Protokoll:
1245

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 245

  • date_rangeDatum: 21. Januar 1953

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:35 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:36 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 245. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1953 11665 245. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 21. Januar 1953. Wünsche des Präsidenten für das neue Jahr 11668A Nachruf für den verstorbenen Abg. Mayer (Stuttgart) 11668A Nachruf für den verstorbenen Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg 11668B Gedenken für die Opfer der untergegangenen Schiffe „N. Ebeling" und „Melanie Schulte" 11668C Glückwünsche zum Geburtstag des Bundeskanzlers Dr. Adenauer 11668D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Ansorge, Stech, Dr. Weiß, Kühn, Dr. Luetkens, Dr. Horlacher . . 11668D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Renner und Gundelach 11678C Begrüßung des Abg. Diel nach seiner Genesung 11669A Mandatsniederlegung des Abg. Etzel (Duisburg) 11669A Eintritt des Abg. Dr. Handschuhmacher in den Bundestag 11669A Begrüßung der neu eingetretenen Abg. de Vries und Eplée 11669A Geschäftliche Mitteilungen 11669B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland 11669B Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs 11669C Gesetz über die Aufhebung kriegsbedingter gewerberechtlicher Vorschriften . 11669C Gesetz zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens 11669C Gesetz betr. deutsch-niederländische Vereinbarungen vom 19. Mai 1952 über Fragen der Restitution und vom 13./ 20. Juni 1952 über Freigabe von deutschen Reichsmark-Wertpapieren . . . 11669C Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung 11669C Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen . . . . 11669C Gesetz über weitere Ergänzungen und Änderungen des D-Markbilanzgesetzes sowie über die Ausgabe von Aktien in Deutscher Mark (Zweites D-Markbilanzergänzungsgesetz) 11669C Gesetz über die Gewährung von Zuwendungen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen . . . 11669C Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung 11669C Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) 11669C Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte 11669D Zweiten Gesetz zur Änderung des Zukkersteuergesetzes 11669D Gesetz zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes 11669D Wohnraumbewirtschaftungsgesetz . . 11669D Kleine Anfrage Nr. 227 der Fraktion der CDU/CSU betr. Neugliederung des Bundesgebietes (Nrn. 2785, 3975 der Drucksachen) 11669D Kleine Anfrage Nr. 258 der Fraktion der FU betr. Gästehaus des ehemaligen Vermögens Reichsparteitag/Bayerischer Staat, Nürnberg (Nrn. 3274, 3977 der Drucksachen) 11669D Kleine Anfrage Nr. 274 der Fraktion der SPD betr. Unterrichtung diplomatischer Vertretungen über das Wiedergutmachungsgesetz (Nrn. 3447, 3519, zu Nr. 3519 der Drucksachen) 11669D Kleine Anfrage Nr. 302 der Fraktion der SPD betr. Rede des Herrn Bundeskanzlers am 2. November 1952 (Nrn. 3846, 4010 der Drucksachen) 11669D Kleine Anfrage Nr. 305 der Fraktion der SPD betr. Steuerabzug bei Entschädigungen auf Grund der Wiedergutmachungsgesetze (Nrn. 3866, 3998 der Drucksachen) 11670A Kleine Anfrage Nr. 306 der Fraktion der SPD betr. Wiederaufbau des Parkhotels Düsseldorf (Nrn. 3867, 3976 der Drucksachen) 11670A Kleine Anfrage Nr. 307 der Fraktion der FU betr. Schutz der Klein- und Mittelmühlen (Nrn. 3889 [neu], 4013 der Drucksachen) 11670A Kleine Anfrage Nr. 308 der Fraktion der SPD betr. Lehrernachwuchs (Nrn. 3898, 3968 der Drucksachen) 11670A Kleine Anfrage Nr. 310 der Fraktion der FDP betr. Rückgabe deutscher Vermögenswerte (Nrn. 3912, 3979 der Drucksachen) 11670B Kleine Anfrage Nr. 311 der Fraktion der DP betr. Schwesternschule in Heidelberg (Nrn. 3919, 3989 der Drucksachen) 11670B Kleine Anfrage Nr. 312 der Abg. Stücklen, Dr. Freiherr von Fürstenberg, Kahn, Dr. Dr. Müller (Bonn) u. Gen. betr. Hopfenexport (Nrn. 3943, 3978 der Drucksachen) 11670B Kleine Anfrage Nr. 313 der Fraktion der SPD betr. Weihnachtszuwendung für die bei der Besatzungsmacht beschäftigten Personen (Nrn. 3952, 3988 der Drucksachen) 11670B Kleine Anfrage Nr. 314 der Fraktion der SPD betr. Herstellung von „künstlichen Diamanten" (Nrn. 395$, 3995 der Drucksachen) 11670B Kleine Anfrage Nr. 315 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Entflechtung der I. G. Farbenindustrie (Nrn. 3972, 4019 der Drucksachen) 11670B Verteilung der auf der 34. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf beschlossenen Übereinkommen und Empfehlungen (Nr. 3999 der Drucksachen) 11670C Bericht des Stellvertreters des Bundeskanzlers über die Schritte der Bundesregierung zur Verkündung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Errichtung neuer Apotheken (Nr. 3970 der Drucksachen) 11670C Vorlage des 9. Berichts des Bundesministers für Arbeit über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 3986 der Drucksachen) 11670C Bericht des Stellvertreters des Bundeskanzlers über die Einbeziehung der Deutschen Bundesbahn in das ECA-Investitionsprogramm (Nr. 3997 der Drucksachen) 11670C Bericht des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen über die Ergebnisse der Schritte der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages betr. Sicherung landwirtschaftlicher Nutzflächen vor unnötigen militärischen Inanspruchnahmen (Nr. 3996 der Drucksachen) 11670C Vorlage des Entwurfs einer Verordnung NEM III/52 und des Entwurfs einer Verordnung NEM II/53 11670D Zur Tagesordnung, betr. Absetzung der Beratung der Anträge der Fraktion der SPD über Mißbilligung des Verhaltens des Bundeskanzlers (Nr. 3955 der Drucksachen), Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz (Nr. 3897 der Drucksachen) und Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler über das Bundesverfassungsgericht (Nr. 3974 der Drucksachen): Dr. Krone (CDU) 11670D Mellies (SPD) 11671A von Thadden (Fraktionslos) . . . 11671D Renner (KPD) 11672B Absetzung beschlossen 11673A Erklärung des Bundeskanzlers (betr. Verhaftung mehrerer Deutschen durch die britischen Behörden und amerikanische Verlautbarungen über ein Anwachsen nationalsozialistischer Stimmungen in Deutschland): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 11673B Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Dienststelle Blank (Nr. 3859 der Drucksachen) 11674A Erler (SPD), Anfragender . 11674B, 11679D, 11682A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 11675D Strauß (CSU) 11677D, 11681B Renner (KPD) 11678C Dr. Mende (FDP) 11680C Beschlußfassung über Anträge . . . 11682D Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen (Zweites Wohnungsbaugesetz) (Nr. 3868 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin (Nr. 3905 der Drucksachen) sowie mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes (Nr. 3946 der Drucksachen) 11683A Lücke (CDU), Antragsteller 11683A, 11700C Neumayer, Bundesminister für Wohnungsbau 11686B Müller (Frankfurt) (KPD) 11690B Frau Kalinke (DP) 11691C Wirths (FDP) 11693A, 11697C Jacobi (SPD) 11694B Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 11698B Parzinger (FU) 11699D Überweisung der Nrn. 3868 und 3946 der Drucksachen an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 11700B, C Überweisung der Nr. 3905 der Drucksachen an die Ausschüsse für Heimatvertriebene und für den Lastenausgleich 11700C Erste Beratung der Entwürfe eines Gesetzes über die Besteuerung des Branntweins (Erstes Gesetz zur vorläufigen Neuordnung des Branntweinmonopols) sowie eines Gesetzes über die Monopolbewirtschaftung des Branntweins (Zweites Gesetz zur vorläufigen Neuordnung des Branntweinmonopols) (Nr. 3922 der Drucksachen) 11700D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . 11700D Dr. Horlacher (CSU) : zur Geschäftsordnung 11701A zur Sache 11704D Dr. Gülich (SPD) 11701A, 11703D Dr. Dresbach (CDU) . . 11702C, 11705A Dr. Bertram (Soest) (FU) 11703A Dr. Wellhausen (FDP) 1170413 Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 11'705A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes (Nr. 3926 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Abg. Schmücker, Stücklen, Dirscherl, Eickhoff u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Reichsabgabenordnung (Nr. 3964 der Drucksachen) 11705A Schmücker (CDU), Antragsteller 11705B Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 11705D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen vom 15. September 1938 (Ausfuhrzoll-Liste) (Nr. 3973 der Drucksachen) 11705D Zur Geschäftsordnung: Dr. Gülich (SPD) 11705D Kuhlemann (DP) 11706A Überweisung an den Außenhandelsausschuß 11706A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nrn. 3987, 3212 der Drucksachen) 11706A Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 11706A Beschlußfassung 11706B Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen (Nr. 3971 der Drucksachen) 11706B Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Kommunalpolitik 11706C Beratung des Antrags der Abg. Dr. Horlacher, Eichner, Lampl u. Gen. betr. Mittel für die Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch (Nr. 3965 der Drucksachen) 11706C Dr. Horlacher (CSU), Antragsteller 11706C Eichner (FU) 11707B Kriedemann (SPD) 11707C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß . . . . 11708C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Notenwechsel vom 19. und 28. Dezember 1951 zu dem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Nr. 3980 der Drucksachen) 11708C Überweisung an den ERP-Ausschuß und an den Außenhandelsausschuß . . . . 11708D Beratung der Übersicht Nr. 61 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 744) 11709A Beschlußfassung 11709A Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 745) 11709A Beschlußfassung 11709C Nächste Sitzung 11709C Die Sitzung wird um 13 Uhr 35 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124500000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 245. Sitzung des Deutschen Bundestages. Da es die erste im neuen Jahre ist, darf ich Ihnen und uns allen, eine erfolgreiche Arbeit, Gesundheit und Wohlergehen und unserem Volke und der Welt Frieden wünschen.
Die Sitzungspause, die wir hinter uns haben, hat wieder in sich geschlossen, daß zwei Abgeordnete dieses Hauses aus dieser Zeit abberufen worden sind.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Am 18. Dezember ist nach einem längeren, schweren inneren Leiden der Bundestagsabgeordnete der Freien Demokratischen Partei Herr Ernst Mayer verstorben. Er ist am 8. Juni 1901 in Zweibrücken geboren, Journalist geworden, vor 1933 in Pirmasens, Singen und Ebingen als politischer Redakteur tätig gewesen. Er wurde 1933 auf dem Heuberg interniert und aus Württemberg-Baden ausgewiesen, ist dann, bis er wegen politischer Unzuverlässigkeit ein Berufsverbot erhielt, bei einer mitteldeutschen Zeitung tätig gewesen. Er hat nach dem Kriege maßgebenden Anteil am Aufbau der Liberal-Demokratischen Partei in Sachsen gehabt, ist Ende 1945 nach Württemberg-Baden zurückgekehrt, wo er die Deutsche Demokratische Volkspartei mitbegründete und zu ihrem geschäftsführenden Vorsitzenden gewählt wurde. Er hat dem Vorstand der FDP angehört, war Herausgeber der Zeitung „Das neue Vaterland". Hier im Hause war er Mitglied des Ältestenrates, ordentliches Mitglied des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung, des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films und des Ausschusses gemäß Drucksache Nr. 2657 und stellvertretendes Mitglied weiterer Ausschüsse.
Am 19. Januar ist in Köln der Bundestagsabgeordnete der Freien Demokratischen Partei Dr. Hans Albrecht Freiherr von Rechenberg im Alter von 60 Jahren verstorben. Er ist 1892 in Neurode in Schlesien geboren, hat Philosophie und Chemie studiert, am ersten Weltkrieg teilgenommen, ist dann in einem Chemiekonzern tätig gewesen, Direktor einer Kölner Maschinenfabrik und später deren Inhaber geworden. 1945 ist er Mitglied der Industrie- und Handelskammer in Köln und des Vorstandes des Arbeitgeberverbandes der Metallindustrie in Köln geworden. Er hat 1945 eine demokratische Gruppe in Köln gegründet, die in der FDP aufgegangen ist. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der FDP und über die Landesergänzungsliste in den ersten Deutschen Bundestag gewählt worden. Er war ordentliches Mitglied des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Vom Deutschen Bundestag wurde er als Mitglied der deutschen Vertretung in die Beratende Versammlung des Europarats entsandt und übernahm das Amt des Vizepräsidenten des Außenpolitischen Ausschusses dieser Versammlung.
Meine Damen und Herren, uns allen sind beide heimgerufenen Kollegen aus ihrer vielseitigen und verantwortungsbewußten Arbeit bekannt. Ich glaube, in diesem Augenblick unabhängig von allen politischen Meinungsverschiedenheiten ihren Angehörigen und ihrer Fraktion das Beileid des ganzen Hauses in Dankbarkeit für das, was sie in unserem Kreise getan haben, und in der Verpflichtung, ihre verantwortungsbewußte Arbeit fortzusetzen, aussprechen zu dürfen.
Ich benutze diese Gelegenheit, um auch der Tatsache zu gedenken, daß die deutsche Seefahrt um Weihnachten von zwei schweren Unglücksfällen betroffen worden ist, zunächst durch den Verlust des Fischdampfers „N. Ebeling" bei Island und dann durch den unaufgeklärten Verlust des Frachtdampfers „Melanie Schulte". Bei diesen Unfällen sind mehr als 50 deutsche Seeleute in Ausübung ihres Berufs auf See geblieben. Wir gedenken auch ihrer und ihrer Angehörigen in Dankbarkeit für ihre Arbeit und in Mitgefühl. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Sitzungspause eingetreten sind, habe ich vorweg dem ältesten Mitglied des Hauses, Herrn Abgeordneten Löbe, zu seinem 77. Geburtstag gratulieren können. Nachdem nun die Sitzungen wieder beginnen, darf ich dem zweitältesten Abgeordneten dieses Hauses, dem Herrn Bundeskanzler, ebenfalls zu seinem 77. Geburtstag nachträglich die herzlichsten Glückwünsche aussprechen.

(Lebhafter Beifall.)

Auch eine Reihe anderer Abgeordneter sind in
diesem einen Monat älter geworden, — wie wir alle.

(Heiterkeit.)

Zum Teil sind sie in den Kreis der Abgeordneten eingerückt, deren Geburtstage in diesem Hause besonders zur Kenntnis genommen werden. Ich darf nachträglich der Frau Abgeordneten Ansorge zum 72. Geburtstag am 15. Dezember,

(Beifall)

dem Herrn Abgeordneten Stech zum 60. Geburtstag am 17. Dezember,

(Beifall)

dem Herrn Abgeordneten Dr. Weiß zum 65. Geburtstag am 23. Dezember,

(Beifall)

dem Herrn Abgeordneten Kühn zum 60. Geburtstag am 27. Dezember,

(Beifall)

dem Herrn Abgeordneten Dr. Luetkens zum 60. Geburtstag am 5. Januar

(Beifall)

und dem Herr Abgeordneten Dr. Horlacher zum 65. Geburtstag am 18. Januar

(Beifall)



(Präsident Dr. Ehlers)

herzliche Glückwünsche aussprechen, wobei mich wie im letzten Jahr die Tatsache, daß Herr Horlacher sich ausgerechnet den 18. Januar als Geburtstag ausgesucht hat, besonders bewegt.

(Heiterkeit und Beifall.)

Meine Damen und Herren, ich habe weiterhin bekanntzugeben, daß der Herr Abgeordnete Franz Etzel mit Schreiben vom 4. Januar wegen seiner Inanspruchnahme als Vizepräsident der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sein Mandat niedergelegt hat. Der für Herrn Abgeordneten Etzel in den Bundestag eingetretene Herr Abgeordnete Dr. Handschuhmacher ist heute noch nicht anwesend. Ich werde ihn später begrüßen.
Ich begrüße den für den Herrn Abgeordneten Mayer in den Bundestag eingetretenen Herrn Abgeordneten Axel de Vries und wünsche ihm eine ersprießliche Arbeit in unserem Kreise.
Ebenso begrüße ich den für den verstorbenen Herrn Abgeordneten Dr. Povel in den Bundestag eingetretenen Herrn Abgeordneten Hermann Eplée und wünsche ihm ebenfalls eine erfreuliche Arbeit.
Ich begrüße den Herrn Abgeordneten Diel, der wegen eines schweren Unfalls seit Ende Oktober unserer Arbeit fernbleiben mußte und zu unserer Freude gesund wieder in unserem Kreise weilt.

(Beifall.)

Ich bitte zunächst den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.

Dr. Conrad Fink (CSU):
Rede ID: ID0124500100
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Aumer für weitere acht Wochen wegen Krankheit, der Abgeordnete Mißmahl für sechs Wochen wegen Krankheit, der Abgeordnete Karpf für sechs Wochen ab 14. Januar wegen dienstlicher Inanspruchnahme, die Abgeordnete Frau Nadig für vier Wochen ab 2. Januar wegen Krankheit, der Abgeordnete Edert für vier Wochen ab 5. Januar wegen dienstlicher Inanspruchnahme, der Abgeordnete Albers für zwei Wochen wegen Krankheit, der Abgeordnete Wartner für weitere zwei Wochen wegen Krankheit und der Abgeordnete Blachstein für zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Greve, Dr. Menzel, Henle, Lausen, Kalbitzer, Frau Lockmann, Dr. Semler, Morgenthaler, Dr. Dr. Müller (Bonn), Neumann, Frau Dr. Steinbiß, Kiesinger, Kunze, Raestrup, Gengler, Stegner, Lemmer, Dr. Baade und Kalbfell.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Laforet, Freudenberg und Dr. Tillmanns.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124500200
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß Sie mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er für die Zeit über eine Woche hinaus beantragt ist, einverstanden sind. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 19. Dezember 1952 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. beschlossen, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland;
Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs;
Gesetz über die Aufhebung kriegsbedingter gewerberechtlicher Vorschriften;
Gesetz zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens;
Gesetz betreffend deutsch-niederländische Vereinbarungen vom 19. Mai 1952 über Fragen der Restitution und vom 13./20. Juni 1952 über Freigabe von deutschen Reichsmark-Wertpapieren;
Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen;
Gesetz über weitere Ergänzungen und Änderungen des D-Markbilanzgesetzes sowie über die Ausgabe von Aktien in Deutscher Mark (Zweites D-Markbilanzergänzungsgesetz);
Gesetz über die Gewährung von Zuwendungen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen;
Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz);
Gesetz über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte;
Zweites Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes.
Zum Gesetz zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes und zum Wohnraumbewirtschaftungsgesetz hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung beschlossen, den Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes anzurufen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 1. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 227 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Neugliederung des Bundesgebietes—Drucksache Nr. 2785 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3975 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 17. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 258 der Fraktion der FU (BP-Z) betreffend Gästehaus des ehemaligen Vermögens Reichsparteitag/Bayrischer Staat, Nürnberg — Drucksache Nr. 3274 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3977 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 20. Dezember 1952 Ziffer 4 der Kleinen Anfrage Nr. 274 der Fraktion der SPD betreffend Unterrichtung diplomatischer Vertretungen über das Wiedergutmachungsgesetz — Drucksachen Nrn. 3447, 3519 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Nummer zu Drucksache Nr. 3519 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 12. Januar 1953 die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 302 der Fraktion der SPD betreffend Rede des Herrn Bundeskanzlers am 2. November 1952 — Drucksache Nr. 3846 —


(Präsident Dr. Ehlers)

durch den Herrn Bundeskanzler in der 240. Sitzung des Deutschen Bundestages angezeigt. Sein
Schreiben wird als Drucksache Nr. 4010 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 13. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 305 der Fraktion der SPD betreffend Steuerabzug bei Entschädigungen auf Grund der Wiedergutmachungsgesetze — Drucksache Nr. 3866 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3998 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 16. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 306 der Fraktion der SPD betreffend Wiederaufbau des Parkhotels Düsseldorf — Drucksache Nr. 3867 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3976 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 14. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 307 der Fraktion der FU (BP-Z) betreffend Schutz der Klein- und Mittelmühlen — Drucksache Nr. 3889 neu — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4013 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 11. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 308 der Fraktion der SPD betreffend Lehrernachwuchs — Drucksache Nr. 3898 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3968 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 19. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 310 der Fraktion der FDP betreffend Rückgabe deutscher Vermögenswerte — Drucksache Nr. 3912 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3979 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 6. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 311 der Fraktion der DP/DPB betreffend Schwesternschule in Heidelberg — Drucksache Nr. 3919 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3989 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 18. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 312 der Abgeordneten Stücklen, Dr. Freiherr von Fürstenberg,, Kahn, Dr. Dr. Müller (Bonn) und Genossen betreffend Hopfenexport — Drucksache Nr. 3943 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3978 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 313 der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtszuwendung für die bei der Besatzungsmacht beschäftigten Personen — Drucksache Nr. 3952 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3988 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 5. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 314 der Fraktion der SPD betreffend Herstellung von „künstlichen Diamanten" — Drucksache Nr. 3953 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3995 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 16. Januar 1953 die Kleine Anfrage Nr. 315 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/ DPB betreffend Entflechtung der I. G. Farbenindustrie — Drucksache Nr. 3972 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4019 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 23. Dezember 1952 die auf der 34. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf beschlossenen Übereinkommen und Empfehlungen übersandt, die als Drucksache Nr. 3999 verteilt werden.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 15. Dezember 1952 über die Schritte der Bundesregierung zur Verkündung des in der 226. Sitzung des Deutschen Bundestages angenommenen Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Errichtung neuer Apotheken berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3970 verteilt werden.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 18. Dezember 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 155. Sitzung seinen 9. Bericht über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes vorgelegt, der als Drucksache Nr. 3986 verteilt werden wird.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 8. Januar 1953 unter Hinweis auf den Beschluß in der 159. Sitzung des Deutschen Bundestages . über die Einbeziehung der Deutschen Bundesbahn in das ECA-Investitionsprogramm berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3997 verteilt.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 10. Januar 1953 über die Ergebnisse der Schritte der Bundesregierung zum Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 231. Sitzung betreffend Sicherung landwirtschaftlicher Nutzflächen vor unnötigen militärischen Inanspruchnahmen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3996 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 8. und 13. Januar 1953 gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft in der Fassung vom 5. Mai 1951 — BGBl. I S. 299 — den Entwurf einer Verordnung III/52 und den Entwurf einer Verordnung NEM II/53 zur Kenntnis übersandt. Beide Entwürfe liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Ich weise darauf hin, daß im Ältestenrat eine Verständigung darüber zustande gekommen ist, daß die Sitzungen des Bundestages in der Regel nicht über 9 Uhr abends hinaus ausgedehnt werden sollen.

(Beifall.)

Zur Tagesordnung wünscht das Wort der Abgeordnete Dr. Krone.

(Zurufe von der KPD: Aha!)


Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0124500300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung von heute stehen drei Mißbilligungsanträge, der eine gegen den Herrn Bundeskanzler und zwei andere gegen den Herrn Bundesjustizminister. Mißbilligungsanträge sind meines Wissens in der Geschäftsordnung unseres Hauses nicht vorgesehen. Es müßte einmal darüber gesprochen werden, in welcher Weise das Stellen solcher Anträge möglich ist. Wir behalten uns unsere Stellungnahme zu der Frage vor.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß der Zeitpunkt für die Erörterung dieser Anträge nicht gegeben ist.

(Zuruf links: Wieso denn?)



(Dr. Krone)

Unter anderm wird in den Anträgen darauf hingewiesen, daß in ein schwebendes Verfahren eingegriffen worden sei.

(Lachen bei der KPD. — Abg. Renner: Wer hat denn zuerst eingegriffen?)

— Das steht in den Anträgen. — Wir sind der Meinung, daß es im Interesse der Rechtsfindung nicht angebracht ist, heute über die Anträge zu diskutieren. Ich stelle den Antrag, die drei Mißbilligungsanträge abzusetzen und ihre Beratung auf später zu vertagen.

(Abg. Rische: Um das Recht zu finden, wollen wir gern die Laterne stellen!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124500400
Meine Damen und Herren, der Antrag ist zulässig.
Herr Abgeordneter Mellies wünscht das Wort.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0124500500
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege K r o n e irrt, wenn er glaubt, es beständen Zweifel darüber, ob solche Mißbilligungsanträge zulässig seien. Wir haben nicht nur solche Mißbilligungsanträge praktisch hier schon beraten und darüber Beschluß gefaßt,

(Abg. Dr. Krone: Unter Verwahrung!)

sondern es haben sich auch verschiedene Ausschüsse damit beschäftigt, u. a. der Rechtsausschuß. In einem Schreiben an den Herrn Präsidenten dieses Hauses ist darauf hingewiesen worden, daß der Rechtsausschuß einmütig der Auffassung sei, daß Mißbilligungsanträge zulässig seien und daß auch darüber abgestimmt werden könne. Ich glaube also, eine Debatte darüber wäre nicht mehr notwendig. Ich will das im einzelnen nicht vertiefen, obwohl dazu eine ganze Reihe interessanter Äußerungen vorliegt. Der Herr Kollege Krone hat das ja auch nicht zur Hauptbegründung seines Antrags angeführt. Er hat darauf hingewiesen, daß es nicht zweckmäßig sei, die Anträge jetzt zu beraten.
Wenn er seine Begründung damit beschlossen hätte, wäre das die wirkliche und richtige Begründung gewesen; denn sie hätte dargetan, daß die Koalition im Augenblick und wahrscheinlich auch in nächster Zukunft die Beratung dieser Mißbilligungsanträge nicht will.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn aber darauf hingewiesen worden ist, daß damit in ein schwebendes Verfahren eingegriffen würde, so muß ich dazu sagen, daß eine solche Begründung sachlich unrichtig ist. Zunächst wäre es, wie ich glaube, zweckmäßig gewesen, den Herrn Bundeskanzler am 9. Dezember vor Eingriffen in ein schwebendes Verfahren ganz entschieden zu warnen!

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Wir haben aber nicht gehört, daß von seiten der Koalition damals eine solche Warnung ausgesprochen worden ist.

(Zuruf von der KPD: Das dürfen sie doch nicht!)

Unsere vorliegenden Anträge beschäftigen sich mit den Vorgängen, die sich an die Tatsache anschlossen, daß der Herr Bundespräsident seinen Antrag auf Erstattung eines Gutachtens zurückzog. In dem Augenblick, in dem der Herr Bundespräsident diesen Antrag zurückzog, war damit das Verfahren erledigt. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß bei der Erörterung der Vorgänge, die damit zusammenhängen, noch irgendwie in ein schwebendes Verfahren eingegriffen würde. Dieses Verfahren in Karlsruhe ist abgeschlossen, und gerade deshalb geht eine solche Begründung für die Absetzung der heutigen Tagesordnung fehl.
Wir glauben sogar auf der andern Seite, daß die Begründung, die gegeben worden ist, eigentlich, wenn man sie richtig betrachtet, alle Veranlassung geben sollte, in die Beratung unserer Anträge einzutreten. Sie wissen selbst — ich brauche Ihnen das gar nicht auseinanderzusetzen —, welch große Unruhe, ja welche Empörung draußen in der Bevölkerung damals in jenen Dezembertagen herrschte.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich glaube, es wäre innenpolitisch sehr gut, wenn diese Unruhe und diese Empörung beseitigt würden. Wenn Sie heute die Beratung unserer Anträge ablehnen, werden Sie aber diese Unruhe und diese Empörung nicht beseitigen, im Gegenteil, es wird eine neue Unruhe entstehen. Denn draußen in der Bevölkerung wird doch jetzt der Eindruck aufkommen, daß das Parlament praktisch dem Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundesministern einen Freibrief bei ihrem Vorgehen in Verfassungsfragen ausstellt.

(Beifall bei der SPD.)

Das Parlament hat hier seine Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Kontrolle der Regung durchzuführen. Es ist eine außerordentlich wichtige Aufgabe, die im gegenwärtigen Augenblick auf der politischen Tagesordnung steht. Wenn die Beratung unserer Anträge heute nicht durchgeführt wird, muß das verhängnisvolle Folgen für die parlamentarische Demokratie haben, und wenn Sie, meine Damen und Herren, die gesamte politische Situation mit allem, was heute die politische Öffentlichkeit bewegt, ansehen, sollten Sie um so mehr Wert darauf legen, daß wenigstens nach außen der Beweis erbracht wird: das Parlament wird seiner ihm gestellten Aufgabe und in diesem Augenblick vor allen Dingen der Aufgabe der Kontrolle der Regierung auch wirklich gerecht. Die Ablehnung der Beratung unserer Anträge ist letzten Endes nichts anderes als ein Tiefschlag gegen die Demokratie.

(Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe in der Mitte und rechts.)

Meine Damen und Herren, Sie reden so viel vom kalten Krieg, von der Bedeutung des kalten Krieges und davon, daß gegen den kalten Krieg etwas getan werden müßte. Durch eine offene Diskussion der von uns gestellten Anträge würden Sie die lebendigen demokratischen Kräfte stärken. Lehnen Sie die Behandlung unserer Anträge ab, dann müssen Sie sich darüber klar sein, daß Sie damit den Agenten des kalten Krieges die stärkste Hilfe leisten.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124500600
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.

Adolf von Thadden (DRP):
Rede ID: ID0124500700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bin der Auffassung, daß der heutige Tag für eine Beratung dieser Anträge denkbar ungeeignet ist, nicht weil ich es etwa nicht für notwendig hielte, über man-


(von Thadden)

ches, was der Bundeskanzler tut, zu diskutieren, sondern weil der Bundeskanzler außerdem noch Außenminister ist

(Lachen links)

und weil ich der Auffassung bin, daß es die Aufgabe dieses Parlaments wäre, nicht im Augenblick über irgendwelche innenpolitischen Händel zu diskutieren, die vor das Verfassungsgericht getragen worden sind, sondern sich, von den Agenten Moskaus abgesehen, geschlossen hinter den Außenminister zu stellen und ihm den Rücken dafür zu stärken, sich gegen eine Besatzungsmacht zu wenden, die nicht mit „Nau-Nau-", sondern „Mau-Mau-Bekämpfungsmethoden" glaubt, hier in Deutschland die künftige Partnerschaft und Bündnisfähigkeit im Augenblick zu fördern.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124500800
Herr Abgeordneter von Thadden, Sie sprechen nicht zu dem Punkt der Tagesordnung, der erörtert wird. Ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen.

(Zurufe links.)


Adolf von Thadden (DRP):
Rede ID: ID0124500900
Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir auch für die Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung stimmen.

(Abg. Dr. von Brentano: „Wir"?)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124501000
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124501100
Bei manchen Menschen hört die Entwicklung bei der Geburt auf.

(Schallende Heiterkeit.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124501200
Herr Abgeordneter Renner, das sind dann Totgeburten!

(Anhaltende große Heiterkeit und lebhafter Beifall.)


Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124501300
Ich habe den Tadel des Herrn Präsidenten nicht verstanden,

(erneute Heiterkeit)

nicht gehört; aber wahrscheinlich hat er keinen Tadel an diesem Herrn Vorredner ausgesprochen, der sich mit einer geradezu erstaunlichen Frechheit mehrfach erlaubt hat, uns hier zu diffamieren.

(Zurufe rechts.)

— Wenn Sie sich mit diesem kaum geborenen Säugling liieren, ist das Ihre Sache.

(Heiterkeit und Beifall links.)

Das liegt wahrscheinlich an der engen Seelenverwandtschaft.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124501400
Jetzt hatte ich Sie nicht verstanden, Herr Abgeordneter Renner.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124501500
Das liegt an Ihnen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124501600
Herr Abgeordneter, ich darf doch bitten, sich in Formen zu bewegen — jedenfalls zu Anfang des Jahres —, die hier üblich sind.

(Heiterkeit.)


Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124501700
Nun zur Sache selber. Warum soll die Aussprache hier verhindert werden? Sehen Sie, es waren ja nicht nur wir Kommunisten, die das Eingreifen des Herrn Bundeskanzlers in das beim Bundesverfassungsgericht schwebende Verfahren als Staatsstreich angesprochen haben. Diese Auffassung ist ja in prominenten bürgerlichen Kreisen und prominenten bürgerlichen Zeitungen zum Ausdruck gebracht worden. Vor mir liegt die „Deutsche Zeitung", bestimmt kommunistenrein. Unter der Überschrift „Ein gerissener Schachzug" wird da dem Herrn Bundeskanzler attestiert:
Auch wenn der Klageantrag der Regierungskoalition von dem dafür zuständigen Zweiten Senat des Verfassungsgerichts als zulässig anerkannt werden sollte — was im Augenblick keineswegs sicher ist —, so bleibt der überaus peinliche Eindruck einer politischen Berechnung, die vor nichts haltmacht, auch nicht vor dem moralischen Fundament des höchsten Gerichts.
In deutsche Sprache übertragen heißt das: die vor nichts haltmacht, auch nicht vor einem offenen Staatsstreich.

(Zuruf von der Mitte: Sie lesen zuviel Zeitungen, Herr Renner!)

— Das mag Ihnen manchmal unangenehm sein, daß
ich auch sogar Ihre Käsblätter gelegentlich lese.
Nun zur Sache. Es handelt sich hier um einen offenen Staatsstreich, und das ist sogar in der Fraktion des Herrn Krone von gewisser Seite ausgesprochen worden. In der eigenen Fraktion war man ja der Meinung, daß Konrad Adenauer einen Staatsstreich mit dieser Aktion begangen hat. Und wenn Sie die großen Schützer der Demokratie wären, die Sie sonst zu sein vorgeben, dann wäre es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß vor dem deutschen Volk möglichst schnell die Hintergründe dieser Aktion des Herrn Bundeskanzlers Adenauer aufgezeigt werden. Gerade weil der Herr Bundeskanzler gleichzeitig auch noch Außenminister ist, ist es hochnotwendig, daß das geschieht. Denn warum ist das Bundesverfassungsgericht ausgeschaltet worden? Um dem Herrn Adenauer den Weg frei zu machen, unter Umgehung des Bundestags und des Bundesverfassungsgerichts, über den Weg der Diktatur, mittels Notstandsmaßnahmen das zu erzielen, was er im Auftrage der Imperialisten Amerikas und Westdeutschlands erzielen muß: die Aufrüstung, die Kriegsvorbereitung, darum geht es! Die Aussprache ist Ihnen darum hochnotpeinlich. Sie wollen nicht wissen, wie das Volk über derartige Regierungsmaßnahmen des Bundeskanzlers und Außenministers Adenauer denkt, des Mannes, dem der Weg vorgesteckt ist und der den Weg geht, der hinweggeht über Bundestag und Bundesverfassungsgericht, der notfalls pfeift auf die Verfassung, wenn das im Interesse seiner amerikanischen Auftraggeber notwendig ist.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124501800
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit von fünf Minuten zur Geschäftsordnung ist abgelaufen.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124501900
Darum sind wir der Auffassung, daß heute hier vor allem Volk die Hintergründe dieser Aktion aufgedeckt werden müssen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor.


(Präsident Dr. Ehlers)

Der Abgeordnete Krone hat beantragt, die Punkte 1, 2 a) und b) von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Es wurde vorgeschlagen, die Abstimmung über die Anträge zu trennen. — Der Abgeordnete Krone hat dagegen keine Bedenken. Ich beginne also mit dem Antrag, Punkt 1 von der Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Absetzung des Punktes 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Absetzung ist beschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 2 a) und 2 b). Ich bitte die Damen und Herren, die der Absetzung der Punkte 2 a) und 2 b) von der Tagesordnung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren! Wir wollen versuchen, uns einen klareren Eindruck zu verschaffen. Die Meinung des Sitzungsvorstandes über die Stimmenabgabe ist etwas unterschiedlich. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Absetzung sind, sich von ihren Plätzen zu erheben.

(Abg. Renner: Die christlichen Gewerkschaftler, wie sie aufstehen!)

Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Absetzung ist beschlossen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502100
Der Herr Bundeskanzler wünscht eine
Erklärung
abzugeben. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0124502200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verhaftung mehrerer Deutscher durch die britischen Behörden und die Verlautbarung von amerikanischer Seite über ein Anwachsen nationalsozialistischer Stimmungen in Deutschland haben im Ausland beträchtliches Aufsehen erregt. Sie haben in Zeitungen vieler Länder zu Äußerungen geführt, die dazu geeignet waren, den Eindruck hervorzurufen, als wenn in Deutschland wieder eine nationalsozialistische Gefahr vorhanden sei.
Da der Bundestag nicht versammelt war und da die Öffentlichkeit schnell aufgeklärt werden mußte, habe ich am Montag dieser Woche, am 19. Januar, über den Rundfunk hierzu gesprochen.

(Abg. Renner: Herr Lehr schon vorher!)

Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß Sie davon Kenntnis genommen haben, und darf meinen Ausführungen noch folgendes hinzufügen.

(Zuruf von der KPD: Ablenkung!)

Die amerikanische Verlautbarung ist unverständlich. Der Wortlaut der gestellten Frage war: „Wenn Sie alles in allem nehmen, war dann an den Ideen des Nationalsozialismus mehr Gutes oder Schlechtes?" Ich will den Wortlaut der gestellten Frage nicht weiter kritisieren, obgleich man mit Recht sagen kann, daß er kaum geeignet ist, ein wirkliches Bild zu geben. Gleiche Umfragen sind seitens der amerikanischen Hohen Kommission schon seit Jahren regelmäßig veranstaltet worden. Das Ergebnis der letzten Umfrage vom Dezember 1952 war das gleiche wie bei den verschiedenen von der gleichen Stelle seit September 1951 vorgenommenen Umfragen. Lediglich im Mai 1951 war ,der Prozentsatz derjenigen, die am
Nationalsozialismus mehr Gutes gefunden haben, niedriger. In der Veröffentlichung ist nun dieser niedrige Prozentsatz vom Mai 1951 unter Übergehung der dazwischenliegenden Rundfragen der letzten Rundfrage vom Dezember 1952 gegenübergestellt und so der Eindruck eines plötzlichen Anwachsens einer nationalsozialistischen . Stimmung in der Bundesrepublik hervorgerufen worden.
Interessant ist auch, daß bei einer der letzten Veröffentlichungen der amerikanischen Hohen Kommission über ihre Rundfrage, die dasselbe prozentuale Ergebnis gehabt hat wie die Rundfrage im Dezember 1952, erläuternd hinzugefügt worden ist — ich zitiere wörtlich, meine Damen und Herren —:
Dieser Bericht sagt, daß nazistische Tendenzen in Deutschland heute nicht ein Ausdruck des Willens, den Nationalsozialismus mit seinen guten und schlechten Seiten wieder auferstehen zu sehen, sind, sondern nur ein Mangel, begriffen zu haben, wie die Nazivorzüge und die Nazinachteile miteinander verbunden waren.
Was die Verhaftungen angeht, so habe ich darüber schon im Rundfunk gesprochen. Ich darf folgendes meinen Ausführungen hinzufügen. Ich werde von dem britischen Hohen Kommissar, Sir Ivone Kirkpatrick, in durchaus loyaler Weise über das Ergebnis der vorgenommenen Ermittlungen unterrichtet. Solange die Untersuchungen schweben, können die Ergebnisse dieser Ermittlungen nicht öffentlich mitgeteilt werden. Ich darf aber hinweisen auf die Erklärungen des britischen Außenministers Eden im Unterhaus, der dasselbe feststellt, was ich in meiner Rundfunkrede vorgestern gesagt habe:
Die Tätigkeit der kleinen Minorität unverbesserlicher ehemaliger Nationalsozialisten stellt keine unmittelbare Gefahr für die demokratische Ordnung in Deutschland dar.
Ich glaube, daß diese Erklärung zutreffend ist. Ich stimme mit ihm auch darin überein, daß die Entwicklung nicht ignoriert werden darf.
Über die Angelegenheit selbst wird in aller Öffentlichkeit zu sprechen sein, sobald die Untersuchung abgeschlossen ist. Die Bevölkerung der Bundesrepublik und das gesamte Ausland können davon überzeugt sein, daß Deutschland niemals wieder zum Nationalsozialismus zurückkehren wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien und von Abg. Dr. Schmid [Tübingen].)

Spuren nationalsozialistischer Gesinnung, die, wie sich das aus der Natur der Sache ergibt, hier und da zutage treten sollten, werden aufmerksam beobachtet werden. Sobald die gesetzliche Grundlage gegeben ist, wird dagegen vorgegangen werden,

(Abg. Rische: In den Ministerien!)

und zwar, meine Damen und Herren, mit aller Schärfe.

(Abg. Renner: Bisher war wohl noch keine Grundlage gegeben, Herr Lehr?!)

Die Welt kann davon überzeugt sein,

(Abg. Reimann: BdJ! Mordlisten!)

daß die Bundesrepublik, sobald sie von den Bindungen des Besatzungsstatuts befreit ist, ihren
Platz in den Reihen der freien Völker einnehmen


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

und ihre Rechte wahrnehmen sowie ihre Pflichten in dem Geiste erfüllen wird, wie ihn Präsident Eisenhower in seiner gestrigen Rede so ausgezeichnet dargelegt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Aha-Rufe von der KPD. — Abg. Renner: Richtig! Richtig! Mit dem Sturmgepäck auf dem Rücken!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502300
Meine Damen und Herren! Sie .haben die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Eine Besprechung findet nur statt, wenn sie von dreißig Abgeordneten gefordert wird.

(Zurufe von der KPD: Wird gewünscht!)

— Das ist nicht der Fall, da Sie nur 14 stellen.

(Zuruf von der KPD: Die anderen schweigen!)

Damit ist diese Erklärung der Bundesregierung abgeschlossen.

(Nr. 3859 der Drucksachen)

Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete
Erler.
Erler (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abgesehen vom Haushaltsplan und von der Beratung der Verträge ist es heute das erste Mal, daß wir uns mit der Dienststelle des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen befassen. Die Dienststelle hatte ursprünglich eine andere Aufgabe, als sie sie jetzt wahrnimmt. Sie hatte nicht nur die Aufgabe, die sich aus ihrem Namen ergibt, sich mit den Fragen, die im Zusammenhang mit der Vermehrung der alliierten Truppen stehen, zu befassen, sondern sie hatte darüber hinaus, wie wir alle wußten, die Probleme der Sicherheit Deutschlands auch analytisch zu untersuchen und Unterlagen für die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Alliierten auf der internationalen Ebene in Deutschland zu erarbeiten.
Über diesen Aufgabenkreis ist die Dienststelle inzwischen weit hinausgegangen. Sie ist personell sehr stark ausgebaut worden. Im Haushaltsausschuß sind die dazu benötigten Stellen gegen unseren Widerstand beschlossen worden. Das Parlament als Ganzes hat sich nie mit den Aufgaben und der Organisation dieser Dienststelle befassen können. Wir sind der Meinung, daß Fragen von so großer politischer Bedeutung nicht allein im Haushaltsausschuß beraten und entschieden werden können, sondern daß sich das Parlament als Ganzes damit befassen und dazu seinen Spruch geben muß.
Die Haushaltsgestaltung der Dienststelle läßt sehr zu wünschen übrig; sie ist alles andere denn übersichtlich. Aus einem ziemlich großen zusammenhängenden Topf werden eine ganze Reihe von Bediensteten bezahlt, ohne daß die Kopfzahl aus sorgfältigen Stellenplänen für Beamte und Angestellte zu ersehen ist, weil eben aus einem Fonds, aus Sachverständigen- und ähnlichen Titeln Ausgaben auch für Personal geleistet werden. Derartige Globalsummen geben dem Parlament keine genaue Übersicht über den vorhandenen Personalbestand, erst recht nicht über die Organisation der Dienststelle und. vor allem nicht über die Aufgaben und über den Geist, in dem sie ihren Aufgaben nachgeht.

(Unruhe in der Mitte und rechts. — Glocke des Präsidenten.)

Das sind die Gründe, die uns zu unseren Fragen, wie wir sie in der Drucksache Nr. 3859 formuliert haben, veranlassen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welche Rechtsgrundlage wird die Erweiterung der Tätigkeit der Dienststelle des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen gestützt?
2. Warum wird das Parlament nicht von den politisch wichtigen Vorhaben der Dienststelle unterrichtet, bevor ihr Leiter Erklärungen im Rundfunk und vor Pressevertretern zu diesen Fragen abgibt?
3. Billigt die Bundesregierung diese Art der Unterrichtung der Öffentlichkeit unter Ausschaltung des Bundestages?
4. Wann wird die Bundesregierung den Bundestag über Organisation und Tätigkeit der Dienststelle unterrichten?
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers hat sich zu verschiedenen Malen vor einer großen Öffentlichkeit über die hier angeschnittenen Fragen geäußert. Ich erinnere nur an seine Ausführungen im Nordwestdeutschen Rundfunk am 9. November des vergangenen Jahres und an andere Darlegungen zum gleichen Thema vor der Bundespressekonferenz. Er hat sich zu beiden Malen, wie es vor allem in der Rundfunksendung hieß, über ,,Planungen und Vorbereitungen" geäußert. Den dort vorgetragenen Einzelheiten war zu entnehmen, daß es sich dabei um die Zahl und das Personal etwaiger deutscher Streitkräfte handeln würde, um die materiellen Voraussetzungen, die für die Aufstellung zu erfüllen wären, um den Inhalt eines Freiwilligengesetzes, um Fragen der Militärgerichtsbarkeit, der Dienststrafordnung, des Dienstbetriebes und eines inneren Gefüges etwaiger deutscher Kontingente. Gerade zu dem letzten Fragenkreis beabsichtigt nach seinen Erklärungen die Bundesregierung einen Beirat zu berufen. Es ist interessant, daß dieser Beirat aus Vertretern der Kirchen, der Jugendverbände und der Gewerkschaften bestehen soll. Weiter ist die Mitteilung in dieser Rundfunksendung interessant, daß Gespräche mit diesen Kreisen über die Fragen des inneren Gefüges schon stattgefunden hätten. Merkwürdigerweise hat sich der Herr Beauftragte darüber ausgeschwiegen, wie er sich in einem solchen Beirat die Rolle der politischen Kräfte vorstellt, die Rolle der Parteien und vor allen Dingen die Rolle dieses Hohen Hauses, des Parlaments, das doch letzten Endes an diesen Fragen nicht einfach vorbeigehen kann,

(Sehr richtig! bei der SPD)

dem man die Diskussion von Fragen, die die ganze deutsche Öffentlichkeit bewegen, doch nicht dadurch entziehen kann, daß man die Dinge im Rundfunk vorträgt.

(Sehr gut! bei der SPD.)



(Erler)

Es ist weiter die Rede von einem Persanalausschuß von 12 bis 15 Personen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen müßten. Dieser Personalausschuß soll sich mit der personellen Auswahl der im Anfang benötigten Offiziere befassen und Grundsätze über Auswahl und spätere Annahmevorschriften für das Personal erarbeiten.

(Unruhe in der Mitte und rechts. — Glocke des Präsidenten.)

Nicht behandelt wurde die Frage, wie dieser Personalausschuß eigentlich zustande kommt. Das ist auch eine Frage, die den Bundestag als Ganzes interessiert; sonst werden hier von der Exekutive Gleise gelegt, bevor das Parlament die Möglichkeit hatte, sich rechtzeitig mit diesen Dingen zu befassen.
Der Bundestag kann es nicht hinnehmen, daß auf diesen lebenswichtigen Gebieten vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor er als politische Vertretung des Volkes in die Diskussion eingeschaltet worden ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Dienststelle soll Weisungen vorbereiten, die später erlassen werden. Dabei ist die Frage ungeklärt, wer diese Weisungen zu erlassen hätte. Wahrscheinlich wird es sich um das Kommissariat der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft handeln, so daß überhaupt keine Diskussion derartiger Weisungen in einem Parlament mehr möglich wäre, weder auf der nationalen noch auf der internationalen Ebene. Denn das Kommissariat ist für diese Dinge allein entscheidungsbefugt, wenn es je zustande kommt, und keinerlei vorheriger Zustimmung parlamentarischer Körperschaften unterworfen.
Derartige Grundfragen müssen im Parlament zur Aussprache gestellt werden, bevor sie durch den Rundfunk an das Volk gebracht werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich möchte noch darauf hinweisen — auch wenn offenbar die Herren auf der rechten Seite des Hauses schon jedes Interesse an diesen Fragen verloren haben, weil sie doch nicht mehr mit der Ratifizierung der Verträge rechnen; damit haben sie wahrscheinlich recht —,

(Lachen bei den Regierungsparteien)

daß es uns etwas merkwürdig berührt, wenn der Beauftragte davon spricht, daß er zwischen akuten und noch nicht akuten Fragen unterscheiden wolle. Zu den nicht akuten Fragen rechnet er das Wehrpflichtgesetz und die Regelung der Kriegsdienstverweigerung. Die anderen Fragen, die er in seinem Interview behandelt hat, hält er also für akut. Warum eigentlich? Politisch ist noch nichts entschieden.
Hier stellt sich für uns jetzt noch eine völlig andere Frage: Was tut der zu einem beträchtlichen Personalbestand angeschwollene Interimsausschuß in Paris eigentlich zur gegenwärtigen Zeit?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Der kann doch nicht weiterarbeiten, als habe sich in der politischen Wirklichkeit nichts verändert! Dort werden unentwegt technisch europäische Entwürfe für die künftige Heeresorganisationen und ihre Arbeit weiter erarbeitet, zu denen die nationalen Parlamente in einem späteren Zeitpunkt nur ja oder nein zu sagen hätten, zu denen es keinerlei parlamentarische Debatte mehr geben möchte, obwohl wir genau wissen, daß all diese Arbeit in der heutigen politischen Situation nur dann einen Sinn hätte, wenn einige völlig offen gewordene politische Fragen vorab geklärt werden.
Ich möchte also an die Bundesregierung die Aufforderung richten, den Interimsausschuß in Paris schon aus Gründen, die der deutsche Steuerzahler zu respektieren weiß, möglichst beschleunigt auf den sachlich gebotenen Umfang zurückzuschneiden. Ein derartiger Apparat ist im Augenblick völlig überflüssig. Eine fachliche Weiterarbeit ist so lange sinnlos, wie das politische Schicksal der Verträge ungeklärt ist.
Nun noch ein Weiteres. Jedem Ministerium der Regierung stehen bestimmte Bundestagsausschüsse gegenüber. Ein solches Verhältnis der Exekutive zum Parlament muß es auch für den Beauftragten des Bundeskanzlers in diesen Fragen geben. Er muß die Möglichkeit haben, Rechenschaft und Aufschluß über seine Tätigkeit an das Parlament zu geben. Wir brauchen einen Ausschuß dieses Hauses, der sich mit diesen Fragen ernst, sorgfältig und gewissenhaft befaßt. Ich möchte klarstellen: uns ist nicht an einem Vorgriff auf die Verträge gelegen,

(Abg. Strauß: Das glaube ich!)

es kommt uns nicht darauf an, einen Wehrausschuß zu schaffen; aber erforderlich ist es, daß eine Dienststelle, die es gibt und die eine bestimmte Tätigkeit entfaltet, deren Ausweitung gegen unseren Widerstand beschlossen wurde, sich einer echten parlamentarischen Kontrolle stellt.
Deshalb möchte ich in Folgerung unserer Großen Anfrage dem Hohen Hause folgenden Antrag unterbreiten:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem bisher mit der Mitberatung des EVG-Vertrages betrauten Ausschuß des Bundestages laufend über die Tätigkeit der Dienststelle des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammen- hängenden Fragen zu berichten.

(Abg. Renner: Auch ein Geheimausschuß!)

Ich bitte Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Herr Präsident, ich überreiche Ihnen den Antrag.
Die Dinge haben einen Stand erreicht, der es dem Bundestag zur Pflicht macht, sich mit den Fragen zu befassen, welche die Tätigkeit der Dienststelle aufwirft. Sie dürfen nicht unkontrolliert allein der Exekutive überlassen bleiben. Das Parlament hat die Pflicht, sich dieser Fragen anzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502400
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0124502500
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion über die Dienststelle Blank beantworte ich namens der Bundesregierung wie folgt.
Erstens: Der Bundestagsabgeordnete Theodor Blank ist am 23. Oktober 1950 zum Beauftragten


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen bestellt worden.

(Abg. Rische: Wohnungsbeschaffung!)

Sein damaliger Auftrag war durch diese Bezeichnung umrissen. Zusätzlich zu diesem Auftrag mußte der Bundestagsabgeordnete Blank sich an den Verhandlungen über den Deutschland-Vertrag und seine Zusatzverträge beteiligen, da die dort getroffenen Regelungen in engem Zusammenhang mit den Fragen der Vermehrung der alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik stehen.

(Abg. Rische: Quartiermeister einer Söldnerarmee!)

Ferner wurde er wiederum zusätzlich von der Bundesregierung mit der Führung der Verhandlungen bei der Pariser Konferenz über die Organisation einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft betraut.
Alle Aufträge wurden dem Bundestagsabgeordneten Blank auf Grund der Organisationsgewalt der Bundesregierung erteilt. Treten neue und wichtige Aufgaben an die Bundesregierung heran, so ist sie berechtigt und sie ist verpflichtet, alles zu tun, um eine sachgemäße Erledigung dieser Aufgaben vorzubereiten und sicherzustellen. Sie hat insbesondere dafür zu sorgen, daß die für die Bearbeitung auf Grund ihrer besonderen Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten geeigneten Hilfskräfte zur Verfügung stehen.

(Abg. Renner: Nazi-Generäle!)

Die notwendigen sächlichen und persönlichen Mittel müssen im _Rahmen und nach den Regelungen der Haushaltsbestimmungen bereitgestellt werden. Diese Vorschriften sind bei der Dienststelle Blank beachtet und eingehalten worden. Zunächst wurde in der Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags vom 21. Januar 1951 der Dienststelle Blank ein erster Personalbestand an Beamten, Angestellten und Arbeitern bewilligt. Die im Zuge der Erweiterung der Aufgaben notwendigen Personalvermehrungen wurden in der Folgezeit gleichfalls im Haushaltsausschuß des Bundestags in den Sitzungen vom 2. April 1951, 30. Mai 1951, 14. Dezember 1951, 25. April 1952 und 11. Juli 1952 im Wege der Vorwegbewilligung genehmigt.

(Abg. Renner: Vorwegbewilligung! — Abg. Bausch: Und vom Plenum gutgeheißen!)

In der letztgenannten Sitzung wurden außerdem die personellen und die sachlichen Mittel bewilligt, welche zur Durchführung der Arbeit des sogenannten Interimsausschusses der EVG-Konferenz benötigt werden, die die später von den Organen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu treffenden Regelungen vorzubereiten hat. In allen diesen Ausschußsitzungen wurde jeweils die Aufgabenstellung der Dienststelle erläutert und deren notwendige Erweiterung begründet.
Im übrigen glaubt die Bundesregierung sich bei der Erweiterung der Aufgaben der Dienststelle auch insoweit in Übereinstimmung mit dem Bundestag zu befinden, als der EVG-Ausschuß des Bundestags bei den Beratungen des Gesetzes über die Ratifizierung des EVG-Abkommens mehrfach den Wunsch nach baldiger Vorlage von Gesetzentwürfen zur Ausführung des etwa ratifizierten EVG-
Vertrags geäußert hat. So hat der Ausschuß nach seinem Bericht einstimmig folgende Entschließung gefaßt:
1. Der Ausschuß hält es für wünschenswert, daß ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Schaffung einer einheitlichen Militär-Disziplinarordung gemäß Art. 79 baldmöglichst ein deutscher Entwurf einer Militär-Disziplinarordnung als Modell für die Verhandlungen gemäß Art. 79 vorliegt.

(Abg. Renner: Entscheidende Frage: Wer macht die Disziplinarordnung?)

2. Zwischen der deutschen Ratifizierung und dem Inkrafttreten des Vertrages muß über die beabsichtigte Gestaltung der Militär-Disziplinarordnung durch eine entsprechende Vorlage im Bundestag ebenso Klarheit geschaffen werden wie über die anderen gesetzlichen Bestimmungen, die innerdeutsche Voraussetzungen für die Aufstellung des deutschen Kontingents sind.
Dem Haushaltsausschuß des Bundestages sind die Aufgaben und die Tätigkeit der Dienststelle Blank, die die jeweils beantragte personelle Vermehrung der Dienststelle erforderten, ausführlich dargestellt worden. Darüber hinaus sind die von der Dienststelle Blank zu bearbeitenden Fragen im Plenum des Bundestages beraten worden. Ich nehme Bezug auf das Protokoll über die 188. Sitzung vom 24. Jannuar 1952 und das Protokoll über die 225. Sitzung vom 17. Juli 1952 — die Haushaltsdebatte — und auf die Wehrdebatte vom 7. und 8. Februar 1952.
Schließlich fanden seit Anfang September 1952 sehr eingehende Beratungen über das Bonner und Pariser Vertragswerk und damit über die derzeitige Tätigkeit der Dienststelle Blank im EVG-
Ausschuß sowie in sechs weiteren Ausschüssen statt. Hierbei haben — insbesondere im EVG-Ausschuß — der Bundestagsabgeordnete Blank sowie seine Mitarbeiter die ihnen von den Mitgliedern der Bundestagsausschüsse gestellten Einzelfragen, und zwar auch soweit diese sich auf technische Einzelheiten und auf die beabsichtigte Ausgestaltung der zukünftigen Regelungen bezogen, in eingehender Weise beantwortet. Auch die Erörterungen, die sich an diese Fragen anschlossen, gaben Gelegenheit dazu, den Ausschüssen, insbesondere dem EVG-Ausschuß, die bisherige Tätigkeit sowie die Ziele der Dienststelle im einzelnen darzulegen. Die Teilnehmer an diesen Beratungen konnten aus den Darlegungen des Bundestagsabgeordneten Blank und seiner Mitarbeiter ein Bild von der Tätigkeit und den Zielen der Dienststelle erhalten, das sehr viel anschaulicher und genauer ist, als es aus den Erklärungen des Rundfunks und vor Pressevertretern gewonnen werden kann. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit unter Ausschaltung des Bundestages hat daher nicht stattgefunden.
Wie sich aus dem von mir Vorgetragenen ergibt, hat die Bundesregierung den Bundestag über die Organisation und die Tätigkeit der Dienststelle Blank unterrichtet. Sofern die oben dargestellte Unterrichtung dem Bundestag nicht ausreichend erscheinen sollte, ist die Bundesregierung bereit, einen vom Bundestag zu bestimmenden Ausschuß ergänzend und laufend über die Organisation und Tätigkeit der Dienststelle Blank zu unterrichten.
Abschließend habe ich zu sagen, daß die bisherige Tätigkeit der Dienststelle Blank, sofern sie über den ersten Auftrag hinausgeht, sich lediglich auf interne Planungen und Vorbereitungen beschränkt. Es ist selbstverständlich und es ist immer


(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

wieder betont worden, daß jede Maßnahme, die geeignet ist, unmittelbare Wirkungen gegenüber den Bürgern der Bundesrepublik auszulösen, nicht ohne Billigung durch den Bundestag in Kraft gesetzt werden kann:
Nun darf ich mir noch einige zusätzliche Bemerkungen gegenüber den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Er l e r gestatten. Er meinte so beiläufig, das Schicksal der Verträge sei schon klargestellt, oder „besiegelt", so glaube ich, hat er gesagt. Ich möchte ihm keine Wette anbieten, das gehört sich nicht im Bundestag;

(Abg. Renner: Richtig, die gewinnen Sie! — Heiterkeit in der Mitte und rechts)

sonst würde ich ihm sagen: ich würde mit Ihnen wetten, Herr Erler, daß die Verträge ratifiziert werden.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Ja, die werden ratifiziert! Befehl ist Befehl! — Abg. Mellies: Sie sollten daran denken, was der Bundeskanzler schon falsch prophezeit hat! — Abg. Erler: Der Beifall war spärlich, Herr Bundeskanzler! — Abg. Rische: Wie wollen Sie das denn machen? — Abg. Renner: 48, wenn es notwendig ist! — Weitere Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, Herr Renner ist heute wieder quicklebendig!

(Heiterkeit.)

Ich habe mich nur über eines gefreut: über die Hochachtung, die er dem Bundesverfassungsgericht entgegenbringt. Ich hoffe, daß die Hochachtung bei ihm bleibt.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Herr Adenauer, mehr Geist im neuen Jahr!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, Herr Kollege Erler irrt, wenn er annimmt, daß die Bundesregierung oder die Dienststelle Blank nicht jederzeit bereit seien, einem Ausschuß des Bundestages Rede und Antwort zu stehen. Ich darf daran erinnern, bei den Beratungen im EVG-Ausschuß ist vom Abgeordneten Blank sogar darum gebeten worden, daß der EVG-Ausschuß als permanenter Ausschuß gegenüber der Dienststelle Blank bestehenbleiben solle.

(Abg. Lücke: Sehr richtig!)

Damals ist vorn Herrn Kollegen Erler dem widersprochen worden,

(Hört! Hört! rechts)

weil man darin eine Zustimmung zu den Verträgen sehen könne. Soweit ich den Antrag verstanden habe — man kann von dem Platz aus den Lautsprecher sehr schlecht hören —, wünscht der Herr Kollege Erler, daß dieser Ausschuß als Ausschuß gegenüber der Dienststelle Blank eingesetzt werden solle. Das würde nur unseren Wünschen entsprechen.
Meine Damen und Herren, der Interimsausschuß in Paris arbeitet zur Zeit nicht. Sobald er seine Arbeit wieder aufnimmt und wir einen Ausschuß hier haben, wird dem Ausschuß über die Arbeit berichtet werden.
Weiteres habe ich nicht hinzuzufügen. Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, mir vielleicht den Antrag des Herrn Abgeordneten Erler — ich danke
Ihnen sehr — zu übergeben. Der Antrag lautet also:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem bisher mit der Mitberatung des EVG-Vertrages betrauten Ausschuß des Bundestags laufend über die Tätigkeit der Dienststelle des Beauftragten des Bundeskanzlers . . . zu berichten.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, namens der Bundesregierung, diesem Antrag zuzustimmen.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502600
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der großen Anfrage gehört. Eine Besprechung findet nur statt,

(Abg. Renner: Ist im Ältestenrat doch verabredet! Was ist das für eine neue Regelung?!)

wenn sie von 30 Abgeordneten gefordert wird. (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wir wollen einen eigenen Antrag begründen!)

— Meine Damen und Herren, es ist nicht die Frage, ob Anträge gestellt werden, sondern es ist die Frage, ob eine Besprechung stattfindet. Anträge zu stellen, stelle ich anheim. Ein Antrag liegt ja vor.
Das sind keine 30 Abgeordneten; die Besprechung wird also nicht gewünscht.

(Abg. Fisch: Sie können ja den ganzen Bundestag per Post abhalten! — Gegenruf des Abg. Schoettle: Dann. brauchten 'wir Sie wenigstens nicht zu sehen!)

— Es gibt ja dafür bereits einige Vorbilder.

(Abg. Renner: Die des Herrn Adenauer, ganz recht! — Abg. Strauß: Ich möchte zu dem Antrag der SPD bei der Abstimmung sprechen!)

— Also entweder findet eine Aussprache statt oder nicht.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wir wollen einen Änderungsantrag stellen!)

