Rede:
ID0202202900

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2022

  • date_rangeDatum: 2. April 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:52 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Schneider: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 46 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 41
    1. der: 3
    2. Ich: 2
    3. Redner: 2
    4. wir: 2
    5. habe: 1
    6. noch: 1
    7. neun: 1
    8. für: 1
    9. diesen: 1
    10. Punkt: 1
    11. Tagesordnung: 1
    12. auf: 1
    13. Liste: 1
    14. stehen.: 1
    15. Um: 1
    16. 15: 1
    17. Uhr: 1
    18. wollten: 1
    19. überhaupt: 1
    20. schließen.: 1
    21. bitte: 1
    22. die: 1
    23. Herren: 1
    24. Redner,: 1
    25. das: 1
    26. zu: 1
    27. überlegen.: 1
    28. Wenn: 1
    29. weiter: 1
    30. so: 1
    31. verfahren,: 1
    32. kann: 1
    33. nicht: 1
    34. jeder: 1
    35. eine: 1
    36. Stunde: 1
    37. sprechen.Das: 1
    38. Wort: 1
    39. hat: 1
    40. Abgeordnete: 1
    41. Mende.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. April 1954 747 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. April 1954. Geschäftliche Mitteilungen 747 C Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Schroeder (Berlin) 747 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Äußerungen des Bundesministers Dr. Wuermeling über das Filmwesen (Drucksache 234) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ehemaliges reichseigenes Filmvermögen (Drucksache 250), mit der B) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundesbürgschaft für Filmvorhaben (Drucksache 349), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Koordinierung der Filmpolitik des Bundes und der Länder in bezug auf Steuererleichterungen (Drucksache 380) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Ufi-Vermögen und Finanzierung deutscher Filmproduktion (Drucksache 381) 747 D Paul (SPD), Anfragender 748 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 751 A, 781 C Kalbitzer (SPD), Anfragender . . . 751 D, 770 B, C, D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft 754 B, 759 A Muckermann (CDU/CSU), Antragsteller 756 A Kühn (Köln) (SPD) 759 B, 787 A Dr. Wuermeling, Bundesminister für Familienfragen 764 B, 766 A, 768 C, 789 C Jacobs (SPD) 766 A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) 768 C Bausch (CDU/CSU) 769 B, 770 C, D Dr. Mende (FDP) 775 C Kemmer (Bamberg) (CDU/CSU) . . 781 D Gräfin Finckenstein (GB/ BHE) . . . 785 A Becker (Hamburg) (DP) 785 C Dr. Strosche (GB/ BHE) 788 A Metzger (SPD) 790 A, 791 A Dr. Mommer (SPD) 791 A D. Dr. Ehlers (CDU/CSU) 792 A Überweisung der Anträge Drucksachen 349, 380, 381 an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 792 C Absetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pressepolitische Pläne der Bundesregierung (Drucksache 313) von der Tagesordnung 785 C, 792 C Nächste Sitzung 792 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Paul Bausch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Gut. Ich bin überhaupt überzeugt, daß es uns in der heutigen Debatte und auch bei anderer Gelegenheit gelingen wird, gemeinsame Auffassungen in bezug auf dieses interessante Thema festzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist ja viel besser, wenn wir uns bemühen, herauszukriegen, wo wir einig sind, als wenn wir uns immer so sehr anstrengen, herauszubekommen, wo wir gegensätzliche Meinungen haben.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wohin schrankenlose Freiheit führt, das sieht man doch in Italien, wo nach verläßlichen Angaben von 14 führenden Filmproduzenten 4 eingeschriebene Mitglieder der kommunistischen Partei sind und 4 weitere zu ihren Mitläufern gehören.
    Schon in der letzten Legislaturperiode hat der Bundestag diese Zusammenhänge klar und eindeutig erkannt. Schon damals wurde mit Zustimmung fast aller Fraktionen des Bundestags ein besonderer Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films eingesetzt. Bundestag und Bundesregierung haben eine sehr sorgfältig und behutsam abgewogene Politik auf dem Ge-


    (Bausch)

    biet des Films eingeleitet. Mein Kollege Muckermann hat auf die leitenden Gesichtspunkte für diese Politik schon hingewiesen. Er hat auch darauf hingewiesen, wie schwer es damals nach dem Krieg, nach der schweren Katastrophe, gewesen- ist, die auch für den Film schon durch die Zerstörung seiner Anlagen und dann erst recht durch die fast vollkommene Demontage seiner Einrichtungen durch die Besatzungsmacht eine unerhört schwere Zeit gebracht hat — wie schwierig die Versuche waren, in Deutschland eine neue Filmwirtschaft aufzubauen. Die Grundzüge der Politik des Bundestags — eine Bundesbürgschaft von 20 Millionen DM, eine Bundesbürgschaft von 60 Millionen DM, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der FSK, Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Institutionen für die Bundesbürgschaft — zeigen ganz klar und eindeutig, daß die Politik des Bundes auf dem Filmgebiet von vornherein, schon vom Jahre 1949 an, eine Politik war, die man mit guten Gründen als eine Politik der helfenden Hand gegenüber der Filmwirtschaft bezeichnen kann. Diese Politik der helfenden Hand, diese Politik des Versuchs des Bundes, der Filmwirtschaft aus ihrer Katastrophe herauszuhelfen, hat ganz ohne Zweifel ihre Früchte gezeitigt. Rein wirtschaftlich gesehen: die Filmwirtschaft ist vorangekommen. 'Im Jahre 1953 wurden 103 Spielfilme erzeugt. Was die geistige, sittliche, ethische und künstlerische Substanz des deutschen Films anbelangt, so ist diese ganz naturgemäß ein Spiegelbild der geistigen Krise unserer Zeit. Es muß aber gesagt werden, daß sich — und das ist auch heute schon mehrfach gesagt worden — unter den Filmen, die in Deutschland erzeugt worden sind, eine ganze Reihe hervorragender Werke befinden. Die Schöpfer dieser Werke, die ihre Aufgabe mit einer geradezu unerhörten Hingabe erfüllen, haben sich durch ihre Arbeit Dank und große Verdienste erworben.
    Was soll nun in Zukunft geschehen? Darüber ist schon Grundlegendes gesagt worden. Ich will mich darauf beschränken, lediglich einiges von dem, was mein Freund Muckermann hier gesagt hat, noch einmal kurz zu unterstreichen.
    Was das System der Filmbürgschaften anbelangt, so sind seine Gefahren und Mängel im Verlaufe ihres Ausbaus in stärkerem Maße hervorgetreten, als das zunächst zu vermuten war. Der Gesellschaft werden zur Begründung der Anträge auf Bewilligung von Bürgschaften neben den Kostennachweisen nur die Drehbücher vorgelegt. Auf Grund der Kostennachweise und der Drehbücher versuchen die verantwortlichen Männer der Filmbürgschaftsgesellschaft sich ein Urteil über die zu schaffenden Filme zu bilden. Die Gesellschaft gibt das Geld des Bundes hin, wenn sie glaubt, daß ein Film seine Herstellungskosten einbringen und einen positiven wirtschaftlichen Ertrag abwerfen wird. Die Richtlinien der Filmbürgschaftsgesellschaft enthalten im Gegensatz zu den Richtlinien der Freiwilligen Selbstkontrolle nur wenige Maßstäbe, die sich auf die Qualität und den Inhalt des Films beziehen. Sie legen im wesentlichen nur die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bürgschaftshingabe fest. Diese Festlegung ist natürlich notwendig, um zu verhüten, daß der Bund bei der Bürgschaftshingabe Geld verliert.
    Das Parlament aber, meine Damen und Herren, steht vor der Situation, daß es Millionensummen aus Steuergeldern für die Erzeugung von Filmen bewilligt, aber keine Gewähr dafür hat, daß die erzeugten Filme so beschaffen sind, daß ihre Herstellung verantwortet werden kann. Wenn das Parlament aber — ich hoffe, daß ich damit eine Wahrheit ausspreche und eine Auffassung vertrete, die die allgemeine Billigung findet — schon Geld geben soll, so muß es doch auch wissen, was mit dem Geld geschieht. Dies ist eine einfache, klare Forderung, der vernünftigerweise nicht widersprochen werden kann.

    (Abg. Ritzel: Ich werde Sie bei der Beratung über das Presse- und Informationsamt daran erinnern!)

