Rede von
Ludwig
Metzger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich glaube, wir müssen alle ernsthaft prüfen, ob nicht irgendwo Übergriffe vorhanden sind, ob nicht irgendwo ein Machtbewußtsein sich geltend macht, das wir gerade vom Christlichen her unter keinen Umständen bejahen können. Wenn wir es mit dem Christentum ernst meinen, müssen wir auf der Hut sein. Das Wort von der Volkszensur ist nicht aus dem Weg geräumt. Der Herr Minister Wuermeling hat zum Schluß noch einmal geglaubt, er sei als Sieger aus der Debatte hervorgegangen und habe recht gehabt. Schon zu der Einstellung, er habe recht gehabt und die anderen hätten unrecht gehabt, muß ich sagen: gerade von einer christlichen Haltung her sollte man so nicht reden. Aber der Herr Minister hat etwas anderes getan — und damit hat er sich wieder demaskiert —, er hat nämlich zugegeben, das Telegramm an diejenigen geschickt zu haben, die die öffentliche Ordnung gestört haben. Und er hat uns gesagt: Ich habe nicht alles gebilligt, ich habe die Haltung gebilligt.
Wir haben ganz erhebliche Bedenken und wir haben Angst davor, daß man mit der Billigung einer Haltung, die man so ins Blaue hinein rechtfertigen kann, auch die Konsequenzen mit in Kauf nimmt.
Wir haben allerdings die Befürchtung, daß sehr viel von Haltung die Rede ist, ohne daß man von den Konsequenzen redet, daß man die Konsequenzen will oder mindestens mit in Kauf nimmt. Und wenn wir an die Debatte hier denken, so sind unsere Bedenken — —
— Haben wir Telegramme geschickt? Der Herr Minister Wuermeling hat Telegramme geschickt, aber nicht wir.
Er hat diese Tat damit begründet, daß er sagt, in der Haltung sei er damit einig. — Wenn wir diese Haltung einnehmen, können wir allerdings auf diesem Gebiet noch mancherlei erwarten.
Wie wenig die Sorge darum, daß auf dem Gebiet des Konfessionellen, des Kirchlichen die Gefahr der Klerikalisierung entsteht, von der Hand zu weisen ist, zeigt nicht nur die Tatsache, daß wir Sozialdemokraten, die Liberalen usw. erhebliche Bedenken haben, sondern das beweist auch die Tatsache, daß kirchliche Gremien sich sehr ernsthaft mit diesen Fragen befassen. Ich möchte jedem Abgeordneten hier im Hause, einerlei, wo er steht, empfehlen, einmal die Verhandlungen zu verfolgen, die auf der Synode der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin gepflogen worden sind. Leider kann ich Ihnen nicht vermitteln, was in dem Ausschuß für Familienfragen verhandelt worden ist, in dem ich selber mitgesessen habe, weil der Ausschuß nicht öffentlich getagt hat. Aber lesen -Sie einmal die Reden; dann werden Sie finden, was auch da an Befürchtungen laut wird. Ich will Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nur eine Stelle aus der Entschließung der Synode vorlesen, aus der Sie ersehen können, daß man nicht ohne Bedenken ist. Es heißt da:
Die Synode hält es für geboten,
— meine Herren, Sie werden nichts dagegen haben, daß ich die Worte eines kirchlichen Gremiums vorlese; oder sollte sich dagegen Widerspruch erheben?, ich glaube doch, kaum —
an dem geltenden Recht der obligatorischen Zivilehe festzuhalten. Sie befürchtet, daß die Einführung der fakultativen Zivilehe zu Gewissenszwang führt, die Rechtseinheit beeinträchtigt, Rechtsverwirrung stiftet, was um des Zusammenlebens der Menschen in unserem Volk willen vermieden werden muß.
Ich glaube, die Synode hat hier auf einen sehr deutlichen Punkt verwiesen, auf das Zusammenleben des Volkes. Meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Familienminister, ich bitte, immer daran zu denken, daß um des Zusammenlebens des Volkes willen eine ganze Reihe von Dingen nicht getan werden dürfen, die hier immer wieder versucht werden. Man weicht zwar zurück, wenn man Widerstände merkt. Aber wir haben den Eindruck, daß dieses Zurückweichen nur taktischer Natur ist, daß der Nachstoß kommt.
Wenn wir uns dagegen wehren — ich will das noch einmal ausdrücklich sagen —, so nicht etwa deswegen, weil wir gegen die christlichen Gehalte oder gegen die Kirche sind, sondern im Gegenteil, weil wir wollen, daß das Christentum sich in unserem Volke rein darstellt und daß es auch nicht
mißbraucht wird, sei es politisch, sei es sonst in irgendeiner Weise. Darum geht es. Wir haben es von der Fraktion der SPD aus für richtig gehalten, das noch einmal deutlich herauszustellen, damit es endlich aufhört, daß man Vorurteile besitzt und daraus das Recht herleitet, sich Urteile zu bilden und damit Urteile über andere zu fällen, die ihnen Unrecht tun.