Protokoll:
14119

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 119

  • date_rangeDatum: 15. September 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:06 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erhöhung der Anzahl der Mitglieder in den Ausschüssen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 11407 A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11407 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11407 B Einzelplan 30 Bundesministerium fürBildung und For- schung Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 11407 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11409 B Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11410 B Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11411 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 11413 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11415 C Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11417 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11420 A Siegrun Klemmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11421 D Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11424 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11426 A Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11426 B Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11427 C René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11429 D Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11430 A Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11432 D Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11433 A Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 11433 A Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11436 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11438 D Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11440 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11441 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11443 C Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11444 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11446 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11448 A Plenarprotokoll 14/119 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 119. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. September 2000 I n h a l t : Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11451 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11454 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11456 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11457 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11458 B Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11460 C Schlussrunde Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 11462 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11466 C Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 11467 A Hans Jochen Henke CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11468 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11470 B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11472 C Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11474 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11476 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11478 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11480 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11481 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11481 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 2000 Hans Georg Wagner 11480 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 118. Sitzung, Seite 11361 (A) Zweiter Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen: „Herr Bundesminister Trittin jedenfalls war nicht dabei“. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 2000 11481 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 15.09.2000 Bernhardt, Otto CDU/CSU 15.09.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 15.09.2000 Bodewig, Kurt SPD 15.09.2000 Bohl, Friedrich CDU/CSU 15.09.2000 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 15.09.2000 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 15.09.2000 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 15.09.2000 Peter H. Catenhusen, SPD 15.09.2000 Wolf-Michael Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 15.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 15.09.2000 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ 15.09.2000 DIE GRÜNEN Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 15.09.2000 Joseph DIE GRÜNEN Frick, Gisela F.D.P. 15.09.2000 Göllner, Uwe SPD 15.09.2000 Goldmann, Hans-Michael F.D.P. 15.09.2000 Hauer, Nina SPD 15.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 15.09.2000 DIE GRÜNEN Hiksch, Uwe PDS 15.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 15.09.2000 Jelena Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 15.09.2000 Kolbe, Manfred CDU/CSU 15.09.2000 Dr. Kues, Hermann CDU/CSU 15.09.2000 Dr. Küster, Uwe SPD 15.09.2000 Lamp, Helmut CDU/CSU 15.09.2000 Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 15.09.2000 DIE GRÜNEN Lüth, Heidemarie PDS 15.09.2000 Marquardt, Angela PDS 15.09.2000 Mogg, Ursula SPD 15.09.2000 Parr, Detlef F.D.P. 15.09.2000 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 15.09.2000 Reichard (Dresden), CDU/CSU 15.09.2000 Christa Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 15.09.2000 Hannelore Schmidt (Eisleben), SPD 15.09.2000 Silvia Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 15.09.2000 Hans Peter Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 15.09.2000 Seehofer, Horst CDU/CSU 15.09.2000 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 15.09.2000 Wolfgang Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 15.09.2000 Wieczorek-Zeul, SPD 15.09.2000 Heidemarie Wilz, Bernd CDU/CSU 15.09.2000 Zierer, Benno CDU/CSU 15.09.2000 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 753. Sitzung am 14. Juli 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung und Ergänzung vermögens- rechtlicher und anderer Vorschriften (Vermögens- rechtsergänzungsgesetz – VermRErgG) – Gesetz zu dem Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustim- mung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel im interna- tionalen Handel vom 10. September 1998 – Gesetz zu dem Protokoll vom 14. Dezem- ber 1998 zur Änderung des am 3. Dezem- ber 1980 in Bonn unterzeichneten Abkommens entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Ver- meidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge- biet der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkung- steuern – Zweites Gesetz zur Änderung des Altschulden- hilfe-Gesetzes (Zweites Altschuldenhilfe-Ände- rungsgesetz – 2. AHÄndG) – Gesetz zur Änderung des Schornsteinfeger- gesetzes und anderer schornsteinfegerrechtli- cher Vorschriften – Gesetz zur Sicherung der nationalen Buch- preisbindung – Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschrif- ten – Zweites Gesetz zur Änderung des Melderechts- rahmengesetzes (MRRG) – Gesetz über die Hilfe für durch Anti-D-Immun- prophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiDHG) – Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinne- rung, Verantwortung und Zukunft“ – Erstes Gesetz zur Änderung des Zivildienstver- trauensmann-Gesetzes (Erstes Zivildienstver- trauensmann-Änderungsgesetz – 1. ZD- VÄndG) – Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Re- form der Unternehmensbesteuerung (Steuersen- kungsgesetz – StSenkG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat fol- gende Entschließung gefasst: 1. Nach Zustimmung zum Steuersenkungsgesetz er- wartet der Bundesrat, dass die Bundesregierung dem Gesetzgeber folgende Vorschläge zur Fortent- wicklung des Steuersenkungsgesetzes unterbrei- tet: – Eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer um einen Prozentpunkt auf 42 Prozent ab 2005. – Wiedereinführung des halben Steuersatzes für Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben für aus dem Berufsleben ausscheidende Unter- nehmer einmal im Leben. Die Ergänzungen sollen gleichzeitig mit dem Steuer- senkungsgesetz wirksam werden. 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, das Notwendige zu veranlassen, dass die AfA-Ta- bellen aufgrund der Rechtsprechung des Bundes- finanzhofs vom 19. November 1997 zur sachge- rechten Verlängerung der technischen Nutzungs- dauer von Anlagegütern überarbeitet werden und zur Sicherung des Finanzierungsvolumens des Steuersenkungsgesetzes zum 1. Januar 2001 in Kraft treten. Der Bundesrat hat in seiner 753. Sitzung am 14. Juli 2000 beschlossen, gemäß Artikel 76 Absatz 2 Grundgesetz gegen den Gesetzentwurf keine Einwendun- gen zu erheben: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrs- wegerechtlicher Vorschriften (VerkVÄndG) Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 13. Sep- tember 2000 den Antrag „Sanktionen gegenüber Öster- reich sofort aufheben “ – Drucksache 14/4068 – zurückgezogen. Der Abgeordnete Thomas Kossendey hat seine Unter- schrift zu dem Antrag „Zukunft der Bundeswehr“ – Drucksache 14/3775 – zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1999/2000 des Sachverständigenrateszur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung – Drucksache 14/2223 – Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die BeschäftigungSchwerbehinderter im öffentlichen Dienst – Drucksache 14/232 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundes-republik Deutschland 2000 – Drucksache 14/2950 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuss Drucksache 14/3146 Nr. 2.23 Drucksache 14/3146 Nr. 2.27 Drucksache 14/3341 Nr. 2.42 Drucksache 14/3341 Nr. 2.46 Drucksache 14/3341 Nr. 2.52 Drucksache 14/3428 Nr. 2.4 Drucksache 14/3576 Nr. 2.24 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/1016 Nr. 1.6 Drucksache 14/1778 Nr. 2.13 Drucksache 14/1778 Nr. 2.15 Drucksache 14/1936 Nr. 1.2 Drucksache 14/1936 Nr. 1.3 Drucksache 14/1936 Nr. 1.6 Drucksache 14/1936 Nr. 1.10 Drucksache 14/1936 Nr. 1.14 Drucksache 14/1936 Nr. 1.16 Drucksache 14/1936 Nr. 1.18 Drucksache 14/1936 Nr. 1.20 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 200011482 (C) (D) (A) (B) Drucksache 14/1936 Nr. 1.21 Drucksache 14/1936 Nr. 1.23 Drucksache 14/1936 Nr. 1.24 Drucksache 14/2009 Nr. 2.2 Drucksache 14/2009 Nr. 2.3 Drucksache 14/2009 Nr. 2.5 Drucksache 14/2009 Nr. 2.6 Drucksache 14/2747 Nr. 2.50 Drucksache 14/2747 Nr. 2.51 Drucksache 14/2747 Nr. 2.52 Drucksache 14/2817 Nr. 2.4 Drucksache 14/2817 Nr. 2.5 Drucksache 14/2817 Nr. 2.29 Drucksache 14/2952 Nr. 2.4 Drucksache 14/2952 Nr. 2.12 Drucksache 14/2952 Nr. 2.18 Drucksache 14/2952 Nr. 2.21 Drucksache 14/3050 Nr. 2.3 Drucksache 14/3146 Nr. 2.21 Drucksache 14/3146 Nr. 2.22 Drucksache 14/3146 Nr. 2.24 Drucksache 14/3146 Nr. 2.25 Drucksache 14/3146 Nr. 2.26 Drucksache 14/3146 Nr. 2.28 Drucksache 14/3146 Nr. 2.29 Drucksache 14/3146 Nr. 2.30 Drucksache 14/3146 Nr. 2.31 Drucksache 14/3341 Nr. 1.5 Drucksache 14/3341 Nr. 1.6 Drucksache 14/3341 Nr. 1.7 Drucksache 14/3341 Nr. 2.2 Drucksache 14/3341 Nr. 2.3 Drucksache 14/3341 Nr. 2.10 Drucksache 14/3341 Nr. 2.12 Drucksache 14/3341 Nr. 2.13 Drucksache 14/3341 Nr. 2.18 Drucksache 14/3341 Nr. 2.25 Drucksache 14/3341 Nr. 2.27 Drucksache 14/3341 Nr. 2.29 Drucksache 14/3341 Nr. 2.35 Drucksache 14/3341 Nr. 2.36 Drucksache 14/3341 Nr. 2.50 Drucksache 14/3428 Nr. 2.1 Drucksache 14/3428 Nr. 2.9 Drucksache 14/3428 Nr. 2.20 Drucksache 14/3428 Nr. 2.26 Drucksache 14/3428 Nr. 2.27 Drucksache 14/3428 Nr. 2.31 Drucksache 14/3428 Nr. 2.32 Drucksache 14/3428 Nr. 2.33 Drucksache 14/3576 Nr. 1.1 Drucksache 14/3576 Nr. 2.12 Drucksache 14/3576 Nr. 2.17 Drucksache 14/3576 Nr. 2.40 Drucksache 14/3576 Nr. 2.42 Drucksache 14/3576 Nr. 2.43 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/2817 Nr. 2.15 Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/342 Nr. 2.22 Drucksache 14/342 Nr. 2.37 Drucksache 14/1188 Nr. 2.15 Drucksache 14/1276 Nr. 2.4 Drucksache 14/1276 Nr. 2.17 Drucksache 14/1778 Nr. 2.10 Drucksache 14/2211 Nr. 1.3 Drucksache 14/2952 Nr. 2.7 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/3576 Nr. 2.7 Drucksache 14/3576 Nr. 2.8 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/3341 Nr. 2.4 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit Drucksache 14/3146 Nr. 2.20 Drucksache 14/3341 Nr. 2.33 Drucksache 14/3428 Nr. 2.10 Drucksache 14/3428 Nr. 2.30 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung Drucksache 14/3576 Nr. 1.8 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/2609 Nr. 1.9 Drucksache 14/2817 Nr. 2.28 Drucksache 14/2817 Nr. 2.34 Drucksache 14/2952 Nr. 2.10 Drucksache 14/2952 Nr. 2.24 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3050 Nr. 1.1 Drucksache 14/3146 Nr. 2.7 Drucksache 14/3576 Nr. 1.10 Drucksache 14/3576 Nr. 1.13 Drucksache 14/3576 Nr. 2.2 Drucksache 14/3576 Nr. 2.9 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. September 2000 11483 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die Zahl der
Mitglieder im Ausschuss für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten sowie im Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um ei-
nen Sitz auf jeweils 27 Mitglieder zu erhöhen. Sind Sie
damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch.
Dann verfahren wir so.

Wir setzen nun die Haushaltsberatungen – Punkt 1 –
fort:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2001

(Haushaltsgesetz 2001)

– Drucksache 14/4000 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004
– Drucksache 14/4001 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Interfraktionell ist vereinbart worden, die Schlussrun-
de auf eine Stunde zu verkürzen, sodass für die Ausspra-
che heute insgesamt viereinhalb Stunden zur Verfügung
stehen. Sie sind, nehme ich an, damit einverstanden. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung, Einzel-
plan 30. Das Wort hat die Frau Bundesministerin
Bulmahn.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung

(von der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen mit Beifall begrüßt)


dent! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Noch nie
wurde in Bildung und Forschung so viel investiert wie
heute.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Trotz Haushaltskonsolidierung und trotz enger finanziel-
ler Spielräume haben wir die Investitionen in Bildung und
Forschung kontinuierlich erhöht, und zwar mit dem
Haushalt 2001 nun das dritte Mal in Folge.

Wir legen einen Haushalt vor, der insgesamt 15,37Mil-
liarden DM umfasst. Damit legt er um 5,3 Prozent zu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das, finde ich, ist ein Grund zur Freude, weil dieses Geld
den Jugendlichen und auch der Zukunft unseres Landes
zugute kommt.


(Beifall bei der SPD)

Ich wundere mich – ganz offen gesagt – ein wenig,

meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposi-
tion, dass Sie dazu nicht klatschen, weil ich denke, dass es
auch in Ihrem Interesse sein sollte, wenn wir hier mehr
Mittel bereitstellen.


(Jörg Tauss [SPD]: So sind die halt! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es stimmt ja nicht! Wenn es stimmen würde, würden wir auch klatschen! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es ist unglaublich, was Sie da fordern!)


– Wenn ich daran denke, was Sie während Ihrer Re-
gierungszeit getan haben, dann muss ich leider feststellen,
dass Sie damals jahrelang Entwicklungen und Trends ver-
schlafen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie konnten dann häufig nur noch mit viel Mühe und
Not auf fahrende Züge springen. Darunter hat unser
Land gelitten. Wir merken das am Zustand unserer Hoch-
schulen. Wir merken es am Fachkräftemangel im
IT-Bereich oder der Abwanderung deutscher Spitzenwis-

11407


(C)



(D)



(A)



(B)


119. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. September 2000

Beginn: 9.00 Uhr

senschaftler ins Ausland. All das sind Folgen Ihrer ver-
fehlten Politik. Sie sind leider noch bis heute spürbar.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Jetzt lache ich mich aber tot!)


Ihnen – das muss ich leider so deutlich sagen, das ha-
ben wir häufig diskutiert – waren Bildung und Forschung
keine müde Mark wert.


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist sozialdemokratisches Rechnen! 15 Milliarden DM sind keine müde Mark!)


Ansonsten hätten Sie nicht gerade den Haushalt für Bil-
dung und Forschung in den Jahren von 1993 bis 1998 um
sage und schreibe mehr als 700 Millionen DM gekürzt.
Das kann man nachlesen. Ich gehe davon aus, dass Sie die
Zahlen lesen können und wissen, was sie bedeuten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist bei dem Bildungsstand sehr schwierig!)


Das war eine falsche Politik, die durch diese Bundes-
regierung jetzt korrigiert wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es war damals in einer Zeit, in der erkennbar war, vor
welchen internationalen und nationalen Herausforderun-
gen wir stehen, ein falsches Signal.

Seit dem Regierungswechsel ist damit nun endlich
Schluss. Bildung und Forschung haben in diesem Land
wieder Priorität. Wir modernisieren die berufliche Bil-
dung und sorgen dafür, dass alle Jugendlichen, die einen
Ausbildungsplatz suchen, auch einen Ausbildungsplatz
erhalten.

Wir investieren in die Hochschulen und Forschungs-
einrichtungen und machen sie zukunftssicher. Wir ver-
wirklichen die Chancengleichheit von Frauen und Män-
nern in Bildung und Wissenschaft. Wir investieren in die
Menschen in diesem Land und verwirklichen damit eine
Politik der Modernisierung und der sozialen Verantwor-
tung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir verfahren dabei nicht nach dem Gießkannenprin-
zip, sondern wir setzen klare Prioritäten und Schwer-
punkte. Wir konzentrieren uns auf die Handlungsfelder,
die die größten Chancen für die Zukunft bieten. Das sind
insbesondere die Informations- und Kommunikations-
technologien; es sind die Mikrosystemtechnik und die
Elektronik. Sie sind die Schlüsselbereiche für wirtschaft-
liches Wachstum und neue Arbeitsplätze.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier haben wir glücklicherweise gerade in den letzten
zwei Jahren im internationalen Vergleich deutlich aufge-
holt. Die neuen Informations- und Kommunikationstech-
nologien verzeichnen in Deutschland inzwischen die
höchsten Zuwachsraten bei Umsatz und Beschäftigung.

Breitbandige Mobilkommunikationssysteme erlauben an
jedem Ort und zu jeder Zeit den Zugriff auf multimediale
Daten.

Technologien der Verkehrstelematik helfen, dass un-
sere Straßen effizienter genutzt werden. Mit dem Deut-
schen Forschungsnetz verfügen wir über eine exzellente,
schnelle Datenautobahn für die gesamten wissenschaftli-
chen Einrichtungen. Die Entwicklung der Informations-
gesellschaft ist aber kein Selbstläufer. Es wäre fatal, zu
glauben, dies würde alles von allein funktionieren. Viel-
mehr bedarf diese Entwicklung politischer und gestalteri-
scher Initiativen, damit der Wandel beschleunigt werden
kann und damit die Chancen auch tatsächlich genutzt
werden.

Mit dem Programm „Innovation und Arbeitsplätze in
der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ und
mit der Initiative D 21 bringen wir diese Entwicklung ge-
meinsam mit der Wirtschaft weiter voran.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben gemeinsam mit den Sozialpartnern mit sehr
großem Erfolg neue Ausbildungsberufe entwickelt. Wir
haben die Ausbildungsplatzzahlen von 14 000 auf in die-
sem Jahr rund 40 000 gesteigert. Wir haben mit einem
100-Millionen-Sofortprogramm für die Weiterentwick-
lung des Informatikstudiums auf den Fachkräftemangel in
diesem Bereich reagiert.

Wir haben es geschafft, dass heute bereits 50 Prozent
unserer Schulen ans Netz angeschlossen sind. Wir hatten
in den letzten sechs, sieben Monaten einen dramatischen
Zuwachs. Das ist notwendig und auch richtig. Unser Ziel
ist, bis zum Ende des Jahres 2001 alle Schulen ans Netz
anzuschließen und eine flächendeckende Ausstattung mit
Computern in den Schulen zu erreichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben weiterhin die Mittel für computer- und
netzgestütztes Lernen deutlich erhöht; denn Lern- und
Lehr-Software wird bei den Bildungsstätten der Zukunft
die gleiche Rolle spielen, wie es heute das Lehrbuch, das
Schulbuch oder zum Beispiel der Overheadprojektor tun.
Das bedeutet, dass dort nicht nur ein Programm ent-
wickelt werden muss, sondern dass auch didaktische und
methodische Konzeptionen für den Einsatz der neuen Me-
dien im Unterricht erarbeitet werden müssen.

Ich sage allerdings auch ganz offen: Es kommt dabei
nicht nur auf den Bund an, sondern die Länder müssen
parallel das ihrige tun, das heißt, in die Lehrerfortbildung
investieren und die Curricula modernisieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Einen zweiten Schwerpunkt legen wir mit dem Haus-
halt 2001 auf die Zukunftsbereiche Biotechnologie, Ge-
sundheits- und Medizinforschung sowie die molekulare
Medizin. Hier steigern wir im kommenden Jahr den
Haushaltsansatz allein um 28 Prozent gegenüber dem




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
11408


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(D)



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(B)


diesjährigen Haushalt.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist das, was der Herr Rüttgers eingeleitet hat!)

– Genau das hat Herr Rüttgers nicht getan. Er hat die Mit-
tel nämlich nicht so gesteigert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: Der hat überhaupt nichts gemacht! Sprücheklopfer!)


Er hat vor allen Dingen in diesem Bereich nicht in die
molekulare Medizin investiert. Das ist aber die notwen-
dige Voraussetzung dafür, dass wir wirklich bessere
Methoden entwickeln gerade für die Bekämpfung von
Volkskrankheiten, von denen ein großer Teil unserer
Bevölkerung betroffen ist, wie zum Beispiel Krebs oder
Alzheimer. Wir wollen hier effektivere Methoden für die
Bekämpfung von Krankheiten sowie neue Präven-
tionsverfahren entwickeln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Lebenswis-
senschaften wirklich die Schlüsseltechnologie des
21. Jahrhunderts sind. Deshalb ist es richtig, dass diese In-
vestitionen hier getätigt werden und dass hier ein Schwer-
punkt gesetzt wird.

Die deutschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerin-
nen und Forschungseinrichtungen haben übrigens bei der
Sequenzierung und bei der Entschlüsselung des mensch-
lichen Genoms wichtige Beiträge geleistet.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900100
Frau Ministerin, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert, PDS-
Fraktion?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ja.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1411900200
Frau Ministerin, Sie sprachen
gerade mit großer Euphorie von den Möglichkeiten der
biologischen Wissenschaften. Sie haben einige Krankhei-
ten genannt, die Ihrer Ansicht nach dadurch bekämpft
werden könnten. Sie hatten auch angekündigt, von den
UMTS-Geldern vieles in die entsprechenden Forschungs-
richtungen zu stecken.

Sie wissen doch aber so gut wie ich, dass sowohl in-
nerhalb der Bevölkerung als auch innerhalb des Hauses,
als auch innerhalb Ihrer eigenen Fraktion sehr große Vor-
behalte und Ängste mit Biotechnologien – insbesondere
der Gentechnik – verbunden sind. Haben Sie nicht die Be-
fürchtung, dass Sie damit die Arbeit der Enquete-Kom-
mission, die wir extra zu diesem Zweck eingesetzt haben,
sehr stark präjudizieren? Schaffen wir damit nicht sehr
einseitige Tatsachen, die dann unabhängig von den Er-
gebnissen der Enquete-Kommission – für den Fall, dass
die Enquete-Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass
die Gefahren wesentlich größer sind als die Chancen –
überhaupt nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein könn-
ten?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Da ich selbst zu den Abgeordneten
gehöre, die 1989/90 das Embryonenschutzgesetz auf den
Weg gebracht haben, bin ich mir sehr wohl bewusst, dass
wir bei der Anwendung der Gentechnik ethische Gren-
zen ziehen müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin der Überzeugung, dass wir in unserem Land das
Embryonenschutzgesetz aufrechterhalten müssen und
kein therapeutisches Klonen zulassen sollten. Ich hoffe
hier auf eine breite Zustimmung im Parlament.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir auch in der
Verantwortung stehen, die Chancen, die uns diese Tech-
nologie bietet, im Interesse der Menschen zu nutzen, die
an den Krankheiten leiden, die ich genannt habe. Wir wis-
sen, dass wir wahrscheinlich nur über diesen Weg wirk-
same Therapien entwickeln können. Deshalb ist es kein
Widerspruch, sondern es gehört beides zusammen: auf der
einen Seite ganz klare ethische Grenzen in der Anwen-
dung zu ziehen und auf der anderen Seite die Chancen zu
nutzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Vorteil in unserem Land ist, dass wir inzwischen
gelernt haben, dass es nicht darauf ankommt, Ja oder Nein
zu sagen, sondern dass es darauf ankommt, den Weg so
einzuschlagen, dass man die Chancen neuer Entwicklun-
gen nutzt, aber auch ganz klar sagt, welche Anwendungen
man nicht will, und dann in der Forschungsförderung und
in der Gesetzgebung die entsprechenen Entscheidungen
trifft.


(Beifall bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Nicht nur hier, sondern auch in Brüssel!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900300
Noch eine Rückfrage
des Kollegen Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1411900400
Ich danke Ihnen für Ihre klare
Aussage in Bezug auf die ethischen Grenzen, die Sie zie-
hen wollen. Gleichwohl zeigt die Erfahrung, Frau Minis-
terin, dass ethische Grenzen allein häufig nicht sehr
haltbar sind, wenn die technischen und sonstigen Voraus-
setzungen dafür geschaffen sind, dass man andere Dinge
tun kann als das, was Sie oder ich oder wir gemeinsam
wünschen. Auch wenn Sie beispielsweise das therapeuti-
sche Klonen verbieten wollen, ist doch die Möglichkeit
für wissenschaftliches Klonen eröffnet. Sie wissen so gut
wie ich, dass man dann, wenn man wissenschaftlich klo-
nen kann, auch therapeutisch und schließlich auch repro-
duktiv klonen kann. Das kann mit denselben Methoden,
mit denselben Instrumenten und von denselben Menschen
gemacht werden. Mein Problem ist, dass dann, wenn die
technischen Möglichkeiten da sind, ethische Grenzen von




Bundesministerin Edelgard Bulmahn

11409


(C)



(D)



(A)



(B)


Einzelnen bedauerlicherweise überschritten werden kön-
nen und dies nie wieder rückgängig gemacht werden
kann.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ich bin der Überzeugung, dass der Unter-
schied zwischen Menschen und Tieren gerade darin be-
steht, dass wir ganz bewusst entscheiden können, dass wir
urteilen und auch werteorientiert handeln können. Des-
halb wiederhole ich, dass wir die ethischen Grenzen nicht
nur in Werturteilen, sondern auch in unseren Gesetzen zie-
hen müssen, wie wir es bereits getan haben. Die gesetzli-
che Grenze, die wir gezogen haben, soll aufrechterhalten
werden. In den gesetzlichen Vorschriften wird im Übrigen
nicht differenziert: In der Bundesrepublik ist Klonen ge-
nerell untersagt.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Sie sprachen eben nur vom therapeutischen Klonen!)


– Im Embryonenschutzgesetz ist das Klonen generell un-
tersagt und das soll auch so bleiben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900500
Frau Ministerin, ge-
statten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Werner
Lensing, CDU/CSU-Fraktion?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Aber selbstverständlich.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1411900600
Ich weiß, dass es heute
primär um haushaltspolitische Fragen geht. Aber da wir
hier gerade an einer Nahtstelle von Forschungspolitik und
Ethik sind und über ethische Aspekte reden, möchte ich
Sie, Frau Ministerin, noch Folgendes fragen: Können Sie
sich vorstellen, dass in Ihrem Hause im Hinblick auf das
weite Feld der Forschung, das wir gerade behandelt ha-
ben, eines Tages Handlungsbedarf insofern entstehen
könnte, als dass wir im Bereich der Humanforschung vie-
les in der Bundesrepublik Deutschland nicht machen dür-
fen, was aber im Ausland erforscht wird, und wir gleich-
wohl mit Teilergebnissen, die im Ausland erzielt worden
sind, anschließend in der Bundesrepublik Deutschland
weiterarbeiten? Sehen Sie da nicht eventuell die Gefahr
einer doppelten Moral?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Eine doppelte Moral ist immer schlecht.
Deshalb halte ich zum Beispiel die Regelung, die in den
USA gilt, für nicht erfolgversprechend und nicht gut. Das
heißt, dass man zum Beispiel die Finanzierung der Arbeit
mit embryonalen Stammzellen durch private Forschungs-
förderungsmittel zulässt, die durch staatliche aber nicht.
Das halte ich nicht für eine gute Regelung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich bin dabei schon der Auffassung, dass man eine
klare Position haben sollte. Ich habe eine klare Position,
dahin gehend, die verbrauchende Embryonenforschung

nicht zuzulassen, so wie es auch im Embryonenschutz-
gesetz niedergelegt worden ist. Ich persönlich werde mich
auch in Zukunft dafür einsetzen – so wie ich es auch in der
Vergangenheit getan habe –, dass es dabei bleibt und dass
dieses Gesetz in diesem Punkt nicht geändert wird.

Herr Lensing, ich habe vorhin gesagt, dass die Tatsa-
che, dass wir urteilsfähig sind und differenzieren können,
uns als Menschen auszeichnet. Deshalb bin ich der Auf-
fassung, dass man eine Position, von der man zutiefst
überzeugt ist, vertreten muss, und zwar auch in interna-
tionalen Gremien. Das tue ich auch, im Übrigen gar nicht
so erfolglos, weil zum Beispiel sehr viele meiner For-
schungsministerkollegen in der Welt, im G-8-Kreis, aber
auch im europäischen Bereich meine Position durchaus
teilen. Von daher sind wir da nicht isoliert. Ich persönlich
bin der Meinung: Wir sind in einer guten Position, die auf
unseren humanistischen Weltbild basiert, das wir in Eu-
ropa haben. Ich finde, es lohnt, sich dafür einzusetzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade vor dem Hin-
tergrund, den wir jetzt miteinander diskutiert haben, ist
wohl jedem deutlich geworden, dass es wichtig ist, die
Chancen dieser Technologie zu nutzen, aber auch klare
Grenzen zu ziehen. Wir haben im Bereich der Genom-
forschung mehr Mittel eingesetzt und die Mittel in die-
sem Jahr auf 144Millionen DM erhöht. Das bedeutet eine
Steigerung der Fördermittel um 70 Prozent für diesen zen-
tralen Bereich der Lebenswissenschaften. Damit nehmen
wir hinter den USA bei der staatlichen Förderung den
zweiten Platz ein. Also: Das ganze Gerede, wir stünden
hier hintenan, ist schlichtweg falsch. Wir haben inzwi-
schen den zweiten Platz deutlich zurückerobert. Ich
glaube, das ist wichtig zum Nutzen der Menschen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei der Modernisierung von Wirtschaft und Gesell-
schaft haben unsere Hochschulen eine Schlüsselrolle. Wir
haben für die Hochschulen in den letzten Jahren bereits
eine ganze Menge auf den Weg gebracht und setzen dies
in diesem Jahr fort. Wir erhöhen zum einen die Mittel für
den Hochschulbau auf rund 2,2 Milliarden DM. Das ist
notwendig, weil hier in den vergangenen Jahren – gerade
Anfang und Mitte der 90er-Jahre – erheblich gekürzt wor-
den ist. Es passt einfach nicht zu einer modernen Hoch-
schule, wenn der Putz von den Wänden bröckelt und man
mit Geräten arbeiten muss, die 20 Jahre alt sind. Das geht
nicht und deshalb haben wir die Mittel hier deutlich er-
höht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulrike Flach [F.D.P.])


Wir erhöhen zum anderen auch die Mittel für das
BAföG. Das Thema BAföG war in der ersten Hälfte der
90er-Jahre ein wirkliches Trauerspiel. Frau Pieper, ich
sage ganz offen: Eine Opposition, die in den 16 Jahren ih-
rer Regierungsverantwortung nicht den kleinsten Finger




Dr. Ilja Seifert
11410


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dafür gerührt hat, dass das BAföG vernünftig ausgestattet
wird, nehme ich ihre Kritik einfach nicht mehr ab.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ich kann Ihnen versichern, Sie hätten in all den Jahren, in
denen wir in der Opposition waren, unsere Unterstützung
gehabt, wenn Sie ernsthafte Anträge zu einer nennens-
werten Aufstockung gestellt oder eine Reform durchge-
führt hätten. Wir hätten damals mitgestimmt; das kann ich
für alle Kollegen zusagen. Aber Sie haben es nicht ein
einziges Mal wirklich versucht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sanieren das BAföG von Grund auf. Damit gibt es
einen neuen Anfang. Wir erhöhen die Freibeträge und
die Bedarfssätze beim Höchstsatz um 7,3 Prozent. Wir
sorgen durch die Begrenzung der Darlehensbelastung auf
20 000 DM dafür, dass die Jugendlichen aus den einkom-
mensschwächsten Familien am Ende ihres Studiums nicht
mit dem größten Schuldenberg dastehen. Genau das ist ja
zurzeit der Fall.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900700
Frau Ministerin, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper,
F.D.P.-Fraktion?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ja, das mache ich.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1411900800
Ich als Abgeordnete danke
Ihnen, Frau Ministerin, für die Gelegenheit, in einen Dia-
log mit Ihnen einzutreten. Wenn ich Sie richtig verstanden
habe, haben Sie gesagt, Sie hätten zusammen mit der
SPD-Bundestagsfraktion einer BAföG-Strukturreform
zugestimmt. Ich möchte deshalb gerne wissen, warum Sie
jetzt keine BAföG-Strukturreform, sondern nur eine wei-
tere Novelle vorlegen wollen.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen Sie nicht wirklich wissen?)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Frau Pieper, das, was wir vorlegen, ist
eine BAföG-Strukturreform und keine weitere Novelle.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Wir werden das BAföG von Grund auf verändern. Wir
werden das Gesetz erheblich entschlacken, sodass es auch
wirklich wieder praktikabel ist und die Leute nicht mehr
sagen: Das ist so kompliziert, dass ich einen BAföG-
Antrag erst gar nicht stelle. – Das ist im Augenblick – lei-
der – oft der Fall. Ich hoffe, dass Sie alle dazu beitragen
werden, dass die Akzeptanz für dieses Gesetz wieder
wächst und dass es wieder ernst genommen wird.

Wir werden mit dieser Strukturreform erreichen
– auch deshalb ist es eine Strukturreform –, dass circa

80 000 Jugendliche wieder BAföG-berechtigt sind. Das
ist eine große Zahl. Wenn Sie den Vorschlag gemacht hät-
ten, die Freibeträge um 7,3 Prozent anzuheben, dann hät-
ten wir dem zugestimmt. Wenn Sie das vorgeschlagen hät-
ten, was ich jetzt vorschlage – die Begrenzung der
Darlehensbelastung und damit des Schuldenbergs der
Studierenden –, dann hätten wir das mitgetragen. Wenn
Sie – wie wir jetzt – vorgeschlagen hätten, dass auch
BAföG-Empfängern nach dem zweiten Semester ein län-
geres Auslandsstudium ermöglicht wird, dann hätten wir
das mitgetragen. Wenn Sie die Gleichstellung von Studie-
renden in Ost und West vorgeschlagen hätten – das ma-
chen wir jetzt; das ist längst überfällig –,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


dann hätten wir auch das – das kann ich Ihnen versich-
ern – mitgetragen.

Wenn Sie alle diese Vorschläge gemacht hätten, dann
hätten wir Sie unterstützt, dann hätten wir sie jetzt nicht
selber machen müssen und dann hätten wir das BAföG
jetzt noch weiter verbessern können. Ich sage ganz offen:
Ich finde es nicht besonders überzeugend, dass Sie uns
jetzt sagen: „Es reicht aber nicht“, nachdem Sie selber
16 Jahre überhaupt nichts getan haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411900900
Frau Ministerin, Kol-
legin Pieper möchte eine weitere Zwischenfrage stellen.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Gut.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1411901000
Frau Ministerin, gestehen
Sie mir zu, dass ich noch nicht so alt aussehe, als ob ich
schon 16 Jahre in diesem Parlament sitze?


(Zurufe von der SPD: Ja!)

Gestehen Sie mir des Weiteren zu, dass die F.D.P.-Bun-

destagsfraktion zusammen mit mir die Angleichung der
Wohngeldzuschüsse für Studenten im Osten schon wäh-
rend der letzten Haushaltsberatung gefordert hat? Es gab
damals einen sehr heftigen Disput hier im Plenum darüb-
er.

Ich frage auch: Ist es richtig, dass Ihre jetzige so ge-
nannte Strukturnovelle eine elternabhängige Förderung
der Studenten vorsieht, obwohl Sie, Frau Ministerin, noch
vor zwei Jahren eine elternunabhängige Förderung beim
BAföG gefordert haben?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Zu Ihrer ersten Frage kann ich nur sagen:
Frau Pieper, es kommt darauf an, wann Sie Mitglied des
Bundestages geworden sind. Wenn man in relativ jungen
Jahren in den Bundestag gewählt wird – das trifft auf einen
Teil der Abgeordneten zu –, dann kann man jung aussehen
und trotzdem schon 16 Jahre Mitglied dieses Parlaments




Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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sein. Wie gesagt, es kommt darauf an, wann man zum ers-
ten Mal Mitglied des Bundestages wird.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Wann man anfängt! – Dr. Barbara Höll [PDS]: Und wie schnell man dabei alt aussieht!)


– Genau, wann man anfängt.
Zur zweiten Frage: Die SPD-Fraktion hat sich über

viele Jahre hinweg für zwei Dinge eingesetzt. Wir haben
zum einen eine Grundsanierung des BAföG gefordert. Sie
wissen genauso gut wie ich, dass dies absolut zwingend
war. Deshalb war ich ja so verärgert, dass dies in den
16 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht gemacht worden ist.

Wir haben zum anderen eine Änderung der Famili-
enförderung gefordert. Allerdings bringt die Änderung
der Familienförderung – um auch das ganz deutlich zu sa-
gen – den einkommensschwächeren Familien keine müde
Mark mehr ins Portemonnaie. Auch das wissen Sie ge-
nauso gut wie ich. Aber gerade die Förderung von Ju-
gendlichen aus einkommensschwächeren Familien ist
notwendig, weil wir festgestellt haben, dass sich zurzeit
immer weniger junge Menschen, die aus solchen Familien
kommen, ein Studium leisten können. Deshalb ist die von
uns vorgelegte Strukturreform ein wichtiger Schritt für
Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien. Sie
können nämlich wieder sagen: Ich kann studieren, weil
ich es finanzieren kann; denn ich erhalte ein vernünftiges
BAföG. – Genau das werden wir mit unserer Struktur-
reform erreichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden zusätzlich zu dem, was ich bereits zur
Strukturreform in der Antwort auf die Fragen von Frau
Pieper gesagt habe, die Möglichkeit schaffen, Bildungs-
kredite in besonderen Notsituationen in Anspruch zu neh-
men. Daran arbeiten wir. Auch das halte ich für ein sinn-
volles Ergänzungsinstrument.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind vor allem die
jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in
unserem Land darüber entscheiden, wie fit unsere Hoch-
schulen, unsere Gesellschaft und auch unsere Wirtschaft
morgen sind. Deshalb müssen wir den bevorstehenden
Generationenwechsel an unseren Hochschulen im Inte-
resse der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler nutzen. Deshalb haben wir die Förderung des wissen-
schaftlichen Nachwuchses gestärkt und verstetigt. Die
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist für
uns eine Daueraufgabe und keine Sonderaufgabe, wie es
von der alten Bundesregierung tituliert wird. Sie braucht
eine langfristige Perspektive.


(Beifall bei der SPD)

Wir gestalten die Hochschulfinanzierung in Zukunft

berechenbarer und stellen die Förderung von Begabten-
förderungswerken sowie Graduiertenkollegs und den in-
ternationalen Austausch von Studierenden und Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern auf eine verlässliche

Grundlage. Damit bekommen unsere Hochschulen end-
lich die Planungssicherheit, die sie brauchen.

Mit der von mir auf den Weg gebrachten Reform des
öffentlichen Dienstrechts im Wissenschaftsbereich will
ich erreichen, dass gute Leistungen in Lehre und For-
schung honoriert werden und nicht an starren Strukturen,
an Bürokratie oder Beamtenrecht scheitern.


(Beifall bei der SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der Einführung von
Juniorprofessuren und einer Besoldung für Professoren,
die von den Leistungen und nicht nur vom Alter abhängt,
dem wissenschaftlichen Nachwuchs neue Chancen eröff-
nen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, junge Menschen
brauchen eine gute und qualifizierte Ausbildung, damit
sie ihr Leben meistern können. Das gilt für diejenigen, die
studieren. Es gilt aber auch generell. Unser Land braucht
gut ausgebildete Menschen. Wir brauchen sie, damit sich
unsere Demokratie, unser Land, unsere Wirtschaft, wei-
terentwickeln können.

Die Modernisierung der beruflichen Bildung und die
Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes sind deshalb
wesentliche Schwerpunkte dieses Haushaltes und unserer
Arbeit. Ich bin sehr froh darüber, dass unsere Arbeit im
Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähig-
keit Erfolge zeigt. Wir haben in den alten Bundesländern
in diesem Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit eine fast
ausgeglichene Ausbildungsplatzbilanz. In den neuen
Bundesländern sieht es noch nicht so gut aus. Hier man-
gelt es an betrieblichen Ausbildungsplätzen. Aber auch
hier haben wir endlich eine Trendwende geschafft. Denn
wir haben zum ersten Mal einen spürbaren Zuwachs an
betrieblichen Ausbildungsplätzen. Es muss unser Ziel
sein, betriebliche Ausbildungsplätze in ausreichender
Zahl zu haben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ausdrück-
lich bei den Kammern, aber auch bei vielen einzelnen
Handwerksbetrieben und Unternehmen bedanken, dass
sie hier mitgemacht und Ausbildungsplätze angeboten ha-
ben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ulrike Flach [F.D.P.])


Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass es uns ge-
lingt, dass die 3 000 Jugendlichen, die zu Beginn des Aus-
bildungsjahres noch unvermittelt waren, bis Ende Sep-
tember einen Ausbildungsplatz finden werden. Wir
werden das Unsrige dafür tun, damit es gelingt. Damit
machen wir unser Versprechen wahr, dass jeder Jugendli-
che, der kann und will, einen Ausbildungsplatz erhält.

Wir haben in unserem Haushalt noch einen weiteren
Schwerpunkt gelegt, nämlich auf den Ausbau von Bil-
dung, Wissenschaft und Forschung in den neuen Ländern.
Dafür werden wir auch künftig mehr als 3 Milliarden DM
pro Jahr zur Verfügung stellen.




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
11412


(C)



(D)



(A)



(B)


Hier möchte ich zwei Programme nennen. Zum einen
unterstützen wir mit dem Ausbildungsplatzprogramm
Ost betriebliche Ausbildungsplätze in den neuen Bundes-
ländern. Zum anderen haben wir die Initiative Inno-
Regio. Mit diesem neuen Förderansatz geben wir gerade
den neuen Bundesländern wichtige Impulse. Mit diesem
neuen Ansatz haben wir schon jetzt große Erfolge er-
reicht. Wir schaffen mit ihm etwas, was mir sehr wichtig
ist: Wir schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze in den
neuen Bundesländern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verkaufserlöse aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen wird die Bundes-
regierung voll und ganz zur Schuldentilgung einsetzen.
So haben wir es angekündigt. Mit den Zinsersparnissen
werden wir unsere Zukunftsinvestitionen in Bildung und
Forschung weiter verstärken, und zwar zusätzlich zu dem,
was wir im Haushalt haben.


(Beifall bei der SPD)

Damit werden wir unserer Politik der Modernisierung und
der sozialen Gerechtigkeit zusätzlichen Schub geben.

Wir sind mit dem Versprechen angetreten, unser Land
zu modernisieren. Wir halten dieses Versprechen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So wie viele andere!)


Ich sage ganz klar: Die Zeit der Sonntagsreden, wie wir
sie in den 90er-Jahren erlebt haben, ist vorbei. Wir packen
es an.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411901100
Ich erteile dem Kolle-
gen Gerhard Friedrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Dr. Gerhard Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1411901200
Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja
Verständnis dafür, dass unsere Ministerin die Auffassung
vertritt, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 1998 in
Deutschland die heile Welt begonnen hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Überzeugung hat sich aber noch nicht einmal bei al-
len Mitgliedern Ihrer Koalition verfestigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Beim Durchlesen von Zeitungsartikeln der letzten Tage
habe ich festgestellt, dass der Kollege Berninger die Auf-
fassung vertritt, dass die Bildungspolitik der Koalition
blass geblieben ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)


Das wird uns der von mir sehr geschätzte Kollege
Berninger heute sicher noch erläutern; er steht auf der
Rednerliste.

In Sachen Forschung und Technologie habe ich noch
einmal den letzten Bericht zur technologischen Leis-
tungsfähigkeit Deutschlands durchgesehen. Frau Ministe-
rin, ich habe bemerkt, dass sich seit dem Regierungs-
wechsel bei den wichtigsten Daten nichts geändert hat.
Wir geben nach wie vor nur 2,3 Prozent unseres Brutto-
inlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Mit steigender Tendenz!)


Ich komme nachher noch auf die gar nicht so schlechten
Zahlen Ihres eigenen Hauses zu sprechen. Aber es kommt
natürlich auch auf die Gesamtbilanz an.

Ich habe mir eine Übersicht des Bundeswirtschaftsmi-
nisteriums, das Zuständigkeiten im Bereich von For-
schung und Entwicklung übernommen hat, mitgenom-
men. Es behandelt dieses Gebiet absolut stiefmütterlich.
Nach eigenen Angaben liegt die Steigerungsrate im Jahr
2001 im Vergleich zum Istergebnis des Jahres 1998 bei
0,5 Prozent.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Toll!)


Man könnte noch andere Ministerien heranziehen, um
festzustellen: Die Gesamtbilanz ist nicht sehr gut.

Frau Ministerin, ich lese in diesem Bericht zur techno-
logischen Leistungsfähigkeit Deutschlands etwas, was
ich für sehr bemerkenswert halte: Wir sind – das sagen Sie
ja auch – bei den Spitzentechnologien dabei, etwas auf-
zuholen. Die Gründe, die von den Gutachtern genannt
werden, sind sehr interessant. In diesem Bericht steht
nämlich, das sei vor allem das Ergebnis von Deregulie-
rung im Bereich von Telekommunikation und von Gen-
technik. Bei der Deregulierung sind Sie bekanntlich
besonders schwach.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir sollten uns hüten, zu glauben, dass wir alles in die-

ser Welt nur mit Geld verändern können.

(Jörg Tauss [SPD]: Stimmung ist auch wichtig!)

Geld ist wichtig, aber nicht alles, Herr Kollege Tauss. Es
kommt auch auf andere Dinge an.

Trotzdem: Wir sind in den Haushaltsberatungen und
daher will ich mit dem Geld beginnen. Sie haben nach der
Wahl zugesagt – auf frühere Versprechungen will ich gar
nicht eingehen –, die Ausgaben für Bildung und For-
schung jährlich um 1 Milliarde DM zu erhöhen. Sie sind
dann sehr schnell in Sparzwängen stecken geblieben. Auf
dem Papier haben Sie das Versprechen im Jahr 1999 noch
so ungefähr eingehalten. Jetzt liegen uns die Istzahlen vor
– Frau Bulmahn, das haben wir Ihnen schon damals an-
gekündigt –: Von dem zusätzlichen Geld haben Sie im
Jahr 1999 – das ging auch gar nicht anders – 236 Milli-
onen DM an den Finanzminister zurückgegeben.

Im laufenden Haushaltsjahr wurde rechnerisch 1 Mil-
liarde DM dazugelegt. Dann wurde gespart und es kam
ein Minus von 340 Millionen DM heraus. Wenn ich das




Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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beim Taschengeld meiner Söhne so handhabe, dann hal-
ten die mich für völlig verrückt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Dann ziehen die aus!)


Man kann nicht 1 Milliarde DM zusätzlich ankündigen
und weniger auszahlen.

Ich sage ausdrücklich: Der in diesem Jahr vorhandene
Zuwachs von 780 Millionen DM ist beachtlich. Ich
möchte erwähnen, dass es durchaus ein Zuwachs an Ehr-
lichkeit ist, dass die Bundesministerin dieses Mal, da sie
das Geld vielleicht tatsächlich noch bekommen wird, da-
rauf verzichtet hat, von der zusätzlichen Milliarde zu re-
den und diese Summe sozusagen rechnerisch herbeizu-
zaubern.

Wir entnehmen der Presse, Herr Kollege Tauss, dass
gegenüber der alten Finanzplanung schon 411 Milli-
onen DMmehr im Haushalt enthalten sind. Dabei handelt
es sich offensichtlich um Gelder aus den Zinsersparnis-
sen, die der Finanzminister eingeplant hat. Nach der
neuen Finanzplanung sollen die Ausgaben unserer Bil-
dungs- und Forschungsministerin für Bildung und
Forschung bis zum Jahr 2003 – das ist nach Ende dieses
Fünfjahreszeitraums – um 2 Milliarden DM steigen. Das
ist, gemessen an Ihren Versprechungen, ein ganz beschei-
dener Betrag.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Das sind 14 Prozent mehr; das bedeutet eine jährliche
Steigerungsrate von nicht einmal 3 Prozent.

Wir sollten die Chance, die sich aus den Zinserspar-
nissen ergibt, nutzen. Wir freuen uns, dass wir dabei auch
die Unterstützung unserer eigenen Haushaltspolitiker ha-
ben, –


(Jörg Tauss [SPD]: Herr Merz hat das ganz anders gesagt! Er will sparen!)


– um diesem Ressort einen kräftigen Nachschlag zu ge-
ben. Frau Ministerin Bulmahn sollte sich im Übrigen da
einmal bei unseren früheren Ministern Bötsch und Waigel
bedanken, die die Privatisierung von Post- und Telekom-
munikationsleistungen gegen den Widerstand der damali-
gen Landesfürsten Schröder und Eichel durchgesetzt ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deshalb können Sie heute diese Zusage einhalten.

Meine Damen und Herren, wir als Opposition sollten
nicht an allem herumnörgeln,


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

aber auch nicht auf die Knie fallen und diese Regierung
nur noch loben und preisen.


(Jörg Tauss [SPD]: Machen wir selber!)

Die Ministerin hat die BAföG-Mittel angesprochen.

Frau Ministerin Bulmahn, dieses Mal habe ich die Unter-
lagen nicht dabei, aber ich habe die Debatten sehr inten-

siv verfolgt und meine Notizen aufgehoben. In meinen
Akten befinden sich nach wie vor die Beschlüsse der Fi-
nanzministerkonferenz aus der letzten Legislaturperiode,
bei der diese einstimmig festgelegt hat, dass eine BAföG-
Reform kostenneutral sein muss, und festgestellt hat, dass
alle Modelle, die vorgeschlagen wurden, nicht brauchbar
und finanzierbar sind. Sie erinnern sich vielleicht: Die
Bayern hatten ein Modell, Herr Rüttgers hatte ein Modell
und Sie hatten damals noch ganz andere Vorstellungen,
die Sie inzwischen beerdigt haben. Wenn Sie hier jetzt
Vorwürfe erheben, müssen Sie sie schon gerecht verteilen.
Sie wissen, dass sich im Zweifel auch bei der SPD nicht
die Bildungspolitiker, sondern die Finanzpolitiker durch-
setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bereitstellung der Mittel für die BAföG-Reform ist
überfällig. Auch Herr Eichel hat eine Politik des Verzö-
gerns betrieben, um dadurch zu sparen. Die Studierenden
müssen jetzt fast zwei Jahre warten, bis sie echte Leis-
tungsverbesserungen erhalten.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Die Aufstockung der Mittel – die nochmalige Auf-

stockung der Mittel, muss ich sogar sagen – für den Hoch-
schulbau ist notwendig, auch wenn ich von herunterpras-
selndem und -fallendem Putz an den bayerischen
Hochschulen nichts bemerke, weil wir sehr viel vorfinan-
ziert haben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Niedersachsen!)


Ich bin der Meinung, dass wir, wenn die Länder die Ko-
finanzierung sicherstellen können, hier sogar noch einmal
Gelder aus den Zinsersparnissen drauflegen sollten. Da-
ran hat auch der Bund ein Interesse, weil wir so die Inves-
titionsquote des Bundes verbessern könnten, die sich ja
zurzeit ganz miserabel entwickelt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Es ist falsch, was Sie erzählen!)


Ich habe gelesen, dass Frau Ministerin Bulmahn vor-
schlägt, 1 Milliarde DM aus den Zinsersparnissen verteilt
auf fünf Jahre zusätzlich in die Genomforschung zu
stecken. Hierbei sind wir uns völlig einig. Diesen Antrag,
fünfmal 200 Millionen DM, also 1 Milliarde DM insge-
samt, zusätzlich zu investieren, haben wir schon im letz-
ten Jahr gestellt. Er ist damals leider abgelehnt worden.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Hier können wir uns sicher einigen.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Wir hoffen nur, dass Sie sich auch bei Ihren eigenen Fi-
nanzpolitikern durchsetzen.

In der Informationstechnologie setzen Sie zugegebe-
nermaßen einen Schwerpunkt. Das halten wir für richtig.
Da wird einiges gemacht. Es hilft der Ministerin jedoch
nicht, ihre Vorschläge bei den eigenen Finanzpolitikern
durchzusetzen, wenn sie jetzt vorschlägt, jeder Schüler




Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)

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(B)


solle einen Laptop erhalten. Das halte ich für völlig über-
trieben. Das ist nicht solide.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Wenn Vertreter dieser Regierung eine Chance sehen, in
den Medien eine Wirkung zu erzielen, dann verlieren sie
schlicht und einfach die Bodenhaftung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Jörg Tauss [SPD]: Was sagt Frau Schavan dazu?)


Wir schlagen für diesen Bereich etwas ganz anderes
vor. Unser Bundeskanzler hat bei seiner Green-Card-
Initiative gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass man
zunächst einmal etwas für den eigenen Nachwuchs tun
muss. Wir sind ja nicht gegen eine begrenzte Lockerung
des Anwerbestopps.
Er hat dann den Vorschlag eines Bund-Länder-
Programms gemacht. In diesem Zusammenhang hat er von
100Millionen DM gesprochen. De facto gibt der Bund nur
fünfmal 10 Millionen DM zu diesem Programm. Das, ver-
teilt auf alle Bundesländer, wird weder in Berlin noch an-
derswo verhindern, dass in der Informatik der Numerus
clausus eingeführt wird. Deshalb schlagen wir vor, in die-
sem Bereich noch einmal kräftig aufzustocken.