    — Ich bin immer offen für gute Gedanken, Herr Ritzel, das wissen Sie ja. — Daß das Parlament dies aber bei dem heutigen System der Bürgschaften nicht weiß, ist im Hinblick auf die Zwitterstellung des Films als Industrieprodukt einerseits und als Kulturträger andererseits ein auf die Dauer nach unserer Auffassung völlig untragbarer Zustand. Denn es kann sich jede Stunde ereignen, daß ein Film auf dem Markt auftaucht, der in der Öffentlichkeit der schärfsten Kritik begegnet, und daß sich dann herausstellt, daß dieser Film mit Hilfe von Steuermitteln des Bundes hergestellt wurde. Mit vollem Recht fragt aber dann das Volk: Sind denn Steuermittel dazu da, anfechtbare Filme zu erzeugen?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Der Bundestag ist dann diesen Angriffen schutzlos preisgegeben. Aus dieser auf die Dauer schwierigen und unbefriedigenden Situation gibt es nur einen einzigen Ausweg, nämlich den, das System der Bundesbürgschaft so bald als möglich abzuschaffen und die Finanzierung der Filme auf dem freien Kapitalmarkt vorzunehmen, was heute ja viel eher möglich ist, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Solange dieses System aber noch besteht, sollte eindeutig klargestellt werden, daß mit Hilfe von Bundesbürgschaften nur solche Filme hergestellt werden, die zumindest den Anforderungen genügen, die die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft nach ihren Richtlinien an den Film stellt. Dieses sicherzustellen, ist der einzige Sinn des von meiner Fraktion gestellten Antrags Drucksache 349. Damit wird ganz und gar nichts Ungewöhnliches, sondern etwas völlig Selbstverständliches gesagt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Wer vom Staat Geld haben will, muß es sich gefallen lassen, daß sich der Geldgeber an die für ihn bindenden Normen hält. Diese Normen sind aber im Grunde genommen keine anderen als die im Grundgesetz festgelegten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Damit taucht natürlich die andere Frage auf, ob es nicht geboten ist, in irgendeiner Form staatliche Mittel dafür einzusetzen, daß besonders hervorragende Filmwerke hergestellt werden. Ein solcher Einsatz vollzieht sich in fast allen Ländern Europas. Wir werden auf die Dauer um die Prüfung dieser Frage nicht herumkommen. Ich bin der Meinung, daß sehr sorgfältige Überlegungen darüber angestellt werden sollten, um allen denen, die gute Filme herstellen und die gute Filme in der Öffentlichkeit vorführen, eine wirkliche Ermutigung und eine Hilfe zuteil werden zu lassen.
    Über das Problem der Vergnügungssteuer ist schon sehr Gewichtiges gesagt worden. Kürzlich hat ein Mann, der von dieser Angelegenheit sehr viel versteht, gesagt, den Gesetzentwürfen der Län-


    (Bausch)

    der zur Vergnügungssteuer schaue die Geldgier. aus allen Knopflöchern heraus, diese Gesetzentwürfe seien nicht im geringsten von kulturellen Gesichtspunkten berührt. Viel gescheiter, als dem Film durch Bürgschaften zu helfen, sei es, wenn das System der Vergnügungssteuer von Grund auf geändert würde, wenn die von der Filmbewertungsstelle der Länder prädikatisierten Filme durch die Senkung oder durch den Erlaß der Vergnügungssteuer ausgezeichnet würden und wenn dadurch errreicht würde, daß dem wertvollen Film dieselbe Förderung durch die staatliche Hand zuteil würde, die seit Jahr und Tag bei der Oper, beim Schauspiel und beim Ballett in allen Ländern gang und gäbe sei.
    Dieser Auffassung können wir nur vollinhaltlich zustimmen. Die Vergnügungssteuer ist in der Mehrzahl der Länder in ihrer heutigen Gestalt roh, rückständig und kulturfeindlich. Filme jeder Art, auch erstklassige Filme, werden heute noch weit höher besteuert als etwa der Zirkus, das Freistilringen, Modeschauen, Preiskegeln und ähnliche Veranstaltungen. Wenn der Weg begangen würde, der hier vorgeschlagen wird, und wenn die Länder sich zu einer Änderung dieser Gesetze entschließen würden, würde also nur die Praxis fortgesetzt, die auf anderem Gebiet, gegenüber den Theatern, schon längst eingeführt ist.
    Über die Freiwilige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft gibt es immer wieder Mißverständnisse. Das Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle, in freiwilliger Selbstdisziplin eine Kontrolle aller in Deutschland aufzuführenden Filme vorzunehmen, ist absolut richtig. Der Bund hat dieses Prinzip mit vollem Recht akzeptiert und hat sich auch zur Mitarbeit bereit erklärt. Wie schon oft in der deutschen Geschichte hat sich auch hier das Selbstverwaltungsprinzip als überaus fruchtbar erwiesen.
    Falsche Vorstellungen bestehen vielfach über die Zusammensetzung der Arbeitsgremien der Freiwilligen Selbstkontrolle. Drei solche Gremien sind hintereinander aufgebaut: Zunächst der Arbeitsausschuß, dann der Hauptausschuß und dann ein Rechtsausschuß, der überwiegend aus Juristen besteht. Die Meinung, die Herr Kollege Paul hier vertreten hat, in diesen Gremien wimmle es von Theologen, ist völlig irrig. Er hat, glaube ich, gesagt, es seien dort sieben oder acht Theologen tätig, und hat befürchtet, dieses „schwarze" Element entfalte dort einen allzu großen Einfluß. In dem wichtigsten Arbeitskreis der FSK befindet sich, wie schon der Herr Bundesminister des Innern festgestellt hat, unter acht Vertretern nur ein einziger Vertreter von drei Kirchengemeinschaften,

    (Abg. Jacobs: Die anderen sind doch nicht dagegen! Sie sind doch auch kein Pfarrer!)

    nämlich der katholischen Kirche, der evangelischen Kirche und der jüdischen Religionsgemeinschaft. Die Vertreter dieser drei Religionsgemeinschaften haben zusammen einen Sitz und wechseln jeweils in der Besetzung dieses Sitzes ab.

    (Abg. Jacobs: Herr Bausch, Sie sind doch in dem Sinne auch kein kirchlicher Vertreter, kein Geistlicher! Halten Sie sich denn für weniger legitimiert, über diesen Punkt zu sprechen?)

    — Warum bekommen Sie denn immer einen Schreck, lieber Herr Kollege, wenn irgendwo am Horizont ein Geistlicher auftaucht?

    (Beifall in der Mitte.) Ich bin der Meinung, daß wir gerade der Mitarbeit der Geistlichen in der freiwilligen Selbstkontrolle außerordentlich viel zu verdanken haben.


    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Diese Herren wirken dort weit weniger mit ihrer Zahl als mit dem Gewicht und der geistigen Autorität ihrer Argumente, mit der Gewissenhaftigkeit und der Sorgfalt, mit der sie dort ihre Arbeit verrichten. Ich meine, Sie, Herr Kollege Jacobs, sollten diese Barriere Ihrer Vorbehalte gegen die Mitarbeit der Kirchen und der Geistlichen einmal überspringen. Versuchen Sie doch Sinn und Verständnis für die Arbeit dieser Männer auch in einem solchen Gremium zu finden.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Jacobs: Ich gebe zu, daß die meisten Geistlichen mehr befähigt wären als Sie!)

    — Sie können ruhig sagen, Herr Jacobs, ich verstünde davon nichts, Sie allein verstünden davon etwas. Das amüsiert mich nur.

    (Zuruf von der Mitte: Das nimmt sowieso keiner ernst!)

    Ich glaube also, daß die Freiwillige Selbstkontrolle trotz einiger Fehler, die mit unterlaufen sind, eine sehr nützliche Tätigkeit entfaltet hat.

    (Abg. Jacobs: Sehr richtig!)

    Die Arbeit der Selbstkontrolle bedeutet aber wohl eine gewisse Reinigung der Filme unter formal erfaßbaren Gesichtspunkten, namentlich unter dem Gesichtspunkt, ob die Filme das sittliche Empfinden in ihrer Gesamtheit oder in einigen Szenen verletzen. Die Freigabe bedeutet aber — das möchte ich ganz eindeutig sagen — keinesfalls eine Empfehlung der Filme durch die Selbstkontrolle und ganz gewiß nicht eine Empfehlung durch alle ihre Mitglieder. Die Kirchen z. B. — um darüber noch ein Wort zu sagen — haben sich öffentlich dazu bekannt, daß diese Zusammenarbeit in der Selbstkontrolle eine sehr fruchtbare ist, und sie haben sie grundsätzlich bejaht. Aber sie beklagen sich doch andererseits immer wieder darüber, daß sie sich in der Freiwilligen Selbstkontrolle häufig in der Rolle einer hoffnungslos überspielten Minderheit befinden. Von einer Klerikalisierung der Filmwirtschaft mit Hilfe der Freiwilligen Selbstkontrolle kann also nicht die Rede sein. Eine solche angebliche Klerikalisierung ist ein reines Phantasieprodukt.

    (Abg. Frau Wolff [Berlin] : Hat auch keiner gesagt!)

    So bedeutsam die Maßnahmen sind, die wir für den Film vom Staate her ergreifen können, so werden wir doch, wenn wir die Bilanz ziehen, aufs ganze gesehen die Feststellung bestätigt finden, die ich zum Eingang meiner Ausführungen machte: Der Staat und seine Organe können das wirklich Entscheidende dazu, daß der Film eine positive und aufbauende Macht für unser Volk wird, nicht tun.
    Was aber der Staat nicht tun kann — nun möchte ich ein Wort zu dem großen Thema der Volkszensur, wie Sie es zu nennen belieben, sagen,

    (Abg. Kühn [Köln] : Wie Herr Wuermeling es zu nennen beliebt!)

    — auch Sie haben ja dieses Wort aufgegriffen und haben dazu sehr gründlich Stellung genommen.

    (Abg. Kühn [Köln] : Zu den Absichten Wuermelings!)



    (Bausch)

    Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen sage, was ich mir unter diesem Wort „Volkszensur", das ich nicht geschaffen habe, das ich genau so wie Sie in der Zeitung gelesen habe, vorstelle.

    (Zuruf von der SPD: Herrn Wuermeling müssen Sie das sagen!)

    Was der Staat auf dem Gebiet des Films nicht tun kann, das soll der freie Bürger tun.

    (Zuruf von der SPD: Mit weißen Mäusen? — Abg. Dr. Mende: Aber in den Grenzen des Rechtsstaats!)

    — Ich kann mir unter einem freien Bürger etwas vorstellen, verehrter Herr Kollege!

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich kann mir darunter wirklich etwas vorstellen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch eine dumme Bemerkung, Herr Bausch!)

    Niemand kann es dem Staatsbürger verwehren, seine Stellung zu beziehen und einen schlechten Film abzulehnen und einen guten gutzuheißen.

    (Sehr gut! Sehr richtig! in der Mitte.)

    Niemand auf der Welt hat das Recht, der Entscheidung des freien Bürgers vorzugreifen. In einer freien Demokratie fällt die letzte Entscheidung über den Film im Volke selbst.

    (Beifall in der Mitte.)

    So verstehe ich das Wort von der Volkszensur oder dem Volksentscheid.
    Diese Feststellung enthält freilich ein großes Wagnis. Denn wir wissen, daß es Kreise in unserem Volk gibt — ich sage das ganz offen —, die zwar jahraus, jahrein das Kino besuchen, aber nicht eine Spur von Verantwortung für das Niveau der vorgeführten Filme empfinden. Wir wissen auch, daß es Kreise in unserem Volk gibt, die kein Unterscheidungsvermögen für die Qualität eines Films haben oder die sogar ihre helle Freude an schlechten Filmen haben.

    (Abg. Jacobs: Siehe die Gemüsebauern!)

    Auch sie haben die Gestalt des deutschen Films mitgeprägt, wenn auch in negativem Sinne. Es wäre völlig falsch, wenn der deutschen Filmwirtschaft die alleinige Schuld an gewissen Mißständen zugeschrieben

    (Abg. Jacobs: Sehr richtig!)

    und sie gewissermaßen zum alleinigen Prügelknaben dafür gemacht werden sollte, daß sich der deutsche Film heute noch in einem gewissen Krisenzustand befindet. Es ist eine durchaus nicht eindeutig zu beantwortende Frage, wer mehr Schuld an schlechten Filmen trägt, ob die Produzenten, die sie herstellen, oder die Kinobesucher, die sie bestaunen.
    In einem interessanten Buch von Karl Bednarik „Der junge Arbeiter von heute — ein neuer Typ" — der Verfasser stammt aus der Sozialistischen Arbeiterjugend — stehen folgende interessante und zum Nachdenken anregende Sätze:
    Der Schablonfilm, den die Arbeiterjugend bevorzugt, ist eine seit Jahren eingespielte Kollektivarbeit der Produzenten mit dem Konsumenten. Keine Meinung ist haltloser als jene, daß der Film die Jugend verderbe; im Gegenteil verdirbt die Jugend den Film, so wie sie,
    wenn auch nicht in demselben Maße, durch die Art ihrer Lektüre das Literaturniveau senkt. Die Arbeiterjugend stellt heute den größten Teil der Kinobesucher. Sie ist das Heer jener, die mit einem nicht geringen Teil ihres Einkommens den Film finanzieren und bestimmen.
    Dieser Auffassung mag widersprochen werden. Man kann darüber streiten, ob sie nicht zu überspitzt formuliert ist. Aber der gewaltige Einfluß der Kinobesucher auf die Ausgestaltung der Filme kann nicht ernsthaft geleugnet werden. Das gilt nicht nur für die jungen Arbeiter, sondern ebenso für jene zahllosen anderen Kinobesucher, die sich gedankenlos und willenlos der Welt des Films hingeben, um sich von ihr betäuben zu lassen, ohne daß sie irgendeine Verantwortung für den Film empfinden.
    Aber, meine Damen und Herren, es gibt heute in Deutschland Gott sei Dank eine große und ständig wachsende Zahl von Kinobesuchern, die von einem lebendigen Verantwortungsbewußtsein für den Film erfüllt sind. Auf ihre Entscheidung, auf die Entscheidung der verantwortungsbewußten Menschen in Deutschland vertrauen wir. Wir von der CDU sind, aufs Ganze gesehen, in der Zeit seit 1945 nicht schlecht damit gefahren, daß wir auf die Entscheidung des Volkes vertraut haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Filmkritik leistete dem deutschen Film sehr oft wertvollste Dienste. Leider wird diese Kritik von den Theaterbesitzern nicht immer positiv aufgenommen. Eine große Zeitung meines Landes — es war keine CDU-Zeitung, sondern eine Zeitung, deren Herausgeber der Kollege Schoettle von der SPD-Fraktion ist — veröffentlichte unlängst eine Kritik an dem schlechten Niveau der in der Landeshauptstadt gespielten Filme. Diese Zeitung wurde darauf samt der anderen großen Zeitung meiner Landeshauptstadt von den Filmtheaterbesitzern in Acht und Bann erklärt und unter Anzeigenboykott gestellt. Solche Dinge sollten sich nicht ereignen. Wenn der Film für sich die Freiheit der Gestaltung in Anspruch nimmt, sollte er auch der Presse die Freiheit der Kritik zugestehen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Zahlreiche Erzieher, die von Sorge um den Einfluß des Filmes auf die Jugend erfüllt sind, bemühen sich, auf die Jugend einzuwirken, um sie zur kritischen Betrachtung des Filmes anzuleiten. Die rasch gewachsene Bewegung der Filmklubs — es war heute schon die Rede von ihnen — hat sich große Verdienste um den Film erworben. Die aus der Arbeit der Besatzungsmächte erwachsenen Filmdienste — sie sind insbesondere in der amerikanischen und britischen Zone tätig gewesen — haben eine überaus positive und wertvolle Aufbauarbeit für den Film geleistet, die sich in neuerer Zeit immer mehr ausbreitet und die volle Förderung verdient. Jugendverbände, Elternvereinigungen, Kulturorganisationen und andere freie Kräfte der verschiedensten Art haben eine Verantwortung für den Film empfunden und aus dieser Verantwortung gehandelt. Aber am allerbedeutsamsten war es wohl, daß in den Kirchen beider Konfessionen große Organisationen entstanden sind, die sich um den Film kümmern. In ihnen haben sich fast 4 Millionen Menschen zum Kampf für den guten Film und gegen den schlechten Film zusammengefunden. Diese Streitmacht zählt nach der Feststellung der Zeitschrift „Die Gegenwart" heute


    (Bausch)

    schon drei- bis viermal mehr Mitglieder als alle politischen Parteien zusammengenommen und hat mehr als zwei Drittel der Stärke des Deutschen Gewerkschaftsbundes erreicht. Es sind freie deutsche Staatsbürger, die sich aus freier sittlicher Entscheidung, im Bewußtsein ihrer Verantwortung für die eigene Person, für ihre Kinder, für die Familie, für ihr Volk und für die Welt für den guten Film einsetzen. In einer gemeinsamen Entschließung haben sie ihren Willen wie folgt bekundet:
    Wir stimmen darin überein, daß die Gesundung des deutschen Filmes und die Herstellung von Qualitätsfilmen nicht allein oder vornehmlich von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängen. Vielmehr kommt es darauf an, in der Filmgestaltung das echt Menschliche zu bewahren und durch sie die heilenden Kräfte der Lebensbewältigung zu stärken. Für solche Filmwerke werden wir eintreten, und wir sind bereit, das Verständnis für sie zu erweitern und zu vertiefen.
    Müßte nicht die Filmwirtschaft eine helle Freude daran haben, daß sie eine so verantwortungsbewußte Kundschaft hat? Ich vermute wohl richtig, wenn ich annehme, daß sich der Herr Bundesminister für Familienfragen bei seiner Rede in Düsseldorf zum Sprecher dieser Staatsbürger gemacht hat, wenn er Kritik am Film geübt hat. Wenn ein Bundesminister sich zum Sprecher der Staatsbürger unseres Landes macht, so empfinde ich das als eine gute Sache. Die Minister sollen nicht allzuhoch oben in den Wolken thronen, sondern sie sollen sich bei Wahrnehmung ihres Ministeramtes auch zu Anwälten des Volkes machen. Sie sollen versuchen, herauszuhören und herauszuspüren, was der Wille des Volkes ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es ist nicht meine Aufgabe, die Rede des Ministers in allen Einzelheiten hier zu vertreten. Dazu ist er, wie Sie selbst gesehen haben, selbst Manns genug.
    Man darf an der Wirklichkeit und an den Tatsachen nicht vorbeigehen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich weite Schichten unseres Volkes heute in einer offenen Auflehnung gegen einen nicht unbeträchtlichen Teil der Filme befinden, die heute in den Filmtheatern gezeigt werden. Diese Staatsbürger legen an den Film die Maßstäbe des christlichen Sittengesetzes an und kommen dabei vielfach zu negativen Ergebnissen.
    Es wäre ein großer Irrtum, anzunehmen, daß diese Einstellung nur für die Haltung der katholischen Staatsbürger bestimmend wäre. Sie gilt — ich unterstreiche, was hier der Familienminister gesagt hat — genau so für breite Schichten des evangelischen Volkes.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

    Unlängst übte eine deutsche Filmzeitung Kritik an den amerikanischen Grundsätzen der Filmselbstkontrolle und bemerkte: „Die Welt ist fortgeschritten, aber der amerikanische production code ist stehengeblieben." Darauf schrieb der „Evangelische Filmbeobachter", — das Organ der evangelischen, kirchlichen Filmarbeit — einige herbe Glossen über den viel gerühmten „Fortschritt" der Welt auf dem Gebiet des Films und stellte schließlich mit einem einzigen, lapidaren Satz fest:
    „Gottes Gebote werden durch keinen Fortschritt überholt; sie sind auch keine Zwangsjacke, sondern sie sind die einzige Chance, mit dem Leben — auch mit dem Leben von 1954 — auf eine sinnvolle Weise fertig zu werden."