— Dann bitte ich doch, mir den Änderungsantrag herzugeben. Es wird also zum Antrag der Fraktion der SPD ein Änderungsantrag gestellt. Wer will ihn stellen? — Herr Abgeordneter Strauß, bitte!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0124502700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten schon anläßlich der ersten Lesung des EVG-Vertrages mit der Opposition vereinbart, einen Ausschuß zur Beratung der Fragen und Aufgaben, die in der Dienststelle Blank behandelt werden, damals im engeren Zusammenhange mit den Fragen, die sich aus dem EVG-Vertrag ergeben, einzurichten. Wir hatten ursprünglich die Absicht, nicht einen Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages einzurichten, der unter der Federführung des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten steht, sondern einen eigenen, selbständigen Ausschuß für diese Aufgabe der Beratung des EVG-Vertrages. In einer Vereinbarung mit der Opposition hatten wir damals einen Ausschuß eingerichtet, der sich darauf beschränken sollte, die Mitberatung des EVG-Vertrages unter der Verantwortung und Federführung des Auswärtigen Ausschusses vorzunehmen.
Wir sind mit der Zielsetzung des Antrags, den der Kollege Erler hier vorgelesen hat, völlig einverstanden, glauben aber, daß die bisherige Be-


(Strauß)

zeichnung und die bisherige Aufgabenstellung für diesen Ausschuß nicht ausreicht, wenn er das durchführen soll, was auch wir für notwendig halten, nämlich einmal, die politischen Planungen, wie es in der Großen Anfrage der SPD heißt, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet vorhat, zu beraten, und zum andern, die parlamentarische Kontrolle über die Dienststelle Blank vorzunehmen. Wir sind uns dabei, ohne daß ich auf den Inhalt der Großen Anfrage der SPD näher eingehen will und unbeschadet unserer verschiedenen Einstellung zu den anstehenden Verträgen, anscheinend ebenso auf seiten der Opposition wie auf seiten der Regierungskoalition darüber einig, daß es sich das Parlament nicht leisten kann, auf die Vorberatung dieser politischen Vorhaben zu verzichten und wegen der verschiedenen Einstellung zu den Verträgen eine parlamentarische Kontrolle der sogenannten Dienststelle Blank nicht vorzunehmen. Wir schlagen deshalb in sachlicher Übereinstimmung mit dem in dem Antrag der SPD zum Ausdruck gebrachten Wunsche vor, folgenden Antrag anzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestagsausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen, der in der Bundestags Sitzung vom 10. Juli 1952 durch einen Beschluß des Plenums errichtet wurde, wird in einen ständigen Bundestagsausschuß mit der Bezeichnung Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit umgewandelt. Die Zahl der Mitglieder dieses Ausschusses und der zahlenmäßige Anteil der Fraktionen bleiben unverändert.
Wir sind in völliger Übereinstimmung mit der Opposition der Meinung, daß das Arbeitsgebiet des Ausschusses etwa dem entsprechen soll, was in dem Antrag der SPD zum Ausdruck kommt.
Ich stelle diesen Antrag im Namen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP und bitte den Herrn Präsidenten, ihn gemäß der Geschäftsordnung zu behandeln.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124502800
Meine Damen und Herren, Sie haben auch den Änderungsantrag des Abgeordneten Strauß gehört. Ich habe doch das Gefühl, wenn schon Anträge gestellt und begründet werden, daß man dann in irgendeine Art der Besprechung eintreten sollte. Ich schlage Ihnen also vor, eine Besprechungszeit von 40 Minuten in Aussicht zu nehmen. Sind Sie damit einverstanden?

(Zurufe: 60 Minuten! — Abg. Renner: Das ist doch Beschluß des Ältestenrats! Sonst sind wir doch auch daran gebunden! — Abg. Strauß: Wir wollen keine Aussprache; sonst müssen wir zur Interpellation Stellung nehmen, und das wollen wir gar nicht! — Weitere Zurufe.)

— Also, meine Damen und Herren, was wollen Sie?
60 Minuten, wie es im Ältestenrat vorgesehen war?

(Rufe von der Mitte und rechts: Nein! — Gegenrufe links.)

— Also ich schlage Ihnen 60 Minuten vor. Es gibt ja keine moralische Verpflichtung, diese Zeit auszunutzen. Der Herr Abgeordnete Renner hat sich zunächst gemeldet, dann Herr Abgeordneter Erler.
Meine Damen und Herren, bevor ich dem Herrn Abgeordneten Renner das Wort gebe, muß ich ein Versäumnis gutmachen, das mir wider meinen Willen passiert ist. Auch der Abgeordnete Renner hat am 6. Januar seinen 61. Geburtstag gefeiert.

(Lebhafter Beifall.)

Der Herr Abgeordnete Gundelach hat seinen 64. Geburtstag gefeiert. Ich spreche auch diesen Abgeordneten unsere Glückwünsche aus.

(Erneuter Beifall.) Bitte, Herr Abgeordneter Renner.


Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124502900
Ich habe nur 5 Minuten; ich kann mich zu dem „Glückwunsch" nicht äußern.

(Heiterkeit. — Abg. Majonica: Herr Renner, in der Volksdemokratie wären Sie so alt nicht geworden!)

Darf ich davon ausgehen, daß eine Aussprache über die Erklärung des Bundeskanzlers und die gestellten Anträge stattfindet?

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124503000
Meine Damen und Herren, ich habe es so verstanden, daß wir eine Debatte über die Anträge führen. Ist das die Meinung des Hauses?

(Zustimmung in der Mitte.)

— Jawohl.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124503100
Also dann zu den Anträgen!
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fühlt sich — das geht aus ihrem Antrag und dessen Begründung hervor — offensichtlich jetzt, nachdem der EVG-Vertrag bereits steht, beschwert durch die Arbeitsmethoden und durch die Methoden der psychologischen Untermauerung des Inhalts der Verträge seitens des Herrn Bundestagsabgeordneten Blank. Wir haben in den Jahren der Tätigkeit des Herrn Blank, d. h. richtiger gesagt, in den Jahren der Vorbereitung der Remilitarisierung, die der Herr Bundeskanzler betrieben hat, hier in diesem Hohen Hause mehrfach beantragt, daß dem Bundestag über seine Tätigkeit auf diesem Gebiete und über die Tätigkeit der Dienststelle Blank Bericht erstattet wird. Alle unsere dahinzielenden Anträge sind von dem Hohen Haus mit Zustimmung der SPD-Fraktion abgelehnt worden.
Die SPD-Fraktion fühlt sich heute dadurch beschwert, daß der Herr Blank über seine „ursprünglichen" Ziele sozusagen hinausgewachsen ist. Das ist meines Erachtens so zu erklären, daß nicht er, sondern sein Auftraggeber, der Herr Außenminister und Bundeskanzler, im Zuge der Klärung der Bedürfnisse des USA-Imperialismus, im Zuge der Realisierung der ihm von dieser Seite gestellten Aufgaben, ständig größere Aufgaben in Angriff genommen hat. Der Herr Blank und der Herr Adenauer sind mit ihren höheren Zwecken gestiegen. So ist die Situation.

(Heiterkeit.)

Darüber darf man sich doch nicht wundern, wenn man in all den Jahren das Tun des Herrn Bundeskanzlers durch Stillschweigen sanktioniert und damit gedeckt hat. Dann ist man doch heute nicht berechtigt, sich hinzustellen und zu verlangen, daß der Herr Blank in Zukunft — und nun kommt das Entscheidende — dem EVG-Ausschuß Bericht erstattet. Dieser Ausschuß ist ja doch auch ein Geheimausschuß. Der Herr Bundeskanzler hat — das muß gesagt werden — heute mit Recht herausgestellt, daß ja die Aufgabenerweiterung, soweit sie finanzielle Auswirkungen hatte, Zug um Zug in Form von Vorwegbewilligungen durch den Haus-


(Renner)

haltsausschuß gedeckt worden ist, dessen Vorsitzender meines Erachtens auch der SPD-Fraktion angehört.
Der Herr Bundeskanzler hat auch heute mit Recht gesagt, daß die Herren führenden Persönlichkeiten der SPD genauestens und laufend über den Aufbau, das Aufgabengebiet und die Tätigkeit der Dienststelle des Herrn Blank orientiert worden sind. Sie kennen doch die Dinge. Am 5. Dezember hat es doch hier noch Streit gegeben, weil der Herr Adenauer und der Herr Blank Ihnen vorgehalten haben, Sie hätten geheimzuhaltende Dinge aus den Ausschüssen hier öffentlich ausgeplaudert. Sie haben das damit pariert, daß Sie sich hier vor das Hohe Haus gestellt haben und — ich hätte beinahe gesagt: bei allen Ihren Heiligen; aber das soll man nicht sagen — geschworen haben,

(Heiterkeit)

daß Sie nichts gesagt hätten, was Ihnen unter dem Siegel der Geheimhaltungsverpflichtung in diesem Ausschuß anvertraut worden sei. Was ist denn eigentlich los? Sie wissen doch, was gespielt worden ist, und Sie wissen doch, was gespielt wird! Sie haben doch teilgehabt an diesen Informationen! Das hat sogar der Hohe Kommissar gesagt, daß der Herr Schumacher laufend informiert worden sei. Wenn Sie jetzt scheinbar wollen, daß das Volk hinter den wahren Inhalt der Politik des Herrn Adenauer kommt, dann können Sie doch nicht fordern, daß nur dieser Geheimhaltungsausschuß von den Dingen in Kenntnis gesetzt wird. Sie müßten doch dann fordern, daß der Bundestag und damit das Volk von dem in Kenntnis gesetzt wird, was bisher hinter seinem Rücken bereits getrieben worden ist und was in Zukunft noch getrieben werden soll. Das ist doch der Krieg, der dort vorbereitet worden ist! So liegen doch die Dinge.
Aber Ihre vornehme Zurückhaltung hat offensichtlich noch eine andere Ursache. Diese Ursache hat Herr Ollenhauer am vergangenen Freitag vor der Presse so eindeutig bekanntgegeben, daß das bisher von Ihrer Opposition getriebene Spiel nun also wirklich nicht mehr länger aufrechtzuerhalten ist. Was steht in der amerikanischen „Neuen Zeitung" in deutscher Sprache?
SPD unterstreicht die Notwendigkeit der
gemeinsamen Verteidigung.
Der Vorsitzende der SPD Erich Ollenhauer unterstrich am Freitagvormittag vor der deutschen und ausländischen Presse mit besonderem Nachdruck, daß es zwischen Regierung und Opposition und damit zwischen den Anhängern und Gegnern der Vertragswerke keine entscheidenden Differenzen in der Frage einer gemeinsamen Verteidigung der westlichen Welt gegen die Bedrohung aus dem Osten gebe. Auch die Zusammenarbeit mit dem Westen und insbesondere mit den USA werde von der SPD bejaht. Zur Diskussion stehe allein die entscheidende Frage, welches der beste Weg zur Verwirklichung dieser Zusammenarbeit und der gemeinsamen Verteidigung ist.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124503200
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124503300
Ich stelle also fest: Im Ziel einig mit dem Herrn Adenauer, in der Methode, diese Dinge vor dem Parlament zu verschweigen, bisher auch einig mit ihm.
Was soll nun der neue Antrag? Er soll ein weiterer Stein sein zu dem Gebäude, das Sie zur Täuschung unseres Volkes errichtet haben, als wären Sie wirklich ehrliche Opponenten gegen diese Politik, die die Vernichtung unseres Volkes und Vaterlands nach sich ziehen wird. Das Spiel ist aus! Das gelingt Ihnen nicht mehr.

(Abg. Schoettle: Was sind S i e eigentlich, Herr Renner?)

Sie wollen mit diesem Antrag nichts anderes, als die Geheimhaltungspolitik Adenauers auch in die Zukunft hinein noch zu ermöglichen, dem Volk vorzuenthalten, was in Wirklichkeit gespielt wird. Das ist der Inhalt.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124503400
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluß.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0124503500
Es soll zu keinen Aktionen kommen gegen diese volksverderbende Politik. Das ist der Inhalt Ihres Antrags! Sie lehnen alle Aktionen ab, wie Sie auch jetzt — besonders typisch — durch diesen Schandvertrag im Bergbau die Bergarbeiter von wirklichen Aktionen gegen diesen Adenauer des Krieges abgehalten haben.

(Abg. Schoettle: Das paßt euch alles nicht! — Abg. Renner: Aber euren Auftraggebern! — Abg. Schoettle: Sie laufen ja dauernd mit dem Strick um den Hals herum! — Weiterer lebhafter Wortwechsel zwischen SPD und KPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124503600
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0124503700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Herrn Abgeordneten Renner kann ich die beruhigende Versicherung abgeben, daß wir uns nie an irgendeiner Aktion beteiligen werden, die uns in Deutschland zu Zuständen bringt, wie sie dort herrschen, wo seine Freunde regieren. Das ist, glaube ich, eine eindeutige Feststellung.

(Beifall bei der SPD.)

Zum andern muß ich aber zunächst dem Herrn Bundeskanzler in einem Punkt widersprechen. Er hat gemeint, die Ausdehnung der Aufgabe des EVG-Ausschusses auf eine ständige Kontrolle der Dienststelle Blank sei lediglich am Widerspruch der Sozialdemokraten gescheitert. Er hat aber nicht hinzugefügt, warum wir in diesem Ausschuß widersprechen mußten. Das erleben wir öfter in diesem Parlament. Wir mußten widersprechen, weil dieser Ausschuß mit einem ganz bestimmten Mandat geschaffen worden ist. Über dieses Mandat kann man nur hinausgehen, wenn das Plenum des Hauses das Mandat dieses Ausschusses erweitert; sonst geht es eben nicht. Wir müssen uns angewöhnen, Respekt vor unseren eigenen Beschlüssen zu haben. Etwas anderes kann man von uns nicht erwarten. Lediglich aus diesem Grund haben wir uns dem widersetzt, daß der Ausschuß sich eine Tätigkeit anmaßt, mit der er vom Plenum des Bundestags nicht beauftragt worden ist.
Wenn nun im Namen der Regierungskoalition ein Änderungsantrag gestellt worden ist, so möchte ich die Regierungskoalition doch bitten, dem wohlerwogenen Ratschlag des Herrn Bundeskanzlers in diesem Fall zu folgen und keinerlei Änderungs-


(Erler)

wünschen zuzustimmen, sondern es bei unserm Antrag, der die Zustimmung des Herrn Bundeskanzlers gefunden hat, zu belassen.

(Heiterkeit.)

Nehmen Sie es doch einmal hin, daß wir diese erfreuliche Front in diesem Fall haben. Warum wollen Sie denn den Herrn Bundeskanzler ärgern? Sonst sind Sie doch gar nicht so!

(Heiterkeit.)

Worauf kommt es in diesem Zusammenhang an? Was ist der sachliche Streitpunkt? Sie suchen nach einer Formulierung, die durch die Benennung des Ausschusses klar zu erkennen gibt, daß Sie in der Sache bereits die umkämpften Verträge als vollendete Tatsache hinnehmen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Das ist für uns nicht zumutbar. Um diese Verträge wird gestritten. Der Bundeskanzler hält ihr Schicksal für positiv entschieden. Wir sind anderer Meinung. Nun gut, zwingen Sie uns doch nicht dazu, jetzt durch eine Abstimmung in dieser Stunde eine geschichtlich noch auf uns zukommende Entscheidung vorwegzunehmen. Das sachliche Interesse des Parlaments,

(Zuruf des Abg. Renner)

dafür zu sorgen, daß die Dienststelle Blank die Möglichkeit hat, wie jedes andere Ministerium ihr Tun und Treiben vor einem kompetenten Ausschuß des Bundestags zu rechtfertigen, geht doch wohl jedem anderen besonderen parteitaktischen Interesse vor. Ich möchte daher darauf beharren, daß wir es dabei belassen, diesen Ausschuß, der zunächst das begrenzte Mandat hatte, die Verträge zu beraten, zusätzlich mit der Aufgabe zu betrauen, in dieser Zeit des Schwebezustandes, bis man weiß, ob die Verträge nun einmal Wirklichkeit werden oder nicht, die Tätigkeit der Dienststelle Blank parlamentarisch zu kontrollieren, so wie jedes andere Ministerium auch parlamentarisch kontrolliert wird. Damit vergeben Sie sich gar nichts. Das bedeutet nur: Wir kontrollieren die Tätigkeit einer Dienststelle, ohne daß wir durch die Benennung bereits entscheiden, daß wir uns mit all dem, was an Vorstellungen, an politischen Zielvorstellungen hinter dieser Arbeit steckt, in Gestalt der ausgehandelten Verträge auch identifizieren. Das ist doch im Augenblick gar nicht die Frage, um die es geht. Ich meine, hier steht das Interesse des Parlaments an der Kontrolle voran.
Der Herr Bundeskanzler hat sich auf die Organisationsgewalt der Bundesregierung berufen und hat gemeint, die Regierung habe das Recht und die Pflicht, für alle Aufgaben, die an sie herantreten, die erforderlich werdenden organisatorischen Einrichtungen zu schaffen und für ihre Finanzierung zu sorgen. So richtig das ist, so notwendig ist die Ergänzung, daß die parlamentarische Grundlage für derartige Entscheidungen der Regierung, die haushaltsrechtliche Grundlage, eben nicht darin bestehen kann, daß ein ganzes Ministerium — denn um ein solches handelt es sich — in der Dunkelkammer des Haushaltsausschusses mit dem Instrument der Vorwegbewilligung geschaffen wird.

(Abg. Dr. Wuermeling: Was heißt Dunkelkammer?)

Das geht auf die Dauer nicht. Das muß ordnungsgemäß auch einmal Gegenstand der Beratungen dieses Hauses werden. Wir wünschen nicht, daß derartige Fragen ausschließlich im Haushaltsausschuß diskutiert werden. Das nur als Anmerkung zu der Frage der Organisationsgewalt der Regierung. Sie hat ihre Grenze im Haushaltsrecht des Parlaments.
Ich bitte also noch einmal, den Änderungsantrag abzulehnen und es bei der ursprünglichen Fassung zu belassen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124503800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0124503900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte sollte sich eigentlich nur auf die beiden Anträge beschränken. Nachdem aber meine beiden Herren Vorredner doch zu der Antwort des Herrn Bundeskanzlers auf die Große Anfrage Stellung genommen haben, muß ich auch dazu einige Bemerkungen machen, bevor ich zu den beiden Anträgen selbst spreche.
Unsere Fraktion ist mit der Antwort des Herrn Bundeskanzlers zufriedengestellt. Wir meinen sogar, daß mit der Antwort des Herrn Bundeskanzlers bewiesen ist, daß der Großen Anfrage die materielle Grundlage gefehlt hat. Denn ich glaube, Herr Kollege Erler, daß es doch in der Organisationsgewalt der Bundesregierung liegt, hier solche Aufgaben zu verteilen. Die Ausweitung der Tätigkeit des Amtes Blank allerdings ist nicht zuletzt auch durch die Anträge im EVG-Ausschuß erfolgt. Ich könnte zu den beiden Beispielen, die der Herr Bundeskanzler genannt hat, noch einige hinzufügen, z. B. den Antrag, daß wir möglichst Einblick in das strategische Kartenmaterial bekommen sollten. Das allein müßte die Einrichtung einer kartographischen Stelle im Amt Blank zur Folge haben.
Die Frage, ob wir einen ständigen Ausschuß oder einen Ad-hoc-Ausschuß einrichten sollten, war vor dem Beschluß schon Gegenstand der Absprachen im Ältestenrat und innerhalb der Fraktionen. Wir sind Ihnen damals entgegengekommen und haben nur einen Ad-hoc-Ausschuß eingerichtet. Ursprünglich bestand bei uns der Wunsch, einen allgemeinen Ausschuß für europäische Sicherheitsfragen oder Verteidigungsfragen einzurichten. Auch die Benennung — und ich komme damit zu den Anträgen — stellt kein Präjudiz dar, Herr Kollege Erler. In Straßburg wird seit zwei Jahren auch schon über Fragen der europäischen Sicherheit gesprochen. Ich sehe daher die Benennung des Ausschusses, wie sie im Antrag der Koalition zum Ausdruck kommt, losgelöst von den Fragen des EVG-Vertrages.

(Abg. Lücke: Sehr gut! Sehr richtig!)

Ich sehe sie abstrakt und konkret als „Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit" schlechthin. Das hat mit den Verträgen nur mittelbar etwas zu tun, nicht unmittelbar. Herr Kollege Erler, ich möchte Sie doch daran erinnern, daß auch für die Opposition die Frage eines Beitrags zur europäischen Sicherheit an sich geklärt ist, zumindest seit dem Dortmunder Parteitag. Das Ob ist doch eindeutig auch von Ihnen klargestellt, lediglich über das Wie wird noch gestritten. Gerade um für das Wie, Herr Kollege Erler, die besten theoretischen Voraussetzungen zu gewinnen, kann man nicht früh genug in Zusammenarbeit mit einem ständigen Ausschuß entsprechende Vorbereitungen treffen.


(Dr. Mende)

Nun, Herr Kollege Renner, das gilt jetzt Ihnen und Herrn Kollegen Rische! Durch die dritte Sowjetnote des vorigen Jahres ist die Frage der Füllung des militärischen Vakuums in der Bundesrepublik ja bereits entschieden. Sie ist sicher! Die Frage ist nur, ob die kommenden Soldaten der Bundesrepublik das Krätzchen mit Hammer und Sichel auf den kahlgeschorenen Köpfen und die Gymnastiorka um den Leib tragen werden oder ob sie den Battledreß tragen und die Formen eines westlichen Soldatentums praktizieren werden.

(Abg. Renner: Das ist nicht die Frage!)

— Das ist nur die Frage, (Zuruf des Abg. Renner.)

— Herr Kollege Renner, ich habe zuviel von den Volksarmee-Bataillonen gesehen und gehört, die an Vinzenz Müller, an von Lenski, an Lattmann und anderen ehemaligen Generalen vorbeimarschierten, deren Namen Sie schamhaft verschweigen.
Nun zu dem Problem der Diskussion hier im Plenum. Ich glaube, Herr Kollege Renner, wir würden Ihnen sehr entgegenkommen, wenn wir nationale Sicherheitsfragen zum Gegenstand von Plenardebatten machten. Allerdings wäre es erstmalig in der Weltgeschichte, wenn militärische und Verteidigungsfragen Gegenstand allgemeiner öffentlicher Diskussionen würden. Es ist nirgendwo in der Welt so. Hier liegt auch eine Schwäche gegenüber dem totalitären System des Ostens, daß nämlich in den Demokratien des Westens viel zuviel über diese Dinge geredet wird. Die Verteidigungskraft der westlichen Demokratien steigt aber nicht proportional zu der Zahl der gehaltenen Reden. Man sollte sich an dem Schweigen des Ostens manchmal ein Beispiel nehmen. „Feind hört mit!", das galt nicht nur gestern, sondern gilt heute und morgen, insbesondere im Kalten Krieg.
Hier möchte ich allerdings doch eine kleine Anmerkung zu der Großen Anfrage machen, die sich nicht gegen bestimmte Personen richtet, sondern ein Prinzin darstellen soll: Man sollte sich in militärischen Fragen überall mehr an das Beispiel des großen Schweigers Moltke und weniger an das des redelustigen Cicero halten,

(Abg. Strauß: Sehr gut! — Abg. Renner: Wer war denn der größere Schweiger, Adenauer oder Moltke?)

wenn man nicht bewußt oder fahrlässig den Feinden der Demokratie Material an Hand geben will, das sie sich sonst nur auf dem Umweg über NKWD und Spionagedienste für viel Geld verschaffen müssen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124504000
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0124504100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war trotz unserer Selbstbeschränkung offensichtlich nicht ganz möglich, die Debatte über die Große Anfrage der SPD zu unterbinden, was aber in diesem Falle weniger bei uns lag. Ich möchte nur eine einzige Bemerkung im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der SPD machen.
In Punkt 1 dieser Anfrage wird nach der Rechtsgrundlage gefragt, auf Grund deren die Tätigkeit der Dienststelle Blank über ihre Titulierung hinaus sich bisher vollzogen hat. Die Rechtsgrundlage, glaube ich, kann mit einem einzigen Satz umrissen werden. Die Rechtsgrundlage ist durch die Verantwortung der Bundesregierung gegeben, für die Fragen der deutschen Sicherheit und für die Frage der gemeinsamen europäischen Sicherheit rechtzeitig die Vorarbeiten aufzunehmen. Ich glaube, wir müssen in diesem Zusammenhang. — auch wenn Sie über die Note der Bundesregierung oder des Herrn Bundeskanzlers vom 24. August 1950 eine andere Meinung vertreten — der Bundesregierung dafür dankbar sein, daß sie sich nicht auf das beschränkt, was ihr bei engster Auslegung des Besatzungsstatuts zukommt, sondern daß sie das in Angriff nimmt, was ihr auf Grund ihrer Verantwortung für Freiheit und Leben der Menschen bei uns nun einmal als Aufgabe zugemutet werden muß.

(Zuruf von der SPD: Sind Sie schon Kriegsminister? — Abg. Renner: Das wird er!)

— Das ist nun der dümmste Zuruf, der bisher gemacht wurde.
Was die gestellten Anträge betrifft, so sind wir uns einig über den Inhalt der Arbeit, die der bewußte Ausschuß zu leisten hat. Wir sind uns uneinig hinsichtlich der Titulierung dieses Ausschusses und hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung seines Mandats. Wir muten Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht zu, an die Ratifizierung der Verträge als an eine vollendete Tatsache etwa zu glauben. Sie werden es auf der anderen Seite verstehen, daß wir berechtigten Anlaß haben, zu glauben, daß die größere, weitaus größere Wahrscheinlichkeit für die kommende Ratifizierung dieser Verträge spricht. Das kommt aber auch in der Unterschiedlichkeit der Titel dieses Ausschusses nicht zum Ausdruck. Wir unterscheiden uns anderswo.
Sie vertreten die Meinung, daß mit dem Scheitern der Verträge auch das Mandat dieses Ausschusses zu Ende gegen müsse, weil damit das Parlament zunächst keine Veranlassung habe, sich mit dieser Frage weiter zu befassen. Wir sind genau entgegengesetzter Auffassung. Ohne Rücksicht auf die Einstellung zu den Verträgen sind wir gerade auf Grund Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Erler, der Meinung, daß das Parlament ebenfalls
— und nicht nur die Regierung — die Verantwortung hat, gleichgültig, wie das Schicksal der Verträge sein wird, die Frage der deutschen Sicherheit im Rahmen der europäischen Verteidigung ernsthaft zu prüfen.
Aus diesem Grunde sehen wir uns nicht in der Lage, uns Ihrer Beschränkung hinsichtlich des Mandats oder hinsichtlich des Termins anzuschließen, und sind der Meinung. daß ein deutsches Parlament in der gegenwärtigen Situation und angesichts der bevorstehenden Aufgaben die Verpflichtung hat, sich dauernd um diese Frage zu kümmern. Wir können uns nicht allein auf die parlamentarische Kontrolle der Dienststelle Blank beschränken, sondern wir haben neben dieser Kontrollaufgabe eine echte politische Aufgabe: die Verantwortung eines deutschen Parlaments für die deutsche Sicherheit in der europäischen Verteidigung.
Und, Herr Kollege Renner, Sie haben heute beinahe mich selber überzeugt; es wäre Ihnen beinahe gelungen. Aber ich sehe in dieser Aufgabe noch einen besonderen Zweck, nämlich Ihnen, Herr Kollege Renner, ein noch wesentlich längeres Leben zu ermöglichen und auch Ihre Freiheit zu vertei-


(Strauß)

digen, da der Schatten von Prag und der Schatten der Säuberungswelle von der Ostzone sonst auch Sie erreichen würde.

(Sehr gut! — Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Auch ziemlich embryonales Gerede! Machen Sie sich keine Sorge um meine Sicherheit! Die steht bei unserem deutschen Volk und nicht bei Ihnen! — Abg. Strauß: Ich mache das freiwillig!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124504200
Herr Abgeordneter Erler noch einmal.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0124504300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zum Kollegen Dr. M e n d e. Ich meine, was dem Rundfunk recht ist, das sollte dem Parlament billig sein.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Darum ging es doch. Es ging gar nicht darum, daß in diesem Hause nun irgendwelche strategischen oder militärischen Geheimnisse diskutiert werden sollten, die auf diese Weise gratis und franko der sowjetischen Spionage zur Verfügung gestellt würden, sondern es geht darum, daß Fragen, die in der ganzen deutschen Öffentlichkeit seit langem diskutiert werden, die zum Teil erheblich umstritten sind und die der Kollege Blank im Rundfunk in die Diskussion gebracht hat, dann auch zum Gegenstand der Behandlung, und zwar einer ordentlichen Behandlung in diesem Hause gemacht werden und nicht allein über die Rundfunkanstalten ihren Weg in die öffentliche Diskussion finden. Das hat nichts mit irgendwelchen Geheimnissen, die vertraulich zu behandeln wären, zu tun.
Aber etwas anderes hat mich sehr zum Nachdenken gestimmt, und ich glaube, hier liegt der tiefere Kern dessen, was uns auch heute, in dieser Stunde, trennt: die Behauptung nämlich, als sei seit dem Dortmunder Parteitag im ganzen bereits das Ob entschieden und als handle es sich jetzt nur noch um die Frage des Wie. Sie verstehen das so, als ob nun lediglich bestimmte technische, militärtechnische Dinge im einzelnen in irgendeinem solchen Ausschuß entschieden werden könnten. Damit ist die Diskussion auf ein völlig schiefes Gleis gekommen. Sie haben doch in den Vertragsdebatten erlebt, daß das, was uns zutiefst scheidet, keine militärtechnischen Auffassungen verschiedener Art sind. Es handelt sich vielmehr um einen politischen Unterschied. Denn wir sind der Meinung, daß eine isolierte Teilnahme der Bundesrepublik an einem westlichen Heeressystem so lange nicht verantwortet werden kann, wie nicht ein ernsthafter Versuch unternommen worden ist, unter den vier Mächten zu einer Vereinbarung über einen Status für Gesamtdeutschland zu kommen. Das ist doch die Frage, die uns trennt, und die können Sie nicht in einem Sonderausschuß für Militärfragen verhandeln. Das sind doch Dinge, die, wenn sie einmal diskutiert werden, in den zuständigen politischen Ausschüssen anderer Art in diesem Hause zur Sprache kommen müssen. Wir haben ja den Außenpolitischen Ausschuß, und wir haben den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen. Das gehört doch mit in die Dortmunder Beschlüsse. Das ist gleichfalls eine der Voraussetzungen, von denen Sie Kenntnis nehmen müssen, die erfüllt sein müssen, bevor es möglich ist, mit uns über die Frage einer isolierten Teilnahme der Bundesrepublik an einer Heeresorganisation, welcher Art auch immer, zu reden. Es ist gut, daß Sie das auch einmal hören, damit es auch die westliche Welt begreift, damit sie weiß, welch ein inneres Anliegen unser Volk in dieser Frage hat, damit man sieht, daß auf diesem Wege etwas mehr als bisher getan werden muß. Das sei in dieser Stunde gesagt, damit nicht der Eindruck entsteht, als stritten wir uns wirklich nur noch um die Mützen oder um die Ränge oder um den Diensteid. Dann hätte es nicht diese lebhaften Auseinandersetzungen hier im Hause gegeben.
Kollege Strauß, wenn die Verträge scheitern, dann weiß ich, daß die Frage der Sicherheit im ganzen natürlich bleibt. Aber dann kann doch technisch nicht nach dem bisherigen System so weitergearbeitet werden, als wäre in der Welt nichts passiert. Dann müssen erst politisch neue Lösungen erarbeitet werden. Das aber kann kein Ausschuß tun, dessen Aufgabe ich auf die spezielle Frage der jetzigen Tätigkeit der Dienststelle Blank konzentrieren möchte. Das kann nur geschehen, wenn man sich im Auswärtigen Ausschuß zusammen mit den dazu berufenen Organen der Regierung eine politische Gesamtkonzeption erarbeitet und nicht die Militärspezialisten daransetzt, um da weiterzukommen, wo ihre Vorgänger gescheitert sind.
Schließen Sie sich also bitte dem Wunsch an, jetzt für eine Kontrolle zu sorgen. Das, was in der Zukunft geschieht, wird dieses Haus zu regeln haben, wenn wir wissen, was die Zukunft bringt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124504400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es liegen zwei Anträge vor. Ich lese sie noch einmal vor, da sie nicht verteilt sind. Erstens der Antrag der Fraktion der SPD:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem bisher mit der Mitberatung des EVG-Vertrags betrauten Ausschuß des Bundestags laufend über die Tätigkeit der Dienststelle des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen zu berichten.
Zweitens der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestagsausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrags und der damit zusammenhängenden Abmachungen, der in der Bundestagssitzung vom 10. Juli 1952 durch einen Beschluß des Plenums errichtet wurde, wird in einen ständigen Bundestagsausschuß mit der Bezeichnung „Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit" umgewandelt. Die Zahl der Mitglieder dieses Ausschusses und der zahlenmäßige Anteil der Fraktionen bleiben unverändert.
Dieser zweite Antrag ist als Änderungsantrag gestellt. Er ist im übrigen auch der weitergehende Antrag. Es besteht somit kein Zweifel, daß über ihn zuerst abgestimmt werden muß. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zweiten Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen. Damit erledigt sich der — —

(Abg. Renner: Dritte Beratung des Generalvertrags!)



(Präsident Dr. Ehlers)

— „Der", nicht „die", sagte ich, Herr Abgeordneter Renner; bitte schön!

(Abg. Renner: Dritte Beratung des Generalvertrags war das!)

Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen (Zweites Wohnungsbaugesetz) (Nr. 3868 der Drucksachen);
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin (Nr. 3905 der Drucksachen);
c) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes (Nr. 3946 der Drucksachen).
Wegen des sachlichen Zusammenhangs schlage ich Ihnen vor, diese Vorlagen in der Reihenfolge 4 a, 4 c, 4 b zu behandeln. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit für die erste Vorlage von 10 Minuten und eine Gesamtaussprachezeit von 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Zur Begründung des ersten Antrags hat das Wort Herr Abgeordneter Lücke.

Paul Lücke (CDU):
Rede ID: ID0124504500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den Beratungen zum Ersten Wohnungsbaugesetz, die damals unter erheblichem Zeitdruck standen, wurde davon ausgegangen, dem Ersten Wohnungsbaugesetz sobald wie möglich ein Zweites Wohnungsbaugesetz folgen zu lassen. Diesem Gesetz sollte dann die Aufgabe zufallen, Unvollkommenheiten des Ersten Wohnungsbaugesetzes zu bereinigen. Die Forderungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sind in der Zwischenzeit immer lauter geworden. Sie fanden in der einprägsamen Formulierung, es sei endlich an der Zeit, im Wohnungsbau von der Quantität zur Qualität zu kommen, einen treffenden Ausdruck. Das heißt, daß gesetzliche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, damit weniger Miet- und Geschoßwohnungen und mehr Eigenheime und Kleinsiedlungen gebaut werden können. In diesem Punkt hat das Erste Wohnungsbaugesetz zweifellos versagt und damit die entscheidende Problematik des Wohnungsbaues nicht erkannt. Bekanntlich hat das Erste Wohnungsbaugesetz die Förderungswürdigkeit der Mietwohnung dem Eigenheim gleichgestellt. Darin liegt jedoch der entscheidende Irrtum, daß man die Eigengesetzlichkeit des Eigenheims nicht erkannt und Ungleiches gesetzlich gleich behandelt hat. Dieser Fehler mußte notwendig in der Praxis dazu führen, daß nicht einmal die im Gesetz vorgesehene gleiche Förderungswürdigkeit gewahrt worden ist; vielmehr wurde das Eigenheim in ständig steigendem Maße benachteiligt.
Eine grundlegende und umfassende Lösung der mit diesem Problem aufgeworfenen Fragen konnte und kann nur durch ein eigenes Gesetz zur Förderung des Eigenheimbaus erfolgen. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen wird Ihnen nunmehr diese umfassende Lösung vorgelegt.
Wir haben seinerzeit das Erste Wohnungsbaugesetz einstimmig angenommen und waren überzeugt, damit eine gute Leistung vollbracht zu haben. Trotz aller zwischenzeitlich laut gewordenen Kritik glaube ich, daß dieses Gesetz als eine der ersten großen gesetzgeberischen Leistungen des jungen Parlaments auch heute noch bestehen kann. Das beweist der zahlenmäßige Erfolg der auf Grund dieses Gesetzes durchgeführten Bauprogramme,

(Unruhe — Glocke des Präsidenten)

der Deutschland im Wohnungsbau an die Spitze der europäischen Länder gebracht hat. Es ist jedoch einer der entscheidenden Fehler des Ersten Wohnungsbaugesetzes, daß die Schaffung von Wohnungen für Familien, insbesondere für kinderreiche Familien zu kurz gekommen ist. Es wurden kaum Wohnungen für größere Familien gebaut. Die starre Finanzierung nach Wohnungseinheiten mag die entscheidende Ursache für die verstärkte Klein-und Kleinstwohnungsbauentwicklung geworden sein. Die Entwicklung der Baupreise seit Korea hat fernerhin in dieser Beziehung ungünstig mitgewirkt.
Meine Damen und Herren! Im Bundesgebiet werden seit drei Jahren täglich 1000 Wohnungen gebaut. Davon werden noch keine 200 in das Eigentum der darin wohnenden Familien und Personen überführt; das heißt, daß von den täglich erbauten 1000 Wohnungen über 800 im Besitz von Wohnungsunternehmen verbleiben. Diese Angaben zeigen, daß die Entwicklung im Wohnungsbau in ständig steigendem Maße zur Mietwohnung drängt. Diese Entwicklung muß uns alle, denen das Wohl unserer Familien am Herzen liegt, mit großer Besorgnis erfüllen.
Aus dieser Sorge heraus hat die Fraktion der CDU/CSU im Dezember 1950 im Bundestag eine Große Anfrage des Inhalts eingebracht, daß die Schaffung von Wohnungen im Eigentum, von Eigentumswohnungen, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus nicht in dem notwendigen und möglichen Ausmaß erfolge; im Gegenteil würden in einzelnen Ländern die öffentlichen Mittel dort erheblich beschränkt, wo sie für die Erstellung von Heimstätten Verwendung finden sollten. Auch dort, wo der Bau von Reihenhäusern, Eigenheimen und Kleinsiedlungen möglich sei, so heißt es in der Interpellation weiter, würden Mietwohnungen in mehrgeschossigen Wohnblöcken errichtet. Diese Entwicklung sei nicht geeignet, Vertriebenen, Ausgebombten und jungen Familien den notwendigen Wohnraum zu sichern und die Wohnung zum Heim der Familie zu machen.
Auf Grund dieser Interpellation wurde mit Drucksache 1705 ein Antrag einstimmig angenommen, der fordert, daß ein angemessener Anteil der für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellten Mittel zum Bau von Eigenheimen und Kleinsiedlungen, insbesondere aber zum Bau von Wohnungen für kinderreiche Familien Verwendung finden muß. Damit hat der Deutsche Bundestag einstimmig unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er die bevorzugte Errichtung von Eigenheimen und Kleinsiedlungen wünscht und daß er damit der Sehnsucht breitester Kreise unseres Volkes entsprechen will, über den Wohnungsbau den heimat- und eigentumslosen Schichten, soweit es irgend möglich ist, wieder zu einem Eigentum, einem Eigenheim, möglichst mit Grund und Boden, zu verhelfen.


(Lücke)

Leider liegt bis zum Augenblick noch keine genaue Statistik über den Anteil der Eigentumsmaßnahmen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues vor, obwohl der Bundestagsausschuß diese Statistik seit Jahren dringend fordert. Ich bin deshalb bei der Beurteilung dieser Frage auf Statistiken einzelner Länder und des Gesamtverbandes gemeinnütziger Wohnungsunternehmen angewiesen, wobei man jedoch davon ausgehen kann, daß die übergroße Anzahl der neu erstellten Ein- und Zweifamilienhäuser in privatem Eigentum stehen. Wenn wir dabei berücksichtigen, daß in der Regel im Eigenheimbau eine Einliegerwohnung, die naturgemäß Mietwohnung ist, eingebaut wird, kommen wir auf einen Satz von etwa 20 % Eigentumsmaßnahmen.
Der Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen errichtete im Baujahr 1951 151 000 Wohnungen. Davon wurden lediglich rund 14,7 % in das Eigentum der Familien oder Personen, die darin wohnen, übergeführt.
Diese Zahlen bestätigen unsere Sorge, daß der Anteil der vom Bundestag gewünschten Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau zu gering ist. Die Forderungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz wurden in der deutschen Öffentlichkeit immer lauter. Ich erwähne hier nur das Altenberger Programm und die beiden bedeutsamen Tagungen des Deutschen Volksheimstättenwerks in Hannover und in Köln.
Diesen Anliegen folgend, hat die Bundesregierung eine Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz erarbeitet, die heute ebenfalls zur ersten Lesung in diesem Hohen Hause ansteht. In dieser Novelle sind Korrekturen des Ersten Wohnungsbaugesetzes vorgenommen worden, wobei die von uns immer wieder geforderten Eigentumsmaßnahmen, soweit das in einer Novelle möglich ist, aufgenommen wurden. Es zeigte sich jedoch schon bei den Vorarbeiten, daß es schwierig, vielleicht sogar unmöglich sein wird, diese unsere Forderungen in einer Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz zu verwirklichen.
Die SPD-Fraktion hat vor einiger Zeit ebenfalls eine Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz eingebracht. Auch in dieser Novelle wird die verstärkte Eigenheimförderung erwähnt, ohne jedoch die bevorzugte Förderung durch eindeutige gesetzliche Bestimmungen zu garantieren.
Der Bundesrat hat bei den Beratungen über die Regierungsnovelle fast sämtliche Eigentumsbestimmungen gestrichen. Ich will hier nicht näher die Haltung des Bundesrats kritisieren; dazu ist hier weder der Platz noch der rechte Augenblick. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, daß die Länder, die für die Durchführung der Bauprogramme verantwortlich zeichnen, nicht gewillt sind, der Forderung breitester Volksschichten nach verstärkter Eigentumsförderung im Wohnungsbau zu entsprechen. Ich nehme vielmehr an, daß die mit der Lösung dieser schwierigen Frage verbundenen Probleme in einer Novelle allein nicht gelöst werden können. Es bedarf hierzu meines Erachtens einer umfassenderen Lösung.
Darum sind meine Freunde und ich daran gegangen, alle eigentumsfördernden Bestimmungen in einem Zweiten Wohnungsbaugesetz zusammenzufassen. Damit wird die Rechtsübersichtlichkeit gewahrt und die Aufgabe in ihrer ganzen Bedeutung sichtbar.
Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf bricht mit dem Begriff der Wohneinheit und schafft dafür das Familienheim. Die Finanzierungsbestimmungen nach Wohneinheiten führten dazu, daß ein sehr hoher Prozentsatz Kleinstwohnungen gebaut wurde, die wir als familienfeindlich ablehnen müssen. Es wurden z. B. von den im Jahre 1950 bezugsfertig erstellten Wohnungen 17,7 % als Einzimmerwohnungen, 45,3 % als Zweizimmerwohnungen ausgewiesen, das heißt 63 % des Wohnungsbaus des fraglichen Jahres 1950 umfassen Ein- und Zweizimmerwohnungen zuzüglich Küche. Weitere 34 % sind Drei- und Vierzimmerwohnungen. Diese Zahlen beweisen, daß für größere Familien, vor allem für kinderreiche Familien keine oder kaum geeignete Wohnungen erstellt wurden.
Hier steht der Staat vor einer sehr ernsten Frage; denn wir können es nicht mehr weiter zulassen, daß Familien — auch junge Ehepaare — in Kleinstwohnungen mit ein oder zwei Räumen in ihrer Entwicklung gehemmt oder sogar uniformiert werden. Wir können es nicht zulassen, daß der Staat über diesen Weg die Geburtenbeschränkung geradezu als staatliches Ziel proklamiert. Es geht nicht mehr an, daß Hunderttausende Familien über die Wohnung in ihrer Entwicklung eingeengt werden. Die Wohnung muß sich nach den Erfordernissen einer Familie richten und nicht die Familie nach der Wohnung.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Es ist Aufgabe des Staates, hier Minimalgrenzen zu finden. Hier liegt neben anderen Ursachen mit ein wichtiger Grund dafür, daß 60 % aller Ehen kinderlos geblieben sind oder nur ein Kind haben. Unser Volk rangiert mit seiner Geburtenziffer heute hinter Frankreich.
Klein- und Kleinstwohnungen sind nicht für Familien geeignet. Sie sollen nur zur Unterbringung alleinstehender Personen oder kinderloser Ehepaare geschaffen werden. Bei der bisherigen Entwicklung droht jedoch die Kleinstwohnung zur Norm des sozialen Wohnungsbaues zu werden. Im Interesse einer gesunden Entwicklung unserer Familie und um der Zukunft unseres Volkes willen muß hier Wandel geschaffen werden.
Darum bricht unsere Vorlage grundsätzlich mit dem Begriff der Wohneinheit und setzt in den Mittelpunkt der Gesetzesbestimmungen die Familie, die Familie mit all ihren Lebensbedürfnissen an Raum, Garten und Eigentum. Die Familie soll und muß künftighin Richtschnur der Wohnungspolitik werden. Alle Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes nehmen deshalb Rücksicht auf die Ansprüche, die eine gesunde Familie an die Wohnung zu stellen hat. Darum: „Gesetz zur Schaffung von Familienheimen".
In § 2 der Vorlage wird eindeutig festgelegt, was unter dem Begriff „Familienheim" zu verstehen ist. Der Gesetzentwurf schreibt vor, daß zum Familienheim ein Stück Garten oder Feld gehört, um dadurch unsere Menschen wieder mit dem Boden zu verwurzeln und ihnen, soweit es möglich ist und es der bisher beschränkte deutsche Lebensraum zuläßt, eine — wenn auch kleine — Sicherung für Krisenzeiten zu gewähren und um einen möglichst großen Teil unseres Volkes wieder zu Eigentümern zu machen.
Darum gewinnt die baldige Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes in diesem Zusammenhang mit dem Familienheimgesetz besondere


(Lücke)

Bedeutung. Hier liegt vor dem Deutschen Bundestag eine sozialpolitische Aufgabe von unerhörter Bedeutung. Es gilt, noch über 4 Millionen Familien wohnungsmäßig zu versorgen und angemessen unterzubringen. Davon soll nach unserem Wollen ein möglichst großer Teil der Eigentumslosen wieder mit einem Eigentum versehen werden. Die Zukunft dieser Familien, die sich in Not befinden, liegt uns am Herzen. Damit, glaube ich, erfüllen wir eine wichtige Aufgabe auch für die Zukunft unseres Volkes.
Wir denken nicht daran, den Wiederaufbau unserer Städte zu vernachlässigen. Im Gegenteil sollen hierfür die erforderlichen Mittel weiterhin bereitgestellt werden. Wir wünschen jedoch, daß Schluß gemacht wird damit, daß in freiem, unerschlossenem Gelände ohne zwingende Gründe mehrgeschossige Mietwohnungen erstellt werden. Wir wünschen weiter, daß Schluß damit gemacht wird, daß man Familien in fünf-, sechs-, ja zehngeschossigen Wohnblöcken unterbringt. Die Familie gehört an den Grund und Boden, sie gehört auf die Erde. Darum gehört zum Familienheim möglichst ein kleiner Garten oder ein Stück Land. Das Reihenhaus bietet überall da, wo der Bau von Einfamilienhäusern als offene Bauweise nicht möglich ist, Gelegenheit, familiengerechte Heime zu bauen, auch in städtischen Vorbezirken.
Das Familienheimgesetz sieht vor, daß die öffentlichen Mittel des Bundes, der Länder und Gemeinden überwiegend zur Schaffung von Familienheimen zu verwenden sind. Die restlichen Mittel sind für den Wiederaufbau und den Mietwohnungsbau vorgesehen. Es ist in der Öffentlichkeit gegen dieses Gesetz und gerade gegen diese Forderung erheblich Sturm gelaufen worden. Es ist behauptet worden, man wolle nun überhaupt keine Mietwohnungen mehr schaffen. Das ist nicht wahr! Da fast jedes Familienheim eine vollausgebaute zweite Wohnung besitzt oder aber eine Einliegerwohnung, die ja Mietwohnung ist, werden nur etwa 25 bis 30 % der darin wohnenden Familien Eigentümer, das heißt mehr als 70 % bleiben auch nach unserer Vorlage künftighin weiter Mietwohnungen. Das ist durchführbar. An diesem Eigentumsanteil im Sozialen Wohnungsbau müssen wir als Mindestforderung festhalten. Im Hinblick auf die sozialpolitische Bedeutung des Eigentums ist dieser Anteil recht bescheiden. Ziel unserer Wohnungsbaupolitik auch in den nächsten Jahren muß bleiben, das Familienheim zur Norm des Sozialen Wohnungsbaus werden zu lassen.

(Abg. Strauß: Sehr richtig!)

Wir wünschen, daß Schluß gemacht wird damit — ich wiederhole diese Forderung —, daß ohne zwingende Gründe in freies, unerschlossenes Gelände mehrgeschossige Mietwohnungen gebaut werden.
Ich sagte bereits, daß der Entwurf mit dem Begriff „Wohneinheit" bricht, d. h. daß in Zukunft die Mittel nicht mehr nach Wohneinheiten, sondern nach der Wohnfläche gewährt werden. Demzufolge kann für denselben aufzuwendenden Geldbetrag auch künftighin dieselbe Anzahl von Personen untergebracht werden. Es könnte theoretisch geschehen, daß die Zahl der Wohneinheiten sinkt. Es ist aber nicht möglich, daß die Zahl der untergebrachten Personen sinkt. Darum ist in den Gesetzentwurf eingebaut worden, daß auch die Zahl der zur Familie gehörenden Personen bei der Bemessung der Höhe der öffentlichen Mittel herangezogen werden muß. Diese neuen Finanzierungsbestimmungen erlauben es den
Bewilligungsstellen, im Rahmen der von den Ländern hierzu näher zu erlassenden Richtlinien bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel beweglicher zu sein.
Eine Reihe weiterer im Gesetzentwurf enthaltener Bestimmungen schafft starke Anreize, ein derartiges Familienheim zu erwerben. Der Sparwille der Bevölkerung wird angeregt. Die Selbsthilfe wird in jeder möglichen Form gefördert. Der Konsumverzicht wird sinnvoll, weil das Gesetz demjenigen, der für sein eigenes Heim spart, die Chance bietet, in einer überschaubaren Zeit Eigentümer seines Heimes zu werden.
Eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem Ersten Wohnungsbaugesetz besteht weiter darin, daß die Höhe der Eigenleistung durch die Finanzierung nach Quadratmetern Wohnfläche erheblich gesenkt wird. Es war bisher üblich, daß von großen Wohnungsbauunternehmen oft nur eine Eigenleistung bis zu 10 % der Baukosten gefordert wurde. Hingegen mußte derjenige, der im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaues ein Eigenheim erstellen wollte, 20, 30 und mehr Prozent Eigenleistung aufbringen. Hier gibt der Gesetzentwurf der Mietwohnung und dem Eigenheim den gleichen Start.
Eine Reihe von Bestimmungen stellt für den Eigentümer jedoch einen Anreiz dar, von seiner Belastung, die er als Schuld empfindet, herunterzukommen. Damit fließen die öffentlichen Gelder vorzeitig dem Wohnungsbau wieder zu, was bei den entsprechenden Mietwohnungen nicht der Fall ist.
Der größte Feind war im Wohnungsbau bisher der Formalismus. Das Dickicht der Bestimmungen und Formulare hat einen beängstigenden Umfang angenommen und droht weiter anzuwachsen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Daher werden durch das neue Gesetz und durch das neue Finanzierungsverfahren Bestimmungen festgelegt, die eine Reihe von Formularen wegfallen lassen. Damit stellt der Gesetzentwurf einen entscheidenden Schritt auf dem Wege der Vereinfachung des Formularwesens dar.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Eine weitere wesentliche Hilfe für die rasche Durchführung dieses Gesetzentwurfes bietet die Konstruktion des Vorratseigenheims, also des sogenannten Hauses von der Stange. Es wird eine der vornehmsten Aufgaben der Wohnungsunternehmen bleiben, Familienheime auf Vorrat zu bauen, um sie dann laufend in den Besitz der Familien zu überführen.
Meine Damen und Herren, ich bin mir über die schwierigen Probleme, die der Verwirklichung gerade dieses Gesetzentwurfes im Wege stehen, völlig im klaren. Wenn meine Freunde und ich trotzdem diesen Gesetzentwurf vorlegen, dann deshalb, weil wir wünschen, daß endlich im Wohnungsbau das Anliegen der Familie stärker beachtet wird. Der Gesetzentwurf bietet hierzu die Möglichkeit. Ich hoffe, daß vor allem auch die Wohnungswirtschaft von dieser Möglichkeit reichen Gebrauch machen wird. Die Wohnungswirtschaft sollte sich viel mehr, als das bisher geschehen ist, als Träger für die Errichtung von Familienheimen einsetzen.
Wir werden im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen bei der Beratung der Novelle diese Fragen besprechen müssen. Ich hoffe, daß die Beratungen im Ausschuß in demselben Geiste


(Lücke)

geführt werden, in dem die anderen Wohnungsbaugesetze bisher einstimmig verabschiedet worden sind. Der Deutsche Bundestag hat immer und immer wieder einmütig zum Ausdruck gebracht, daß er wünscht, daß Eigentum geschaffen wird, daß er wünscht, daß eigentumslose Menschen wieder mit Grund und Boden verbunden werden. Wir haben nunmehr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der alle diese Forderungen erfüllt, einen Entwurf, der aus der Praxis geboren wurde und darum mit Recht Zweites Wohnungsbaugesetz heißt. Ich hoffe weiter, daß dieser Gesetzentwurf wegen seiner Eilbedürftigkeit noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Ich wiederhole die Zahl: täglich werden 1000 Wohnungen gebaut, und wir möchten, daß künftighin davon mehr als 200 in den Besitz der Familie übergeführt werden.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich darf daher hoffen, daß dieses Hohe Haus den Entwurf an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen überweist. Ich stelle diesen Antrag.
Zur Regierungsnovelle darf ich sagen, daß wir im Ausschuß überlegen werden, welche Bestimmungen aus der Novelle eventuell in diesen Entwurf — oder umgekehrt — übernommen werden müssen. Die Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz ist zumindest in ihren wirtschaftlichen Teilen erforderlich. Meine Freunde und ich bejahen die in der Novelle enthaltenen Grundtendenzen und werden im Ausschuß zu diesen Fragen weiter Stellung nehmen müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0124504600
Ich nehme an, daß der Herr Bundesminister für Wohnungsbau die inzwischen zustimmend kommentierten Tendenzen noch darlegen wird.
Bitte schön, Herr Bundesminister!

Dr. Fritz Neumayer (FDP):
Rede ID: ID0124504700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf einer Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz vorzulegen. Mit der Begründung dieses Entwurfs werde ich zugleich eine kurze Stellungnahme zu dem Entwurf, der heute von der CDU/CSU vorgelegt worden ist, verbinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wohnungswirtschaft unterliegt grundsätzlich den gleichen wirtschaftlichen Gesetzen wie die gewerbliche und die agrarische Wirtschaft. Wenn trotzdem auf dem Gebiete der sozialen Marktwirtschaft auch heute noch für die Wohnungswirtschaft gewisse Zwangsvorschriften gelten und vorerst auch noch nicht völlig aufgehoben werden können, so hängt das mit der besonderen Struktur der Wohnungswirtschaft zusammen. Ein Eingreifen des Staates wird immer auf den Gebieten erforderlich sein, in denen eine erhebliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nicht in kurzer Zeit überwunden werden kann. Wenn in normalen Zeiten in der gewerblichen Wirtschaft Mangelerscheinungen auftreten, so lassen sich diese in den meisten Fällen durch Produktionssteigerung in verhältnismäßig kurzer Zeit beheben. Anders ist es auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft. Die Lücke, die hier zwischen dem Bestand und dem Bedarf an Wohnungen klafft, läßt sich nicht im Verlauf weniger Jahre schließen. Dies hat dazu geführt, daß
Mittel der öffentlichen Hand in weitem Umfang in Anspruch genommen werden mußten, um die Bautätigkeit anzuregen und zu beschleunigen.
Unter der Geltung des Ersten Wohnungsbaugesetzes ist es gelungen, innerhalb des Zeitraums von drei Jahren mehr als eine Million Wohnungen zu erstellen. Damit steht die Bundesrepublik im Wohnungsbau an der Spitze der europäischen Völker. Trotzdem fehlen, zumal der Wohnungsbedarf durch neue Familiengründungen immer wieder eine Erhöhung erfährt, noch ungefähr vier Millionen Wohnungen.
Die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Wohnungswirtschaft und die allmähliche Loslösung von staatlicher Hilfe muß das Ziel des Bundesministers für den Wohnungsbau sein. Dieses Ziel, das auch eine mit der Herstellung der Wirtschaftlichkeit verbundene Anregung der privaten Bautätigkeit in sich schließt, kann nur schrittweise erreicht werden.
Von diesem Gedanken ließ sich der Ihnen heute vorgelegte Entwurf der Novelle leiten. Dieser Entwurf will Mängel des Ersten Wohnungsbaugesetzes, die sich im Laufe der Jahre gezeigt haben, beseitigen; er will aber auch das starre Gefüge der Wohnungswirtschaft auflockern, soweit es heute möglich und vertretbar erscheint. Er will dazu beitragen, daß die Wirtschaftlichkeit des Wohnungsbaus allmählich wiederhergestellt wird und die private Bautätigkeit eine Anregung und einen Ansporn erhält. Und noch ein weiteres, meine Damen und Herren: diese Novelle hat es sich auch zur Aufgabe gesetzt, den Eigentumsgedanken besonders herauszustellen und zu stärken.
Wenn ich nun auf die Neuerungen, die die Regierungsvorlage enthält, in kurzem eingehen soll, so stelle ich voraus, daß sich diese Neuerungen in verschiedene Gruppen einteilen lassen, von denen ich die wichtigsten hervorheben möchte.
Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände haben nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz den sozialen Wohnungsbau als vordringliche Aufgabe mit dem Ziel zu fördern, daß innerhalb von sechs Jahren möglichst 1,8 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus geschaffen werden. Dieses Ziel ist in den vergangenen Jahren zwar erreicht worden; doch hat es sich als Mangel des Ersten Wohnungsbaugesetzes herausgestellt, daß die Erfüllung des Programms durch das Gesetz selbst nicht finanziell gesichert war. Die gesetzliche Sicherstellung eines vom Bund für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellenden Festbetrages ist um so notwendiger geworden, als nach dem Lastenausgleichsgesetz aus der Wohnraumhilfe in Zukunft wesentlich weniger Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen werden, als es bisher unter der Geltung des Soforthilfegesetzes der Fall gewesen ist. Die Regierungsvorlage sieht daher vor, daß der Bund zur Erfüllung des jährlichen Bauprogramms in den Rechnungsjahren 1953 bis 1956 aus Haushaltsmitteln einen Betrag von je 500 Millionen DM zur Verfügung zu stellen hat. Die im Wohnungsbau besonders wichtige Kontinuität ist damit gewährleistet.
Für das Baujahr 1953 ist es gelungen, einen Betrag von bisher 400 Millionen DM auf die Länder zu verteilen. Damit ist für das laufende Jahr ein frühzeitiger Baubeginn ermöglicht. Ich darf der Erwartung Ausdruck geben, daß die Länder ent-


(Bundeswohnungsbauminister Neumayer)

sprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch ihrerseits Mittel für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen werden; denn sie tragen gemeinsam mit dem Bund die Verantwortung für die Aufbringung der erforderlichen öffentlichen Mittel.
Ein besonderes Kernstück sind die Vorschriften, die der Beschaffung von Einzeleigentum dienen sollen. Als das Erste Wohnungsbaugesetz im Jahre 1950 verabschiedet wurde, kam es im Hinblick auf die ungeheure Wohnungsnot in erster Linie darauf an, so schnell wie nur irgend angängig möglichst viele Wohnungen zu erstellen. Dieses Ziel ist in den vergangenen Jahren auch erreicht worden.

(Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

Es scheint nun aber die Zeit gekommen, von einer mehr auf das Quantitative ausgerichteten Wohnungspolitik abzugehen und auch die Qualität des Wohnungsbaus in den Vordergrund der Erwägungen zu stellen. Hierzu gehört vor allem die Schaffung von familiengerechten Heimen und von Wohnungen, die im Eigentum ihrer Bewohner stehen. Deshalb ist es das gemeinsame Anliegen des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung, daß in Zukunft die bereitgestellten öffentlichen Mittel in verstärktem Umfang für den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und sonstigem Wohnungseigentum verwendet werden. Die Erfüllung dieses Anliegens habe ich seit Beginn meiner Amtszeit in Fortsetzung der von meinem verstorbenen Vorgänger Eberhard Wildermuth verfolgten Wohnungspolitik als besonders wichtige Aufgabe betrachtet. Ich habe deshalb unverzüglich nach meinem Amtsantritt meinem Ministerium den Auftrag erteilt, in dem in Bearbeitung befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes diesen bisher zwangsläufig zu kurz gekommenen Forderungen zu entsprechen. Außerdem habe ich schon bei meiner Amtsübernahme einen Betrag von 50 Millionen DM für Eigenheime eingesetzt. Diese Aktion ist bereits angelaufen.
Die Regierungsvorlage enthält zur Erreichung dieses Ziels folgende Neuerungen: Beim Neubau von Wohnungen wird für Eigenheime und Kleinsiedlungen gesetzlich ein Vorrang festgelegt. Ich schließe mich hier der Auffassung des Herrn Kollegen Lücke an, daß, wenn es irgend möglich ist, mit dem Eigenheim auch ein Kleingarten verbunden werden soll. Ich- möchte hier noch einmal betonen, daß die Verstärkung des Eigentums meiner Auffassung nach nicht nur im sozialpolitischen, sondern auch im staatspolitischen Interesse liegt. Denn Eigentum stärkt auch den Staatsgedanken. Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit sehr notwendig.
Darüber hinaus sollen die obersten Landesbehörden verpflichtet sein, angemessene Prozentsätze für die öffentlichen Mittel festzulegen, die ausschließlich zur Förderung dieser Bauvorhaben zu verwenden sind. Ferner wird es dem Bundesminister für Wohnungsbau zur Pflicht gemacht, dafür Sorge zu tragen, daß die Hälfte des alljährlich bereitzustellenden Betrags von 500 Millionen DM für den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen eingesetzt wird.
Ich möchte ausdrücklich auch auf die Eigentumswohnungen, auf das sogenannte Wohnungseigentum, hinweisen. Ich weiß, daß es bisher noch nicht gelungen ist, dieses Wohnungseigentum so populär zu machen, wie es das verdient. Die Schwierigkeiten lagen insbesondere in der Beschaffung der ersten Hypothek oder überhaupt der Hypotheken, da die Kapitalsammelstellen oft noch Sorge trugen, Einzelbeleihungen vorzunehmen. Sie zogen lieber eine Gesamtbeleihung in Betracht. Ich habe mich bemüht, gerade auch bei den Kapitalsammelstellen den Gedanken der Eigentumswohnung oder des Wohnungseigentums besonders hervorzuheben, und sie darum gebeten, wenn irgend möglich auch zur Einzelbeleihung überzugehen. Ich hoffe, daß diese Rechtsform, die besonders in den romanischen Ländern sehr bedeutende Erfolge aufzuweisen hat — man hat mir beispielsweise gesagt, daß man sich in Italien und Frankreich ohne die Rechtsform des Stockwerkseigentums, wie es dort genannt wird, den Wiederaufbau gar nicht habe vorstellen können —, bei uns noch weitere Fortschritte macht und in das allgemeine Bewußtsein unserer Bevölkerung eindringt.
Die besondere Förderung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen, die die Regierungsvorlage den durchführenden Stellen zur Pflicht macht, wird von der Bundesregierung als eine soziale Maßnahme von hervorragender Bedeutung angesehen. Sie soll dazu dienen, den Schichten unseres Volkes, die aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage sind, zu dem Erwerb eines ihren Wohn- und Lebensbedürfnissen entsprechenden, in ihrem Alleineigentum stehenden Heimes zu verhelfen. Dies erscheint mir um so wichtiger, als das Eigenheim nach meiner Auffassung die beste Grundlage für eine gesunde und sozial gesicherte Entwicklung der Familie ist. Ich kann hier auf die ausgezeichneten Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Lücke, mit denen ich völlig einig gehe, Bezug nehmen. Gerade in dieser Verbindung breiter Schichten des Volkes mit dem heimatlichen Boden sieht die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Festigung und zum sozialen Ausgleich bei den Volkskreisen mit geringerem Einkommen.
Die mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Eigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen sollen wie bisher den Bevölkerungskreisen zugute kommen, deren Einkommen in der Regel nicht über die Grenze der Sozialversicherungspflicht hinausgeht. Dabei sollen Bauherren, die zum Bau ihres Eigenheims oder ihrer Kleinsiedlung durch beispielhaften Arbeitswillen und Sparsamkeit einen wesentlichen Teil der Baukosten selbst aufbringen und deshalb nur die Hälfte des sonst üblichen Förderungsbeitrags beanspruchen und benötigen, besonders begünstigt werden. Ihnen soll der erbetene Beitrag von der öffentlichen Hand als Zuschuß gewährt werden. Die Bundesregierung will durch diese zusätzlichen Vergünstigungen einen Anreiz dazu schaffen, daß der Sparwille für Eigenheime immer mehr an Boden gewinnt.
Der von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen verfolgt, wie ich bereits ausführte, die gleichen Ziele wie die Regierungsvorlage. Er stellt sie in einzelnen Punkten noch stärker heraus. Im ganzen gesehen darf ich sagen: ich bin dankbar dafür, daß insoweit meine Bestrebungen eine so starke grundsätzliche Unterstützung von seiten der größten Partei des Deutschen Bundestages erfahren. In dem Gesetzentwurf der CDU/CSU sehe ich in der großen Linie einen Bundesgenossen für das von der Bundesregierung verfolgte Ziel, in


(Bundeswohnungsbauminister Neumayer)

möglichst großem Umfange bei der Durchführung des öffentlich geforderten sozialen Wohnungsbaus Einzeleigentum zu schaffen.
Meine Damen und Herren, trotz der verstärkten Förderung des Baus von Eigenheimen werden wir aber auch in Zukunft im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus die Mietwohnungen nicht entbehren können. Unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen ist es z. B. nicht jeder Familie möglich, schon jetzt zu übersehen, ob der augenblickliche Aufenthaltsort auf die .Dauer der Mittelpunkt ihrer Existenz bleiben wird. Auch dem auf Freizügigkeit Wert legenden Teil der Bevölkerung muß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus geholfen werden. Auch für diese Familien, die den Mietwohnungen den Vorrang geben und vielleicht geben müssen, sollen familiengerechte Wohnungen geschaffen werden. Diesen Erfordernissen trägt die Regierungsvorlage Rechnung. Während bisher die gesetzliche Höchstgrenze für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus 65 qm betrug, sieht der Entwurf eine Heraufsetzung auf 80 qm vor. Die Mindestgrenze betrug bisher 32 qm und soll nunmehr auf 40 qm erhöht werden. Diese Grenze kann für den Bau familiengerechter Wohnungen bis zu 120 qm überschritten werden und darüber hinaus im angemessenen Umfange, soweit es zur Unterbringung kinderreicher Familien erforderlich erscheint. Wenn es der Raumbedarf kinderreicher Familien notwendig macht, sollen also in Zukunft Wohnungen auch über die bisherigen Grenzen des Gesetzes hinaus in der familiengerechten Größe mit öffentlichen Mitteln gefördert werden können.
Daß dabei die von der öffentlichen Hand zu gewährenden Darlehen in der Regel höher sein müssen als in den Fällen, in denen eine Wohnung mit erheblich geringerer Wohnfläche geschaffen wird, ergibt sich bereits aus der jetzt geltenden Fassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes. Es bleibt zu erwägen, für diese Fälle die Bewilligung höherer öffentlicher Darlehen im Wege einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift sicherzustellen.
Für den öffentlich geförderten Wohnungsbau sind im Ersten Wohnungsbaugesetz die von den Länderregierungen zu erlassenden Mietrichtsätze auf 1 DM, in Ausnahmefällen auf 1,10 DM je Quadratmeter Wohnfläche im Monat festgesetzt. Meine Damen und Herren, diese Bestimmung der Höchstgrenze der Mietrichtsätze durch ein Bundesgesetz hat sich nicht bewährt. Seit dem Erlaß des Ersten Wohnungsbaugesetzes im Frühjahr 1950 sind namentlich als Folge des Korea-Krieges die Baukosten um mehr als 25 % angestiegen. Mit dieser Entwicklung hat der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau bei den unverändert gebliebenen Höchstgrenzen von 1 DM bis 1,10 DM nicht Schritt gehalten. Die Folge war vielfach ein Absinken des Wohnungsstandards. Die Bauherren sahen sich genötigt, die erhöhten Finanzierungsschwierigkeiten durch eine Verringerung der Wohnungsgrößen oder durch eine Verschlechterung der Wohnungsausstattung abzufangen. Dieses Ergebnis steht jedoch in stärkstem Gegensatz zu all den Bemühungen, familiengerechte Wohnungen in angemessener Zahl im Rahmen des Bauprogramms zu schaffen. Es ist daher notwendig, die Ertragslage der neugeschaffenen Wohnräume zu verbessern, um in erhöhtem Ausmaße Mittel des Kapitalmarktes und Eigenkapital in den Wohnungsbau fließen zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Die armen Familien!)

Die Voraussetzungen für einen erhöhten Einsatz erststelliger Hypotheken für die Abdeckung der angestiegenen Baukosten sind durchaus gegeben, weil die Spartätigkeit der Bevölkerung im Laufe der letzten Jahre erfreulicherweise von Monat zu Monat zugenommen hat. Hinzu kommt, daß von dem soeben in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes neue Impulse für die Belebung des Sparwillens unserer Bevölkerung erwartet werden können. Der Einsatz höherer erster Hypotheken ist aber im sozialen Wohnungsbau nur möglich, wenn der Mietertrag für die Begleichung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen auch ausreicht. Bei der bisherigen Richtsatzmiete ist die Ertragsdecke hierfür zu knapp.
Es bedarf demzufolge einer Auflockerung der Richtsatzmieten. Dabei ist niemals daran gedacht worden, auf eine obere Grenze der Mieten im sozialen Wohnungsbau heute schon ganz zu verzichten. Das wäre aus sozialen Gründen heute auch noch nicht zu vertreten. Wohl aber wird eine Auflockerung des Richtsatz-Mietensystems in der Weise verantwortet werden können, daß die oberste Grenze der Mietrichtsätze um einen gewissen, der Baukostensteigerung entsprechenden Anteil heraufgesetzt wird.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine solche Neuordnung der Richtsatzmieten auch vom sozialen Standpunkt aus durchaus vertretbar ist; denn was auch immer hiergegen eingewendet werden mag, man kommt nicht an der Tatsache vorbei, daß sich seit 1950 nicht nur das Preisgefüge, sondern auch das Lohnniveau ganz wesentlich gehoben hat. Das durchschnittliche Einkommen der Industriearbeiter, für die j a in erster Linie die Wohnungen bestimmt sind, hat sich seit 1950 im Brutto-Betrag um 31 % und im Netto-Betrag um 28 % erhöht. Auch bei Berücksichtigung des Umstandes, daß der Lebenshaltungsindex vom April 1950 bis August 1952 um rund 9 % gestiegen ist, hat sich der Reallohn des männlichen Industriearbeiters in dieser Zeit um 17 % erhöht, also über die allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten hinaus.
Meine Damen und Herren! Man könnte mir vielleicht entgegenhalten, daß aber viele andere nicht im Erwerbsleben stehende Schichten — Kleinrentner, Vertriebene, Fürsorgeempfänger und andere wirtschaftlich besonders schwache Kreise — von einer Richtsatz-Mietenerhöhung schwer betroffen würden. Hier nötigenfalls einzugreifen, ist meiner Auffassung nach Sache der Sozialpolitik, nicht Sache des Wohnungsbaus.

(Aha-Rufe von der SPD.)

Der Wohnungsbau muß Schritt für Schritt einer
wirtschaftlichen Gesundung zugeführt werden. Das
haben auch Sie selbst, meine Herren, schon wiederholt anerkannt. Wenn die Novelle nun einen
ersten Schritt auf diesem Wege tut, dann bitte ich,
das nicht mißdeuten oder als unsozial brandmarken
zu wollen; derartiges liegt uns vollkommen fern.

(Abg. Gundelach: Sozial ist das bestimmt nicht! — Zuruf von der SPD.)

Im übrigen bedeutet eine Heraufsetzung der Richtsatz-Mietgrenze auf etwa 1,20 bis 1,30 Mark keineswegs, daß in allen Fällen diese Höchstgrenze ausgeschöpft werden muß.

(Zuruf von der SPD: Die Mindestmiete ist 65 DM!)

Zu dem im Ersten Wohnungsbaugesetz enthaltenen Förderungssystem, das die Schließung der


(Bundeswohnungsbauminister Neumayer)

Finanzierungslücke der öffentlichen Hand überläßt, ist verschiedentlich kritisiert worden, daß sich Verantwortung und Risiko zu sehr von dem privaten Bauherrn oder überhaupt von dem Bauherrn auf den Staat verlagert hätten. In dieser Kritik steckt zweifellos ein berechtigter Kern. Auf die Dauer gesehen ist, wie bereits erwähnt, eine mehr marktwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechende Finanzierung des Wohnungsbaues anzustreben mit dem Fernziel, daß der Bauherr wieder volle Verantwortung und volles Risiko für den Bau der Wohnungen, ihre laufende Bewirtschaftung und ihre laufende Instandsetzung zu tragen hat.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich entschlossen, diesem Gedankengang auf einem Teilgebiet des öffentlich geförderten Wohnungsbaues in bestimmten Sonderfällen zu entsprechen. Beim Wiederaufbau, beim Bau von Wohnungen in vorteilhafter Lage sowie beim Bau von Wohnungen mit überdurchschnittlichem Wohnwert ist daher eine Abweichung von dem üblichen Finanzierungssystem des Wohnungsbaugesetzes vorgesehen. Die öffentlichen Mittel sollen für diesen sogenannten differenzierten sozialen Wohnungsbau, für den Wohnungsbau B, in beschränktem Umfang zu einem gleichbleibenden Zinssatz oder zinslos und zu einem gleichbleibenden Tilgungssatz gewährt werden. Ein gleitender Zinssatz, wie er bei dem öffentlich geförderten Wohnungsbau durch das Wohnungsbaugesetz allgemein vorgeschrieben war, ist hier also nicht in Aussicht genommen. Dafür soll dem Bauherrn als Ausgleich die Möglichkeit gegeben werden, nach wirtschaftlichen Grundsätzen eine Miete selbstverantwortlich zu bilden und zu erheben. Diese Miete darf indessen nicht höher sein als der den geltenden Mietrichtsatz um ein Drittel übersteigende Betrag.
Es ist zu erwarten, daß bei einem derartigen Finanzierungssystem in stärkerem Umfang Mittel des Kapitalmarktes, sonstige private Mittel und Eigenleistungen des Bauherrn in den Wohnungsbau fließen. Ich erwarte gerade von dieser Maßnahme, daß sie auch eine Belebung der privaten Bautätigkeit bringen wird. Damit würde sich infolge stärkerer Inanspruchnahme der ersten Hypotheken zugleich eine Einsparung öffentlicher Mittel, die ja bekanntlich an zweiter Stelle gegeben werden, ergeben. Die Novelle trägt diesen Gesichtspunkten dadurch Rechnung, daß sie bestimmt, daß öffentliche Mittel für den differenzierten sozialen Wohnungsbau nur bewilligt werden dürfen, wenn sie in geringerer Höhe als sonst beansprucht werden.
Die Bundesregierung hofft, daß durch dieses Finanzierungssystem in stärkerem Maße marktwirtschaftliche Gesichtspunkte im sozialen Wohnungsbau zur Geltung kommen, wobei Mißbräuchen vorgebeugt werden kann. Vor allem kann auch erwartet werden, daß durch die besondere Form des differenzierten sozialen Wohnungsbaues der Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne einen wesentlichen Auftrieb erfährt. Gerade beim Wiederaufbau der in den Großstädten noch vorhandenen Zerstörungen hat es sich in der Praxis gezeigt, daß die Finanzierung auf der Grundlage der bisherigen Mietrichtsätze nicht mehr möglich ist. Es kann aber nicht verantwortet werden, daß die Trümmerflächen im Inneren unserer Städte weiterhin unbenutzt bleiben und auch der Bau der Geschoßwohnungen sich auf die Randflächen und Außengebiete unserer Großstädte verlagert. Um demgegenüber für einen verstärkten Wiederaufbau genügend Anreize zu schaffen, ist das neue Finanzierungssystem des differenzierten sozialen Wohnungsbaues in die Regierungsvorlage aufgenommen worden. Dies entspricht auch einer übereinstimmenden Forderung der Fachleute der Länder, die sich hierbei auf ihre reichhaltigen Erfahrungen bei der praktischen Durchführung des Wiederaufbaues berufen konnten.
Meine Damen und Herren, auch für den steuerbegünstigten Wohnungsbau bringt die Regierungsvorlage eine marktwirtschaftlichen Grundsätzen mehr Rechnung tragende Änderung. Nach der bisherigen Fassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes durfte der steuerbegünstigte Wohnungsbau die Kostenmiete bis zum Höchstbetrag von 1,50 DM pro Quadratmeter Wohnfläche erheben. Wenn nun zum Bau der Wohnungen Darlehen oder Zuschüsse verwendet worden sind, für die Einkommensteuervergünstigungen nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes in Anspruch genommen worden sind, so stellt diese Begrenzung auf höchstens 1,50 DM pro Quadratmeter meines Erachtens eine zu starke Einengung dar. Wir haben uns deshalb entschlossen, in der Novelle die Begrenzung auf 1,50 DM fallen zu lassen. In Zukunft soll also auch dem Bauherrn der steuerbegünstigten Wohnungen, die mit 7c-Mitteln geschaffen worden sind, die Vereinbarung einer echten Kostenmiete gestattet sein, wobei, wie gesagt, die frühere Höchstgrenze von 1,50 DM in Wegfall kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind im wesentlichen die Grundzüge der Ihnen heute vorgelegten Novelle.

(Abg. Meyer [Bremen] : Davon ist sie auch schlecht genug geworden!)

— Schlecht? Das ist Auffassungssache, Herr Kollege Meyer. Wir werden uns darüber ja noch im Ausschuß unterhalten können.

(Abg. Meyer [Bremen]: Jawohl!)

Der Regierungsentwurf der Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz war bereits am 28. Oktober von der Bundesregierung verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet worden. Der Bundesrat hat am 21. November zu diesem Entwurf eingehend Stellung genommen. Er hat, wie Sie aus der vorliegenden Drucksache ersehen können, mehr als 40 Änderungsanträge gestellt. Die Ausschüsse des Bundesrats hatten sogar noch mehr Änderungsanträge vorgesehen. Die Bundesregierung hat Änderungsanträgen insoweit stattgegeben, als sie zu einer Verbesserung des Gesetzestextes führten. Dagegen hat sie in allen grundsätzlichen Punkten, denen der Bundesrat seine Zustimmung versagt hatte, an der ursprünglichen Fassung der Novelle festgehalten, da sonst die vom Bundestag und der Bundesregierung verfolgte wohnungspolitische Zielsetzung nicht verwirklicht werden könnte.
Ganz besonders habe ich bedauert, daß sich der Bundesrat für eine Streichung gerade derjenigen Vorschriften eingesetzt hat, die dem Eigentumsgedanken stärker Rechnung tragen. Die völlige Ablehnung eines differenzierten Wohnungsbaus mit einer selbstverantwortlich gebildeten, nach wirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Miete durch den Bundesrat hat mich ebenfalls überrascht, da, wie ich bereits vorgetragen habe, gerade diese Form einer Wohnungsbaufinanzierung von den Sachverständigen der Länder meinem verstorbenen Amtsvorgänger besonders vorgeschlagen worden war.


(Bundeswohnungsbauminister Neumayer)

Ich bitte nun das Hohe Haus, mich demgegenüber bei der Verfolgung der in der Novelle aufgezeigten Wege zu unterstützen und der Regierungsvorlage in der Fassung, wie sie sich auf Grund der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats ergibt, im Grundsätzlichen zuzustimmen. Ich habe vorhin bereits meiner Freude darüber Ausdruck gegeben, 'daß die vom Bundesrat in verschiedenen Punkten nicht gebilligte Regierungsvorlage nun im Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Schaffung von Familienheimen in wesentlichen Punkten unterstützt wird. Ich sehe es daher als durchaus der Sache 'dienlich an, wenn beide Gesetzentwürfe im 18. Ausschuß gemeinsam beraten werden. Dazu kommt, daß diesem ja bereits vor einiger Zeit ein als Initiativantrag eingebrachter Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes überwiesen worden ist. Ohne der Entscheidung des Hohen Hauses irgendwie vorgreifen zu wollen, darf ich bei dieser Sachlage meine Auffassung dahingehend zusammenfassen, daß ich eine gemeinsame Beratung der drei Gesetzentwürfe im 18. Ausschuß für zweckmäßig ansehe. Es wird sich dann zeigen, ob eine Zusammenfassung des gesamten Gesetzgebungsmaterials in einer einheitlichen Novelle zum Wohnungsbaugesetz möglich ist, oder ob es sich empfiehlt, neben der Novelle die Bestimmungen über die Förderung des Eigenheimbaus in einem besonderen Gesetz zusammenzufassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124504800
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der ersten Lesung und bitte um Wortmeldungen. — Es scheinen keine Wortmeldungen gewünscht zu sein. — Doch, Herr Abgeordneter Müller!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124504900
Meine Damen und Herren! Wir werden uns über die drei Vorlagen im einzelnen noch zu unterhalten haben. Ich möchte heute nur zu dem Entwurf des Gesetzes zur Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler —Drucksache Nr. 3905 — kurz Stellung nehmen. Nach diesem Entwurf sollen 200 Millionen DM für den Wohnungsbau in den Aufnahmeländern auf dem Wege des Kredits zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir bereits im vergangenen Jahr im Zuge der Beschlüsse über die Umsiedlung von Flüchtlingen

(Abg. Lücke: Das ist doch ganz etwas anderes!)

aus den überlagerten Ländern in die Aufnahmeländer von der Notwendigkeit gesprochen haben, mindestens eine Milliarde für die Durchführung dieser Umsiedlungspläne zur Verfügung zu stellen. Die 200 Millionen DM, die nach dieser Vorlage auf dem Wege des Kredits bereitgestellt werden sollen, reichen also zu einer ordnungsgemäßen Durchführung dieser Umsiedlungspläne nicht aus.

(Zuruf rechts: Wie macht ihr das drüben?) Wir sind 'der Meinung, daß es Möglichkeiten genug gibt, 'bei der Durchführung der Umsiedlung, die so oft versprochen worden ist und gegen deren Nicht- oder unzulängliche Durchführung gerade bei den Flüchtlingen soviel Empörung herrscht, andere Wege zu gehen, um die erforderlichen Mittel bereitzustellen.

Wenn ich darauf hinweise, in welchem Umfang auch nach dem vorliegenden Etat für das Jahr 1953 Milliardenbeträge aus den Steuergroschen der Bevölkerung für Zwecke verwendet werden, die allem anderen als friedlichen Zwecken dienen, und wenn ich erkläre, daß in den allein für das kommende Jahr für sogenannte Verteidigungsbeiträge vorgesehenen 12 Milliarden DM genug Mittel für den Wohnungsbau und die Durchführung der Umsiedlung enthalten sind, dann glaube ich, daß diese unsere Auffassung absolut durch Stellungnahmen gedeckt und unterstützt wird, die auch Ihnen, meine Damen und Herren, zugegangen sind. Ich erinnere an eine 'Stellungnahme vom 29. November, die aus Stuttgart, unterschrieben von Abgeordneten des Bayerischen Landtags, von Geistlichen und Wissenschaftlern, 'an Sie herangetragen worden ist und in der es u. a. heißt:
Diejenigen Pläne, die eine Eingliederung bezwecken, z. B. der Sonne-Plan, fordern hohe Geldmittel, deren Aufbringung durch die Lasten, die die Besatzungsarmee sowie die Wiederaufrüstung und die Verträge von Bonn und Paris heute schon erfordern oder nach der Ratifizierung erfordern werden, unmöglich ist.
Hier wird also von den Flüchtlingen gefordert, daß man mit dieser Politik der Finanzierung des Krieges Schluß macht und statt dessen die Mittel für den Wohnungsbau bereitstellt. Oder eine andere Stellungnahme von einer Flüchtlingsorganisation aus Winsen, die in einer Erklärung, die Ihnen auch zugegangen ist, ebenfalls hierauf hinweist:
Es sind in Wahrheit alle Möglichkeiten gegeben für Arbeit für uns alle, unseren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend, für die Beschaffung menschenwürdiger Wohnungen, für einen gerechten Lastenausgleich, wenn die Mittel des Bundes vordringlich hierfür verwendet werden, wenn die unselige Teilung Deutschlands in Ost und West überwunden wird und wenn Deutschland seine volle wirtschaftliche und politische Handlungsfreiheit erhält.
Ich glaube, es ist nicht mehr notwendig, dem nur noch ein Wort hinzuzufügen. Hier wird der Weg gezeigt. Unsere Forderungen gehen darauf hinaus, daß die Mittel nicht für den Krieg, sondern für den Wohnungsbau verwendet werden.
In dieser Vorlage ist noch ein besonders interessanter Punkt enthalten: 25 Millionen DM zur Förderung des Wohnungsbaus — wie es hier heißt — für Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin. Wir werden morgen Gelegenheit nehmen und Gelegenheit 'haben, uns über die Ursachen und die Schuldigen für diesen Zustand noch näher auseinanderzusetzen.

(Zuruf rechts: Kaufen Sie sich doch einen Spiegel!)

Wir werden darauf hinweisen, daß die Verantwortlichen nicht nur auf dieser Bank sitzen, sondern hinter ihnen Rias, hinter ihnen die Zentralen der Geheimagenturen CIC, 'der 'amerikanischen Spionagedienste, der Hetzpropagandazentralen stehen. Darauf werden wir morgen zu sprechen kommen.
Ich möchte 'die Frage aufwerfen: Was ist der Zweck, den man mit diesen 25 Millionen DM in letzter Linie verfolgt? Herr Reuter hat einmal von der Frontstadt Berlin gesprochen; Herr Reuter hat einmal davon gesprochen, daß 'Berlin einen heißen Krieg wert sei. Mit diesen Mitteln besteht zweifellos die Absicht, West-Berlin zu einer noch stärkeren Basis für Agentenzentralen zu machen, wie das selbst Ihnen nahestehende Zeitungen und Zeitschriften in der letzten Zeit zugeben müssen.

(Abg. Lücke: Reden Sie zur Sache!)

— Jawohl, meine Damen und Herren, das gehört
zur Sache; denn mit diesen Mitteln sollen auch


(Müller [Frankfurt])

solche Banden untergebracht werden, die z. B. in der Uniform von Postbeamten verkleidet

(Abg. Lücke: Reden Sie keinen Unfug!)

Sprengladungen an Telefonverteilerkästen angelegt haben, um das Verkehrsnetz und Telefonnetz zu stören,

(Abg. Dr. Gerstenmaier: Sie reden wohl von den SEDistischen Gangstern?)

solche Banditen, die sich Skizzen von Eisenbahnbrücken angelegt haben, um festzustellen, wo man Sprengladungen anbringen kann, die in West-Berlin, in diesen Agentenzentralen, geballte Ladungen herstellen, um Kanäle zu zerstören,

(Zurufe: Zur Sache!)

Säureflaschen, um Maschinen unbrauchbar zu machen. — Jawohl, meine 'Damen und Herren, diese
Feststellungen sind Ihnen verdammt unangenehm!

(Abg. Dr. Gerstenmaier: Das ist gar nicht unangenehm; das ist unverantwortlich dummes Geschwätz!)

Von West-Berlin aus wird mit diesen Banditen

(Abg. Lücke: Was ist mit ,den Flüchtlingen? Seien Sie vorsichtig!)

der Kampf gegen die DDR geführt,

(Abg. Lücke: Was war denn in Prag los?)

z. B. auch so, daß Preßkohlen mit Sprengladungen versehen werden, um Kohlenlager, Fabriken und Wohnungen zu zerstören. Die Prozesse in ,der Deutschen Demokratischen Republik gegen die Burianek-Bande, die Kaiser-Bande und wie sie alle heißen, haben so evident nachgewiesen — und Ihre eigenen Zeitungen müssen es zum Teil eingestehen —, wie man aus West-Berlin den Kampf führt.

(Abg. Jacobi: Irrenhaus! — Abg. Mellies: Was hat das mit dem Wohnungsbau zu tun! — Abg. Jacobi: Der Mann ist reif für den Psychiater!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124505000
Herr Abgeordneter Müller, reden Sie bitte zur Sache!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124505100
Das gehört zur Sache, Herr Präsident; denn die Frage steht hier, wofür die Mittel verwendet werden.

(Abg. Lücke: Wo steht das? Sie reden zu einer falschen Drucksache!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124505200
Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124505300
Sie werden nämlich dafür verwendet, für solche Verbrecherbanden die Unterkünfte zu bauen und den Ausbau solcher Spionagezentralen zu fördern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124505400
Ihre Redezeit istabgelaufen.

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124505500
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß die Mittel, die dafür zur Verfügung gestellt werden, anderweitig verwendet werden müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124505600
Kommen Sie zum Schluß!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124505700
Herr Kollege Mellies, ich glaube, es geschah nicht ohne Grund, daß sich die Sozialdemokratische Partei von diesem Verbrecher Tillich absetzen mußte. Und ich glaube, es wäre notwendig, auch einmal die Tätigkeit jener Verbrecherbanden zu überprüfen wie der sogenannten Kampfgruppe, —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124505800
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0124505900
— des Ostbüros usw.

(Abg. Mellies: Ihr könnt nicht absetzen, sondern nur aufhängen!)

Die Mittel, die hier zur Verfügung gestellt werden sollen, müssen dem Wohnungsbau für Flüchtlinge, für Umsiedler und für Menschen, die ausgebombt worden sind, dienen, aber nicht dazu, Verbrecherbanden in Westberlin das Domizil für ihre Agententätigkeit noch auszubauen und zu verstärken.

(Zuruf von der Mitte: Da gehen Sie bloß schnell hin!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124506000
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, in die allgemeine Aussprache auch Punkt 4 b) einzubeziehen. Die Regierung ist damit einverstanden, diese Vorlage ohne Begründung an das Haus zu geben. Ist das Haus seinerseits damit einverstanden? — Ich bitte um weitere Wortmeldungen. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0124506100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Weil die Erhaltung der Familie, gebunden an Heimat und Staat, eine der wesentlichsten Grundlagen für den Wiederaufbau unseres Vaterlandes und für den Wiederaufbau auch eines europäischen Hauses aus den Trümmerhaufen der Gegenwart ist, begrüßen wir die Regierungsvorlage zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes. Wir begrüßen auch den Antrag der CDU-Fraktion. Wenn wir, die wir auf unserem Parteitag im Oktober in Goslar die Forderung nach familienwürdigen Wohnungen und nach Maßnahmen zur Schaffung von Wohnungseigentum genau so deutlich, vielleicht sogar noch etwas klarer ausgesprochen haben, diese Forderung nicht in einem Antrag verwandten, so deshalb, weil am 28. Oktober das Kabinett die Vorlage Drucks. Nr. 3946 schon verabschiedet hatte.
Ich möchte zusammenfassend zu dem Antrag der CDU-Fraktion und zu der Regierungsvorlage vorweg sagen: wir glauben, daß diese beiden Vorlagen gemeinsam im Ausschuß beraten werden sollten, um dann zu wirklich guten Lösungen zu führen, an denen meine Freunde mitarbeiten werden.
Das bisherige Wohnungsbaugesetz — das ist hier schon von dem Kollegen Lücke gesagt worden — zeigt besondere Mängel deshalb, weil die Kleinstwohnung als Norm des sozialen Wohnungsbaues angesehen ist. Wir anerkennen die Spitzenleistung, die die Bundesregierung im Wohnungsbau vollbracht hat.

(Lachen und Zurufe bei der SPD.) Trotzdem müssen wir zum Ausdruck bringen, daß wir — und gerade das wird die Herren von der SPD, die bei diesem ernsten Problem lachen,


(erneutes Lachen und Zuruf von der SPD: Über Ihre Unkenntnis!)

vielleicht nachdenklich machen — keine sozialisierte Wohnungswirtschaft nach dem Parteibuch-


(Frau Kalinke)

system haben wollen, sondern daß wir an Stelle der Verwendung der öffentlichen Mittel für eine sozialisierte Wohnungswirtschaft alle Mittel, die nur verfügbar sind, zur Verfügung stellen möchten, um dem deutschen Arbeiter, dem schaffenden deutschen Menschen, auch der großen Zahl der vielen Alten im deutschen Vaterland, die entwurzelt sind, wieder zu einer eigenen Wohnung und, wenn es möglich ist, zum Eigentum in einem eigenen Häuschen zu verhelfen. Um es klar auszudrücken, damit Sie mich richtig verstehen dort auf der Linken des Hauses: Wir wollen nicht, daß noch mehr Genossenschaften entstehen oder irgendwo sieben Mann einen Verein gründen dürfen, um dann mit öffentlichen Mitteln, ohne selbst etwas besessen zu haben, zu Eigentum zu kommen, das denen zusteht, die die Steuern bezahlt und die Sozialversicherungsbeiträge für die Bereitstellung dieser Mittel aufgebracht haben.
Wir haben mit Befriedigung festgestellt, daß im § 16 der Regierungsvorlage darauf gesehen worden ist, daß familiengerechte Wohnungen — der Bundesrat hat dafür das Wort „familienwürdige" gesetzt — geschaffen werden sollen. Es kommt nun darauf an, daß auch Wohnungen gebaut werden, die groß genug sind, um den jungen und auch den älteren Familien Raum zu geben.

(Zurufe von der SPD.)

Es kommt uns weiter darauf an, daß die in § 16 Abs. 1 gegebene Erklärung, daß „auch die Wohnbedürfnisse von Alleinstehenden, namentlich von berufstätigen Frauen mit Kindern und von betagten Personen", berücksichtigt werden sollen, nicht nur eine Deklaration ist, sondern daß bei der Beratung des Gesetzes diese Bestimmung so eindeutig gefaßt wird, daß das Maß der Verwendung der Mittel für die Schaffung von Wohnungen für die Halbfamilien und für die vielen berufstätigen Frauen, die heute noch vor keinem Wohnungsamt die Möglichkeit haben, eine Wohnung zu erhalten, gewährleistet wird. Wir möchten dabei auch an die Vielzahl der Frauen aus den Flüchtlingskreisen erinnern, die wir hier im Bundesgebiet zu betreuen haben. Aus den letzten statistischen Veröffentlichungen werden auch Sie ersehen haben, daß von den 8,3 Millionen Vertriebenen, um die sich unsere Bevölkerung vermehrt hat, 5,3 Millionen Frauen sind. Es sind zumeist Frauen, die mit Kindern und älteren Angehörigen sich in kleinen Wohnungen und Untermieteverhältnissen mit den schwierigsten Situationen abfinden müssen. Diesen Frauen wünschen wir, daß sie mit Hilfe von Steuermitteln, die sie später wieder durch die Arbeit ihrer Kinder, die sie zu lebenstüchtigen Menschen erziehen sollen, aufbringen werden, nun auch den Lebensraum bekommen, den wir ihnen zu geben schuldig sind! Ich bitte besonders die Herren Kollegen im Ausschuß, dafür Sorge zu tragen, daß diese Bestimmung in § 16 so eindeutig wie nur möglich gefaßt wird.
Neben all den Maßnahmen, die Baukosten zu senken und alles zu tun, um dem Ausfall der Spartätigkeit durch steuerpolitische Mittel zu begegnen, erwarten wir vor allem, daß da, wo öffentliche Mittel für den Wohnungsbau verwendet werden und wo Mittel der Kapitalsammelstellen dem Wohnungsbau zufließen, alles getan wird, den Sparsinn zu bestärken. Um freiwillige Ersparnisse und freiwillige Beiträge zum Erwerb von Eigentum mit einzuschalten, sollte man solche womöglich sogar zur Bedingung für einen staatlichen Zuschuß machen! Wir sehen eine ganz besondere nicht nur soziale, sondern auch kulturelle Aufgabe darin, daß die Sehnsucht eines jeden Deutschen wieder das Eigenheim und die eigene Wohnung wird und daß der Wunsch unserer jungen Menschen, Familien zu gründen und in familiengerechten Wohnungen dann auch als zufriedene Staatsbürger zu leben, weit vor der Sehnsucht nach einem Fernsehapparat und einem Motorrad rangieren sollte! Dazu gehört allerdings, daß ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ohne Mitgliedschaft in einer Organisation, ohne Advokat und ohne viele Fragebogen zu einem solchen Ziel zu kommen.
Sehr wesentlich erscheint mir auch, daß die Wohnungen da gebaut werden müssen, wo die vielen Vertriebenen Arbeitsplätze finden und wo auch den vielen Frauen — ich denke an die Kriegerwitwen, an die geschiedenen Frauen und diejenigen, die sich jetzt nach dem Krige als alleinstehende Frauen durchschlagen müssen — die Möglichkeit der Umschulung und des Einsatzes auf einen Arbeitsplatz gegeben ist. Beim Ausbau von alten Wohnungen sollte man dafür Sorge tragen, daß sie nicht so ausgebaut werden, daß weitere unerfreuliche Untermieteverhältnisse geschaffen werden. Wir haben Bedenken gegen die Begrenzung durch die Versicherungspflichtgrenze, und wir hoffen, daß sich im Ausschuß Möglichkeiten für die Einbeziehung weitester Kreise in den sozialen Wohnungsbau nach den Grundsätzen der Eigentumsbildung finden werden. Die Mittel der Sozialversicherung, die dem Wohnungsbau zufließen, sollten zweckgebunden werden, d. h. wir möchten, daß in Zukunft die Beiträge zahlenden Versicherten einen Anspruch auf eine erste Hypothek, eine Dauerwohnberechtigung oder den Erwerb eines Eigentums haben. Wir wollen im Ausschuß mit Ihnen gemeinsam überlegen, ob nicht der Grundsatz der Kapitalisierung der Rente, wie er bei den Versorgungsrenten nach dem BVG angewandt wird, sehr wohl auch bei den Rentenversicherungen eingeführt werden könnte, um dann unseren Facharbeitern und Angestellten, die 30, 40 und mehr Jahre Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, nicht nur für ihre Familien, sondern auch für die Kinder und Kindeskinder die Möglichkeit zu geben, sich an Arbeitsplatz und Heim gebunden zu fühlen und damit zu zufriedenen und glücklichen Staatsbürgern zu werden!

(Schlußzeichen.)

— Gestatten Sie mir, Herr Präsident, daß ich aus der Fülle der Bedenken, die natürlich auch wir gegen diese Vorlage haben, nur noch zwei erwähne. Zu § 6 der CDU-Vorlage möchte ich verfassungsrechtliche Bedenken dagegen anmelden, daß man den Ländern Typenpläne vorschreiben will. Ich glaube auch, daß ein Typenplan, der vorgeschrieben wird, den individuellen Wünschen entgegenstünde, die Sie, meine Herren von der CDU, mit Ihrem Antrag als Ausdruck der Freiheit des Individuums erreichen wollen.

(Abg. Lücke: Sie haben den Paragraphen nicht richtig gelesen! Lesen Sie den Paragraphen einmal richtig durch!)

Wer Eigentum will, sollte dem Eigentum auch soviel persönliche Note als nur möglich geben! Aber, Herr Kollege Lücke, wir sind darin einig: wir wollen keine Vorbilder etwa eines amerikanischen Stadtbildes haben, sondern wir wollen nur die Möglichkeit schaffen, so wenig Zwang und so wenig Druck als nur möglich auszuüben.


(Frau Kalinke)

Zu Abs. 3 des § 12 möchte ich mich nur darauf beschränken, dem Ausschuß zu empfehlen, die ausgezeichneten Vorschläge, die bereits von der Versicherungswirtschaft dem Bundesminister für Wohnungsbau gemacht worden sind, doch einmal sehr gründlich zu prüfen. Wenn die Länder dann bei der Verwendung ihrer Haushaltsmittel für den öffentlich geförderten Wohnungsbau ähnliche Grundsätze anwenden würden, könnte die Lösung nur zu fruchtbaren Ergebnissen führen.
Schließlich haben meine Freunde noch Bedenken gegen die Auslegung des § 12. Die 50%ige Bindung ist da bedenklich, wo in geschlossenen Siedlungsgebieten — ich denke da an Niedersachsen, an die Grenzbezirke — für Flüchtlinge Arbeitsplätze und Wohnungen geschaffen werden. Dasselbe gilt für das Rheinland und für die Grenzgebiete.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124506200
Kommen Sie bitte zum Schluß!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0124506300
Wir haben Bedenken, daß den Ländern hier zuviel Zwang auferlegt wird. Andererseits ist uns natürlich die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel für echte Eigentumsbildung noch zuwenig!
Lassen Sie mich wegen der abgelaufenen Redezeit mit dem Wunsch schließen, daß es uns noch in dieser Arbeitsperiode des Parlaments gelingen möge, mit diesem Gesetz einen Grundstein zu legen, auf dem dann der alte europäische Traum von dem „Haus als Burg" für möglichst viele Deutsche verwirklicht werden möchte.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0124506400
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.

Carl Wirths (FDP):
Rede ID: ID0124506500
Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, daß trotz der ausgezeichneten Ausführungen von Frau Kollegin Kalinke

(Zurufe von der Mitte)

die Stimmung im Hause wenigstens bei den Leuten, die die Angelegenheit nachher im Ausschuß zu vertreten haben, reichlich lustlos ist.

(Zurufe von der SPD: Nicht trotz, sondern wegen!)

— Nun gut, wir wollen darüber nicht weiter sprechen und wollen vielleicht nur die Hoffnung aussprechen, daß, weil ja die Fraktion der Frau Kollegin Kalinke in unserem Ausschuß leider nicht mehr vertreten ist, wir demnächst auf einen sehr temperamentvollen Zuwachs rechnen dürfen. Ich hoffe, daß wir dann diese drei Vorlagen, die wir zu bearbeiten haben, in einigen wenigen Wochen so durchbringen, daß sie im April verabschiedet werden können.
Aber, meine Damen und Herren, nun mal ernst. Wenn wir diese Novelle bis April nicht verabschieden, hat sie für dieses Jahr keine Wirkung mehr. Wir haben leider Gottes eine erhebliche Verzögerung gehabt. Wie wir eben vom Minister Neumayer gehört haben, hat der Bundesrat nicht weniger als 40 Änderungsvorschläge gemacht. Wir können uns also, weil wir das Leid kennen, gerade in unserem Ausschuß eine Vorstellung davon machen, wie die Arbeit aussehen wird und wann wir das Gesetz überhaupt verabschieden können. Daß es notwendig ist, wird von allen Fraktionen dieses Hauses anerkannt. Meinungsverschiedenheiten sind da. Wir werden uns im Ausschuß darüber unterhalten. Aber daß es notwendig ist, das Erste Bundeswohnungsbaugesetz zu ändern, ist allgemein anerkannt. Ich möchte im Prinzip sagen, daß wir sowohl die Grundsätze der Regierungsvorlage wie die der Vorlage der CDU bejahen, und möchte anregen, um die Sache zu beschleunigen, daß die Regierung im Ausschuß schon vorbereitenderweise eine Zusammenstellung ausarbeitet, die darlegt, wieweit es möglich ist, etwa den CDU/ CSU-Antrag in die Regierungsvorlage einzuarbeiten; denn ich glaube nicht, daß wir in dieser Periode noch in der Lage sein werden, zwei solche Gesetze zu verabschieden. Wir haben noch eine ganze Reihe von Aufgaben vor uns. Ich erinnere daran, daß das Baulandbeschaffungsgesetz und ebenso das Gebührenbefreiungsgesetz noch nicht verabschiedet sind. Wir haben auch noch die VOB zu bearbeiten. Ich glaube, es diente der Förderung der Beratungen im Ausschuß, wenn uns die Regierung eine Zusammenstellung darüber ausarbeitete, in welcher Weise nach ihrer Auffassung die wichtigsten Bestimmungen der CDU-Vorlage in die Novelle eingearbeitet werden könnten.

(Abg. Lücke: Sie soll eine Synopse machen! Zu mehr können wir unsere Zustimmung nicht geben!)

— Natürlich.

(Abg. Lücke: Mehr können wir der Regierung nicht überlassen!)

— Nein, der Ausschuß muß dann entscheiden, ob die Möglichkeit der Einarbeitung in die Novelle besteht. Was die Regierung vorlegen sollte, wäre nur eine Vorbereitung für die Beratungen.
Zu den einzelnen vorgetragenen Punkten will ich nicht mehr viel sagen. Es scheint mir notwendig zu sein, daß wir bei aller Anerkennung der Förderung des Eigenheims nicht vergessen, daß wir noch viele Kilometer von zerstörten Straßen aufzubauen haben. Hier dreht es sich in erster Linie auch um private Grundstückseigentümer, die einmal ein Haus gehabt haben. Wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir neue Gebiete aufschließen, drei- und viergeschossige Blocks dahin setzen und bis an diese Gebiete heran kilometerweit die Versorgungsleitungen für Strom, Wasser, Gas usw. führen. Wir haben die Kanäle schon in den Straßen. In jeder Stadt sind ungeheure Millionenbeträge in die Straßen investiert. Das muß ja wieder einmal rentierlich gemacht werden.
Zum zweiten. Ich begrüße, daß der Minister Neumayer die Notwendigkeit herausgestellt hat, die Bauten nach dem Wohnungseigentumsgesetz mehr zu fördern. Das Gesetz ist jetzt zwei Jahre alt. In der Zwischenzeit — das war eine Anlaufzeit — mußten die Möglichkeiten, die das Gesetz läßt, auf dem Wege über private Verträge wahrgenommen werden; da mußte mit den Kapitalsammelstellen überlegt werden, in welcher Weise die Hypothekenverträge gestaltet werden müssen, wenn Einzelbeleihungen vorgenommen werden. Das ist jetzt alles geschehen. Ich möchte sagen, daß hierbei die öffentlichen Kapitalsammelstellen in verschiedenen Ländern beispielgebend mitgewirkt haben. Jetzt muß aber wirklich ein Durchbruch erzielt werden; denn diese Form bringt uns ja in den Wohnungsbau viel mehr Eigenkapital als etwa bei dem Mietwohnungsbau,

(Abg. Lücke: Sehr richtig!)



(Wirths)

gleichgültig, ob er privater oder genossenschaftlicher Natur ist. Deswegen begrüße ich auch erstens die Auflockerung der Richtsatzmieten, zweitens den differenzierten Wohnungsbau; denn gerade dieses Instrument ist für die Erstellung von Eigentumswohnungen geeignet.
Meine Damen und Herren, man hat sich tatsächlich schon daran gewöhnt und rechnet selbstverständlich damit, daß jedes Jahr etwa 300 000 Wohnungen gebaut werden. Man vergißt zu leicht, daß jedes Jahr die gleichen Schwierigkeiten auftauchen, daß jedes Jahr um jede Million in den Ländern und Gemeinden und hier bei uns gerungen werden muß.

(Abg. Lücke: Sehr richtig!)

Ich erinnere daran, wie es war, als wir in der Debatte über das Lastenausgleichsgesetz forderten, daß für den Wohnungsbau mehr Mittel bereitgestellt werden, und zwar gerade auch für die Leute, die vom Lastenausgleich etwas erhalten sollen. Da ist ein Kompromiß geschlossen worden. Wir stehen in diesem Jahre wieder vor der Frage, wie der Wohnungsbau finanziert werden soll. Die Leute in den Ausschüssen, die beteiligten Ministerien, die Länderregierungen und die Länderparlamente geben sich große Mühe, und die gesamte Wohnungswirtschaft überlegt sich die Finanzierungsmöglichkeiten. Es ist nicht so einfach, meine Damen und Herren, wie manchmal geglaubt wird, daß man nun schlankweg jedes Jahr 300 000 Wohnungen erstellen kann. Die Bemühungen müssen unablässig weitergehen. Die neue Richtung, nämlich Verstärkung des Eigentumsgedankens, ist angedeutet. Wir werden dabei mitgehen.

(Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

Ich hoffe, daß wir diese Gesetzentwürfe im Ausschuß sehr schnell behandeln können, damit sie möglichst bald verabschiedet werden.

(Beifall bei der FDP und CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124506600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0124506700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute zu gemeinsamer Beratung drei Gesetzentwürfe vorliegen, Gesetzentwürfe, die lediglich durch den Umstand, daß sie den Wohnungsbau betreffen, miteinander in Verbindung stehen, die aber mancherlei Schwierigkeiten und Überschneidungen zeigen. Wir werden uns in den Ausschußberatungen mit großer Sorgfalt mit allen den Fragen beschäftigen müssen, die durch die verschiedenen Entwürfe aufgelöst werden. Es wird notwendig und zweckmäßig sein, auch die bereits im Herbst von der SPD eingebrachte Novelle zur Änderung des Wohnungsbaugesetzes mitzuberaten und den Versuch zu machen, zu einer einheitlichen Lösung zu kommen.
Was den Gesetzentwurf anbelangt, der sich mit der Förderung des Wohnungsbaues für Umsiedler und mit der Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen vor allen Dingen in Berlin beschäftigt, so gibt es außer den Kommunisten in diesem Hause wohl keinen, der sich nicht darüber klar ist, daß uns hier eine Aufgabe gestellt ist, die unter allen Umständen gelöst werden muß.

(Abg. Kunze: Sehr richtig!)

Nur, glaube ich, müssen wir dieses Gesetz als einen
ersten Schritt ansehen — allerdings als einen
Schritt nach vorn —, dem weitere folgen müssen.
Es genügt nicht, die Ostzonenflüchtlinge wohnmäßig in Berlin unterzubringen; sie bedürfen einer entsprechenden menschenwürdigen Unterkunft in der Bundesrepublik. Es hat sich immer als eine schlechte Politik herausgestellt, in solchen Notfällen Menschen eine längere Zeit hindurch in Asylen, in Notunterkünften unterzubringen. Hier steht uns also noch die Lösung einer wichtigen Aufgabe bevor. Meine Fraktion hat die Absicht, den Gesetzentwurf in dieser Richtung bei den Ausschußberatungen durch Verbesserungsvorschläge zu ergänzen.
Was die zweite Vorlage, die der Herr Kollege Lücke einbrachte, anbelangt, so ist hier schon verschiedentlich mit Recht darauf hingewiesen worden, daß es unter uns keinen Streit darüber gibt, daß es notwendig ist, den Eigentumsgedanken, wo immer dies möglich ist, entscheidend zu stärken.

(Abg. Lücke: Bravo!)

Meinungsverschiedenheiten können über die Methode und den Weg bestehen. Der Gesetzentwurf gibt uns hinreichend Gelegenheit, in einer sehr intensiven Untersuchung zu prüfen, wo vielleicht anders verfahren werden kann oder gar anders verfahren werden muß.
Frau Kalinke hat bereits Bedenken hinsichtlich der quotalen Festlegung geäußert, die hier im Gesetz versucht wird und die darauf abzielt, mehr als 50 % der Mittel des sozialen Wohnungsbaus für die Förderung von Eigenheimen zu verwenden. Nun, ich denke, das ist ein Punkt, über den wir uns unterhalten müssen. Das ist ein Punkt, der auch sicherlich von den Antragstellern nicht starr vertreten werden wird. In der Tat ist es unabweisbar notwendig, regionale und örtliche Besonderheiten zu beachten,

(Abg. Lücke: Sehr richtig! Soll geschehen!)

und sicherlich werden wir uns mit den Antragstellern auch darin einig sein, daß Eigenheime nicht aufgezwungen werden können, sondern daß sie nach dem Bedarf erstellt werden müssen. Es wird hier Erziehungsarbeit zu leisten sein, wie sie ja beispielsweise in den letzten Monaten im Ruhrbergbau mit großem Erfolg betrieben worden ist, wo ursprünglich eine außerordentlich starke Abneigung gegen Eigenheime bestand, inzwischen aber nach Berichten, die uns zugingen, ein gewisser Wandel festzustellen ist. Ist Bedarf vorhanden, so muß das Eigenheim unter allen Umständen gefördert werden. Ich bin dem Kollegen Lücke für den Hinweis darauf dankbar, daß wir ja auch schon im SPD-Entwurf eine Förderung des Eigentumsgedankens vorgesehen haben. Über Einzelheiten werden wir in den Ausschußberatungen sprechen müssen.
Wir finden in der Vorlage der CDU/CSU allerdings manches nicht auf Anhieb geglückt. Wir glauben, daß der Entwurf ein wenig mit der leichten Hand gemacht worden ist.

(Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Gar nicht! Abg. Lücke: Das können Sie schlecht beurteilen!)

Der Versuch der Definition des Familienheimes beispielsweise im § 2 erscheint wenig überzeugend, da sie die Tatsache verwischt, daß familienwürdige Unterkünfte auch außerhalb der Rechtsform des Eigentums geschaffen werden können und in manchen Fällen auch geschaffen werden müssen.

(Abg. Lücke: Wird nicht bestritten!)



(Jacobi)

Die Frage der Typenordnung und Normung ist eine alte Frage. So sehr es mehr und mehr erforderlich sein dürfte, ihr besondere Bedeutung für bestimmte Bauelemente — Türen, Fenster, sanitäre Einrichtungen, Baustoffe und dergleichen — beizumessen, so sehr muß davor gewarnt werden, die inneren und äußeren Gestaltungsmöglichkeiten durch schematischen staatlichen Befehl auszuschalten. Hier liegt eine gewisse Gefahr, auf die Frau Kalinke mit Recht hingewiesen hat. Sie hat auch, glaube ich, darauf hingewiesen, daß die Bestimmung des § 6 Abs. 2, die die Anerkennung von Typen eines Landes auch für andere Länder als Sollvorschrift vorsieht, auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Wir werden das im Ausschuß näher untersuchen.
Bedenken haben wir gegen die in § 7 vorgesehene Beschrankung der Bewerber für öffentlich geförderte Familienheime auf natürliche Personen. Wir glauben, daß hier eine Tendenz gegen die Wohnungsunternehmen spürbar wird, die einer Überprüfung bedarf. Der § 9 räumt diese Bedenken nicht ganz aus.
Was den § 8 anlangt, so ist sicherlich grundsätzlich zu begrüßen, daß sich Betreuungsunternehmen des einzelnen annehmen sollen. Nur entsteht die Frage, wie das auf dem flachen Lande praktiziert werden kann.
Darüber hinaus müssen lebhafte Bedenken gegen die Absicht angemeldet werden, auf Verlangen des Bewerbers auch die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Betreuung beim Bau eines Familienheims zu verpflichten. Die Betreuung derartiger Bauten, Herr Kollege Lücke, ist eine technischwirtschaftliche Aufgabe, für die eine Gemeinde
kaum geeignet ist und für die sie wohl auch keine Kräfte hat, es sei denn, daß sie sich zu diesem Zweck mit solchen besonders versieht. Ich denke an kleinere und mittlere Gemeinden, wo der zur Verfügung stehende Apparat nicht ausreicht.

(Abg. Lücke: Die Betreuung geschieht in kleinen Gemeinden in aller Regel bereits!)

Weiter habe ich Bedenken gegen den Abs. 4, der die Möglichkeit des Ausschlusses solcher Unternehmen und Gemeinden von der Zuteilung weiterer öffentlicher Förderungsmittel für den Wohnungsbau vorsieht, die die verlangte Betreuung nicht übernehmen. Alles dies sind Punkte — einige andere sollen hier unerwähnt bleiben —, die einer genauen Überprüfung bedürfen.
Der Entwurf darf im großen und ganzen als ein Anliegen betrachtet werden, dem wir alle unsere Sympathie nicht absprechen werden; aber er wird im einzelnen erörtert werden müssen. Es gibt auch beispielsweise hinsichtlich der Bestimmungen des II. Abschnitts über die Finanzierung und Belastung sicherlich nicht von vornherein eine Übereinstimmung der Auffassungen. Der § 17 läßt die Befürchtung aufkommen, daß sich aus dem sozialen Wohnungsbau leicht ein asozialer entwickeln könne.

(Abg. Lücke: Nein, nein, das Gegenteil ist der Fall!)

Im übrigen ist nicht einzusehen, weshalb ein Zuschuß und nicht ein Darlehn gegeben werden soll. — Herr Kollege Lücke, Sie als Initiator dieses Entwurfs sind natürlich leicht geneigt, in ihm alles als nur erfreulich anzusehen. Manchen macht Vaterschaft gegenüber den Qualitäten des Kindes blind, und wir werden uns bemühen, Sie bei den Ausschußberatungen auf Dinge hinzuweisen, die uns
kritisch erscheinen und die wir nicht ohne weiteres als geglückt ansehen. — Ich will von den Bestimmungen über die Sondererschließung von Gelände, die § 18 vorsieht, hier nicht sprechen; aber ich kann mich des Hinweises darauf nicht enthalten, daß die Bestimmungen in den §§ 19 und 20, die eine weitgehende Steuer- und Gebührenbefreiung auf Kosten der Gemeinden vorsehen, der Überprüfung bedürfen. Hier bestehen kommunalabgabenrechtliche Bedenken, über die wir im Ausschuß sprechen müssen.
Wenn ich soeben sagte, daß der Entwurf als ein wenig mit der leichten Hand geschaffen angesehen werden müsse, dann gilt das auch hinsichtlich mancher Regelungen in der Novelle der Bundesregierung. Der Herr Bundeswohnungsminister hat heute in einer ziemlich eingehenden Darlegung dem Hause Gedanken unterbreitet, die auch an anderer Stelle bereits Gegenstand der Darstellung waren. Er hat bei einigen Punkten die Dinge so geschildert, als ob es sich um notwendige und unerläßliche Maßnahmen handelt. Wir haben hier nicht ohne weiteres die Möglichkeit, ihm zuzustimmen.
Was den Eigenheimgedanken anbelangt, so unterstreiche ich noch einmal die wiederholt von uns auch hier in diesem Hause geäußerte Haltung, daß wir jede vernünftige, den jeweiligen Verhältnissen entsprechende Förderung des Eigenheimgedankens mitmachen werden. Allerdings halten wir nichts von Reglementierungen. Wir werden bei den Beratungen mit äußerster Sachlichkeit bemüht sein, zu einer Lösung zu kommen, die uns vielleicht wiederum wie beim Ersten Wohnungsbaugesetz eint, obwohl es den Anschein hat, daß wir jetzt an einem Punkt angekommen sind, wo doch gewisse grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, wenn man ehrlich sein will, nicht verschwiegen werden können. Was beim sozialen Wohnungsbau fehlt, das sind ja weder Pläne noch Steine, es sind nicht Baumaterialien oder Arbeitskräfte; was fehlt, ist eine mutige und gesicherte Finanzierung. Darum gilt es zu kämpfen, allerdings, Herr Bundeswohnungsbauminister, nicht in der Weise, wie dies bei der Novelle geschehen ist, daß sich die Bundesregierung bei den Diskussionen im Bundesrat statt durch den zuständigen Fachminister, nämlich durch Sie, Herr Bundeswohnungsbauminister, durch den Herrn Staatssekretär im Bundesfinanzministerium vertreten läßt. Von dieser Seite werden wir immer wieder — ich verstehe das vom Ressortstandpunkt her auch durchaus — Bremsversuche, aber keinen motorischen Antrieb für die Wohnungsbaufinanzierung erwarten dürfen. Ohne ein solches verstärktes Finanzierungsbemühen jedoch, ohne das Bemühen, mehr Mittel für das wohl wichtigste Aufgabengebiet einer sozialen Immunisierung der Bundesrepublik herbeizuschaffen„ droht aber unserm Wohnungsbau in absehbarer Zeit ein erheblicher Niedergang. Das ist eine nüchterne Tatsachenfeststellung, die in den Bauzeitschriften in den letzten Wochen und Monaten von einer ganzen Reihe von Experten sehr sorgenvoll herausgestellt worden ist. Dem sozialen Wohnungsbau droht die Rolle eines Prügelknaben des Haushaltsdefizits. Das, was die Bundesregierung in ihrer Novelle anbietet, ist keineswegs ausreichend. Dazu ist die Festlegung der 400 bis 500 Millionen mit dem Vorbehalt der haushaltsmäßigen Deckung belastet, die der Herr Bundesfinanzminister in die Vorlage hereingebracht hat. Auch insoweit scheinen uns gewisse Sorgen nicht unberechtigt.


(Jacobi)

Bedauerlicherweise ist im übrigen in der Vorlage der Bundesregierung nicht der Versuch gemacht worden, wie ihn die SPD-Vorlage macht, die Mittel für den Sozialen Wohnungsbau zusammenzufassen und sie allein für den Sozialen Wohnungsbau zu verwenden. Die Bundesregierung beläßt es bei der bisherigen ressortmäßigen und tatsächlichen Aufspaltung, ja sie spaltet die Mittel weiter auf.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß der Bundesrat in etwa 40 Punkten der Vorlage der Bundesregierung widersprochen hat. Da es sich hier wie bei allen anderen Gesetzen, die wir heute beraten, um Zustimmungsgesetze handelt, sehe ich kaum einen Weg, wie wir in absehbarer Zeit zu einer Vorlage kommen sollen, die im Bundesrat durchgehen könnte. Wir werden auch nach dieser Richtung hin erhebliche, vielleicht auch taktische Überlegungen anstellen müssen, wobei ich unter Taktik den Versuch verstehe, gegensätzliche Auffassungen, die nicht unüberbrückbar sind, etwa zwischen Bundesregierung und Bundesrat, zum Ausgleich zu bringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zu wenigen Punkten einige Sätze sagen, die durch die Novelle der Bundesregierung angesprochen werden. Es wäre bei der Wichtigkeit der uns allen gestellten Aufgabe, im Sozialen Wohnungsbau keinen Rückschlag durch Fehlentscheidungen oder durch das Hervorrufen von Fehlentwicklungen mitzuveranlassen, auf das tiefste zu bedauern, wenn an die Stelle der nach wie vor, ja mehr denn je bestehenden Notwendigkeit, das Gesetz zu verbessern — und das allein kann das Anliegen einer Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz sein —, etwa taktische Gesichtspunkte in bezug auf die bevorstehenden Wahlen, Propagandaerwägungen oder unsachliche Betrachtungen treten würden. Ich sage das, weil die Frau Kollegin K a link e glaubte, mit einer Handbewegung zu meinen Freunden vor einer Sozialisierung der Wohnungswirtschaft warnen zu müssen, oder weil sie hinsichtlich der Wohnungsunternehmen ein paar Bemerkungen machte, die von wenig Sachkunde zeugten.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf der Abg. Frau Kalinke.)

Aber wir sind der Auffassung, Frau Kalinke, daß Sie, wenn Sie unsere Arbeit im Wiederaufbauausschuß mitgemacht hätten, davor gefeit wären, es sich mit einer Schlagwortrhetorik so leicht zu machen, wie Sie das hier getan haben. Wir sind durchaus nicht so wild, wie Sie uns gelegentlich zu machen versuchen. Wir sind um der Sache willen und aus Überzeugung immer wieder bereit gewesen, mit ausgleichen zu helfen. Wogegen wir uns aber wehren, ist, daß die Dinge unsachlich dargestellt werden. Es entspricht auch nicht ganz den Tatsachen, ja es steht im Widerspruch zu den Tatsachen, wenn Sie mit Emphase, Frau Kalinke, vorhin von der Spitzenleistung der Bundesregierung auf dem Gebiete des Wohnungsbaus sprachen. Das zeugt von nicht sehr vielem Nachdenken und nicht von der Kenntnis der Tatsachen, denn die Bundesregierung hat zwar bei der Förderung des Wohnungsbaus mitgewirkt, aber ohne Länder und Gemeinden, ohne eine lebhafte private Initiative und ohne die intensive Arbeit der Wohnungsunternehmen stünden die Hunderttausende, ja mehr als 1 Million Wohnungen nicht, die seit der Währungsreform gebaut worden sind.

(Beifall bei der SPD.)

Hier wird nach wie vor nur ein Zusammenwirken a 11 e r einen Erfolg herbeiführen, und es ist falsch, zu behaupten, die Bundesregierung habe hier einen besonderen Erfolg aufzuweisen. Das können Sie nicht einmal im kommenden Wahlkampf verkaufen, denn die Bevölkerung weiß, wer Häuser baut, wo sie gebaut und wie sie gebaut werden.

(Abg. Lücke: Herr Kollege Jacobi, die Bundesregierung hat es aber doch gemacht!)

— Die Bundesregierung hat schließlich nichts anderes gemacht, als mitzuhelfen. Sie hat doch nicht selbst gebaut, und man kann ihr doch auch nicht etwa zu ihrem Ruhme nachsagen, daß ohne sie nichts geschehen wäre.

(Abg. Frau Kalinke: Sie hat doch die finanziellen Voraussetzungen geschaffen!)

— Sie hat sie mitgeschaffen, aber bei weitem nicht ausreichend. Darum geht ja der Streit, Frau Kollegin Kalinke. Aber je mehr die Bundesregierung bereit ist, unserem Anliegen Rechnung zu tragen, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um so mehr werden auch wir Sozialdemokraten bereit sein, der Bundesregierung schuldige Reverenz in diesem Punkte zu erweisen. Der Herr Bundeswohnungsbauminister möge sich stark machen im Raufen mit dem Herrn Finanzminister, noch einige hundert Millionen mehr herbeizuschaffen;

(Beifall bei der SPD)

dann sind wir sogar bereit, das als Sozialdemokratische Partei lobend hervorzuheben.
Die Novelle der Bundesregierung aber, um die es heute geht, scheint uns nicht den Weg zu einer Forcierung des Wohnungsbaues zu eröffnen, sondern wir haben die Sorge, daß dieser Weg eher verbaut wird. Ich sagte schon, daß der Jahresbetrag, der zur Verfügung gestellt wird, nicht ausreicht. Ich wies auf die Problematik der Haushaltssicherungsklausel hin. Ich muß hinzufügen, daß auch die teilweise Zweckbindung durchaus bedenklich sein kann, — ein Punkt, über den wir uns gerade in Verbindung mit dem CDU/CSU-Gesetzentwurf im Ausschuß eingehend unterhalten werden. Wir müssen alles zu vermeiden versuchen, was dazu führen könnte, den bisherigen Rhythmus zu stören und zusätzliche administrative Schwierigkeiten auszulösen.
Was uns untragbar erscheint, ist die vorgesehene Auflockerung der Mietrichtsätze in der Form, wie sie die Novelle uns hier unterbreitet. Schon heute
— und darüber täuschen keinerlei statistische Darlegungen hinweg — können weite Kreise der Bevölkerung die Neubaumieten nur noch unter großen Entbehrungen tragen. Unter diesen Umständen halten wir es für völlig undiskutabel, die Entscheidung über eine allgemeine Erhöhung der Richtsatzmieten von Gesetz und Parlament hinweg in die Hand der Bundesregierung zu legen. Das aber sieht die Novelle vor, indem sie in ihrem § 17 die Ermächtigung der Bundesregierung statuiert, durch Rechtsverordnung Höchstgrenzen für die Mietrichtsätze und für die zulässigen Mieten zu bestimmen. In einer für das Wirtschaftsleben und die Sozialstruktur derart wichtigen Frage können wir uns mit einer Ausschaltung der Volksvertretung keinesfalls einverstanden erklären.
Es liegen seit einiger Zeit regierungsseitige Äußerungen darüber vor, in welcher Weise die Bundesregierung eine solche Verordnungsermächtigung auszuschöpfen beabsichtigt. Es ist daran ge-


(Jacobi)

dacht, die bisherigen Richtsatzmieten von 1 und 1,10 DM pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat auf 1,30 bzw. 1,42 DM zu erhöhen. Eine 50 qm große Neu- oder Wiederaufbauwohnung, für die bisher 50 bzw. 55 DM Miete aufgebracht werden mußten, würde danach 65 bis 71 DM kosten. Kann man da noch von Wohnungen sprechen, die nach
§ 16 der Novelle „den Wohnbedürfnissen der breiten Schichten des Volkes entsprechen?"
Ganz und gar bedenklich aber scheint uns der Plan der Bundesregierung, unter Ausschaltung des
§ 17 Abs. 3 ein gehobenes oder, wie der Herr Minister es nannte, ein differenziertes Wohnungsbauprogramm mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Wenn dieser Weg überhaupt gangbar ist, so bedarf er klarer gesetzlicher Bestimmungen. In der Novelle fehlen solche; sie überläßt in diesem Punkt die Einzelregelung der Verwaltungs- und Rechtsverordnungspraxis. Von der Unsicherheit abgesehen, in die die Wohnungswirtschaft hierdurch gerät, müssen lebhafte Bedenken dagegen erhoben werden, den Kreis der im sozialen Wohnungsbau Begünstigten derart auszuweiten, wie dies die Bundesregierung vorsieht. Einkommenstarke Personen sollten nicht aus der Schatulle des für die einkommenschwächeren Schichten gedachten sozialen Wohnungsbaues alimentiert werden. Gegenüber den diesbezüglichen Absichten der Bundesregierung sind denn auch in der bisherigen öffentlichen Diskussion nicht nur kritische Stimmen laut geworden, die etwa mir oder meinen politischen Freunden nahestehen. So findet sich im „Handelsblatt", das gewiß nicht als der SPD nahestehend verdächtig ist, und zwar in der Ausgabe vom 31. Dezember 1952, eine bemerkenswert nüchterne Betrachtung unter der Überschrift „ Nohnungsbau bleibt das Herzstück". Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wenige Sätze aus diesem instruktiven Aufsatz verlesen. Hier wird u. a. gesagt:
Nach der Novelle zum Wohnungsbaugesetz würde der Kreis der vom sozialen Wohnungsbau begünstigten Personen bei Berücksichtigung des tatsächlich versteuerten Lohneinkommens und gewisser Abschläge praktisch auch auf solche Arbeitnehmer ausgedehnt werden, die monatlich 1000 DM und in Einzelfällen noch mehr verdienen. Damit wird diese Begrenzung ad absurdum geführt.
Dann werden weitere kritische Bemerkungen zu der Frage gemacht, ob es richtig sei, Mittel des sozialen Wohnungsbaus auch Leuten mit Generaldirektorsgehältern zur Verfügung zu stellen. Im übrigen gibt es da Hinweise darauf, daß auch die Frage der Bevorzugung bestimmter Wohnformen unter Umständen einer kritischen Prüfung bedürfe. Es sei notwendig, daß alle Wohnformen angemessen berücksichtigt würden. Es sei erforderlich, kein Dogma aufzustellen.
„Kleinsiedlung"
— heißt es hier; ich gebe nur die Meinung des „Handelsblattes" wieder —— wenn sie der heutigen Zeit angepaßt ist — gut und schön. Eigenheime, — auch sie haben ihren Sinn. Darüber aber die Wohnung im Mehrfamilienhaus zu vernachlässigen, heißt einfach das Opfer einer Selbsttätuschung werden. Entscheidend ist hier nicht der Glaube, sondern eine genaue und laufende Marktbeobachtung.
Wir werden wohl bei der Beratung all der Gesetzentwürfe, die heute in erster Lesung hier anstehen, uns in der Tat befleißigen müssen, die Sachverhalte nüchtern zu überprüfen. Am guten Willen von uns allen, zu gedeihlichen Lösungen zu kommen, wird es vermutlich nicht fehlen. An Kritik wird es von unserer Seite ebenfalls nicht mangeln, weil wir von der Novelle der Bundesregierung vor allem den Eindruck haben, daß sie es sich viel zu leicht macht, die Problematik aufzuhellen, die sich in Verbindung mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz ergeben hat. Es hat Schwächen, es hat Mängel. Sie wirklich zu beheben, wird unsere Aufgabe sein. Aber um das Ziel zu erreichen, wird es einer eingehenden Beratung bedürfen, an der mit bestem Willen mitzuwirken die Absicht meiner Fraktion ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124506800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.

Carl Wirths (FDP):
Rede ID: ID0124506900
Meine Damen und Herren! Ich hatte eben übersehen, daß das Finanzierungsgesetz für den Wohnungsbau für Umsiedler, Drucksache Nr. 3905, mit besprochen werden sollte. Hiergegen möchte ich sehr erhebliche Bedenken meiner Fraktion anmelden. Zunächst möchte ich beantragen, daß die Vorlage federführend an den Finanzausschuß überwiesen wird und mitberatend an den Lastenausgleichsausschuß. Es wird j a hier gefordert, daß der Bundesminister der Finanzen 225 Millionen DM im Wege des Kredits beschafft und daß der Lastenausgleichsfonds diesen Betrag in Raten bis zum 1. Oktober 1957 zurückzahlt. Ich glaube, die Kollegen im Lastenausgleichsausschußmüßten sich überlegen, ob das so möglich ist. Es geht mir jetzt nur darum, daß die Vorlage auch in den Lastenausgleichsausschuß kommt.
Nun noch einige wenige Sätze zu dem, was der Kollege Jacobi erklärt hat. Im Prinzip hat er gesagt: Gut, auch Förderung des Eigentumsgedankens! Aber wenn er sich nun mit der Auflockerung der Richtsatzmiete beschäftigt, muß man doch eines festhalten: Die Verteuerung der Baukosten ist da und kann nicht abgeleugnet werden. Man muß sich überhaupt wundern, daß wir in der Zeit nach 1950 diese Verteuerung bisher so gut verkraftet haben. Wenn nun die Abwälzung auf die Richtsatzmiete nach Ihrer Auffassung nicht möglich ist, dann ist ganz klar, daß eine Abwälzung etwa im Wege der Aufstockung der ersten Hypotheken auch nicht möglich ist. Denn wenn wirklich das erststellige Geld genügend vorhanden ist, scheitert die Aufstockung eben an der starren geringen Richtsatzmiete,

(Sehr richtig! rechts)

weil die Beleihungsgrundsätze eine Erhöhung der Hypothek eben nicht gestatten.

(Abg. Jacobi: Herr Kollege Wirths, deshalb habe ich gegen die allgemeine Erhöhung der Richtsatzmieten protestiert und Bedenken angemeldet!)

— Aber irgendwie muß man es j a nun überlegen. Wenn also, wie ich sagte, die Aufstockung der ersten Hypothek nicht möglich ist, bleibt letzten Endes nur noch die Aufstockung der öffentlichen Förderungsmittel übrig. Das ist zum Teil geschehen. Die Länderrichtlinien haben gegenüber 1950 eine Aufstockung vorgenommen. Aber heute können wir feststellen, daß bei vielen, vielen


(Wirths)

Finanzierungsplänen bei Einrechnung der Richtsatzmiete ein Fehlbetrag da ist, daß noch nicht einmal die Tilgung des Landesdarlehens möglich und darüber hinaus noch ein Fehlbetrag vorhanden ist. Wir haben festzustellen, daß in vielen Fällen entgegen unserer Auffassung bei der Beratung des Ersten Bundeswohnungsbaugesetzes noch nicht einmal die dort fixierte Verzinsung von 4 % des Eigenkapitals möglich ist. Also muß man sich letzten Endes überlegen, ob nicht eine Notwendigkeit besteht, die Richtsatzmiete in der Weise aufzulockern. Sie haben selbst, Herr Kollege Jacobi, in Ihrem Gesetzentwurf für bestimmte Fälle eine Auflockerung vorgesehen. Ob man es nun ganz generell macht oder ob man es staffelt, werden wir im Ausschuß beraten, ebenso wie die von Ihnen angeschnittene Frage, ob man es im Gesetz fixieren soll, ob man es den Ländern überlassen soll oder ob man es, wie in der Vorlage der Regierung gefordert, der Bundesregierung im Wege der Rechtsverordnung, die an die Zustimmung des Bundesrats geknüpft ist, überlassen soll. Alle diese Fragen werden wir überlegen müssen.
Generell ist doch zu sagen, daß seit 1950 die Löhne und Gehälter um einen erheblichen Prozentsatz gestiegen sind und daß die Mieten eben nicht gestiegen sind. Wenn Sie sich überlegen, daß, wie der Minister eben erklärt hat, der Lohn der Industriearbeiter im Durchschnitt 31 % brutto, 28 % netto und real 17 % gestiegen ist, dann ist das eine Tatsache, die doch nun zu der Überlegung Veranlassung geben muß, ob nicht tatsächlich in einem bestimmten Maß die Auflockerung der Richtsatzmiete notwendig ist.
In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, daß seit Jahrzehnten der Anteil der Miete an den Gesamtausgaben des Haushalts der Familie nur ein ganz geringer Bruchteil im Vergleich zu anderen Zeiten und anderen Ländern gewesen ist. Ich will nur noch eine Zahl nennen: Wenn wir 1938 gleich Null setzen und die Indizes errechnen, ist die Wohnungsziffer von 1949 bis August 1952 von 101 auf 104 gestiegen, während der Wochenverdienst des männlichen Industriearbeiters von 140 auf 199,5 gestiegen ist. Man kann also nicht sagen, daß uns ein unsoziales Handeln zu dieser Überlegung führt. Man muß davon ausgehen — das hat Herr Minister Neumayer richtig betont —, daß es nicht Aufgabe des Wohnungsbaues ist, zugunsten der sozial schwächsten Kreise, der Sozialrentner, Flüchtlinge usw. die Mieten auf einem für diese Kreise tragbaren Stand zu halten. Das ist Sache der Sozialpolitik, und damit müssen sich andere Leute beschäftigen.

(Abg. Meyer [Bremen]: Glauben Sie, daß solche Leute in Neubauwohnungen ziehen können, Herr Kollege Wirths?)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124507000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0124507100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Arbeit unseres Wohnungsbauausschusses hat in den ganzen Jahren unter dem einen Gesichtspunkt gestanden: Der Wohnungsbau ist Anliegen Nr. 1. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir bis jetzt eine Art der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Wollens feststellen können, die, glaube ich, restlos erfreulich war und die vor allen Dingen unser Anliegen praktisch sehr weit vorangebracht hat. Wir von der CDU freuen uns vor allen Dingen, feststellen zu können, daß die Zustimmung zu dem Gedanken des Familienheims, dem Gedanken des Eigenheims in den Jahren unserer Arbeit hier im Parlament in steigendem Maße gewachsen ist. Es ist bis weit in Kreise, die früher an diesen Dingen nicht innerlich beteiligt waren, doch die Erkenntnis gewachsen, daß wir der sozialen und menschlichen Not, in der wir stehen, tatsächlich weithin nur begegnen können, wenn wir den Menschen wieder mit Heimat, mit Boden und mit allem, was damit zusammenhängt, verbinden.

(Zustimmung bei der CDU.)

Gerade die Not der Heimatvertriebenen und all der Entwurzelten zwingt uns, immer wieder aufs neue diese Wege zu gehen und die Mittel zu suchen, um diese Verwurzelung der Menschen wieder möglich zu machen.
Herr Jacobi hat gesagt, wir müßten im Ausschuß die einzelnen Fragen nüchtern prüfen. Ich bin mit Herrn Jacobi durchaus einer Meinung. Der Gesetzgeber kann ohne nüchterne Prüfung von Tatsachen überhaupt niemals Gesetze machen. Aber ich bin auf der anderen Seite der Meinung, daß gerade Gesetze wie diejenigen, um die heute nachmittag hier die Aussprache geht, auch nicht ohne irgendeine grundsätzliche Konzeption und vor allen Dingen nicht ohne einen wirklichen inneren Schwung zustande kommen können.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Herr Jacobi, wir sind keine Autokraten — auch Herr Kollege Lücke ist es nicht —, und wir sind auch keine Diktatoren. Wir sind durchaus bereit, das Grundanliegen, das uns gemeinsam ist, in gesetzliche Formen zu bringen, die weithin unser aller Einigung ermöglichen. Wenn Sie gesagt haben, Herr Lücke habe das Gesetz etwas mit leichter Hand hingesetzt, so glaube ich, daß man das nicht von der tatsächlichen Ausarbeitung des Gesetzes sagen kann. Hinter dem Gesetz über Familienheime steckt eine sehr lange und sehr solide Arbeit. Wenn aber gemeint ist, daß eine leichte Hand insofern dahinterstehe, daß man über die Einzelheiten des Gesetzes reden könne, dann sind wir durchaus bereit, diese leichte Hand in den Verhandlungen des Ausschusses zu bewähren.

(Abg. Lücke: Sehr gut!)

Ein weiteres. Herr Jacobi hat sich dagegen gewehrt, daß man durch „Typen", durch den Typengedanken eventuell Individuelles zerstören könne. Wir von der CDU sind weit, weit davon entfernt, irgend etwas mitzumachen, was auf Uniformierung oder Typisierung hinausläuft.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Worum es in diesem Gesetz geht, ist nur das eine: daß wir Formen finden wollen, die den Papierkrieg, der uns allen bis zum Halse steht, möglichst vermindern. Wir wollen in dem Augenblick, wo eine Hausform als Typus anerkannt ist, diesen generell genehmigt haben, um die Baudurchführung zu erleichtern. Wir sind auf der anderen Seite der Meinung, daß unsere Architekten und auch diejenigen, die bauen wollen, Phantasie genug haben, innerhalb der Typen individuelle Formen zu finden.
Ein letztes Wort in diesem Zusammenhang zu der Frage der Wohnungsunternehmen. Wir sind gar nicht unbedingt bissige Feinde der Wohnungsunternehmen. Wir erkennen deren Berechtigung


(Frau Dr. Brökelschen)

durchaus an. Wir wollen einerseits nur nicht, daß sie zu Mammutgebilden werden,

(Abg. Lücke: Sehr richtig!)

die zu Machtkomplexen führen können, die wir aus mehr als einem Grunde für unerwünscht halten; wir wollen auf der anderen Seite vor allen Dingen, daß sie sich ihres Charakters der Gemeinnützigkeit auch in dem Sinne bewußt werden, daß sie da die Betreuung von Eigenheimen und Familienheimen übernehmen, wo dieses Ansinnen an sie gestellt ist.
Ein weiteres! Hier ist gesagt worden, es sei nicht im wesentlichen die Initiative des Bundes, die die Dinge auf dem Wohnungsgebiet vorangetrieben habe. Meine Herren und Damen, wir wollen hier gar keinen edlen Wettstreit entfachen. Ich bin der Meinung, daß nur dadurch, daß Länder, Gemeinden u n d Bund alles getan haben, was sie konnten, diese Riesenzahl von Wohnungen, die Tatsache, daß alle fünf Minuten vier Wohnungen fertig werden, erreicht worden ist. Wir wollen aber doch in aller Bescheidenheit als Bundestagsabgeordnete sagen, daß durch unser Wohnungsbaugesetz die Dinge tatsächlich in eine einheitliche Führung und Koordinierung hineingekommen sind und daß wir weithin auch für die Länder die Voraussetzungen für ihre Betätigung geschaffen haben.

(Zustimmung in der Mitte.)

Ein letztes. Ich habe mir aus Niedersachsen sagen lassen, daß dort jetzt ein Antrag sämtlicher Fraktionen vorliegt, im Etat 1953 Mittel für den sozialen Wohnungsbau in Niedersachsen in 'demselben Verhältnis zur Verfügung zu stellen, in dem die Wohnungsbaumittel des Bundes zu den gesamten Etatmitteln des Bundes stehen. Da haben also die Dinge im argen gelegen. Ich glaube infolgedessen, daß vielleicht nicht nur in Niedersachsen, sondern auch auf
anderer Landesebene eine größere Initiative und eine größere Bereitwilligkeit bei der Zurverfügungstellung von Mitteln erreicht werden könnten.
Nun noch ein paar Bemerkungen zu dem Gesetz über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler und für Zonenflüchtlinge. Ich habe es als sehr charakteristisch empfunden, daß die durchaus sachlichen Erwägungen dieses Gesetzes von unseren Freunden von der äußersten Linken wieder einmal zum Anlaß für ihre allgemein bekannten politischen Ausfälle genommen worden sind. Ich möchte doch in aller Öffentlichkeit festhalten, daß die KPD es hier gewagt hat, die Tausende und aber Tausende von Flüchtlingen, die aus der sowjetischen Zone herübergekommen sind, als „Verbrecherbanden" und als „Banden" zu charakterisieren. Uns geht es sowohl hinsichtlich der Heimatvertriebenen wie hinsichtlich der Sowjetzonenflüchtlinge um ein allerernstes Anliegen. Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf um die gesetzliche Form des Antrags, den wir im Zusammenhang mit den Beratungen des Lastenausgleichs im Bundestag eingebracht haben. Man mag sich über die finanztechnische Seite im Ausschuß unterhalten. Auch ich bin durchaus der Meinung, außer in den Wohnungsbauausschuß gehört die Beratung in den Lastenausgleichsausschuß hinein. Ich glaube, dar-hinaus Mittel flüssig machen. Ich glaube, wir brauchen hier gar nicht über die menschliche, über die politische und über die soziale Gefahr zu sprechen, die mit jedem Jahr wächst, in dem es nicht glückt, die Massen der Heimatvertriebenen endlich wieder aus Notunterkünften und Lagern in wirkliche Wohnungen und Heime hineinzubringen. Hier liegt eine Verpflichtung nicht nur gegenüber den Erwachsenen, sondern vor allen Dingen gegenüber den Kindern vor, denen wir es schuldig sind, ihnen nun endlich die Voraussetzungen zu einem wirklich fröhlichen und sinnvollen Kinderleben zu schaffen.
über sind wir uns alle einig, daß auf alle Fälle Mittel und Wege gefunden werden müssen, um die Umsiedlung zu Ende zu bringen. Das ist bis heute nicht erreicht worden. Weiter muß unbedingt erreicht werden, daß durch die Umsiedlung auf keinen Fall die Wohnraummittel im Lastenausgleich in Anspruch genommen werden, sondern daß wir für die Umsiedlung über diese 300 Millionen DM
Noch ein paar Bemerkungen zu den Fragen der Zonenflüchtlinge. Von kommunistischer Seite ist darauf hingewiesen worden, die Mittel langten nicht. Ich möchte den Herren von der Kommunistischen Partei raten, einmal in ein paar Zeitungen aus der Zone drüben hineinzusehen. Da läßt sich z. B. feststellen, daß der Bürgermeister von Arnstadt in einer der letzten Stadtverordnetensitzungen mitgeteilt hat, daß für den Wohnungsbau 1953 im Haushalt der Stadt leider keine Mittel zur Verfügung stünden, weil alles für die Unterkünfte der Volkspolizei draufgehe.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Es ist höchst lehrreich, sich einmal in anderen Städten anzusehen, in welchem Maße die Wohnungsbauten von 1949 bis heute lediglich unter Friedensgesichtspunkten erfolgt sind. Es handelt sich bei uns darum, daß wir den Tausenden und aber Tausenden von Zonenflüchtlingen, die seit Jahr und Tag in Berlin sitzen und die unterzubringen nicht möglich war, durch den Einsatz dieser 25 Millionen DM wenigstens in etwa die wohnungsmäßigen Voraussetzungen ihrer Existenz schaffen. Ich glaube, es besteht bis auf die Herren von der KPD im ganzen Hause in diesem Punkte absolute Einigkeit.
Ich will damit schließen. Alle Einzelheiten der verschiedenen Gesetzentwürfe, um die heute nachmittag die Debatte gegangen ist, werden in len Ausschußberatungen in allem Ernst durchdiskutiert werden müssen. Ich gebe Herrn Jacobi recht, es werden grundsätzliche Unterschiede zutage treten. Sie sind auch jetzt zutage getreten, aber ich habe auch heute wieder die Zuversicht, daß über alle sachlichen Gegensätze hinaus nicht die Atmosphäre des Wahlkampfes unsere Verhandlungen bestimmen wird, sondern 'das Bewußtsein dieses großen gemeinsamen Anliegens gegenüber unserem Volk und gegenüber den Menschen, deren Verwurzelung und deren Immunisierung gegen alle möglichen Einflüsse unsere gemeinsame Aufgabe ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124507200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Parzinger.

Sepp Parzinger (FU):
Rede ID: ID0124507300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Föderalistischen Union begrüße ich den von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen aufs wärmste, der sich zum Ziel gesetzt hat, der Familie und hier insbesondere der kinderreichen Familie zu einem Eigenheim zu verhelfen. Wir haben die Entwicklung auf diesem Gebiet des Wohnungsbaues seit längerer Zeit mit größter Sorge beobachtet und sind zu der Überzeugung gekommen, daß das seinerzeit mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz gesteckte Ziel in den vergangenen Jahren doch nicht erreicht wurde. Der vor-


(Parzinger)

gesehene gleiche Start für Mietwohnungs- und Eigenheimbau wurde, wie wir feststellen konnten, mit allen erdenklichen Mitteln verhindert. Wir müssen versuchen, den Besitzlosen wieder zu Eigentum zu verhelfen. Diesen Zweck verfolgt der vorliegende Gesetzentwurf in sehr starkem Maße, wenngleich bei nüchterner Berechnung der von Herrn Kollegen Lücke und seinen Freunden vorgesehene Prozentsatz am Sozialen Wohnungsbau von etwa 25 % für echtes Eigentum unserer Ansicht nach noch erhöht werden muß.
Drei besondere Wünsche möchte ich hier zur Kenntnis bringen. Der Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne kann zweifellos nicht durch den Bau von Eigenheimen durchgeführt werden. Hier wird, wie es auch in § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist, der Mietwohnungsbau dominieren. Wir regen an, die Bestimmung in § 1 noch etwas präziser zu fassen, damit der so dringend erforderliche Wiederaufbau unserer zerstörten Großstädte etwas schneller vorangetrieben wird, als es bisher geschehen ist.
Zum weiteren halten wir den derzeitigen Finanzierungsweg für recht schlecht und ungenügend. Der Formalismus nimmt überhand und läßt dadurch manches gute Projekt zum Scheitern kommen, wie es wiederholt vorgekommen ist. Die sogenannte Töpfchenwirtschaft müßte gänzlich verschwinden. Wir empfehlen einen Weg, der dazu führt, daß alle Mittel, die für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden, ganz gleich, ob es sich um Bundes-, Landes- oder sonstige Mittel handelt, nach Möglichkeit bei einem örtlichen Kreditinstitut, wie Sparkassen, Volksbanken usw., zusammenfließen, um den Bauherren eine schnellere und einheitliche Finanzierung zu gewährleisten. Ferner wäre eingehend die Frage zu untersuchen, ob es nicht möglich ist, an Stelle der Hergabe von Darlehen durch Zinssubventionen die zum Wohnungsbau erforderlichen Mittel zu erhöhen. Wir stellen uns vor, daß durch eine Zinssubvention die über 3 °/o hinausgehenden Leistungen vom Staat getragen werden. Der Kapitalmarkt würde dann angeregt, noch größere Beträge als bisher in den Wohnungsbau zu stecken. Es würden sich sowohl für den Mieter als auch für den Eigentümer tragbare Belastungen ergeben.
Abschließend darf ich namens meiner Freunde erklären, daß wir bereit sind, an der Gestaltung dieses Gesetzes weitgehend mitzuarbeiten, und daß die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschläge breiteste Beachtung verdienen und verdienen müssen.

(Beifall bei der FU und in der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124507400
Damit ist aber nun die Rednerliste wirklich erschöpft und die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über Punkt 4 a) der Tagesordnung. Dazu ist die Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen vorgeschlagen.
— Dem wird nicht widersprochen; ich nehme die Zustimmung an.
Zu dem Antrag unter Punkt 4 b) sind im Laufe der Debatte eine Reihe von Vorschlägen gekommen. Ich nehme an, daß man die Federführung wie der beim Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen haben will. Ist das die Meinung des Hauses?

(Zustimmung.)

— Dann nehme ich die Zustimmung dazu an.
Es ist dann weiter eine Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene, an den Finanzausschuß und an den Lastenausgleichsausschuß verlangt worden. Ich bitte, sich darüber schlüssig zu werden.
Herr Abgeordneter Lücke!

Paul Lücke (CDU):
Rede ID: ID0124507500
Die Eilbedürftigkeit dieser Frage läßt es nicht zu, daß wir eine Reihe Ausschüsse damit befassen. Ich würde empfehlen, die Federführung dieser Frage dem Ausschuß für Heimatvertriebene zu übertragen — die Auffassung des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen hierzu ist weitgehend bekannt — und weiter den Lastenausgleichsausschuß at hören.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124507600
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört: Federführender Ausschuß der Ausschuß für Heimatvertriebene; weiter sollen der Ausschuß für den Lastenausgleich und der Finanzausschuß dazu gehört werden. So haben Sie gesagt?

(Abg. Lücke: Nicht Finanzausschuß!)

— Nicht Finanzausschuß, sondern lediglich der Ausschuß für den Lastenausgleich zusätzlich. Federführend ist der Ausschuß für Heimatvertriebene. Ist das die Meinung des Hauses? — Das scheint der Fall zu sein. Es ist so beschlossen.
Zu Punkt 4 c) dürfte wohl ebenfalls die Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen in Frage kommen. — Dem wird nicht widersprochen; dann ist auch das beschlossen. Irgendwelche weiteren Ausschüsse sind nicht verlangt.
Ich rufe dann Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung der Entwürfe
a) eines Gesetzes über die Besteuerung des Branntweins

(Erstes Gesetz zur vorläufigen Neuordnung des Branntweinmonopols);

b) eines Gesetzes über die Monopolbewirtschaftung des Branntweins

(Zweites Gesetz zur vorläufigen Neuordnung des Branntweinmonopols) (Nr. 3922 der Drucksachen).

Dazu ist vorgeschlagen, daß man sowohl auf die Begründung wie auf eine Aussprache verzichtet.

(Abg. Dr. Gülich: Nein, ich widerspreche!)

— Sie widersprechen. Dann muß ich zunächst einmal fragen, ob seitens der Regierung eine Begründung gegeben wird.
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0124507700
Auf die Begründung möchte ich verzichten.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124507800
Auf die Begründung wird seitens der Regierung verzichtet. — Ich darf Ihnen nach der Empfehlung des Ältestenrates eine Redezeit von 60 Minuten vorschlagen.

(Abg. Dr. Horlacher: Ich bitte ums Wort!) Das Haus stimmt zu.


(Abg. Dr. Horlacher: Ich wollte nur für zwei Minuten das Wort zur Geschäftsordnung!)



(Vizepräsident Dr. Schäfer)

— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0124507900
Die Gesetzesvorlage über das Branntweinmonopol sieht so fachtechnisch aus, hat aber eine Reihe von wichtigen Fragen zu regeln. Auf diese will ich jetzt nicht eingehen, sondern nur die Bitte aussprechen, daß die Vorlage dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem überwiesen und der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Zwecke der gutachtlichen Äußerung eingeschaltet wird. Ich erhebe diese Bitte zum Antrag.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124508000
Wir kommen zur Aussprache innerhalb der Redezeit von 60 Minuten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0124508100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja ein merkwürdiges Verfahren, daß bei einer so wichtigen Vorlage

(Zuruf rechts: Wichtig?!)

die Regierung auf eine Begründung verzichtet. Heute wird uns der Entwurf vorgelegt, der uns im Juli 1951 auf vielfaches Drängen hin vom Herrn Bundesfinanzminister für den September 1951 versprochen worden ist. Dabei ist zu beachten, daß das Gesetz über das Branntweinmonopol jetzt nicht durch eine, sondern durch zwei Novellen geändert werden soll. Die Bundesregierung erkennt damit die materielle Selbständigkeit des Branntweinsteuergesetzes von 1948 an; sie erkennt an, daß Branntweinbesteuerung und Branntweinbewirtschaftung ganz verschiedene Dinge sind.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

— Herr Horlacher, bisher hatten wir vom Bundesfinanzministerium einen anderen Eindruck. Ich begrüße das damit eingeschlagene Verfahren, und ich muß Ihnen sagen, Herr Horlacher, daß ich diese Entwicklung mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen habe.
Die Vorlagen betonen, daß sie eine vorläufige Regelung zum Ziele haben; sie befristen die Geltungsdauer des Gesetzes sogar nur bis zum 31. März 1954, also nur etwa für ein Jahr. Ich sehe daran, daß sich die Regierung den Zwang auferlegen will, schnell an die Neuordnung der Branntweinwirtschaft heranzugehen, bin aber davon überzeugt, daß die Frist, die sie sich mit einem Jahr gesetzt hat, zu kurz ist. In Wirklichkeit gehen die Vorlagen weit über das angegebene Ziel hinaus, und zwar greifen sie zum Teil materiell tief in die Fragen der Branntweinwirtschaft ein. Es ist z. B. nicht einzusehen, warum im Rahmen einer vorläufigen Neuordnung, die für ein Jahr gedacht ist, der § 22 geändert und die Erzeugung der Monopolbrennereien von 500 000 auf 400 000 hl beschränkt werden soll. Es ist auch nicht einzusehen, daß in einer vorläufigen Neuordnung die Regelung der Zuschläge und Abzüge nach § 66 ff. geändert und die in § 71 bestimmten süddeutschen Zuschläge gestrichen werden sollen. Um ein letztes Beispiel zu bringen: es ist nicht einzusehen, daß die Regelung der Frage des Branntweinaufschlags nach § 79 eine wesentliche materielle Änderung erfahren soll. Nach dem geltenden Recht ist der Branntweinaufschlag eine Verbrauchsteuer. Die Vorlage zieht daraus aber nicht die Konsequenz. Sie hätte sich meines Erachtens darauf beschränken müssen, den Charakter des Branntweinaufschlags als Verbrauchsteuer auch hier anzuerkennen, indem sie ihn hinsichtlich der Entstehung der Steuerschuld und ihrer Fälligkeit in Anpassung an die übliche Verbrauchsbesteuerung behandelt hätte.
Ich habe schon früher darauf hingewiesen, daß vor der Neuordnung der Branntweinwirtschaft vier Fragen geklärt werden müssen, und zwar sind das Fragen, die auf Streichungen im Branntweinmonopolgesetz durch Verordnungen des „Dritten Reiches" zurückgehen. Diese vier großen Fragen sind folgende: Erstens die Mitwirkung der Wirtschaft bei einer ordentlichen Gestaltung der Branntweinwirtschaft, zweitens die Mitwirkung des Parlaments und die Kontrolle durch das Parlament, drittens die Gestaltung der Übernahme-. und der Verkaufspreise, viertens der sehr umstrittene § 177 betreffend die Ermächtigungen an den Bundesfinanzminister. Das sind auch die vier großen Fragen, auf die der SPD-Initiativgesetzentwurf Drucksache Nr. 3623, den wir am 1. Oktober in erster Lesung behandelt haben, beschränkt ist.
Ich will zu diesen vier Punkten einige Worte sagen. Die Mitwirkung der Wirtschaft ist in der Regierungsvorlage unzureichend. Der Beirat, der aus dem jetzt bestehenden Gewerbeausschuß konstruiert werden soll, muß paritätisch nach Erzeugern und Verarbeitern zusammengesetzt sein. Die Regierungsvorlage regelt auch das Beschwerderecht ganz unzureichend und verlegt die Entscheidung ausschließlich in die Exekutive, und zwar auch in den Fragen, in denen herkömmlicherweise in allen demokratischen Staaten die Legislative zu entscheiden hat.
Interessanterweise sehen diese beiden Novoller. eine Mitwirkung des Parlaments überhaupt nicht vor. Ich habe hier wiederholt darauf hingewiesen, daß durch die Verordnungen vom September 1933 und vom September 1934 jede bis dahin bestehende Mitwirkung des Reichstags und des Reichsrats — auch der Vorläufige Reichswirtschaftsrat war beteiligt — gestrichen worden ist. Die Regierungsvorlagen sagen, obgleich von dieser Stelle aus wiederholt auf die Bedeutung der Angelegenheit hingewiesen worden ist und der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion einen Parlamentsausschuß konstituieren will, kein Wort zu dieser Frage, sondern verlegen alle Entscheidungen in die Exekutive. Dies ist ein Beispiel für den Wunsch der Regierung, das Parlament völlig auszuschalten, was mir einfach unbegreiflich ist. Ich bin davon überzeugt, daß das Parlament dies unter keinen Umständen hinnehmen kann. Die Regierungsentwürfe legen überhaupt keinen Wert auf Anpassung des Monopolgesetzes an die Formen der parlamentarischen Demokratie. In allen demokratischen Staaten, in denen es Alkoholmonopole gibt, befaßt sich das Parlament durch Ausschüsse sehr eingehend mit den Fragen der 'Gestaltung der Alkoholwirtschaft, der Besteuerung, dem Branntweinaufschlag, der Festsetzung der Jahresbrennrechte, und all diesen grundsätzlichen Fragen.
Hier in der Bundesrepublik soll nun das Parlament völlig ausgeschaltet werden. Der fadenscheinige Grund, den 'das Bundesfinanzministerium dafür hat, besteht in der Auffassung, das Branntweinmonopol sei ein Finanzmonopol. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns 'im Finanzausschuß sogar schon gesagt, eine andere Auffassung verstoße gegen das Grundgesetz. Nun, vielleicht kann man sich darüber einmal beim Bundesverfassungsgericht in Karls-


(Dr. Gülich)

ruhe Klarheit holen. Ich hoffe aber, daß wir die Klarheit schon vorher bei den Beratungen im Finanzausschuß bekommen. Im Art. 105 Abs. 1 des Grundgesetzes steht, daß die Zölle und Finanzmonopole der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. In Art. 108 Abs. 1 steht, daß Zölle und Finanzmonopole durch Bundesbehörden verwaltet werden. In Art. 106, der konkreter wird, steht: die Erträge der Monopole fließen in die Bundeskasse; da ist von Finanzmonopolen keine Rede.
Ich will diese Sache und die Auffassungen der Finanzwissenschaft dazu — ich habe das Problem wissenschaftlich breit nachgeprüft — jetzt hier nicht erörtern. Ich glaube aber, daß wir die erste Lesung nicht vorübergehen lassen dürfen, ohne auf diesen gravierenden Punkt der Regierungsvorlage hinzuweisen und ohne der Auffassung der Bundesregierung, das Branntweinmonopol sei ein Finanzmonopol, zu widersprechen.
Die gesamte Wirtschaft wendet sich natürlich auch gegen das Finanzmonopol. Das Branntweinmonopolgesetz von 1922, das Gesetz, das noch in Kraft ist, hat ja auch das Monopol gar nicht als Finanzmonopol in dem Sinne konstruiert, der ihm heute vom Bundesfinanzministerium unterstellt wird. Die §§ 65 ff. enthalten genaue Vorschriften über die Errechnung der Übernahmepreise, zu denen die Monopolverwaltung den Branntwein einkauft. Der § 85, der durch eine Naziverordnung gestrichen worden war, enthielt die Kostenfaktoren, die für die Bemessung der Verkaufspreise maßgeblich sind. Lediglich für den Fall, daß bei vorsichtiger Kalkulation dennoch ein Gewinn erzielt wird — und so kaufmännisch soll ja die Monopolverwaltung arbeiten —, sieht der § 86 des Branntweinmonopolgesetzes vor, daß solche reinen Überschüsse an die Reichskasse abzuführen sind, und bei dieser Regelung sollte es auch in Zukunft bleiben.
Das Parlament, wie gesagt, soll nach der Regierungsvorlage nicht mitwirken. Hingegen sind die beiden Vorlagen voll von Ermächtigungen. Der Bundesfinanzminister soll sogar ermächtigt werden, die in diesem Gesetz und dem Branntweinsteuergesetz verwendeten Begriffe näher zu umschreiben. Ja, wenn wir Gesetze machen und wenn wir in den Gesetzen nicht einmal so klare Begriffe haben, daß danach gearbeitet werden kann, dann weiß ich überhaupt nicht, wozu wir da sind. Den übrigen Katalog der Ermächtigungen will ich hier nicht aufzählen. Ich will nur sagen, daß das, was von der Bundesregierung hier an Ermächtigungen für die Exekutive vorgesehen ist, für das Parlament nach meiner Überzeugung unerträglich ist.
Ich will nun zum Schluß aus der sehr schwierigen und komplizierten Materie ein einzelnes Problem herausgreifen. Nach Punkt 7 unserer heutigen Tagesordnung wird ein Gesetzentwurf zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen vom 15. September 1938 vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf bestimmt, daß für das gegenwärtige Brennwirtschaftsjahr, also vom 1. Oktober 1952 bis zum 30. September 1953, der Ausfuhrzoll für Melasse von 4 DM pro 100 kg gestrichen werden soll. Der Gesetzentwurf sagt, wir hätten einen Melasseüberhang von 120 000 t. Das stimmt längst nicht mehr; es werden jetzt noch zwischen 40 000 und 50 000 t sein. Aber hier ist doch die Frage zu stellen, warum wir nun nicht die Melasse selbst abbrennen. Im vorigen Brennjahr hatten die sechs Melassebrenner, die zusammen nur 31 500 hl Brennrecht haben, ein Jahresbrennrecht von 300 %. In diesem Jahr hat man ihnen wegen der hohen Bestände der Monopolverwaltung nur 100 % gegeben. Es ist also nun doch die Frage an den Bundesfinanzminister zu stellen, warum er in diesem Augenblick dem Parlament diese Vorlage Drucksache Nr. 3973 macht.
Aber ich möchte noch die weitere Frage an den Bundesfinanzminister richten: Warum führt die unter der Dienstaufsicht des Bundesfinanzministers stehende Bundesmonopolverwaltung Melassefeinsprit aus dem Ausland ein? Ich meine nicht das jetzt laufende Austauschgeschäft, nach dem aus Frankreich 4000 metrische Tonnen Melassefeinsprit gegen eine Ausfuhr von 12 000 metrischen Tonnen technischem Sprit eingeführt werden, sondern ich stelle an den Bundesfinanzminister die ganz konkrete Frage, ob auch darüber hinaus Melassefeinsprit eingeführt wird. Ich habe so die Vorstellung, daß es sich um 2500 metrische Tonnen handelt. Das sind rund 30 000 hl, also fast genau so viel, wie die Melassebrenner in diesem Jahr brennen dürfen. Ich frage also: Führt er über das Austauschgeschäft hinaus Melassefeinsprit aus dem Ausland ein? In welchem Umfang? Aus welchem Lande? Nach welchen Kontrakten? Und sehr interessant wäre die Frage: Zu welchen Preisen? Vielleicht könnte ich selber dazu eine Antwort geben, die den Bundestag interessieren würde, aber ich glaube, es wird besser aussehen, wenn der Herr Bundesfinanzminister dem Bundestag die Antwort auf meine Fragen gibt.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124508200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0124508300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Herr Professor Gülich, Sie haben die Einrichtung des Branntweinmonopols nicht verneint.

(Abg. Dr. Gülich: Ich habe kein Wort dazu gesagt!)

— Nein, es würde Ihnen als Sozialist ja auch schlecht zu Gesichte stehen, wenn Sie diese Einrichtung verneinen wollten. Sie könnten es sich sogar leichtmachen und eine kleine Polemik gegen die Parteien der -Marktwirtschaft entzünden, die hier für ein Instrument des Interventionismus eintreten. Diese Gelegenheit haben Sie sich entgehen lassen.

(Zuruf von der SPD: Seit wann so moralisch, Herr Dresbach?)

Meine Damen und Herren, es ist nicht Aufgabe einer ersten Lesung, so ins Detail zu gehen. Wir haben also festzustellen, daß die Sozialdemokratie das Institut des Branntweinmonopols nicht grundsätzlich verneint, sondern bejaht. Im übrigen ist es Sache des Ausschusses für Steuern und Finanzen, sich damit zu befassen, was er in den vergangenen Wochen la auch schon durch Anhörung von Sachverständigen getan hat, indem er die Überweisung sozusagen fast vorweggenommen hat.
Ich stelle hiermit den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Steuern und Finanzen. Da es sich aber bei dem Branntweinmonopol seit seiner Gründungszeit um ein Instrument der Agrarpolitik — auch der Mittelstandspolitik —handelt, will es mir zweckmäßig erscheinen, daß auch der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft damit befaßt wird, womit ich des Beifalls meines Kollegen Horlacher gewiß bin.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124508400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.


Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0124508500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Begründung des Gesetzentwurfs der Regierung verspricht nur solche Maßnahmen, die zur reibungslosen Durchführung des bestehenden Gesetzes dienen sollen. Tatsächlich geht der Gesetzentwurf jedoch wesentlich weiter, vor allem soweit es sich um das Verbot der Verwendung nicht betriebseigener Stoffe handelt, soweit es sich um die Vertretung von Erzeugern, Verarbeitern und Verbrauchern und ihre Rechte handelt, ebenso, soweit ein Finanzmonopol geschaffen werden soll und eine Ermächtigung an den Finanzminister gegeben wird, neue Eigenbrennrechte zu schaffen. Diese Punkte sind in dem vorgelegten Gesetzentwurf meiner Ansicht nach weitergehend geregelt, als es notwendig wäre.
Die Gestaltung der Vertretung der Brenner, der Verbraucher und der Verarbeiter in der jetzigen Regelung ist auf Grund des Führerprinzips 1934 so durchgeführt worden, daß praktisch der Beirat verschwunden ist und gleichzeitig damit das Mitbestimmungsrecht der Brenner beseitigt worden ist. Es ist also unzutreffend, wenn in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt ist, daß man dem Gewerbeausschuß einen anderen Namen geben müsse, indem man ihn Beirat nenne, und daß er dann sinngemäß nur eine beratende Funktion haben könne. Hier werden zwei ganz verschiedene Entwicklungsreihen durcheinandergeworfen. Ursprünglich war es so, daß die Monopolverwaltung unter Mitwirkung des Beirats entschied. Der Beirat hat im wesentlichen ja die Funktion, die körperschaftliche Organisation der kleineren Brenner zu sein, deren Übernahmepreis von der Monopolverwaltung festgesetzt wird und die sonst überhaupt keine Möglichkeit hätten, ihre wirtschaftlichen Interessen im Monopol durchzusetzen und zur Vertretung zu bringen.

(Abg. Dr. Horlacher: Sehr richtig!)

Diese körperschaftliche Vertretung der kleinen und mittleren Brenner, die keine Einzelverträge mit der Monopolverwaltung schließen können — es sind ja über 45 000 Betriebe —, ist das Wesen des Beirats. Dieser Beirat muß dann natürlich auch ein Mitbestimmungsrecht und nicht nur das Recht der Mitberatung haben. In diesem Beirat haben dann aber auch die Monopolbrenner nichts zu suchen, die individuelle Verträge schließen können und deshalb einer solchen körperschaftlichen Vertretung ihrer Interessen der Bundesmonopolverwaltung gegenüber nicht bedürfen. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen Brennern einerseits, soweit es sich um Eigenbrenner handelt, und der Monopolverwaltung andererseits müßte in dem Gesetz entsprechend der vornationalsozialistischen Regelung wieder herbeigeführt werden. Es kann nicht richtig sein, daß man hier die Rechtsstellung völlig verschlechtert.
Ein zweiter Punkt, der geregelt werden soll, ohne daß irgendwelche Notwendigkeiten des Augenblicks dazu zwingen, ist das Verbot der Verwendung von Stoffen, die nicht im eigenen Betrieb erzeugt sind. Immer ist es so gewesen, daß in allen Betrieben, die vor 1902 gegründet worden sind — und das ist die Mehrzahl aller Betriebe —, auch betriebsfremde Stoffe verwendet werden durften. Im Regierungsentwurf ist ausgeführt worden, diese Regelung sei erst 1944 eingeführt worden. Das ist unzutreffend. Die alte Regelung soll jetzt beseitigt werden, ohne daß dazu ein zwingender Anlaß bestünde. Man könnte die Sache auf sich beruhen lassen, bis das gesamte Branntweinmonopolrecht neugefaßt wird. Soweit es sich um Betriebe handelt, die Roggen gebrannt haben und denen jetzt verboten ist, Korn zu brennen, ist es eine offenbare Unbilligkeit, ihnen ein solches Verbot aufzuerlegen.

(Abg. Dr. Wellhausen: Nur in der Hauptsache! Verboten wird es nicht!)

— Ja, in der Hauptsache, d. h. zu 90 oder wieviel Prozent. Darüber würde man im einzelnen noch sprechen können. Aber, Herr Kollege Wellhausen, ich wehre mich dagegen, daß man hier einen einzelnen Punkt herausgreift und regelt, obwohl keinerlei zwingende Notwendigkeit dazu besteht, der seit jeher anders geregelt war und dessen Regelung zahlreichen Betrieben, vor allem vielen Kleinbetrieben erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde, wenn man den Vorschlägen der Bundesregierung folgte. Es ist doch das agrarpolitische Ziel dieser Regelung, daß die gewonnene Schlempe den landwirtschaftlichen Ertrag insgesamt steigern soll. Sie soll nicht den betriebswirtschaftlichen Kreislauf eines einzelnen Betriebs, sondern der Schlempe-Kreislauf soll im volkswirtschaftlichen Zusammenhang die Gesamterträge steigern helfen. Deshalb ist auch die Begründung, die seitens des Bundesfinanzministeriums für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme gegeben wird, keineswegs zutreffend.
Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich kann nur noch kurz darauf hinweisen, daß auch die Fassung des § 177 mit der weitgehenden Ermächtigung an den Bundesfinanzminister, eventuell neue Brennrechte zu begründen, erhebliche Bedenken erwecken muß. Diese Fassung müßte eingeschränkt werden. Es müßte ein Verwendungsverbot für Sprit aus Monopolbetrieben für die menschliche Ernährung überhaupt hinzukommen. Das wird eine der Forderungen sein, die wir im Finanzausschuß im einzelnen zu begründen und vorzutragen haben.
Wenn ferner die Frage der parlamentarischen Kontrolle angeschnitten wird, so ist es nicht zutreffend, daß durch einen gesonderten Ausschuß oder durch die Wahl von Mitgliedern in einen Beirat dem System der Gewaltenteilung widersprochen oder dieser Grundsatz irgendwie in Zweifel gezogen würde. Tatsächlich ist es eine der vornehmsten Funktionen des Parlaments, derartige Institutionen zu kontrollieren. Das Haushaltsrecht sagt doch nichts anderes, als daß wir uns tatsächlich über jeden einzelnen Beamtenposten schlüssig werden müssen, ob wir ihn bewilligen wollen. Bei der Bundesmonopolverwaltung soll praktisch ein ähnliches Kontrollrecht gegen den Grundsatz der Teilung der Gewalten verstoßen! Ich vermag das nicht einzusehen, um so weniger, als wir ja früher auch eine andere Regelung hatten.
Ich glaube deshalb, daß dieses Gesetz im Ausschuß noch weitgehend umgearbeitet werden muß. Eine Reihe seiner Bestimmungen ist nicht aktuell. Eine andere Reihe müßte im Sinne meiner Ausführungen geändert werden. Ich hoffe, daß sich hierfür im Ausschuß eine Mehrheit finden wird.

(Beifall bei der FU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124508600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0124508700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, Herr Dresbach, warum Sie so böse mit mir sind. Überlassen Sie doch die Feststellungen über die Stellung der


(Dr. Gülich)

Sozialdemokratie zu einer solchen Frage uns, und stellen Sie nichts fest, was nur wir feststellen können. Ich habe früher schon gesagt und wiederhole es, damit keine Mißverständnisse entstehen: Ich habe mich zur Frage, ob Monopol oder nicht, nicht geäußert. Die Frage, ob Monopol oder nicht, steht gar nicht zur Debatte. Zur Debatte steht, daß das bisherige Branntweinmonopol endlich ordentlich geführt werden soll, nichts anderes. Ich möchte also nicht, daß später die Sozialdemokratie von Herrn Dresbach darauf festgelegt wird, sie habe das und das gesagt.
Die Fragen der landwirtschaftlichen Brennereien stehen heute nicht zur Debatte. Ich will Ihnen aber erklären, daß auch ich gar nicht daran denke, etwas historisch Gewachsenes einfach stören oder zerstören zu wollen.

(Abg. Dr. Dresbach: Bravo!)

Ich denke auch gar nicht daran, in die Verhältnisse der Obst- und Weinbrenner einzugreifen. Ich denke gar nicht daran, die landwirtschaftlichen Brenner jetzt zu stören. Das sind alles Dinge, die wir im Ausschuß erörtern werden. Das historisch Gewachsene wollen wir ehren. Wir wollen uns aber nicht, wie es jetzt mit dem Branntweinmonopolgesetz geschieht, einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung unter Mißbrauch eines Gesetzes, das in wesentlichen Teilen überholt ist, in den Weg stellen.
Ob die Monopolbrenner in den Ausschuß gehören, Herr Bertram, ist eine Spezialfrage; aber sie muß schon hier bejaht werden. Sie verneinten sie. Die Monopolbrenner machen genau so gut Sprit — auch die Monopolbrenner machen Primasprit —, und wir haben eine Spritbilanz, in der sie alle miteinander stehen, und eine Branntweinmonopolverwaltung mit großen Tanks, in die mancherlei zusammengegossen wird. Die Monopolbrenner gehören selbstverständlich in den Beirat. Die Unterscheidung zwischen Monopolbrennern und Eigenbrennern ist, glaube ich, überholt, und wir werden auch hier — ich zweifle nicht daran — im Ausschuß zu neuen Begriffen und neuen Formen kommen.
Da Herr Dresbach die Überweisung zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefordert hat, muß notwendigerweise auch die Mitberatung durch den Ausschuß für Wirtschaftspolitik erfolgen. Ich beantrage also, die Vorlagen federführend dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Für den Fall der Annahme des. Antrags Dresbach, sie auch dem Landwirtschaftsausschuß zu überweisen, beantrage ich die weitere Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124508800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0124508900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion verspricht sich nichts davon, wenn hier in der ersten Lesung auf Einzelheiten der ziemlich komplizierten Vorschriften eingegangen wird. Sie begrüßt es, daß die Regierung — ich darf sagen: endlich — mit ihren Novellen herausgekommen ist. Sie begrüßt es auch im Sinne der Ausführungen des Kollegen Gülich, daß eine Trennung der Gesetzesvorschriften nach Besteuerung und nach Bewirtschaftung vorgenommen worden ist. Sie ist aber nicht der Meinung des Herrn Gülich, bei diesem Gesetz handele es sich nun darum, daß das Monopol ordentlich geführt werde. Das ist eine Angelegenheit der Exekutive. Dafür haben wir eine Branntweinmonopolverwaltung usw. Der Hauptzweck der Novellen ist vielmehr unseres Erachtens, nazistische Einflüsse, insbesondere die Aufhebung des § 16 usw., jetzt wieder zu beseitigen.
Was die Mitwirkung der Wirtschaft angeht, so sind wir auch der Meinung, daß die Regierung sich etwas zuviel Zurückhaltung auferlegt hat, indem sie überhaupt nicht gesagt hat, woraus der Beirat bestehen soll. Auch der Bundesrat hat ja in dieser Beziehung eine Ergänzung verlangt. Die Interessentenverbände haben nun aus dem Beirat einen Mischmasch aus Bundestag und Bundesrat einerseits und aus Interessenten andererseits machen wollen. Auch das erscheint uns nicht als gegebene Lösung.
Hinsichtlich der Ermächtigungen ist bekannt, daß wir in diesem Punkt zurückhaltend sind. Wir werden es auch hier sein.
Ich glaube, es hat die landwirtschaftlichen Mitglieder dieses Hauses besonders beruhigt, daß Herr Gülich gesagt hat, die landwirtschaftlichen Brenner sollten nicht gestört werden. Diese Besorgnis besteht ja, glaube ich, Herr Horlacher. Aber wenn das so ohne Einschränkung, so bedingungslos erklärt wird, wird das für Sie eine Beruhigung sein.
Ob die Beruhigung so weit geht — was ich an sich begrüßen würde —, daß Sie Ihren Antrag auf mitberatende Beteiligung des Ernährungsausschusses zurückziehen, weiß ich nicht. Die Materie ist außerordentlich kompliziert, Herr Horlacher, und ich würde im Interesse einer reibungslosen Ausschußberatung schon empfehlen — denn da hat Herr Gülich natürlich vollkommen recht, wir kommen dann, ob wir das wollen oder nicht, um den Wirtschaftspolitischen Ausschuß nicht herum —, und ich sage das nicht, weil ich zufällig der Ausschußvorsitzende bin — ich würde es empfehlen, sich mit einer Beratung durch den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu begnügen.

(Abg. Dr. Horlacher: Ich bitte ums Wort!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124509000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0124509100
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete Wellhausen, der auch aus Süddeutschland stammt,

(Abg. Dr. Wellhausen: Jawohl!)

macht mir einen sehr gemütlichen und zutraulichen Eindruck. Das ist natürlich eine psychologische Vorfrage. Es kommt darauf an, daß im Finanz- und Steuerausschuß genügend Sachverständige vernommen werden,

(Abg. Dr. Wellhausen: Ja!)

insbesondere auch aus Süddeutschland. Ich brauche die Begriffe nicht näher zu erläutern. Der Finanz- und Steuerausschuß hat ja schon ohne Ermächtigung des Parlaments mit Rücksicht auf den SPD-Antrag die Sachverständigen vernommen. Aber es handelt sich um eine sehr komplizierte Materie. Ich war früher im Deutschen Reichstag — leider Gottes — mit der Sache einmal beschäftigt und weiß, daß das eine Geheimwissenschaft für sich ist. Hier geht es um eine Teilnovelle, und ich möchte nicht, daß die Geschichte zum Schluß zu einem Streitobjekt aller möglichen Interessentengruppen wird.
Ernährungsausschuß und Wirtschaftsausschuß? Dann bin ich schon lieber dafür — ich lasse mich


(Dr. Horlacher)

auch belehren —, daß der Finanz- und Steuerausschuß unter Zuziehung genügender Sachverständiger die Sache so weit klärt, daß man zu einem vernünftigen Gesamtergebnis kommt. Darum ziehe ich meinen Antrag auf Überweisung an den Ernährungsausschuß zurück. Ich bitte das Hohe Haus, es beim Finanz- und Steuerausschuß zu belassen. Ich bin selber stellvertretendes Mitglied des Finanz- und Steuerausschusses und werde dort schon erscheinen, wenn es notwendig ist.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124509200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0124509300
Ich möchte nicht agrarischer sein als mein Kollege Horlacher

(Heiterkeit)

und ziehe meinen Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hiermit zurück.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124509400
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft und somit auch die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Nach dem Wettbewerb der Zurückziehung der Überweisungsanträge besteht nur noch der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Ich darf wohl die Zustimmung des Hauses dazu annehmen, da nicht widersprochen wird. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 6 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes (Nr. 3926 der Drucksachen);
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Schmücker, Stücklen, Dirscherl, Eickhoff und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Reichsabgabenordnung (Nr. 3964 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat eine Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten und zu 6 b eine Begründungszeit von 5 Minuten vorgesehen. Zu 6 a hat die Regierung auf die gedruckte Begründung verwiesen.
Das Wort zur Begründung von 6 b hat Herr Abgeordneter Schmücker.

Dr. Kurt Schmücker (CDU):
Rede ID: ID0124509500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte, ich wäre auch in der glücklichen Lage und könnte auf eine gedruckte Begründung verweisen. Aber leider hat die Drucksachenstelle uns mitgeteilt, daß das Recht zu gedruckten Begründungen den Abgeordneten nicht zustehe. Da unser Antrag aus sich nicht sofort verständlich ist, ist es aber wohl notwendig, einige Worte über ihn zu sagen.
Wir haben uns in diesem Hohen Hause schon mehrfach mit Änderungen von Einkommensgrenzen befaßt, so bei der Sozialversicherung. Hier ist es ähnlich. Nach den gegenwärtigen Bestimmungen muß ein Unternehmer, der einen Gesamtumsatz von mehr als 100 000 DM oder ein Betriebsvermögen von mehr als 50 000 DM hat — bei Land-und Forstwirtschaft von mehr als 200 000 — und einen Gewerbeertrag von mehr als 6000 DM — bei der Land- und Forstwirtschaft sind es Reineinkünfte von über 6000 DM —, eine vollkommene kaufmännische Buchführung haben. Er ist also verpflichtet, über die einfache Einnahmeüberschußrechnung hinaus einen Vermögensvergleich vorzunehmen. Das ist für die kleineren Unternehmer sowohl der gewerblichen wie der agrarischen Wirtschaft eine ungeheure Belastung, und wir möchten darum die Richtsätze von 6000 auf 12 000 DM erhöht wissen.
Bei § 2 handelt es sich darum, daß bei Streitfällen zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerzahler die Finanzverwaltung auch dann mit den Erstattungen überkommen soll, wenn der Steuerzahler im Streitverfahren gesiegt und einen Steueranwalt gehabt hat. Bisher ist die Finanzverwaltung nur für Auslagen allgemeiner Art aufgekommen; es hieß:
Die Kosten der Zuziehung eines Bevollmächtigten oder eines Beistandes sind nicht erstattungspflichtig.
Diese Regelung möchten wir gern ändern, damit jedem die Möglichkeit gegeben ist, ein Verfahren durchzuführen. Heute ist es doch so, daß, wenn die Anwaltskosten nicht ersetzt werden, der kleinere Steuerzahler schon allein aus rechnerischen Überlegungen gar nicht zur Beschwerde kommt.
Wir bitten, daß diese Vorlage dem Ausschuß für Finanzen und Steuern überwiesen wird, und wir hoffen, daß die Regelung, die wir Ihnen hier vorschlagen, möglichst noch in diesem Jahre und mit Wirkung vom 1. Januar in Kraft treten kann.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124509600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung; zunächst über Punkt 6 a. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragt. — Andere Vorschläge liegen nicht vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Zu Punkt 6 b ist die Überweisung an den gleichen Ausschuß beantragt. — Dem ist nicht widersprochen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Damit sind die Punkte 6 a und 6 b erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen vom 15. September 1938 (Ausfuhrzoll-Liste) (Nr. 3973 der Drucksachen).
Dazu hat die Regierung auf die gedruckte Begründung verwiesen. Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, von einer Aussprache zur ersten Beratung abzusehen und die Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vorzunehmen. — Herr Abgeordneter Dr. Gülich!

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0124509700
Ich möchte nur zur Geschäftsordnung bemerken, daß es zwar eine Ausfuhrzollangelegenheit ist. Sie berührt aber so stark und ausschließlich das Melasseproblem, welches für die Spriterzeugung von besonderer Bedeutung ist, daß ich die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragen möchte; wenn das aber nicht ausreicht, dann jedenfalls mitberatend.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124509800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuhlemann zur Geschäftsordnung.


Christian Kuhlemann (DP):
Rede ID: ID0124509900
Meine Damen und Herren, ich muß hier widersprechen. Der Außenhandelsausschuß hat einen Zollunterausschuß, in dem diese Angelegenheiten durchgesprochen werden. Ich glaube unbedingt, daß es richtig ist, an dieser Methode festzuhalten.
Aber wir können Ihnen ja ohne weiteres Gelegenheit geben, in dieser Angelegenheit mitzuarbeiten. Ich würde dann also von mir aus veranlassen, daß Ihnen die Sachen, bevor wir sie erledigen, zur Bekanntmachung und zum Durchsprechen zugeschickt werden.

(Abg. Dr. Gülich: Einverstanden!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124510000
Damit ist also, Herr Dr. Gülich, Ihr Antrag zurückgezogen worden?

(Abg. Dr. Gülich: Ja!)

Es liegt nur noch der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. Dagegen ist kein Widerspruch mehr; es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Steuerliche Erleichterungen für Handwerks- und Kleingewerbebetriebe (Nrn. 3987, 3212 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0124510100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der angenehmen Lage, mich sehr kurz fassen zu können. Sie sehen auf der Drucksache Nr. 3987 unter Ziff. 1, daß beantragt wird, alle Punkte für erledigt zu erklären. Das geschieht erfreulicherweise nicht — wie öfter in Drucksachen — ohne eine Begründung, sondern zu jedem einzelnen der sieben Punkte ist der Grund angegeben, weshalb er als erledigt erklärt werden kann. Meines Erachtens ist der Antrag Drucksache Nr. 3212, der übrigens von der FDP-Fraktion stammt, ein Beweis dafür, daß dieses Haus doch Möglichkeiten hat, Vereinfachungen und Erleichterungen in der technischen Abwicklung des Steuer- und Finanzwesens durch vernünftige Verhandlungen der Interessentenverbände mit dem Finanzministerium durchzusetzen, und ich betrachte das als ein gutes Zeichen.
Was Ziffer 2 angeht, so wird die Bundesregierung ersucht, eine weitere Vereinfachung in buchhalterischer Beziehung durchzusetzen. Ich darf Sie bitten, auch diesem Punkt zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124510200
Das Wort wird nicht gewünscht. Eine Aussprache war im Hinblick auf die weitgehende Übereinstimmung auch nicht vorgesehen. Ich glaube, ich kann den gesamten Bericht und den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung stellen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung auch erledigt.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen (Nr. 3971 der Drucksachen).
Seitens der Regierung ist auf die gedruckte Begründung verwiesen. Der Ältestenrat ist davon ausgegangen, daß eine Aussprache zur ersten Beratung nicht stattfindet. Danach darf ich Ihnen vorschlagen, die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für gemeindepolitische Fragen zu beschließen, und zwar Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend und Ausschuß für Kommunalpolitik mitberatend.

(Abg. Dr. Horlacher: Die Gemeinden haben mit Rindviechern nichts zu tun! — Heiterkeit.)

— Es ist nicht widersprochen; ich darf die Zustimmung des Hauses annehmen.
Damit ist Punkt 9 erledigt.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Eichner, Lampl und Genossen betreffend Mittel für die Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch (Nr. 3965 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat eine Begründungszeit von 10 und eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0124510300
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl es sich hier um eine sehr wichtige Angelegenheit für die Landwirtschaft handelt, will ich trotzdem nicht allzu lange zur Begründung sprechen.

(Zuruf: Bravo!)

Ich möchte nur eines in diesem Hohen Hause hervorheben: in einer Frage waren wir uns einig —„Agrarier aller Parteien, vereinigt euch!" —;

(Heiterkeit)

wir waren uns einig, daß eine absolut freie Wirtschaft für die Landwirtschaft nicht das richtige ist.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Mellies: Das müssen Sie Herrn Erhard sagen!)

Herr Kollege Kriedemann, bitte, bekennen Sie das ruhig einmal; das wird mich sehr freuen! — Also eine gewisse Regelung ist notwendig.
Wir haben die Einfuhr- und Vorratsstellen geschaffen, damit wir gleichmäßig für Erzeuger und Verbraucher, soweit das möglich ist, einen für das Wirtschaftsjahr im allgemeinen durchhaltenden Preis sichern. Das ist der Sinn. Er liegt auch darin, daß die Einfuhren, soweit sie notwendig sind, entsprechend auf die inländische Produktion abgestellt werden. Deswegen ist es notwendig, meine sehr verehrten Herren von der Regierung — die jetzt nicht mehr da sind, weil ihnen dieser Punkt wahrscheinlich nicht mehr so ganz wichtig erscheint, aber er ist trotzdem wichtig —, daß Sie bei den Viehzählungen allmählich Obacht geben, daß die Rindviecher, die bei uns gezählt werden, keine Steuerobjekte sind.

(Heiterkeit und Zurufe.)

Denn wir müssen unter allen Umständen darauf achten, daß die statistischen Unterlagen nur für volkswirtschaftliche Zwecke verwendet werden, aber nicht für steuerliche. Das ist ein sehr wichtiger Grundsatz, denn sonst stimmen manche Unterlagen nicht, auf Grund deren die Berechnungen stattfinden.

(Lachen links.)



(Dr. Horlacher)

Es ist notwendig, daß das beachtet wird. Ich habe schon hinübergeschrieben und ich möchte eine Bestätigung haben, daß die statistischen Unterlagen, die allgemein volkswirtschaftlichen Interessen dienen, niemals zu steuerlichen Zwecken Verwendung finden können. