Im Gegenteil, man hat das Geld zur Zahlung an die Gemeinden eigentlich nur einen Umweg fließen lassen.
Richtig gesagt handelt es sich also um ein Problem der Finanzreform, auf die wir heute allerdings nicht eingehen wollen. Wir müssen aber doch feststellen, daß wir eine der Aufgaben der Finanzreform zum Beispiel darin gesehen hätten, derartige Unsinnigkeiten zu beseitigen.
Lassen Sie mich nun eine zweite Besorgnis, die wir haben, kurz ansprechen. Sie betrifft die Liquidierung des Goebbels-Ufa-Vermögens, die vom Bundestag beschlossen worden ist und bei der wir befürchten, daß die Entwicklung von der Goebbels-Ufa zurück zu einer Hugenberg-Ufa verläuft. Mit anderen Worten: das Staatsmonopol, wie es die Nazis aufgebaut haben, wird nun bei der Reprivatisierung nicht echt aufgeteilt, sondern geht durch Strohmänner dieses ehemals reichseigenen Goebbels-Ufa-Vermögens an eine Zentrale, an einen privaten Monopolisten über.
Dabei möchte ich betonen, daß wir nicht für eine Atomisierung der Filmwirtschaft sind. Die Filmwirtschaft ist ihrer ganzen wirtschaftlichen Konstruktion nach eine Industrie und benötigt große Betriebe. Wir sind deshalb für konkurrierende Großbetriebe und halten die Konkurrenz nicht nur für eine wirtschaftliche, sondern, was wichtiger ist, für eine kulturelle Notwendigkeit.
Die Liquidation ist vor einiger Zeit angelaufen. Wir müssen erklären, daß wir in diesem Punkte angesichts dessen, was wir bisher gesehen haben, die allerschwersten Bedenken hegen. Diese Bedenken richten sich gegen die Spitze des Liquidationsausschusses. Die Spitze des Liquidationsausschusses bietet nach unserer Überzeugung leider nicht die Gewähr für eine loyale Durchführung des Gesetzes. Ich habe keinerlei Ressentiments gegen die politische Vergangenheit des Herrn Kollegen Dr. Vogel. Es ist nur die Frage, ob der Herr Kollege Dr. Vogel durch seine politische Vergangenheit, die in der Presse allgemein publiziert worden ist und, wie man weiß, auch der Bundesregierung zur Kenntnis gekommen Ist, für diese verantwortungsvolle Aufgabe, wo es sich darum handelt, einen Meinungsbildner, nämlich den Film, auf anständige Weise in ein Konkurrenzverhältnis zu bringen und damit jedes Meinungsmonopol auszuschließen, die richtige Eignung besitzt.
Ich muß hier leider einen Ihnen wahrscheinlich schon bekannten Satz aus einem früheren Artikel von Herrn Dr. Vogel — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — wiederholen. Herr Kollege Dr. Vogel hat am 2. September 1938 zu den Filmfestspielen in Venedig geschrieben:
Wenn trotzdem der deutsche Großfilm einen so durchschlagenden Erfolg erzielte, so ist das der ebenso stillen wie hingebungsvollen Arbeit zu verdanken, die von allen Beteiligten am Film geleistet wird. Es ist bekannt, daß vor allem auch Reichsminister Dr. Goebbels gerade dem deutschen Film seine besondere Aufmerksamkeit und Energie zugewandt hat.
Ich will Sie hier nicht mit einer Reihe sehr peinlicher Artikel allgemein nazistischer Tendenz langweilen, sondern möchte nur feststellen, daß diese Einstellung zu Goebbels und den Filmmethoden der Nazizeit einen Kollegen nicht besonders geeignet erscheinen läßt, heute diese Aufgabe zu übernehmen.
Ich glaube, wenn Herr Dr. Vogel es mit der Demokratie gut meinte, würde er sich von selber von dieser Aufgabe zurückziehen.
Denn es gibt in unserem Bundestag weiß Gott genügend Aufgaben, die nicht von dieser politischen Delikatesse sind wie die vorliegende.
Ungefähr das erste, was der Liquidationsausschuß beschlossen hat, war — man kann es nur unter die Überschrift „Vom Hoheitsträger zum Wissensträger" stellen —, Herrn Dr. Winkler, der von 1933 bis 1945 die demokratische freie Presse und den unabhängigen Film für Goebbels aufgekauft hat, in einer Form, die man schlechthin nur als politische Leichenfledderei bezeichnen kann,
dem Herrn Dr. Winkler, der bis 1945 der oberste Chef der deutschen Nazifilmwirtschaft gewesen ist, 100 000 Mark — D-Mark! — zuzusprechen, und zwar mit der erstaunlichen Begründung, daß Herr Dr. Winkler ein Wissensträger der Filmwirtschaft sei.
Diese 100 000 DM werden erst dann ins rechte Licht gesetzt, wenn man weiß, daß derselbe Liquidationsausschuß für weitere eintausend Ufa-Pensionäre ganze 200 000 DM als Pension und Abfindung zur Verfügung gestellt hat.
Hier ist doch wohl die Frage erlaubt, was die Herren des Liquidationsausschusses, wenn sie in dieser Form Geld ausgeben, noch weiterhin verschenken werden.
Wir halten es für unbedingt notwendig, daß die Ufi-Liquidation, wie es von der Sozialdemokratischen Partei schon von Anfang an gefordert worden ist, einer demokratischen Kontrolle unterstellt wird. Es ist unerträglich, wenn die Bundesregierung einerseits sagt, diese Liquidation sei eine reine Verwaltungsaufgabe und könne nur von Beamten gemacht werden, andererseits aber außer den Beamten, die in dem Ausschuß tätig sind, an die Spitze ausgerechnet einen einzigen CDU-Abgeordneten und dann auch noch Herrn Dr. Vogel stellt. Entweder ist es eine wirkliche Verwaltungsaufgabe, bei der dann auch die Verwaltung die dazu notwendigen Methoden anzuwenden hat, oder es ist eine Aufgabe, bei der das Parlament zu kontrollieren hat; dann ist Herr Dr. Vogel nicht derjenige, der für das Parlament diese Kontrolle ausüben kann.
Ich muß Ihnen offen sagen, daß, wenn diese demokratische Kontrolle jetzt nicht nachträglich und schnellstens gewährt wird, ein politischer Skandal unschwer vorauszusagen ist.
Zum dritten möchte ich auf ein Bedenken zu sprechen kommen, das sich damit befaßt, wer als Strohmann dieses frühere Nazieigentum übernimmt. In der Öffentlichkeit ist bekanntgeworden, daß Strohmänner der früheren Firma Krupp versuchen, die verschiedenen zu liquidierenden Firmen aufzukaufen. Soweit bisher bekanntgeworden ist, sind als Reflektanten dieses Vermögens Banken und Finanzmakler hervorgetreten. Banken sowohl als auch Finanzmakler sind in der Regel keine eigenen Käufer, sondern kaufen für jemandes anderen Rechnung; das ist nur natürlich. Die Öffentlichkeit hat in dieser wichtigen Angelegenheit ein Recht darauf, vor dem Verkauf zu wissen, wer der wirkliche Käufer dieser Vermögen sein wird.
Das ist durch die jetzigen Methoden des Liquidationsausschusses nicht nur nicht sichergestellt, sondern garantiert verhindert, weil er bisher im geheimen gearbeitet hat und man das, was über seine Tätigkeit zu erfahren war, nur unter der Hand erfahren konnte.
Um also das Liquidationsgesetz durchzuführen, muß man auf die in dem Gesetz mit ausreichender Sicherheit vorgesehene Ausschaltung der Strohmänner hinarbeiten.
Ich komme zu einem letzten Problem, dem Problem des amerikanischen Einflusses auf den westdeutschen Filmmarkt. In der Bundesrepublik vagabundieren zur Zeit schätzungsweise über 50 Millionen DM in Form von Sperrmark als amerikanisches Kapital. Diese hohen Summen haben sich dadurch angesammelt, daß nach dem Kriege amerikanische Filme einflossen, weil keine deutschen Filme produziert wurden und die Nazi-Filme in der Regel nicht laufen durften. Diese über 50 Millionen DM werden offenbar von den amerikanischen Eigentümern dazu verwandt, in wirtschaftlich unverantwortlicher Weise deutsche Filmtheater aufzukaufen. Außerdem sind heute von den großen Filmverleihen, die ihrerseits von den Bundesbürgschaften profitieren, faktisch mehrere in ausländischer Hand. Es ist uns hier keineswegs darum zu tun, daß alle Unternehmungen, die sich in Deutschland betätigen, auch in deutscher Hand sein müssen, und es wird hier keinesfalls einer nationalen Autarkie das Wort geredet. Aber es ist ein ungesunder Zustand, daß, dank der wirtschaftlichen Unterentwicklung des neuen deutschen Films, nun das ausländische Kapital hier eine übermächtige Rolle spielen kann.
Wir meinen deshalb, daß es dringend an der Zeit ist, daß die Bundesregierung Schritte unternimmt, um mit den amerikanischen Sperrmarkbesitzern zu vereinbaren, in welcher loyalen Weise die amerikanische Sperrmark hier in Deutschland weiter verwandt wird, und zwar in einer Form, daß sie entweder ihre Sperrmark dadurch verausgaben, daß sie in Deutschland Filme produzieren lassen, oder daß diese Sperrmark transferiert wird, aber nicht dadurch, daß von den Amerikanern deutsche Filmtheater aufgekauft und zu Theaterketten zusammengeschlossen werden und damit dem amerikanischen Film ein übergebührlicher — ich sage: übergebührlicher — Einfluß eingeräumt wird.
Ebenso ist es mit der Frage der Filmeinfuhren. Wir haben seit langem darauf bestanden, daß ausländische Filme — wobei es sich in erster Linie um amerikanische, erst in zweiter und dritter Linie um englische, französische und italienische Filme handelt — in einem begrenzten Umfange eingeführt werden, so wie es außer in Deutschland überall in der Welt üblich ist. Die Bundesregierung hat bisher gemeint, dafür keine Möglichkeit durch Schaffung gesetzlicher Grundlagen zu haben. Ich meine dagegen, die Bundesregierung hätte längst die Möglichkeit gehabt, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, oder hätte versuchen können, selbst ohne gesetzliche Grundlage zu einem Gentleman's Agreement, zu einer Vereinbarung mit den Amerikanern zu kommen. Zu einer Gesundung der deutschen Filmwirtschaft gehört es auch, daß diese den deutschen Markt als erste beliefern kann und daß das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Filmen auch wirtschaftlich ein gesundes und vertretbares Maß hat. Wenn das nicht der Fall sein kann, dann werden alle Subventionen, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart für den Film gegeben wurden und gegeben werden, umsonst gegeben; und das hieße in der Tat eine Verschwendung des Vermögens.
Wir sind der Meinung, daß es möglich sein sollte, die Sanierung des deutschen Films mit einigen Abänderungen der Bürgschaftsrichtlinien zu erreichen, und bitten die Bundesregierung um mehr Aktivität als in der Vergangenheit.