    (Beifall in der Mitte.)

    Jene Filmzeitung, die unlängst schrieb, die Evangelische Kirche lehne eine kirchliche Nebenzensur als „unwürdige Bevormundung der Freiheit eines christlichen Menschen ab", griff im entscheidenden Punkt völlig daneben. Der evangelische Filmbeauftragte, Pfarrer Werner H e ß , hat kürzlich konstatiert, daß sich die evangelischen und katholischen Auffassungen über das Filmwesen zu 99% decken. In der Spielzeit von 1953 haben die Kirchen beider Konfessionen 150 Filme überprüft. Nur bei einem von diesen kam es zwischen den beiden Kirchen zu einer verschiedenen Beurteilung. Angesichts dieser Tatsache sollte man endlich aufhören, mit dem Schlagwort von der drohenden Klerikalisierung des Films künstlich Gegensätze zwischen evangelischen und katholischen Bürgern zu konstruieren; denn hier gibt es gar keine solchen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich fühle mich als evangelischer Christ verpflichtet, einmal ganz eindeutig und klar an dieser Stelle eine Tatsache auszusprechen, um die es hier geht:
    Das Wesen evangelischen Christentums besteht nicht darin, Antithesen gegen die katholische Welt herauszuarbeiten. Das Wesen und der Kern des evangelischen Christentums liegt darin, auf den Herrn der Kirche zu hören und ihm zu gehorchen.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Man sollte auf die Staatsbürger, die den besseren Film fordern, hören. Sie können mit Recht verlangen, daß man sie hört. Sie sind nicht deshalb minderen Rechtes, weil sie sich auf das christliche Sittengesetz berufen. Dem Staatsbürger kann man nicht den Mund verbieten. Der Staatsbürger ist der Oberbefehlshaber in der Demokratie. In ihr gebietet das Volk. Es erscheint heute nötig, darauf hinzuweisen, daß in einer freien Demokratie die Staatsgewalt vom Volk ausgeht.
    Ein großer Deutscher hat einmal gesagt, man solle dem Volk aufs Maul sehen. Ich habe den Eindruck, daß es sich je und dann auch für den Deutschen Bundestag empfiehlt, dem Volk „aufs Maul zu sehen". Wenn sich der Bundestag bei seiner Einstellung zu den Filmproblemen von dem Blick auf das leiten läßt, was das echte Anliegen verantwortungsbewußter Volksschichten ist, dann wird er zu einer guten, eindeutigen, klaren, fruchtbaren und sinnvollen Entscheidung kommen.
    Die Filmwirtschaft hat in letzter Zeit auf die Kritik am Film — leider, muß ich sagen — sehr, sehr bitter reagiert. Sie ist im vollen Recht, wenn sie sich gegen Verallgemeinerungen wehrt. Sie handelt aber falsch, wenn sie die kritischen Stimmen mißachtet und ihnen von vornherein böswillige Absichten unterstellt.
    Im Geschäftsleben gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, die Wünsche der Kunden sorglich zu behandeln und die Wünsche der guten Kunden ganz besonders zu beachten.

    (Zuruf von der SPD: Sie gehen zuwenig ins Kino!)

    Meine Herren von der Filmwirtschaft — ich bin sicher, daß eine Reihe von ihnen hier sind —, beachten Sie wohl, daß es Millionen Ihrer besten

    Kunden sind, die heute an Ihre Türe klopfen. Achtung und Respekt vor diesen Kunden muß der Filmwirtschaft dringend empfohlen werden. Diese Empfehlung ist sehr gut gemeint. Sie kommt von einem Manne, der sich mit als Anwalt der Filmwirtschaft fühlt und der in besonderem Maße von positiven Leistungen, die die Filmwirtschaft vollbracht hat, beeindruckt ist. Kundendienst, pfleglicher und sorgfältiger Dienst am Kunden ist das Gebot der Stunde für die Filmwirtschaft.
    Ich sehe es als ein erfreuliches Zeichen von Rücksichtnahme auf Kundenwünsche an, daß die deutschen Verleihfirmen — wie mir dieser Tage mitgeteilt wurde — beschlossen haben, sorgfältige Maßnahmen zu treffen, die die völlige Gewähr dafür bieten, daß künftighin nur solches Werbematerial verwendet wird, das von der Selbstkontrolle freigegeben ist. Ein weiteres erfreuliches Zeichen ist, daß die deutschen Verleihfirmen in allerneuester Zeit einen Arbeitskreis für Autorennachwuchs gegründet haben, der die besten Vorschläge für Drehbücher mit beachtlichen Geldbeträgen prämiieren soll. Auf diese Weise sollen dem Film neue Kräfte zugeführt und das künstlerische und das kulturelle Niveau des Films gehoben werden.
    Zu einem guten Kundendienst gehört aber die fortlaufende gewissenhafte Erforschung dessen, was der Kunde will. Es wird immer wieder behauptet, die breite Masse unseres Volkes wolle nur den schlechten und minderwertigen Film. Für diese Behauptung ist man aber bisher den Beweis schuldig geblieben. Ganz gewiß gibt es breite Schichten von Leuten, die das Schlechte und Minderwertige vorziehen. Aber warum rückt die Filmwirtschaft nicht mit klaren und unwiderlegbaren statistischen Feststellungen über die Einspielergebnisse der guten und erstklassigen Filme heraus? Warum bleibt alles in einem gewissen Dunkel? Warum ist es nicht möglich, einwandfreie Feststellungen über die Spielergebnisse aller Filme zu bekommen, die wir im Laufe der letzten Jahre in Deutschland gesehen haben?
    Bisher hat nur eine einzige Filmzeitschrift Übersichten über die Einspielergebnisse von Filmen veröffentlicht. Diese Ergebnisse beschränken sich aber auf acht Großstädte der Bundesrepublik. Wenn diese Feststellungen auch heute noch keine allgemeingültigen Schlüsse zulassen, so kann immerhin festgestellt werden, daß unter den 20 innerhalb eines Vierteljahres in diesen Großstädten am besten gebuchten Filmen die prädikatisierten Filme weitaus in der Mehrzahl waren. Nur 6 von diesen 20 Filmen waren solche von geringerer Qualität. Die These, die starke Herausstellung des Erotischen sei ein sicherer Kassenerfolg, hat sich längst als falsch erwiesen. Einer der größten amerikanischen Filmmänner hat für seinen Geschäftsbereich die einfache und klare Parole aufgestellt: „Die Anständigkeit macht Geld!"
    Solange nicht durch unwiderlegbare statistische Nachweise das Gegenteil bewiesen ist, wird auch bei uns, davon bin ich überzeugt, der anständig und sauber gearbeitete Film auf die Dauer der bessere Kassenerfolg sein. Die überwältigenden Erfolge einer ganzen Reihe von hervorragenden Filmen, die wir in letzter Zeit in Deutschland gesehen haben, zeigen dies ganz eindeutig. Ich könnte hierzu Namen nennen. Denn es ist bekanntgeworden, wie groß der Kassenerfolg dieser
    Filme war. Diese Tatsache muß für unsere Orientierung und Beurteilung bestimmend sein.
    Unser Volk will den guten Film. Es will reine Entspannung, es will Ablenkung, es will heitere Unterhaltung. Es erwartet aber vom Film noch mehr. Carl Zuckmayer hat in einer Festschrift für das Bochumer Schauspielhaus erklärt:
    Die Seelen hungern, die Herzen frieren, die Geister dürsten. Es ist die Aufgabe des Dramas und die Sendung der Tragödie, Heil zu künden.
    Ich glaube, Zuckmayer hat recht. Das Filmschauspiel soll das Leben so darstellen, wie es ist, mit allen seinen Konflikten. Unser Volk erwartet aber vom Film, daß er echte, konstruktive Antworten auf die großen brennenden Probleme des menschlichen Gemeinschaftslebens unserer Zeit gibt. Wenn es zu einer guten Zusammenarbeit zwischen allen verantwortungsbewußten Kräften in unserem Volk und der deutschen Filmwirtschaft kommt, dann und nur dann wird der deutsche Film seiner inneren Bestimmung gerecht werden können. Der deutsche Film wird dann eine Quelle der Kraft und der Ermutigung für unser Volk werden.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe noch neun Redner für diesen Punkt der Tagesordnung auf der Liste stehen. Um 15 Uhr wollten wir überhaupt schließen. Ich bitte die Herren Redner, das zu überlegen. Wenn wir weiter so verfahren, kann nicht jeder Redner eine Stunde sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe mit Ihnen einig, Herr Präsident, in dem Bedauern, daß nach der sehr lebhaften und zum Teil humoristischen Einführung früh 9 Uhr — die mich beinahe an den 1. April und weniger an den 2. April erinnerte, mit Beispielen aus dem Gebiet der Landwirtschaft, wofür ich bisher immer Herrn Kollegen Horlacher für zuständig erachtet habe, mit Beispielen aus dem Gebiet der Kosmetik, wenn ich an die Beseitigung von Mitessern im Film denke — die Debatte um die Mittagszeit nunmehr in eine Luminal-Atmosphäre hineingekommen ist. Es ist eine undankbare Aufgabe für einen Redner, zu sprechen, wenn durch die vorher gehaltenen Reden bereits eine erhebliche Ermüdung eingetreten ist, nicht zuletzt deshalb, weil leider nicht alle Kollegen beachten, daß Zuhören wesentlich mehr ermüdet als Reden.
    Die Debatte hat sich bisher um zwei Komplexe bewegt, um die Person des Herrn Bundesministers für Familienfragen sowie einige von ihm gehaltene Reden und um die Sache des deutschen Films. Ich darf zunächst etwas zur materiellen Situation des deutschen Films sagen und in dieser Hinsicht Herrn Kollegen Muckermann ergänzen. Auf die übermäßige Konzentration des deutschen Films in der Zeit zwischen 1927 und 1945 erfolgte die Atomisierung des deutschen Filmwesens, nicht nur aus politischen Gründen, sondern zum Teil auch aus Gründen wirtschaftlicher Konkurrenz. Im Jahre 1945 stehen wir vor einem völligen Chaos der deutschen Filmwirtschaft, kein Film wird gedreht, im Jahre 1946 einer. Sein Titel könnte vielleicht eine Mahnung an die Politiker und auch an die Publizisten sein. Er lautet nämlich: „Sag' die Wahrheit!". Im Jahre 1947 werden bereits 7 Filme