Ein weiterer Vorschlag zur künftigen Haushaltsgestal-
tung. Staatliche Forschungsmittel sind nach Auffassung
aller Sachverständigen möglichst im Wettbewerb zu ver-
teilen. Insofern hat die Projektförderung einen gewissen
Vorteil gegenüber der institutionellen Förderung.

Nun sieht der Haushalt eine globale Minderausgabe
von 265 Millionen DM vor. Es besteht immer die Gefahr,
dass diese globale Minderausgabe dort erwirtschaftet
wird, wo es am einfachsten ist, nämlich bei der Projekt-
förderung. Deshalb werden wir bei den Haushaltsbera-
tungen vorschlagen, diese globale Minderausgabe zu
streichen. Das ist übrigens ein Antrag, den Sie, Frau
Ministerin, wie ich gehört habe, früher in der Opposition
regelmäßig selbst gestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Also wird es hier einen großen Konsens geben.

Ich muss leider zum Schluss kommen und vieles weg-
lassen. Ich darf noch einen Vorschlag machen. Aus guten
Gründen muten wir unseren Hochschulen und unseren
Forschungseinrichtungen Evaluation, also Überprüfung,
kontinuierliche Begutachtung, zu, um die Effizienz
sicherzustellen. Frau Ministerin, diesmal habe ich mir
bei der Durchsicht des Haushaltes auch die Anlagen an-
gesehen und bei der Anlage 2 festgestellt, dass wir bei den
Projektträgern 540 Mitarbeiter finanzieren, die For-
schungsmittel vergeben. Nun vermute ich, dass auch
einige der 934 Mitarbeiter Ihres Hauses an der Vergabe
dieser Mittel beteiligt sind. Ein Fachmann hat – ich kann
es aber nicht überprüfen – einmal hochgerechnet, dass wir
insgesamt 7 Prozent der Projektmittel für Verwaltung aus-
geben. Wenn wir also anderen Evaluation zumuten, dann
sollten wir dies auch bei unserer eigenen Forschungs-
verwaltung tun.

Das ist kein Vorwurf an Sie allein; das hat sich über
Jahre aufgebaut. Es wäre aber ein Vorschlag, um für mehr
Effizienz auch im staatlichen Sektor zu sorgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411901300
Ich erteile nun dem
Kollegen Matthias Berninger, Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411901400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In jeder Haus-
haltsdebatte findet ein Streit darüber statt, wie viel diese
Bundesregierung trotz Sparkurs zusätzlich für Bildung
und Forschung ausgibt. Dieser Streit findet vor allem des-
halb statt, weil Sie von der Opposition sich darüber är-
gern, dass solche Zuwächse, wie wir sie jetzt im Bil-
dungsbereich haben, in Ihrer Regierungszeit nicht erreicht
worden sind. Vor diesem Hintergrund sehe ich dem Streit
sehr gelassen entgegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Sie haben völlig Recht: Im Koalitionsvertrag steht,
dass wir eine deutliche Aufstockung der Mittel für Bil-
dung und Forschung wollen. Darüber hinaus wurde
selbst in Regierungserklärungen des Bundeskanzlers die
Forderung aufgestellt, die Investitionen in Bildung und
Forschung zu verdoppeln. Wir können uns darüber strei-
ten, ob diese Verdopplung der Investitionen in Bildung
und Forschung in voller Höhe erreicht worden ist. Aber
ich möchte in Erinnerung rufen: Angesichts der
1 500 Milliarden DM Schulden, die wir von Ihnen über-
nommen haben, war es eine Riesenleistung, die Zu-
wächse, die wir bei Bildung und Forschung erreicht ha-
ben, in den Haushalten der vergangenen Jahre zu sichern,
und ist es ebenso eine Leistung, diese Sicherung in den
nächsten Jahren fortzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihren Presseveröffentlichungen, Herr Berninger! Sie mäkeln doch kontinuierlich an der Ministerin rum! Jetzt können Sie das hier nicht alles schönreden!)


Herr Kollege Friedrich, Sie sagen, im letzten Jahr seien
die Mittel um 375 Millionen DM gekürzt worden. Sie
wissen genau, dass das nicht stimmt. Wir haben innerhalb
des Bundeshaushalts eine Reihe von Veränderungen vor-
genommen. Nur ein Beispiel: Der Darlehensanteil des
BAföG wird nicht mehr aus dem Haushalt finanziert, son-
dern über die Kreditanstalt für Wiederaufbau.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schattenhaushalt!)


Ergebnis: 500Millionen DM mehr Spielraum für Bildung
und Forschung. Das können Sie hier nicht als Kürzung
hinstellen. Auch diesen Streit hatten wir schon häufiger.




Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen)


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Entscheidend ist doch:

(Jörg Tauss [SPD]: Was hinten rauskommt!)


Wie sind die Zuwächse bei den einzelnen Titeln? Wenn
Sie sich das anschauen, merken Sie: Die Spielräume in
uns sehr wichtigen Forschungsbereichen und bei vielem
im Bereich der Hochschulpolitik sind von dieser Bundes-
regierung erweitert worden. Die Bundesregierung hat
auch die Unterstützung der Koalitionsfraktionen, dass das
in Zukunft so bleibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die BAföG-Reform ist in dieser Debatte schon ein
wichtiges Thema gewesen. Die Kollegin Pieper hat dazu
einige Fragen gestellt. Es bleibt hier festzustellen: Die
Koalition hat versprochen, zum Frühjahr nächsten Jahres
eine Strukturreform des bestehenden BAföG auf den Weg
zu bringen. Wir hatten ehrgeizigere Ziele; das wissen Sie.
Wir wollten eine grundsätzliche Reform der Ausbildungs-
finanzierung. Damit sind wir im Januar gescheitert. Aber
uns ist es gelungen, 1,4 Milliarden DM zusätzlich für das
BAföG zu mobilisieren.

Frau Kollegin Pieper, diese zusätzlichen Mittel bewir-
ken, dass die durchschnittliche BAföG-Förderung nicht
mehr 640 DM, sondern 730 DM beträgt und dass der
BAföG-Höchstsatz anstatt bei etwas über 1 000 DM in-
zwischen bei 1100 DM liegt. Ich halte diese große Aus-
weitung des BAföG, die erreicht worden ist – verbunden
mit dem Wegfall vieler Detailregelungen aufgrund der
Vereinfachung, verbunden mit Regelungen, dass Studie-
rende in Ost- und Westdeutschland das gleiche BAföG be-
kommen, verbunden mit der Deckelung der maximalen
Darlehensschuld bei 20 000 DM –, für einen großen Er-
folg, auch wenn ich mir mehr gewünscht hätte. Ich finde,
das sollten Sie einmal zugeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meiner Einschätzung nach ist dennoch Handlungs-
bedarf in der Bildungsfinanzierung gegeben. Neben dem
über die Steuer finanzierten Teil der Unterstützung von
Eltern, deren Kinder studieren, und neben dem BAföG
wollen wir ein weiteres Element, nämlich einen eltern-
unabhängigen Bildungskredit, einführen. Auch hierfür
werden wir die Voraussetzungen im Haushalt 2001 schaf-
fen, damit diejenigen, die durch den bisher vorhandenen
Förderrost gefallen sind, auch eine Unterstützung bekom-
men. Dies ist ein erster Schritt in Richtung Elternunab-
hängigkeit und ein weiterer Schritt in Richtung Entbüro-
kratisierung.

Ich wünsche mir dafür auch die Unterstützung der Op-
position, insbesondere in den Ländern, Herr Kollege
Friedrich – ich nenne in diesem Zusammenhang Bayern –,
die sich bisher ein bisschen zieren, ein solches Programm
in ihren BAföG-Ämtern mitzuverwalten, obwohl sie kei-
nen Pfennig bezahlen müssen. Sie können noch eine
ganze Menge in Ihren eigenen Ländern tun, damit die Stu-
dierenden ein weiteres Förderinstrument nutzen können,
das dazu beiträgt, dass schneller studiert werden kann,
dass der Studienortwechsel und das Studium im Ausland

erleichtert werden und dass die Anschaffung zum Beispiel
eines neuen Computers, wenn er für das Studium nötig ist,
möglich wird. Dafür legen wir dieses Programm auf. Hel-
fen Sie, dass es umgesetzt wird, statt hier zu schwadro-
nieren!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Als wir die Verantwortung übernommen haben, lag der
Hochschulbau brach. Die Mittel für den Hochschulbau
waren viel zu gering – das haben Sie selber zugestanden –,
weil Sie windige Vorfinanzierungsmodelle mit einigen
Ländern vereinbart haben. Hier findet eine kontinuierli-
che Aufstockung der Investitionsmittel für den Hoch-
schulbau statt. Wir können zwar mit dieser Maßnahme
nicht groß in die Öffentlichkeit gehen und sagen, wir sind
diejenigen, die das Allerbeste auf den Weg bringen. Aber
trotzdem kann man deutlich machen, dass diese konkre-
ten Hilfen bei den Hochschulen ankommen. Die Auf-
stockung der Hochschulbaumittel in kleinen Schritten
– wir unternehmen diese kleinen Schritte nicht, weil wir
nicht mehr machen könnten, sondern weil die Länder
signalisieren: bitte nicht zu viel, wir können das nicht
gegenfinanzieren – halte ich für sehr vernünftig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist schon angesprochen worden: Zusätzlich werden
wir die UMTS-Milliarden auch dafür nutzen können, im
Bildungsbereich weitere Spielräume zu eröffnen. Ich
möchte in diesem Zusammenhang auf einige Punkte hin-
weisen, die mir besonders wichtig erscheinen. Im Bereich
der Gentechnik ist es vernünftig, hinsichtlich der Adul-
tenstammzellen in die Genomforschung zu investieren
und die Volkskrankheiten, die die Ministerin schon an-
sprach, zum Schwerpunkt unserer Forschungsförderung
zu machen, weil wir da den Menschen konkret helfen kön-
nen.

Als die Ministerin vorhin diesen Punkt angesprochen
hat, raunten aber einige Ihrer Kollegen – auch da unter-
scheiden Sie sich von Ihrer Parteivorsitzenden, Frau
Merkel – gleich wieder, das sei grüne Gentechnik und, bei
der Landwirtschaft würde sich nichts tun. Diese Bundes-
regierung – das hat die Ministerin dargestellt – fährt bei
der Gentechnik einen sehr vorsichtigen Kurs. Wir sind
nicht blind fortschrittsgläubig. So wie die Konsumenten
kein Interesse daran haben, Nahrungsmittel, die aus gen-
technisch veränderten Pflanzen produziert werden, ein-
fach so ohne Kenntnis der Risiken zu konsumieren – das
ist ja bekannt; das ist die große Krise der grünen Gen-
technik –, so wollen wir die ethischen und die übrigen Ri-
siken mitbeachten. Wir wollen die neuen Chancen beson-
nen und nicht blind fortschrittsgläubig nutzen. Ich bin
froh, dass sich die Koalition in dieser Frage einig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein weiterer mir wichtiger Punkt ist die Situation an
den Berufsschulen.Wir können in der Schulpolitik in den
meisten Bereichen nichts machen, weil dafür die Länder
zuständig sind. Hier müssen die Länder nach meiner Ein-
schätzung noch deutlich mehr machen. Wenn alles gut




Matthias Berninger
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(B)


läuft, können wir aber zumindest im Bereich der Berufs-
schulen etwas tun. Ich glaube, es wäre wichtig, die tech-
nische Ausstattung in den Berufsschulen zu verbessern.
Warum? Weil sie dort am schlechtesten ist. Wir können
damit gegen die Spaltung in Bezug auf die Nutzung der
neuen Technologien – auch „digital divide“ genannt – ei-
nen wichtigen Schritt unternehmen. Wenn es uns gelänge,
jährlich 500 der 6 600 Berufsschulen mit besseren Tech-
nologien auszustatten, würden wir viel dafür tun, dass
diejenigen, deren Chancen, Zugang zur Informationstech-
nologie zu bekommen, bisher gering sind, neue Spiel-
räume erhalten. Meine Fraktion steht einer solchen Über-
legung sehr offen gegenüber.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Darüber hinaus glaube ich, dass jeder Student vom ers-
ten Semester an zusammen mit dem Immatrikulations-
ausweis ein Notebook – ähnlich wie es heute ein Semes-
terticket gibt – in die Hand bekommen sollte. Warum?
In die Studiengänge an den Hochschulen sollten die
neuen Technologien von Anfang an mit einfließen. Es
sollten neue Konzepte erarbeitet werden, die dann viel-
leicht auch in den Schulen dazu führen, dass man mit dem
Computer besser arbeiten kann. Das Internet gibt uns
große Chancen, unser Bildungssystem zu revolutionieren.
Die Bundesregierung fängt damit nicht nur dadurch an,
dass die Spitze des Bildungsministeriums weiß, wovon
sie spricht, sondern auch dadurch, dass wir Fördermittel
für den IT-Bereich einsetzen und hier einen Akzent set-
zen. Ich wäre sehr froh darüber, wenn es uns gelänge, ei-
niges anzustoßen, was in den nächsten zehn oder 20 Jah-
ren positive Wirkung entfalten könnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein letzter Punkt, der mir wichtig ist, ist die Frage der
Weiterbildung, sind die Herausforderungen des lebens-
langen Lernens; auch darüber besteht Einigkeit in den
Sonntagsreden aller Politiker, vor allem aber bei den Bil-
dungspolitikern. Im Bereich des lebenslangen Lernens
können wir noch in dieser Legislaturperiode neue Ak-
zente setzen. Was auffällt, ist: Die Menschen sind bereit,
für Weiterbildung mehr Geld auszugeben. Es ist aber so,
dass der Staat Weiterbildung bisher nicht in der Form un-
terstützt, wie er viele andere Dinge unterstützt. Meiner
Meinung nach sollten wir darüber nachdenken, so etwas
wie ein Bildungssparen einzuführen, wie wir es vom
Bausparen und von der Altersvorsorge kennen, damit
Menschen mit geringem Einkommen, die bereit sind,
Geld für Weiterbildung auszugeben, eine staatliche Un-
terstützung zum Beispiel für Computerkurse bzw. Um-
schulungen erhalten, um dadurch in der Lage zu sein, sich
einen neuen Job zu suchen. In diesem Bereich müssen
noch Akzente gesetzt werden.

Wir sind uns darüber einig – Frau Schavan hat hier aus
unserem Entschließungsantrag abgeschrieben –, dass es
mehr Qualitätssicherung geben muss, Stichwort: Stiftung
Bildungstest. Ich bin der Meinung, dass wir alle mitei-
nander im Bereich der Weiterbildung einen zusätzlichen

Akzent setzen sollten, und hoffe, dass wir in diesem Haus
in dieser Sache einen Konsens finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es stehen eine Reihe von Strukturreformen vor uns, die
oft gar nicht sehr viel mit Geld zu tun haben, die aber sehr
wichtig sind; daher meine Ungeduld, Herr Kollege
Friedrich. In den nächsten acht Jahren geht die Hälfte aller
Professoren in Rente. Unser Dienstrecht stammt aus dem
19. Jahrhundert. Wenn wir nichts tun, werden wir dieses
verkrustete Dienstrecht auch noch im 21. Jahrhundert ha-
ben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411901500
Herr Kollege, Sie ha-
ben Ihre Redezeit bereits überschritten.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411901600

Jawohl, Herr Präsident. – Auch die Länder sind gefragt,
wenn es darum geht, etwas dafür zu tun, dass eine Dienst-
rechtsreform zustande kommt. Hier bin ich ungeduldig.
Ich wünsche mir, dass Sie genauso ungeduldig sind, da-
mit wir in diesem Bereich die bestehende Reformchance
nicht verpassen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411901700
Ich erteile das Wort
Kollegin Ulrike Flach, F.D.P.-Fraktion.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1411901800
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! In der Sommerpause haben wir eine Bil-
dungsministerin erlebt, die mit dem Füllhorn der UMTS-
Milliarden durch die Lande zog und alle Wünsche der Bil-
dungs- und Forschungspolitiker dieses Landes erfüllen
wollte.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)


Der vorgelegte Haushalt des Bildungs- und Forschungs-
ministeriums sieht anders aus, Frau Bulmahn. Er soll im
nächsten Jahr auf 15,37 Milliarden DM wachsen. Das ist
die von Ihnen angekündigte Steigerung um 780 Milli-
onen DM. Diese Steigerung ist übrigens nicht kontinuier-
lich, wie Sie eben festgestellt haben. Im letzten Jahr wa-
ren es 100 Millionen DM weniger; da gab es kein Plus.

Nun frage ich mich natürlich – das habe ich mir bei der
Vorbereitung meiner Rede durch den Kopf gehen lassen –:
Über welche Vorhaben sollen wir heute eigentlich mit
Ihnen diskutieren? Über diejenigen, die Sie vollmundig
ankündigen, oder über diejenigen, die wirklich konkret im
Haushalt stehen?


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sprechen viel über die virtuelle Hochschule und die
neuen Medien in der Bildung. Manchmal habe ich den
Eindruck: Sie sind uns, aber auch Ihrem Ministerium in




Matthias Berninger

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(B)


der virtuellen Welt verloren gegangen. So haben wir uns
inzwischen an Ihre zweistufigen Vorschläge gewöhnt: erst
ein buntes Feuerwerk bildungspolitischer Highlights und
dann ein deutlich abgespeckter Vorschlag für den Haus-
gebrauch.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt zum Beispiel auch für den Vorschlag des Kolle-
gen Berninger – dies toppte er soeben sogar noch für die
Studenten –, alle Schüler mit Laptops auszustatten.
82 Milliarden DM sollte dieses Unterfangen nach ersten
Berechnungen kosten, sozusagen alle UMTS-Erlöse auf
einen Schlag. Dann kam die Version für den Alltag:
Laptops für Bedürftige. Dafür wollen Sie nun jährlich
50 Millionen DM, 350 Millionen DM bis 2006 ausgeben.
Frau Bulmahn, das hört sich schon ganz anders an, wobei
ich mich mehr als über solch blumige Vorschläge gefreut
hätte, wenn Sie uns Vorschläge über Leasing-Verträge,
über Folgekosten beim Strom, über Softwareanpassung,
Haftpflicht und über die ganz simple Frage, wie ich mit
Kindern umgehe, die solche teuren Geräte zu Hause ste-
hen haben, gemacht hätten.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Bildung und Forschung sind teuer, das wissen wir, und

dazu steht die F.D.P. So haben wir – Frau Pieper hat es
soeben erläutert – ein BAföG-Modell vorgelegt, das die
Studienförderung strukturell angeht und nicht nachbessert
wie Ihre Reparaturnovelle.


(Beifall bei der F.D.P.)

Aber natürlich ist eine solche Reform nicht für 500 Milli-
onen DM zu haben. Hier hätten Sie ansetzen müssen – wie
im Wahlkampf versprochen und wie übrigens auch von
Herrn Berninger immer wieder betont.

Sie haben sich stattdessen von Ihrer ureigenen pro-
grammatischen Idee einer elternunabhängigen und sozial
gerechten BAföG-Reform verabschiedet.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist eben leichter, Laptops anzukündigen, anstatt, wie es
Herr Berninger in der letzten Debatte gesagt hat, eine
wirklich mutige Reform anzugehen. Wo bleibt übrigens
der Koalitionsvertrag auf diesem Gebiet?

Wir stimmen mit Ihnen bei der Genomforschung völ-
lig überein. 1 Milliarde DM zusätzlich für die deutsche
Humangenomforschung wäre ein Schritt vorwärts für
diese wirklich wichtige Schlüsseltechnologie. Ich hoffe
sehr, dass der gute Wille Realität wird. Das allerdings,
was Sie jede Woche mit immer fantastischeren Summen
ankündigen, sind bisher reine Luftbuchungen. Das ein-
zige, was wir wissen, ist, dass Sie 1,8 Milliarden DM ge-
fordert haben, Frau Bulmahn, ob Sie diese auch bekom-
men, steht in den Sternen.

Frau Bulmahn, Sie können sicher sein, dass Sie unsere
Unterstützung haben, wenn es darum geht, den Finanzmi-
nister von der Notwendigkeit eines massiven Schubs für
die Bildung zu überzeugen. Ich warne sehr davor, der Ar-
gumentation des Kollegen Berninger zu folgen, der laut

ddp vor wenigen Tagen sagte, die Regierung müsse sich
für das Wahljahr 2002 finanzielle Spielräume offen hal-
ten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Schau einer an!)

Meine Damen und Herren, unsere Studierenden, unsere
Lehrenden und Forscher haben es nicht verdient, dass auf
ihrem Rücken wahltaktische Spiele ausgetragen werden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Auch ich möchte in diesem Zusammenhang an die Re-
gierungserklärung 1998 von Bundeskanzler Schröder er-
innern, die mit den schönen Worten endete: Wir werden
die Investitionen in Forschung und Bildung in den nächs-
ten fünf Jahren verdoppeln. Daran müssen Sie sich mes-
sen lassen, Frau Bulmahn, ob es Ihnen passt oder nicht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auf Ihrer Habenseite steht bisher eine Erhöhung
des Haushaltsansatzes um 8,2 Prozent gegenüber den
14,2 Milliarden DM des letzten von Minister Rüttgers
verantworteten Haushalts. Das ist ein Schritt nach vorn,
da stimme ich zu, aber gemessen an Ihrem Versprechen,
das Haushaltsvolumen zu verdoppeln, haben Sie sich weit
vom Klassenziel entfernt.

Ich vertrete eine Partei, die in Gestalt ihrer Minister
nicht nur für die Bildung gekämpft hat, sondern sich auch
durchgesetzt hat. Sie können sicher sein, dass ich Sie auch
als Oppositionspolitikerin massiv unterstützen werde,
wenn es um die Verbesserung der finanziellen Situation
unseres Haushaltsplans geht. Wir sind an Ihrer Seite,
wenn Sie für einen höheren Mittelansatz kämpfen, aber
wir erwarten mehr als nur blumige Ankündigungen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wir beide wissen: Unsere Generation hat einen Para-

digmenwechsel in der Bildungspolitik zu bewältigen. Wir
müssen mit einer Aufholjagd beginnen, um international
zu einem attraktiven Bildungs- und Forschungsstandort
zu werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Aufholjagd ist richtig!)

– Roman Herzog sprach von einem Ruck, lieber Herr
Tauss. Leider haben nur wenige etwas geruckt und viele
sind sehr gemütlich im Sessel sitzen geblieben. Die F.D.P.
will mehr als einen Ruck, wir wollen einen Sprint an die
Spitze der Bildungspolitik.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dazu brauchen wir nicht die Haushaltspolitik der tröp-
felnden Gießkanne, –


(Zuruf von der CDU/CSU: Die haben doch nur eine leere Gießkanne!)


– sondern ein entschlossenes, schnelles und mutiges An-
gehen der drängendsten Probleme im Bildungsbereich.
Stichwort Hochschulbau: Die Ausgaben für den Hoch-
schulbau werden im Haushalt 2001 erhöht. Das ist ein er-
freuliches Faktum – selbstverständlich –, aber gemessen




Ulrike Flach
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(A)



(B)


am Bedarf ist die Steigerung völlig unzureichend. Sie
kennen genauso wie ich das Votum des Wissenschaftsrats,
der von einer doppelten Anzahl von Milliarden – 4,7 Mil-
liarden DM – ausgeht. Wir alle wissen, dass im Osten das
nachgebaut werden muss, was im Westen schon bald wie-
der renoviert werden muss. Das heißt, mit kleinen Trip-
pelschritten kommen wir zwar weiter, aber weiß Gott
nicht so weit, wie wir müssten.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Bulmahn, begehen Sie nicht den Fehler, sich an
Jürgen Rüttgers zu messen.


(Jörg Tauss [SPD]: Um Gottes willen!)

Dieser hatte zwar den klangvollen Beinamen des „Zu-
kunftsministers“, aber im Kabinett war er ein Leicht-
gewicht.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine flache Argumentation, Frau Kollegin!)


Frau Ministerin, damit, Ihre Millionenhäppchen liebevoll
jeweils dahin zu schieben, wo die Medienwirkung am
größten zu sein scheint, laufen Sie Gefahr, ebenso zu
scheitern wie Ihr Vorgänger.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wir müssen endlich einsehen, dass Bildung die soziale

Frage des 21. Jahrhunderts ist – das Mega-Thema, bei
dem wir einen massiven Schub und nicht Zückerchen für
die jeweiligen medialen Highlights brauchen. Sie brau-
chen Mut, Frau Bulmahn. Geben Sie sich nicht mit
Laptops zufrieden, gehen Sie an die Wurzeln unserer Bil-
dungsprobleme heran. Das geht – hier stimme ich Herrn
Berninger absolut zu – nicht immer nur mit Geld.


(Jörg Tauss [SPD]: Aber auch mit Laptops!)

Was wir aus Ihrem Hause bisher zum Beispiel zum

Hochschuldienstrecht sehen, ist kleinmütig und zaghaft.

(Beifall bei der F.D.P.)


Die leistungsbezogenen Elemente in der Besoldung rei-
chen nicht aus. Das Fallbeil der Kostenneutralität hängt
über der gesamten Reform. Die Entrümpelung der Prü-
fungs- und Studienordnungen ist nicht entschlossen ge-
nug. An die Schaffung schnellerer Promotionsverfahren
haben Sie sich gar nicht erst herangetraut.


(Beifall bei der F.D.P.)

Das Thema Verbeamtung, Frau Bulmahn, ein Thema,

das uns Liberalen besonders am Herzen liegt, umgehen
Sie. Wir würden Sie dabei sehr massiv unterstützen. Ich
habe mir vor einigen Tagen sehr interessiert Ihre Bemer-
kungen in der Sendung von Frau Christiansen zu diesem
Thema angehört. Die Professoren brauchen nicht weiter-
hin verbeamtet zu werden. Wenn wir unsere Schulen und
Hochschulen modernisieren wollen, brauchen wir Luft
und das Abschneiden alter Zöpfe; weg mit alten Hierar-
chien. Wenn Sie aber den Vorschlägen der Expertenkom-
mission folgen, die Sie eingesetzt haben, werden wir den

gewünschten Transfer zwischen Wissenschaft und Wirt-
schaft nicht erreichen; denn das ist kein Anreiz für Hoch-
schulprofessoren.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Apropos Hochschule: Der schöne Titel „Zukunfts-
initiative Hochschule“ beschreibt leider nur einen höchst
konventionellen Ansatz. Sie wollen – so haben wir den
Medien entnommen – 650 Millionen DM für die Anwer-
bung von Spitzenwissenschaftlern aus dem Ausland. Ich
bitte Sie: Hören Sie auf das, was Ihnen der Präsident der
Gesellschaft für Informatik, Professor Mayr, deutlich ins
Stammbuch geschrieben hat:

Das vorrangige Problem ist nicht, gute Köpfe impor-
tieren zu müssen, sondern deren Abwanderung aus
Deutschland zu verhindern.


(Beifall bei der F.D.P.)

Die Belastung der Wissenschaftler mit Lehr- und Ad-
ministrationsaufgaben liegt ein Mehrfaches über
dem amerikanischer Universitäten.

Ihr Hochschuldienstrecht in der bisherigen Form entlastet
die Hochschullehrer aber nicht von Gremienaufgaben,
sondern sieht sogar noch Zulagen für die Wahrnehmung
von Gremienarbeit vor.

Meine Damen und Herren, wenn unsere Hochschulen
für ausländische Wissenschaftler attraktiver wären, müss-
ten wir die Leute nicht mit Ihren 650 Millionen DM kö-
dern, sondern sie würden uns die Bude einrennen, um hier
zu forschen, zu lehren und zu studieren.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, wie viele Amerika-
ner und Japaner bei uns, wie viele Deutsche aber in deren
Ländern tätig sind.

Das Schrödersche Green-Card-System, die Leute im
Ausland einzukaufen, greift zu kurz. Wir müssen unser
Bildungssystem internationaler machen. Dies bedeutet
eine massive Investition in die Ausstattung der Hoch-
schulen. Den letzten Schub gab es Anfang der 90er-Jahre.
Von der virtuellen, vernetzten Hochschule, von der die
Frau Ministerin so gerne spricht, sind wir leider sehr weit
entfernt. Die Lebenswirklichkeit der Studierenden und
Professoren ist noch immer von überfüllten Hörsälen, der
Verlosung von Laborplätzen, ausgeliehenen Büchern und
Rissen in den Gebäuden geprägt. Sie wissen das genau,
Frau Bulmahn. Trotzdem reicht Ihr Biss bisher nicht, sich
gegen die Beharrungskräfte in den Institutionen durchzu-
setzen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Sie laufen Gefahr, ähnlich wie Jürgen Rüttgers eine

„Zukunftsministerin“ zu werden: viele Pläne, viel Zu-
kunft, wenig konkrete Umsetzung.


(Beifall bei der F.D.P. – Jörg Tauss [SPD]: Bei Rüttgers stimmt das!)





Ulrike Flach

11419


(C)



(D)



(A)



(B)


Mit der Methode, kleckerweise, aber mediengerecht Geld
anzukündigen, verbauen Sie sich die Chance zu einer
wirklichen Strukturveränderung. Überlassen Sie – das ist
meine herzliche und ganz persönliche Bitte an Sie – diese
Art der Politik einem sehr prominenten Mitglied Ihres
Landesverbandes.

Ich lade Sie ein, gemeinsam mit der F.D.P. dafür zu
kämpfen, dass der Bildungs- und Forschungshaushalt
endlich einen angemessenen Stellenwert erhält.


(Jörg Tauss [SPD]: Das machen wir schon allein!)


Wenn Sie wirklich eine Verdopplung wollen – wann, Frau
Bulmahn, wenn nicht jetzt? Nutzen Sie diese Chance, ma-
chen Sie mehr Druck im Interesse der nachfolgenden Ge-
nerationen! Ohne Fleiß kein Preis und ohne Druck kein
Ruck!


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411901900
Nun hat Kollegin
Maritta Böttcher, PDS-Fraktion, das Wort.


(Jörg Tauss [SPD]: Frau Böttcher, denken Sie an meine Mahnung!)



Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1411902000
Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr
Tauss, ich werde versuchen, Ihnen keine schlaflose Nacht
zu bereiten.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich danke Ihnen!)

Der Haushalt des BMBF gehört zu den Gewinnern im

Haushalt 2001, zumindest gemessen an den Kürzungen,
die andere Ressorts hinnehmen mussten.


(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)


Gemessen jedoch an Ihren Versprechungen, gemessen
auch an der Ausgabenstruktur, bleibt vieles offen. Wo ist
zum Beispiel die versprochene jährliche Forschungsmil-
liarde geblieben, die ab 2000 zu 30 Prozent in den Haus-
halt des Wirtschaftsministeriums und zu 70 Prozent in den
Haushalt des Bildungsministeriums fließen sollte? Wenn
ich richtig sehe, bekommt der Wirtschaftsminister sogar
weniger. Entsprechend fallen die Kürzungen aus. Zu den
geschröpften Titeln gehören dort bezeichnenderweise
Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern
und die Förderung des Meister-BAföG.

Da wir es auch im Einzelplan 30 wieder mit erhebli-
chen Umstrukturierungen, Verschiebungen, Streichungen
und Neueinführungen verschiedener Titel zu tun haben, ist
schwer nachzuvollziehen, wo bestimmte Gelder hingera-
ten sind und wer am Ende tatsächlich leer ausgeht. Also,
kurz gesagt, der ganze Einzelplan 30 bleibt immer noch
ein Rechenkunststück.

Die Aufstockung der globalen Minderausgabe, die Er-
wartungen von Einsparungen aus den Kapiteln 30 02 bis
30 07 für Mehrausgaben im Hochschulbau und die Ein-
führung von Leertiteln, zu deren Finanzierung ebenfalls

bereits Einsparungen bei anderen Titeln veranschlagt
sind, stehen nicht gerade für Haushaltsklarheit und Haus-
haltswahrheit.

Eine Priorität der Forschungsmilliarde soll die Finan-
zierung von Bildung und Forschung in den neuen Bun-
desländern sein. Das HSP III ist ausgelaufen, es wird nicht
annähernd weitergeführt. Umfassende Finanzierungs-
alternativen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler aus den neuen Bundesländern werden nicht sichtbar.

Zu den Leitprojekten für Diagnose und Therapie in der
Molekularmedizin gab es durch die Zwischenfrage mei-
nes Kollegen Dr. Ilja Seifert schon eine kleine Diskussion.
Frau Bulmahn, ich bin der Auffassung, dass das, was Sie
hier verdeutlicht haben, das Minimum sein muss.


(Beifall bei der PDS)

Selbstverständlich erkennen wir an, dass die Bundes-

regierung mit diesem Haushalt eine Trendwende zumin-
dest im BAföG-Etat vollziehen will. Für jede Mark, die
Sie zusätzlich in die Ausbildung junger Menschen inves-
tieren, können Sie mit der Unterstützung der PDS-Frak-
tion rechnen. Sie müssen sich dennoch den Vorwurf ge-
fallen lassen, dass Sie mit Ihrer Vorlage weit hinter den
Erwartungen zurückbleiben.

Nach Ihren Vorstellungen wird der Bund 2001 rund
1,5 Milliarden DM für die Ausbildungsförderung aus-
geben. Hinzu kommen die Darlehenszahlungen der Deut-
schen Ausgleichsbank. Zusammengerechnet wird der
Bund also im nächsten Jahr rund 2 Milliarden DM bereit-
stellen. Damit haben Sie aber gerade einmal das Niveau
von Mitte der 90er-Jahre erreicht.

Die Vorschläge für eine Strukturreform der Ausbil-
dungsförderung liegen seit Jahren auf dem Tisch und be-
ruhen auf einer bestechend einfachen, aber, wie ich finde,
nach wie vor pfiffigen Idee. Von heute auf morgen könn-
ten wir jeder Studentin und jedem Studenten jeden Monat
elternunabhängig zusätzlich mindestens 350 DM als Zu-
schuss ohne Rückzahlungsverpflichtung geben, indem
wir eben Kindergeld und bislang gewährte Steuerfreibe-
träge in die Ausbildungsförderung überführen.


(Beifall bei der PDS)

Wenn wir außerdem die BAföG-Ausgaben deutlich

über das damals von Ihnen selbst als unzureichend kriti-
sierte Niveau der 90er-Jahre hinaus anheben und dabei
berücksichtigen, dass Jahr für Jahr Darlehensrückzahlun-
gen ehemaliger Studentinnen und Studenten in Höhe von
über 1 Milliarde DM an den Fiskus fließen, ließen sich
über die von Ihnen vorgesehenen Verbesserungen hinaus
zusätzlich sogar 500 DM pro Kopf bereitstellen.

Sie führen die Öffentlichkeit aber bewusst in die
Irre, –


(Zuruf von der SPD: Na, na!)

– wenn Sie sich heute damit brüsten, einen Teil der Zins-
ersparnisse aus den UMTS-Erlösen in die Ausbildungs-
förderung zu investieren, gleichzeitig aber verschweigen,
dass Sie damit keine zusätzlichen Verbesserungen im
BAföG finanzieren, sondern lediglich den Bundeshaus-




Ulrike Flach
11420


(C)



(D)



(A)



(B)


halt von den bereits im Januar 2000 zugesicherten Mehr-
ausgaben im BAföG-Etat entlasten möchten.


(Zuruf von der F.D.P.: Richtig!)

Lassen Sie uns gemeinsam einen ersten Schritt in eine
wirklich strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförde-
rung gehen und hören Sie auf mit der halbherzigen
Kesselflickerei.


(Beifall bei der PDS)

Selbstverständlich begrüßen wir auch das Vorhaben,

alle Schulen – und bis 2006 jede Schülerin und jeden
Schüler mit Computer bzw. Laptop auszustatten.


(Beifall bei der PDS)

Natürlich können die für dieses Vorhaben notwendigen

Gelder unmöglich von Bundesregierung und Kommunen
allein aufgebracht werden. Aber machen wir uns doch
nichts vor: Ohne die nicht unbedingt selbstlose Initiative
der Wirtschaft wäre bei der Kampagne „Schulen ans
Netz“ wahrscheinlich noch nicht allzu viel passiert.

Die Kritik ist aber nicht so wichtig. Wichtig ist, wie fast
immer, auch in diesem Punkt das Ergebnis. Wir halten da-
ran fest: Auch für die neuen Medien muss die Schule
wichtigster Bildungsträger bleiben, weil die sozialen Un-
terschiede sonst zu einem modernen Analphabetismus
führen werden.


(Beifall bei der PDS)

Im Übrigen, Herr Friedrich: Aus pädagogischer Sicht ist
es schon wichtig, dass auf jeder Schulbank ein Laptop
steht.


(Dr. Gerhard Friedrich [Erlangen] [CDU/CSU]: Für Erstklässler, ja? Da bin ich anderer Meinung!)


Wird schon der gesamte Einzelplan den Versprechun-
gen nicht gerecht, mit denen die Bundesregierung auf dem
Gebiet von Bildung und Forschung angetreten ist, so trifft
dies für die berufliche Bildung und die Weiterbildung
ganz besonders zu. Ausgerechnet dieses Kapitel ist von
einer Kürzung der Mittel um 10,5 Millionen DM betrof-
fen. Bezogen auf die Projektförderung dieses Kapitels
steht die Regierung damit wieder so ziemlich auf dem
Stand, den ihr die Regierung unter Helmut Kohl hinter-
lassen hat. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz
zu Ihrer Ankündigung bei Ihrem Amtsantritt, Frau Minis-
terin, als Sie erklärten: Mein erster Schwerpunkt ist die
Modernisierung der beruflichen Bildung.

Nun weiß auch ich, dass Geld allein nichts mit Moder-
nisierung zu tun hat. Betroffen von den Kürzungen sind in
erster Linie das BIBB, dem rund 8 Millionen DM weni-
ger zur Verfügung stehen, und die überbetrieblichen Aus-
bildungsstätten, die mit 9 Millionen DM weniger aus-
kommen müssen. Kritik an diesen Kürzungen findet sich
in den Erläuterungen des Titels selbst. Dort heißt es:

Mit der Entwicklung einer kleinbetrieblichen
mittelständischen Wirtschaftsstruktur in den neuen
Ländern wächst der Bedarf an ergänzender überbe-
trieblicher Berufsausbildung und überbetrieblichen
Fortbildungsmöglichkeiten...

Es bleibt ein Geheimnis dieses Haushalts, wie ein wach-
sender Bedarf durch weniger Mittel gedeckt werden kann.

Geht die Kürzung bei den überbetrieblichen Ausbil-
dungsstätten hauptsächlich zulasten der Ausbildungswil-
ligkeit bei den kleinen Unternehmen, so kommt die Bun-
desregierung mit der erneuten Aufstockung der Mittel für
Sonderprogramme zur Schaffung von Ausbildungsplät-
zen in erster Linie der Ausbildungsunwilligkeit bei Teilen
der großen Unternehmen entgegen. Diese erneute Auf-
stockung aus Steuermitteln, so sehr sie als Notlösung im
Interesse derjenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen,
geeignet sein mag, steht im krassen Gegensatz zu der Li-
tanei, mit der aus dem BMBF regelmäßig verkündet wird,
dass die Wirtschaft nunmehr ihrer Verantwortung bei der
Bereitstellung von betrieblichen Ausbildungsplätzen ge-
recht werde.


(Beifall bei der PDS)

Dieser Haushalt und die aktuelle Zahl der noch nicht ver-
mittelten Jugendlichen belegen das Gegenteil und ma-
chen ein weiteres Mal deutlich: An einer solidarischen
Umlagefinanzierung führt kein Weg vorbei. Wenn die
Bundesregierung die sich verweigernden Unternehmen
auf diese Weise stärker in die Finanzierung der Ausbil-
dung einbeziehen würde, hätte sie auch größeren Spiel-
raum für die Förderung anderer dringlicher Reform-
schritte im Bereich der Bildung.

Alle Fraktionen – F.D.P. und CDU/CSU waren jedoch
nicht anwesend – haben gestern von der IG-Metall-
Jugend vor dem Reichstag eine Gesetzesrolle erhalten.
Ich sage Ihnen: Setzen wir dieses Gesetz endlich um!


(Beifall bei der PDS)

Zum Thema Weiterbildung muss ich mich wegen der

knappen Zeit auf einen Satz beschränken: Nehmen Sie
Ihre Kompetenz auf diesem Gebiet konsequent wahr und
legen Sie ein Rahmengesetz zur Weiterbildung vor!

Insgesamt belegen die Zahlen des vorliegenden Ent-
wurfs den fehlenden Mut der Bundesregierung, die Haus-
haltsmittel, wie hoch auch immer sie sein mögen,
grundsätzlich neu zugunsten der Belange der Bildung um-
zuverteilen. Bildung als Investition in die Zukunft, als
Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft und auch als
Mittel zur Zurückdrängung neofaschistischen Gedanken-
guts bekommt so kaum die dafür notwendige materielle
Basis.

Frau Bulmahn, ich wünsche uns gemeinsam mehr Mut
auf diesem Gebiet, damit wir endlich zu einer Trend-
wende im Bildungsbereich in unserem Land kommen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411902100
Ich erteile der Kolle-
gin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion, das Wort.


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1411902200
Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Sie vor
einem Jahr nach der Bedeutung der Abkürzung UMTS




Maritta Böttcher

11421


(C)



(D)



(A)



(B)


gefragt hätte, hätten sicherlich die meisten von Ihnen
– auch ich – mit dem Kopf schütteln müssen. Seit der
Versteigerung der Mobilfunklizenzen durch die Regulie-
rungsbehörde für Telekommunikation weiß nun nahezu
jedes Kind, dass hinter „UMTS“ nicht nur Frequenzen für
Mobilfunktelefone stecken, sondern dass damit vor allem
ein ordentlicher Batzen Geld verbunden ist.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dieser Versteigerungserlös versetzt uns nun in die

Lage, einen ganz kleinen Teil des von der christlich-
liberal geführten Bundesregierung in 16 Jahren angehäuf-
ten Schuldenberges abzubauen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


und lässt eindrucksvoll erkennen, warum der von uns
eingeschlagene Weg der Haushaltskonsolidierung kein
Selbstzweck, sondern haushalts- und finanzpolitisch sinn-
voll ist. Weniger Schulden bedeuten nämlich weniger Zin-
sen. Weniger Zinsen bedeuten größeren politischen Ge-
staltungsspielraum für innovative und zukunftsträchtige
Projekte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben den von Ihnen geerbten Reformstau aufge-
löst, indem wir die Probleme, die auch im Bereich Bil-
dung und Forschung eklatant waren, nacheinander ange-
gangen sind. Wir bringen eine BAföG-Reform auf den
Weg.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein laues Lüftchen!)


Wir investieren in die Infrastruktur der Hochschulen und
erhöhen dafür kontinuierlich die Mittel. Wir wagen uns an
das Dienstrecht und reformieren es. Und wir widmen uns
den Zukunfts- und Schlüsseltechnologien, –


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ganz vorsichtig, auf Zehenspitzen!)


– die unseren wirtschaftlichen Wohlstand auch für die
kommenden Generationen sichern werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kurzum: Wir haben Wort gehalten und unsere Verspre-
chen in die Tat umgesetzt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das kann man wirklich nicht sagen!)


Lassen Sie mich zum Anlass der Debatte zurückkeh-
ren, zur Einbringung des Haushaltes 2001 für den Bereich
Bildung und Forschung. Wir können heute einen Einzel-
plan vorstellen, der bereits im dritten Jahr den Schwer-
punkten der von uns geführten Bundesregierung Rech-
nung trägt: Erhöhung der Mittel für Bildung und
Forschung – trotz Haushaltskonsolidierung. Der Gesamt-
umfang des hier zu debattierenden Einzelplans 30 ist ge-
genüber dem Haushaltsjahr 2000 um 5,3 Prozent – das ist
mehr als 750 Millionen DM – gestiegen.

Herausragender Eckpfeiler im Haushalt 2001 wird die
BAföG-Reform sein. Im Vergleich zum letzten Jahr er-
höhen sich die zur Verfügung stehenden Mittel um
425 Millionen DM. Berücksichtigt man den Länderanteil
und den Anteil der Deutschen Ausgleichsbank, dann wird
den Studierenden in Deutschland rechtzeitig zum Beginn
des Sommersemesters 2001 knapp 1 Milliarde DM mehr
zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch für die BAföG-Reform gilt: nicht nur mehr Quan-
tität, sondern vor allem mehr Qualität!


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Wann denn? – Gegenruf des Abg. Hans Georg Wagner [SPD]: Jetzt schon!)


Erstens erhöhen wir die Bedarfssätze spürbar, wodurch
sich die Anzahl der Studierenden mit Förderanspruch ver-
größert. Das leitet die seit langem notwendige Trend-
wende bezüglich der Anzahl der BAföG-Empfänger
ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Während die Zahl der Studierenden, die unter der Vor-
gängerregierung staatliche Beihilfen zu ihrem Studium
erhielten, von 605 000 im Jahre 1991 auf nur noch
340 000 dramatisch abgefallen war, werden wir diese Ent-
wicklung stoppen und umkehren.

Zweitens erhöhen wir die Freibeträge, die für die anre-
chenbaren Einkommen entscheidend sind. Hierbei
schlägt vor allem die in Zukunft geltende Nichtanre-
chenbarkeit des Kindergeldes nachhaltig zu Buche. Das
wird besonders Familien mit mittlerem Einkommen zu-
gute kommen.

Drittens erhöhen wir den BAföG-Höchstsatz von
1 030 DM auf 1 100 DM und tragen damit den steigenden
Lebenshaltungskosten Rechnung.

Viertens gilt künftig eine absolute Rückzahlungsober-
grenze von 20 000 DM. Das nimmt vielen jungen Men-
schen die Angst, überhaupt ein Studium aufzunehmen
bzw. ihren BAföG-Anspruch geltend zu machen. Sie wer-
den nun Planungssicherheit haben und wissen, wie hoch
die möglichen Rückzahlungsbelastungen sein werden.

Fünftens vereinfachen wir die bürokratischen Antrags-
und Verwaltungsverfahren, weil wir einerseits die Förde-
rungshöchstdauer der Regelstudienzeit anpassen und an-
dererseits das komplizierte System der Freibeträge
abschaffen.

Sechstens – dieser Punkt wird von mir erst an sechster
Stelle aufgeführt, war aber für uns von besonderer Prio-
rität – stellen wir Studierende aus Ost und West endlich
gleich und realisieren damit die längst überfällige innere
Einheit auch auf diesem Gebiet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, vor
allen Dingen der rechten Seite: Das sind die Felder, die




Siegrun Klemmer
11422


(C)



(D)



(A)



(B)


beim BAföG die Studierenden und ihre Eltern tatsächlich
interessieren, weil sie die Verbesserungen im Portemon-
naie spüren werden. Das interessiert sie mehr als die
Frage, ob es sich um eine Strukturreform, eine Gesetzes-
änderung oder was auch immer handelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Beim Hochschulbau gehen wir mit unverminderter
Beharrlichkeit einen Sektor an, der unter Ihnen jahrelang
brachlag; davon war schon die Rede. Nachdem wir nach
Regierungsübernahme die jährlichen Leistungen bereits
von 1,8 auf 2 Milliarden DM erhöht und verstetigt haben,
packen wir in diesem Jahr nochmals 150 Millionen DM
drauf und stellen insgesamt 2,15 Milliarden DM zur Ver-
fügung. Und wir fangen an, eine von Ihnen übernommene
Altlast zu begleichen, indem wir endlich die Vorleistun-
gen der Länder zurückzuzahlen beginnen.

Ich erwähne diese beiden Punkte ganz besonders, weil
sie Ihnen verdeutlichen, dass das Hochschulstudium wie-
der Priorität genießen soll. Gerade deswegen stehen wir
zu unserem Versprechen, das Erststudium in Deutschland
gebührenfrei zu belassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich
denke, man kann Ihnen nicht oft genug vortragen: Der in
unserem Land herrschende Wohlstand basiert auf einem
Wissens- und Technologievorsprung. Der lässt sich nur
erhalten und vor allen Dingen auch vergrößern, wenn un-
sere Fach- und Hochschulen, unsere Universitäten fähige
und kompetente Absolventen hervorbringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu diesem Wissens- und Technologievorsprung
gehört, dass wir in den zukunftsträchtigen Schlüsseltech-
nologien Spitzenpositionen ausbauen und sie dort errei-
chen wollen, wo wir noch Bedarf sehen. Daher schaffen
wir Rahmenbedingungen, dass auf den Feldern – nament-
lich der Informations- und Biotechnologie –, die das Le-
ben des 21. Jahrhunderts grundlegend bestimmen werden,
eine herausragende Schwerpunktsetzung erfolgt.

Der Haushaltsansatz für den Bereich Informations-
und Kommunikationstechnologie sieht mehr als eine
halbe Milliarde DM vor. Damit stellen wir ausreichend
Ressourcen für diesen äußerst dynamischen Sektor, in
dem die technischen Neuerungen in immer kleineren und
schnelleren Zyklen verlaufen, bereit.

Wesentlich dynamischer entwickelt sich die Biotech-
nologie und ist deshalb die nächste große Herausforde-
rung. Hierbei handelt es sich zweifelsohne für viele Bür-
gerinnen und Bürger um eine noch unbekannte Größe.
Gleichwohl wird die Entwicklung auf diesem Sektor ähn-
lich rasant verlaufen wie auf dem Gebiet der Informati-
onstechnologie.

Ich denke, es bedarf keiner seherischen Fähigkeiten,
um vorauszusagen, dass uns die nächsten Jahre, vor allen
Dingen auch hier in diesem Haus, noch etliche, natürlich
auch kontroverse Debatten bescheren werden. Doch un-
abhängig davon, wie – auch in der Öffentlichkeit – die
Debatten verlaufen werden, birgt die Biotechnologie

enorme Forschungs- und Entwicklungspotenziale. Die
Bundesregierung erkennt die Zeichen der Zeit und veran-
schlagt im Ansatz 2001 220 Millionen DM für die Bio-
technologie – das sind 7,3 Prozent mehr als im Vorjahr.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die enge Kooperation mit der Wirtschaft, die zahlrei-

che Kompetenzzentren entstehen ließ, ist ursächlich für
den Gründerboom in dieser Branche und bestätigt gleich-
zeitig, dass unsere Strategien und Konzepte sinnvoll,
kreativ und wirtschaftlich viel versprechend sind. Der im
Sommer vorgelegte Aktionsplan für die Genomforschung
belegt, dass Deutschland in Europa an Großbritannien
vorbeigezogen ist und sich im internationalen Vergleich
hinter die Vereinigten Staaten an die zweite Stelle vorge-
arbeitet hat.

Auch ein so heißes Eisen wie die Dienstrechtsreform
werden wir auf den Weg bringen. Die von der Experten-
kommission vorgelegten Vorschläge sehen unter anderem
die Etablierung von Juniorprofessuren vor. Diese Neu-
regelung wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
lern Gelegenheit bieten, bereits in jungen Jahren in eige-
ner Verantwortung Lehrveranstaltungen zu leiten. Damit
werden wir verkrustete Strukturen an Universitäten auf-
brechen, die den nötigen Generationenwechsel beschleu-
nigen sollen.

Auch die Besoldung wird flexibler gestaltet und mehr
dem Leistungs- als, wie bisher, dem Senioritätsprinzip
unterworfen sein. Das versetzt die Hochschulen in die
Lage, durch individuelle Budgetierung fähige Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Wirtschaft für
Institute der Hochschulen zu interessieren.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die vorgese-
hene Schwerpunktsetzung der Bundesregierung bei der
Verwendung der Zinsersparnisse im Zusammenhang mit
den UMTS-Erlösen ist zugleich investitions- und zu-
kunftsfördernd. Dass Bildung und Forschung neben Städ-
tebau und Verkehr auch hier Priorität genießen, setzt den
bei Regierungsübernahme eingeschlagenen Weg konse-
quent fort. Allerdings bin ich der Meinung, heute und hier
ist nicht der Ort, um über die genaue Höhe und die Ver-
wendung der Mittel zu debattieren. Das ist den parlamen-
tarischen Organen, insbesondere dem Haushaltsaus-
schuss, für die Beratung der Haushaltspläne vorbehalten.
Wir werden daher erst Ende November, wenn wir den
Haushalt verabschieden, Genaueres dazu sagen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen die
zentralen Eckpunkte des Einzelplans 30 vorgestellt. Herr
Kollege Hilsberg wird zu den Bereichen Weiterbildung
und berufliche Bildung noch etwas sagen. Mir als Haus-
hälterin liegt besonders am Herzen, deutlich zu machen,
dass der Bildungs- und Forschungsetat 2001 der höchste
seit über 15 Jahren ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich empfehle daher der Frau Ministerin, auf gar keinen
Fall in irgendeiner Weise in einen Wettbewerb mit Herrn
Rüttgers einzutreten. Das ist nicht nötig; diesen Wettbe-
werb hat sie längst gewonnen.