    (Dr. Mende)

    gedreht, 1948 23, 1949 62, 1950 82, im Jahre 1951 ein Rückschlag auf 60 Filme, im Jahre 1952 82 und im Jahre 1953 die Zahl von 103 Filmen, so daß wir im Jahre 1953 die Produktion des Jahres 1938 wieder erreicht haben.
    Was das bedeutet, meine Damen und Herren, ersehen Sie aus einigen Zahlen. Jeder Film kostet im Durchschnitt eine Million DM Herstellungskosten. Der Umsatz an den Kassen im Inlande beträgt in den 5100 Theatern bei 2,1 Millionen Sitzplätzen rund 600 bis 650 Millionen DM. Allein 170 Millionen DM werden an Vergnügungssteuern abgeführt. An Devisen wurden im Jahre 1939 20 Millionen, im Jahre 1944 sogar 40 Millionen RM, heute leider nur noch 6 Millionen DM eingebracht. Sie sehen, welche wirtschaftliche Bedeutung die deutsche Filmindustrie hat.
    Leider ist neben dem Eindringen der Auslandsfilme nach 1945 auch der Verlust des Inlandsmarktes zu einem Drittel zu beklagen; ich meine damit die deutschen Ostgebiete und Mitteldeutschland.
    Wir haben im Verleihjahr 1952/53 417 Filme zu verzeichnen, davon 78 deutsche, jedoch 227 aus den Vereinigten Staaten und schließlich aus Italien, Frankreich und England etwa je zwischen 20 und 30. Sie sehen, wie stark der ausländische Film die Zeit nach 1945 benutzen konnte, mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln in den deutschen Filmmarkt einzudringen. Die Filmerlöse betragen dementsprechend im Jahre 1952 allein aus den amerikanischen Filmen 78 Millionen DM, die auf Sperrkonto in Deutschland gezahlt sind, während in den EZU-Raum im gleichen Jahre 16 Millionen DM transferiert wurden.
    Die Belastungen des Films sind hier vom Herrn Kollegen Muckermann schon dargelegt worden: Im Jahre 1935 7,5 % Vergnügungssteuer, im Jahre 1952 über 20 %. — Herr Kollege Muckermann, hier gleich eine Mahnung: Es genügt nicht, daß Sie hier für eine Senkung der Vergnügungssteuer eintreten; entscheidend ist, daß das auch die von Ihnen getragene Landesregierung Nordrhein-Westfalen tut, die im Augenblick dabei ist, die Vergnügungssteuer noch über 20 % zu erhöhen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Jahre 1951 hat der 1. Bundestag die erste große Filmdebatte in Erkenntnis der materiellen, aber auch der staatspolitischen Bedeutung des deutschen Films geführt. Wir haben damals die Bürgschaften beschlossen und wir hofften, daß sich aus den Bürgschaften eine Initialzündung ergeben würde. Wir bedauern, daß das nicht in dem erhofften Umfange der Fall war.
    Wenn nunmehr die CDU mit Drucksache 349 eine neue Bürgschaftsaktion unter neuen Gesichtspunkten fordert, so hatten wir beim Lesen dieser Drucksache ursprünglich das unangenehme Gefühl, daß auch die Methoden der Erteilung im Sinne eines stärkeren Eingreifens des Staates, der öffentlichen Hand oder gar noch anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts geändert werden sollten. Nach dem, was Herr Kollege Muckermann hier erklärt hat, stehe ich nicht an, festzustellen, daß seine Interpretation des Antrags wesentlich anders war. Wenn das Prädikat eines „großen Liberalen" nicht leider schon vergeben wäre, Herr Kollege Muckermann, so würde ich es Ihnen heute auf Grund Ihrer hier gegebenen Begründung zusprechen. Aber seien Sie be- scheiden und nehmen Sie das Lob eines „kleinen
    Liberalen" für die Interpretation Ihres Antrags entgegen, die weit über das hinausgeht, was in Wirklichkeit drinsteht; denn es heißt hier, daß Sie die Bürgschaftserteilung „insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Förderung einer künstlerisch und staatspolitisch wertvollen Filmproduktion" gehandhabt wissen möchten. In Ihren Ausführungen war zu erkennen, daß Sie am liebsten grundsätzlich von der Bürgschaftserteilung herunterkommen und die Finanzierung des deutschen Films dem freien Spiel des Wettbewerbs überlassen möchten. In dieser Hinsicht treffen sich völlig unsere Auffassungen.
    Die bisherige Praxis des Bürgschaftswesens war nicht sehr glücklich. Sie wurde sehr stark bürokratisch geübt, und es bestand die Gefahr der Lenkung und auch der Zensur mittels der Bürgschaftserteilung. Im früheren interministeriellen Ausschuß saßen je ein Vertreter des Wirtschafts-, des Finanz- und des Innenministeriums, während die Revisions- und Treuhandgesellschaft die wirtschaftlichen Fragen überprüfte. Heute ist nach den neuen Bürgschaftsrichtlinien sogar noch das Bundespresse- und Informationsamt mit eingeschaltet. Hier entsteht allerdings die Gefahr, daß mittels der Bürgschaften eine staatspolitische Lenkung beginnt. Wirtschaftsministerium und Finanzministerium — gar keine Debatte. Bundesinnenministerium — auch noch zu akzeptieren aus der Ressortverantwortung. Aber Presse- und Informationsamt — hier fangen wir an, nachdenklich zu werden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ja, es ist sogar der Wunsch aufgetreten, daß zusätzlich auch noch das Familienministerium eingeschaltet werden sollte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Mit demselben Recht könnten das Justizministerium die Wahrung des Rechts in den Drehbüchern und das Wohnungsbauministerium die Frage des sozialen Wohnungsbaues ebenfalls überprüfen wollen. Ich glaube, hier sollten wir eine Schranke gegenüber der Bürokratie in jenen Bürgschaftsausschüssen aufrichten.
    Wir von der freien demokratischen Fraktion haben grundsätzliche Bedenken gegen die starke Verflechtung des Staates mit wirtschaftlichen Unternehmungen und gegen das immer stärkere Infiltrieren der Ministerialbürokratie in die Aufsichts- und Verwaltungsräte solcher Unternehmungen.

    (Beifall bei der FDP und beim GB/ BHE.)

    Wir haben daher, um einmal eine Übersicht über dieses Dschungel zu gewinnen, vor einigen Wochen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, mit dem Ziel, zu erfahren, wie stark und wo die Ministerialbürokratie bereits in Verwaltungs- und Aufsichtsräten tätig ist. Die Antwort, die daraufhin erteilt wurde, geht an den Dingen vorbei; in einer privaten Unterhaltung einiger höherer und höchster Ministerialbeamter ist diese Anfrage von zwanzig Bundestagsabgeordneten sogar als eine Unverschämtheit und Frechheit bezeichnet worden.

    (Hört! Hört! bei der FDP und der SPD.)

    Meine Damen und Herren, in Bonn sollte man vorsichtig sein. Auch private Unterhaltungen pflegen
    hier binnen 48 Stunden bekanntzuwerden. Das
    liegt an dem Klima Bonns. Aber ich glaube, diese
    Äußerung, über die noch an anderer Stelle zu
    sprechen sein wird, ist symptomatisch für die Ein-


    (Dr. Mende)

    stellung eines Teils der Ministerialbürokratie zu den legitimen Kontrollfunktionen dieses Parlaments.

    (Beifall bei der FDP, SPD und dem GB/ BHE.)

    Es bliebe daher zu überlegen, ob dieses Haus nicht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einsetzt, um die letzte Klarheit über diese für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und gerade für die freie Wirtschaft sehr entscheidende Frage zu gewinnen.
    Wir haben im ersten Bundestag durch ein Filmquotengesetz versucht, den deutschen Film zu schützen. Das Filmquotengesetz ist gescheitert. Es mußte scheitern, weil letzten Endes der Film damals weder quoten- und schutzwürdig noch das Gesetz mit den freiwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu vereinbaren war. Es scheiterte auch der Versuch, mittels des „Filmgroschens" eine Stützung des deutschen Films zu erreichen. Auch der Versuch der Synchronisationssteuer mußte fallengelassen werden. Aber, Herr Kollege Muckermann, wir sollten noch einmal die Überlegungen aufgreifen, ob nicht die Belastung der Schwarz-Weiß-Filme und auch der Farbfilme mit einer Synchronisationssteuer bei ihrer Einfuhr für den allzu starken Einfluß des ausländischen Marktes ein Äquivalent schaffen könnte.
    Was die staatspolitischen und künstlerischen Gesichtspunkte betrifft, so hat gerade Herr Kollege Muck ermann erfahren, wie schwer es ist, in einem Bürgschaftsausschuß an Hand des Drehbuchs, das man studiert und von dem man letzten Endes nicht weiß, wie es dann im Film gestaltet wird, sich ein objektives Urteil über den staatspolitischen Wert oder Unwert oder über den künstlerischen Wert oder Unwert eines Films zu bilden. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, Herr Kollege Muckermann, so waren Sie es, der damals für die Bürgschaftserteilung an den umstrittenen Film „Die Sünderin" gestimmt hat, während sich der liberale Kollege Nowack meiner Partei der Stimme enthielt.

    (Hört! Hört! links und rechts. — Unruhe in der Mitte.)

    Sie haben uns später auch die Erklärung gegeben, daß nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft wurde und der Bürgschaftsausschuß sich nicht anmaßen durfte, in die staatspolitische und künstlerische Gestaltung hineinzureden, und daß das Drehbuch nachher bei der Gestaltung des Films wesentlich geändert worden sei. Dies ist ein Beispiel dafür, wie schwer es ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe in einem bürokratischen Bewilligungsausschuß zu finden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Bezüglich der Art, dann dagegen zu protestieren, möchte ich der Meinung Ausdruck geben, daß weder das Vorgehen des Geistlichen Klinkhammer in Düsseldorf noch die gesteuerten Demonstrationen gegen die „Unsterbliche Geliebte" für uns mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vereinbar sind. Beide Seiten haben damals, Herr Kollege Bausch, bezüglich einer Steuerung der vox populi zuviel getan. Am Ende macht man durch das Erregen von Aufsehen für den Film nur Reklame, und „Die Sünderin" ist nicht zuletzt deswegen ein riesiges Geschäft geworden, weil man durch das Erregen von Aufsehen überhaupt erst dafür gesorgt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nicht anders liegt es bei dem Film „Die unsterbliche Geliebte", die erst dann frequentiert wurde — ich meine den Film —,

    (Heiterkeit)

    als die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht wurde.
    Ich freue mich auch, Herr Kollege Muckermann, feststellen zu können, daß Sie sich in der Drucksache 380 von dem überspitzten Föderalismus abwenden, indem Sie die Möglichkeit einer stärkeren Koordinierung der Steuerpolitik und der Filmpolitik von Bund und Ländern wünschen. Damit bin ich sehr einverstanden. Ich möchte nur anregen, das auch auf das Gebiet des Schul- und Bildungswesens auszudehnen.

    (Beifall rechts und links.)

    Denn es ist wichtiger, den Schulbeginn in allen Volksschulen Deutschlands einheitlich festzulegen, als die Steuerpolitik für den Film im Bund und in den Ländern auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
    Ich darf mich nach dieser materiellen Diskussion der ideellen und staatspolitischen Situation des deutschen Films zuwenden und auch hier aus dem Jahre 1951 zitieren. Damals haben wir, der verstorbene sehr verehrte Herr Kollege Brunner, ein Experte des Filmwesens, wie Sie, Herr Muckermann, Herr Kollege Vogel wie ich, uns über das geringe Niveau des deutschen Films beklagt. Wir sprachen von der Blockierung des Nachwuchses durch einen Großmutterkomplex! Wir stellten damals fest, daß uns als jugendliche Heldinnen auf der Leinwand die gleichen Damen präsentiert wurden, die schon unsere Väter in freudige Erregung versetzten und unsere Kinder auch noch von den Schularbeiten abhalten werden.

    (Heiterkeit.)

    Wir stellten ferner fest, daß die Gagenforderungen nicht immer mit dem Lebensstandard eines besiegten, sparenden Volkes in Einklang zu bringen waren. Das Beispiel, daß man lieber Auto als Straßenbahn fährt, weil man in der Straßenbahn bezahlen müsse, ist ja schon zitiert worden. Wir müssen feststellen, daß es inzwischen besser geworden ist. Der Großmutterkomplex ist dahin. In einem organischen Wachstum hat sich eine große Anzahl von Nachwuchskünstlern im Film durchsetzen können, deren Namen uns bei der Debatte von 1951 völlig unbekannt waren. Es geht sogar so weit, daß der deutsche Film in Cannes bereits wieder konkurrenzfähig auftreten kann. Man sollte auch hier anerkennen, daß in einem unbeeinflußten, organischen Wachstum die beste Chance einer Entwicklung des deutschen Films liegt.
    Nun zu der Frage der Volkszensur und der Änderung in der Zusammensetzung der Freiwilligen Selbstkontrolle. Es ist weitgehend unbekannt, wie sich die Freiwillige Selbstkontrolle zusammensetzt und auf welchen Grundlagen und nach welchen Verfahrensvorschriften sie arbeitet. Ich freue mich über die Feststellung des Kollegen Bausch, daß er das Prinzip der freiwilligen Kontrolle für besser erachtet als eine staatliche Kontrollfunktion. Die Selbstkontrolle hat sich als eine freiwillige Institution — wie der Name schon sagt — aus den Sparten des Films, aus Produktion, Theater, Verleih, aus der öffentlichen Hand und aus den religiösen Institutionen gebildet.
    Die Prüfungsgesichtspunkte — ich bitte, genau zuzuhören, weil das für die Beurteilung der Tätig-


    (Dr. Mende)

    keit der Freiwilligen Selbstkontrolle wichtig ist — sind folgende: Es sollen in Deutschland keine Filme zugelassen werden, die Themen, Handlungen oder Situationen beinhalten, welche geeignet sind, das sittliche oder religiöse Empfinden zu verletzen, entsittlichend oder verrohend zu wirken; nationalsozialistische, militaristische, imperialistische, nationalistische und rassenhetzerische Tendenzen zu fördern; die Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten zu gefährden; die verfassungsmäßigen und rechtsstaatlichen Grundlagen des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit und in seinen Ländern zu gefährden oder herabzuwürdigen; durch propagandistische oder tendenziöse Beleuchtung geschichtliche Tatsachen zu verfälschen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Wirkung des Dargestellten, nicht der Inhalt oder die Darstellung als solche.

    (Präsident D. Dr. Ehlers übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Nach diesen Grundsätzen der Freiwilligen Selbstkontrolle können somit Filme destruktiven oder eheverneinenden Inhalts gar nicht zugelassen werden. Aus meiner bescheidenen Kenntnis des Films muß ich sagen, die meisten Filme enden doch, Herr Familienminister Wuermeling, mit dem Happy-End, das nach meiner christlichen und staatlichen Auffassung nachher auch legalisiert werden dürfte, und zwar in einer staatlichen und kirchlichen Trauung, je nach den einzelnen Grundsätzen der entsprechenden Länder. Also so destruktiv habe ich den Film bezüglich der Ehe bisher nicht finden können; im Gegenteil, er reizt erst recht zu der Bindung durch das Happy-End am Schluß.
    In den Ausschüssen sind die öffentliche Hand und die Filmwirtschaft paritätisch vertreten. Herr Kollege Bausch hat schon den Arbeitsausschuß mit acht Prüfern genannt, wobei Bund, Länder, Kirchen und Bundesjugendring je einen Vertreter entsenden. Kirche und Bundesjugendring haben sich dadurch ausgezeichnet, daß sie besonders qualifizierte Kräfte hineinschicken. Bei Jugendentscheidungen tritt ein von den Ländern bestellter Jugendpsychologe oder Pädagoge hinzu, so daß die öffentliche Hand in der Mehrheit ist. Beim Hauptausschuß, bestehend aus 15 Prüfern, werden durch Bund, Länder und Kirchen je zwei, durch den Bundesjugendring ein Vertreter benannt, zusammen sieben, und durch die Filmwirtschaft ebenfalls sieben Vertreter. Bei Jugendentscheidungen werden fünf Beisitzer durch Jugendpsychologen oder Pädagogen ersetzt. Der Rechtsausschuß als eine Berufungs- und Revisionsinstanz besteht aus fünf Juristen, die planmäßige Mitglieder von ordentlichen Gerichten oder ordentliche Universitätsrechtslehrer sind, benannt vom Bund, den Ländern und der Filmwirtschaft. Bei Jugendentscheidungen treten noch zwei Jugendrichter hinzu. Alle Prüfungsausschüsse der Freiwilligen Selbstkontrolle sind weder in ihrer Gesamtheit noch in ihren einzelnen Mitgliedern weisungsgebunden, sondern in ihrer Prüftätigkeit persönlich und sachlich unabhängig. Eine idealere Zusammensetzung als jene auf der Grundlage der allgemeinen Verfahrensvorschriften des Rechts arbeitenden Instanzen von Arbeitsausschuß, Hauptausschuß als Berufungsinstanz und Rechtsausschuß als Revisionsausschuß kann man nicht finden. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß sich die Freiwillige Selbstkontrolle im großen und ganzen bewährt hat. Kleine Mängel sind noch vorhanden, z. B. bei den Vorspannen, die leider etwas zu reißerisch und zu marktschreierisch in der Reklame sind. Die Auswüchse der Plakatwerbung können vielleicht da durch ausgeräumt werden, daß in Zukunft auch
    die Plakate mit einem Stempel der Filmselbstkontrolle zu versehen sind, eine Maßnahme, die,
    wenn ich mich nicht irre, bereits beschlossen ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Es sind insgesamt von der Filmselbstkontrolle im Jahre 1953 479 Filme geprüft worden. Neun Filme wurden nicht zugelassen. 117 Filme wurden erst nach Schnitten, Umarbeitungen und sonstigen Auflagen, zum Teil erheblichen Ausmaßes, freigegeben. 229 Filme wurden als jugendgeeignet, 65 Filme sogar als jugendgeeignet und jugendfördernd erklärt. Die Maßstäbe, die bei dieser Prüfung angelegt wurden, waren strenger als im Ausland.
    Aber neben dieser Tätigkeit der Freiwilligen Selbstkontrolle hat sich leider eine Art Nebenzensur entwickelt. Meine Damen und Herren, auch ich möchte nicht mißverstanden werden und daher hier das Recht zur Kritik jedwedem zubilligen, insbesondere selbstverständlich den Religionsgemeinschaften. Es hat der Pfarrer, es hat der Pastor das Recht, sei es in der Kirche, sei es in dem Raum der kirchlichen Jugendbewegung, die schärfste Kritik gegenüber Tendenzen im Film zu üben, die nicht in Einklang zu bringen sind mit den religiösen und sittlichen Anschauungen. Aber diese Kritik muß sich im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung halten und darf nicht zu einer Art Nebenzensur ausarten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Dresbach.)

    Wir haben durch die Filmwirtschaft einige Beispiele übermittelt bekommen, aus denen hervorgeht, Herr Kollege Dresbach, daß die Gefahr der Errichtung einer Nebenzensur leider gegeben ist,

    (Abg. Dr. Dresbach: Ja, Herr Mende, ich hatte gesagt: In der Zensur herrscht Gewerbefreiheit!)

    und zwar unter Ausübung eines nicht immer an Toleranz erinnernden Druckes. Ich bitte Sie, diese Beispiele als das zu nehmen, was sie sind, als Beispiele, die uns durch den Syndikus des Spitzenverbandes der Filmindustrie, immerhin einen Rechtsanwalt, übermittelt wurden, der sich über die Prüfung solcher Beispiele als Jurist wahrscheinlich im klaren ist.
    Das katholische Pfarramt in Bayerniederhofen schreibt am 16. März 1954 an die Post-Lichtspiele in Trauchgau/ Oberbayern:
    Die Vorführung des Films „Tödliche Liebe"
    wurde hier in der Pfarrgemeinde nicht erlaubt.
    Ein zweites Beispiel: Der Marktgemeinderat Wertach/ Allgäu schreibt am 13. März 1954 an die PostLichtspiele in Trauchgau:
    Anbei wird gemeindeamtlich bestätigt, daß der Film „Tödliche Liebe", der am Samstag, dem 13. 3. 1954 im Gasthaus „Engel" in Wertach vorgeführt werden sollte, von der Marktgemeinde als Polizeibehörde auf Veranlassung der Geistlichkeit sowie durch Einspruch eines Teiles der Bevölkerung verboten wurde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In Achern in Baden konnte der Film „Professor Nachtfalter" nicht zum Einsatz kommen, weil der Ortsgeistliche darauf bestand, daß Filme, die im Filmdienst mit „3" eingestuft sind, dort nicht vorgeführt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Dr. Mende)

    Als in Neumarkt-St. Veit der Film „Reise nach Marrakesch" gezeigt wurde, ließ Pfarrer Stehlböck die Büßerglocken läuten und betete für die arme Sünderin, Frau Mayerhofer, die Besitzerin des Filmtheaters und Ehefrau des Bundestagsabgeordneten der Bayernpartei Mayerhofer.

    (Große Heiterkeit.)

    In der Sonntagspredigt kamen die Worte vor: „Beten wir für die Verblendung dieser Frau" und „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen".

    (Erneute große Heiterkeit.)

    In Bardenberg wurde anläßlich der Vorführung des Films „Große Freiheit Nr. 7" unter Anführung des Ortsgeistlichen, der sich zu diesem Zweck mit einem Plakat ausgestattet hatte, von Mitgliedern der Katholischen Filmkommission ein Kordon um den Filmtheatereingang gebildet, um Besucher am Betreten des Theaters zu hindern.
    Und das letzte Beispiel aus der Vielzahl von rund 50 Beispielen: In Konz bei Trier wurde auf kirchliche Einwirkung durch die örtliche Polizeibehörde am Karfreitag die Vorführung des Films „Der Seelenbräu" untersagt, obwohl der Film von der Freiwilligen Selbstkontrolle für stille Feiertage freigegeben ist und vom Katholischen Filmdienst die Zensur „l" erhalten hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, an Hand dieser Beispiele will ich Ihnen die Gefahr einer Nebenzensur aufzeigen. Ich wäre dankbar, wenn sich das Bundesinnenministerium dazu äußerte, ob diese Art der Nebenzensur sich noch im Bereich des Art. 5 des Grundgesetzes hält, in dem es heißt, daß eine Zensur nicht stattfindet. Wenn das nicht der Fall ist, ist es zweckmäßig, in Zusammenarbeit mit den
    B) Ländern die Ortspolizeibehörden anzuweisen, nicht allzu schnell zu Verboten zu schreiten.
    Nun die Stimme des Volkes. Herr Kollege Bausch, ich bekomme immer ein beklemmendes Gefühl, wenn ich von der Stimme des Volkes höre, denn sie pflegt erst „Hosianna" und dann „Kreuziget ihn" zu rufen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Und wenn ein großer liberaler Statthalter vor fast 2000 Jahren vor sie hintritt und dem einen Gerechten noch eine Chance geben will, dann wählt sie den Barabbas, den Verbrecher, und hat ihn frei bekommen, den Gottessohn kreuzigte sie.

    (Abg. Dr. Dresbach: Aber bei der „Vox populi — vox Rindvieh" sind Sie noch nicht angekommen!?)

    Benjamin Constant hat erklärt, daß die Demokratie, wenn sie überspitzt wird, zum schrecklichsten Steigbügelhalter der Despotie entarten kann. Wir sollten also möglichst diese Assoziation von Volksempfinden, Volkszensur und Volksdemokratie vermeiden. Ein Politiker und ein im öffentlichen Leben stehender Verantwortlicher hat mehr zu tun, als nur auf die Vox populi zu hören. Er hat die Verantwortung vor seinem Gewissen und Gott, sein Handeln im Sinne des Kategorischen Imperativs Immanuel Kants bestimmen zu lassen.

    (Lebhafter Beifall bei FDP und SPD.)

    Es würde zu weit führen und den Wünschen des Herrn Präsidenten widersprechen, wenn ich mich in eine Diskussion einließe, wo wohl mehr künstlerische Schöpfungen entstehen können, in der Atmosphäre der Freiheit oder in der stickigen Luft
    der Unduldsamkeit. Goethes Faust II. Teil mit der( Läuterung Fausts durch die Berührung mit der antiken Helena wäre niemals zugelassen worden, wenn Pfarrer Klinkhammer darüber zu bestimmen gehabt hätte.

    (Lebhafter Beifall bei FDP und SPD.)

    Und Rembrandt hätte niemals seine Saskia malen dürfen, Rubens niemals das Ewig-Weibliche in derart vitaler Form, und Auguste Renoir schon lange nicht. Es wäre auch nichts von Rodin in der bildenden Kunst, von seinen wunderschönen Skulpturen überliefert, wenn wir die Freiheit des Geistes und damit die Schöpferkraft des Künstlers durch eine allzusehr nur in die Gegenwart projizierte politische oder konfessionelle Engstirnigkeit stranguliert hätten.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei FDP und SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Mir scheint, daß es am besten ist, sich an Blaise Pascal zu halten, dessen „Pensées" der Herr Bundesminister ebenso gut kennt wie ich auch. Blaise Pascal sagt auf die Frage, ist der Mensch nun gut, ist er schlecht, hat Jean Jacques Rousseau mit seinem „Retournons á la nature" recht: Der Mensch ist weder gut noch schlecht; das Verhängnis will es nur, daß er oft zum Teufel wird, wenn man mit Gewalt einen Engel aus ihm machen will.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Konsequenz, die er daraus zieht, ist für uns Liberale sehr interessant: Man muß daher den Menschen unter Bedingungen setzen, die ihm einen Anreiz zum Guten bieten und ihn hindern, Böses zu tun.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Zurufe von der Mitte: Also!)


    (Zuruf von der Mitte: Einverstanden!)

    Durch die Bestimmungen unseres Strafrechts haben wir genügend Barrieren gegen das Böse aufgerichtet, nicht zuletzt auch durch die Kritik der Konfessionen und der Jugendorganisationen, der ich jede Schärfe zubillige, wenn sie sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Bevor ich nun zu dem Ufi-Komplex komme, noch ein Wort jetzt zu der Person des Herrn Bundesministers für Familienfragen, den ja ein Teil der Kollegen schon länger kennt. Wir kennen ihn als streitbaren Abgeordneten des 1. Bundestags, der uns während der Beratungen des Wahlgesetzes das Wort vom „Kommunistenförderungsgesetz" zurief, wofür sich sein Fraktionsvorsitzender nachher vor diesem Hause quasi entschuldigen mußte. Wir kennen ihn also aus mancher scharfen Rede. Aber uns Freien Demokraten, die wir den Weg des Herrn Bundesministers ins Kabinett mit großen Bedenken verfolgt haben — das ist ja nicht unbekannt —, ist die Rede, die er in Düsseldorf zur Eröffnung des Wahlkampfes hielt, noch in guter Erinnerung. Meine Damen und Herren, wer hat wohl — und Herr Kollege Dresbach wird es bestätigen — bessere Reden auf den Herrn Bundeskanzler und auf das Wiederkehren der nichtsozialistischen Koalition gehalten als viele


    (Dr. Mende)

    unserer Kollegen? Und wer hat fairer und loyaler als wir immer wieder das Gemeinsame der Koalition und die Persönlichkeit des Bundeskanzlers in diesem Wahlkampf herausgestellt, als es um die Alternative Adenauer oder Ollenhauer ging? Ich billige Ihnen nur eine Ausnahme zu, Oberhausen, aber die hatte ihren Grund.

    (Zuruf von der Mitte: Baden-Württemberg! — Weitere Zurufe.)

    Und nun die Antwort? Der damalige Bundestagsabgeordnete Wuermeling sagt in Düsseldorf, daß die Liberalen, die mit im Kabinett waren und maßgeblich mit die Politik dieser Regierung bestimmt haben, insbesondere in Wirtschaftsfragen, genau so schlecht seien wie die Marxisten, nur unbedeutender und daher ungefährlicher. Das war der Auftakt, und dann kam noch manches andere hinzu. Herr Pater Leppich spricht von der Trilogie des Teufels, von Marxismus, Liberalismus und Sexualismus.

    (Lachen bei der FDP und SPD.)

    Ich möchte mich nicht in eine Diskussion mit meinem oberschlesischen Landsmann Pater Leppich einlassen. Aber ich stelle hier fest, daß wir Liberale für uns in Anspruch nehmen — das sage ich bewußt, weil auch gerade mein Vorredner die ethische Seite dieser Debatte angerührt hat —, genau so gute Katholiken und Protestanten zu sein, wie es auch die anderen in diesem Hause für sich beanspruchen.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Genau so wie wir den Sozialdemokraten das Monopol auf die sozialen Fragen absprechen, müssen wir der CDU/CSU das Monopol auf das Christentum absprechen.

    (Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

    Ich glaube unsere Meinung zu dieser Frage hier nicht besser aussprechen zu können als mit den Worten eines bekannten Liberalen, der im Parlamentarischen Rat erklärt hat:
    Christus ist nicht Gottmensch geworden und
    auf die Erde gekommen, um mit seinem
    Namen irgendeiner politischen Richtung Möglichkeiten zu parteipolitischer Propaganda zu
    geben, sondern um uns alle zu erlösen, Sozia-
    listen, Demokraten und auch Kommunisten.

    (Erneuter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE. — Zurufe von der Mitte.)

    Wenn es nun schon darauf ankommt, die Kluft in dieser Frage anzurühren, so möchte ich das auch bezüglich der konfessionellen Fehde tun, von der, wie der Herr Bundesminister Wuermeling sagt, angeblich von uns so viel gesprochen wird. Der Herr Bundesminister sagt, es sei die große Aufgabe gerade der CDU — und er selbst sei maßgeblich daran beteiligt —, Katholiken und Protestanten in einem Lager zusammenzuführen. Auch wir erkennen es als das große staatspolitische Verdienst der CDU, der Union, an, daß sie jenen verhängnisvollen religiösen Gegensatz in Deutschland zu überbrücken versucht. Dann aber muß man auch unser Anliegen verstehen, daß wir logischerweise mit der Überbrückung so früh wie möglich beginnen wollen, d. h. in einer christlichen Gemeinschaftsschule,

    (lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE — Zurufe von der Mitte)

    in der Katholiken und Protestanten gemeinsam die abendländisch-christliche Kultur vermittelt erhalten und sich lediglich im Religionsunterricht trennen, der nach der Maßgabe und unter der Aufsicht der Kirchen als Pflichtunterricht erteilt werden soll. Es erscheint uns unlogisch, Herr Minister Wuermeling, daß man auf der unteren Ebene trennt und in der Kindesseele jenen verhängnisvollen Gegensatz aufreißt, den man oben beseitigen will.

    (Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.) Wer uns daher dieser Auffassung wegen, aus diesem Bekenntnis zur christlichen Gemeinschaftsschule Christenfeindlichkeit und Kirchenfeindlichkeit unterstellen will und wer dafür die Literatur des Altliberalismus des vorigen Jahrhunderts heranzieht, der lebt nicht im Jahre 1954, oder er ist unanständig im Gebrauch seiner politischen Propaganda.


    (Erneuter lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

    Als letztes zu dem Herrn Altministerpräsidenten Reinhold Maie r. Ich habe mit ihm manchen Gegensatz auch in der Bundestagsfraktion ausgetragen. Ich weiß nicht, ob es klug ist, aus dem Bewußtsein des Sieges eine Hybris zu züchten

    (Zuruf von der Mitte: Wer tut das?)

    und hier Reinhold Maier ironisch zu zitieren, der an der Kanzlerschaft Adenauers unschuldig sei. Meine Damen und Herren, c'est le ton qui fait la musique! Wenn man Reinhold Maier immer in dieser ironisch-satirischen Art stichelt — auch heute wurde er dreimal zitiert —, darf man sich nicht wundern, daß dieses kantige Etwas entsprechend reagiert.

    (Abg. Lücke: Das hat Herr Wuermeling auch getan! -Weiterer Zuruf von der Mitte: Wer hat angefangen?)

    — „Wer hat angefangen?" Die Frage „Wer hat angefangen?" sollte in der Klippschule, aber nicht hier gestellt werden.

    (Beifall und Heiterkeit bei der FDP und SPD. — Unruhe in der Mitte.)

    Als letztes noch ein Zitat: Die schönen Tage in Aranjuez sind zu Ende! Trösten wir uns! Zu Ende sind die schönen Tage auf dieser Welt mal für alle von uns, und die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist weder für den einen der Hades noch für den andern der Olymp.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Nun noch einige Worte zu der Ufi-Entflechtung. Wir sind der Auffassung, daß man im deutschen Film die beste Lösung dann findet, wenn man einige konkurrenzfähige Kerngesellschaften bildet, die in einem freien Wettbewerb das Niveau des deutschen Films so hochschrauben, daß wir auf dem Weltmarkt wieder erscheinen können. Gerade wir sind die größten Freunde einer Reprivatisierung, die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht verhindern soll. Wir vertreten daher nach wie vor die Auffassung, die wir damals zum UfiEntflechtungsgesetz hier verkündet haben. Es sollen keine stark konzentrierten Wirtschaftsformen,


    (Dr. Mende)

    insbesondere keine monopolartigen Verhältnisse auf dem Filmgebiet entstehen oder wieder entstehen. Die Filmwirtschaft soll ausschließlich auf privater Grundlage, also frei von staatlichem Einfluß und staatlicher Beteiligung, arbeiten, und jede Politisierung der Filmwirtschaft, insbesondere ihr Einsatz für bestimmte politische Machtgruppen, soll unbedingt verhindert werden. Meine Damen und Herren, tun wir nicht so, als wenn nur ein Teil im Haus heute in dieser Frage lammfromm wäre. Herr Kalbitzer, vor dem 6. September hat sich das Norddeutsche Filmkontor nicht so sehr durch die Hilfe der CDU, sondern durch Ihre Hilfe und die Hilfe Ihrer Freunde bemüht, aus dem UfiKomplex für Ihre Zwecke möglichst viel dienstbar zu machen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Weder der Versuch, nach dem 6. September eine Machtzusammenballung bei der Koalition, noch der Versuch, vor dem 6. September über die Gewerkschaften Macht im Film zu erreichen, können von uns geduldet werden.
    Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Für uns liegt die richtige Strukturveränderung des deutschen Filmwesens in der Mitte zwischen nationalsozialistischer Konzentration und besatzungsrechtlicher Zerschlagung. Ich glaube, daß in einem organischen Wachsen diese Lösung zu finden ist. Entscheidend wird aber für die Beurteilung des deutschen Films in der Welt nicht so sehr die wirtschaftliche als die künstlerische Leistung sein. Ich darf hier nun die Frage stellen, ob „Don Camillo und Peppone" — das ist schon gesagt worden —, ob „Sie tanzte nur einen Sommer", ob „Der blaue Engel", ob „Endstation Sehnsucht", ob „Verdammt in alle Ewigkeit", ob „Bitterer Reis", ob „Fahrraddiebe" oder ob viele andere Filme in Deutschland überhaupt hätten gedreht werden können, wenn die Erteilung der Bürgschaften an gewisse Vorstellungen geknüpft worden wäre, die zum Teil in der Mitte dieses Hauses in der letzten Zeit leider sichtbar geworden sind.

    (Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)

    Wir wehren uns gegen diese Vorstellungen, sosehr wir an dem Erfolg der CDU/CSU mitbeteiligt sind. Ja, wir haben sogar auf Grund einer übergroßen Koalitionsloyalität Haare gelassen.

    (Heiterkeit. — Oho-Rufe von der Mitte.) — Jawohl! Wir sind der Auffassung,


    (Zuruf von der Mitte: Das wollen Sie jetzt wohl nachholen?)

    daß wir allzuviel von Ihnen und Ihrem großen Liberalen Adenauer gesprochen haben und allzu-wenig von uns, daß wir unser Licht dadurch unter den Scheffel gestellt haben. Aber selbst wenn wir an diesem Erfolg maßgeblich mitbeteiligt sind der beste Kronzeuge dafür ist doch der Herr Bundeskanzler selbst —, so gibt der Wahlerfolg des 6. September niemandem das Recht, in einer mechanistischen Übertragung des d'Hondtschen Systems alle Gebiete des deutschen öffentlichen, insbesondere des publizistischen Lebens zu usurpieren. Dagegen werden wir mit allen Freiheitsliebenden aufstehen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP, SPD und beim GB/ BHE.)