(Beifall bei der SPD)





Siegrun Klemmer

11423


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir sind zu Recht stolz auf diesen Haushalt. Mit Fug
und Recht lässt sich sagen: versprochen und Wort gehal-
ten!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411902300
Ich erteile dem Kolle-
gen Steffen Kampeter, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1411902400
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist jetzt
schon der dritte Etat, der von der Frau Bundesbildungs-
ministerin vorgestellt wird und mit dem man, abgesehen
von der Botschaft, sie sei besser als im Vorjahr, nichts ver-
bindet. Vor allem hat sie bis heute keine bildungs- und for-
schungspolitische Konzeption vorgelegt. Das ist schon
ein schwaches Stück.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es stimmt noch nicht einmal, dass die Investitionen in

Bildung und Forschung wachsen; denn Tatsache ist,
Frau Bundesministerin, dass Sie in Ihrem Etatentwurf für
2001 500 Millionen DM weniger für Investitionen zur
Verfügung haben, als 1998 Herr Rüttgers für Investitionen
in Bildung und Forschung ausgewiesen hatte. Davon
muss die deutsche Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wer-
den, denn das ist eine Tatsache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Selbst wenn ich mir den Aufwuchs des Forschungs-

etats anschaue und unter diejenigen Teile, die Sie vor ei-
niger Zeit an das Wirtschaftsministerium abgegeben ha-
ben, und Ihre Forschungsansätze einen Strich ziehe, dann
stelle ich fest, dass das, was Sie dazubekommen haben,
der Wirtschaftsminister eingespart hat. In der Summe ist
das keine erfolgreiche Forschungspolitik dieser Bundes-
regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben vorhin gesagt, die Regierung Kohl habe

keine müde Mark in Bildung und Forschung investiert.
Das ist insoweit richtig, als zu der Zeit, zu der wir regiert
haben, die Mark noch nicht müde, sondern hart war. Das
ist ein entscheidender Unterschied.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ihre politische Halbzeitbilanz fällt in unseren Augen
eher beschämend aus. Ich will mit einem Zitat belegen,
dass unsere Kritik auch in der Koalition geteilt wird. Der
bildungs- und forschungspolitische Sprecher der grünen
Bundestagsfraktion, also Ihr Koalitionspartner, wird im
„Handelsblatt“ vom 7. September so zitiert:

Trotz des erfreulicherweise steigenden Etats für Bil-
dung und Forschung

– dass auch das falsch ist, habe ich gerade belegt –
ist es noch nicht gelungen, das Thema jenseits der
Sonntagsreden zum Schwerpunkt der Regierungs-
politik zu machen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da hat er Recht!)


Geld alleine, Frau Ministerin, macht halt nicht glück-
lich. Sie werden offensichtlich von Ihrer eigenen Koali-
tion negativ bewertet. Sie reichen wohl für Sonntagsre-
den, aber nicht für tatsächliche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Fehlanzeige beispielsweise, wenn Sie sagen, Sie hätten

uns hier eine forschungspolitische Konzeption vorgetra-
gen. Fehlanzeige, wenn Sie meinen, Sie hätten beim
Thema Gentechnologie die Meinungsführerschaft in
Deutschland. Bei der Rechtschreibreform, einem Thema,
das viele Menschen in Deutschland beschäftigt, sind Sie
weggetaucht. Zur Bildungspolitik haben Sie hier außer
Leerformeln nichts vorgetragen. Die Liste Ihrer politi-
schen Fehlleistungen und Misserfolge ist lang. Ich weise
nur darauf hin, dass die Kritik auch von einer breiten
Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird. Laut einer reprä-
sentativen Umfrage des Forsa-Instituts, kürzlich im
„Stern“ veröffentlicht, ist eine Mehrheit der Deutschen
der Auffassung, dass Sie aus Ihrem Amt scheiden sollten.
Sie sind der sozialdemokratische Totalausfall im Kabinett
Schröder.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Note fünf!)


Ich kann Ihnen daher die Aufzählung Ihrer Fehlleis-
tungen in der heutigen Etatdebatte nicht ersparen.

Das Erste, das von der Frau Kollegin Klemmer sehr
charmant vorgetragen wurde, war die BAföG-Reform.
Sie entspricht im Wesentlichen dem, war wir schon vor
drei Jahren gemeinsam mit Ihnen hätten verabschieden
können. Drei Jahre Verspätung für eine von Ihnen
blockierte Reform kann im Jahre 2000 kein politischer Er-
folg sein.


(Zuruf von der SPD: Bleiben Sie mal bei der Sache!)


Auch in dieser Frage haben Sie nicht mehr die Unterstüt-
zung Ihrer Koalition. Der Kollege Berninger hat nämlich
schon anlässlich dessen, was Sie als BAföG-Reform vor-
gestellt haben, gesagt, dies reiche noch nicht aus, viel-
mehr müsse im Anschluss an die BAföG-Reform, die Sie
hier fälschlicherweise als Strukturreform dargestellt ha-
ben, eine Strukturreform der Bildungsfinanzierung kom-
men. Ich halte es für ein Stück aus dem Tollhaus, wenn
hier behauptet wird, ein Kernelement Ihrer Bildungspoli-
tik sei die BAföG-Reform, wenn vor Verabschiedung die-
ser BAföG-Reform die Reform der Reform schon von ei-
nem Vertreter Ihrer eigenen Koalition angekündigt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie haben auch mehrfach verkündet, Sie wollten Stu-

diengebühren verbieten lassen. Der Versuch ist geschei-
tert. Auch das ist ein Misserfolg Ihrer Politik. Wenn ich
höre, dass die Dienstrechtsreform nun endlich komme,
muss ich sagen: Ich kann es kaum mehr glauben. Sie ha-
ben uns das schon so oft angekündigt, aber nichts ist
passiert. Im Sommer haben Sie aus der SPD-Bundestags-
fraktion Kritik dafür bekommen. Ich zitiere aus dem
„Handelsblatt“ wieder einmal einen Ihrer Bildungspoli-
tiker, Herrn Berninger:




Siegrun Klemmer
11424


(C)



(D)



(A)



(B)


In den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen
wächst die Unzufriedenheit mit dem Kurs von Bun-
desbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Anlass
sind die schleppenden Fortschritte bei der Dienst-
rechtsreform... Hintergrund sei die Sorge in den bei-
den Fraktionen, dass die Regierung bei dem derzeiti-
gen Tempo in dieser Legislaturperiode kein großes
Reformprojekt in der Bildungspolitik mehr verwirk-
lichen kann.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Recht hat der Mann!)

Wenn Jürgen Rüttgers damals so von seiner eigenen Frak-
tion bzw. der Koalitionsfraktion eingeschätzt worden
wäre, wäre er zurückgetreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es ist bedauerlich, dass Sie nicht das notwendige poli-

tische Gewicht besitzen, die auch von uns für notwendig
gehaltenen Flexibilisierungen im Dienstrecht durchzuset-
zen. Wir werden Sie bei der Umsetzung politisch unter-
stützen, Sie müssen aber erst in Ihrer eigenen Koalition
Mehrheiten haben und uns einen Entwurf vorlegen, der
dann von uns diskutiert werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will auf einen weiteren Punkt kommen, nämlich die

Internationalisierung derHochschulen.Wir stellen fest
– Sie haben es hier mehrfach beklagt –, dass die Interna-
tionalisierung der deutschen Hochschulen nicht ausreicht.
So werden in den Vereinigten Staaten fünfmal so viele
ausländische Doktoranden wie in Deutschland geprüft.


(Jörg Tauss [SPD]: Noch eine Erblast!)

Wenn ich in den Haushalt sehe, stelle ich fest, dass Sie
beispielsweise beim Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienst Kürzungen vorgenommen haben, wenn man
die Projektmittel hinzu nimmt, die der DAAD früher auch
noch aus dem Hochschulsonderprogramm III bekommen
hat.

Sie reden viel von Internationalisierung, handeln aber
nicht entsprechend. Sie hätten beispielsweise spielend mit
dem Geld, das Sie haben, das Gastdozentenprogramm
ausweiten können. Sie hätten auch mehr für die Modell-
projekte der Internationalisierung tun können. Ihren Er-
kenntnissen, die Sie als Opposition hatten, als Sie im Ok-
tober 1998 festgestellt haben, dass die Internationalität
von Wissenschaft und Forschung die Erfordernisse der
Gegenwart sind, folgt leider keinerlei konsequentes Re-
gierungshandeln.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Etwas schwach und vage, Frau Bundesbildungsminis-

terin, waren Ihre Ausführungen zu UMTS, also den „un-
heimlichen Mehreinnahmen trotz Schröder“. Ich kann es
eigentlich verstehen, dass Sie sehr vage zu UMTS reden,
denn als wir am 29. Juni 1994 im Deutschen Bundestag
über die Grundgesetzänderung abgestimmt haben – –


(Jörg Tauss [SPD]: Könnt Ihr den nicht mal nach hinten setzen? Das ist ja peinlich! Der ist ja noch schlimmer als der Austermann!)


– Der Brüllfrosch der SPD-Fraktion Tauss hat ausschließ-
lich die Aufgabe, hier zu stören, aber keine Beiträge zu
liefern. Das ist einfach unerträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Tauss, auch wenn es Ihnen nicht passt: Am 29. Juni
1994 hat der Deutsche Bundestag über die Liberalisierung
der Telekommunikation abgestimmt. Die SPD-Fraktion
hatte Zustimmung signalisiert. Es gab eine namentliche
Abstimmung und unter den 92 Abgeordneten der Kom-
munisten, der Grünen und der SPD, die versucht haben,
die Liberalisierung im Deutschen Bundestag zu verhin-
dern, war Edelgard Bulmahn an der Spitze und heute kas-
siert sie die Gelder ein. Damals versuchte sie, das zu ver-
hindern.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will darauf hinweisen, dass diese Abkassiererei noch

auf einige Schwierigkeiten stoßen wird. Nach meinen In-
formationen hat Bundesfinanzminister Eichel Ihnen in die-
ser Woche einen Brief geschrieben, in dem er Sie auffor-
dert, Ihre Ansprüche hinsichtlich der Zinseinsparungen, die
durch die UMTS-Mittel möglich geworden sind, anzumel-
den. Dann soll es einen Kabinettsbeschluss geben und die
sozialdemokratische Bundestagsfraktion soll diesen Kabi-
nettsbeschluss nur noch abnicken und ihn in die Haushalts-
beratungen einbringen.


(Jörg Tauss [SPD]: Gutes Verfahren!)

– Herr Kollege, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass
Sie in dieser Frage zu einer Abnickerfraktion geworden
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das stimmt nicht!)


Das übliche Verfahren wäre gewesen, dass die Fraktion
der SPD gemeinsam mit der Fraktion der Grünen uns
heute einen konkreten Vorschlag im Deutschen Bundes-
tag vorlegt, in dem auf Mark und Pfennig belegt wird,
wofür sie die durch den UMTS-Erlös frei werdenden Gel-
der ausgeben möchte. Aber jetzt wird das wieder am Par-
lament vorbei gemacht und ein Beschluss einfach exeku-
tiert. Sie dürfen den dann abnicken. Ich würde mich
schämen, in einer solchen Fraktion Mitglied zu sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Meine Fraktion wird im Rahmen der Haushaltsbe-
ratungen konkrete Vorschläge machen, wie wir den Be-
reich Bildung und Forschung durch Mittel aus dem Etat
des Wirtschaftsministeriums und aus dem Etat von Frau
Bulmahn fördern. Wir werden Vorschläge über eine Of-
fensive für die technologische Infrastruktur des 21. Jahr-
hunderts vorlegen, die eine Größenordnung von 1,5 Mil-
liarden DM hat. Alle Mehrausgaben, die wir für diesen
Bereich veranschlagen, sind durch Minderausgaben in an-
deren Bereichen gedeckt.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das wird eine spannende Angelegenheit!)


Es geht um die Revitalisierung der technologischen
Mittelstandsförderung, die Verkehrstechnologie, die
Umweltforschung, die Weltraumtransportsysteme, die




Steffen Kampeter

11425


(C)



(D)



(A)



(B)


industrienahe Forschung und die umweltfreundlichen
Transporttechnologien sowie die Revitalisierung des
deutschen Hochschulwesens. Wir leisten damit einen
konstruktiven Beitrag zur Debatte, den wir von dieser
Forschungs- und Bildungsministerin bisher vermisst ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411902500
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt kommt wieder Niveau in die Debatte!)



Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411902600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Kampeter, dass wir in der Koalition über die Mög-
lichkeiten diskutieren, wie wir die Mittel für Bildung und
Forschung erhöhen können und welche Schwerpunkte
wir setzen können, ist ein Zeichen dafür, dass wir über-
haupt keine Abnickfraktion sind, dass wir uns vielmehr
ernsthaft um mehr Mittel bemühen und dass wir zwar un-
terschiedliche Positionen vertreten, aber zu einem sehr
guten Gesamtkonsens kommen.

Eines haben Sie, meine Damen und Herren von der
Union und auch von der F.D.P., immer wieder übersehen:
Wenn Sie angebliche Kürzungen nennen, dann vermeiden
Sie ganz geflissentlich, zu erwähnen, wohin zusätzliche
Gelder für Bildung und Forschung geflossen sind, die
nicht im Haushalt des BMBF auftauchen, beispielsweise
die BAföG-Mittel oder die einigen 100MillionenDM, die
in den Etat des Wirtschaftsministeriums geflossen sind.
Sie reden nicht davon, dass es dort einen deutlichen Zu-
wachs gegeben hat.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist die Sparkasse von Werner Müller!)


– Die Punkte, die Sie in der Energieforschung kritisieren,
werden wir zusammen mit dem Parlament – wie auch
schon im letzten Jahr – korrigieren. Es wird auch das
Wirtschaftsministerium mit Sicherheit bemerken, dass
aufgrund der Ölpreisentwicklung eine Erhöhung der Mit-
tel für die Energieforschung notwendig sein wird.

Bündnis 90/Die Grünen hat seine Wahlversprechen
hinsichtlich der Forschungspolitik vollständig einge-
halten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411902700
Herr Kollege Fell, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Aigner von
der CDU/CSU-Fraktion?


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411902800
Ja,
bitte.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1411902900
Herr Kollege Fell, Sie haben
gerade gesagt, dass Mittel in andere Ministerien verlagert
worden seien. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen.


(Zuruf von der SPD: Fragen!)


– Ich frage, ob Sie zugeben, dass die Mittel für das
Meister-BAföG in den Etat des Wirtschaftsministeriums
verlagert worden sind, dass die Mittel von ursprünglich
167 Millionen DM auf 78 Millionen DM im Jahr 2000
gekürzt worden sind und dass sie nun erneut gekürzt wer-
den sollen. Verstehen Sie das unter Neuinvestitionen und
Erhöhung der Investitionen?


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411903000

Wenn ich von Erhöhung der Forschungsmittel spreche,
dann sollten auch Sie, Frau Kollegin Aigner, zur Kenntnis
nehmen, dass der Anteil der Forschungsmittel auch dort
insgesamt gestiegen ist.

Bezüglich der Kürzungen der Mittel für das Meister-
BAföG werden wir unsere Position deutlich machen.

Bündnis 90/Die Grünen hatten vor der Wahl die Er-
höhung der Forschungsmittel um 2 Milliarden DM ver-
sprochen. Angesichts des vorliegenden Haushaltsentwur-
fes und der zu erwartenden zusätzlichen Mittel aus den
UMTS-Erlösen können wir unser Versprechen vorzeitig
einlösen.

Angesichts der Lücken, die die alte Bundesregierung
hinterlassen hat, müssen wir allerdings feststellen, dass
wir von den erreichten Mittelzuwächsen nicht ablassen
dürfen. Es ist zwingend erforderlich – darin sind wir uns
mit der Ministerin einig –, dass auch in Zukunft an der Zu-
kunftsmilliarde festgehalten wird. Es geht aber nicht nur
darum, dass wir mehr Mittel zur Verfügung stellen. Es ist
auch notwendig, dass wir die Schwerpunkte anders set-
zen. Das haben wir bereits getan. Vor allem im For-
schungsbereich wurden die Mittel für solche Projekte
gestärkt, bei denen der Nutzen der Gesellschaft im Vor-
dergrund steht.

Hier möchte ich einige Beispiele nennen. Als Mitglied
des Verteidigungsausschusses tut es mir gut, die positive
Entwicklung bei der Friedens- und Konfliktforschung
zu sehen. Wir haben die Bundesförderung der Friedens-
und Konfliktforschung wieder ins Leben gerufen, nach-
dem sie die alte Regierung faktisch beendet hatte. Zudem
stellen wir im Jahr 2001 wieder umfangreiche Mittel für
die Gründung eines neuen Friedensforschungsinstitutes
zur Verfügung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Dadurch wird der Frieden sicherer!)


Ich freue mich, dass im Haushalt 2001 die Mittel für
die Technikfolgenabschätzung erneut spürbar ansteigen.


(Dr. Gerhard Friedrich [Erlangen] [CDU/CSU]: Bremsmittel!)


So werden sie schon im Jahr 2000 mit 8 Millionen DM
mehr als doppelt so hoch liegen wie bei der Regierungs-
übernahme. Auch bei der alten rot-grünen Forderung nach
einer Stärkung kleinerer und mittlerer Forschungsinstitute
auf dem Feld der Nachhaltigkeitsforschung lässt sich
Vollzug melden. Das entsprechende Programm ist ange-
laufen und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet. Ich
kann nur sagen: Weiter so, Rot-Grün.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Steffen Kampeter
11426


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich komme zur Biotechnologie und zur Genomfor-
schung. Auch hier sind erneut Steigerungen vorgesehen.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen auch die Teile der
Gentechnik, die ethisch vertretbar und deren Risiken
überschaubar sind. Gerade in der Gesundheitsforschung
sollten wir die Chancen sehen. Bei der Bekämpfung von
Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Parkinson kann
die Gentechnik möglicherweise eine große Rolle spielen.
Andererseits wäre es aber nicht klug, alles auf die Karte
der Gentechnik zu setzen. Die meisten Krankheiten sind
nicht nur genetisch bedingt. Die anderen Faktoren müssen
ebenso untersucht werden. Deshalb richten wir unser Au-
genmerk auch auf die Gesundheitsvorsorgeforschung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bündnis 90/Die Grünen werden die bei der rasanten
Entwicklung der Gentechnik auftauchenden Fragen im-
mer wieder neu bewerten. Das ist ein schwieriger Prozess,
bei dem neben ökonomischen auch ethische Fragestel-
lungen und der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit von
großer Bedeutung sein werden.

Für unverantwortbar halten wir aber den Vorschlag aus
den Reihen der CDU/CSU, die Gentechnik flächen-
deckend in der Landwirtschaft einzusetzen. Demnächst
wird die CDU/CSU noch vorschlagen, den Menschen
gentechnisch zu optimieren, um vermeintlich den Stand-
ort Deutschland zu stärken.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich bin sehr gespannt, was die konservativen Parteien
noch konservieren wollen, wenn sie die Gene und somit
den Kern des Lebens vollständig der Standortdiskussion
unterwerfen.


(Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Ideologische Einfalt ist das!)


Die F.D.P. hat der Union eines voraus: Die Werte, die
außerhalb der Ökonomie liegen, spielen bei ihr schon
längst keine Rolle mehr.

Die Bewertung des Haushalts der Bundesministerin für
Bildung und Forschung seitens der CDU/CSU – ich habe
es eingangs schon erwähnt –, ist vor allem deswegen nicht
richtig, weil Sie die vielen Fälle der Forschungsmittel-
erhöhung in anderen Haushalten einfach übersehen.

Erwähnen will ich als Ergänzung die Forschungsmit-
tel, die beispielsweise im Haushalt des Bundeslandwirt-
schaftsministeriums zu finden sind.

Meine Damen und Herren, die deutlichen Erfolge grü-
ner Forschungs- und Bildungspolitik ermutigen uns, ziel-
strebig weiter rot-grüne Grundsatzpositionen umzusetzen
und nachhaltigen Innovationen den Weg zu bereiten.

Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411903100
Ich erteile dem Kolle-
gen Thomas Rachel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1411903200
Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit voll-
mundigen Versprechungen ist die Regierung Schröder an-
getreten. Mit ihrem Wahlkampfslogan „Innovation und
Gerechtigkeit“ hat die SPD versprochen, Forschung und
Innovation in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Ankündigungen stehen aber im krassen Wider-

spruch zum Schneckentempo rot-grüner Politik in der
Realität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Im Bundestagswahlkampf hat die SPD eine Garantiekarte
verteilt. „Bewahren Sie diese Karte auf und Sie werden
sehen, dass wir halten, was wir versprechen“, heißt es auf
dieser Karte.


(Jörg Tauss [SPD]: Gut aufgehoben!)

Unter Punkt 4 können Sie lesen: „Die SPD verspricht die
Verdopplung der Investitionen in Bildung und Forschung
in fünf Jahren.“ Wir haben Ihre Garantiekarte aufgehoben
und wir stellen fest, dass Sie Ihr Versprechen nicht halten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans Georg Wagner [SPD]: Sie können nicht rechnen!)


Wenn Sie Ihre Zusage einhalten wollten, dann müsste
der Bildungs- und Forschungsetat jetzt, nach den ersten
zwei Jahren Ihrer Regierungszeit, schon bei 21 Mil-
liarden DM liegen. Tatsächlich beträgt er aber nur 15 Mil-
liarden DM. Ihre Halbzeitbilanz ist bescheiden – viel
Lärm um nichts.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von einer Bildungs- und Forschungsministerin kann

man verlangen, dass sie ihr Amt nicht nur verwaltet, son-
dern auch – über ihr Ressort hinaus – als Anwältin für
Innovation und Forschung geradesteht. Doch auch in die-
sem Punkt versagt die Ministerin. Die „Wirtschafts-
woche“ hat ihr die Note „Fünf plus“ gegeben, –


(Zuruf von der SPD: Die interessiert uns nicht, die „Wirtschaftswoche“!)


– in der „Welt am Sonntag“ wurde sie als „zweitschlech-
testes Kabinettsmitglied“ tituliert. Das SPD-Magazin
oder das SPD-nahe Magazin „Stern“


(Lachen bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


gibt ihr die Note „ausreichend“. Herr Tauss, 56 Prozent
der Bevölkerung – da wird Ihnen das Lachen vergehen –
fordern die Ablösung dieser Forschungs- und Bildungs-
ministerin. Mit einem solchen Standing können Sie für
Forschung und Innovation in der Bundesregierung nichts
gewinnen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In dieser Regierung fehlt die Priorität für Forschung

und Innovation; denn Forschung braucht nicht hier und da
ein bisschen mehr Geld, sondern eine nachhaltige Politik
und eine klare Richtung.


(Jörg Tauss [SPD]: Bis hin zum Stiftungsrecht!)





Hans-Josef Fell

11427


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Sozialdemokraten reden hier viel über das Geld des
Staates. Dabei wird vollkommen übersehen, dass 70 Pro-
zent der deutschen Forschungsausgaben in der Wirtschaft
erfolgen. Viel mehr als auf das Geld kommt es somit auf
die Rahmenbedingungen für Innovation und Forschung in
diesem Lande an. Hier steht die Ampel, entgegen den Ver-
balbekenntnissen der Regierung, nicht auf Grün; vielmehr
schimmert im tiefen Inneren der rot-grünen Seele die alte
Feindlichkeit gegenüber neuen Techniken durch.


(Widerspruch bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Konzeptionslosigkeit und Wurstelei stellen wir fest.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen.
Erstens. Die Innovationspolitik der Regierung

Schröder ist völlig zersplittert. Sie besteht aus zusam-
menhanglosen Einzelaktivitäten. Die Aufteilung der For-
schungsförderung auf das Wirtschaftsministerium und
das Forschungsministerium hat Chaos erzeugt. Mittler-
weile scheinen das auch Politiker bei der SPD und den
Grünen kapiert zu haben. Matthias Berninger von den
Grünen –


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist einer der schärfsten Kritiker von Frau Bulmahn, stellen wir fest!)


– fordert im „Handelsblatt“, dass Energieforschung wie-
der ins Forschungsministerium eingegliedert werden
müsse. Zitat:

Es zeigt sich..., dass man Grundlagenforschung und
industrienahe Forschung immer weniger trennen
kann,

kritisiert Berninger die mangelhaften Zustände.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Unzufrieden ist auch der SPD-Politiker Stephan Hilsberg.
Im „Handelsblatt“ kritisiert er – Zitat –:

Angesichts der jetzigen Lage muss man sagen, dass
die Industrieforschung im BMWF besser aufgeho-
ben wäre.

Auf diese Missstände hat die CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion bereits Ende 1998 aufmerksam gemacht; denn ein
zentraler politischer Ansprechpartner für Wissenschaft
und Forschung ist in dieser Regierung nicht auszuma-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Aber wo ist Bulmahn?

(Zurufe von der SPD: Da hinten! – Rechts von Ihnen!)

Dem „Handelsblatt“ zufolge sorgt sich Frau Bulmahn – –


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die hört noch nicht einmal zu!)


Frau Bulmahn, vielleicht würden Sie dem Parlament
einmal Ihr geneigtes Ohr schenken und nicht nur auf der
Regierungsbank quatschen. Herr Präsident!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411903300
Reden Sie bitte wei-
ter.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1411903400
Das „Handelsblatt“
vermutet, dass Frau Bulmahn in der Regierung schon zu
viel Neid auf sich gezogen habe. Das „Handelsblatt“ kom-
mentiert:

Nun will Frau Bulmahn Wirtschaftsminister Müller
nicht auch noch mit Forderungen nach Abtretungen
ganzer Abteilungen ärgern.

Wo bleibt Ihre politische Führungskraft, Frau Bulmahn?
So wird man nie Anwältin für Forschung und Innovation
in dieser Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Sie ist es schon!)


Zweitens. In einer Anfrage vom 29. Juni dieses Jahres
habe ich die Bundesregierung gefragt, wie sich der von
der Regierung beschlossene Ausstieg aus der Kernener-
gie mit dem weiterhin gültigen Energieforschungspro-
gramm vereinbaren lässt, denn darin ist die Kernenergie-
forschung enthalten. Bis heute – vom 29. Juni bis zum
15. September – war die Bundesregierung nicht in der
Lage, diese Anfrage fristgerecht zu beantworten, obwohl
in der Geschäftsordnung dieses Parlaments steht, dass die
Regierung innerhalb einer Woche zu antworten habe. Ich
finde, das ist ein Skandal, und es zeigt, wie diese Regie-
rung mit dem Parlament umgeht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Darum müsste sich der Präsident einmal kümmern!)


Will die Bundesregierung hinter ihrer Sprachlosigkeit
vielleicht ihre Konzeptlosigkeit verbergen?


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Vorsicht! Das kann man nur sagen, wenn man keine Ahnung hat!)


Der ganze Vorgang zeigt, dass die rot-grüne Bundesregie-
rung sich nicht auf ein abgestimmtes Konzept in der Ener-
gieforschung einigen konnte. So wird man kein Innovati-
onsstandort auf Weltniveau.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Drittes Thema. Nach mehr als 30 Jahren Planungs- und
Entwicklungszeit haben Sie das Aus für den Transrapid
verkündet. Damit verlieren wir unseren Entwicklungs-
vorsprung in der Magnettechnik.


(Jörg Tauss [SPD]: Wer hat das denn verhindert? Die Bahn oder wer?)


Viertens. Bei der Genehmigung des neuen Garchinger
Forschungsreaktors FRM II sitzt der Umweltminister im
Bremserhäuschen.

Fünftens. Zu Beginn dieses Jahres hat die rot-grüne
Koalition eine massive Erhöhung der Patentgebühren
beschlossen. Diese Gebührenerhöhung trifft die Erfinder,
die Tüftler, die kleinen Unternehmen, die Patentanmelder
in den Hochschulen. Sie ist ein Hemmschuh für den




Thomas Rachel
11428


(C)



(D)



(A)



(B)


Transfer von Forschungsergebnissen in wirtschaftsnahe
Anwendungen. Denn Patente von heute sind die Ar-
beitsplätze von morgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Vor diesem Hintergrund sind die Schlagworte Innovation
und Gerechtigkeit, die Sie vor der Wahl verkündet haben,
nichts als blanker Hohn.

Sechstes Thema. Als nächste wichtige Technologie
droht die Kernfusion von Rot-Grün beerdigt zu werden.
Bundeskanzler Schröder hat mit seiner seichten Rede in
Greifswald zu überdecken versucht, dass in der Regie-
rungskoalition totale Uneinigkeit bei der Fusionsfor-
schung herrscht. So spricht der forschungspolitische
Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, von einer Fehl-
investition in Greifswald, die man nicht mehr habe ver-
hindern können, weil die Investitionen liefen.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Völlig richtig!)


Zukunftsträchtige Projekte bei der Fusionsforschung wol-
len die Grünen aber auf jeden Fall verhindern. Aber ge-
rade in der Fusionsforschung wäre eine zukunftsweisende
Kooperation mit den europäischen Partnern nötig. Statt-
dessen droht Deutschland in diesem Bereich in die Dritt-
klassigkeit abzurutschen. Das kritisieren wir.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gehen wir bei den erneuerbaren Energien in die Erstklassigkeit!)


Siebtens. Neuestes Thema der Ministerin ist der
Laptop für Schüler. Vielleicht wäre es ja wichtiger, dass
wir erst einmal für jede Klasse auch wirklich einen Leh-
rer zur Verfügung hätten. Ich finde, damit sollten wir ein-
mal anfangen, Frau Bulmahn. Im Übrigen verhält es sich
so: Während Sie über Internet und Laptop lamentieren,
wird im Bundesfinanzministerium die Besteuerung der
privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz vorbereitet.
Während Sie vom Aufbruch in die Informationsgesell-
schaft sprechen, hat Finanzminister Eichel schon längst
das Kassenhäuschen an jedem Internetarbeitsplatz errich-
tet.


(Jörg Tauss [SPD]: Völliger Quatsch!)

Meine Damen und Herren, so werden die Arbeitnehmer in
Deutschland von dieser Bundesregierung getäuscht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: So ein Quatsch! – Zuruf von der CDU/CSU, an Abg. Jörg Tauss gerichtet: Brüllfrosch!)


Achtes Thema. Erst auf massiven Druck von Opposi-
tion und Wissenschaft will die Bundesforschungsministe-
rin die Mittel für die Genomforschung erhöhen. Wir hat-
ten bereits im letzten Jahr beantragt, 200 Millionen DM
mehr hierfür in den Haushalt einzustellen. Sie haben das
eiskalt abgelehnt. Der neu entdeckte Schwerpunkt Gen-
technik ist wichtig, aber wir brauchen auch Fortschritte in
der Anwendung. Sie betreiben hier innovationsfeindliche
Politik. So musste das Robert Koch-Institut auf Anwei-
sung von Gesundheitsministerin Fischer die Ausbringung

einer gentechnisch veränderten Maissorte verbieten, ob-
wohl dies von der EU-Kommission genehmigt war und
ein positives Votum der Zentralen Kommission für die
Biologische Sicherheit vorlag. Mit einer solchen Politik
wird diffuse Angst geschürt und das Vertrauen in wissen-
schaftliches Urteil und festgelegte Zulassungsverfahren
untergraben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411903500
Herr Rachel, Sie müs-
sen leider zum Schluss kommen.


(Jörg Tauss [SPD]: Nicht leider!)



Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1411903600
Ja. – Diese Rahmen-
bedingungen für Innovationen schaden dem Standort
Deutschland. Die rot-grüne Regierung hat sich in wichti-
gen Bereichen als Innovationshindernis entpuppt. Wir
wollen Entscheidungen am wissenschaftlichen Urteil und
nicht an ideologischen Vorstellungen orientieren. Wir ap-
pellieren an Sie: Kommen Sie heraus aus dem ideologi-
schen Bremserhäuschen. Wir wollen, dass Deutschland
als Wissenschaftsstandort eine der ersten Adressen der
Welt wird. Deshalb kämpfen wir für eine ideologiefreie
Modernisierung dieses Landes.

Herzlichen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411903700
Kollege Rachel, ge-
statten Sie noch eine Nachfrage des Kollegen Röspel,
SPD-Fraktion?


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1411903800
Aber gerne.


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1411903900
Herr Rachel, Sie sprachen ge-
rade an, dass wir es als kritisch angesehen haben, einen
Insektengift produzierenden, gentechnisch veränderten
Mais in die Landschaft ausbringen zu lassen, nachdem wir
erkannt haben, dass immer mehr wissenschaftliche Hin-
weise darauf abzielen, dass nicht nur Schädlinge, sondern
auch Nützlinge bekämpft werden, dass weiterhin Resis-
tenzen entstehen und dass das Gift, das produziert wird,
im Boden bleibt. Weil wir gesehen haben, dass da noch ei-
nige Fragen ungeklärt sind, haben wir die Ausbringung
zunächst ausgesetzt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411904000
Ihre Frage, bitte.


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1411904100
Ich frage Sie, ob Sie es als tech-
nikfeindlich ansehen, wenn man neue wissenschaftliche
Erkenntnisse berücksichtigt, die die Ausbringung dieses
Maises als problematisch erscheinen lassen.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1411904200
Ihre Frage unterstellt,
dass es hier tatsächlich andere wissenschaftliche Er-
kenntnisse gegeben hat. Dies ist falsch. Die Zentrale
Kommission für die Biologische Sicherheit, die nach un-
seren gesetzlichen Bestimmungen damit beauftragt ist, zu




Thomas Rachel

11429


(C)



(D)



(A)



(B)


beurteilen, ob es Sicherheitsrisiken gibt oder nicht, hat
dies eindeutig negativ beantwortet.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [F.D.P.])

Außerdem hat die EU-Kommission ihr klares bejahendes
Votum zur Ausbringung gegeben.

Wir kritisieren hier, dass Sie, wenn – mit Ihrer Zustim-
mung – in einem ordnungsgemäßen, durch Wissenschaft
begleiteten Prozess klare rechtliche Verfahren geschaffen
wurden, um zu entscheiden, ob eine Maßnahme ergriffen
werden darf oder nicht, diese Maßnahmen dann aus rein
ideologischen Gründen unterbinden. Das ist Ideologie-
politik, die wir in diesem Bereich der Forschungspolitik
nicht brauchen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1411904300
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Stephan Hilsberg, SPD-Fraktion.


Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1411904400
Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Hans Eichel hat
hier vor drei Tagen die Einbringung des Haushalts 2001
mit den Worten begonnen, dieser Haushalt 2001 sei ein
Haushalt der Konsolidierung und der Nachhaltigkeit und
ein Haushalt der Stärke. Der Haushalt, den wir hier dis-
kutieren, ist ein Beweis dafür. Recht hat der Mann!


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansJosef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nachdem Sie hier versucht haben, so viele Nebelker-
zen zu werfen, muss man jetzt wieder zu den Fakten
zurückkehren.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir haben nur die Wahrheit gesagt! Das ist selten!)


Man kann es gar nicht häufig genug sagen: Nachdem die-
ser Haushalt unter Rüttgers innerhalb von vier Jahren um
400 Millionen DM zurückgegangen ist, haben wir ihn al-
leine um 780 Millionen DM aufgestockt. Das sind
5,3 Prozent mehr, als wir in diesem Jahr haben. Über
BAföG will ich dabei gar nicht reden.

Wenn Sie den Zeitraum nach 1998 zugrunde legen, ha-
ben wir sogar eine Aufstockung um 1,7 Milliarden DM
vorgenommen. Das ist ein Plus von über 8 Prozent.

Diese Leistung ist entscheidend, nicht das, was Sie hier
an Nebelkerzen werfen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansJosef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


UMTS ist in diese Rechnung noch gar nicht einbezogen.
Wenn man diese Erlöse einbezieht, kommen hier 2 Milli-
arden DM hinzu. Damit haben wir nicht nur den höchsten
Bildungs- und Forschungshaushalt, den es in der Bundes-
republik je gegeben hat, sondern das ist auch eine Trend-
wende.


(Beifall des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In Ihrer Regierungszeit ist der Anteil der Bildungs-
und Forschungsausgaben kontinuierlich gesunken. Wa-
rum rufen Sie hier mit Krokodilstränen in den Augen, der
Anteil der Bildungs- und Forschungsausgaben am Brutto-
inlandsprodukt sei gesunken, wenn Sie selber nicht mit
gutem Beispiel vorangegangen sind? Wir sind das ange-
gangen und machen das weiter. Der Anteil der Bildungs-
und Forschungsausgaben steigt von 3,11 auf 3,21 Prozent.
Vorbild muss man sein, wenn man von den anderen ver-
langen will, sie müssten mehr machen!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der Opposition, das,
was ich von Ihnen an Kritik gehört habe, war häufig nur
kleinkrämerisch und – diesen Eindruck hatte ich zum Teil –
schlicht und einfach von Neid geprägt. Herr Kampeter,
mit Ihren Fähigkeiten des spitzen Bleistiftes, des Umbie-
gens und des Umwertens von Zahlen hätten Sie gut in eine
statistische Behörde der DDR gepasst; da ist das nämlich
permanent gemacht worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Empörend! – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit! Entschuldigen Sie sich bitte! – Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Unverschämtheit! – Dr. Barbara Höll [PDS]: Nicht allzu selbstgerecht!)


– Vielleicht etwas zu Ihrer Beruhigung. Auch von der PDS
brauchen wir uns nichts sagen zu lassen. Bankrotteure
sollten uns keine Ratschläge geben, wie man einen Haus-
halt aufzustellen hat, besonders wenn die Haushalte gut
sind. Regen Sie sich also ab.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass Sie
uns permanent vorhalten, dass wir Ideen realisieren, die
auch Sie möglicherweise schon im Auge gehabt haben.
Natürlich ist es richtig, beispielsweise die Mittel für den
Hochschulbau aufzustocken.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Aber genug von den Zahlen. Herr Friedrich, Sie haben
völlig Recht: Geld ist nicht alles; es kommt auch auf die
Inhalte an. Dann fangen wir mit denen an. Ich sage das
auch mit Blick auf die Jugendlichen auf der Tribüne.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Fehlanzeige bei Ihnen!)


– Bleiben Sie doch ganz ruhig, Herr Kampeter. Es kommt
auf die Fakten an. Herr Jagoda war nicht auf unserem Par-
teiticket. Er hat in diesen Tagen gesagt: Es gibt eine Ent-
spannung am Arbeitsmarkt. Es gibt einen deutlichen
Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsplätzen.


(Beifall bei der SPD)

Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage schließt
sich wieder.




Thomas Rachel
11430


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist unsere Leistung und ein klares Zeichen dafür,
dass unsere Politik, die Frau Ministerin Bulmahn in Rich-
tung Modernisierung der Berufe begonnen hat, Erfolg hat
und dass sie Früchte trägt. Im Übrigen ist es ein Erfolg des
Konsenses im Bündnis für Arbeit und Ausbildung,
ohne den diese Steigerung der Zahl der Lehrstellen nicht
möglich gewesen wäre. Manchmal wird das Bündnis für
Arbeit und Ausbildung als Gefahr für den Parlamentaris-
mus angesehen. Ich glaube, dieses Bündnis für Arbeit und
Ausbildung ist ein Gewinn für unsere Gesellschaft.

Man sollte auch diesen Punkt deutlich machen:
Während es jetzt noch – das ist ein Problem – an Ausbil-
dungsplätzen mangelt, werden die Unternehmen gerade
in den strukturschwachen Gebieten in vier bis fünf Jahren
ganz andere, für sie existenziellere Sorgen haben als
heute. Denn dann wird es einen eklatanten Mangel an
Lehrlingen geben. Deshalb kann man diesen Unterneh-
men insbesondere in den strukturschwachen Gebieten nur
zurufen: Bilden Sie jetzt aus, bevor es zu spät ist!


(Beifall bei der SPD)

Manchmal denke ich – das betrifft die gesamte Wirt-
schaft –, man müsste hinzufügen: Rufen Sie nicht immer
dort nach dem Staat, wo Sie selbst verantwortlich sind!

Den Hochschulbau habe ich schon erwähnt. Ich will
aber noch erläutern, was hinter den Zahlen steckt. Im Jahr
2001 gibt es eine Aufstockung um 215 Millionen DM.
Das ist seit 1998 eine Aufstockung um über 400 Milli-
onen DM. Zusammen mit dem Kofinanzierungsanteil der
Länder ergeben sich über 800 Millionen DM, die wir zu
verantworten haben. Das waren wir und nicht Sie. Damit
sind wir den Forderungen des Wissenschaftsrats an dieser
Stelle nachgekommen. Schauen Sie sich einmal die Re-
aktion an den Hochschulen an! Mit Ihren Reden können
Sie sich dort nicht blicken lassen. Es ist doch unseriös,
was Sie sagen.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Diese Investitionsausgaben werden die Studienbedin-
gungen für über 1Million Studenten wie auch die Arbeits-
bedingungen der Hochschullehrer nachhaltig verbessern.
Es war falsch, wenn von der rechten Seite des Hauses in
den letzten Jahren immer zu hören war, wir hätten zu viele
Studenten. Das war doch letztlich bloß die Kapitulation
angesichts der Tatsache, dass Sie es nicht geschafft haben,
die Aufbauarbeit an den Universitäten und Hochschulen
zu leisten. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wir brau-
chen bessere und leistungsfähigere Hochschulen und
Fachhochschulen; denn die Bedeutung wissenschaftlicher
Ausbildung nimmt genauso wie die Bedeutung der Wei-
terbildung in unseren Tagen zu und nicht ab.

An dieser Stelle ein Wort zum Meister-BAföG. Sie sel-
ber wissen ganz genau, dass Sie die Urheber der Probleme
beim Meister-BAföG waren und dass das Problem nicht
darin besteht, dass wir zu wenig Geld bereitstellen. Das
Problem liegt vielmehr darin, dass das Geld nicht abfließt.
Ich gebe Ihnen hier Brief und Siegel, dass wir dieses Pro-
blem im Haushalt 2001 mindern und schließlich lösen
werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch einen weiteren Punkt erwähnen. Wir ha-
ben über handwerkliche Fähigkeiten geredet. Aber wir
wissen auch – zu diesem Punkt sollten Sie sich ebenfalls
äußern –, dass handwerkliche Fähigkeiten allein heutzu-
tage immer weniger ausreichen, um das Leben zu meis-
tern, um Herausforderungen anzunehmen und um die
Chancen, die sich in dieser Informationsgesellschaft zu-
nehmend bieten, zu erkennen und zu nutzen. Deshalb
muss unser Bildungssystem insgesamt weiterentwickelt
werden.

Wir brauchen mehr die Fähigkeit des Einzelnen zum
eigenen Denken und zur selbstständigen Orientierung.
Wir brauchen seine Fähigkeit, mit Mut, Ausdauer und Zu-
versicht sein eigenes Leben zu meistern. Das muss im
Vordergrund des Bildungssystems stehen. Deshalb ist es
so wichtig, dass die Abhängigkeiten aufgelöst werden, da-
mit an ihre Stelle Selbstverantwortung und auch Freude
am eigenen Handeln treten können. Daher ist es auch so
wichtig, dass wir das Studium der Kinder wieder stärker,
als Sie es vermocht haben, vom Geldbeutel der Eltern ent-
koppeln.


(Beifall bei der SPD)

Begabung hat sicherlich etwas mit Vererbung zu tun.

Aber vor allem hat sie etwas mit den sozialen Randbedin-
gungen zu tun, die ihre Entfaltung behindern oder ermög-
lichen können. Wir Sozialdemokraten wollen – Rot-Grün
realisiert das –, dass die Begabung aller Menschen – ob
sie jung oder alt, Junge oder Mädchen sind, deutschstäm-
mig sind oder aus dem Ausland kommen – in unserer Ge-
sellschaft wieder aufblühen und sich entfalten kann.


(Beifall bei der SPD – Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Machen, machen!)


Dass die Bundesregierung – durch die Bank weg –
allen dem Bund quasi alleine gehörenden außeruniver-
sitären Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-
Gesellschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Fraun-
hofer-Gesellschaft und Helmholtz-Gemeinschaft der
Großforschungseinrichtungen eine Aufstockung zwi-
schen drei und fünf Prozent gewährt, ist kein Zufall. Da-
rüber haben Sie aber überhaupt nicht geredet. Mir ist völ-
lig klar, warum. Warum sollten Sie auch? Denn das sind
Leistungen, die Sie nie zu verbuchen hatten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Aufstockungen folgen nicht nur der Logik, dass
Forschung ein Innovationsmotor ist. Wir alle wissen, dass
Investitionen in Forschung Investitionen in Arbeitsplätze
von morgen sind. Diese Aufstockungen haben auch etwas
mit der hohen Wertschätzung zu tun, die Wissenschaft und
Forschung in unserem Land traditionell genießen und
brauchen und die wir weiterhin garantieren werden. Denn
je offener und aufgeklärter die Wissenschaft an die Erfor-
schung und Behandlung der offenen Fragen unserer Zeit
herangeht – davon haben wir genug –, desto offener und
aufgeklärter kann unsere demokratische Gesellschaft an
die Lösung ihrer Zukunftsprobleme herangehen.




Stephan Hilsberg

11431


(C)



(D)



(A)



(B)


Das betrifft zum Beispiel das Energieproblem, das
ohne eine verstärkte Erforschung alternativer und erneu-
erbarer Energien wohl nicht lösbar ist.


(Beifall des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das ist der Knackpunkt bei der Fusionsforschung; Sie
werfen da nur Nebelkerzen.

Übrigens, das Europäische Parlament hat nichts ande-
res gesagt als wir. Wir sind nicht gegen die Fusionsfor-
schung; um das hier einmal deutlich zu sagen.


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Hört! Hört!)

Wir fragen nur: Stimmen an dieser Stelle die Gewichtun-
gen und müssen wir nicht angesichts des Umstandes, dass
die Ergebnisse der Fusionsforschung – wenn überhaupt –
erst in 50 Jahren vorliegen, schon für die Zeit davor
brauchbare Lösungen liefern, die unser Energieproblem
lösen können? Oder haben Sie alle übersehen, was in der
„Bild“-Zeitung oder sonstwo stand, dass nämlich der
Nordpol bereits zu schmelzen beginnt? Das ist ja nur eine
Kleinigkeit gemessen an den Problemen, die vor uns lie-
gen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Richtig ist übrigens auch, dass man mit den Strukturen
von gestern heute keine moderne Forschung mehr betrei-
ben kann. Deshalb war es so wichtig, dass sich Frau
Bulmahn an die Fusion von GMD und FhG gemacht hat.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Da ist nichts herausgekommen! Wo sind die Ergebnisse?)


Wir sollten dem erfolgreichen Fortgang dieser Fusion ein
gutes Gelingen wünschen.

Auch ist richtig, dass sich die Helmholtz-Gemein-
schaft der Großforschungseinrichtungen in Richtung
des Aufbaus neuer Programmforschungsstrukturen bege-
ben hat. Ganz besonders freut mich übrigens dabei, dass
auch sie dann in den Genuss kommt, nicht mehr Jahr für
Jahr anderthalb Prozent ihrer Stellen kürzen zu müssen,
wie wir das bereits bei der Max-Planck-Gesellschaft rea-
lisiert haben. Wir hoffen, dass das auch so bleibt, denn
Forschungsstrukturen kann man nicht so behandeln wie
x-beliebige Verwaltungseinheiten.

Bei dieser Gelegenheit ein Wort zur Blauen Liste der
Leibniz-Wissenschaftsgemeinschaft. Auch hier wäre
eine deutliche Aufstockung der Mittel nötig gewesen.
Aufgrund der Mischfinanzierung zwischen Bund und
Ländern ist aber nur ein gemeinsames Vorgehen möglich.
Wenn sich hier – ich sage das sehr deutlich und mit
großem Ernst – die Haltung der ostdeutschen Sitzländer
nicht ändert, dann wird der Transformationsprozess der
ostdeutschen Wissenschaftslandschaft, der sich ja auf der
Zielgeraden befindet, einen schweren Rückschlag erlei-
den, an dem wir alle kein Interesse haben können.


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Das sind doch Ihre eigenen Leute!)


– Wieso? Auch Sachsen und Thüringen sind damit ge-
meint. Schauen Sie sich doch die Bilanzen einmal an!


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Und die anderen?)


– Frau Flach, ein Name ist übrigens auch ein Programm.
An Ihrer Stelle hätte ich diese Bemerkung nicht ge-
macht. Ihre Meinung, dass mein Hinweis auf die Sorge,
in der ostdeutschen Forschungslandschaft passiere etwas
Schlechtes, gar nicht stimmt – denn da sei ja alles in Ord-
nung –, zeigt –


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Habe ich doch nie gesagt! Herr Hilsberg, Sie sollten besser lesen!)


– Sie haben nicht anders reagiert –, dass Sie überhaupt
keine Ahnung von der ostdeutschen Forschungsland-
schaft haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411904500
Herr Kol-
lege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1411904600
Wir befinden uns mitten
auf dem Weg in die Bildungsgesellschaft. Ich habe schon
festgestellt: Bildung und die Fähigkeit des Einzelnen, sich
stärker selber orientieren zu können, werden angesichts
der Globalisierung eine immer größere Rolle spielen. Wir
haben in den letzten zwei Jahren den Müll, den Sie uns
hinterlassen haben, weggeräumt. Wir stehen vor einer
neuen großen Bildungsoffensive. Der Haushalt, dessen
Beratung in erster Lesung wir jetzt abschließen, ist dafür
ein notwendiger, erfolgreicher und großer Schritt. Dafür
bedanken wir uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411904700
Zu einer
Kurzintervention gebe ich jetzt das Wort dem Kollegen
Steffen Kampeter von der CDU/CSU-Fraktion.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1411904800
Herr Kollege
Hilsberg, Sie haben mich persönlich wegen meiner Kritik
an der Forschungspolitik der Bundesregierung angespro-
chen. Deswegen möchte ich meine Kernkritik noch ein-
mal kurz vortragen: In den Jahren 1998 bis 2001 gehen
– dies ist im Haushaltsplan ausgewiesen – die Investitio-
nen in Bildung und Forschung um 500 Millionen DM
zurück. Folgerichtig wird das Versprechen, die Investitio-
nen in Bildung und Forschung zu verdoppeln, in mehrfa-
cher Hinsicht gebrochen. Das sind die Tatsachen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Sie mich angesichts dieser berechtigten Kritik an

der Halbzeitbilanz der Forschungspolitik in die Nähe des
menschenverachtenden Systems der DDR rücken, dann
halte ich das für unangemessen. So etwas kann natürlich
in einer Debatte passieren. Ich halte es jedoch weiterhin
für notwendig, diese miese Politik kräftig zu kritisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411904900
Zur Erwi-
derung, Herr Kollege Hilsberg.




Stephan Hilsberg
11432


(C)



(D)



(A)



(B)



Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1411905000
Herr Kampeter, in den zehn
Jahren, in denen ich hier im Parlament bin – zur deutschen
Einheit habe ich vielleicht ein kleines Stück beitragen
können; ich habe sie immer begrüßt –, habe ich eines be-
merkt, nämlich dass die Methoden, mit denen man hier
Politik betreibt, keineswegs harmlos und schön sind und
dass sich nicht alle Politiker der Wahrheit verpflichtet
fühlen.


(Ulrike Flach [F.D.P.]: Was soll denn das heißen?)


Das hat nichts mit Parallelen zur DDR zu tun. Aber mit
Ihren Fähigkeiten – das möchte ich betonen –, Zahlen,
Daten und Fakten zu verleugnen und umzudrehen, hätten
Sie im Statistischen Amt der DDR reüssieren können.


(Beifall bei der SPD – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411905100
Weitere
Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung liegen nicht vor.

Wir kommen deshalb zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern, Einzelplan 06.

Das Wort hat als erster Redner Bundesminister Otto
Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1411905200
Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren Kollegen! Nach guter
parlamentarischer Tradition bietet die Etatdebatte die Ge-
legenheit, den Rückblick auf ein vergangenes Etatjahr mit
einem Ausblick zu verbinden. Leider haben wir für eine
solche Debatte immer nur ein sehr enges zeitliches Kor-
sett zur Verfügung. Das will ich an dieser Stelle einmal an-
merken. Ich erlaube mir die Anregung, einmal darüber
nachzudenken, ob wir dieses enge Korsett nicht erweitern
sollten,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


ob wir uns nicht mehr Zeit für die Etatdebatte nehmen
sollten, damit wirklich Argument und Gegenargument,
Rede und Gegenrede stattfinden können, damit es auch
möglich wird, die eigene Auffassung kritisch zu überprü-
fen. Denn die parlamentarische Debatte dient dem demo-
kratischen Dialog.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

Dann wird auch das Parlament in seiner Funktion als Le-
gitimationsinstrument für Politik wieder an Bedeutung
gewinnen.

Ich sage im Übrigen in aller Bescheidenheit: Die Zeit,
die mir zugewiesen ist, reicht nicht aus, um die umfang-
reiche Erfolgsbilanz des Bundesministeriums des Innern
vorzutragen.


(Beifall bei der SPD und der F.D.P. – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Man kann viel sagen in 13 Minuten!)


Ich muss mich also auf einige wenige Stichpunkte be-
schränken.

Ich stelle die Sportpolitik sehr bewusst an den Anfang.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie wissen, ich bin ein enthusiastischer Sportminister und
es macht mir sehr viel Spaß, auf diesem Gebiet tätig zu
sein. Ich denke, es ist eine der erfreulichsten Nachrichten
dieses Jahres, dass wir im Jahre 2006 als vereintes
Deutschland Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft
sein dürfen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Es eint uns, wenn wir Franz Beckenbauer und dem Deut-
schen Fußball-Bund dazu herzlich gratulieren. Ich möchte
das mit den besten Genesungswünschen an den Präsiden-
ten des Deutschen Fußball-Bunds, Egidius Braun, verbin-
den.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


In diesem Zusammenhang darf ich Folgendes er-
wähnen: Der Bundeskanzler hat mir im Kabinett Vorhal-
tungen über das schlechte Abschneiden der deutschen
Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft
gemacht. Ich habe in Demut meinen Kopf gesenkt.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Ausnahmsweise zu Recht!)


Aber es gibt auch eine erfreuliche Nachricht von der eu-
ropäischen Fußballmeisterschaft: Wir haben eine große
Leistung für die Sicherheit bei diesem großen Sportereig-
nis in Belgien und Holland erbracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.])


Ich glaube, darauf können wir sehr stolz sein. Wir ha-
ben dafür sehr viel Anerkennung bekommen. Ich möchte
deshalb an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten des
Bundesgrenzschutzes und den Beamtinnen und Beamten
der Länderpolizeien meinen sehr herzlichen Dank zum
Ausdruck bringen. Sie haben ihn verdient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Die Sportförderung lässt sich auch an Zahlen ablesen.
Ich denke, es ist eine Erwähnung wert, dass der Bun-
desminister des Innern in seinem Etat die Sportförderung
auf einem sehr hohen Niveau fortsetzt. Wir werden im
kommenden Haushaltsjahr 10 Millionen DM mehr für
die Sportförderung aufwenden, also sogar mehr als im
Olympiajahr 2000.

Ich will eine Zahl herausgreifen. Sie steht im Zusam-
menhang mit der Fußballweltmeisterschaft. Die Bun-
desregierung wird für die Sanierung und Modernisierung
des Olympiastadions in Berlin insgesamt – das ist eine ge-
waltige Summe – 383 Millionen DM zur Verfügung stel-
len und den Umbau des Zentralstadions in Leipzig mit
100 Millionen DM fördern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(C)



(D)



(A)



(B)


Ich glaube, das ist eine gute Nachricht für diejenigen, die
in unserem Land sportbegeistert sind.

Wir haben die Mittel auch in anderen Bereichen aufge-
stockt. Ich will nur einen erwähnen: Wir werden für die
Dopingforschung 900 000 DM zusätzlich zur Verfügung
stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir sollten den hohen Stel-

lenwert des Sports immer wieder betonen. Er hat eine In-
tegrationskraft in der Gesellschaft. Dies verbinde ich mit
einem Appell an die Länder, den Sportunterricht bitte
nicht zu vernachlässigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Der Sportunterricht ist gerade in einer Welt, in der Kinder
und Jugendliche stärker an technischen Geräten ausgebil-
det werden, von herausragender Bedeutung.

Wir werden auch ein spezielles Programm „Sport
gegen Gewalt“ auflegen. Auch in der Auseinanderset-
zung mit dem Rechtsextremismus spielt der Sport eine
große Rolle. Auch in diesem Zusammenhang ist Dank
angebracht, so für Einzelinitiativen von Polizei- und Bun-
desgrenzschutzbeamten, die sich in dieser Richtung be-
tätigen. Ich glaube, dies ist ein gutes Mittel, dem Rechts-
extremismus entgegenzuwirken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit bin ich beim Thema Rechtsextremismus. Ich
glaube, dass die Etatdebatte wegen des eigentlich benötig-
ten Zeitbedarfes nicht ausreicht, um dieses Thema einge-
hend und umfassend zu behandeln. Wir haben uns vorge-
nommen, dieses Thema genauer zu diskutieren, dazu wird
also noch Gelegenheit sein.

Ich möchte aber auf einige aktuelle Fragen eingehen.
Zunächst will ich deutlich sagen, dass ich die Kritik an
manchen Statistiken für berechtigt halte. Dies muss man
offen einräumen. Dazu ist eine Überprüfung veranlasst.
Ich werde dafür sorgen, dass diese Überprüfung auch kon-
sequent durchgeführt wird.

Dass das Engagement des Bundesministers des Innern
in diesem Fall außer Zweifel steht, sehen Sie daran, dass
manches von dem, was dazu jetzt an neuen Überlegungen
öffentlich geworden ist, aus Forschungsergebnissen von
Professor Pfeiffer stammt, den ich beauftragt habe, an
dem periodischen Sicherheitsbericht mitzuwirken.

Dass an dieser Stelle auch einige Schwierigkeiten auf-
treten, sollten wir ebenfalls nicht leugnen. Im Übrigen ist
das Bundesministerium des Innern natürlich auf das Ma-
terial angewiesen, das ihm von dezentraler Stelle zur Ver-
fügung gestellt wird. Wir wollen aber ein ungeschminktes
Bild. Niemand kann ein Interesse daran haben, Sachver-
halte zu beschönigen oder beiseite zu schieben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch wenn es manchmal weh tut und für die einzelne
Kommune schwierig ist, das Ganze darzustellen: Wir
brauchen ein ungeschminktes, nicht beschönigtes Bild
dieser Wirklichkeit.

Nun stellt sich die Frage: Was tun wir gegen Extremis-
mus, welche Mittel setzen wir ein? Hier gibt es nicht die
Alternative Repression oder Prävention.


(Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)

Dies ist eine falsche Alternative. Beides gehört zusam-
men. Wir müssen entschlossen repressive Mittel einset-
zen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe gestern das Verbot der Organisation „Blood &
Honour“ bekannt gegeben. Wir müssen gegen Organisa-
tionen, die dieses Gift bei Jugendlichen ausstreuen, mit
aller gebotenen Härte vorgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)


Aber wir sollten auch nicht verkennen, dass es in der
Gesellschaft eine positive Bewegung gibt. Es gibt erfreu-
licherweise viele Initiativen. Ich will nur zwei von vielen
erwähnen. Das erste Beispiel: Bei mir hat sich ganz spon-
tan ein Bürger aus München gemeldet und gesagt, ange-
sichts des schrecklichen Anschlages in Düsseldorf stelle
er den zwei Schwerstverletzten für die Dauer von zwei
Jahren eine Übergangshilfe zur Verfügung – eine wirklich
rühmenswerte, spontane Reaktion.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Das zweite Beispiel ist eine Anzeige von Bayern Mün-
chen und der Opel AG. Dies ist eine gelungene Anzeige,
um zu zeigen, wie wichtig Zuwanderung für unser Land
und gerade für den Sport in unseren Fußballstadien ist.


(Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden unserer Verantwortung als Bundesregie-
rung gerecht werden und unsere Anstrengungen in die-
sem Zusammenhang verstärken. Ich darf darauf hinwei-
sen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz im
Verfassungsschutzbericht die Gefahren des Rechtsextre-
mismus wahrlich nicht verharmlost hat. Der neue Präsi-
dent hat dies in seinen Worten sehr deutlich zum Aus-
druck gebracht.

Das Bundeskriminalamt wird im Herbst eine Tagung
veranstalten, die sich ausschließlich mit diesem Thema
beschäftigt. Viele andere Maßnahmen sind in die Wege
geleitet. Eine Maßnahme, die mir wichtig ist, will ich er-
wähnen, nämlich die Reform der Bundeszentrale für po-
litische Bildung. Die Arbeit in dieser Bundeszentrale
muss auch einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung des
Rechtsextremismus setzen. Deswegen haben wir einen er-




Bundesminister Otto Schily
11434


(C)



(D)



(A)



(B)


heblichen Teil der Mittel für die Bundeszentrale für diese
Arbeit zur Verfügung gestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Meine Damen und Herren, wir müssen aber wissen:
Es gibt kurzfristige Maßnahmen, es gibt Verbotsmaßnah-
men. Wir werden sehr sorgfältig prüfen, ob wir zu einem
Verbot der NPD gelangen können. Wenn es eine Chance
gibt, werden wir dieses Verbotsverfahren einleiten. Dann
ist es aber wichtig, dass sich alle drei Verfassungsinstitu-
tionen, –


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


– um diesem Antrag Nachdruck zu verleihen, an dem An-
trag beteiligen


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag und die
Bundesregierung.

Aber es gehört mehr dazu. Es gehört etwas dazu, was
Professor Heitmeyer einmal die „Kultur der Anerken-
nung“ genannt hat. Wir müssen nicht nur auf das achten,
was der Staat tut. Die Polizei kann die gesellschaftlichen
Probleme nicht lösen. Das kann sie nicht. Sie wird meis-
tens dann tätig, wenn bestimmte Dinge schon in die
falsche Richtung gelaufen sind.

Also müssen wir dafür sorgen, dass in der Gesellschaft
eine Atmosphäre entsteht, die nicht etwa erlaubt, dass ir-
gendwo in unserem Land so genannte befreite Zonen ent-
stehen, in denen der Staat mit dem Gewaltmonopol des
Staates zurückweicht. Das können wir nicht dulden.


(Beifall im ganzen Hause)

Der Frieden im Innern ist ein hohes Gut. Die innere Si-

cherheit ist ein hohes Gut. Wenn Sie die Zahlen für den
kommenden Etat lesen, werden Sie erkennen: Die Bun-
desregierung wird ihrer Verantwortung gerecht. Sie stärkt
die Sicherheitsinstitutionen Bundesgrenzschutz, Bundes-
amt für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bun-
desamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Zu ei-
ner modernen Sicherheitspolitik gehört auch, dass wir die
Fragen, die die neue Informationstechnik angehen, sehr
ernst nehmen.

Vor wenigen Tagen bin ich mit dem Leiter des FBI zu-
sammengekommen. Wir haben auch mit den Vereinigten
Staaten eine enge Zusammenarbeit verabredet, damit be-
stimmte Inhalte von Websites, antisemitische, rassisti-
sche, nazistische Inhalte, aus dem Internet verschwinden.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich kann wegen der Kürze der Zeit nicht auf alles ein-

gehen. Eine kurze Bemerkung sei aber der Frage gewid-
met, wie wir mit den berechtigten Ansprüchen der Be-
schäftigten im öffentlichen Dienst zurechtkommen, an
dem wirtschaftlichen Erfolg teilzuhaben. Sie wissen, wir
haben – wie ich finde – einen sehr ausgewogenen Tarif-

abschluss, auf eine längere Frist angelegt, zustande ge-
bracht. Ich glaube, das war ein großer Erfolg der Tarifpo-
litik, weil dieser Abschluss vor allen Dingen den Ländern
und den Kommunen die Möglichkeit verschafft, über ei-
nen längeren Zeitraum eine solide Finanzplanung zu ha-
ben. Das gilt auch für den Bund.

An dieser Stelle wird sicherlich die Frage gestellt wer-
den, wie wir es mit den Beamten halten. Wir werden eine
Lösung für die Beamten finden, die sich weitgehend an
diesen Tarifabschluss anlehnt. Allerdings müssen wir
auch sehen, dass wir eine Annäherung an die Regelung bei
den Renten finden. Ich muss natürlich auch Rücksicht auf
meinen Kollegen Eichel nehmen, auf die Sparerforder-
nisse, die von dieser Seite geltend gemacht werden, an
denen ich mich solidarisch beteilige.

Ich will zum Schluss Folgendes sagen – ich glaube,
wenn man über innere Sicherheit redet, darf man diesen
Gesichtspunkt nicht vernachlässigen –: Sie werden in den
letzten Monaten vielleicht festgestellt haben, dass ich
mich als Mitglied der Regierung bei einem bestimmten
Thema sehr bewusst zurückgehalten habe, weil ich der
Meinung bin, dieses Thema ist in erster Linie Angelegen-
heit des Parlaments, der ihm möglichen Institutionen und
der Aufklärung, die auf diese Weise zustande kommen
kann.

Ich will Ihnen aber in aller Offenheit sagen: Für mich
ist Kern der inneren Sicherheit in einer Demokratie die
Rechtsstaatlichkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wir müssen uns bewusst werden, dass wir die innere Si-
cherheit nur aufrechterhalten können, wenn die innere Le-
gitimität unseres Staatswesens außer Frage steht, wenn
Recht und Gesetz gilt.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Siehe Ronald Pofalla!)


Das muss man gerade in diesen Tagen besonders betonen.
Ich freue mich, dass die sächsische Staatsregierung diesen
Hinweis gerade jetzt auch gegeben hat. Sehr vernünftig!


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sagen Sie etwas zu Ronald Pofalla!)


– Das gilt für jede Richtung, Herr Bosbach. Wenn es da
Kritik zu üben gilt, werden Sie mich an Ihrer Seite finden.

Aber ich will Ihnen noch etwas sagen. Wir dürfen auch
da nicht das Normengefüge außer Acht lassen. Hier ist
manches in einen Nebel geraten. Ich will Ihnen etwas
vorlesen, damit Sie wissen, was ich meine, nämlich einen
Auszug aus einer Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts vom 24. Juli 1979:

Der Gefahr, dass anonyme Großspender durch ins
Gewicht fallende finanzielle Zuwendungen auf die
längerfristige Zielsetzung der begünstigten Partei
oder sie berührende innerparteiliche Entscheidungen
von Einzelfragen einzuwirken versuchen, um so in-
direkt mehr oder minder großen Einfluss auf die
staatliche Willensbildung zu gewinnen, begegnet das




Bundesminister Otto Schily

11435


(C)



(D)



(A)



(B)


Grundgesetz durch das in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG
an die Parteien gerichtete Gebot, über die Herkunft
ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben. ... Die-
sem Verfassungsgebot

– hören Sie bitte gut zu! –
kommt zentrale Bedeutung zu. Es zielt darauf ab, den
Prozess der politischen Willensbildung für den
Wähler durchschaubar zu machen und ihm offen zu
legen, welche Gruppen, Verbände oder Privatperso-
nen durch Geldzuwendungen auf die Parteien poli-
tisch einzuwirken suchen.

Es ist also nicht etwa eine Ordnungswidrigkeit oder ein
Gesetzesverstoß, sondern ein Verfassungsverstoß, wenn
darüber hinweggegangen wird.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)


Meine Damen und Herren, wie soll eine Rechtsord-
nung bestehen, wenn sich jemand anmaßt, sich über die-
ses Verfassungsgebot hinwegzusetzen?


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)


Wie sollen wir von dem kleinen Mann auf der Straße ver-
langen können, dass er sich an Gesetz und Recht hält,
wenn sich andere darüber erheben?

Ich habe keinen Namen erwähnt und werde dies auch
nicht tun.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist auch gar nicht notwendig, Herr Minister!)


Im Übrigen wird die Sache nicht besser, wenn es sich um
eine Persönlichkeit handelt, die große historische Ver-
dienste erworben hat, die ihm niemand abspricht. Im Ge-
genteil, dadurch wird es schlimmer; denn diese Persön-
lichkeit ist ja zu Recht Vorbild für viele junge Menschen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Gerade eine solche Persönlichkeit trägt besondere Verant-
wortung.

Ich sage ein Zweites: Es darf in unserem Lande nicht
sein, dass, wenn ein Strafverfahren bzw. ein Ermittlungs-
verfahren zur Debatte steht, bei dem es um einen Millio-
nenschaden geht, gesagt wird: Millionenschaden hin oder
her, wir stellen das Verfahren möglicherweise wegen Ge-
ringfügigkeit ein. – Ich habe genug forensische Erfah-
rung, um zu wissen, dass man kleine Handwerker, die in
ihrer Notlage die AOK-Beiträge nicht entrichtet haben,
erbarmungslos wegen Untreue verurteilt.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie des Abg. Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.])


Es kann nicht sein, dass es Privilegien gibt, wenn es um
so hohe Summen geht. Das ist für mich keine Geringfü-
gigkeit, es ist eine Aus- und Verdehnung der Vorschrift
in § 153 der Strafprozessordnung.

Wenn wir wirklich wollen, dass unsere Verfassungs-

ordnung so, wie wir sie gemeinsam festgelegt haben, Be-
stand hat – sie hat immerhin Erfolgsgeschichte geschrie-
ben –, dann muss eines gelten: Gleiches Recht für alle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Lassen Sie die dritte Gewalt doch erst einmal entscheiden!)


„Das Recht sie sollen lassen stahn“ – das ist die Grund-
lage und das Fundament unserer Demokratie, meine Da-
men und Herren.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der F.D.P. und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411905300
Als
nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Zeitlmann von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Wolfgang Zeitlmann (CSU):
Rede ID: ID1411905400
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nun in
13 Jahren Parlamentszugehörigkeit schon manche Etat-
rede eines Innenministers gehört, –


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber keine so gute! – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die beste!)


– aber selten eine –

(Lothar Mark [SPD]: Die so gut war!)


– ich sage einmal –, die so an den Kernthemen der Innen-
politik vorbeimarschiert ist, wie die, die Sie gerade ge-
halten haben.


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich! – Lothar Mark [SPD]: Soll er sie wiederholen?)


– Schreien Sie doch nicht gleich, bevor Sie mehr als zwei
Sätze gehört haben.

Mir fällt bei dieser Rede, Herr Minister Schily, doch ei-
nes auf, insbesondere beim letzten Abschnitt, in dem Sie
sich mit einer hoch brisanten Frage beschäftigen, –


(Lothar Mark [SPD]: Die Sie aber verniedlichen!)


– nämlich der Tatsache, über das Parlament Einfluss auf
gewichtige Einrichtungen wie zum Beispiel Staatsan-
waltschaften zu nehmen.


(Lachen bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich halte das für eine höchst schwierige Geschichte, die
dort abgelaufen ist. Es kann nicht sein, dass wir in einer
Republik der geteilten Gewalten gegenseitig dahin ge-
hend Druck machen, –


(Lothar Mark [SPD]: Sagen Sie das der CSU wegen Augsburg!)





Bundesminister Otto Schily
11436


(C)



(D)



(A)



(B)


– was richtig und falsch ist. Ich würde umgekehrt Äuße-
rungen von Gerichten, die Druck auf die Exekutive oder
Legislative ausüben wollen, genauso wenig für richtig
halten.

Ich habe zur Rechtsprechung und zu den Gerichten
volles Vertrauen, dass die dritte Gewalt mit Schwierigkei-
ten in unserem Lande fertig wird.


(Zuruf von der SPD: So nennt man das jetzt!)

– Entschuldigung, es wird doch noch zulässig sein, dass
man an die Prinzipien dieses Rechtsstaates, nämlich an
die Gewaltenteilung, erinnert und darauf hinweist, dass
man zumindest nicht als Bundesverfassungsminister
Druck ausüben sollte.

Wir sind hier zur Halbzeit einer Regierungskoalition,
um die Thematik Innenpolitik zu diskutieren. Der Bun-
desinnenminister hat vieles im Bereich des Sports und im
Bereich der allgemeinen Thematik behandelt, aber er ist
meines Erachtens auf die Kernproblematik seiner bisheri-
gen Tätigkeit in den letzten zwei Jahren wenig eingegan-
gen.


(Hedi Wegener [SPD]: Da haben Sie nicht zugehört!)


Es gibt, wenn man die zwei Jahre Revue passieren
lässt, nicht sehr viele Aktivposten. Sie haben als großes
Highlight in Ihrer Koalitionsvereinbarung eine Reform
des Staatsangehörigkeitsrechtes angekündigt, haben
entsprechend heftige Vorschläge gemacht und sind dann
natürlich kläglich gescheitert. Sie mussten hier einen
Kompromiss akzeptieren. Ich habe den Eindruck, dass
aus diesen Erfahrungen in vielen anderen Themenberei-
chen bei Ihnen der Schwung weg ist und man sich weit-
gehend bemüht, Brandherde und Kritik zu vermeiden,
und man daher möglichst wenig tut, um möglichst wenig
anzuecken.


(Sebastian Edathy [SPD]: Fragen Sie Frau Süssmuth! Die macht eine Menge!)


Im Bereich des Themas Zuwanderung ist außer der
Berufung einer Kommission im Kern nichts passiert. Wir
haben über viele Monate gehört, in dieser Wahlperiode
werde dieses Thema nicht angegangen. Viele Monate gab
es nur Beschwichtigung: Wir machen in dieser Legisla-
turperiode nichts. Dann irgendwann kam Druck von oben.
Der Bundeskanzler hat erklärt, natürlich könne und müsse
man darüber reden. Nun wird mit einer Kommission ver-
sucht – ich sage es einmal so –, eine Atempause einzule-
gen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Haben Sie etwas gegen Frau Süssmuth?)


– Dazu können Sie von mir gerne eine Äußerung bekom-
men. Als freier Abgeordneter habe ich kein Problem, auch
Kolleginnen infrage zu stellen.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Schily – der Kollege hat das angesprochen –, wenn
Sie die Dame –


(Lothar Mark [SPD]: „Dame“! Das ist eine Kollegin!)


– zur Vorsitzenden einer Kommission für Frauen- und Fa-
milienfragen ernannt hätten, hätte ich keine Einwände.
Aber hinter die Tatsache, sie in einem Beritt zur Vorsit-
zenden zu machen, in dem sie zeit Ihrer Parlamentszu-
gehörigkeit keine Fachkenntnis erworben hat, mache ich
dann doch ein Fragezeichen.


(Zurufe von der SPD und der PDS)

Aber noch eines zur Kommission. Es hätte auch Alter-

nativen gegeben.

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das darf wohl nicht wahr sein!)

Herr Minister Schily, wenn Sie im Bereich des Zuwande-
rungsrechts und des Asylrechts offene Fragen gehabt hät-
ten, hätten Sie doch Sachverständige einsetzen, ihnen
klare Prüfaufträge erteilen können – von mir aus fünf
Wissenschaftlern und fünf Praktikern, –


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Herrn Zeitlmann!)


– Sie haben in Ihrem Haus welche –, sie in Klausur
schicken und sagen können: Binnen vier Wochen möchte
ich zu folgenden Kernfragen Ergebnisse haben.


(Wolfgang Gehrke [PDS]: Jawohl, Herr General!)


Nichts dergleichen. Man hat viele Gutmenschen aus die-
ser Republik – Bischöfe und andere mehr – zusammen-
gerufen, –


(Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Der Gutmensch Henke!)


– und erwartet nun zu einer Kernthematik Ergebnisse.
Interessant, dass in Ihrem Haushalt zwölf neue Stellen

ausgewiesen sind, die nur der Kommission dienen sollen.
Warten wir es ab. Ich habe große Zweifel daran, dass man
unter Zuhilfenahme von solchen Kommissionen schneller
und besser zu Ergebnissen kommt. Ich hätte mir die Al-
ternative vorstellen können.


(Barbara Wittig [SPD]: Sie haben ja nichts gemacht!)


Herr Minister Schily, Sie haben sich dann zu einem
Thema geäußert, das uns natürlich alle interessieren muss
und interessiert, nämlich die Problematik Radikalismus.
Es ist überhaupt keine Frage, dass Sie in diesem Parla-
ment die volle Unterstützung haben, wenn Sie Radikalis-
mus bekämpfen.


(Zuruf von der PDS: Wo waren Sie diesen Sommer?)


Nur eins möchte ich auch sagen: Alle Aktionen der
letzten Monate erwecken den Eindruck, als gäbe es in die-
ser Republik nur noch Rechtsextremismus.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wollen Sie das verharmlosen?)


– Ich will gar nichts verharmlosen. Ich habe gerade er-
klärt: Wir unterstützen jeden Kampf gegen Extremismus.


(Lothar Mark [SPD]: Wo ist denn Linksextremismus?)





Wolfgang Zeitlmann

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(C)



(D)



(A)



(B)


Aber ich habe genauso klar erklärt – als zum Beispiel
diese Aktion zwischen Däubler-Gmelin und Schily lief,
die sich nur gegen Rechts gewandt hat –: Wir hätten uns
sofort mit jedem Aktionsbündnis einverstanden erklärt,
wenn es sich gegen jegliche Radikalität in diesem Land
gerichtet hätte, gegen Rechts und Links –


(Beifall bei der CDU/CSU)

– ich füge hinzu: auch gegen Ausländerextremismus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich habe überhaupt keinen

Grund, hier irgendetwas zu wiederholen, was ich gerade
gesagt habe, aber es wird möglich sein, dass man ein paar
Zahlen erwähnt:


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Das ist Verharmlosung!)


Es gibt in unsrem Lande nach dem Verfassungsschutzbe-
richt des Jahres 1999 34200 Linksextreme, 51 400 Rechts-
extreme und 60 000 Ausländerextremisten. Ich zitiere nur
den Verfassungsschutzbericht.


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich selbst vergessen!)


Und: Es gibt laut Verfassungsschutzbericht 1999
711 linksextreme und 746 rechtsextreme Gewalttaten –


(Sebastian Edathy [SPD]: Sie relativieren gerade! – Barbara Wittig [SPD]: Was soll denn das?)


– zu der Statistik sei gesagt: In dem Jahr 1999 gab es, was
linksextreme Gewalttaten anbelangt, keinen Castortrans-
port; warten Sie einmal ab, wie die Statistik aussieht,
wenn wieder Castortransporte stattfinden –


(Lothar Mark [SPD]: Das kann man doch nicht miteinander vergleichen!)


– und es gab 391 ausländerextreme Gewalttaten. Jetzt
sage ich Ihnen: Wenn Sie heute Programme vorstellen, die
gegen beide Richtungen und zudem gegen die der aus-
länderextremen Richtung vorgehen, haben Sie unsere Un-
terstützung.


(Sebastian Edathy [SPD]: Unglaublich! – Lothar Mark [SPD]: Hier werden Mord und Kaufhausdiebstahl miteinander verglichen!)


Ich sage noch einmal: Es wird doch in diesem Lande mög-
lich sein, dass man die Dinge zumindest zurechtrückt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Zumutung ist das, was Sie hier von sich geben!)


Es kann doch nicht sein, dass man auf einem Auge blind
ist und nur den einen Teil der Medaille sieht.

Ein Punkt ist mir in den letzten Wochen noch aufgefal-
len: Sie, Herr Minister, denken daran – ich glaube, in ei-
nem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ –, die
Aufgaben des BGS auszuweiten. Man kann ja mit uns
über alles reden. Wenn es Sinn macht, warum auch nicht?
Ich hätte nur ganz gerne, dass man solche Gesetzes-

ankündigungen nicht immer zuerst in öffentlichen Me-
dien liest und die Dinge dann im Innenausschuss abwie-
gelt.


(Hedi Wegener [SPD]: Im Sommer hat der Innenausschuss nicht getagt!)


Ich glaube, es gäbe Anlass, das gesamte Thema Be-
kämpfung des Radikalismus bis hin zur Änderung des
Versammlungsrechtes schleunigst einmal zu debattieren.
Ich gebe zu bedenken, dass Sie Vorschläge von unserer
Seite bisher eigentlich immer nur abgelehnt haben, ohne
eigene Vorschläge zu bringen – das geht in diesen zwei
Jahren eigentlich laufend so. Ich erinnere mich an Be-
reiche des Asylrechts und des Ausländerrechts. Auch hin-
sichtlich des Zuwanderungsrechts AZR haben wir bisher
von Ihnen keine eigenen Vorstellungen gehört, sondern
nur negative Äußerungen zu unseren Vorschlägen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Satz sagen
– Sie sind ja immerhin Beamtenminister –: Ich finde es
bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede keinen Satz darüb-
er verloren haben, dass Sie den deutschen Beamten in
diesem Jahr eine Nullrunde und damit ein Sonderopfer
zugemutet haben.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Insbesondere den kleinen Beamten!)


Dazu hätten Sie schon ein paar Sätze sagen müssen. Dies
spielt dann auch bei der Frage eine Rolle, wie Sie das
nächste Tarifergebnis übertragen werden. Es sollte in un-
serem Lande gerecht zugehen.

Meine Damen und Herren, ein bisschen mehr Demo-
kratie und ein bisschen mehr Hören auf das, was von der
Opposition kommt, könnten Ihnen nicht schaden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hans-Peter Kemper [SPD]: Dann müssen Sie etwas Gescheites erzählen, dann machen wir das!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411905500
Das Wort
hat jetzt der Kollege Cem Özdemir vom Bündnis 90/Die
Grünen.


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411905600
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ge-
legenheit der Haushaltsberatung nutzen, dem Innenmi-
nister und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines
Hauses für die hervorragende Zusammenarbeit zu dan-
ken. Ich nutze die Gelegenheit zugleich, dafür zu danken,
dass in den Zeiten knapper Kassen auch das Innenmini-
sterium seinen Beitrag dazu geleistet hat, mit den finan-
ziellen Ressourcen dieser Republik verantwortungsvoll
umzugehen. Dass es nicht immer einfach ist, wissen wir.
Dass man beim Sparen auch intelligent sparen kann, ohne
dass man „totspart“, belegt dieser Haushalt auf eine sehr
eindrückliche Art und Weise.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Wolfgang Zeitlmann
11438


(C)



(D)



(A)



(B)


Ein Beispiel dafür, wie man im Haushalt trotz knapper
Kassen Akzente und Schwerpunkte setzen kann, ist der
Haushalt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unter-
lagen. Ich bin froh darüber, dass auch zehn Jahre nach der
deutsch-deutschen Vereinigung ein klares Signal gesetzt
wurde und die Mittel, die der Bund dafür aufwendet, in
ähnlicher Höhe erhalten werden konnten. Für uns ist die
Arbeit des oder der Bundesbeauftragten für die Stasi-Un-
terlagen nicht beendet. Nach wie vor besteht eine große
Notwendigkeit für diese Arbeit; –


(Beifall des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

– das belegt die riesige Zahl von Anfragen, die täglich den
Bundesbeauftragten erreichen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch eines klar ma-
chen: Wir alle wären falsch beraten, wenn wir glaubten,
dieses Kapitel betreffe nur die neuen Länder. Wir haben
gerade aus der Arbeit des Bundesbeauftragten sehr ein-
drücklich erfahren, dass auch die Geschichte der alten
Bundesrepublik Deutschland mehr oder weniger von der
Stasi mit geschrieben wurde.


(Beifall des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Ich sage das auch als jemand, der aus der Friedensbe-

wegung kommt. Wenn ich mir rückblickend anschaue,
wer früher wo war, dann wird mir manchmal ganz angst
und bange. Insofern kann ich, wie ich glaube, im Namen
des ganzen Hauses sagen, dass wir dieser Behörde wei-
terhin viel Erfolg wünschen. Ich denke auch, dass sich alle
weiterhin dafür verwenden werden, dass dort jede Mark
gut angelegtes Geld ist.


(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU] und des Abg. Ulrich Heinrich [F.D.P.])


Lassen Sie mich zu einem weiteren sehr ernsten Thema
kommen, das der Innenminister angesprochen hat, näm-
lich zum Thema Rechtsradikalismus. Wir sollten alle
miteinander dafür sorgen, dass es sich hier nicht um ein
Sommerlochthema handelt. Vielmehr sollten wir uns da-
rum bemühen, dass dieses Thema ganz oben auf der
Agenda bleibt,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


und zwar auch dann, wenn die rechtsradikalen Anschläge,
die wahrscheinlich leider weitergehen werden, ganz hin-
ten in den Zeitungen veröffentlicht werden und wenn sich
Anschläge nicht nur gegen Nichtdeutsche richten, son-
dern zunehmend auch gegen Schwule und Lesben, gegen
Obdachlose, gegen Langhaarige, gegen Punks, gegen so
genannte Zecken, wie die Rechtsradikalen sagen. Auch
dann ist das Parlament in der Verantwortung und in der
Pflicht, sich mit diesem Thema in angemessener Form zu
beschäftigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich warne auch davor, zu Schnellschüssen zu tendie-
ren. Ich weiß, der Druck aus der Öffentlichkeit ist da.
Gleichwohl können wir jetzt nicht mit einer schnellen Lö-

sung kommen. Der Innenminister hat ein bisschen seine
Skepsis durchklingen lassen, was eine Fokussierung auf
das NPD-Verbot bewirken würde. Es ist sicherlich rich-
tig, ein NPD-Verbot in Erwägung zu ziehen. Gleichzeitig
ist es aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es ein
solches Verbot nicht isoliert geben kann. Ich warne all die-
jenigen, die sich davon erhoffen, dass es eine einfache Lö-
sung für die Bekämpfung des Rechtsextremismus gäbe.
Die Sympathisanten und Wähler der NPD und diejenigen,
die NPD-Sprüche auf den Lippen haben, werden wir da-
durch nicht wegbekommen. Wir werden einen längeren
Atem brauchen, um den Rechtsextremismus zu bekämp-
fen.

Wir brauchen einen Dreiklang aus Prävention, Repres-
sion und Stärkung der Zivilgesellschaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])


Ich danke all jenen, die sich tagein, tagaus für die Stär-
kung der Zivilgesellschaft einsetzen. Manchmal droht
der Zungenschlag aufzukommen, dass sich in den neuen
Ländern quasi nur noch Rechtsradikale bewegten. Dem
ist eindeutig nicht so. Es gibt viele Menschen in den neuen
Ländern, die sich in vorbildlicher Weise für Zusammen-
leben, Toleranz und gegenseitigen Respekt einsetzen. All
denen gebührt der Dank unseres Hauses.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Stellvertretend für alle nenne ich die Aktion Courage, die
Amadeo-Antonio-Stiftung, die regionalen Stellen für
Ausländerfragen und die Aktion Zuflucht, in denen sich
viele Menschen in ihrer Freizeit in vorbildlicher Weise für
die Zivilgesellschaft, die Bürgergesellschaft einsetzen.

Ich glaube, das Thema wäre nicht vollständig behan-
delt, wenn ich nicht auch noch ein paar Worte darüber ver-
lieren würde, dass es nicht angehen kann, dass Opfer
rechtsradikaler Gewalt und deren Angehörige von Ab-
schiebung betroffen sind, wie dies in Brandenburg ganz
offensichtlich der Fall zu sein scheint.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Dies darf nicht der Fall sein. Wir müssen alle miteinander
dafür sorgen, dass das, was Bundestagspräsident Thierse
zu Recht angesprochen hat, nicht eintritt. Das wäre eine
Blamage für das gesamte Land, eine Schande für unsere
Republik, wenn Opfer rechtsradikaler Gewalt abgescho-
ben werden. Dann hätten die Rechtsradikalen tatsächlich
ihr Ziel erreicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Ich bin froh, dass der Innenminister die Entschlossen-
heit dieser Bundesregierung klar gemacht hat, indem er
die Organisation „Blood & Honour“ schnell verboten hat.
Das ist eine richtige Maßnahme, die die Rechtsradikalen,
so glaube ich, verstehen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Cem Özdemir

11439


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich warne auch davor, dass wir auf den Rechtsextre-
mismus mit einem Abbau von Bürgerrechten reagieren.
Das wäre genau das falsche Signal. Eine Bekämpfung des
Rechtsextremismus muss mit rechtsstaatlichen Mitteln er-
folgen. Wir brauchen auch keine neue Bannmeile: die
Regelung, die wir haben – der geschützte Bereich um das
Parlament –, reicht völlig aus und hat sich bewährt.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Brandenburger Tor!)


Wenn Sie den Blick nach draußen werfen – manche haben
es auch gehört –: Die Junge Union aus Ihrem Bundesland,
Herr Zeitlmann, demonstriert heute, ich weiß nicht wofür
oder wogegen, vielleicht demonstriert sie für diese Bun-
desregierung. Jedenfalls sind wir dafür, dass solche De-
monstrationen auch in einer Sitzungswoche stattfinden
können, wenn sie von Organisationen sind, die Teil unse-
rer Demokratie sind, wozu ich die Junge Union ausdrück-
lich rechne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411905700
Herr Kol-
lege Özdemir, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Marschewski?


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411905800

Gerne.


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1411905900

Herr Kollege Özdemir, halten Sie es weiterhin für richtig,
dass Rechtsradikale unter dem Brandenburger Tor de-
monstrieren oder teilen Sie nicht vielmehr unsere Auffas-
sung, dass das eine Schande für unser Volk ist?


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411906000
Ich
glaube, jeder verurteilt diese Demonstrationen. Das Bild,
das im Ausland auf Deutschland fällt, ist skandalös. Was
mich aber mehr ärgert, ist das Bild, das wir in dieser Re-
publik von uns selber haben. Wir müssen uns überlegen,
wie wir dazu beitragen können, dass solche Demonstra-
tionen nicht mehr stattfinden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jede dieser Demonstrationen hat bisher Gegendemons-
trationen ausgelöst. Das heißt: Es haben sich viel mehr
Menschen gefunden, die gegen die NPD demonstriert ha-
ben, als die NPD selbst aufgeboten hat. Auch das ist ein
Zeichen dafür, dass die Heilinstrumente unserer Gesell-
schaft funktionieren, dass die Wahrnehmung in unserer
Gesellschaft vorhanden ist. Ich will aber nicht verhehlen,
dass es auch bei uns Überlegungen gibt – ich weiß, dass
es diese auch im Innenministerium und anderen Fraktio-
nen gibt –,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Bundeskanzler!)


– durch das Strafgesetzbuch, zum Beispiel durch den § 86,
unter den die Verwendung nationalsozialistischer Sym-
bole fällt, auch die Verwendung naziähnlicher Symbole
unter Strafe zu stellen. Sie kennen in diesem Zusammen-
hang das Beispiel „88“ für „Heil Hitler“ und andere

Dinge. Auch solche Dinge würden dann unter Strafe ge-
stellt, damit die Polizei flexibler damit umgehen kann.

Was ich aber nicht möchte, Herr Marschewski: Ich
möchte nicht, dass Demonstranten, die für das Holocaust-
Mahnmal demonstrieren wollen, nicht mehr demonstrie-
ren können, weil wir einen geschützten Bereich geschaf-
fen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das hat keiner vor!)


Ich möchte, dass demokratische Organisationen auch am
Brandenburger Tor demonstrieren können. Das müssen
wir gewährleisten. Wenn Sie dafür eine Lösung haben,
wie wir das hinkriegen, können wir uns gerne darüber un-
terhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte zum Abschluss dieses Themas noch auf ei-
nes hinweisen: Statt einer immer währenden Diskussion
über neue Gesetzesverschärfungen, beispielsweise über
die verstärkte Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes
anstelle des Jugendstrafrechtes – übrigens: das Jugend-
strafrecht bietet ausreichend Gelegenheit, um angemes-
sen zu reagieren, deshalb braucht es hier keine Änderun-
gen –, brauchen wir Richter, die schnell und entschlossen
agieren.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich sagen:
Das Vorgehen in Dessau, bei dem die Täter zwei Monate
nach der Tat verurteilt worden sind, ist genau der Weg,
den wir brauchen. Was wir nicht brauchen, ist das, was
gegenwärtig in Guben passiert. Dort schleppt sich das
Verfahren seit über einem Jahr dahin. Auf diese Weise be-
kommen die Rechtsradikalen das Signal, nachträglich vor
Gericht noch eine Tribüne zu haben und so noch andere
auf ihre Schandtaten aufmerksam machen zu können. Das
ist der falsche Weg.


(Beifall der Abg. Ingrid Holzhüter [SPD])

Also: Der Rechtsstaat bietet genug Möglichkeiten, wir

brauchen keine Verschärfungen beim Demonstrations-
recht und beim Versammlungsrecht. Was wir brauchen
ist eine konsequente Anwendung der bestehenden Ge-
setze. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Lassen Sie mich noch ein paar wenige Worte zum Ver-
fassungsschutz sagen. Sie wissen, dass ich aus einer
Fraktion komme, die traditionell eine sehr skeptische bis
kritische Haltung zum Verfassungsschutz hat.


(Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Sehr vorsichtig formuliert!)


– „Sehr vorsichtig formuliert“, Herr Kollege Westerwelle.
Das hat sich auch nicht geändert. Ich möchte trotzdem die
Gelegenheit nutzen, Herrn Fromm, der zum Präsidenten
des Bundesamtes für Verfassungsschutz ernannt wurde,
zu gratulieren. Ich bin froh darüber, dass er gleich zu Be-
ginn seiner Amtszeit eine Akzentverschiebung hinsicht-




Cem Özdemir
11440


(C)



(D)



(A)



(B)


lich der Bekämpfung des Rechtsextremismus angekün-
digt hat. Das ist der richtige Weg. Umso weniger verstehe
ich es daher, dass beispielsweise die Jungdemokraten
– das müsste Ihnen von der F.D.P. eigentlich ein Anliegen
sein; da war doch einmal was –


(Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Die sind PDS! Die haben wir rausgeworfen!)


– nach wie vor beobachtet werden. Das ist nicht notwen-
dig. Wir brauchen den Verfassungsschutz nicht, um die
Jungdemokraten zu beobachten.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wir brauchen den Verfassungsschutz auch nicht, um die
DKP zu beobachten. Das ist nur Beschäftigungstherapie.
Es wäre besser, wenn wir die dort eingesetzten Ressour-
cen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus verwen-
den würden.

Wir können künftig keine innenpolitischen Debatten
mehr führen, ohne nicht auch ein paar Sätze über das
Internet zu verlieren. Alles, was es in der Gesellschaft
gibt, gibt es auch im Internet. Das Internet ist ein Spie-
gelbild der Gesellschaft. Es ist also nicht schlimmer als
die Gesellschaft. Darum ist es falsch, wenn wir jetzt so
tun, als ob im Internet schlimmere Dinge passieren als in
der Gesellschaft. Ein großes Lob an die Hosts, die sich
jetzt – vielleicht zu spät – bereit erklärt haben, all diejeni-
gen, die rechtsradikale Domains haben, herauszuwerfen.

Ich warne aber davor, wie in China einen Zentralrech-
ner dazwischenzuschalten und damit den Datenfluss im
Internet zu verlangsamen. Ich möchte keinen zentralen
Rechner in der Bundesrepublik Deutschland haben, mit
dem eingehende E-Mails kontrolliert werden. Das würde
sich nicht mit dem vertragen, wofür das Internet steht. Wir
müssen aufpassen, dass wir bei der Bekämpfung von ex-
tremistischen Tendenzen nicht mit Mitteln agieren, die
sich nicht mit der Demokratie vertragen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich zum Ende meiner Redezeit auf ein
Thema kommen, das uns hoffentlich auch noch im zwei-
ten Teil der Legislaturperiode beschäftigen wird. Die Dis-
kussion über den Volksentscheid ist erneut angestoßen
worden. Eine jüngste Umfrage hat ergeben, dass 75 Pro-
zent –


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Gegen die Ökosteuer sind!)


– unserer Bevölkerung sich ausdrücklich für die direkte
Demokratie aussprechen. Herr Bosbach, wenn Ihnen die-
ses Thema so wichtig ist, warum fürchten Sie sich dann
vor der Bevölkerung? Wenn Ihnen dieses Thema wichtig
ist, dann lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir
Elemente einer direkten Demokratie einführen können.
Das Angebot ist ehrlich gemeint. Wir sind auch bereit, die
Diskussion über Hürden, Quoren und die Ausgestaltung
eines mehrstufigen Verfahrens der direkten Demokratie
zu führen. Sie haben Ihre Themen; wir haben unsere The-
men. Wir fürchten uns nicht vor der Bevölkerung.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nicht vor der Bevölkerung! Nur vor deren Meinung!)


Wir fürchten uns auch nicht vor Mehrheitsentscheidun-
gen. Leider hat Ihre Fraktion an der Reise des Innenaus-
schusses in die Schweiz nicht teilgenommen. Sie hätten
dort sehr viele eindrückliche Erfahrungen machen kön-
nen. Überall dort, wo es direkte Demokratie gibt – ob nun
in der Schweiz oder im wunderschönen Bayern; Sie müss-
ten es eigentlich wissen, Herr Zeitlmann –, hat sich die di-
rekte Demokratie bewährt. Ich verstehe nicht, warum das,
was in Bayern gut funktioniert und von den Grünen bis
hin zur CSU angenommen wird, im Bund schlecht funk-
tionieren soll. Das müssen Sie, bitte schön, der Bevölke-
rung erklären.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Die Mehrheit Ihrer Wählerinnen und Wähler möchte die
direkte Demokratie. Hören Sie auf Ihre Wählerinnen und
Wähler! Vielleicht nützt es Ihnen etwas.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt ein-
gehen, der im Zusammenhang mit dem Thema der direk-
ten Demokratie steht. Wir brauchen auch ein Gesetz zum
Schutz der Informationsfreiheit. Deshalb bin ich froh,
dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr – meine
Fraktion setzt sich ja seit langem dafür ein – ein Gesetz
zum Schutz der Informationsfreiheit angekündigt hat. Die
Amerikaner haben ein solches Gesetz seit Ende der 60er-
Jahre. Ein solches Gesetz wäre ein wichtiges Signal für
die Abkehr vom Obrigkeitsstaat.

Danke sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411906100
Das Wort
hat jetzt der Kollege Guido Westerwelle von der F.D.P.-
Fraktion.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1411906200
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Innenmi-
nister, Sie haben hier eine ausgeglichene Bilanz vorge-
legt.


(Beifall des Abg. Dr. Eberhard Brecht [SPD])

Das ist für einen Oppositionspolitiker eine wichtige

Bemerkung in einer Haushaltsberatung. Ich möchte aus-
drücklich festhalten, dass das, was im Zusammenhang mit
vielen anderen Etats zu Recht an der Regierung kritisiert
wird, nämlich dass über die Köpfe des Parlaments und der
Abgeordneten hinweg entschieden wird, im Bereich der
Innenpolitik nicht der Fall ist. Die Zusammenarbeit ist
konstruktiv und sachlich. Ihre Politik, Herr Minister, ist
überwiegend pragmatisch, meistens rational und manch-
mal sogar liberal.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Die Jungs wären ein guter Koalitionspartner! Nehmen Sie an, Herr Schily! Nehmen Sie sie in den Arm und küssen Sie sie!)





Cem Özdemir

11441


(C)



(D)



(A)



(B)


Deswegen möchte ich ausdrücklich anerkennen, dass Sie
die Zusammenarbeit gut pflegen. Darüber freuen wir uns
sehr.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Cem Özdemir, Sie müssen nicht gleich feuchte Finger
bekommen. Bleiben Sie ruhig.

Wenn etwas konstruktiv läuft, dann muss man es auch
ausdrücklich anerkennen. Wir haben mit der Regelung der
Staatsangehörigkeit eine der wichtigsten gesellschafts-
politischen Herausforderungen gemeinsam bewältigt.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verschlimmbessert!)


Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis. Das wird auch
von der Fraktion der Freien Demokraten ausdrücklich an-
erkannt.

Wir hoffen und setzen darauf, dass die Zusammenar-
beit bei der wichtigen Frage der Migration, bei der wich-
tigen Frage der Zuwanderungspolitik fortgesetzt wird.
Auch hier werden wir an einem überparteilichen Konsens
arbeiten. Nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege
Zeitlmann – bei allem Respekt gegenüber Frau Kollegin
Süssmuth –, ist man versucht, ihr politisches Asyl anzu-
bieten.


(Beifall bei der F.D.P. und der PDS – Zuruf von der CDU/CSU: Tut es doch! – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Ihr dürft sie haben!)


– Da die Abgeordneten der CDU/CSU gerade rufen: Ihr
dürft sie haben, –


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!)


– betone ich ausdrücklich: Wir nehmen sie gerne, wenn
sie denn möchte.


(Beifall bei der F.D.P.)

Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass Ihr Bild bemer-

kenswert ist. Wenn Frau Süssmuth eine Kommission für
Familie und Frauen geleitet hätte, wäre das in Ordnung
gewesen.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Weil sie davon etwas versteht!)


Trennen Sie sich doch endlich von dem Frauenbild der
drei Ks: Kinder, Küche, Kirche.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Das ist heute nicht mehr so. Das passt auch nicht mehr.
Meine Damen und Herren, wir müssen – das ist der

Ausblick auf die nächste Zeit – in der Migrationspolitik
eine Lösung finden. Das ist ein herausragendes Anliegen.
Wir müssen es schaffen, und zwar noch in dieser
Legislaturperiode, dafür zu sorgen, dass wir ein Zuwan-
derungssteuerungsgesetz bekommen. Auch hier liegt ein
Gesetzentwurf der Freien Demokraten vor, der auf den
Entwurf der rheinland-pfälzischen Landesregierung

zurückgeht. Ich kann an Sie nur appellieren, diesen Ent-
wurf zur Grundlage zu machen, weil ich ihn in diesem
Hause und in der Gesellschaft für konsensfähig halte.
Man sollte die Kommission, die Sie, Herr Minister, zu
Recht eingesetzt haben, nicht nutzen, um das Thema auf
die lange Bank zu schieben.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wir werden darauf achten, dass das nicht das Vehikel für
die Vertagung in die nächste Legislaturperiode wird.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Wir wollen in dieser Legislaturperiode eine bessere Kon-
trolle und Steuerung der Zuwanderung, die sich auch an
den wohlverstandenen nationalen Interessen unseres Lan-
des ausrichtet.


(Beifall bei der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, das Thema Extremismus

ist angesprochen worden. Das ist eines der wichtigsten
Themen, das im Rahmen einer solchen Debatte zu be-
sprechen ist. Das ist auch notwendig. In einem Punkt
muss ich Ihnen widersprechen, Herr Minister. Ich glaube,
dass Sie das falsch einschätzen. Sie haben in Ihrer Rede
gesagt: Wenn es eine Chance für ein Verbotsverfahren
der NPD gibt, dann werden wir diese Chance ergreifen.
Das ist der falsche Ansatz. Erst wenn Sie die Sicherheit
haben, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD ver-
bieten wird, dürfen Sie diesen Verbotsantrag stellen, Herr
Minister.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn ein Vabanquespiel vor dem Bundesverfassungsge-
richt ist leichtsinnig. Man stelle sich vor, die Verfas-
sungsorgane beantragten das Verbot der NPD und das
Verfassungsgericht würde diesem Verbotsantrag nicht fol-
gen. Das wäre der Stempel der Verfassungsmäßigkeit
der NPD, geradezu ein Zulaufprogramm für die NPD.
Korrigieren Sie diesbezüglich Ihre Haltung, Herr Innen-
minister. Hier liegen Sie eindeutig falsch.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Erst wenn Sie die Sicherheit haben, dürfen Sie einen sol-
chen Antrag stellen.

Meine Damen und Herren, ich glaube auch, dass Ihr
Ansatz, den Sie vorgetragen haben, den Sie vorgestern
exekutiert haben, richtig ist, wonach Sie sich auf das Ver-
einsverbotsverfahren konzentrieren. Wir begrüßen Ihre
Entscheidung ausdrücklich, dass Sie die Organisation
„Blood & Honour“ und die angegliederten Nebenorgani-
sationen verfolgen beziehungsweise verbieten. Das ist der
richtige Weg.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

Der Vorzug ist aber auch, dass Sie bei einem Vereins-

verbotsverfahren nicht das hohe verfassungsrechtliche
Risiko eingehen, das durch Art. 21 bei den Parteien vor-
handen ist. Das ist der klügere Weg. Wir sind jedenfalls
der Auffassung, dass Sie diesen Weg gehen sollten.




Dr. Guido Westerwelle
11442


(C)



(D)



(A)



(B)


Es ist in diesem Hause völlig unstreitig, dass politi-
scher Extremismus, gleich von welcher Couleur, verfolgt
werden muss. Das ist einerseits eine Frage der Prävention.
Das ist andererseits eine Frage der besseren Bildung, übri-
gens auch einer werthaltigen Bildung. Dies ist in diesem
Zusammenhang ein ganz wichtiges Thema. Das ist aber
auch eindeutig eine Frage der Repression. Ich teile Ihre
Einschätzung: Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes der
starke Staat, der starke Rechtsstaat gefordert. Wenn je-
mand Brandbomben auf Minderheiten wirft, ist das kein
Grund für irgendwelche psychotherapeutischen Erklä-
rungsversuche. Vielmehr muss das zu einem klaren, effi-
zienten Strafverfahren vor Gericht führen, meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da Sie hier zu Recht die Vorbildfunktion des öffentli-
chen Lebens angesprochen haben, möchte ich Ihnen aus-
drücklich sagen: Da haben Sie sich meiner Meinung nach,
als Sie sich von Ihrem Manuskript gelöst haben, deutlich
vergaloppiert. Es ist vielleicht am Privatmann Otto Schily,
aber nicht am deutschen Innenminister im Deutschen
Bundestag, der Bonner Staatsanwaltschaft direkt oder
auch durch die Blume Empfehlungen zu geben, wann sie
ein Verfahren nach § 153a StPO einzustellen hat oder
nicht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Sehr wahr! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da war keine Blume mehr!)


Das ist hier nicht die Kanzel für solche Empfehlungen.
Das darf kein Abgeordneter und erst recht kein Minister
in diesem Hause. So etwas bleibt nicht ohne Auswirkun-
gen. Sie sollten das korrigieren. Ich kann mir nicht vor-
stellen, dass Sie es so meinen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Nur so hat er es gemeint!)


Aber es muss bei den Ermittlern so ankommen. Es ist
nicht an Ihnen, hier etwas Derartiges zu sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Last not least möchte ich noch einen weiteren Punkt

ausdrücklich ansprechen, der von Herrn Kollegen
Zeitlmann, wie ich finde, völlig zu Recht erwähnt wurde:
In diesem Bereich der Beamtenpolitik besteht zwischen
uns ein ganz klarer Dissens. Da das hier eine konstruktive
innenpolitische Debatte sein soll – so verstehen wir un-
sere Oppositionsarbeit –, will ich ganz klar sagen: Es ist
ein Fehler, die Entwicklung der Gehälter der Beamten
von den Vereinbarungen im öffentlichen Dienst abzukop-
peln. Dieses Vorhaben ist mit dem Wort Sonderopfer in
der Tat richtig und präzise beschrieben. Es geht in die
falsche Richtung. Sie sollten umkehren!


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Wir möchten, dass in der Logik der bisherigen Politik der
Innenministerien weitergehandelt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Nicht nur Staatssekretäre!)


Das liegt auch im Interesse der Beamtinnen und Beamten,
deren Dienstherr Sie sind. Sie sollten sich vor Ihre Beam-
ten stellen und nicht die verlängerte Hand von Herrn
Eichel sein.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411906300
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke von der
PDS-Fraktion das Wort.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1411906400
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Schily, auch ich meine, dass Ihre Bilanz, die
Sie heute im Rahmen der Haushaltsdebatte zu ziehen ver-
sucht haben, eher matt und schwach war. Wenn Sie heute
zugestehen, dass Sie die Statistiken über die Zahl der
Straftaten überprüfen lassen wollen, dann nehme ich das
erst einmal positiv zur Kenntnis. Aber ich möchte Sie ein-
fach darauf aufmerksam machen, dass meine Fraktion seit
zehn Jahren versucht, parlamentarische Kontrolle aus-
zuüben, wenn es um Aktivitäten von Rechtsextremisten,
wenn es um Straftaten und vor allen Dingen wenn es um
die Opfer geht.

Ich meine, dass Ihr Ministerium den Rechtsextremis-
mus systematisch verharmlost hat, nicht nur in der Zeit,
in der Sie regieren, sondern auch in den Jahren davor.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!)

Ich könnte das an zig Beispielen belegen. Leider wird die-
ser Trend unter Ihrer Regierung ungebrochen fortgesetzt.
Das kann man zum Beispiel anhand der Zahlen der Opfer
und auch anhand der Antworten auf viele Anfragen be-
weisen, die zeigen, dass Sie einfach nicht wahrhaben wol-
len, dass Rechtsextremismus in vielen Institutionen und
Organisationen verbreitet ist und dass Sie bisher nichts
dagegen getan haben.


(Beifall bei der PDS)

Ich habe heute auch ein Wort von Ihnen an die Opfer

vermisst. Ich habe vermisst, dass Sie sich bei den Opfern
entschuldigen –


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Was?)

– und dass Sie hier tatsächlich haushaltsrelevante Maß-
nahmen vorstellen, die endlich einen Opferschutz darstel-
len und vor allen Dingen die Opfer entschädigen, die zur-
zeit beispielsweise mit Nebenklagen und Ähnlichem viele
Gelder aufbringen müssen und keine Unterstützung fin-
den.


(Beifall bei der PDS)

Herr Innenminister, ich meine, dass man die Wahl sei-

ner Worte wirklich prüfen muss. Um ein Beispiel zu ge-
ben: Sie haben im Sommer im „Spiegel“ auf die Frage,
warum so viel gegen die RAF getan wurde, aber nichts
gegen den Rechtsextremismus, gesagt:

Wir reagieren nicht matt ... Heute handelt es sich um
eine sehr diffuse Szene – Einzeltäter, Exzess-Taten
sind darunter, häufig spielt der Alkohol eine Rolle.




Dr. Guido Westerwelle

11443


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich meine, dass auch das eine Verharmlosung ist. Wenn
Sie nur einmal den Bericht Ihres eigenen Verfassungs-
schutzes läsen, dann vernähmen Sie von dort ganz andere
Töne, was die Strukturen und die Organisiertheit von
Rechtsextremisten angeht. Wenn Sie sich anschauen, was
gestern im „Tagesspiegel“ und in der „Frankfurter Rund-
schau“ an Todesfällen dokumentiert wurde, dann werden
Sie sehr genau feststellen können, dass Rechtsextremisten
aus Organisationen der Skinheads immer und teilweise
sogar aus der NPD dabei waren. Dagegen, meine ich, gilt
es anzugehen. Nicht mit Verboten von Kleinstgruppen,
wie es gestern geschehen ist, ist es getan, auch wenn das
ein richtiger Schritt in die richtige Richtung war. Wir
brauchen eine breite gesellschaftliche Gegenwehr gegen-
über dem Rechtsextremismus. Wir brauchen eine Äch-
tung von Fremdenfeindlichkeit und rechter Gewalt in der
gesamten Gesellschaft.


(Beifall bei der PDS)

Nun zum Haushalt: Während des Sommerlochs hat die

Bundesregierung den Eindruck zu erwecken versucht, sie
würde 400 Millionen DM im Kampf gegen Rechtsextre-
mismus und Fremdenfeindlichkeit ausgeben. Die Presse
hat sich diese Zahlen genauer vorgenommen – „Spiegel“,
„Tagesspiegel“ und „Berliner Zeitung“ – und hat davon
gesprochen, dass diese Zahlen irreführend sind und nicht
den Tatsachen entsprechen. In der Antwort auf eine
Kleine Anfrage, die gerade auf meinem Schreibtisch ge-
landet ist, lese ich jetzt, dass Sie sogar 635 Millionen DM
für den Kampf gegen den Rechtsextremismus ausgeben
wollen.

Wer sich diese Antwort genauer anschaut, wird fest-
stellen, dass auch hier wieder etwas vorgetäuscht wird.
Sie führen nämlich in Ihrer Übersicht die politische Bil-
dung von Zivildienstleistenden, den Deutschen Entwick-
lungsdienst, die Kosten für die Eingliederung von Aus-
siedlern, sogar Mittel für Städtebau und Geld für neue
Unternehmen als Beispiele für den Kampf gegen den
Rechtsextremismus auf. Ich habe mich, ehrlich gesagt,
gefragt, warum Sie nicht gleich den Etat der Bundeswehr,
die Mittel für den Kosovo-Krieg und den Etat des Bun-
desgrenzschutzes auch noch mit aufgenommen haben. Ir-
gendwo scheint es mir doch wirklich übertrieben zu sein,
was hier formuliert worden ist.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Meine Fraktion hat seit Jahren bei allen Haushaltbera-

tungen immer wieder Anträge gestellt, mehr Mittel für
Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus und Anti-
semitismus zur Verfügung zu stellen. In den vergangenen
Jahren hat das Innenministerium gerade einmal 2 Milli-
onen DM dafür zur Verfügung gestellt; in diesem Jahr sol-
len es ganze 2,5 Millionen DM sein. Außerdem sind – der
Minister hat es erwähnt – 1,8 Millionen DM für die Bun-
deszentrale für politische Bildung vorgesehen. Ob man
angesichts dieser Zahlen von einer Reform sprechen
kann, möchte ich infrage stellen. Eines ist aber völlig klar:
Diese Mittel reichen nicht aus, um wirkliche Auf-
klärungsarbeit im Bereich Rechtsextremismus, Antisemi-
tismus und vor allen Dingen im antirassistischen Bereich
zu leisten.


(Beifall bei der PDS)


Deswegen werden wir auch im Rahmen der Beratungen
dieses Haushalts erneut unsere Anträge zur Ausweitung
der Aufklärungsarbeit einbringen.

Ich komme zu einem weiteren Punkt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411906500
Frau Kol-
legin, Sie sollten allmählich zum Schluss kommen.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1411906600
Ja, ich werde mich jetzt kurz fas-
sen.

Wer Rechtsextremismus wirklich bekämpfen will,
muss die Ursachen bekämpfen. Dazu gehört auch, dass
sämtliche Gesetze, die Ausländer diskriminieren bzw.
schlechter als Deutsche stellen, endlich geändert werden.
In den vergangenen Jahren war auch dies ein Boden, auf
dem Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wachsen
konnten.

Ansonsten wünsche ich mir natürlich, dass die Bun-
desregierung nicht nur Feierstunden mit einem Bündnis
für mehr Toleranz initiiert, sondern tatsächlich ein breites
gesellschaftliches Bündnis initiiert, das Aktionsbereit-
schaft zeigt sowie Aufklärung bietet, und die Mittel tat-
sächlich für die Opfer und den Opferschutz eingesetzt
werden.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411906700
Als
nächster Redner hat jetzt der Kollege Ludwig Stiegler von
der SPD-Fraktion das Wort.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Muss das sein?)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1411906800
Du brauchst nicht schon wie-
der Angst zu haben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurden
hier Zeugnisnoten ausgegeben. Für meine Fraktion kann
ich sagen: Innen und Sport gut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Man muss sich einmal anschauen, von welchen Vo-

raussetzungen wir ausgehen mussten. 1 500 Milliar-
den DM Schulden haben Sie hinterlassen, 82 Milliar-
den DM an Zinsen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Endlich mal was Neues!)


156 000 DM zahlen wir pro Minute für Ihre Schulden. Da
trauen Sie sich noch, das Maul aufzureißen! Das ist doch
unerhört!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vielmehr müssten Sie dem Innenminister Gold, Weih-
rauch und Myrrhe dafür geben, dass er mit dieser




Ulla Jelpke
11444


(C)



(D)



(A)



(B)


Erbschaft, die er eigentlich hätte ausschlagen müssen,
fertig geworden ist. So sieht doch die Situation aus.


(Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Aber Sie können von der F.D.P. wirklich keinen Weihrauch erwarten! – Gegenruf von der CDU/CSU: Es gibt keinen mehr! Sie haben so viel versprüht!)


– Das ist okay, aber die Schwarzen haben Weihrauch ge-
nug.


(Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das müssen wir einmal festhalten!)


Vor diesem Hintergrund ist das Innenministerium mit
den Aufgaben hervorragend fertig geworden. Es sind
gewaltige Einsparungen vorgenommen worden, ohne
dass zentrale Belange vernachlässigt worden sind.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zu den Beamten!)


Das verdient Anerkennung und deshalb sollten wir dem
Innenministerium, seinen Mitarbeitern und seiner ver-
sammelten Führungsmannschaft wirklich herzlich dan-
ken, dass sie mit Ihrer Hinterlassenschaft so gut fertig ge-
worden sind und dass sie gute Akzente gesetzt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben die Strukturreformen eingeleitet. Auch das,
was Jochen Welt bei der Aussiedlerintegration an neuen
Leistungen geschaffen hat, ist vorbildlich. Darüber freuen
wir uns und dafür bedanken wir uns.


(Beifall bei der SPD)

Es bleibt die Aufgabe, den Rechtsextremismus zu

bekämpfen. Auch das ist ein Erbe. Ich habe am Wochen-
ende einmal in alten Jahrgängen der „Politischen Viertel-
jahresschrift“ nachgelesen und festgestellt, dass dieses
Thema seit Jahrzehnten immer wieder angesprochen
wird. Es gab richtige Wellen des Rechtsextremismus und
jedes Mal ist das Thema wieder eingeschlafen. Das
Haus war vor der Sommerpause noch nicht sonderlich
interessiert, den von der Koalition vorbereiteten Antrag
– wir haben ein Jahr daran gearbeitet – zu beraten.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Beschweren Sie sich über Ihre eigene Mehrheit oder was?)


In der Sommerpause ist die Gesellschaft aufgewacht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben unseren Antrag vor der öffentlichen Diskus-
sion eingebracht, Sie haben jetzt irgendetwas nachgelegt.
Das ist der Unterschied zwischen unseren Fraktionen.

Es ist eine Bewusstseinsschärfung erfolgt. Wir brau-
chen die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern
und die Erhöhung der Mittel; es muss einen Kampf um die
Köpfe geben. Dazu gehört, dass die Bundeszentrale diese
Aufgaben übernimmt. Ich rate der Bundeszentrale, die
neuen Mittel zum Beispiel dafür zu verwenden, mit den
Justizvollzugsangestellten über die Resozialisierung der
verurteilten Jugendlichen zu sprechen. Da schaut es in
manchen Bereichen düster aus. Wir müssen sehen, was
mit diesen Leuten in der Zukunft geschieht.

Ich danke dem Innenminister auch für die BGS-
Hotline, die wesentlich dazu beiträgt, dass es in diesem
Land keinen öffentlichen Raum gibt, den Minderheiten,
Ausländer oder wer auch immer nicht ohne Angst und
Furcht betreten können. Das ist unser Auftrag.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Haushalt 2001 setzt Prioritäten bei der inneren Si-
cherheit. Ich denke etwa daran, wie Sie früher mit Beför-
derungsproblemen im BGS umgegangen sind. Damals
haben sich die Kinder von Grenzschutzbeamten, etwa bei
uns an der Grenze, gefragt: Was hat mein Vater angestellt,
dass er im Verhältnis zur Polizei so schlecht dasteht?
Diese Zeiten haben ein Ende.


(Beifall bei der SPD)

Dafür danke ich dem Innenminister und auch Günter
Graf, der sich bei uns darum gekümmert hat, dass wir end-
lich etwas für die BGS-Beamten tun und dass wir im Be-
reich der inneren Sicherheit trotz der bestehenden Pro-
bleme vorankommen.

Auch die Sportförderung kann sich sehen lassen.
Während wir hier zusammensitzen, läuft die Eröffnungs-
feier der Olympiade. Ich glaube, wir alle wünschen unse-
ren Athleten, dass sie so fröhlich agieren, wie der Innen-
minister sie entlassen hat, dass sie Erfolge heimbringen
und dass sie ein Bild unseres Landes zeichnen, über das
wir uns freuen können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Jede Goldmedaille ist eine rot-grüne Goldmedaille! – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Das heißt übrigens Olympische Spiele!)


– Da können Sie ruhig mitklatschen.
Ich denke an die Leistungen im Zusammenhang mit

der Fußballweltmeisterschaft 2006. Es ist schmerzlich für
meine schwarzen Brüder und Schwestern, dass der „Kai-
ser“ den Kanzler und den Innenminister lobt. Das ist je-
doch bezeichnend. Der „Kaiser“ ist ja keiner primären so-
zialdemokratischen Umtriebe verdächtig. Aber wenn er
zu dem Eindruck kommt, dass Otto Schily und Gerhard
Schröder eine hervorragende Arbeit für den Sport geleis-
tet haben, dann müssen Sie das wenigstens zähneknir-
schend anerkennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich liefere Ihnen gerne eine Knirschschiene für die Nacht,
wenn es Ihnen zu schwer fällt.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir huldigen dem „Burger King“!)


Ich danke auch dafür, dass der Goldene Plan Ost fort-
geführt wird, dass die Baumaßnahmen vorankommen,
dass wir im internationalen Bereich und im Dopingbe-
reich vorangekommen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Der Mann sagt nur „Danke schön“!)





Ludwig Stiegler

11445


(C)



(D)



(A)



(B)


– Wir haben eine gute Bilanz. Auf den Sportbereich kön-
nen wir wirklich stolz sein.

Wir haben die Integrationsbemühungen in Bezug auf
die Aussiedler verstärkt; da habe ich schon Jochen Welt
angesprochen. Das gilt aber auch für die Integration der
Ausländer. Ich hoffe, dass nächste Woche auch die Ver-
handlungen über die Arbeitserlaubnis vorankommen,
damit wir in diesem Bereich endlich Gerechtigkeit er-
langen und einen Beitrag zum inneren Frieden leisten
können. Ich hoffe auch, dass die Neukonsolidierung des
Bundesamtes in Nürnberg mit dem neuen Präsidenten
dazu beiträgt, dass wir viele Probleme – etwa bei der Um-
setzung des neuesten Urteils des Bundesverfassungsge-
richtes – lösen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zeitlmann [CDU/ CSU]: Du solltest Danke sagen!)


Ich danke dem Innenminister, –

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Das habe ich mir gedacht!)

– dass er dazu beigetragen hat, dass das Amt neue Zu-
kunftsperspektiven hat.

Wir haben wirklich Anlass, fröhlich zu sein.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Das glaube ich!)

Sie, Herr Zeitlmann, haben jahrelang dem Herrn Kanther
zu Füßen gelegen, –


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Nein! Nein!)


– an seinen Lippen gehangen.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Nein!)


Auch der Hinterausgang war besetzt.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei haben Sie übersehen, dass der Mann wie Dorian
Gray zwei Gesichter hatte. Er hat hier law and order ge-
predigt, aber heimlich ist er zu einem Experten für orga-
nisierte Kriminalität geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Das ist Ihre innenpolitische Tradition und muss an dieser
Stelle angesprochen werden.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit! Sie sind ein Verleumder!)


Der Kanther hatte wenigstens so viel Ehrgefühl, aus dem
Parlament auszuscheiden, während andere Eidesbrecher
von Ihnen groß gefeiert werden.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Ich kann den Innenminister in diesem Punkt nur unter-

stützen: Wenn von Ihrer Seite unverhohlen zu Blockaden
aufgerufen wird, wenn von Ihrer Seite der Verfassungs-

bruch eines ehemaligen Bundeskanzlers gutgeheißen
wird, –


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Schämen Sie sich!)


– dann ist das kein Beitrag zur inneren Sicherheit, sondern
ein Anschlag auf die innere Sicherheit. Das sollten Sie zur
Kenntnis nehmen und deshalb hier ganz bescheiden auf-
treten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Völlig überzogene Bewertung, die Sie hier machen! Sie haben ja keine Ahnung von der Verfassung! Eine Unverschämtheit!)


Vielen Dank und gute Besserung!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Auf der Schleimspur zurück zum Platz! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Olympier aller Länder, vereinigt euch! – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Helau! Alaaf!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411906900
Herr Kol-
lege Geis, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das Wort
Verleumder nicht zum parlamentarischen Sprachge-
brauch gehört.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P. – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Aber „Maul“ auch nicht! – Ludwig Stiegler [SPD]: Herr Präsident, dem Geis muss man das verzeihen!)


Als nächster Redner hat das Wort der Kollege
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein von der CDU/
CSU-Fraktion.


(CDU/ CSU)

und Kollegen! Ich möchte gerne eine Vorbemerkung ma-
chen, die meines Erachtens sehr wichtig ist. Herr Minis-
ter, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass ich mit Be-
amten Ihres Ministeriums und mit einem großen Teil der
Kollegen gesprochen habe. Alle sind sich darin einig: Der
Haushalt Ihres Einzelplanes ist a) unübersichtlich, b) sehr
spät gekommen – dazu werde ich gleich noch etwas sa-
gen – und auch sehr kompliziert. Deswegen kann ich an-
gesichts der haushaltspolitischen Themen, über die der
Bayer Stiegler gesprochen hat, nachvollziehen, dass er
den Haushalt nicht verstanden hat. Es ist unvorstellbar.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Ich bin mir gar nicht sicher, ob er lesen kann! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Der Stiegler liest keine Haushalte!)


Ich bin nur in einem Punkt mit Ihnen einverstanden.
Wir müssen den Sport fördern und den betreffenden
Menschen helfen. Was ist aber definitiv geschehen? Ich
kann Sie ja verstehen, Herr Minister Schily. Der Kanzler




Ludwig Stiegler
11446


(C)



(D)



(A)



(B)


hat Sie mit seinen Ideen derart überrascht, dass Sie von
Ihren alten Standpunkten eingeholt werden. Sie waren
nämlich gegen die Beihilfe für die Polizei – das ist nicht
in Ihrem Einzelplan vorhanden –, aber auch gegen die Un-
terstützung bezüglich der Stadien. Können Sie sich daran
erinnern, wie wir uns darum bemüht haben?

„Kaiser“ Franz ist von Ihnen in diesem Zusammen-
hang erwähnt worden, Herr Kollege Stiegler.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


Er hat inzwischen eine weitere Forderung gestellt, näm-
lich nicht nur für die Sanierung und Modernisierung des
Zentralstadions in Leipzig, sondern auch des Olympiasta-
dions in München als Stadion für die Fußballweltmeister-
schaft Mittel zu gewähren.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das hat nur der Stoiber gefordert! Der Franz kann das selber finanzieren!)


Ich bin einmal gespannt, wie sich das weiterentwickeln
wird. Aber in Ihrem Haushalt kann ich die Summe von
383 Millionen DM, die Sie ins Gespräch gebracht haben,
überhaupt nicht erkennen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Keine Mark!)


Über diesen Punkt müssen wir in den Einzelberatungen
sicherlich noch klar und deutlich sprechen. Dazu bin ich
bereit.

Ihr Haushalt wird durch Kürzungen im investiven Be-
reich geprägt. Dies kann kein Bürger der Bundesrepublik
Deutschland verstehen. Ich weiß nicht, wie sorgfältig Sie
Ihren eigenen Haushalt gelesen haben. Er wird um
7,8 Prozent gekürzt. Diese Kürzung findet man in allen
Bereichen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Sie haben mit großer Anerkennung von den BGS-Be-
amten und ihrer Arbeit gesprochen. Auch ich möchte sie
ausdrücklich erwähnen und ihnen ganz herzlich für ihre
großartige Arbeit danken.

Wenn ich den Katalog an Horrorszenen in Bezug auf
die Kürzungen im investiven Bereich hier vortragen
würde, wären Sie verzweifelt.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie würden nur der Irreführung überführt werden!)


Ich nenne nur einen Bereich: Wir haben uns bereits des
Öfteren mit den unvorstellbaren Missständen an den
Bahnhöfen, was die Unterbringung der Bundesgrenz-
schutzbeamten angeht, auseinander gesetzt. Dieser Be-
reich des Haushalts wird um 2 Millionen DM gekürzt.

Beim Bundesgrenzschutz kommt ein weiterer Punkt
hinzu: Sie haben in Ihren Haushalt für diesen Bereich
125 Millionen DM eingestellt und sprechen von ausga-
benmindernden Wirkungen. Ich sehe das überhaupt nicht
ein; Herr Stiegler spricht ja immer davon, der Haushalt
sei sicher.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Der hat doch keine Ahnung!)


Vielmehr kommt es zu unvorstellbaren Ausgabenbelas-
tungen. Dazu hören Sie gleich noch mehr.

Ich habe in Frankfurt mit Vertretern der Bahn gespro-
chen: Es wurde in diesem Zusammenhang nichts mit dem
Vorstandsvorsitzenden Mehdorn abgesprochen. Vielmehr
wird es wahrscheinlich Ihrerseits einen Erlass bzw. eine
Verordnung geben, dass der Bahn die Kosten für den Bun-
desgrenzschutz zwangsweise aufgedrückt werden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ein Verschiebebahnhof!)


Aufgabe des Staates ist es, die finanziellen Vorausset-
zungen dafür zu schaffen, dass die Bahnhöfe und die
Schienen in der Bundesrepublik Deutschland, solange sie
Staatseigentum sind, ohne Wenn und Aber gesichert wer-
den. Ich hoffe, dass in dieser Hinsicht etwas passiert.

Die Situation der Bahn ist doch im Moment folgender-
maßen: Sie wird nicht nur durch die Ökosteuer bzw. die
„K. O.-Steuer“, sondern auch durch die Stromsteuer be-
lastet. Nun kommen auch noch die Kosten für den BGS
hinzu. Dies gibt es in anderen Eisenbahnunternehmen der
Welt nicht. Deswegen ist es meines Erachtens wichtig,
dass wir uns mit dieser Thematik beschäftigen.

Herr Minister Schily, ein weiterer Bereich, der meines
Erachtens sehr wichtig ist, sind die zusätzlichen Flug-
sicherheitsgebühren.Man kann darüber natürlich disku-
tieren. Aber Sie sollten die Öffentlichkeit schon klar und
deutlich darauf hinweisen, was Sie vorhaben. Die Flugsi-
cherheitsgebühren an den Flughäfen werden von 305 Mil-
lionen auf 442 Millionen DM erhöht. Das ist eine Er-
höhung um knapp 50 Prozent. In Zukunft wird es also
nicht nur die Ökosteuer, die Stromsteuer, also die „K. O.-
Steuer“, sondern auch noch eine Mallorca-Steuer geben.
Sie, die Sie da oben auf der Tribüne sitzen, wissen nun,
was in Zukunft auf Sie noch zukommt. Ich glaube, dass
wir uns als Opposition in diesem Bereich noch klar und
deutlich melden werden. Darauf werde ich in jeder Ver-
anstaltung hinweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Horrorliste lässt sich beliebig fortsetzen. Ich

hoffe nur, Herr Minister, dass Sie in den Gesprächen, die
wir in Kürze im Zuge der Haushaltsberatungen haben
werden, hier und dort gewisse Signale geben.

Mir geht es genauso wie Ihnen: Meine Redezeit ist zu
kurz. Ich könnte Ihnen noch einen großen Teil anderer
Dinge erklären.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das wäre nötig!)


Das kann ich heute nicht leisten; denn meine Redezeit ist
zu Ende. Damit möchte ich schließen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411907000
Weitere
Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Inneren liegen nicht vor.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Justiz, Einzelplan 07, und zum
Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht.




Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein

11447


(C)



(D)



(A)



(B)


Als erste Rednerin hat die Bundesministerin Frau
Dr. Däubler-Gmelin das Wort.

Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Bekanntlich haben sich die Bundesregierung und die rot-
grüne Koalition vorgenommen, den schädlichen und
lange andauernden Reformstau aufzulösen. Damit soll
zum Ersten endlich wieder deutlich werden, dass unser
Recht auf der Seite der Schwächeren steht.


(Beifall bei der SPD)

Damit sollen zum Zweiten wichtige Gebiete unseres
Rechtes und unsere rechtsstaatlichen Institutionen so mo-
dernisiert werden, dass sie ihren grundgesetzlichen Auf-
trag für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch
in Zukunft gut erfüllen können. Dieser grundgesetzliche
Auftrag, diese Dienstleistung für die Bürgerinnen und
Bürger unseres Landes ist nämlich von zentraler Wich-
tigkeit. Damit wollen wir zum Dritten beim Aufbau unse-
res Europa, das künftig ein gemeinsamer Raum der Frei-
heit, der Sicherheit und des Rechtes sein soll, die
Gestaltungselemente und Strukturen, das heißt mehr
Rechtsstaatlichkeit und mehr sozialstaatliche Demokra-
tie, so einbringen, wie sie sich nach unserer Erfahrung in
den vergangenen 50 Jahren bei uns in der Bundesrepublik
bewährt haben.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben in den letzten beiden Jahren – wir nähern

uns bald der Halbzeit der Legislaturperiode – sehr deutli-
che Akzente gesetzt, die diese Weichenstellung unter-
streichen. Lassen sie mich zum ersten Teil – Recht auf der
Seite der Schwächeren – sagen: Der Täter-Opfer-Aus-
gleich ist einer der Bereiche; die Ächtung der Gewalt in
der Erziehung und Hilfe für Alleinerziehende sind wei-
tere Beispiele.

Lassen Sie mich an dieser Stelle hinzufügen: Es ist un-
geheuer wichtig, immer wieder zu sagen, dass der Bun-
desrat hier nicht unter Anleitung einer Mehrheit von Kol-
legen aus den Justizministerien, die der Opposition
angehören – ich meine jetzt nicht die F.D.P. –, Einspruch
einlegen sollte. Das wäre ganz falsch und würde das drin-
gend erforderliche Signal zur Gewaltbekämpfung in un-
serer Gesellschaft deutlich konterkarieren.


(Beifall bei der SPD)

Ich appelliere gerade an die Kolleginnen und Kollegen
von der Opposition: Wenn Sie Einfluss haben, nutzen Sie
diesen Einfluss, damit die klare Aussage „Das Recht steht
auf der Seite der Schwächeren“ auch in diesem Bereich
deutlich wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Gewaltschutzgesetz und das Sanktionengesetz

kommen im Herbst. Das wissen Sie. Das erste soll ge-
schlagenen Frauen und ihren Kindern nicht mehr nur die
Möglichkeit belassen, ins Frauenhaus zu gehen – so wich-
tig und wertvoll diese Institutionen sind, um erste Hilfe zu
leisten –, sondern es wird diesen Frauen die Möglichkeit
eröffnen, in der Wohnung zu bleiben, in der sie bisher ge-

wohnt haben. Wir werden darüber hinaus auch gerichtli-
che Kontaktverbote in diesem Gesetz vorschlagen. Ich
glaube, damit sind wir wieder ein Stück weiter.

Das Sanktionengesetz, über das wir schon viele Dis-
kussionen geführt haben, wird eine Reihe von Vorschlä-
gen bringen. Über diese wird noch im Einzelnen zu dis-
kutieren sein. Mir ist unter dem Gesichtspunkt „Das Recht
muss auf der Seite der Schwächeren stehen“ ganz beson-
ders das wichtig, was wir hier zusätzlich für die Opfer
wollen und vorschlagen. Wir wollen, dass 10 Prozent der
Geldstrafen endlich dafür zur Verfügung stehen, dass Op-
fern von Kriminalität geholfen werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Diese gehen heute bisweilen leer aus.
Wir alle haben gerade in den letzten Monaten – zu

Recht – darauf hingewiesen, dass Zivilcourage auch ge-
gen Rechts erforderlich ist. Wer aber erfahren hat, wie
Menschen, die diese Zivilcourage aufgebracht haben und
denen dabei etwas passiert ist, manchmal allein gelassen
wurden, der weiß, wovon ich rede. Hier ist ein weiterer
Schritt erforderlich.

Meine Damen und Herren, es muss auch darum gehen,
dass Opfer von Straftaten, die Schäden erlitten haben, eine
leichtere Möglichkeit erhalten, diese Schäden auch ersetzt
zu bekommen. Das ist der zweite Punkt, auf den ich Sie
hinweisen möchte.

Nehmen wir den Schwerpunkt Modernisierung. Wir
haben mit der außergerichtlichen Streitschlichtung be-
gonnen, weil wir der Auffassung sind, dass es im tägli-
chen Leben zum Beispiel Streitigkeiten unter Nachbarn
gibt, bei denen es viel besser ist, eine Lösung zu finden,
die zum Rechtsfrieden beiträgt, statt vor Gericht zu gehen
und die Sache streitig entscheiden zu lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist bereits Gesetz.

Es gibt jetzt eine ganze Reihe von Ländern, die anfan-
gen, Modelle der außergerichtlichen Streitschlichtung zu
entwickeln. Deshalb erwähne ich das. Wir wissen: In den
vergangenen Jahren ist im Bereich der Mediation, vor al-
lem der Mediationspraxis und der Mediationswissen-
schaft, von Anwälten, von Instituten und von Menschen,
die ganz besonders viel davon verstehen, eine Menge an
nützlichen Erkenntnissen zusammengetragen worden, die
jetzt für die Praxis verfügbar gemacht werden sollten.

Ich bitte Sie auch hier: Nutzen Sie Ihren Einfluss in den
Ländern, die solche Gesetze der außergerichtlichen Streit-
schlichtung wollen, aus, damit sie die Mediation und
alles, was dazu dient, den Rechtsfrieden wieder herzu-
stellen, auch tatsächlich in Anspruch nehmen und ver-
bindlich einbeziehen.

Ein weiterer Punkt: Wir haben die Präsidialverfassung
verändert und Gerichte geöffnet. Auch das war, obwohl es
sehr streitig war, sehr wichtig.




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
11448


(C)



(D)



(A)



(B)


Dass wir sehr viele wichtige Modernisierungsvorha-
ben wie die Justizreform, die Einführung der Namens-
aktie, die Anerkennung von Lebenspartnerschaften, Än-
derungen im Mietrecht oder eine Reform der Finanzge-
richtsordnung bereits auf den Weg gebracht haben – sie
sind zum Teil schon im Gesetzgebungsverfahren –, das
wissen Sie. Im Herbst werden wir hier in diesem Hause
sehr viele Schwerpunktaufgaben zu diskutieren haben.
All dies dient der Modernisierung, dient dazu, dass die In-
stitutionen unseres Landes und dass auch unsere Rechts-
ordnung ihren grundgesetzlichen Auftrag auf Dauer gut
erfüllen können.

Lassen Sie mich von den Projekten, die im Herbst an-
stehen, drei wichtige ansprechen. Ich schließe mich mei-
nem Vorredner, Bundesinnenminister Schily, an, der ge-
sagt hat, dass wir für die Diskussion darüber erheblich
mehr Zeit haben müssten. Hier kann man jetzt nur mit we-
nigen Worten informieren, statt in Ruhe das Für und das
Gegen in Einzelheiten vorzutragen.

Wir setzen nur die Biopatentrichtlinie um. Dies ist ein
ganz wichtiges Werk, und zwar ganz einfach deshalb, weil
es hier darum geht, geistige Leistungen durch Änderun-
gen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zu
schützen und gleichzeitig Forschung und Innovationen zu
fördern, aber auch die ethischen Grenzen dessen, was wir
machen dürfen, festzulegen.

Ich hätte mir gewünscht, dass diese Diskussion hier
schon sehr viel früher in Gang gekommen wäre, zum Bei-
spiel in den zehn Jahren, in denen die Biopatentrichtlinie
auf europäischer Ebene beraten wurde. Ich lade ausdrück-
lich alle ein, sich an der Diskussion zu beteiligen. Wir
werden hier eine zielgenaue, klare Gratwanderung, die
diese drei Gesichtspunkte zusammenbringt, unternehmen
müssen. Das können wir am besten gemeinsam.

Ich nenne einen zweiten Bereich, der ebenfalls mit dem
Schutz geistiger Leistungen zusammenhängt: das Urhe-
berrecht.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Ja!)

– Ich komme gleich zu dem Dank, keine Sorge. – Auch
hier liegt eine Menge Arbeit vor uns. Wir müssen, einge-
bettet in die rechtlichen Regelungen, die in Europa und
weltweit entwickelt, erarbeitet und ausverhandelt wurden
– man kann das nicht mehr nur national machen –, Ur-
heber im digitalen Zeitalter bzw. im Zeitalter der Infor-
mationsgesellschaft besser schützen.

Ich bedanke mich übrigens ausdrücklich bei den Kol-
leginnen und Kollegen auch der CDU/CSU und der F.D.P.
dafür, dass sie sich in den letzten Wochen, als es diesen
kurzen Aufschrei von dem einen oder anderen aus Indus-
trieverbänden gegeben hat, die meinten, das gelte nicht
für sie – sie sind zwar der Auffassung, dass man dann,
wenn man einen Kassettenrecorder kauft, eine Abgabe
leisten muss, die den Urhebern zugute kommt, dass dies
aber bei den modernen Vervielfältigungsgeräten nicht so
sein sollte –, dazu geäußert und dem klar widersprochen
haben. Das finde ich gut. In allen Parteien gab es auch an-
dere Stimmen; aber das Urheberrecht ist auch ein schwie-
riges Gebiet.

Es gibt noch einen dritten Punkt, auf den ich Sie auf-
merksam machen möchte und der uns ebenfalls in diesem
Herbst beschäftigen wird. Er hat ebenfalls mit Moderni-
sierung und dem Aufbau eines einheitlichen Raumes der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa zu tun:
die Modernisierung des Schuldrechts. Jeder Jurist und
jede Juristin hat sich seit dem ersten Semester der juristi-
schen Ausbildung immer wieder damit beschäftigt und
geht nahezu täglich damit um. Aber wir wissen ganz ge-
nau: Europa der Bürger, Europa der Wirtschaft, Europa
des Handels bedeutet, dass die Einflüsse aus Europa im-
mer stärker werden. Wir müssen – damit fange ich nun
an – verschiedene europäische Richtlinien umsetzen: die
Fernabsatzrichtlinie, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
und einige andere, mit deren Nennung ich Sie jetzt nicht
erschrecken will. Diese greifen massiv in die Kaufbezie-
hungen und damit in unser Schuldrecht ein.

Wir hatten seit langem – das ist sehr gut – eine gute
Grundlage, auf der auch die Richtlinien verhandelt wor-
den sind, nämlich die Ergebnisse der Schuldrechtskom-
mission, die Anfang der 90er-Jahre eingesetzt wurde und
ihre Ergebnisse vorgelegt hatte.

Jetzt stehen wir vor einer schwierigen Weichenstel-
lung. Wir müssen entscheiden: Wollen wir bei der Umset-
zung des EU-Rechts, wo doch das System des EU-Rechts
anders ist, unser bürgerliches Recht, unser Kaufrecht und
unser Schuldrecht noch stärker verkomplizieren oder sind
wir bei der Modernisierung so mutig zu sagen: Wir neh-
men das, was die Schuldrechtskommission vorgeschlagen
hat, dazu und setzen das einmal richtig, aber gründlich
um? Um diese Weichenstellung wird es in diesem Herbst
gehen.

Ich werde Ihnen in den kommenden Tagen einen ersten
Entwurf zur Diskussion zusenden. Ich bitte Sie, sich auch
hier an der Modernisierung zu beteiligen.

Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundes-
ministeriums der Justiz für 2001, klein, wie er ist, und
sparsam, wie wir sein müssen, spiegelt diese Schwer-
punkte und andere wider. Mir wäre es lieber, wir müssten
nicht so viel sparen. Ich sage das, weil unser Kollege
Bundesfinanzminister im Saal ist, der eine Sparpolitik be-
treibt.


(Zurufe von der CDU/CSU: Er gibt selber mehr Geld aus! – Der Haushalt ist um 30 Milliarden DM gewachsen, seit er dran ist!)


– Das macht er ja nicht freiwillig, sondern im Interesse der
Bevölkerung und einfach deswegen, weil er mit Ihrer Erb-
schaft fertig werden muss.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Deutsche Einheit!)


Der wird das genauso sehen.
Wir haben das, was wir machen konnten, erreicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Lafontaine hat doch erhöht, aber Sie haben es nicht runtergenommen!)


– Ich weiß, es gefällt Ihnen nicht.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es gefällt uns gut!)





Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn ich in Ihrer Situation wäre, würde ich jetzt ebenfalls
heftig widersprechen. Aber alle Leute wissen mittler-
weile, welchen Schuldenberg und welches Erbe Sie uns
hinterlassen haben. Ich denke, darüber brauchen wir jetzt
nicht zu streiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben die Einheit vergessen, die Kosten der Einheit, Frau Ministerin! Daran sollten Sie einmal denken!)


Wir schaffen – verehrter Herr Geis, das wird Sie be-
sonders interessieren – im Haushalt 2001 die Vorausset-
zungen dafür, dass das Menschenrechtsinstitut, das wir
geplant haben und das die rot-grüne Koalition will, im
nächsten Jahr anfangen kann zu arbeiten. Das bedeutet,
dass wir nicht nur durch Reden, sondern auch durch Tun
sehr deutlich machen, wie viel wir von den Menschen-
rechten halten. Übrigens gilt das nicht nur im Inland. Las-
sen Sie mich dazu ergänzen, dass ich jeder Polizistin und
jedem Polizisten, jedem Staatsanwalt und jedem Richter
dankbar bin, der oder die im Rahmen seines oder ihres
Verantwortungsbereiches deutlich macht, dass Straftaten
mit rechtsextremistischem Hintergrund von uns nicht ge-
duldet werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS] – Norbert Geis [CDU/CSU]: Straftaten werden von uns überhaupt nicht geduldet!)


Menschenrechtspolitik und der Schutz der Menschen-
rechte sind nicht allein bei uns im Inland wichtig. Wir sind
der Meinung, sie müssen auch, und zwar mit deutscher
Beteiligung, über die deutschen Grenzen hinaus unter-
stützt werden.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir dulden überhaupt keine Straftaten!)


Deswegen bin ich der Auffassung, es ist hoch an der
Zeit, dass die Einsetzung eines internationalen Strafge-
richtshofs endlich auch vom Parlament beschlossen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Mein Appell geht an alle Seiten des Hauses, das nicht
mehr zu verzögern, sondern es wirklich zu beschleunigen.

Dass wir den Rechtsstaatsdialog mit der Volksrepublik
China intensivieren, wird – auch das weiß ich – vom ge-
samten Haus getragen. Das möchte ich an dieser Stelle
ebenfalls erwähnen. Das tun wir natürlich nicht nur we-
gen des bilateralen Nutzens, sondern wir machen das
auch, weil wir der Auffassung sind, dass wir dadurch auf
der globalen Ebene zu einem gemeinsamen Verständnis
von Grund- und Menschenrechten beitragen können, das
wir in einer Welt, die immer stärker zusammenwächst,
dringend brauchen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas
zur Modernisierung sagen. Das gilt vor allem für einen

Bereich, nämlich das Deutsche Patent- und Marken-
amt, das uns 1998, als wir die Regierung übernommen
haben, schon als Sorgenkind angekündigt worden war, –


(Ludwig Stiegler [SPD]: So ist es! Verwahrlost!)


– als Sorgenkind mit ganz großen Problemen, obwohl die
Menschen, die dort arbeiten, voll motiviert sind und ob-
wohl sie sich jede Mühe geben, als Sorgenkind deshalb,
weil wir seit 1991 sehen mussten, dass die Zahl der An-
meldungen von Patenten erfreulich stieg und steigt – Zei-
chen ökonomischer Innovationsbereitschaft und auch von
Wirtschaftskraft –, die Zahl der Marken auch, während
aber die Zahl der Stellen beim Deutschen Patent- und
Markenamt von der Vorgängerregierung in erheblichem
Maße gesenkt wurde. Das kann nichts werden, wenn sich
die Schere öffnet.

Hinzu kommt eine völlig unzulängliche Ausstattung
mit Computern oder mit Mitteln einer modernen Arbeits-
organisation.


(Ludwig Stiegler [SPD]: So ist es!)

Sie werden wissen, wovon ich rede. Im Haushalt – das
sage ich jetzt nur für die Leute, die nachlesen wollen –,
den Herr Waigel für das Jahr 1999 vorgeschlagen hatte,
wäre es mit den Stellenstreichungen weitergegangen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie haben kein Geld gegeben! – Zuruf von der CDU/CSU: Ich denke, wir haben zu viel ausgegeben!)


Wir haben hier schon 1999 dank der Unterstützung
auch des Herrn Bundesfinanzministers eine – wenn auch
nur leichte – Trendwende erreicht. Wir konnten für 2000
sehr viele zusätzliche Patentprüferstellen einrichten. Wir
haben auch etwas Geld für die Ausstattung mit Compu-
tern, an denen Patentprüfer arbeiten sollen, bekommen.
Wir sind schon sehr weit bei der Verbesserung in Bezug
auf Informations- und Kommunikationstechnologie und
eine moderne Arbeitsorganisation.

Ich sage Ihnen: Das, was mich 1998 beinahe zu Tränen
gerührt hat, die gezackte Gebührenmarke, werden wir ins
Euro-Zeitalter ebenso wenig mit hinübernehmen wie das
veraltete Kostenverrechnungssystem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Warum sage ich das? Die dringend nötigen Verbesse-
rungen waren und sind ohne eine Gebührenerhöhung
nicht möglich. Das will ich hier auch einmal deutlich an-
sprechen: Hätte die Union ihre Verpflichtung früher wahr-
genommen –


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr! Ich habe im Rechtsausschuss dafür gekämpft!)


– und das Patent- und Markenamt nicht in diesen Zustand
kommen lassen –


(Zuruf von der CDU/CSU: Der Zustand ist von Ihnen ja nur verschlimmert worden!)


– und hätte sie den Mut gehabt, Herr Feibel, die seit 1976
nicht mehr erhöhten Gebühren vernünftig, mittelstands-




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
11450


(C)



(D)



(A)



(B)


freundlich und erfinderfreundlich anzupassen, wie wir
das jetzt mussten, dann wäre es für uns viel leichter ge-
wesen und dann wären wir jetzt weiter.


(Beifall bei der SPD)

Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Wir brauchen

noch ein wenig Zeit. Was wir aber überhaupt nicht brau-
chen, ist, dass diejenigen, die an diesem Zustand schuld
sind, jetzt meinen, beckmesserisch auftreten zu können.
Wir brauchen die Unterstützung des ganzen Hauses und
des Haushaltsausschusses, um noch mehr zu erreichen.
Alles andere wäre unseres Landes unwürdig.

Lassen Sie mich mit einem Dank an all jene schließen,
die an dem Ziel, einen einheitlichen Rechtsraum in Eu-
ropa zu schaffen, mitgearbeitet und mitgewirkt haben.
Sie alle wissen, wie schwer es ist, die Abwicklung des
Tagesgeschäfts im europäischen Raum voranzubringen.
Wir wussten dies, als Sie die Verantwortung hatten, und
Sie wissen es jetzt, da wir sie haben. Wir haben Eurojust
auf den Weg gebracht. Zusätzlich verbessern wir die Le-
bensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in der Eu-
ropäischen Union, damit sie zum Beispiel ihren Schaden
leichter ersetzt bekommen, wenn sie einen Verkehrsunfall
im Ausland haben, auch bei Gerichtsprozessen und ande-
ren Problembereichen helfen wir ihnen. Auch der E-Com-
merce gehört dazu.

Eines aber will ich besonders herausstellen, und zwar
die Europäische Grundrechte-Charta. Ich weiß aus Ge-
sprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschied-
lichen Parteien, dass deren Schaffung vielen von ihnen ein
ähnlich großes Anliegen war und ist. Dennoch war immer
wieder Skepsis zu vernehmen, als wir Deutschen, als ge-
rade ich im Rahmen der deutschen Präsidentschaft darauf
gedrungen habe, die Europäische Grundrechte-Charta auf
den Weg zu bringen.

Ich stelle heute mit großer Freude fest, dass die Charta
auf einem guten Wege ist, und darf denen, die uns im Kon-
vent vertreten, ausdrücklich danken. Mein Dank richtet
sich an Herrn Professor Meyer – ich sehe ihn hier vor
mir –, der dort den Bundestag vertritt,


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


aber auch an die Adresse von Professor Herzog, der heute
nicht anwesend ist. Ich glaube, ohne die beiden wären wir
nicht so weit, wie wir heute sind. Lassen Sie uns gemein-
sam daran arbeiten, dass Europa nicht allein als Europa
der Wirtschaft und Europa des Euro bekannt ist, sondern
zum Europa der Bürgerinnen und Bürger und zum Europa
der gemeinsamen Werte wird. Das brauchen wir alle.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411907100
Als
nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Bosbach von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1411907200
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch den Justizhaus-
halt des Bundes wird nur zu einem geringen Teil eine ganz
zentrale und vitale Staatsaufgabe finanziert. Justiz ist
vornehmlich Ländersache und die Zivilgerichtsbarkeit hat
durch die Einnahme von Gebühren zur Freude aller Fi-
nanzminister eine hohe Selbstfinanzierungsquote.

Die Arbeit der Ziviljustiz ist keineswegs, wie gerne be-
hauptet wird, durch stetig steigende, sondern durch
tendenziell leicht fallende Fallzahlen, relativ kurze Ver-
fahrenszeiten und geringe Rechtsmittelquoten gekenn-
zeichnet. Aber – dieser Umstand, Frau Ministerin, ver-
dient eine besondere Beachtung – die eingelegten
Rechtsmittel haben eine relativ hohe Erfolgsquote von
fast 50 Prozent.


(Joachim Stünker [SPD]: Warum denn?)

Schon diese Zahl belegt, dass es keinen vernünftigen
Grund gibt, die Überprüfung vermeintlich oder tatsäch-
lich fehlerhafter Urteile unnötig zu erschweren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Regierung plant Änderungen in der Zivilpro-

zessordnung, die so tief greifend sind, dass die konkrete
Gefahr besteht, dass der Recht suchende Bürger zukünf-
tig nicht mehr in dem Umfang Recht erhält, wie unbedingt
notwendig, –


(Norbert Geis [CDU/CSU]: So ist es! – Joachim Stünker [SPD]: Das stimmt doch nicht! – Zuruf von der SPD: Unsinn!)


– dass der bewährte Gerichtsaufbau unnötig ins Wanken
gerät –


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wenn hier einer ins Wanken gerät, dann sind Sie das, Herr Bosbach!)


– und dass unser auch im internationalen Vergleich vor-
bildliches Rechtssystem nachhaltig geschädigt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Entgegen anders lautenden Behauptungen, Frau Justiz-

ministerin, ist die von Ihnen mit Hochdruck betriebene
Reform der ZPO nicht bürgerfreundlich, sondern bürger-
feindlich.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Genau!)

Sie macht den Zivilprozess nicht schneller, sondern büro-
kratischer. Sie sorgt nicht für mehr Recht, sondern muss
fast zwangsläufig zu mehr Ungerechtigkeit führen. Unser
Rechtssystem würde nicht reformiert, sondern deformiert.

Wieso soll ein Berufungsgericht ein angegriffenes
Urteil nur dann korrigieren dürfen, wenn „ernstliche“
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der ent-
scheidungserheblichen Feststellung besteht? Welchen
vernünftigen, dem Bürger vermittelbaren Grund gibt es
dafür, beim Vorliegen von Zweifeln an der Richtigkeit der
Sachverhaltsfeststellungen die Berufung nicht durchzu-
führen? Sie können nicht ernsthaft wollen, dass in all
denjenigen Fällen, in denen ein Einzelrichter oder gar
ein Richterkollegium Zweifel an der richtigen Tatsa-
chenfeststellung der ersten Instanz hat, das auf diesen




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

11451


(C)



(D)



(A)



(B)


Feststellungen basierende Urteil nicht mehr überprüft
werden darf. Das wäre nicht Politik für, sondern gegen
den Bürger.

Warum wollen Sie das bewährte Prinzip aufgeben, dass
nun einmal sechs Augen mehr sehen als zwei Augen?
Wenn erstinstanzlich vor den Landgerichten zukünftig
mehr Einzelrichter als Kammern entscheiden sollen, dann
muss sich daraus der zwingende Schluss ergeben, dass zu-
mindest in der nächsten, möglicherweise letzten Instanz
mehr als nur ein Richter Recht spricht.

Auch Ihnen kann nicht entgangen sein, dass Ihre Pläne
von der gesamten Fachwelt, von allen, von Richtern, von
Anwälten, von den Justizministern der Länder, gleich
welcher Couleur, je nach Temperament und Interesse
milde oder hart kritisiert, jedenfalls komplett abgelehnt
werden.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist denen entgangen! Sie nehmen es gar nicht mehr wahr! – Zuruf von der SPD: Sie lesen die falschen Zeitungen, Herr Kollege!)


Gegen diejenigen, die tagtäglich mit der ZPO arbeiten
müssen, und gegen die Länder kann eine Reform keinen
Erfolg haben.

Niemand spricht Ihnen, Frau Professor, ein hohes Maß
an Intelligenz ab.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Danke!)


Bitte seien Sie aber auch klug und ziehen Sie diesen Ge-
setzentwurf zurück! Suchen Sie stattdessen das Gespräch
mit der Fachwelt und mit den Kolleginnen und Kollegen
der Länder für eine Reform, die dem Recht dient und nicht
der Rechtskultur unseres Landes und den Recht suchen-
den Bürgern schadet!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Kommen wir von der Rechtspolitik zur sozialdemo-
kratischen Rechtspraxis in Nordrhein-Westfalen und in
diesem Hause. Punktgenau drei Tage vor der Landtags-
wahl in Nordrhein-Westfalen wurde bundesweit publik,
dass unser Kollege Ronald Pofalla in dem Verdacht steht,
Steuern hinterzogen zu haben. Unter Vortäuschung
falscher Tatsachen wurde unser eigener Immunitätsaus-
schuss veranlasst, die Immunität des Kollegen Pofalla
aufzuheben. Der Skandal war perfekt.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Ich wäre sehr vorsichtig mit solchen Behauptungen!)


Heute wissen wir: Einen Skandal des Kollegen Ronald
Pofalla hat es zu keiner Sekunde gegeben. Aber wir wis-
sen jetzt genau, dass es skandalöse Verhältnisse in dem
Teil der nordrhein-westfälischen Justiz gibt, der nicht
weiß, dass er nicht der SPD, nicht Herrn Müntefering,
nicht Herrn Dieckmann, sondern nur dem Recht zu dienen
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Alfred Hartenbach [SPD]: Wie ist denn das mit Augsburg und Herrn Weiß?)


– Das ist Ihnen peinlich. Sie hätten natürlich große Freude
daran, wenn ich jetzt, wie die Frau Ministerin, über die ge-
zackte Gebührenmarke reden würde. Genau deswegen tue
ich Ihnen den Gefallen nicht.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Sie sollen über die Staatsanwaltschaft Augsburg reden!)


Am 2. August 2000 hat das Landgericht Kleve rechts-
kräftig festgestellt, dass es nie – ich betone: nie – einen be-
gründeten Tatverdacht gegen den Kollegen Pofalla gege-
ben hat. Das Gericht hat alle – komplett alle –
Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse für
rechtswidrig erklärt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ein Skandal ist das!)


Bei dieser Lage will man uns allen Ernstes weisma-
chen, dass es nur ein Zufall sei, dass die beiden gegen den
Kollegen Pofalla ermittelnden Staatsanwälte nicht aus der
zuständigen Staatsanwaltschaft in Kleve kommen, son-
dern erst Anfang des Jahres aus dem Landesjustizministe-
rium nach Kleve versetzt wurden.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Einer der beiden Helden soll in Kürze als leitender Ober-
staatsanwalt Behördenchef in Kleve werden. – Befehl
ausgeführt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn den Befehl gegeben?)


Die zweite Koryphäe soll ihm in zwei Jahren nachfolgen.
Gibt es hier im Parlament tatsächlich irgendjemanden, der
bei diesen Versetzungen und Beförderungen an einen Zu-
fall glaubt?

Warum wurde auf dem sozialdemokratischen Dienst-
weg vom Generalstaatsanwalt in Düsseldorf über den
Landesjustizminister, über die Bundesministerin der Jus-
tiz bis zum Präsidenten des Deutschen Bundestages und
von dort zur Vorsitzenden des Immunitätsausschusses
nicht ein einziges Mal gründlich überprüft, ob tatsächlich
ein Tatverdacht vorliegt –


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Unglaublich! Das dürfen wir überhaupt nicht!)


– und ob die Behauptung der Staatsanwaltschaft, es sei
wegen drohender Verjährung geboten, die Hausdurchsu-
chungen und Beschlagnahmen sofort zu genehmigen,
tatsächlich richtig ist? Ein kurzer Blick in § 78b des Straf-
gesetzbuches hätte genügt, um festzustellen, dass diese
Behauptung im Hinblick auf den Kollegen Pofalla grober
Unfug ist.

Gibt es hier im Deutschen Bundestag irgendjemanden,
der nur an eine Kombination von Schlamperei und
Dummheit glaubt? Minister Dieckmann sagt, er hätte per-
sönlich von dem Treiben seiner Staatsanwälte keine
Kenntnis gehabt. Glauben wir das einmal und warten wir
ab, ob er die Wahrheit sagt.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Andere Minister müssen deswegen zurücktreten! – Alfred Hartenbach [SPD]: Was dem Koch Recht ist ...!)





Wolfgang Bosbach
11452


(C)



(D)



(A)



(B)


Warum hat sich eigentlich bis zur Stunde keiner der be-
teiligten sozialdemokratischen Würdenträger bei dem
Kollegen Pofalla entschuldigt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Ihre Kollegen haben doch zugestimmt!)


Sie können das heute in dieser Debatte nachholen.
Minister Schily ist leider gegangen: Ich hätte ihm gerne

gesagt: Wer die Parteispendenaffäre erwähnt und zum
Fall Pofalla schweigt, hat ein gespaltenes Rechtsver-
ständnis.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Funke [F.D.P.] – Norbert Geis [CDU/ CSU]: Der ist unglaubwürdig!)


Die parteipolitische Wertung der Parteispendenaffäre ist
die eine Sache. Wenn aber ein Innenminister der Bundes-
republik Deutschland einerseits Entscheidungen des Bun-
desverfassungsgerichtes zitiert und andererseits dann das
Plenum und sein Amt dazu benutzt, auf die unabhängige
Justiz in einem ganz konkreten Fall aus parteipolitischen
Motiven Druck auszuüben, dann geht das entschieden zu
weit und ist scheinheilig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Funke [F.D.P.] – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)


Noch ein kurzes Wort zum Thema rot-grünes Rechts-
verständnis. Das Recht auf freie Meinungsäußerung
und das Demonstrationsrecht sind elementare Grund-
rechte. Sie gelten sogar dann, wenn sich der Volkszorn ge-
gen eine rot-grüne Regierung richtet. – Nur zur Klarstel-
lung. Klar ist auch, dass derjenige, der demonstrieren will,
das Recht beachten muss und vor allen Dingen keine
Straftaten begehen darf. Für diesen Fall hat der Kanzler
mit der ganzen Härte des Gesetzes gedroht.

Aber eines muss ebenfalls klar sein: Man kann nicht
die aufgebrachten Bergarbeiter, die in Bonn die F.D.P.-
Zentrale attackieren, den Verkehr lahm legen, das Regie-
rungsviertel blockieren und die Bannmeile durchbrechen,
bejubeln und mit Durchhalteparolen unterstützen und
protestierenden Brummifahrern, die um ihre Existenz
bangen, mit der Staatsmacht drohen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nötigung!)


So verhilft man dem Recht nicht zur Geltung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Funke [F.D.P.])

In wenigen Tagen erfolgt die Sachverständigenan-

hörung zu dem Herzensanliegen des Kanzlers, unter dem
Arbeitstitel „eingetragene Lebenspartnerschaften“ ho-
mosexuellen Paaren den Weg zum Standesamt und zur
Eheschließung zu ermöglichen. Den Mut, das Kind beim
Namen zu nennen, hat die Koalition nicht. Mit minimalen
Ausnahmen übertragen Sie die eherechtlichen Regelun-
gen und die damit verbundenen Wirkungen. Sie schaffen
eine vollständige Kopie der Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare, die Sie jedoch zur Beruhigung der Bevölkerung

nicht Ehe, sondern anders nennen. Gleichzeitig behaupten
Sie zur Rechtfertigung des Angriffs auf Ehe und Familie,
dass diese Initiative wegen des Gleichheitsgebotes des
Grundgesetzes aus Gründen der Gerechtigkeit dringend
geboten sei. Diese Argumentation belegt, dass Sie von
dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung eine falsche
Vorstellung haben.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Nichts verstanden haben! – Zuruf von der SPD: Frau Merkel ist aber schon umgeschwenkt, Herr Bosbach!)


Gleichbehandlung bedeutet, nur Gleiches gleich zu be-
handeln, und im Umkehrschluss; Ungleiches ungleich zu
behandeln.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine schematische automatische Übertragung von
Rechtsvorschriften und damit verbundenen Rechtswir-
kungen von einem gesellschaftlichen Bereich auf den an-
deren ohne Rücksichtnahme auf fundamentale Unter-
schiede ist kein Gebot des Artikel 3 Grundgesetz, sondern
ein Verstoß dagegen.

Macht es Sie eigentlich kein bisschen nachdenklich,
wenn nicht nur die Union und mit ihr große Teile der Be-
völkerung, sondern auch die beiden großen christlichen
Kirchen und viele namhafte Familien- und Staatsrechtler
Ihren Gesetzentwurf mit guten Argumenten ablehnen?

Sie sagen: Der Ehe werde nichts genommen; deshalb
werde Artikel 6 des Grundgesetz nicht verletzt. Richtig ist
das Gegenteil: Es ist gerade das politische Ziel der rot-
grünen Pläne, dem traditionellen, bewährten Leitbild der
Ehe und Familie die gesetzliche und gesellschaftliche
Vorrangstellung zu nehmen.


(Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich, was denn sonst? – Zuruf von der SPD: Ich würde an Ihrer Stelle im Urwald auf die Bäume gehen!)


– Sie sollten den Mut haben, das auch zuzugestehen.
Sie geben das Ziel des besonderen Schutzes des Staa-

tes für Ehe und Familie auf und wollen alle Formen des
Zusammenlebens einebnen.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Es wäre schön, wenn es so wäre!)


Es soll zukünftig gerade keine Vorrangstellung von
Ehe und Familie vor anderen Formen des Zusammenle-
bens geben. Ehe und Familie sind jedoch die Keimzelle
jeder staatlichen Gemeinschaft. Darum stehen sie unter
dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Wir sind gern bereit, mit Ihnen offen darüber zu disku-
tieren, wie dies auf geeignete Art und Weise geschehen
kann. Wir wollen in schwierigen Lebenssituationen hel-
fen und sind selbstverständlich bereit, dort Konsequenzen
zu ziehen, wo es die gleichgeschlechtlichen Partner nach
der derzeitigen Rechtslage nicht schaffen, ihre Probleme
zu lösen.


(Zuruf von der SPD: Die bedürfen doch keiner Therapie!)





Wolfgang Bosbach

11453


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411907300
Herr Kol-
lege Bosbach, kommen Sie bitte zum Schluss.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1411907400
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.

Wenn Sie aber weiterhin Ihren Plan verfolgen, auch ho-
mosexuellen Paaren unter der Überschrift „eingetragene
Lebenspartnerschaften“ die Eheschließung zu ermögli-
chen, dann werden Sie zwangsläufig scheitern und mög-
licherweise denjenigen, denen Sie helfen möchten, nicht
helfen können.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Ingrid Holzhüter [SPD]: Als ob die Ehe ein Paradies wäre! Ich kenne da ganz andere Fälle!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1411907500
Das Wort
hat jetzt der Kollege Volker Beck von Bündnis 90/Die
Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411907600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu
dem, was Sie, Herr Bosbach, hinsichtlich des Kollegen
Pofalla gesagt haben. Wenn Herrn Pofalla in diesem Zu-
sammenhang Unrecht geschehen sein sollte, –


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das steht ja fest!)


– dann bedauern wir dies. Aber die Vorwürfe insbeson-
dere gegen das Bundesjustizministerium, –


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nicht „insbesondere!“)


– die Sie aus diesem Vorfall abgeleitet haben, sind völlig
unangemessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das Bundesjustizministerium ist nicht die Prüfbehörde
für Tätigkeiten der Landesjustizverwaltung in Nordrhein-
Westfalen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das hat Herr Bosbach nicht verstanden! Das ist das Staatsverständnis der CDU/CSU!)


Was da geschehen ist, müssen wir uns alle genau an-
schauen; da haben Sie Recht. Wenn wir weiterhin darüber
diskutieren wollen, müssen wir diesen Sachverhalt sehr
präzise untersuchen und genau feststellen, wer da was
verbockt hat.

Der Reformstau in der Rechtspolitik löst sich all-
mählich auf. Endlich, muss man sagen. Statt auf Flick-
schusterei, wie sie noch unter Schwarz-Gelb mit diversen
Rechtspflegeentlastungsgesetzen üblich war, setzt Rot-
Grün auf eine Komplettreparatur der Justiz. Meine Da-
men und Herren von der Union, selbst Ihr bayerischer
Parteifreund, Herr Justizminister Weiß, erkennt offenbar
die Zeichen der Zeit. Schauen Sie nur, wie er sich im ak-
tuellen „Focus“ geradezu erleichtert und erfreut über un-

ser Gesetz zur außergerichtlichen Streitbeilegung äußert.
Damit wird nämlich auch in Bayern ermöglicht, dass die
überlasteten Gerichte nicht mehr mit jedem Bagatellfall
belästigt werden. Schlichten statt Richten, das ist rot-
grüne Rechtspolitik in diesem Bereich, auf die man of-
fensichtlich auch in Bayern lange gewartet hat.

Konsequent und zügig treibt diese Koalition die not-
wendigen Modernisierung der Justiz voran. Nach der Ein-
führung der außergerichtlichen Streitschlichtung bei
Bagatell- und Nachbarschaftsstreitigkeiten und nach der
Reform der Präsidialverfassung haben wir jetzt eine Re-
form des Zivilprozesses auf den Weg gebracht. Wir stär-
ken dabei die Eingangsgerichte qualitativ und personell.
Deswegen werden in Zukunft die Korrekturzahlen, die
Sie vorhin im Hinblick auf Rechtsmittel erwähnt haben,
anders ausfallen. Die erstinstanzlichen Entscheidungen
werden eine höhere Qualität haben und deshalb auch häu-
figer als heute Bestand haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt schon 97 Prozent!)


Es ist schon absurd, wenn uns jetzt von Ihnen vorge-
worfen wird, Rot-Grün betreibe mit dieser Reform den
Abbau von Rechtsstaatlichkeit.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das sagen ja alle!)


Das Gegenteil ist richtig. Gegen 40 Prozent der erst-
instanzlichen Urteile steht heute kein Rechtsmittel zur
Verfügung, sieht man vom Gang nach Karlsruhe wegen
Verwehrung rechtlichen Gehörs ab. Damit machen wir
Schluss. Wir schaffen auch in diesen Fällen bei groben
Rechtsfehlern eine rechtliche Überprüfbarkeit. Das ist
eine Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und eine Ver-
besserung für die Recht suchenden Bürger.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das kann sich ja niemand leisten!)


Die Menschen beschweren sich im Zusammenhang
mit der Justiz am meisten über Verzögerungen. Das ist
auch klar, wenn in einem Amtsgericht die Richterinnen
und Richter durchschnittlich bis zu 650 Fälle im Jahr zu
bearbeiten haben. Da leidet auch beim fleißigsten Richter
manchmal die Qualität der Entscheidung.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben doch die schnellsten Erledigungen in der ganzen Welt!)


Das werden wir verbessern, ohne an falschen Stellen Ein-
schnitte vorzunehmen.

Als Bündnisgrüne haben wir erreicht, dass, wenn not-
wendig, Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz auch
in der Berufungsinstanz überprüft werden können. Der
Richterbund findet das überflüssig; der Anwaltschaft ist
damit das Fenster zur nächsten Instanz noch nicht weit ge-
nug aufgestoßen. Diese kontroverse Kritik zeigt, dass wir
eine gute und ausgewogene Lösung gefunden haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alfred Hartenbach [SPD])







(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Koalition hat den Mut, den Rechtsstaat von Grund
auf zu modernisieren, wo dies geboten ist. Es ist auch an
einem Punkt geboten, den Sie in Ihrer Rede erwähnt ha-
ben: die eingetragene Partnerschaft. Es ist einfach nicht
hinzunehmen, dass es in unserer Gesellschaft eine Gruppe
gibt, nämlich die Schwulen und Lesben, die kein Recht
haben, ihre Partnerschaften als Verantwortungs- und Ein-
stehensgemeinschaften unter rechtlichem Schutz zu le-
ben. Es ist ein Skandal, dass dieser Zustand schon seit
Jahrzehnten unter der Geltung des Grundgesetzes andau-
ert, obwohl uns die Gerichte inzwischen sagen, dass sich
auch die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft auf
den Schutz des Grundgesetzes berufen kann, nämlich auf
die Handlungsfreiheit, den Schutz der Menschenwürde
und die Gleichheit vor dem Gesetz. Das hat uns Karlsruhe
1993 ausdrücklich ins Stammbuch geschrieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann haben Sie das Urteil falsch verstanden!)


Sie haben ja ein Verständnis des Artikel 6 des Grund-
gesetzes, den Sie hier immer vortragen, das ein bezeich-
nendes Licht auf die Familienpolitik der CDU wirft. Für
Sie ist Artikel 6 des Grundgesetzes in seiner Bedeutung
nur noch ein Ausgrenzungsartikel, nicht ein Artikel, bei
dem wir sagen: Wir fördern Partnerschaftlichkeit und Fa-
milie. Für Sie geht es nur darum, andere Lebensformen,
die Ihrem Leitbild nicht entsprechen, auszugrenzen und
zu diskriminieren.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie wissen doch selbst, dass das nicht wahr ist, was Sie sagen!)


Das ist nicht unser Verständnis. Diese Koalition hat wie
keine andere Koalition zuvor für die Familie gearbeitet:
beim Erziehungsgeld, beim Kindergeld und bei der Steu-
erreform. Deshalb haben wir es, um familienfreundlich zu
sein, nicht nötig, andere Lebensformen auszugrenzen
und zu diskriminieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie nehmen die Verfassung nicht ernst!)


Wissen Sie, Herr Bosbach, man muss sich ja schon
manchmal über die Diskussion in unserem Land in Bezug
auf solche Themen wundern. Da wird ein Buhei gemacht!


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das stimmt! Da haben Sie Recht!)


In anderen Ländern, zum Beispiel den Niederlanden,
Skandinavien oder Frankreich, diskutiert man solche Fra-
gen ergebnisorientiert und viel gelassener. Ich will auf
eine dpa-Meldung dieser Woche hinweisen, wonach un-
ser Nachbarland Niederlande in dieser Frage viel, viel
weiter geht und trotzdem sehr gelassen damit umgeht. Das
Niederländische Zweite Haus hat diese Woche mit 107 zu
33 Stimmen beschlossen, die Ehe für gleichgeschlechtli-
che Paare zu öffnen. Dieses Gesetz wurde unter Zustim-
mung der Sozialdemokraten, der Grünen, der Liberalen

aller Schattierungen und von einem Teil der Christdemo-
kraten beschlossen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Was sagt uns das jetzt?)


Dort hat man anerkannt, dass der Respekt des Rechts
auch vor den homosexuellen Partnerschaften nicht Halt
machen kann. Wenn man dagegen in Ihre Vorschläge,
Herr Bosbach, sieht, wo Sie vereinzelt sagen, Sie wollten
den Homosexuellen helfen, erkennt man, dass das fol-
gende Sachverhalte betrifft: auf dem Totenbett, im Kran-
kenhaus, in der Justizvollzugsanstalt und im Gerichtssaal.
Da sehen Sie die Homosexuellen und da wollen Sie ihnen
ein bisschen helfen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Was spricht denn dagegen? Die Menschen wollen aber ihre Partnerschaft begründen und ihr Leben gestalten, und das findet nicht nur an diesen Orten statt, auch wenn das offensichtlich noch Ihrem etwas zurückgebliebenen Bild von dieser sozialen Gruppe entspricht. Wir packen die notwendigen Reformen auch in anderen Bereichen an und werden sie in diesem Jahr auf den Weg bringen bzw. durchsetzen: zum Beispiel die Reform des Mietrechts und des strafrechtlichen Sanktionensystems. Das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung, das wir hier beschlossen haben, setzt ein wichtiges Zeichen, und ich hoffe, dass Sie das im Bundesrat mitmachen. Wir müssen ein Signal gegen die Gewalt in der Gesellschaft setzen. Wir wollen festhalten, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. (Norbert Geis [CDU/CSU]: Aus diesem Gesetz wird nichts hervorgehen! Reine Deklamation!)


Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Gewalt-
prävention. Wir durchbrechen die Spirale der Gewalt,
weil wir aus den Untersuchungen über gewalttätige kri-
minelle Jugendliche wissen, dass ein großer Teil derjeni-
gen, die bei Körperverletzungsdelikten auffällig werden,
in ihrer Kindheit im Elternhaus Opfer von Gewalt gewe-
sen sind. Wenn wir dagegen wirklich etwas machen wol-
len, müssen wir unmissverständlich klarmachen: Gewalt-
mittel sind keine Erziehungsmittel. Genau da setzen wir
ein Zeichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei der Sanktionenrechtsreform, die noch in diesem
Jahr auf den Weg gebracht wird, werden wir den Gerich-
ten das Instrument der gemeinnützigen Arbeit an die Hand
geben. „Schwitzen statt Sitzen“ ist das Motto. Das ist bes-
ser, als die ohnehin belasteten Gefängnisse mit Leuten zu
füllen, denen die Mittel zur Bezahlung ihrer Geldstrafen
fehlen. Auch die Aufwertung des Fahrverbotes zur Haupt-
strafe ist sinnvoll. Die Mobilitätseinbuße schmerzt den
gut verdienenden Täter wesentlich mehr als eine Geld-
strafe, die er locker wegsteckt.

In den Diskussionen der letzten Wochen wurden aber
auch Forderungen nach höheren Strafen für rechts-
extremistische Täter laut. Ich möchte dazu ganz klar




Volker Beck (Köln)


11455


(C)



(D)



(A)



(B)


sagen: Spezielle Sanktionen für rechtsradikale Täter oder
Sonderstraftatbestände aus Gesinnungsgründen lehnen
wir ab. Eine derartige Sonderbehandlung wäre verfas-
sungswidrig.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Da sind wir einer Meinung!)


Ein Gesinnungsstrafrecht würde die Rechtssicherheit und
das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz erheblich
gefährden. Ich möchte eindringlich davor warnen, im
Rahmen der Rechtsextremismusdebatte allzu sehr auf sol-
che populistischen Schnellschüsse zu setzen. Sagen Sie
– Herr Geis, Sie nicken so freundlich – das bitte Herrn
Schelter in Brandenburg, der solche Vorschläge gemacht
hat.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sagen Sie das Herrn Struck! Der ist aber nicht da!)


Wir haben gesehen, der Rechtsstaat ist in der Lage,
konsequent und angemessen zu reagieren. Wer in
Deutschland fremde Mitbürgerinnen und -bürger durch
die Straßen hetzt, sie beleidigt, verletzt und tötet, der kann
dafür hinreichend bestraft werden. Im Rahmen der Straf-
zumessung müssen die Gerichte das Motiv „Ausländer-
hass“ sogar strafverschärfend berücksichtigen.


(V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)

Wir haben an den Urteilen, die in Sachsen-Anhalt ge-

fällt wurden, gesehen, dass auch entsprechend reagiert
wird. Es wurde einmal Lebenslänglich und zweimal eine
Jugendstrafe von neun Jahren verhängt. Völlig zu Recht!
Das war ein klares Signal des Rechtsstaates, dass solche
Gewalttaten von uns nicht hingenommen werden und
dass derjenige, der sie begeht, außerhalb dieser Gesell-
schaft steht. Wir brauchen also zwar keine neuen Gesetze,
aber wir brauchen jede Menge kreative Maßnahmen, um
die Zivilgesellschaftlichkeit zu stärken und um denjeni-
gen zu helfen, die Opfer von solchen Gewalttaten werden.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411907700
Das Wort für die
F.D.P.-Fraktion hat der Kollege Rainer Funke.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1411907800
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Das Bundesjustizministerium ist trotz
seiner geringen Größe und des geringen Volumens seines
Haushalts ein bedeutendes Haus und ist hinsichtlich der
Wahrung unseres Rechtsstaates, der rechtlichen Rahmen-
bedingungen unserer Wirtschaft und der Wahrung der
Freiheitsrechte des Bürgers aus unserer Gesellschaft
– Gott sei Dank – nicht mehr wegzudenken. Damit ver-
bunden sind natürlich hohe Ansprüche an das Bundesjus-
tizministerium, aber auch an Sie, Frau Ministerin. Diese
hohe Messlatte ist auch an Ihr Vorhaben einer Justizre-
form anzulegen, die Sie zurzeit betreiben.

Eine Justizreform macht nur dann Sinn, wenn der
Rechtsschutz des Bürgers gewährt bleibt und wenn sie
nicht gegen die Beteiligten, sondern mit ihnen gemeinsam

durchgeführt wird. Nichts davon wird durch Ihre angebli-
che Justizreform erfüllt.


(Beifall des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU])


Der Rechtsschutz des Bürgers wird in der zweiten Instanz
drastisch verkürzt. Rechtsanwälte, Richter und praktisch
alle mit dem Rechtswesen verbundenen Verbände lehnen
diese Reform ab. Auch die Mehrzahl der Länder hat sich
in die Reihen der Kritiker begeben. Sie sollten unter die-
sen Umständen Ihren Entwurf schleunigst zurückziehen.

Schließlich ist der Rechtsfrieden unserer Gesellschaft
ein äußerst wichtiges Gut. Ehe man grundlegende Verän-
derungen vornimmt, muss eine ausführliche Diskussion
erfolgen. Diese Diskussion haben Sie, Frau Ministerin,
zwar angekündigt, aber Sie haben diese Ankündigung
nicht wahr werden lassen;


(Beifall bei der F.D.P.)

denn die Anwaltsvereine, die Anwaltskammern und die
Richterschaft sind nicht rechtzeitig informiert worden.


(Beifall bei der F.D.P.)

Deswegen ist es zweckmäßig, hier noch einmal genau zu
fragen: Was brauchen wir für eine Justizreform? Wir brau-
chen im Grunde genommen noch eine grundlegende Dis-
kussion.

Mit großer Sorge sieht unsere Fraktion, dass das Pa-
tent- und Markenamt zurzeit über 100 000 Anträge
nicht bearbeitet hat. Diese Zahl wird nach Auskunft des
Präsidenten dieses Amtes weiter steigen. Aber die Wirt-
schaft und die Rechteinhaber sind auf eine zügige Ab-
arbeitung der Anträge schon aus Gründen der Konkurrenz
mit den internationalen Wettbewerbern angewiesen. Die
F.D.P. wird daher bei den Haushaltsberatungen Anträge
stellen – Frau Ministerin, hören Sie doch zu, dann kann
man das vielleicht auch gemeinsam regeln –, das Personal
weiter aufzustocken, damit beim Patent- und Markenamt
ordnungsgemäß gearbeitet werden kann.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Ministerin, wir sind auch bereit, Ihren zusätzli-
chen Wunsch zu unterstützen, einen Arbeitsstab für die
Beilegung internationaler Sorgerechtsstreitigkeiten, ins-
besondere in Kindschaftssachen, einzurichten. Wir wer-
den das im Haushaltsausschuss und auch im Rechtsaus-
schuss unterstützen. Genauso unterstützen wir Ihre
Vorschläge zum Täter-Opfer-Ausgleich und Ihren Kampf
gegen die Gewalt in der Familie.


(Beifall bei der F.D.P.)

Mit Sorge sehen wir dagegen, dass Sie Ihre Ankündi-

gung, die Sie schon vor zwei Jahren in diesem Hause ge-
macht haben – nämlich bei der Regierungserklärung –,
eine fünfte und sechste Urheberrechtsnovelle einzubrin-
gen, bis heute nicht umgesetzt haben. Sie haben sich le-
diglich positiv zu einem Gesetzentwurf einiger Professo-
ren zum Urhebervertragsrecht – das hat nichts mit dem
Urheberrecht zu tun – geäußert. Dies ersetzt natürlich
nicht das Einbringen eines eigenen Gesetzentwurfs in den




Volker Beck (Köln)

11456


(C)



(D)



(A)



(B)


Deutschen Bundestag. Das Urheberrecht ist bei Ihnen we-
nigstens zurzeit leider noch schlecht aufgehoben.


(Beifall bei der F.D.P.)

Eine Reihe von Gesetzentwürfen, wie zum Beispiel

das Mietrecht, die Änderung des Strafvollzugsgesetzes
zur Gefangenenentlohnung, die Verbesserung der Juris-
tenausbildung, die Änderungen zu Art. 16 und 12a des
Grundgesetzes, bedürfen wegen ihrer grundlegenden Be-
deutung ausführlicher Diskussion und eines möglichst
breiten Konsenses innerhalb des Bundestages, mit dem
Bundesrat und sicherlich auch mit der Gesellschaft. In
diesem Zusammenhang darf ich ausdrücklich betonen,
dass der Ton und die Argumentationsweise von Ihnen – im
Gegensatz zur früheren kollegialen Zusammenarbeit im
Deutschen Bundestag – der Sache nicht immer dienlich
gewesen sind. Ich will es bei dieser etwas vornehmen Um-
schreibung belassen.

Das Justizministerium ist immer ein Hort sachgerech-
ter Mitprüfung der Gesetzesvorhaben der anderen Fach-
ressorts gewesen. Die Prüfung der Rechtsförmlichkeit der
Gesetzesvorhaben anderer Häuser hat ja einen guten Sinn.
Mit Sorge betrachte ich, dass gerade im letzten Jahr diese
Prüfung allzu häufig wegen der Nichteinhaltung von Fris-
ten durch andere Häuser nicht möglich gewesen ist. Sie
haben das einfach widerspruchslos hingenommen. Es ist
nicht nur einmal vorgekommen, dass die Vertreter Ihres
Hauses im Rechtsausschuss erklären mussten, dass sie die
Änderungsanträge und Vorlagen anderer Häuser auch
vorher nicht gesehen haben, geschweige denn sie haben
prüfen können. Gerade Sie als Justizministerin sollten da-
rauf achten, dass in Zukunft wieder geordnete Beratungs-
grundlagen im Rechtsausschuss vorhanden sind, denn nur
so können wir unserem gemeinsamen Ziel, die Rechts-
ordnung den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Än-
derungen anzupassen, gerecht werden. Dazu wünsche ich
Ihren hervorragenden Mitarbeitern und auch Ihnen, Frau
Ministerin, Erfolg.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411907900
Für die PDS-Fraktion
hat die Kollegin Dr. Evelyn Kenzler das Wort.


Dr. Evelyn Kenzler (PDS):
Rede ID: ID1411908000
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind be-
kanntermaßen Abrechnungsdebatten im doppelten Sinne.
Abgesehen von der Frage, ob im kommenden Jahr das ge-
plante Budget in vernünftiger Relation zu den anstehen-
den Aufgaben angesetzt wird und sachgerecht eingesetzt
werden soll, geht es gerade in der ersten Lesung um eine
inhaltliche Bilanz, zumal – wie die Fußballer sagen wür-
den – gerade die zweite Halbzeit angepfiffen wurde. Die
hektischen Aktivitäten des Ministeriums kurz vor Beginn
der Sommerpause, um den Entwurf zum ZPO-Reformge-
setz noch in der ersten Halbzeit in Richtung Tor zu bewe-
gen, zeigen, dass man sich in der Jerusalemer Straße
mächtig ins Zeug gelegt hat, um die Halbzeitbilanz posi-
tiv zu beeinflussen.

Wie sieht diese Bilanz aus? Bei einigen Gesetz-
gebungsvorhaben der Koalition ist durchaus das eine oder
andere Positive erreicht worden. Es bleibt jedoch in den
verbleibenden zwei Jahren noch viel zu tun, zum Beispiel
in den Bereichen der Verbraucherinsolvenz, des Sanktio-
nensystems oder auch des Grundstücksrechts. Ich habe er-
hebliche Zweifel, ob die wichtigen Vorhaben in dieser
Legislaturperiode zu tatsächlichen Reformen geführt wer-
den bzw. überhaupt realisiert werden können. Fraglich er-
scheint mir dabei insbesondere, wieweit die Bundesregie-
rung bei ihren Reformvorhaben in der Rechtspolitik an
ihren eigenen inhaltlichen Zielvorstellungen festhalten
kann.

Bei der Mietrechtsreform mussten Sie, Frau Ministe-
rin, bereits an zwei wichtigen Punkten, nämlich bei der
Modernisierungsumlage und bei den verkürzten Kündi-
gungsfristen für Mieter, deutliche Zugeständnisse ma-
chen, um den Entwurf überhaupt durch das Kabinett zu
bringen. Auch wenn ich weiß, dass größere und große
Projekte ohne Kompromisse kaum zu haben sind, hoffe
ich doch, dass die nächsten Projekte nicht unter dem
mächtigen Druck der Vermieterverbände einseitig zulas-
ten der Mieter gehen.


(Beifall bei der PDS)

Sie werden dazu in Kürze auch einen ausführlichen Än-
derungsantrag unserer Fraktion erhalten.

Die Geschichte der Justizreform in Deutschland ist im
Wesentlichen eine Geschichte des Scheiterns. Sie ist auch
eine Leidensgeschichte der jeweils amtierenden Justizmi-
nister. Im Gegensatz zu früheren Reformvorhaben sind
die Voraussetzungen aber heute besser; denn wir verfügen
dank qualifizierter rechtstatsächlicher Untersuchungen
über eine gute Datenbasis. Deshalb begrüße ich auch die
geplanten Mehrausgaben für Forschungen und Untersu-
chungen. Daten allein reichen aber nicht aus.

Ich will heute nicht über die Gründe des Widerstandes
gegen die Reform orakeln. Auch hier wird es naturgemäß
ohne Zugeständnisse nicht abgehen. Ich sehe vor allem
das Problem, dass wir jetzt zwar einen Entwurf vorzule-
gen haben, der vor allem die Rechtsmittelreform be-
inhaltet, dass jedoch die zweite Seite der Medaille, die an-
gekündigte Reform der Gerichtsverfassung, das heißt vor
allem die Frage der zu begrüßenden Dreistufigkeit, bisher
nur durchscheint.

Wenn jedoch, wie es sich gegenwärtig abzeichnet, bei
der Rechtsmittelreform von den ursprünglichen Vorstel-
lungen immer weiter abgewichen wird oder abgewichen
werden muss, gerät das Gesamtkonzept, einschließlich ei-
nes dreigliedrigen Gerichtsaufbaus, ins Wanken. Es be-
steht die ernsthafte Gefahr, dass am Ende beide Seiten
nicht mehr zusammenpassen. Um nicht missverstanden
zu werden: Ich sehe durchaus begründeten Änderungsbe-
darf beim vorliegenden Entwurf, gerade im Hinblick auf
die zweite Instanz. Die Reform des Zivilprozesses und der
Gerichtsverfassung sind jedoch zwei Seiten einer Me-
daille und müssen deshalb aus einem Guss entstehen.

Hinzu kommt, dass diese Reform, wenn sie funktio-
nieren soll, Geld kosten wird. Wenn uns Recht und
Rechtsstaat teuer sind, wie Sie, Frau Ministerin Däubler-
Gmelin, zum Beispiel auf dem rechtspolitischen




Rainer Funke

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(C)



(D)



(A)



(B)


Kongress Ihrer Partei 1997 in Mainz selber gesagt haben,
so muss auch offen und ehrlich über die Kosten gespro-
chen werden.


(Beifall bei der PDS)

Denn nur wenn die Finanzierung mit den Ländern zufrie-
denstellend geregelt werden kann, kann die Reform einen
deutlichen Schritt nach vorne machen.

Zu fragen ist auch, wie die Bürgerinnen und Bürger an-
gesprochen werden können, die die Reform doch in erster
Linie angeht. Ich weiß sehr wohl, wie schwer es ist, die
Bevölkerung für die Justiz insgesamt zu interessieren,
über den konkreten Einzelfall hinaus. Selbst die Diskus-
sion im Plenum fand praktisch nur unter Juristen statt. Als
hätte es sich bis in die Kuppel herumgesprochen, gibt es
kaum einmal interessierte Bürger, die diesen Fragen hier
Aufmerksamkeit zuwenden. Erfreulicherweise sieht der
neue Haushalt für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundes-
justizministeriums eine deutliche Steigerung vor, die hof-
fentlich auch für solche Zwecke verwendet wird.


(Beifall bei der PDS)

Wenn Politik ein starkes beharrliches Bohren von har-

ten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich be-
deutet, dann hat in der Rechtspolitik zunächst ein gele-
gentliches, jetzt allmählich stärker werdendes Klopfen
begonnen. Frau Ministerin, Sie haben sich für die zweite
Halbzeit nach dem, was Sie eben hier ausgeführt haben,
viel vorgenommen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge,
habe jedoch auch Skepsis, ob Sie sich dabei nicht verhe-
ben werden. Dort, wo das Recht tatsächlich zu mehr Recht
für die Schwächeren wird und werden soll, werden Sie in
meiner Fraktion einen Verbündeten haben.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD – Detlev von Larcher [SPD]: Wo ist das Angebot der CDU/CSU?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411908100
Nächster Redner für
die SPD-Fraktion ist der Kollege Alfred Hartenbach.


Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1411908200
Frau Präsidentin, ich
möchte Sie eigentlich bitten, die Sitzung zu unterbrechen,
bis der Herr Bosbach wieder da ist. Erst eine solche
Brandrede zu halten und dann abzuhauen gibt ein ganz
schlechtes Bild ab.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Helmut Wilhelm [Amberg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Da ich aber offensichtlich die Unterbrechung nicht be-
komme, muss ich ihn in Abwesenheit tadeln.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von Ihnen lasse ich mir nicht sagen, dass er „abhaut“! – Detlev von Larcher [SPD]: Der Abgeordnete auf der Flucht!)


Wenn, meine sehr verehrten Damen und Herren, im
Falle Pofalla etwas falsch gelaufen ist, dann, da können
Sie versichert sein, werden wir uns nicht gegen eine Auf-
klärung stellen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: In der Geschichte müssen Köpfe rollen!)


Sie aber, Herr Rechtsanwalt Bosbach, wo auch immer Sie
sich jetzt in diesem Hause nach Ihrer Schandrede ver-
stecken,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


sollten eines wissen: Vorverurteilungen in die eine wie in
die andere Richtung sind hier nicht angebracht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Wen hat er denn vorverurteilt?)


Wenn Sie hier berichten, sollten Sie auch wissen: Es
war nicht nur die Staatsanwaltschaft, es war ein deutsches
Amtsgericht, welches dem Immunitätsausschuss einen
Beschluss vorgelegt hat. Sie wissen genauso gut wie ich,
dass der Immunitätsausschuss gar nicht anders entschei-
den konnte.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es!)


Wo waren denn da Ihre Leute?

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Helmut Wilhelm [Amberg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ihre Brandrede zeigt doch, dass Sie eine ganz erbärmliche
Justizpolitik vertreten. Da ist nichts an Form, nichts an
Format, sondern nur Hetze, nur Bösartigkeit, nur Unwis-
sen, –


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie sind das beste Beispiel dafür!)


– nur, Herr Geis, übelste Polemik.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Helmut Wilhelm [Amberg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Unruhe bei der CDU/CSU)


Wir, meine Damen und Herren, werden unsere Re-
formpolitik heute sachlich darstellen. Wir werden unsere
Reformpolitik weiter betreiben.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Unkontrollierte Leute sind gefährlich!)


Die Menschen in diesem Land haben nämlich verstanden,
dass nach 16 Jahren Stillstand dieser Tu-nichts-Koalition
endlich wieder etwas geschehen muss.


(Beifall bei der SPD)

Mit einigem Stolz können wir auf eine gute Bilanz ver-

weisen.

(Zuruf von der SPD: Eine hervorragende! – Lachen des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/ CSU])


Wir haben sicher keine Gesetze am Fließband produziert,
was die Opposition ja manchmal kritisiert, aber wir haben
mit Verstand Gesetze mit Inhalt gemacht. Die Gesetze, die
wir verabschiedet haben, überzeugen durch Inhalt und
Qualität. Dabei setzen wir, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, unsere Schwerpunkte genau in den Bereichen,
die die Vorgängerregierung entweder nicht erkannt oder




Dr. Evelyn Kenzler
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(D)



(A)



(B)


sträflich vernachlässigt hat. Das sind die Gebiete des
Gesellschaftsrechts, des Wirtschafts- und Wettbewerbs-
rechts, besonders aber die ordentliche Gerichtsbarkeit, die
dringend der Reform bedarf.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wo waren Sie denn in den letzten zehn Jahren? – Rainer Funke [F.D.P.]: Er war selbst Berichterstatter!)


Wir haben einen mutigen Schritt getan, indem wir das
Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften in ei-
ner viel beachteten ersten Lesung in das Gesetzgebungs-
verfahren eingebracht haben. Hier hat sich gezeigt, dass
die rot-grüne Rechtspolitik arbeitsfähig und zukunftsori-
entiert ist. Wir haben das Ende der Diskriminierung von
Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung eingeläu-
tet und damit für einen großen Personenkreis neue gesell-
schaftliche Perspektiven geschaffen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wo versteckt sich eigentlich der Herr Beck?)


– Herr Beck hat sich bei mir entschuldigt. – Wir erwarten
von allen Parteien hier im Bundestag, dass sie nicht nur
polemisieren, sondern es so wie Ihre Vorsitzende machen,
die ja schon auf die Schwulen und Lesben Ihrer Partei
zugegangen ist, und mit uns über das Thema sachlich re-
den.

Die Bürgerinnen und Bürger der mittel- und ost-
deutschen Bundesländer finden in uns einen Anwalt ih-
rer Sache. So haben wir im Zweiten SED-Unrechtsberei-
nigungsgesetz die Stellung der Opfer verbessert und ihre
Rechte gestärkt. Mit dem Grundstückrechtsänderungs-
gesetz wollen wir den Ländern und Kommunen mehr
Planungssicherheit geben. Es ist für mich völlig unver-
ständlich, dass dieses Gesetz von der Mehrheit im Bun-
desrat blockiert wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der

Koalition, eine zukunftsorientierte Planung unserer Mi-
nisterin und eine solide und gründliche Fleißarbeit der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizministerium
werden weitere Früchte unserer Arbeit bringen.

Dank der neuen Offenheit der Justizministerin im
Gesetzgebungsverfahren wissen diejenigen, die es an-
geht, dass wir insbesondere das Insolvenzgesetz ändern
und die Zugänge für die Verbraucherinsolvenz öffnen.
Herr Pick – – Er ist auch nicht da;


(Heiterkeit)

alle, die ich ansprechen will, sind nicht da.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Er ist bei seiner Fraktion! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben Herrn Stiegler auch während der Rede kommen lassen!)


Herr Professor Pick, ich wollte Sie gerade loben: So se-
hen insbesondere die Väter des Insolvenzgesetzes aus der
12. Legislaturperiode, dass es hier weitergeht.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen eine Chance für die gutwilligen Schuldner
eröffnen, damit sie wieder am Wirtschaftsleben teilneh-
men können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung stellen

sich derzeit immer wieder als Hemmnisse einer prospe-
rierenden Wirtschaft dar. Dafür haben Sie 16 Jahre lang
kein Auge gehabt. Dies in enger Zusammenarbeit mit
den Betroffenen zu verbessern wird eines unserer Ziele
sein.

Ebenso werden wir uns – da bin ich anderer Ansicht als
Sie, Herr Funke – dem Urheberrecht mit besonderer Auf-
merksamkeit widmen.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Das wird auch Zeit!)

Ich lade Sie als Fachmann besonders zu den Gesprächen
ein.

Wir unterstützen den Weg unserer Bundesjustiz-
ministerin, die Personaldecke im Deutschen Patent- und
Markenamt zu verbessern. Wir wissen, dass es hier seit
langem einen Schwachpunkt gibt, den wiederum Sie mit-
verursacht haben.


(Ludwig Stiegler [SPD]: So ist es! Keine Änderung beschlossen! Nur gebremst! Nichts gemacht! Alles verhindert!)


Wir wissen, dass hier eine moderne technische Ausstat-
tung notwendig ist. Hier kann die Frau Ministerin alle Un-
terstützung von uns erwarten.


(Beifall bei der SPD)

Eine unserer wichtigsten Aufgaben wird es jedoch

sein, die ordentliche Gerichtsbarkeit so zu modernisie-
ren, –


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jeder Richter einen Laptop!)


– dass sie bürgernah und effizienter wird und sich im eu-
ropäischen Wettbewerb behaupten kann.

Wenn Herr Bosbach – ich habe das eben in die Debatte
geworfen – selbst lesen und nicht lesen lassen würde, wie
er es offensichtlich getan hat,


(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

dann würde er merken, dass der Entwurf, wie wir ihn von
der Koalition eingebracht haben und wie er mittlerweile
als Regierungsentwurf im Bundesrat vorliegt, durchaus
eine sehr positive Beachtung gefunden hat.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Wo denn? Erzählen Sie doch mal! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Bei Müntefering?)


Ihr Herr Röttgen hat vom Deutschen Richterbund eins
übergebraten bekommen, weil er ihn falsch zitiert hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt wollen wir mal ein paar positive Stimmen hören!)


Ich verstehe aber auch, dass wir die Politik nicht auf den
Deutschen Richterbund übertragen dürfen.




Alfred Hartenbach

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben diesen Koalitionsentwurf eingebracht, weil
wir wissen, und zwar nicht erst seit gestern, dass die
Justiz reformbedürftig ist.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist unbestritten!)


Sie wissen das ebenfalls, denn Sie haben einen Entwurf
eingebracht, dessen Vorschriften sich zu etwa 40 Prozent
mit unseren Vorschlägen decken. Nur, heute tun Sie so, als
ob Sie von nichts mehr wüssten. Aber es ist ja bei Ihnen
in der Union nichts Neues, dass man vergisst, was man
gestern gesagt hat.


(Beifall bei der SPD)

Es ist hier wenig hilfreich, immer nur Nein zu sagen.

Heribert Prantl, den Sie sicherlich alle kennen und schät-
zen, hat gesagt: Die deutsche Justiz ist nicht das Paradies
auf Erden und die Zivilprozessordnung ist auch nicht die
Heilige Schrift. Er hat im „Deutschen Anwalts-
blatt“ 9/2000 – Bosbach sollte das lesen –, zum Besten ge-
geben – –


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411908300
Herr Kollege
Hartenbach, bevor Sie weiterzitieren, muss ich Sie darauf
aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.


Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1411908400
Schade, Frau Präsidentin,
dass Sie mich hier stoppen. Ich komme jetzt zum Schluss.
Gestatten Sie mir noch ein Wort.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411908500
Aber wirklich nur ein
kurzes!


Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1411908600
Wirklich nur ein Wort.
Wenn Sie immer nur Nein sagen, kommen wir nicht

weiter.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir würden so gerne Ja sagen!)


Bringen Sie doch auch einmal wieder etwas Positives hier
ein, nicht nur schwarze Kassen, Meineide und Falsch-
aussagen.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Billig!)

Ich kann Ihnen eines sagen: Wir werden das gemein-

sam schaffen.
Ihnen, Frau Ministerin, danke ich sehr herzlich für die

gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich bitte Sie,
dies auch Ihrer Leitungsebene und Ihren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern mitzuteilen, die ich genauso schätze wie
Herr Funke. Deswegen habe ich ihm eben eine Kusshand
zugeworfen; Sie wissen das.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411908700
Herr Kollege
Hartenbach, das war jetzt wirklich ein sehr, sehr langes Wort.


Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1411908800
Ich bedanke mich bei Ih-
nen für Ihre Langmut, Frau Präsidentin, und wünsche
noch ein schönes Wochenende.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411908900
Letzter Redner in die-
ser Debatte zum Geschäftsbereich Justiz ist der Kollege
Albrecht Feibel für die Fraktion der CDU/CSU.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1411909000
Frau Präsidentin! Ver-
ehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Bür-
gerinnen und Bürger! Herzlich willkommen hier bei uns
im Reichstag!


(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Vorhin wurde noch gesagt, es gebe keine interessierten
Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen also das Gegenteil
feststellen.

Da der Bundesfinanzminister anwesend ist, möchte ich
noch eine Bemerkung zu seinen Äußerungen in diesen Ta-
gen machen – die Kollegen von den Koalitionsfraktionen
haben sich dem angeschlossen –, bevor ich etwas zu der
Frau Justizministerin sage. Es geht mir um die 50 Pfennig,
die unter der CDU/CSU-Regierung als Steuer auf die
Treibstoffkosten aufgeschlagen wurden.

Lieber Herr Bundesminister, Sie verschweigen zweier-
lei: Erstens. Die Steuererhöhungen wurden in fast allen
Fällen auch mit Zustimmung der SPD durchgeführt, –


(Hans Eichel, Bundesminister: Richtig! Stimmen Sie auch mal zu!)


– wobei aber Ihre Änderungsanträge – ich habe mir das
extra angeschaut – lediglich formaler Natur waren. Sie
hatten nie das Ziel, diese Erhöhungen nicht in dieser
Größenordnung durchführen zu wollen.

Zweitens. Sie wissen – aber verschweigen es –, dass
diese Steuererhöhungen nicht willkürlich waren, sondern
dass es darum ging, damit die Kosten des Golfkrieges, der
Bahnreform und der deutschen Einheit mit zu finanzieren.


(Detlev von Larcher [SPD]: Das ist ein ganz neues Argument! Das haben wir noch nie gehört!)


Wie wir wissen, hat die Bundesregierung bei ihrem
Amtsantritt 1998 wichtige Reformen der Vorgängerregie-
rung zurückgenommen, –


(Alfred Hartenbach [SPD]: Reden Sie über den Justizhaushalt!)


– beispielsweise Rentenreform und Gesundheitsreform.
Bisher konnten wir allerdings nicht feststellen, Herr Bun-
desminister, dass die Regierung Schröder die damaligen
Steuererhöhungen zurückgenommen hätte. Die Bundes-
regierung von SPD und Grünen kritisiert zwar, kassiert
aber diese Erhöhungen munter weiter. Während sie kriti-
siert, sattelt sie weitere Belastungen drauf.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Jetzt kommen wir zum Justizhaushalt!)


– Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Das tut Ihnen
natürlich weh.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)





Alfred Hartenbach
11460


(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Politik führt zu gewaltigen Belastungen der Fa-
milien. Dieser Punkt muss doch immer wieder angespro-
chen werden. Wer in diesem Jahr für die Heizkosten
2000 DM gezahlt hat, der zahlt im nächsten Jahr
4 000 DM. Herr Kollege Hartenbach, das ist Ihre soziale
Politik.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Die haben keine soziale Politik!)


Sie verstehen unter sozialer Politik, dass Sie die Familien,
und gerade die mit geringem Einkommen, mit ihrer Öko-
steuer – die diese Bezeichnung ja gar nicht verdient – dop-
pelt belasten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Alfred Hartenbach [SPD]: Sie wollten doch über Ehe und Familie reden!)


Trotz einer leichten Verbesserung der Arbeitsmarkt-
zahlen ist das Arbeitslosenproblem immer noch be-
drückend. Ich nehme an, auch Sie stimmen dem zu. Auch
Frau Engelen-Kefer vom DGB kritisiert die Stagnation
auf dem Arbeitsmarkt: zu wenig neue Arbeitsplätze und
zu viele ältere Langzeitarbeitslose. Da hilft kein Schönre-
den, wir haben immer noch rund 4 Millionen Arbeitslose.
Daraus folgt: Die Bundesregierung muss alles tun, um das
notwendige Wirtschaftswachstum zu fördern, damit das
Problem der Arbeitslosigkeit wirksam angegangen wer-
den kann.


(Detlev von Larcher [SPD]: Was hat das mit dem Justizhaushalt zu tun? – Alfred Hartenbach [SPD]: Es gibt auch arbeitslose Juristen!)


– Hören Sie ruhig einmal zu! Sie haben sich vorhin über
den Kollegen Bosbach aufgeregt. Sie sollten wissen, dass
er vorhin unterwegs war, um den Kollegen Beck von den
Grünen zu suchen. Deswegen war er nicht anwesend.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wichtiger Impulsgeber für das Wirtschaftswachstum

und für neue Arbeitsplätze ist die Entwicklung neuer Pro-
dukte und Dienstleistungen. Deshalb – Frau Ministerin,
vielleicht hören Sie jetzt einmal zu – kommt dem Patent-
und Markenwesen in diesem Zusammenhang ganz be-
sondere Bedeutung zu.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD: Ah!)


Das erkannte die Frau Ministerin im letzten Jahr noch und
führte dann aus:


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: So ist es!)


Soweit die Frau Ministerin im letzten Jahr.
Diese 49 neuen Stellen haben Sie zwar versprochen,

aber weder in 2000 geschaffen, noch haben Sie die Ab-
sicht, dies in 2001 zu tun.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Jetzt kommt es raus!)


Tatsächlich sind es nämlich weniger Stellen, die Sie in
München schaffen werden, obwohl die Zahl der Patent-
anmeldungen enorm gestiegen ist. Von 1999 bis 2000 ha-

ben Sie in Wirklichkeit nicht 49 Stellen, sondern lediglich
10,5 neue Stellen geschaffen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Von 2000 zu 2001 wollen Sie 32,5 neue Stellen schaffen.
Frau Ministerin, Sie sollten ruhig zuhören.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist der Unterschied zwischen Reden und Handeln!)


Das sind von 1999 bis 2001 knapp 2 Prozent mehr Stel-
len.

Gleichzeitig sind die am Jahresende bestehenden
Überhänge an nicht bearbeiteten Patentanmeldungen –
das waren 1995 noch 70 000 – auf mehr als 100 000 ge-
stiegen. Das heißt, die Überhänge sind um 30 Prozent ge-
stiegen. Diese Steigerung von 30 Prozent wollen Sie mit
einer Personalaufstockung in Höhe von 2 Prozent aus-
gleichen.

Meine Damen und Herren, Erfindungen, Entwicklun-
gen und neue Marken sind ungeheuer wichtig zur Stär-
kung des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbs-
fähigkeit unserer Unternehmen. Diese Zusammenhänge
sollte man ernst nehmen. Die Bundesregierung sollte ein
realistisches Verhältnis zwischen der Zahl der Beschäftig-
ten und der Zahl der zu bearbeitenden Anträge herstellen.
Von einer solchen Annäherung sind Sie, Frau Ministerin,
meilenweit entfernt. Dieser Zustand schadet dem Wirt-
schaftswachstum und der Wettbewerbsfähigkeit unserer
Unternehmen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Hättet ihr einmal vorher etwas getan!)


– Herr Stiegler, damals gab es am Jahresende nur 40000 bzw.
50 000 Überhänge. Heute sind es 100 000. Das ist ein ge-
waltiger Unterschied. Diese Überhänge haben Sie abzu-
bauen, indem Sie Personal einstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Wir haben Ihnen das vorhergesagt und Sie haben nichts gemacht!)


Sie schaffen viel zu wenig neue Stellen.
Gleichzeitig haben Sie, Frau Ministerin, die Gebühren

für die Patentanmeldungen und für die Patentbearbeitun-
gen kräftig erhöht. Diese Gebührenerhöhungen werden
aber nicht zu einer beschleunigten Bearbeitung der An-
träge genutzt. Sie belasten die Antragsteller stattdessen
zusätzlich zu den ungebührlich langen Wartezeiten.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Das ist falsch!)


– Wenn das wirklich falsch sein sollte, könnten Sie es ja
nachher richtig stellen.

In einer Zeit, in der Erfindungen insbesondere im
Kommunikationsbereich eine immer kürzere Halbwerts-
zeit haben, müssen unsere Erfinder zwei oder drei Jahre
warten, wenn sie ihr neues Produkt patentgeschützt auf
den Markt bringen wollen. Das ist eine unerträgliche Si-
tuation. Durch solche Personalengpässe wird die Wirt-
schaftsentwicklung bewusst und vorsätzlich ausgebremst
sowie Innovationskraft geschädigt und nicht gefördert.




Albrecht Feibel

11461


(C)



(D)



(A)



(B)


Der Haushalt des Deutschen Patent- und Markenamtes
ist – ohne Bundesmittel – bei den Einnahmen und Ausga-
ben nicht nur ausgeglichen, er würde sogar einen Über-
schuss ausweisen, wenn nicht von diesen Einnahmen
auch noch das Bundespatentgericht finanziert werden
müsste. Frau Ministerin, wir fordern Sie auf, dafür zu sor-
gen, dass das DPMA eine angemessene Personalausstat-
tung erhält, die die Chance eröffnet, die Bearbeitungszei-
ten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Lösen Sie Ihre
Versprechungen ein und setzen Sie dieses Amt in den
Stand, die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft stär-
ken zu helfen!

Wenn man auf der anderen Seite den Ansatz, den Sie in
Ihrem Etat für Öffentlichkeitsarbeit vorsehen, betrach-
tet, dann ist festzustellen: Da sieht die Welt ganz anders
aus.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Aha!)

1999 hatten Sie 443 000 DM für Öffentlichkeitsarbeit

vorgesehen. In diesem Jahr waren es 475 000 DM. Für das
Jahr 2001 erhöhen Sie diesen Ansatz um 50 Prozent auf
675 000 DM.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin: Gott sei Dank! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der Wahlkampf lässt grüßen!)


Dieses Geld sollten Sie besser zur Förderung der Arbeit
im Deutschen Patent- und Markenamt einsetzen als für
Ihre Öffentlichkeitsarbeit. Vielleicht können Sie uns ein-
mal erklären, was mit diesem Geld geschehen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jedenfalls können Sie sich nicht länger mit der beste-

henden Erblast herausreden. Seit zwei Jahren tragen Sie
für das Deutsche Patent- und Markenamt in München die
Verantwortung. Seit zwei Jahren ist nichts Wesentliches
geschehen, um dort eine beschleunigte Bearbeitung der
Anträge zu erreichen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909100
Herr Kollege Feibel,
dies war Ihre erste Rede im Plenum des Deutschen Bun-
destages. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen
möchte ich Sie dazu recht herzlich beglückwünschen.


(Beifall)

Gestatten Sie mir ein Kompliment: Sie haben bei Ihrer
ersten Rede auf Anhieb Ihre Redezeit eingehalten.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Weil Sie eine strenge Präsidentin sind!)


Das ist eine Eigenschaft, über die wir fast alle nicht so
recht verfügen.

Weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Justiz liegen nicht vor. Wenn ich
den Saal recht überschaue, gibt es auch keine weiteren
Suchmeldungen nach Abgeordneten, die wir während der
Debatte ja reichlich hatten.

Wir kommen deshalb zur Schlussrunde. Ich erteile
zunächst dem Bundesfinanzminister Hans Eichel das
Wort.


(von der SPD sowie von Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

sehr verehrten Damen und Herren! Vor sehr gelichteten
Reihen möchte ich ein paar kurze Schlussbemerkungen
machen: Erstens. Was hätten Sie, meine verehrten Damen
und Herren von der Opposition, nur gemacht, wenn Sie
das Thema Ökosteuer nicht gehabt hätten?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie hätten Sie dann, nach all dem, was Sie hier geboten
haben, die Haushaltsdebatte geführt?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: War doch gut!)


Es war eine ziemlich lustlose, teilweise kabarettisti-
sche Veranstaltung; um den Haushalt ging es nur wenig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.])


– Ich bin bereit, Herr Rexrodt, zu differenzieren. Ich bin
dazu ausdrücklich bereit. – Es ging immer nach demsel-
ben Motto: Überall, bei jedem Einzelplan, müsste es ein
wenig mehr sein, insgesamt aber wird zu wenig gespart
und viel zu viel ausgegeben, außerdem wurde bei den
Steuern viel zu wenig gesenkt.


(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Richtig! Das ist wahr!)


Im Übrigen haben Sie mit den Schulden gar nichts zu tun.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Doch, wir stehen zu den Schulden!)

Nachdem ich das nun zum zweiten Mal in diesem

Hause erlebe, verstehe ich, dass die Finanzlage des Bun-
des so zustande gekommen ist, wie sie sich heute darstellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie können aber sicher sein: Genauso werden wir das
nicht weitermachen. Deswegen sind wir auf Konsolidie-
rungskurs gegangen, den wir nunmehr im zweiten Jahr
halten. Das ist eine Grundsatzentscheidung; denn nur der-
jenige, der Ausgabendisziplin übt, wird die Finanzen in
Ordnung bringen. Nur derjenige, der Ausgabendiszplin
übt, hat auch die Chance, aus der Schuldenfalle heraus-
zukommen.

Dass das keine buchhalterische Frage ist, hat inzwi-
schen das ganze Land verstanden. Die Menschen haben
verstanden, dass es um die Zukunft unserer Kinder und
der nächsten Generationen geht, dass wir etwas für deren
Bildung tun und ihnen eine lebenswerte Umwelt hinter-
lassen müssen, ihnen anstatt immer neue Schulden auf-
zuhäufen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Albrecht Feibel
11462


(C)



(D)



(A)



(B)


Deswegen gehen wir zunächst konsequent den Weg zu
einem Haushalt ohne neue Schulden. Heute tun wir den
zweiten Schritt; ihm müssen noch mehrere folgen, bis wir
einen ausgeglichenen Haushalt – ich hoffe, in 2006 – er-
reicht haben. Dann erst beginnt der Abbau der Staatsver-
schuldung.

Wir werden lernen müssen – ich wiederhole das –, uns
auch über die Grenzen hinweg zu orientieren. Zu dem
Zeitpunkt, da wir erst den Gipfel der Staatsverschuldung
erreicht haben, sind andere Länder – Dänemark ist so ein
Fall – schon fast frei von ihrer Staatsschuld. Wer sich
überlegt, –


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die haben kräftig Steuern gesenkt!)


– was das für die Chancen der jungen Dänen im Verhält-
nis zu den Chancen der jungen Deutschen bedeutet, wird
darüber nachdenken, was ihn seine Kinder eines Tages
fragen werden, wenn wir diesen Weg nicht endlich kon-
sequent gehen werden. Deswegen bitte ich um etwas mehr
Seriosität und Konsequenz in den Haushaltsberatungen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es kann sich keiner, der in diesen Beratungen ernst ge-
nommen werden will, mehr erlauben, nur die Einnahme-
seite oder nur die Ausgabeseite zu betrachten. Denn man
muss das eine immer im Zusammenhang mit dem ande-
ren sehen.

Zweitens. Dieser Haushalt ist der Haushalt, der die
größte Nettoentlastung von Steuern und Abgaben, die es
je in der Geschichte der Bundesrepublik innerhalb eines
Jahres gegeben hat, verkraften muss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das merkt nur keiner!)


Die Nettoentlastung beträgt innerhalb eines einzigen Jah-
res 45 Milliarden DM, das sind 1,1 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts. So etwas hat es noch nie in Deutschland
gegeben und so etwas gibt es gegenwärtig auch nirgend-
wo anders in Europa.

Wir haben eine Steuerreform gemacht, die nachhaltig
– dann jährlich – zu einer Entlastung von 93,5 Milliar-
den DM führt. Und um noch einmal Ihr altes Märchen mit
Zahlen zu widerlegen: Davon kommen 65Milliarden DM
bei den privaten Haushalten an, 30Milliarden DM bei den
kleinen und mittleren Unternehmen, während die Groß-
unternehmen sogar mit einer kleinen zusätzlichen Belas-
tung dabei sind. Aber deren Problem war nie die objektive
Steuerlast, sondern das im internationalen Vergleich nicht
wettbewerbsfähige Steuerrecht und Steuersystem. Auch
das haben wir geändert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun noch wenige Bemerkungen zur Ökosteuer. Herr
Feibel, auf Ihre Bemerkungen muss ich zurückkommen;
die waren gottvoll. Solch eine gute Vorlage habe ich sel-
ten bekommen; das war schon fast ein Elfmeter. Sie sa-
gen – wenn ich Sie daran erinnern darf –, Sie hätten die

Mineralölsteuer wegen des Golfkrieges erhöht. Dazu
kann ich nur sagen: Dieser war auch in Ihrer Regierungs-
zeit schon lange vorbei. Wenn das der Grund gewesen
wäre, hätten Sie schon lange vorher die Mineralölsteuer
zurückführen müssen. Das ist übrigens wie mit der Sekt-
steuer. Diese hätten Sie auch schon lange abschaffen kön-
nen, denn diese ist vor dem Ersten Weltkrieg wegen der
Reichskriegsflotte eingeführt worden.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Aber Ihr habt den Kriegskrediten zugestimmt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Ja, aber daran sehen Sie, dass man mit einer solchen Ar-
gumentation nicht weiterkommt.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Lesen Sie Ihr „Wirtschaftswoche“-Interview! Das haben Sie früher alles ganz anders gesehen!)


In einem Punkt haben Sie völlig Recht: Im Unterschied
zu Ihnen, wenn Sie in der Opposition sind, haben wir auch
einmal zugestimmt, wenn wir etwas für vernünftig hiel-
ten. Da davon die Rede ist, wer was zu verantworten hat,
habe ich mir angesehen, wie das mit der Mineralölsteuer
zu den verschiedenen Regierungszeiten war.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909200
Herr Minister, gestat-
ten Sie zuvor eine Zwischenfrage?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909300
Nein. –
Jetzt macht die Mineralölsteuer je Liter Benzin 1,10 DM
aus. Herr Stoiber hat – ich glaube, es war vorgestern
Abend – von „Luxussteuer“ gesprochen, die besonders
die kleinen Leute treffe, was wir zu verantworten hätten.
Meine Damen und Herren, von diesen 1,10 DM sind zu-
zeiten der Regierungsführung der CDU/CSU –


(Wilhelm Schmidt F.D.P.!)


– 79 Pfennig und zuzeiten der großen Koalition, an der
wir unter Ihrer Führung beteiligt waren, 3 Pfennig – die-
se können Sie draufrechnen, wenn Sie wollen, Herr
Austermann; Sie können es auch lassen – beschlossen
worden. Unter unserer Führung waren dies 28 Pfennig.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Alex Möller ist deswegen zurückgetreten!)


Ich wiederhole: Von den 1,10 DM verantworten Sie
79 Pfennig –


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben vorher zugestimmt!)


– und wir 28 Pfennig. Damit wir dies nur richtig festhal-
ten: Abzocke in Sachen Mineralölsteuer haben allein Sie
betrieben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Da waren Sie doch auch dabei! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Welche Erhöhung haben Sie denn abgelehnt?)


Sie haben ungeheuer viel Gelegenheit, über dieses
Thema zu reden. Sie können natürlich sicher sein, sehr




Bundesminister Hans Eichel

11463


(C)



(D)



(A)



(B)


verehrter Herr Austermann, dass wir dafür sorgen werden,
dass jeder Haushalt im Lande dieses Tableau in die Hand
bekommt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Kosten der Steuerzahler, wie immer!)


Alle Sozialdemokraten – ich vermute, auch alle Grünen –
werden das gerne sehen.

Weil Ihr Debattenbeitrag, Herr Rexrodt, diesmal
freundlicher war – das habe ich gern zur Kenntnis ge-
nommen –, will ich nur in aller Freundschaft darauf hin-
weisen: Es gibt eine Partei, die noch mehr beteiligt war,
und das ist die F.D.P.


(Lachen und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die F.D.P. war nämlich meistens in der Regierung und an
85 Prozent der Mineralölsteuererhöhungen beteiligt.


(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Da ging es der Republik auch gut! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Die Stimme der Vernunft!)


Dies werden wir gelegentlich sagen müssen, wenn Sie
wieder Aktionen an den Zapfsäulen machen. Dies sage ich
nur, damit richtig verstanden wird, wie es angesichts der
Veranstaltungen, die Sie gegenwärtig machen, mit Ihrer
Glaubwürdigkeit aussieht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt einen großen Unterschied: Sie haben – dagegen
will ich gar nichts sagen – die Mineralölsteuer wegen des
Golfkriegs erhöht. Wir – das gebe ich zu – erhöhen die
Mineralölsteuer, um die Rentenversicherungsbeiträge zu
senken.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das findet bloß nicht statt!)


Hier sind wir am entscheidenden Punkt. Zu allem, was
Sie an Wohltaten versprechen, müssen Sie immer auch sa-
gen, wie Sie das finanzieren wollen. Etwas anderes wird
man Ihnen nicht durchgehen lassen, denn die finanzpoli-
tische Debatte hat in diesem Punkt sehr an Seriosität ge-
wonnen. Wenn Sie ernst genommen werden wollen, wer-
den Sie das zugeben müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat Ihnen Herr Waigel früher auch schon gesagt!)


Es reicht nicht, zu sagen: Wir wollen die nächste Stufe der
Ökosteuer – das sind in der Tat 5 Milliarden DM – nicht.
Vielmehr müssen Sie auch sagen, dass dies entweder
dazu führt, dass der Rentenversicherungsbeitragwieder
steigt – dies werden Sie gegenüber den Menschen, die
Rentenversicherungsbeiträge bezahlen, ausrechnen müs-
sen –,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun!)


– oder dass neue Schulden gemacht werden. Dazu sage
ich Ihnen dezidiert: Genau das machen wir nicht, meine
sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Geld fließt Ihnen rechts und links aus der Tasche!)


Dass das Konzept im Übrigen vernünftig ist, bestätigen
Ihnen zurzeit – wenn Sie einmal in die Zeitung schauen –
so ziemlich alle Wirtschaftsforschungsinstitute und alle
Wirtschaftswissenschaftler. Da sagt heute – ich nehme nur
einen für viele – der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, das
bekanntlich in München sitzt und ansonsten Gutachten
schreibt, die vor allem der Bayerischen Staatsregierung
gefallen, zu dieser Frage: Wenn man mit der Ökosteuer
die Rentenbeiträge und damit die Lohnkosten senken
kann und damit Arbeitsplätze schaffen kann, mag man das
durchaus positiv sehen. – So sehen es die Wirtschaftsfor-
schungsinstitute durchweg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sich außerdem den europäischen Vergleich
ansehen, stellen Sie fest, dass Deutschland nicht nur beim
Preis, sondern auch beim Steueranteil unterhalb des
Durchschnitts in der Europäischen Union liegt. Das wol-
len wir bei der Gelegenheit auch einmal festhalten, meine
Damen und Herren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wenn man nur die Hälfte anrechnet!)


Und noch eines – das ist schon ein ziemliches Stück aus
dem Tollhaus: Vorgestern, pünktlich zu Ihrer Debatte, er-
höhen die Mineralölkonzerne –


(Zuruf von der CDU/CSU: Autofahren ist zu billig!)


– die Preise für Benzin um 4 Pfennig und für Diesel um
5 Pfennig. Haben wir da irgendetwas mit der Ökosteuer
gemacht? Sie sollten sich den Zusammenhang zwischen
Besteuerung und Preispolitik der Konzerne einmal ge-
nauer anschauen. Dass ich als Sozialdemokrat eines Tages
der Christlich Demokratischen Union und – mit Verlaub –
auch der F.D.P. etwas über die Regeln der Marktwirtschaft
erzählen muss, habe ich mir auch nicht träumen lassen.


(Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Die haben Sie noch nie begriffen!)


– Seien Sie ganz vorsichtig! Sogar Herr Gysi hat dazu in
Ihre Richtung eine zutreffende Bemerkung gemacht – und
der kommt aus der Planwirtschaft. Passen Sie auf, dass
Sie da nicht hinmarschieren!


(Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Sachverhalt ist ja ganz einfach – Sie wissen das
auch –: Die Unternehmen nehmen, was der Markt hergibt.


(Zuruf von der F.D.P.: Sie setzen obendrauf!)





Bundesminister Hans Eichel
11464


(C)



(D)



(A)



(B)


Allerdings – das ist das Problem und deshalb hätten
Sie, Herr Feibel, diesen Beitrag nicht leisten dürfen –:
Wissen Sie, wo die Preise am stärksten gestiegen sind? –
Beim Heizöl. Sie haben gesagt, im vorigen Jahr betrug die
Rechnung für die Winterperiode 2 000 DM, dieses Jahr
4 000 DM. In dieser Zeit gab es keinen Pfennig Steuer-
erhöhung!


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was?)

Die letzte Steuererhöhung beim Heizöl hat am 1. April
1999 stattgefunden.


(Unruhe bei der CDU/CSU – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Mehrwertsteuer!)


In der Ökosteuer ist das Heizöl überhaupt nicht drin.

(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Was ist denn mit der Mehrwertsteuer?)

SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Koppelin, die Mehrwertsteuer ist das
letzte Mal unter Ihrer Verantwortung erhöht worden. Das
wollen wir auch noch festhalten.


(Lachen und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Er weiß nicht, wie das funktioniert!)


Wir wollen also festhalten: Wenn voriges Jahr das
Heizöl bei 50 Pfennig pro Liter lag, wenn am 1. April
1999 für viele Jahre letztmalig die Mineralölsteuer auf das
Heizöl um 4 Pfennig erhöht worden ist –


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das sind 5 Pfennig Preissteigerung!)


– und jetzt der Liter Heizöl bei 1 DM liegt, dann stellen
wir fest, dass es die höchste Preiserhöhung gerade dort
gibt, wo die Steuer überhaupt keine Rolle spielt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD.: Wohl wahr!)


Auch in Bezug auf die Mineralölsteuer müssen Sie auf-
passen, was da im Moment passiert. Die größten Er-
höhungen werden beim Diesel vorgenommen.


(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)


– Ich darf vielleicht einen Moment um Ruhe bitten. Es ist
ein bisschen unruhig bei den Herren da drüben, –


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich verständigen, wie es wirklich ist!)


– auch wenn ich verstehen kann, dass denen das nicht ge-
fällt.


(Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)


Beim Diesel gibt es inzwischen auf den Steueranteil
von 74 Pfennig einen Aufschlag von über 1 DM, denn der
Preis beträgt schon fast 1,80 DM. Beim Benzin haben wir
einen Steueranteil von 1,10 DM, während der Preis bei
knapp über 2 DM liegt. Was passiert also? – Hier wird auf

kaltem Weg, weil man bei Diesel noch Spielräume für
Preiserhöhungen sieht, der Preis ordentlich mehr angeho-
ben. Man stellt fest, dass der Preis für Diesel langsam an
den Preis für das Benzin herankommt. Das hat aber mit
der Steuer gar nichts zu tun, –


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr!)

– denn die Steuer beim Diesel ist wesentlich niedriger und
ist auch nicht stärker erhöht worden als beim Benzin.

Muss man Ihnen denn wirklich erklären, dass das aus-
schließlich eine Frage dessen ist, welchen Preis man am
Markt erzielen kann? Deswegen ist auch völlig klar:
Wenn wir den Platz räumen, dann rücken die nur nach.
Das ist die eiserne Konsequenz der Marktwirtschaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen ist es schon ein dreistes Stück, wenn Sie an
den Tagen, an denen die Mineralölkonzerne die Preise
hochtreiben, in Ihren Reden gegen die Bundesregierung
zu Felde ziehen. Hätten Sie nur einige Worte über das Ver-
halten der Konzerne gefunden, hätten Sie den Interessen
der Autofahrer und Bürger im Lande besser gedient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Grober Unfug ist das!)


Nun zu der „Belastung der Familien“. Herr Feibel, Sie
sind zwar neu im Parlament, aber auch das hätten Sie
nicht sagen dürfen. Es war doch das Bundesverfassungs-
gericht, das Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, die
Familie während Ihrer Regierungszeit verfassungswidrig
hoch besteuert zu haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und wir sind es, die den Mangel, den Sie zu verantworten
haben, jetzt mit unseren Gesetzen beseitigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will Ihnen auch sagen, wie wir Abhilfe schaffen,

nämlich durch die dreistufige Steuerentlastung, die wir
bereits durchgesetzt haben – damit beziehe ich das In-
Kraft-Treten der letzten Stufe zum 1. Januar 2001 ein –
und durch die eine Durchschnittsverdienerfamilie mit
zwei Kindern eine Entlastung in Höhe von 2 600 DM im
Jahr erfährt. Darin enthalten ist auch die zweimalige Er-
höhung des Kindergeldes. Und nachdem Sie zehn Jahre
lang beim Wohngeld nichts getan haben – damit komme
ich zum nächsten Punkt –, erhöhen wir zudem mit unse-
rem Haushalt für das Jahr 2001 das Wohngeld.

Wir erhöhen die BAföG-Leistungen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie kassieren das doch wieder!)

Auch in diesem Bereich haben Sie zehn Jahre lang nichts
getan – mit fürchterlichen Folgen. Im Jahr der deutschen
Einheit wurden noch 605 000 Studentinnen und Studenten
durch das BAföG gefördert, am Ende Ihrer Regierungs-
tätigkeit waren es nur noch 340 000. Das ist Bildungsab-
bau im gröbsten Sinne. Das haben Sie zu verantworten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesminister Hans Eichel

11465


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist schlimm für unseren künftigen Wohlstand; denn
wer so wenig in die Bildung junger Leute investiert und
Kinder aus Familien mit geringem Einkommen dadurch
am Studieren hindert, versündigt sich am künftigen Wohl-
stand dieses Volkes, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Anteil des Haushaltes für Forschung und Bildung
wird gerade durch unsere Konsolidierungspolitik syste-
matisch erhöht. Auch das wollen wir festhalten: Sie haben
uns einen Haushalt hinterlassen, wo dessen Anteil am
Bundeshaushalt 3,11 Prozent betrug. Bei uns erreicht die-
ser Anteil im nächsten Jahr bereits 3,21 Prozent.

Nein, meine Damen und Herren, dies ist ein Haushalt,
der die Zukunft sichert, und wir haben Erfolg damit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wirtschaftswachstum war seit über zehn Jahren nicht
so hoch wie heute; das ist die Wirklichkeit. Die Beschäf-
tigung baut sich auf, wie dies seit der Wiedervereinigung
nicht mehr der Fall war. Wir werden 170 000 neue Be-
schäftigte in diesem Jahr und 270 000 im nächsten Jahr
haben.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was? Die Beschäftigung baut sich auf? Sie baut sich ab!)


Und die Preise sind, obwohl man da aufpassen muss, nach
wie vor stabil. Deswegen sind wir auf dem richtigen Weg.

Es muss Ihnen schon zu denken geben, wenn die inter-
nationale Bewertung Deutschlands auf dem Weg zur
Weltspitze so ausfällt, dass Deutschland bereits in einem
Jahr, nämlich von 1998 auf 1999 – das war also nach dem
Regierungswechsel –, von Platz 6 auf Platz 3 gestiegen
ist, vor uns nur noch Finnland und die Vereinigten Staa-
ten. Und das, obwohl die Einkommen- und Unterneh-
mensteuern zu hoch waren! In diesem Bereich greift jetzt
unsere Reform. Ich bin gespannt, wie die Bewertung
Deutschlands nächstes Jahr aussieht.

Heute ist im „Handelsblatt“ zu lesen: Manager geben
dem Standort Deutschland Bestnoten, die Arbeit der Bun-
desregierung wird von Führungskräften positiv bewertet,
die Investitionsbereitschaft wächst. Und zum Schluss
steht dort: Sie äußern sich über den Standort Deutschland
so positiv wie nie seit Beginn der Umfragen Anfang 1999.

Wir sind also auf dem richtigen Wege. Es wäre gut,
wenn Sie draußen nicht versuchten, das Volk aufzuhetzen.
Bei allem Ärger der Menschen, den ich verstehen kann,
muss ich nämlich sagen: Eine Verantwortung tragen auch
Sie, nämlich die, die enorm positive Entwicklung in
Deutschland nicht wieder in Gefahr zu bringen durch un-
sinnige Aktionen, die uns keinen Deut weiterbringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, gehen Sie einmal davon
aus: Diese Bundesregierung hält Kurs. Diese Bundesre-
gierung hat schon im vorigen Jahr gegen alle Ihre Wider-
stände und auch gegen Lobbyisten den notwendigen Kon-

solidierungskurs durchgesetzt. Damit sich da keiner
täuscht: Was wir im vorigen Jahr an Standhaftigkeit er-
probt haben, hält auch dieses Jahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909400
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich jetzt dem Kollegen Dietrich
Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Detlev von Larcher [SPD]: Er spricht jetzt über die Mehrwertsteuer beim Diesel!)



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1411909500
Herr Bundes-
finanzminister, Sie haben sich möglicherweise verspro-
chen. Deswegen möchte ich richtig stellen, was beim Pu-
blikum eventuell als Falschaussage angekommen ist. Sie
haben behauptet, an der Höhe des Heizölpreises habe die
Bundesregierung keine Schuld. Im letzten Jahr sei von Ih-
rer Seite aus nichts passiert.

Nun weiß ich, dass die Haushaltspolitiker immer das
letzte Jahr für das Jahr nehmen, in dem man sich befindet,
wobei das neue das eigentlich gültige Jahr ist.

Erstens. Die Ökosteuer hat natürlich, wie Sie genau
wissen, auch das Heizöl verteuert: 4 Pfennig im Jahre
1999. Diese Verteuerung setzt sich fort.


(Widerspruch bei der SPD)

Zweitens. Über die Mehrwertsteuer sind Sie ein Tritt-

brettfahrer der OPEC und der anderen Organisationen, die
die Preise treiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Drittens. Auch die Euro-schädliche Politik, über die
vor allen Dingen in der Wirtschaftsdebatte gesprochen
worden ist, trägt natürlich dazu bei, dass sich die Preise so
entwickelt haben. Die Relation Euro-Dollar ist zum Teil
auch auf das Versagen der Bundesregierung zurückzu-
führen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Nun haben Sie sich auf den wirtschaftlichen Sachver-
stand berufen. Dazu lese ich Ihnen ganz kurz vor, was ein
wirklich anerkannter Sachverständiger im Bereich der
Wirtschaft, der Vorstandschef des größten deutschen
Unternehmens, Herr von Pierer – übrigens auch aus Mün-
chen, wie das Institut, das Sie erwähnt haben –,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Spender der CDU, jawohl, 1 Million!)


– heute in einer Zeitung dazu sagt: Die Ökosteuer lähmt
unseren Aufschwung.

Dies kann man ganz leicht nachvollziehen. Darauf
möchte ich mich beschränken. Das, was an Energiepreis-
verteuerung innerhalb eines Jahres auf Bürger und Be-
triebe zukommt, summiert sich mit Ökosteuer, Mehrwert-
steuer und höheren Preisen für Gas und Heizöl auf ein
Gesamtvolumen von 65 Milliarden DM im Jahr. Dies




Bundesminister Hans Eichel
11466


(C)



(D)



(A)



(B)


übersteigt bei weitem das, was es möglicherweise am
1. Januar 2001 durch die Steuerreform an Bürgerentlas-
tung geben wird.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Macht der eine Rede? Frau Präsidentin, darf er eine Rede halten?)


Jeder Vermieter denkt heute darüber nach, den Bürgern
die Heizkostenabrechnung im nächsten Jahr dadurch zu
erleichtern, indem er die Vorauszahlungen erhöht. Auch
der Bund müsste das tun und tut es wahrscheinlich auch.
Wenn die Situation so ist, wie können Sie dann versuchen,
den Bürgern vorzumachen, dass Sie mit alldem nichts zu
tun haben?


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: So ein Dummschwätzer!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909600
Zur Erwiderung, Herr
Bundesfinanzminister Eichel, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909700
Erstens.
Herr Austermann, ich wiederhole: In den Heizölpreisen,
von denen Herr Feibel gesprochen hat, nämlich in der
Steigerung von 2 000 DM aus der vorherigen Heizperiode
auf 4 000 DM in dieser Heizperiode, steckt kein Pfennig
Erhöhung über die Ökosteuer drin, weil das Heizöl in
dem betreffenden Gesetz überhaupt nicht enthalten ist.
Die letzte Erhöhung – in den nächsten Jahren ist keine ge-
plant – hat am 1. April 1999 stattgefunden und betrug
4 Pfennig.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn da regiert?)


Also steckt in der Verdoppelung des Heizölpreises –
ich wiederhole das – von der vorherigen Heizperiode zu
dieser Heizperiode kein einziger Pfennig Steuererhöhung
durch die Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweiter Punkt. Natürlich ist die Mehrwertsteuer ent-
halten. Es ist übrigens erstaunlich – das war auch zu Ihrer
Zeit so –: Wann immer irgendwo Preise erhöht werden,
betrifft das auch die Mehrwertsteuer. Das war 35 Jahre
lang so, als Sie den Finanzminister gestellt haben. Das ha-
ben Sie als Problem übrigens nie entdeckt. Das entdecken
Sie erst, seitdem Sie nicht mehr den Bundesfinanzminis-
ter stellen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil es solch eine Explosion noch nicht gegeben hat! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Das, was bei Austermann explodiert, ist sein Kopf!)


Aber der entscheidende Punkt ist doch ein ganz ande-
rer. Es ist nicht so, dass die Mehrwertsteuer insgesamt
steigt. Auch das gehört zu Ihren Märchen. Das Problem,
das an dieser Stelle entsteht, ist doch ganz einfach: Die
Leute haben nicht mehr Geld in der Tasche, sondern sie
sind wegen der Preispolitik der OPEC und der Konzerne
gezwungen, mehr Geld für Kraftstoff auszugeben, Geld,

das sie an anderer Stelle nicht ausgeben können. Die
Mehrwertsteuer wächst doch gar nicht überproportional.
Die Mehrwertsteuer wächst völlig unabhängig davon, wie
sich im Einzelnen das Preisgefüge im Land entwickelt.
Das ist doch der einfache Sachverhalt.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie bestätigen die Aussage von Heinrich von Pierer! Also hat von Pierer Recht!)


Sie wissen das ganz genau. Das ist zu der Zeit, als Sie
den Finanzminister gestellt haben, nicht anders gewesen.
Deswegen halte ich fest: Dort, wo überhaupt kein Pfennig
Ökosteuererhöhung enthalten ist, ist die Preistreiberei am
allerschlimmsten; beim Diesel, für den die Mineralöl-
steuer niedriger ist, ist die Preistreiberei höher als beim
Benzin.

Deswegen sage ich: Es ist ein einfaches Gesetz der
Marktwirtschaft, dass sich jeder nimmt, was er kriegen
kann. Das ist der Punkt. Der Spielraum, den Sie schaffen,
wenn Sie Steuern nicht erheben, bewirkt, dass das die
Kassen der Konzerne füllt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Im Übrigen darf man ja noch einmal darüber nachden-
ken, wie das funktioniert: Morgens fängt ein Mineralöl-
konzern an und am selben Tag sind dann ruck, zuck alle
Tankstellen und alle Konzerne umgestellt. Darüber darf
man doch noch einmal nachdenken, das ist doch eine
spannende Sache.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schickt das Kartellamt los! Wer ist denn Chef vom Kartellamt?)


Darüber einmal zu reden hätte Ihnen doch angestanden,
wenn Sie das schon zum Thema machen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Wenn es Ihnen ein Herzensanliegen ist, frage ich noch
einmal: Wieso haben Sie eigentlich zehn Jahre lang das
Wohngeld nicht erhöht? Das hätten Sie getan, wenn Ihnen
die Mieterinteressen irgendetwas bedeutet hätten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


So, Herr Austermann, geht das doch nicht. Ich verstehe
ja, dass Sie jetzt eine Kampagne machen, aber ich sage Ih-
nen: Wir werden den Leuten präzise die Wahrheit sagen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Kosten der Steuerzahler!)


Eins lassen wir Ihnen nicht durchgehen: das, was die
Kassen bei den Konzernen füllt, uns noch auf die politi-
sche Rechnung zu schreiben. Da hört der Spaß auf.

Sehen Sie sich einmal an – es sind übrigens weniger die
OPEC-Staaten –, wie bei den Konzernen von 1999 auf
2000 die Gewinne explodiert sind: Sie haben sich im




Dietrich Austermann

11467


(C)



(D)



(A)



(B)


Schnitt mindestens verdoppelt. Darüber müssen Sie ein-
mal ein Wort reden. Das ist auch eine spannende Veran-
staltung, wenn wir über die Frage reden, wer hier die
Preise treibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909800
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Anmeldungen zu Kurzinterventionen,
die mich gerade erreichen, kommen einfach zu spät. Be-
kanntlich darf man nur eine Kurzintervention auf eine
Rede hin machen und sich nicht auf eine andere Kurz-
intervention beziehen.

Der nächste Redner in der Debatte ist der Kollege Hans
Jochen Henke für die CDU/CSU-Fraktion.

Hans Jochen Henke (CDU/CSU) (von Abgeordne-
ten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister
Eichel, ich möchte Sie zuerst direkt ansprechen. Auch
wenn Sie es nicht glauben: Wenige Tage vor dem 3. Ok-
tober 2000 stehen wir ohne Wenn und Aber zu allen Leis-
tungen wie zu allen Lasten, die aus zehn Jahren Wieder-
vereinigung resultieren. Wir stellen fest: Der von Helmut
Kohl und Theo Waigel eingeschlagene Weg zur Vollen-
dung der deutschen Einheit war wichtig und richtig – auch
gerade gegen Zauderer und Verweigerer.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe zu wenig Zeit, –


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist gut! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dann lassen Sie den Unsinn auch!)


– aber zwei Zitate will ich bringen. Minister Eichel –
Herbst 1989: Die Bereitschaft kann weder bei unseren
westlichen noch bei unseren östlichen Nachbarn geweckt
werden, die Einheit Deutschlands auf die Tagesordnung
der Weltpolitik zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Darüber haben wir am Mittwoch schon ausreichend gesprochen! Sie haben auch nichts verstanden! – Detlev von Larcher [SPD]: Wissen Sie, was Kohl 1989 gesagt hat? – Die Einheit steht nicht auf der Tagesordnung!)


Eichel in der „Frankfurter Neuen Presse“ genau vor zehn
Jahren: Einheit bringt Ländern untragbare Last!


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Es war und bleibt richtig, Schulden und Altlasten der

DDR zu übernehmen und Folgelasten der Wiedervereini-
gung auch gegen egoistische Länderinteressen entschlos-
sen beim Bund zu schultern. Es ist gelungen, die größte
finanzielle Belastung in so kurzer Zeit zu bestehen – und
dies ohne diejenigen, die vor Währungs- und Kredit-
marktrisiken und vor der Überforderung der Leistungsfä-
higkeit aller Beteiligten gewarnt haben. Es ist und bleibt
eine einmalige historische Leistung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor dem Hintergrund kann es nicht die Aufgabe einer
inzwischen nicht mehr amtierenden Regierung gewesen
sein, aber es ist auch nicht allein Aufgabe der jetzt amtie-
renden Regierung, diese Herausforderung abzutragen.
Am Ende ist dies auch nicht entscheidend. Das Ganze war
und bleibt eine Generationen-, ja wahrscheinlich eine
Jahrhundertaufgabe und -herausforderung. In diesem
Lichte erkennen wir die Leistung an und zollen allen
Menschen in Ost und West und denjenigen, die konse-
quent Verantwortung in dieser Zeit getragen haben, Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gehört auch zur Ehrlichkeit dieser Haushaltsdebatte,

festzuhalten, dass trotz dieser Sondersituation, Herr
Eichel, gleichzeitig der Weg über die Maastricht-Kriterien
und über den europäischen Stabilitätspakt bis hin zu einer
europäischen Währung gegangen werden konnte.

Werte rot-grüne Koalitionäre, ohne die Haushaltskon-
solidierung, begonnen in den 80er-Jahren, ohne stabili-
tätsorientierte Euro-Grundlagen und eine sparsamste,
zielgerichtete Haushaltsführung in den 90er-Jahren wäre
das alles nicht möglich gewesen.

Der amerikanische Botschafter John Kornblum hat bei
mehreren Gelegenheiten erklärt, er kenne keine andere
historische Leistung, die in so kurzer Zeit bewältigt wor-
den wäre, wie die Wiedervereinigung. Jeweils fügte er
dann sehr nachdenklich hinzu, er wisse nicht, wie die
amerikanische Nation in einer vergleichbaren Situation
mit einer solchen Herausforderung umgegangen wäre. Ob
in diesem Lichte, verehrte Koalitionäre von Rot-Grün, die
vom Bundeskanzler bemühte „deutsche Krankheit“ über-
haupt angeführt werden kann, mögen andere entscheiden.
Sie mögen dann aber insbesondere die Beiträge von den
Ministerpräsidenten Lafontaine, Schröder und Eichel mit
ihren Errungenschaften von der Steuer- über die Gesund-
heits- und die Lohnnebenkosten- bis hin zur Arbeits-
marktspolitik angemessen würdigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe mir zu den Bereichen Gesundheit, Renten-

reform, Pflegeversicherung und den Strukturreformen bei
Telekom, Post und Bahn sowie zum Investitionsförde-
rungsgesetz so viele Punkte aufgeschrieben, dass es den
Zeitrahmen sprengen würde, und möchte nur einige Re-
formen in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre heraus-
stellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Wir wollen hier über die Zukunft reden! Das ist interessanter!)


Ihr nach der Wahl einsetzender Reformeifer führte un-
ter Schröder/Lafontaine, Gott sei es geklagt, in eine völ-
lig andere, verquere Richtung: Ökosteuer, Rücknahme
von Rentenreform und zusätzliche Belastungen mit weit
reichenden Konsequenzen für den Haushalt 2001 und alle
Folgehaushalte sowohl auf der Einnahmen- als auch auf
der Ausgabenseite.


(Detlev von Larcher [SPD]: Das hilft Ihnen alles nichts!)


Sie haben entscheidende Fehler Ihrer eigenen ersten
Regierungsphase bis heute nicht korrigiert. Wenn man-




Bundesminister Hans Eichel
11468


(C)



(D)



(A)



(B)


cher Finanzspielraum nicht so ist, wie Sie es gern hätten,
ist es darauf – vor allem auf die verheerende Ökosteuer –
zurückzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Der Minister hat ja vorhin gerade selber die besten Ar-
gumente für die Abschaffung der Ökosteuer geliefert. Sie
belasten im Jahre 2004 nach fünf Stufen den Markt und
die Bürger mit zusätzlich 33 Milliarden DM jährlich.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jährlich doch nicht! So ein Quatsch! – Gegenruf des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Natürlich jährlich!)


Dies passiert in einer Zeit, in der Ihre Jahrhundertsteuer-
reform angeblich nachhaltige Entlastungen für die Men-
schen in unserem Lande bringen soll. Wirklichkeit ist aber
nach Ihren eigenen Planansätzen, dass die Steuereinnah-
men des Bundes trotz Ihrer Jahrhundertreform in diesem
Jahr erstmals die 400-Milliarden-DM-Schallgrenze über-
schreiten werden und in den nächsten Jahren sage und
schreibe auf mehr als 450 Milliarden DM pro Jahr an-
wachsen werden. Dabei ist die von Ihnen fälschlicher-
weise vorgenommene Abkoppelung vom Zuwachs des
Bruttoinlandsprodukts und von den Zuwächsen bei den
Steuern eingerechnet, was noch nie der Fall war, was sich
auch als falsch, als „Arm-Rechnen“ herausstellen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage an dieser Stelle nur: Eichel weiß, warum er

uns keinen Nachtragshaushalt liefert: weil sich die Öf-
fentlichkeit insbesondere unter Berücksichtigung von
UMTS- und anderen Privatisierungserlösen staunend die
Augen darüber reiben würde, welch historisch einmalige
Einnahmesituation in diesem Jahr gegeben ist. Nur ha-
ben die Weichen andere gestellt, die Vorleistungen andere
erbracht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir gerade bei der Steuerreform sind: Die Zeit in

jenen 48 Stunden um den 14. Juli hätten Sie besser für
nachhaltige Verbesserungen der Reform verwandt, statt
Ländern Leistungen in Aussicht zu stellen, die zusätzliche
Ausgaben verursachen und mit Blick auf die Zukunft des
neu zu ordnenden Länderfinanzausgleichs neue und nicht
kalkulierbare Risiken für den Bund zeitigen werden. Auf
diesen Merkposten werden wir rechtzeitig zurückkom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind der Meinung, dass die falsch angelegte Öko-

steuer zurückgenommen werden muss, weil sie eben nicht
geeignet ist, eine dauerhafte Gegenfinanzierung der Ren-
ten sicherzustellen und weil sie trotz Ihrer anders lauten-
den Beteuerungen nicht nur zur Gegenfinanzierung der
Renten herangezogen wird.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Sie dient zur allgemeinen Haushaltsdeckung und ist ein
schlichtes, blankes Abkassieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer demnächst näherungsweise 100 Milliarden DM
einschließlich Umsatzsteueranteile – ohne Ökosteuer –
aus Mineralölsteuereinnahmen erwirtschaften wird, hat
doch wahrhaftig genügend Steuerungs- und Gestaltungs-
spielräume, auch für ökologische Steuerungsmaßnahmen.
Im Übrigen haben Sie Ihr Ökosteuerkonzept bei der Ver-
abschiedung ganz anders dargestellt und sich selbst be-
schränkt. Sie wollten nämlich nur eine Stufe einführen
und alles andere im europäischen Kontext machen. Nur
reden Sie davon heute nicht mehr. Das heißt: Sie handeln
eigentlich gegen Ihre eigenen Vorgaben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Seien Sie konsequent und nehmen Sie das Geld, das

Sie aus den Zinsersparnissen durch die ausdrücklich von
diesem Haus einvernehmlich mitgetragene Sondertilgung
aus den UMTS-Erlösen und weitere Privatisierungen er-
wirtschaften und setzen Sie es zielgerichtet ein. Herr
Minister Eichel – auch darüber werden wir noch reden –,
in Wirklichkeit sind es ja mehr als 5 Milliarden DM.

Es ist auch nicht notwendig, die Investitionen auf ei-
ner historisch einmalig niedrigen Stufe anzusiedeln. Dies
hat verheerende Wirkungen für den Standort Deutsch-
land, die Wettbewerbsfähigkeit, die Wirtschaft und die
Zahl der Arbeitsplätze. Der Ansatz beläuft sich auf
10,4 Milliarden DM. Das gab es nie und wird es hoffent-
lich in der Zukunft auch nie wieder geben.

Diese Regierung hat angekündigt, die Spielräume soll-
ten größer werden. Just zu unserer heutigen Beratung
kommt eine volkswirtschaftliche Schätzung der Einkom-
mensbelastung durch den Bund der Steuerzahler. Das ist
eine völlig neutrale Seite.


(Widerspruch bei der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: Die Nicht-Zahler sind das!)


Wer dieses Tableau nimmt und die Zahlen von 1998 und
2002 vergleicht – das wollen Sie nicht hören –, wird fest-
stellen: Es wird für die Bürger weder im Jahre 2000 noch
im Jahre 2003 und auch nicht im Jahre 2005 nachhaltige
Entlastungen geben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die aktuelle Haushaltssituation ist aus Gründen, für die

nicht Sie, sondern andere verantwortlich sind, besser, als
Sie es je zu träumen wagten. In den zwei Jahren Ihrer Re-
gierungszeit ist außer beim Herunterfahren und Sparen
eine klare Linie nicht erkennbar gewesen. Die nachhalti-
gen Strukturprobleme sind nicht gelöst. Schröder ist im
Kleinen, wie bei Holzmann, Österreich und der Green
Card, groß. Ob er auch im Großen nicht, wie bisher, klein
bleiben wird, muss sich erweisen.

Herr Eichel und ich haben gestern Abend einen sehr in-
teressanten Vortrag über die Situation des Euro und die
Ursachen für seine Schwäche gehört. Der Redner hat –
wenige Meter von hier – sehr kompetent festgestellt, dass
die Entscheidung der Märkte über den Wert einer
Währung im Grunde eine Abstimmung über die Solidität
und Seriosität der Politik ist. Das sollten diejenigen, die
Verantwortung für den Standort Deutschland und die Leit-
währung tragen, beachten.




Hans Jochen Henke

11469


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411909900
Herr Kollege, würden
Sie bitte zum Schluss kommen.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1411910000
Jawohl, ich
komme zum Schluss.

Die Risiken Ihrer Fiskalpolitik liegen voll beim Bür-
ger, dem Steuerzahler und der Wirtschaft, und zwar mit
unverändert hohen Steuer- und Abgabenlasten, mit wach-
senden Zins-, Inflations- und Währungsrisiken, mit real
gekürzten Renten und mit nur geringfügigen Tarifverbes-
serungen.


(Zuruf von der SPD: Reden sie nicht so einen Unsinn!)


Es ist mehr und Nachhaltigeres gefordert als das, was
Sie bisher gebracht haben. Wenn Herr Schröder wirklich
meint, zum Jahresende könne Redaktionsschluss bei allen
Reformen sein, –


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411910100
Herr Kollege Henke,
ich bitte Sie, nun wirklich zum Schluss zu kommen.


Hans Jochen Henke (CDU):
Rede ID: ID1411910200
– werden Sie er-
heblich zu kurz gesprungen sein.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411910300
Für die Fraktion von
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Matthias
Berninger.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1411910400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur
wegen des zehnten Jahrestages ist die deutsche Einheit in
der Tat in Verbindung mit diesen Haushaltsberatungen ein
sehr wichtiges Thema. Ich denke, hier muss noch einiges
gerade gerückt werden.

Die CDU bekennt sich zu den Schulden, die sie ge-
macht hat. In Ordnung. Die Schulden in Höhe von
1 500 Milliarden DM werden im Rahmen der Beratungen
über das Sparpaket von den CDU-Kollegen zum Teil noch
bestritten.


(Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/ CSU]: Sagen Sie doch mal, für wen die gemacht wurden!)


Es wurde gesagt, das alles sei eine Hinterlassenschaft von
Helmut Schmidt. In diesem Punkt haben Sie nach einem
Jahr dazugelernt. Nicht schlecht!

Sie sagen dann aber wieder Halbwahrheiten. Im Zuge
der deutschen Einheit, also seit 1990, sind die Lohnne-
benkosten um 6,5 Prozentpunkte gestiegen. Was bedeutet
das für den Durchschnittshaushalt? Jeden Monat haben
Sie von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
150 DM zur Finanzierung der deutschen Einheit verlangt.


(Jörg Tauss [SPD]: Und den Betrieben!)


– Sie haben auch jeden Monat 150 DM von den Betrieben
zur Finanzierung der deutschen Einheit verlangt. Damit
haben Sie wesentlich zu der hohen Arbeitslosigkeit bei-
getragen, die uns und damit auch den Haushalt beinahe in
den Ruin getrieben hätte.

Vor diesem Hintergrund finde ich es eine Unver-
schämtheit, wenn Sie hier eine Diskussion über die klei-
nen und mittleren Einkünfte beginnen. Sie haben die
deutsche Einheit auf dem Rücken der Bezieher von klei-
nen und mittleren Einkommen finanziert. Das ist das
Hauptproblem, mit dem wir heute zu kämpfen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hier gibt es auch eine Verbindung zur Ökosteuer. Die
rot-grüne Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Lohn-
nebenkosten wieder zu drücken, –


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ziel verfehlt! – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Nicht gelungen!)


– und zwar unter 45 Prozentpunkte.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Steuerlast steigt wieder, Herr Kollege Berninger!)


Wir haben den Wählerinnen und Wählern reinen Wein
eingeschenkt, indem wir ihnen gesagt haben: Wir erhöhen
die Ökosteuer und stecken die daraus erzielten Gelder in
die Rentenversicherung, mit dem Ziel, die Lohnneben-
kosten zu senken.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Von einer Tasche in die andere! – Gegenruf des Abg. Hans Georg Wagner [SPD]: Jawohl! Von Bayern nach Baden-Württemberg!)


Das haben wir nicht gesagt, weil wir uns irgendwann ein-
mal etwas Lustiges überlegt haben; wir machen das viel-
mehr deshalb, weil die hohen Lohnnebenkosten, die Sie
uns hinterlassen haben, eine erdrückende Last sind, mit
der wir seit der Regierungsübernahme 1998 zu kämpfen
haben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, bevor Sie hier
gegen die Ökosteuer polemisieren. Wenn Sie das nicht
tun, machen Sie eine unseriöse Politik.

Mit den Mehreinnahmen von 100 Milliarden DM
durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen – diesen
Privatisierungserlös verwenden wir übrigens auch des-
halb zur Schuldentilgung, weil das die Haushälter
während der letzten Haushaltsberatungen gefordert
haben – tilgen wir gerade einmal die Schulden von acht
Monaten der Amtszeit von Helmut Kohl, acht Monate von
16 Jahren! Vor diesem Hintergrund muss man noch ein-
mal unterstreichen: Der einzig gangbare Weg ist, die er-
zielten Mehreinnahmen zum Senken der Schuldenlast zu
verwenden.

Dennoch wird es bis zum Jahr 2006 dauern – damit
hebe ich ein weiteres Kernproblem in dieser Haushalts-
debatte deutlich hervor –, bis wir Haushalte aufstellen
können, ohne neue Schulden machen zu müssen. Wir wer-
den trotz des Sparkurses noch 145 Milliarden DM an
Schulden machen müssen, bevor wir das Ziel erreichen,
für das Hans Eichel eisern steht und für das er in den






(C)



(D)



(A)



(B)


Fraktionen die volle Unterstützung hat, dass in Deutsch-
land ausgeglichene Haushalte aufgestellt werden können.
Wie gesagt, erst nach 2006 beginnen wir, den Schulden-
berg Jahr für Jahr systematisch abzutragen. Trotzdem for-
dern Sie die Aussetzung von Steuern. Sie können sich sel-
ber ausrechnen, welche Konsequenzen das hätte. Die
Konsequenzen der Aussetzung von Steuern sind neue
Schulden. Das bedeutet, es dauert länger, bis der Haushalt
im Gleichgewicht ist; das bedeutet, es werden mehr Geld
der Bürgerinnen und Bürger und mehr Steuereinnahmen
auf die Zahlung von Zinsen verwendet.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Einnahmen sprudeln!)


Auch vor diesem Hintergrund finde ich die von Ihnen an-
gestoßene Ökosteuerkampagne eine Unverschämtheit.

Ich möchte Ihnen einen weiteren Grund nennen,
warum ich es eine Unverschämtheit finde, hier die Ängs-
te der Bürgerinnen und Bürger zu schüren. Das Konzept
der Bayerischen Staatsregierung, das von der CDU/CSU-
Fraktion übernommen wurde –


(Hans Georg Wagner [SPD]: Der Oberbefehlshaber sitzt immer in München!)


– mit dem Titel „Die bessere Alternative – Eine Steuer-
reform für Wachstum und Beschäftigung“, ist Ihnen wohl
bekannt. Damit haben Sie uns vor der Sommerpause ge-
nervt, als Sie glaubten, Sie könnten die Steuerreform
blockieren.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da war ich sogar dabei, als wir das ausgearbeitet haben!)


– Sie waren also dabei, als das Konzept ausgearbeitet
wurde.


(Joachim Poß [SPD]: Entfernungspauschale! – Gegenruf des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: War doch gut!)


Das finde ich ganz hervorragend, Herr Kollege Kalb. Sie
wollten den Bürgerinnen und Bürgern, den Pendlern, auf
deren Kosten Sie derzeit Stimmung machen, eine um
20 Pfennig gekürzte Entfernungspauschale zumuten.
Aber das erwähnen Sie nicht in Ihrer Ökosteuerkampa-
gne. Seien Sie stolz darauf!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir können über alles reden. Wir können auch über die
Frage diskutieren, ob die Entfernungspauschale sinnvoll
ist. Ökologen argumentieren, sie trage zur Zersiedelung
der Landschaft bei. Ich finde es aber falsch


(Zuruf von der CDU/CSU)

– Herr Kollege, Sie können mir eine Zwischenfrage stel-
len, wenn Sie ein Problem mit dem haben, was ich sage –,
wenn Sie Stimmung gegen die Ökosteuer machen, ob-
wohl Sie selber die Pendler massiv belasten wollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Nebenbei gesagt: Es ist ein gravierender Unterschied,
ob die Pendler mit 20 Pfennig oder mit noch nicht einmal

2 Pfennig, wie es jetzt durch die Ökosteuer geschieht, be-
lastet werden. Das muss man hier auch noch sagen. Das,
was Sie den Leuten zumuten wollten, wäre mehr als das
Zehnfache gewesen.


(Joachim Poß [SPD]: Erst ab dem 15. Kilometer! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir haben die Kilometerpauschale immer erhöht!)


Trotzdem haben Sie die Stirn, eine solche Kampagne vom
Zaum zu brechen. Mich ärgert das tierisch, weil ich finde,
dass dies das Unglaubwürdigste ist, was man machen
kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie machen Kampagnen und reden über den hohen
Steueranteil bei dem Mineralölpreis. Sie behaupten, dass
es beim Preis einen Steueranteil in Höhe von 70 Prozent
und einen Rohölanteil von 30 Prozent gibt. In Ihrer Amts-
zeit betrug der Steueranteil 80 Prozent und der Rohölan-
teil 20 Prozent. Das heißt nichts anderes, als dass das Pro-
blem der Preissteigerung nicht an der Ökosteuer liegt,
sondern daran, dass die Preise auf dem Weltmarkt in die
Höhe gegangen sind. Insofern sind wir der falsche Adres-
sat für Ihre Kritik. Das muss noch einmal sehr deutlich ge-
sagt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte noch einmal auf die 145 Milliarden DM
neuen Schulden zurückkommen, die wir in dieser und der
nächsten Legislaturperiode abbauen wollen. Den Betrag
von 145 Milliarden DM wollen die Koalitionsfraktionen
möglichst noch senken. Wir haben uns zum Ziel gesetzt,
die Nettoneuverschuldung unter 45 Milliarden DM zu
drücken. Wir können das vergessen, wenn wir jetzt an-
fangen, blindlings irgendwelche Steuern auszusetzen. Wir
erreichen das nur, wenn der eiserne Sparkurs eingehalten
wird, wenn die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent ge-
senkt werden, damit wir Impulse für mehr Wachstum und
Beschäftigung auslösen, und wenn es uns gelingt, die Mit-
tel für Investitionen im Bundeshaushalt wieder nach oben
zu treiben.

Als zum ersten Mal über den Kabinettsentwurf zum
Haushalt geredet wurde, haben wir gesagt, dass wir uns
alle wünschen, dass es in diesem Haushalt mehr Investi-
tionen gibt. Niemand bestreitet, dass echte Investitionen
in Straße, in Schiene, in Altbausanierung Arbeitsplätze
schaffen. Wir haben aber gesagt, dass wir keine Investi-
tionen zum Preis von neuen Schulden machen wollen.

Der Kollege Henke sagte, dass die Investitionsquote
bei 10,4 Prozent liege. Lieber Kollege Henke, am Ende
der Haushaltsberatungen werden wir eine Investitions-
quote von 12,1 Prozent erreichen. Dies werden echte In-
vestitionen sein und keine Buchungstricks wie bei der In-
vestitionsquote des Kollegen Waigel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie haben Dinge als Investitionen bezeichnet, die alles
waren, aber keine Investitionen. Wir wollen echte Inves-
titionen. Wir wollen die Angleichung der Mittel für die




Matthias Berninger

11471


(C)



(D)



(A)



(B)


Schiene an die für die Straße. Wir wollen dort, wo es nötig
ist, in den Straßenbau investieren, damit Staus bekämpft
werden und die Anwohner vom Lärm entlastet werden.
Wir wollen ein Altbausanierungsprogramm, das zum
Klimaschutz beiträgt und den Menschen eine höhere
Wohnqualität gibt. Wir wollen das alles aber nicht zum
Preis von neuen Schulden. Daran werden wir festhalten.
Davon weichen wir keinen Millimeter ab. Sie sollten sich
überlegen, warum Sie das so selten thematisieren. Mein
Eindruck ist, dass Sie das nur aus einem Grund tun: Sie
wissen genau, dass wir Recht haben. Gerade die konser-
vativen Haushaltspolitiker wissen genau, dass das Ihre
Achillesferse ist. Wir machen keine Politik auf Pump, wie
es die Regierung Kohl getan hat. Es ist nicht so, dass die
Roten und die Grünen nicht mit Geld umgehen können.
Sie sind es, die es nicht konnten! Das ist Ihre Achilles-
ferse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Abschluss der Haushaltsberatungen dieser Woche
muss das deutlich gemacht werden.

Die Haushaltsdebatte zeigt doch: Die Koalitionsfrak-
tionen sind sich über zwei Dinge einig. Sie wollen die
UMTS-Milliarden zur Schuldensenkung verwenden. Sie
wollen den Haushalt im Gleichgewicht halten und Spiel-
räume für neue Investitionen schaffen. Das ist die eine Sa-
che, über die wir uns einig sind. Die andere Sache ist: Wir
wollen die Lohnnebenkosten so weit wie möglich senken.
Wir Grüne halten an dem Ziel fest: unter 40 Prozent.

Was ist Ihr Alternativkonzept? Sie fabulieren über
Steuererleichterungen. Das hat der Kollege Stoiber schon
im letzten Jahr gemacht. Am Ende des Jahres waren sie
nicht so hoch. Sie blenden Risiken aus, zum Beispiel die
Postunterstützungskasse, den Kurs der Telekom-Aktie,
was sich natürlich auch auf den Haushalt auswirkt. Sie
haben kein Alternativkonzept auf den Tisch gelegt. Wenn
Sie Alternativkonzepte vorlegen, wie dieses wundersame
Steuerkonzept, dann sind es Konzepte, die wirklich zulas-
ten der kleinen und mittleren Einkommen gehen, die die
Menschen tatsächlich belasten. Das lassen Sie in solchen
Situationen unter den Tisch fallen. Das lassen wir Ihnen
nicht durchgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Schluss möchte ich noch etwas dazu sagen, wofür
die UMTS-Milliarden ausgegeben werden sollen. Das
müssen wir in den Koalitionsfraktionen beraten. Es muss
im Kabinett beraten werden.


(Roland Claus [PDS]: Da muss der Bundestag auch mitmachen!)


Wir werden auch dafür Sorge tragen, dass die Koalitions-
fraktionen den Oppositionsfraktionen und damit dem ge-
samten Parlament die Möglichkeit geben, darüber seriös
zu beraten. Das ist bisher unter den Tisch gefallen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Der Bundeshaushalt liegt in der Hand des Bundestages!)


Mir ist es wichtig, dass Sie unsere Vorschläge nicht in der
letzten Minute prüfen müssen, sondern dass Sie vernünf-

tig mitberaten können. Wir werden uns als Parlamentarier
dafür einsetzen, schon aus Gründen der Kollegialität.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was haben Sie für ein Parlamentsverständnis?)


– Ich habe Ihnen gerade schon gesagt, welches Parla-
mentsverständnis ich habe, Herr Kollege Kalb.

Ich bin der Meinung, dass wir darüber in Ruhe beraten
müssen. Ich glaube, es wird uns gelingen, ein vernünfti-
ges Paket für mehr Wachstum und Beschäftigung und für
einen Haushalt im Gleichgewicht zu schnüren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411910500
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht jetzt der Kollege Jürgen Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1411910600
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesfinanzminister
schloss seine Rede mit der Bemerkung ab, diese Regie-
rung und natürlich vor allem er hielten Kurs. Herr Bun-
desfinanzminister, das kam mir so wie bei Kolumbus vor:
Auch er hat immer Kurs gehalten; aber als er ankam,
wusste er nicht, wo er war.


(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


So ist das auch bei Ihnen.
Der Haushalt des Bundesfinanzministers Eichel ist wie

eine Medaille, die bekanntlich zwei Seiten hat. Ich will
die eine Seite beleuchten, die aus Sicht der F.D.P.-Frak-
tion durchaus positiv ist: Der Bundesfinanzminister will
die Schulden des Bundes senken. Wir finden, dass er da-
bei durchaus auf dem richtigen Weg ist.


(Zurufe von der SPD: Oi, Oi!)

– Hören Sie doch einfach einmal zu! – Wir denken, er ist
durchaus auf dem richtigen Weg, wenn er die 100 Milli-
arden DM aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen al-
lein für die Senkung der Schulden des Bundes benutzt.
Mein Kollege Rexrodt hat schon am ersten Tag der De-
batte gesagt: Das werden wir voll unterstützen. – Über
das, was mit den Zinsersparnissen zu geschehen hat, müs-
sen wir uns im Haushaltsausschuss noch unterhalten. Ich
bin der Auffassung, man könnte sie genauso zur Schul-
densenkung oder zur Förderung des Mittelstandes ver-
wenden. Ich kann mir auch noch das eine oder andere
vorstellen. Wir sollten sie nur nicht verkleckern. Ich per-
sönlich bin eher für Schuldensenkung.

Herr Bundesfinanzminister, mit der Einnahme aus der
Versteigerung der Lizenzen sind Sie ein wahrer Hans im
Glück. Man könnte fast sagen: Sie sind wie ein Lotto-
spieler, der alle Zahlen falsch getippt hat, aber trotzdem
den Hauptgewinn bekommt.


(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Denn diese Einnahmen durch die Versteigerung der Li-
zenzen war nur möglich, weil die frühere Koalition aus




Matthias Berninger
11472


(C)



(D)



(A)



(B)


CDU/CSU und F.D.P. die Privatisierung der Post vorge-
nommen hat, und das gegen den erbitterten Widerstand
von Sozialdemokraten und Grünen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Richtig!)

Während die Grünen zu dieser Zeit sogar das Handy für
Teufelszeug gehalten haben, trat der heutige Bundes-
finanzminister im Bundesrat massiv gegen die Privatisie-
rung ein.


(Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl!)

Ich sage noch einmal: Gut, dass unsere alte Koalition
nicht dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten ge-
folgt ist.

Aber es wird noch interessanter. Ich rate – leider ist kei-
ner vom Bundespresseamt da –, einmal die ganzen
Reden, die Herr Eichel im Bundesrat gehalten hat, als
Broschüre herauszugeben. Die Republik würde staunen,
was Sie alles gesagt haben. Ich kann Ihnen heute nur eine
kleine Kostprobe davon geben.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Eichel sagte im Bundesrat als hessischer Minis-
terpräsident:

Aufgabe der Postreform ist nicht die Sanierung des
Bundeshaushaltes. Es muss sichergestellt werden,
dass Verkaufserlöse bei der Post verbleiben und zur
Erfüllung ihres Auftrages wieder eingesetzt werden
können. Kein Verständnis hätte ich dafür, wenn die
Verkaufserlöse an den Bund abgeführt würden.


(Lachen bei der F.D.P.CDU/CSU)

So Hans Eichel als Ministerpräsident. Als Haushaltspoli-
tiker der F.D.P. bin ich natürlich froh, dass wir Herrn
Eichel nicht gefolgt sind.

Herr Bundesfinanzminister, da Sie uns hier einige Vor-
haltungen gemacht haben – Sie werfen uns vor, früher
nicht gespart zu haben –, erlauben Sie – es ist noch nicht
lange her, genau drei Jahre – noch eine Kostprobe. Da ha-
ben Sie der damaligen Bundesregierung im Bundesrat
vorgeworfen – ich habe das Protokoll bei mir –, sie spare
zu viel. Sie sagten, Sie seien es leid, über das Sparen zu
reden. Sie haben den Wohnungsbau, das BAföG und eine
ganze Liste weiterer Punkte aufgeführt –


(Hans Eichel, Bundesminister: Ja, richtig!)

– und behauptet, wir brächten die Zukunftsfähigkeit un-
seres Landes in Gefahr, wenn wir weiterhin so sparten.
Das haben Sie uns noch vor drei Jahren vorgeworfen.
Stellen Sie sich nicht hier hin und halten Sie nicht solche
Reden, wie Sie es heute getan haben!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, Sie sind in einem Punkt

unehrlich:

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Nicht nur in einem!)

Sie vergleichen sich immer mit Theo Waigel. Zu dessen
Politik könnte man zwar das eine oder andere sagen,
aber Sie müssen sich mit Ihrem Vorgänger vergleichen.

Der hieß Oskar Lafontaine und schmiss das Geld zum
Fenster raus.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: In der kurzen Zeit hatte der gar keine Gelegenheit!)


Der Bundesfinanzminister – das ist jetzt die andere
Seite der Medaille des Haushaltes – behauptet – das hat er
auch heute gemacht; wir unterstützen das –: Es muss ge-
spart werden. Wenn man sich den Haushalt anschaut,
dann erkennt man: Er spart gar nicht. Bei Eichel bekommt
das Wort „sparen“ eine völlig neue Bedeutung: Abkassie-
ren und das Geld in den eigenen Haushalt stecken, das ist
für ihn sparen. Er hat auch davon gesprochen – dabei kön-
nen wir ihm teilweise sogar folgen –, man dürfe nicht zu
viele Wohltaten verteilen und man müsse wissen, wie die
Gegenfinanzierung aussieht. „Gegenfinanzierung“ ist
übrigens sein Lieblingswort.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist bei Ihnen ein Fremdwort!)


– Nein, hören Sie doch einfach einmal zu! Ich war bei
Ihrer Rede, glaube ich, der Ruhigste und das war ver-
dammt schwer. Ich wäre dankbar, wenn Sie auch bei mir
zuhören würden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Sagen Sie doch etwas zur Gegenfinanzierung!)


Bei Eichel sieht es folgendermaßen aus: Wenn aus sei-
ner eigenen Fraktion oder aus der Koalition der Wunsch
geäußert wird, Wohltaten – ich benutze den Ausdruck, den
Sie gebraucht haben – zu verteilen, dann sagt er: „Okay,
das machen wir; aber wir brauchen die Gegenfinanzie-
rung.“ Die Bürgerinnen und Bürger bekommen dann
1 000 DM in die eine Tasche und aus der anderen nimmt
er ihnen 1 300 DM heraus. Das ist dann die „Methode
Eichel“ der Gegenfinanzierung.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Real sieht es nämlich so aus – darauf wurde schon un-

ter anderem vom Kollegen Rexrodt in seiner Rede hinge-
wiesen –: Bürger und Unternehmen zahlten im Jahre 1999
etwa 376MilliardenDM an den Bund; im Jahre 2004 wer-
den es bereits fast 450 Milliarden DM sein. Das sind Gel-
der, die die Steuerzahler zahlen, Herr Minister. Sie müs-
sen doch immer wieder überlegen, was Sie von dieser
großen Summe an den Bürger zurückgeben können.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Von vornherein beim Bürger belassen!)


Wir als Freie Demokraten sind überhaupt der Auffassung,
dass der Bürger besser mit dem Geld umgehen kann, als
Sie es können.

Nun – das möchte ich noch einmal unterstreichen –
machen wir uns schon um die hohen Mineralöl- und
Heizölpreise Sorgen. Herr Minister, Sie können nicht ein-
fach sagen, die Bürger müssten das so tragen oder, wie
es der Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Hol-
stein sagte, auf die Urlaubsreise verzichten. So geht es
nicht.


(Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)





Jürgen Koppelin

11473


(C)



(D)



(A)



(B)


Angesichts des Vorschlags von den Grünen aus Schles-
wig-Holstein, auf die Urlaubsreise zu verzichten, –


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Kollege!)


– fällt mir noch etwas ein – Herr Kollege Metzger, ich
sehe Sie gerade –: Nach einer Forsa-Umfrage, die ich
kürzlich gelesen habe, könnte sich jeder vierte Deutsche
vorstellen, mit Joschka Fischer Urlaub zu machen. Daraus
wird dann nichts, kann ich Ihnen da nur sagen.


(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P., dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/ CSU)


Wenn wir uns über Ökosteuern sowie Benzin- und
Heizölpreise unterhalten, dann darf ich Ihnen doch noch
einmal wieder zu Gehör bringen – das habe ich diese Wo-
che ja schon einmal gemacht –, was der jetzige Bundes-
kanzler als niedersächsischer Ministerpräsident in einem
dpa-Interview 1997 gesagt hat. Er hat gesagt: Für die Bür-
ger in den Flächenstaaten ist ein höherer Benzinpreis eine
erhebliche Mehrausgabe. Die SPD muss in Kauf nehmen,
dass die Leute dann die Schnauze von uns voll haben. –
Das hat Schröder gesagt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wir Freien Demokraten sind davon überzeugt, dass Sie

ein Konzept anbieten werden, in dem es Entlastungen für
die Bürger geben wird. Sie halten diesen Druck ja gar
nicht aus; das wissen wir. Ich kann mir einfach nicht vor-
stellen, dass dieser Bundeskanzler, der ja den Ruf hat,
auch ein Freund der großen Autobosse zu sein, gerne in
die Geschichte als Heizöl- oder Benzinkanzler eingehen
will. Das kann ich mir bei ihm nicht vorstellen. Wir wer-
den einmal die nächsten Tage abwarten, was da kommen
wird. Die Grünen werden dann wieder alles schlucken;
davon sind wir fest überzeugt.

Nun noch ein paar Punkte zum Haushalt, Herr Minis-
ter.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich zum Thema!)


Schauen Sie sich einmal Ihren Verteidigungshaushalt
an. Ich weiß, wie schwer das ist. Aber mit diesem Vertei-
digungshaushalt ist eine Reform der Bundeswehr nicht
möglich. Das steht eindeutig fest. Wie Sie uns das noch
verkaufen wollen, zumal die entsprechenden Ergänzun-
gen aus dem Ministerium, Frau Staatssekretärin, fehlen,
werden wir ruhig abwarten.

Wo setzt der Haushalt für Forschung und Bildung
Akzente? Ich kann Ihnen aufgrund der Zeit nur wenige
Punkte nennen. Wo setzt er Akzente? Ich habe dazu nichts
gehört.


(Jörg Tauss [SPD]: Was wollen Sie denn alles? – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Haben Sie denn nicht zugehört?)


Straßenbau und vieles andere findet nicht statt.
Deswegen sage ich zum Schluss, liebe Kolleginnen

und Kollegen: Wir werden interessante Haushaltsbera-
tungen im Haushaltsausschuss haben. Die Freien Demo-

kraten werden sich daran beteiligen; das ist selbstver-
ständlich. Wir werden aus der Oppositionsrolle heraus
versuchen, unsere Vorstellungen darzulegen. Unsere Vor-
stellungen sind ganz klar: wo es möglich ist, Arbeitsplätze
schaffen, Arbeitsplätze schaffen und nochmals Arbeits-
plätze schaffen. Diese Linie werden wir verfolgen.

Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das fällt Ihnen aber spät ein! Nach so viel Polemik nur ein Satz zu den Arbeitsplätzen!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411910700
Für die PDS-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1411910800
Frau Präsidentin! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Von der ersten Minute dieser
einwöchigen Redeschlacht bis zu den letzten Minuten fin-
det hier offenbar vor allen Dingen eines statt: nämlich
gegenseitige Schuldzuweisungen der früheren Koalition
an die jetzige und der jetzigen an die frühere. Dabei wird
mitunter auch noch Lautstärke mit Argumentationsstärke
verwechselt.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wer arbeitslos ist, als Bau-
arbeiter oder in einem anderen Beruf seinen Lebensun-
terhalt bestreiten muss, wer als Elternpaar für seinen
zwölfjährigen Sohn bzw. seine zwölfjährige Tochter sich
darum Sorgen machen muss, ob in vier Jahren eine
Lehrstelle zu finden ist, wer als Rentner bzw. Rentnerin
mit um 0,6 Prozent angehobenen Rentenbezügen in die-
sem Jahr eine 1,8-prozentige Inflationsrate verkraften
muss oder wer als Pendler – in Ostdeutschland sind das
immerhin 500 000 Menschen – mit den explodierenden
Spritkosten konfrontiert ist, dem nützen gegenseitige
Schuldzuweisungen überhaupt nichts.


(Beifall bei der PDS)

Der möchte Lösungsangebote haben, damit er sich

zwischen den jeweiligen politischen Kräften entscheiden
kann.

Was konkrete Lösungsangebote anbetrifft, sah das
hier eher mager aus. Ich habe gehört, dass den Rentnern
empfohlen wird, sich Energie sparende Heizgeräte anzu-
schaffen, und den Pendlern empfohlen wird, endlich ein-
mal einen ADAC-Lehrgang für Sprit sparendes Fahren zu
besuchen. Das kann man alles empfehlen, aber insgesamt
sind das, wie ich finde, ärmliche Vorschläge.


(Beifall bei der PDS)

Herr Minister, in dieser Schlussrunde wäre Gelegen-

heit gewesen zu sagen: Denken Sie nicht vielleicht doch an
eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale?


(Beifall bei der PDS)

Wie wollen Sie den öffentlichen Personennahverkehr so
entlasten, dass er auch noch von den Leuten genutzt wer-
den kann, die nicht besonders viel Geld in der Tasche ha-
ben? Und haben Sie nicht vielleicht doch vor – hoffent-
lich; man konnte im Sommer so etwas hören –, die




Jürgen Koppelin
11474


(C)



(D)



(A)



(B)


Nettolohnformel für die Anpassung der Renten wieder
einzuführen? Heute wäre Gelegenheit gewesen, solche
Signale zu senden; –


(Beifall bei der PDS – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


– denn die Bürgerinnen und Bürger, die uns zugehört und
zugeschaut haben, warten auf Signale.

Herr Minister, Sie sagen: Sollen doch die Brummifah-
rer, sollen doch die von den Spritpreisen betroffenen
Menschen ihren Frust bei der OPEC und bei den Ölkon-
zernen ablassen. – Diese haben aber leider keine gewähl-
ten Vertreter. Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter
des Volkes sitzen hier. Daher muss hier die Debatte dazu
stattfinden und daher muss hier eine Antwort gegeben
werden.


(Beifall bei der PDS)

Ich finde es reichlich absurd, wenn der Außenminister

dieser Koalition vor der UNO sagt: Wir müssen alles tun,
um die schädlichen Marktkräfte in der Welt einzudäm-
men – was ich natürlich unterstreiche. Aber wenn die ei-
gene Regierung zu Hause sagt: „Gegen diese schädlichen
Marktkräfte können wir leider nichts tun, die müssen wir
hinnehmen“, ist das ein bisschen absurd.


(Beifall bei der PDS)

Nie ist in diesem Hause – ich kann mich jedenfalls

nicht erinnern – innerhalb einer Woche so häufig von den
Interessen künftiger Generationen die Rede gewesen wie
dieses Mal. Das ist zu begrüßen. Es ist natürlich richtig,
dass die Interessen künftiger Generationen bei der Vertei-
lung öffentlicher Steuergelder schon heute vertreten wer-
den. Das ist unbestritten und das unterstützen wir.

Wir unterstützen als PDS – das mögen Sie vielleicht
nicht erwartet haben – den eingeschlagenen Kurs der
Haushaltskonsolidierung, wenngleich wir sagen: Das
Ganze darf nicht zum Selbstzweck werden. Schon heute
wirft Ihnen das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor-
schung vor, dass ein übergroßer Spareifer auch Probleme
für die Zukunft aufwerfen kann.


(Beifall bei der PDS)

Diesen Aspekt werden wir in den weiteren Haushalts-
beratungen stark beachten.

Also: Haushaltskonsolidierung in jedem Falle, aber sie
darf nicht zum Selbstzweck werden.

Es sind ja nicht nur die Finanzschulden, die die junge
Generation belasten. Unsere Kinder und Kindeskinder
sind auch belastet, wenn ihre, in vielen Fällen hoch quali-
fizierten, Eltern arbeitslos sind, wenn ihre berufserfah-
renen Großeltern frühverrentet werden.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Richtig!)

Das ist für die junge Generation eine Bürde. Daher muss
es dabei bleiben, dass Zukunftssicherung nicht erst mit
der Haushaltskonsolidierung beginnt, sondern schon mit
der Bekämpfung der aktuellen Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der PDS)


Dabei stößt mir zweierlei bitter auf; ich will es in aller
Kürze noch hier andeuten. Sie setzen, wie die frühere Ko-
alition, darauf, dass die Arbeitslosigkeit durch Steuer-
senkungen für die Unternehmen bekämpft werden kann
und muss, was Sie auch tun.


(Joachim Poß [SPD]: Steuersenkungen für alle!)


Außerdem setzen Sie auf die Einführung neuer Technolo-
gien und anhaltenden Exportboom. Es bleibt jedoch da-
bei, dass sehr viele Unternehmen trotz sinkender Steuern
noch in diesem Jahr in Konkurs gehen werden.


(Joachim Poß [SPD]: Aber eine Pleitewelle wie bei Kohl haben wir nicht mehr!)


Es bleibt auch dabei, dass es in vielen Bereichen des ge-
sellschaftlichen Lebens Arbeit gibt, die leider nicht ratio-
nalisierbar ist: Auch wenn Sie die Unternehmensteuern
auf null zurückfahren würden, würden Private in bestim-
mten Bereichen keine Arbeit anfassen.

Ich nenne nur den sensiblen Bereich Kinder- und
Jugendarbeit, in dem es in diesem Lande geradezu
brennt. Jeder von uns bekommt Briefe von betroffenen
Verbänden und Vereinen. Eine Vereinsvorsitzende aus
dem Be-reich der Evangelischen Kirche in Berlin-Bran-
denburg hat mir geschrieben, dass sie morgen vor die
dann ge-schlossenen Räume treten und den Kindern – es
sind meis-tens verhaltensgestörte Kinder – sagen muss:
Kinder, es liegt nicht an euch, aber es gibt kein Geld.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Es liegt aber auch nicht an der Bundesregierung!)


Sie sagt zu mir: Wenn Sie mich kennen, ahnen Sie, wie
mir zumute sein wird. – Ich kann es ihr nachfühlen.

Wir als PDS werden daher ein Modellvorhaben in die
Haushaltsberatungen einbringen, um zu zeigen, wie man
im Bereich Kinder- und Jugendarbeit feste Stellen schaf-
fen kann. Das kann man nicht den Kommunen überlassen,
weil es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411910900
Frau Kollegin Luft,
Sie müssen bitte zum Schluss kommen.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1411911000
Die sich ergebenden Kosten
sind nicht höher, als zum Beispiel die Steuerbefreiung für
Flugbenzin ausmacht.

Aufgrund meiner abgelaufenen Redezeit kann ich ein
weiteres Problem nicht mehr ansprechen. Nur so viel
möchte ich noch sagen: Wenn Sie das Programm gegen
Jugendarbeitslosigkeit weiter so finanzieren – wir haben
uns diesbezüglich immer mit Kritik zurückgehalten –,
dann wird es die Steuerzahler nach drei Jahren 6 Milliar-
den DM gekostet haben, ein beträchtlicher Batzen Geld.
Wenn Sie sich endlich entschließen würden, die Unter-
nehmen, die sich aus der Finanzierung der Ausbildung
heraushalten, mit einer Ausbildungsplatzumlage zu bele-
gen, –


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411911100
Frau Kollegin, ich
muss Sie noch einmal ermahnen.




Dr. Christa Luft

11475


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1411911200
– dann würden wir jedes
Jahr 2 Milliarden DM für andere Zwecke im Haushalt
zur Verfügung haben.


(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411911300
Der nächste Redner ist
der Kollege Hansgeorg Hauser für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Hansgeorg Hauser (CSU):
Rede ID: ID1411911400

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Am Ende der mehrtägigen Debatte zur Ein-
bringung des Haushalts 2001 bleibt eine wichtige Frage
unbeantwortet.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Was macht die CDU?)


Wer die Debatte zur Finanz- und Steuerpolitik dieser Re-
gierung verfolgt hat, fragt sich unwillkürlich, was aufsei-
ten dieser Regierung und der sie tragenden Regierungs-
fraktionen denn nun größer sei: die Blindheit, die Sturheit
oder die Arroganz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh! – Hans Georg Wagner [SPD]: Der Erfolg ist größer!)


Trotz eindeutiger Zahlen über die eklatanten Preisstei-
gerungen in allen Energiebereichen tut die Regierung so,
als wäre alles ganz normal verkraftbar. Der Anstieg der In-
flation wird nicht zur Kenntnis genommen. Die Belastun-
gen der Wirtschaft werden als das übliche Gejammere
dargestellt. Die Sorgen der Bürger, insbesondere der klei-
nen Leute, werden damit abgetan, dass soziale Härtefälle
mit ein paar Mark Ausgleich geregelt werden könnten –
und das natürlich in der für Sozialdemokraten typischen
Art: mit riesigem bürokratischem Aufwand und mithilfe
der Erfindung neuer Beihilfen. Es wird wahrscheinlich
ein neuer Bezugsscheinbürokratismus kreiert werden.


(Zuruf von der SPD: Was? – Zuruf von der CDU/CSU: Winterhilfe!)


Es ist bezeichnend, dass man das Ganze auf die Sozial-
hilfe abwälzen will; denn die zahlen die Kommunen. Die
Regierung ist dafür nicht zuständig.

Diese Regierung ist offensichtlich blind und taub ge-
genüber Warnungen, dass die anspringende Konjunktur
einen deutlichen Schaden erleiden könnte. So gesehen ist
es natürlich verständlich, dass der Bundeskanzler einen
niedrigeren Euro als gut für die Wirtschaft bezeichnet und
sich damit seines soeben gewonnenen Titels wahrhaft
würdig erweist.

Sicher ist es richtig, dass ein Teil der Preissteige-
rungen nicht alleine die Regierung zu vertreten hat. Aber,
sehr verehrter Herr Bundesfinanzminister, nach Ihrem
dramatischen Auftritt vorgestern, –


(Jörg Tauss [SPD]: Der war gut!)

– muss ich sagen: Sie hätten schon einmal an das Ge-
schachere zwischen Ländern und Bund zur Finanzierung
der Einheit erinnern können. Der Bund hatte als einzige

Möglichkeit nur die Erhöhung der Mineralölsteuer, weil
dies die einzige Steuer ist, die ihm zufließt. Die anderen
Steuern hätten alle nur mit Beteiligung der Länder erhöht
werden können. Diesen Punkt sollten Sie schon einmal
richtig stellen.


(Joachim Poß [SPD]: Das Interessante ist, dass Sie das nicht zur Begründung herangezogen haben, sondern den Golfkrieg!)


Aber der auf die Regierung zurückzuführende Anstieg
aufgrund der Erhöhung der Mineralölsteuer und der auf
den Bund entfallende Anteil bei der Mehrwertsteuer sind
ein wesentlicher Teil dieser Preissteigerungen.

Absolut alleine zu vertreten hat die Regierung den Un-
fug mit der Ökosteuer. Es ist schon mehrfach ausgeführt
worden, dass diese Steuer weder ökologisch sinnvoll noch
steuersystematisch vertretbar und schon gar nicht sozial
gerecht ist. Was hat denn der Rentner davon, dass die
Beiträge gesenkt werden? – Gar nichts. Er darf nur die
Kosten dafür tragen. Diese Politik machen Sie, obwohl
Sie doch immer die kleinen Leute vertreten wollen.

Die Regierung vertritt stur die Haltung, dass diese
Steuer notwendig ist und eines ihrer Meisterstücke dar-
stellt. Lenkungseffekte für ein besseres ökologisches Ver-
halten sollen von ihr ausgehen. Der Bürger hat aber längst
gemerkt, dass es – wie einst bei dem 5-Mark-Beschluss
der Grünen – nur auf eines hinausläuft: Man will dem
Bürger vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat,
wann und wie oft er mit dem Auto fahren darf, wie schnell
er unterwegs sein darf und welches Auto er letzten Endes
fahren darf.

Dass die ökologische Lenkungswirkung ein Märchen
ist, hat sich längst herausgestellt. Bei der unlogischen
Konstruktion des Gesetzes, wonach beispielsweise rege-
nerative Energiequellen nicht von der Besteuerung aus-
genommen sind und obendrein öffentliche Verkehrsmittel
zusätzlich belastet werden, ist dies kein Wunder.

Auch – wie immer wieder behauptet wird – die aus-
schließliche Verwendung der Einnahmen zur Finanzie-
rung des Zuschusses an die Rentenkasse ist längst aufge-
deckt und nimmt Ihnen niemand mehr ab. Diese sys-
temwidrige Finanzierung wird Sie nicht davor bewahren,
im Rentenbereich erhebliche Kostenreduzierungsmaß-
nahmen durchzuführen und die Augen gegenüber den
Generationsveränderungen aufzumachen.

Herr Bundesfinanzminister, wie alle Vorredner aus
meiner Fraktion kann ich Sie nur auffordern, den Unfug
mit der Ökosteuer endlich zu beenden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu gibt es eine gute Gelegenheit: Stimmen Sie unserem
Entwurf eines Ökosteuerabschaffungsgesetzes, das wir
einbringen werden, zu.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Träumt weiter! – Joachim Poß [SPD]: Der Gipfel der Unseriosität!)


Diese Aufforderung wird in einer arroganten Art und
Weise missachtet und einfach nur als Druck von der
Straße diffamiert. Das wird Ihnen sicher noch einmal






(C)



(D)



(A)



(B)


Leid tun. Wer den Brummifahrern vorwirft, sie würden
Maßnahmen vorbereiten, die den Straftatbestand der
Nötigung erfüllen, zeigt, dass er von deren Sorgen keine
Ahnung hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Jörg Tauss [SPD]: Sie bereiten das vor!)


Der Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr,
Logistik und Entsorgung, des BGL, Hermann Grewer, ist
ein sehr besonnener und intelligenter Mensch.


(Joachim Poß [SPD]: Das hat auch keiner infrage gestellt!)


Ihm vorzuwerfen, er erarbeite Aufmarschpläne, und ihn
damit mit Chaoten und Gewaltdemonstranten gleichzu-
stellen ist eine Unverschämtheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn das gemacht? – Joachim Poß [SPD]: Das hat doch gar keiner getan!)


Wenn in ihrer Existenz gefährdete Bürger zu Demon-
strationen aufrufen, dann regt sich der Bundeskanzler auf.
Als in Hannover die Chaoten randalierten, hat dies den da-
maligen niedersächsischen Ministerpräsidenten wenig
gekümmert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Wenn Sie den Bürgern vorschlagen, langsamer zu fahren,
dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn dieser Rat
von den Brummifahrern befolgt wird.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Die Folgen können Sie verantworten.

Der Gipfel der Arroganz – das ist schon erwähnt wor-
den – ist die Äußerung des Vorsitzenden der Grünen in
Schleswig-Holstein, dass auf den Urlaub verzichtet wer-
den müsse. Die „Bild“-Zeitung hat es richtig erkannt, als
sie fragte: Sind die Sorgen der Menschen, die um ihre
Existenz bangen, Nebensache?

Angesichts eines Kanzlers, der im Himmel schwebt,
eines Finanzministers, der vor Kraft nicht mehr laufen
kann, –


(Joachim Poß [SPD]: Einen solchen Minister hätten Sie auch gerne gehabt! Sie hatten doch den schwächelnden Waigel!)


– und eines Außenministers, der die Freundschaft mit ei-
nem Nachbarstaat zerstört hat und sich lieber mit dem Öl-
multi Gaddafi trifft, ist es kein Wunder, dass sich die Be-
völkerung fragt, ob diese Regierung noch etwas mit ihren
Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben will.


(Beifall bei der CDU/CSU)

80 Prozent der Deutschen lehnen die Ökosteuer ab.

Eine Umfrage der „Woche“ hat ergeben, dass 60 Prozent
sogar bereit sind, die Regierung mit Aktionen in die Knie
zu zwingen. Das sollte Ihnen die Augen öffnen und Sie zu
einer Umkehr von diesem falschen Weg bewegen.

Auch bei der Steuerreform ist nach anfänglicher Eu-
phorie schnell Ernüchterung eingetreten. Sie haben in den
Sommermonaten Ihren Triumph genossen, Verhandlungs-
partner über den Tisch gezogen zu haben und auf Teufel
komm raus eine Steuerreform umzusetzen. Erste Repara-
turarbeiten werden bereits vorgenommen. Denn nichts
anderes ist das Steuersenkungsergänzungsgesetz, das wir
jetzt beschließen sollen.

Das Urteil über die Steuerreform bleibt unsererseits
trotzdem bestehen: Entlastungen kommen zu spät. Die
vorgesehenen Steuersatzsenkungen sind ungerecht, weil
nicht rechtsformneutral verteilt, und der Systemwechsel
vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren
bringt erhebliche Komplizierungen und führt zu neuen
Ungerechtigkeiten.

Lassen Sie mich ganz kurz drei Beispiele aufführen,
die zeigen, dass diese Gerechtigkeitslücke zu einem
Scheunentor geworden ist: Veräußerungsgewinne – Sie
kennen das Thema – werden in dreifacher Hinsicht voll-
kommen unterschiedlich behandelt. Bei einer Kapital-
gesellschaft wird die Beteiligungsveräußerung steuerfrei
belassen. Bei einer natürlichen Person, die einen Anteil an
einer Kapitalgesellschaft hat, gilt das Halbeinkünftever-
fahren. Kommt es zu einer Veräußerung eines Einzelun-
ternehmens oder einer Beteiligung an einer Personen-
gesellschaft, wird das Ganze voll besteuert.


(Hans-Dirk Bierling [CDU/CSU]: Das ist doch pure Ideologie!)


Ein weiteres Beispiel sind die Steuerbelastungen bei
gewerblichen Einkünften. Auch diese werden vollkom-
men unterschiedlich behandelt. Gewerbliche Einkünfte
aus einer Personengesellschaft oder einem Einzelunter-
nehmen unterliegen in voller Höhe der Einkommensteuer,
wenn der Spitzensteuersatz erreicht wird. Dieser Satz be-
trägt im Jahre 2001 immerhin noch 48,5 Prozent.

Die Gewinne der Kapitalgesellschaften werden mit
25 Prozent besteuert. Hier ist es ein großer Unterschied,
ob die Gewinne im Inland erwirtschaftet werden oder ob
sie beispielsweise aus einer Beteiligung im Ausland stam-
men, denn die Erträge aus der Beteiligung an ausländi-
schen Gesellschaften sind in Deutschland völlig steuer-
frei.

International tätige Unternehmen werden sich daher
künftig sehr genau überlegen, ob sie Investitionen in
Deutschland oder im Ausland tätigen. Genau an dieser
Stelle wird Ihr Anliegen, dass die Steuerreform einen
beschäftigungspolitischen Erfolg erzielt, zum Scheitern
verurteilt sein. Die Überlegungen, ob künftig mehr im
Ausland investiert werden soll, sind bereits in vollem
Gange.

Dazu trägt auch bei, dass künftig Auslandsverluste im
Inland nicht mehr geltend gemacht werden können, mit
dem Ergebnis, dass risikobehaftete Investitionen eher in
Deutschland durchgeführt werden und ertragreiche Inves-
titionen eher im Ausland.

Experten tüfteln vielfach, weil sie alle den Schluss ge-
zogen haben, dass beim Schritt über die Grenze die frühe-
ren Personengesellschaftsstrukturen an Bedeutung verlie-
ren und durch Konzernsachverhalte ersetzt werden.




Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)


11477


(C)



(D)



(A)



(B)


Durch den Wegfall des Anrechnungsverfahrens und den
Übergang auf das Halbeinkünfteverfahren steigt die At-
traktivität von Auslandsinvestitionen. Daher wird den
Mandanten in allen großen Kanzleien empfohlen, im Aus-
land und nicht mehr im Inland zu investieren.

Herr Poß, Sie können den Menschen – Sie haben am
Wochenende auf Ihrem Parteitag Gelegenheit dazu – er-
klären: Früher haben die großen Gesellschaften relativ
wenig Steuern gezahlt – so haben Sie es immer behaup-
tet –, jetzt zahlen sie gar keine mehr. Das ist der Erfolg Ih-
rer Politik.


(Joachim Poß [SPD]: Warten wir ab!)

Genauso ist es bei den Dividenden. Bei deren Be-

steuerung gilt die gleiche Problematik.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben nichts kapiert! Auch hier sind diejenigen mit niedrigen Steuersätzen künftig wesentlich schlechter gestellt als diejenigen mit höheren Steuersätzen, denn diese werden künftig kräftig entlastet. Das ist der Erfolg Ihrer Steuerreform. Ich hoffe, Sie erzählen auch das auf dem Parteitag der SPD. Letzter Redner in dieser Haushaltsdebatte ist der Kollege Hans Georg Wagner für die SPD-Fraktion. Hans Georg Wagner SPD mit Beifall begrüßt)


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411911500
verehrten Damen und Herren! Es gehört zu den Abson-
derlichkeiten dieser Debatte, dass ausgerechnet der Hei-
zer des Schuldenzugs von Herrn Waigel in dieser Form
über die Bundesregierung herzieht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als Sie geschürt haben, sind die Schulden gestiegen. Herr
Kollege Hauser, erinnern Sie sich bitte daran.

Zu den Absonderlichkeiten dieser Debatte gehört auch,
dass vonseiten der CDU/CSU und F.D.P. überhaupt kein
konkreter Vorschlag zum Haushalt gekommen ist. Ich be-
daure das. Nur Frau Luft hat einige Punkte genannt, die
durchaus diskussionswürdig sind. Wir hätten gern über
Vorschläge diskutiert, wenn nicht ständig durch die De-
batte über die Ökosteuer vom Thema abgelenkt worden
wäre. Auch dazu werde ich gleich noch etwas sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich gehe zunächst auf etwas ein, das mich als Sozial-

demokrat furchtbar geärgert und tief getroffen hat.

(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Schon wieder!)

– Ich bin sonst sehr hart im Nehmen, Herr Kollege
Repnik. Ich halte viel aus und ich teile viel aus. Wenn sich
aber ein Herr Merz hier hinstellt und die Sozialdemo-
kratie im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung
Deutschlands diffamiert, dann erwarte ich, dass Frau

Merkel endlich einmal den Mund aufmacht, ihn zurecht-
weist und sich bei allen Sozialdemokraten in Deutschland
entschuldigt.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Darf ich Ihnen die Zitate zeigen?)


Ich nenne Ihnen Herbert Wehner, der Mann für Mann
aus den Gefängnissen der DDR geholt hat, als Sie noch
gar nicht daran dachten, mit den Herrschenden zu reden.
Soll ich an den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt er-
innern? Muss ich andere wie Helmut Schmidt nennen?
Hätte Helmut Schmidt durch seine Gespräche mit den
Führern der DDR nicht für Verständigung gesorgt, hätte
Helmut Kohl nicht den roten Teppich in Bonn ausrollen
können, über den Herr Honecker schreiten konnte.

Erhard Eppler, Hans-Jochen Vogel und viele andere,
Tausende von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten haben sich bemüht. Sie haben mit heißem Herzen für
die Wiedervereinigung gekämpft, die dann die Menschen
in der DDR – und nicht Sie – verwirklicht haben. Sie wa-
ren das nicht, Sie waren wie auch wir nur Zuschauer im
Westen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])


– Sie haben das auch noch fortgesetzt, Herr Kollege Kalb.
Die Sozialdemokratie hat hier im Deutschen Bundestag
der Verabschiedung des Einigungsvertrags einstimmig
zugestimmt, während 13 Kolleginnen und Kollegen der
CDU/CSU den Einigungsvertrag abgelehnt haben. Es ist
scheinheilig, wie Sie sich hier aufführen.


(Beifall bei der SPD)

Wie ist das mit den Blockflöten, die hier noch am Mitt-

woch geklatscht haben? Die Blockflöten waren an jeder
SED-Regierung der DDR beteiligt. Es gab nie eine Al-
leinregierung der SED. Es war immer die Bauernpartei
dabei. Es war immer die Ost-CDU, die bei Ihnen gelandet
ist, an der Regierung beteiligt. Sie waren am Mord durch
den Schießbefehl an der Mauer beteiligt. Sie waren immer
beteiligt, wenn irgend eine Schmutzigkeit gegen die Men-
schen in der DDR gemacht wurde. Damit sollten Sie ein-
mal in Ihren Reihen aufräumen.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Nun zur Ökosteuer.Ein schlimmeres und makabereres
Spiel als das, was Sie zurzeit mit den Betroffenen treiben,
hat es in der Bundesrepublik Deutschland noch nie gege-
ben. Das ist ein ganz makaberes Spiel.

Ich gebe nur wieder, was Martin Hüfner, der Chef-
volkswirt der bayerischen Hypovereinsbank, im ZDF ge-
sagt hat. Er hat gesagt: Die Ökosteuer muss bleiben. Nun
kann es sein, dass Sie zu einem bestimmten Konzern
– hier denke ich an Elf Aquitaine und an die Minol-Über-
nahme, die Übernahme der Tankstellen der ehemaligen
DDR – natürlich eine besondere Affinität besitzen. Dies
wird zumindest in den Büchern in Frankreich behauptet.
Denn wo sonst sollen die ganzen Spenden herkommen,
über die Herr Kohl nicht zu sprechen wagt? Elf Aquitaine




Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)

11478


(C)



(D)



(A)



(B)


ist immerhin ein großer Benzinkonzern, der natürlich die
Preise auch erhöht.


(Zuruf von der CDU/CSU)

– Herr Kollege, er ist inzwischen in Lyon angesiedelt, Sie
können mal hinfahren und gucken. Reden Sie einmal mit
Ihren Spenderfreunden, vielleicht senken sie in diesem
Zusammenhang ja die Preise.

Heute morgen hat der Hauptgeschäftsführer des Ar-
beitgeberverbandes Gesamtmetall, Hans Werner Busch,
laut ddp erklärt, er befürworte die Ökosteuer. Im
„Deutschlandradio Berlin“ begründet Busch dies heute
mit den positiven Effekten der Ökosteuer auf den Ar-
beitsmarkt. Er führte weiter aus, eine Abschaffung hätte
eine Erhöhung der Beiträge und damit eine Erhöhung der
Lohnnebenkosten zur Folge. Die Entwicklung der
Arbeitsplätze wäre gefährdet. Und Herr Busch ist kein
ausgewiesener Sozialdemokrat, eher ein F.D.P.-Mann,
wie wir wissen.

Wenn Sie schon über diese ganzen Erhöhungen reden:
Der Biodiesel hat zur Zeit die höchsten Preissteigerungen
und dies hat mit unserer Ökosteuer überhaupt nichts zu
tun. Fragen Sie einmal Ihre Landwirtsfreunde, die heute
auf dem Traktor sitzen und hier in der Gegend herumfah-
ren, warum sie den Biodiesel so teuer machen. Warum
machen sie ihn denn nicht billiger, wenn das wirklich ein
Produkt sein soll, das weltweit verbreitet werden soll?

Ich schenke es mir, noch einmal darauf einzugehen,
was hier die Frau Kollegin Merkel gesagt hat. Interessan-
terweise hat sie als Parteivorsitzende von Dienstagmittag
bis eben, als sie verschwunden ist, standhaft den Mund
gehalten. Zum Haushalt oder zur politischen Auseinan-
dersetzung hat sie offenbar gar nichts zu sagen. Ich be-
daure das außerordentlich, denn ich würde gern hören, wo
es mit der CDU eigentlich langgeht. Aber das ist nicht er-
kennbar.

Ich werde auch Herrn Merz nicht mehr zitieren, der im
November 1998 noch gesagt hat, durch die Ökosteuer
sollten Einnahmen erzielt werden, um Sozialabgaben zu
reduzieren. Dies hat Herr Merz gesagt. Am Mittwoch hat
Herr Merz jetzt eines gefordert – das ist klar –, nämlich
die Nettokreditaufnahme in Deutschland um 22Milliar-
den DM zu erhöhen; denn der Wegfall der Ökosteuer
würde einen Wegfall von 22 Milliarden DM bedeuten.


(Joachim Poß [SPD]: So ist das!)

Er sagte dazu, dass wir diese Summe auf die Nettokredit-
aufnahme draufschlagen müssten, damit wir die Höhe der
Rentenversicherungsbeiträge überhaupt halten könnten.
Das ist die Logik seiner Ausführungen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Mehreinnahmen dafür einsetzen!)


Nach dem, was die CDU hier vorgetragen hat, entspricht
das einer Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge auf
21 Prozent.

Mit den 22 Milliarden DM kämen wir dann an die
denkwürdige Grenze des Artikel 115 des Grundgesetzes:
Der Haushalt wäre verfassungswidrig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Was Herr Merz hier vorschlägt, ist eine Aufforderung an
die Koalition, das Gesetz zu brechen.


(Hansgeorg Hauser [Rednitzhembach] [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Dies ist eine Aufforderung an die Koalition, die Nettokre-
ditaufnahme so zu erhöhen, dass der Haushalt 2001 ver-
fassungswidrig wird. Für wie doof halten Sie uns eigent-
lich, meine Damen und Herren von der CDU/CSU?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass wir einen solchen Blödsinn nicht mitmachen, ist
doch wohl selbstverständlich.

Herr Gysi – um auch hier einen Punkt aufzugreifen –
schlägt vor, man solle von den Einnahmen aus der Ver-
steigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von 100 Milli-
arden DM 10 Milliarden DM für andere Zwecke verwen-
den. Dazu kann ich nur sagen: Er muss sich das
Haushaltsgesetz für das Jahr 2000 durchlesen. Auch die
PDS muss dieses Gesetz einhalten. Darin steht ausdrück-
lich, dass die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Li-
zenzen in den Bundeshaushalt zur Schuldentilgung auf-
genommen werden, und zwar in ihrer Gesamtheit. Man
kann keinen Teil davon wegbrechen und damit machen,
was man will. Auch dies gehört zur Redlichkeit der Poli-
tik.

Herr Gysi – auch wenn er nicht mehr im Saal ist –, wir
haben nicht vor, die Bundesanstalt für Arbeit hinsichtlich
der AB-Maßnahmen schlechter zu stellen. Dies bleibt für
die neuen Länder genauso, wie auch die Finanzhilfen zur
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, die Sie
infrage gestellt haben, erhalten bleiben.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Die Sachkosten!)

– Gut, wir können darüber diskutieren. Dies sollte alles so
bleiben, wie es war.

Herr Austermann hat mir gesagt, er müsse früher weg.
Ich habe ihm aber ordnungsgemäß gesagt, ich würde ihn
jetzt beschimpfen. Er hat heute morgen Ihr Leib- und Ma-
genblatt, die „Bild“-Zeitung, zitiert. Er legte dem armen
Herrn Pierer die Überschrift der „Bild“-Zeitung in den
Mund und behauptet, er hätte gesagt: „Die Ökosteuer
lähmt unseren Aufschwung“.

Jetzt lese ich einmal nach, was Herr Pierer in dem In-
terview wirklich gesagt hat. Er sagte auf eine entspre-
chende Frage:

Davon halte ich gar nichts! Man sollte sich über die
Ökosteuer noch einmal unterhalten.

– Ist das so schlimm? Aber Austermann zitiert Pierer. Pie-
rer habe gesagt, weg mit der Ökosteuer, sie lähme die
Wirtschaft. Nachdem Herr Pierer der CDU eine Telefon-
anlage finanziert hat – Siemens spendierte ja der CDU
eine Telefonanlage –, kann es sein, dass das die Dankbar-
keitsretourkutsche war.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist über einen Konzern bekannt geworden. Die An-
lage ist in Potsdam installiert worden. – Herr Koppelin,




Hans Georg Wagner

11479


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie beugen sich interessiert vor. Ich verstehe: Sie wollen
wissen, wie Sie für die F.D.P. Geld einsparen können.


(Heiterkeit bei der SPD – Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Ich wollte nur wissen, ob das die „Bild“-Ausgabe von Saarbrücken ist!)


Das geht bis zu Herrn Däke. Herr Däke ist Ihnen be-
kannt. Er ist Ihr Kronzeuge vom Bund der Steuernicht-
zahler. Er erklärt, man solle doch bitte das Kfz-Steuer-
Änderungesetz von 1997 aufheben. Er meinte, uns ans
Leder zu können bei einem Gesetz, das Sie verabschiedet
haben. Er geht also mittlerweile gegen Sie. Seien Sie also
bitte vorsichtig, wenn Sie ihn als Kronzeugen aufrufen. Er
ist in der Tat ein schlechter Kronzeuge dafür, wenn es um
irgendwelche steuerlichen Überlegungen geht.

Kurzum, meine Damen und Herren, wir haben bei die-
sem Haushalt Folgendes festzustellen: Der Regierungs-
entwurf verlässt heute, in diesen Minuten, die Regierung
und wird zum Entwurf des Parlamentes. Sie brauchen sich
deshalb gar keine Gedanken zu machen. Wir Abgeordnete
werden alles ordnungsgemäß beraten, wie es sich im
Deutschen Bundestag gehört. Wir werden diesen grund-
soliden Haushalt mit unserer und – so hoffe ich jeden-
falls – mit Ihrer Mitwirkung verabschieden und die Kon-
solidierung fortsetzen. Ich bin sicher, dass wir auf gutem
Wege sind, insbesondere im Interesse unserer Kinder und
Kindeskinder.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1411911600
Ich schließe die Aus-
sprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 14/4000 und 14/4001 an den Haushalts-
ausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung angelangt.

Ich möchte mich ausdrücklich bei all denjenigen be-
danken, die es bis zum Ende des Sitzungsmarathons die-
ser Haushaltswoche ausgehalten haben. Mein Kompli-
ment an Sie.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 27. September 2000, 13 Uhr, ein.

Ich wünsche allen, auch Ihnen oben auf der Tribüne,
ein interessantes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.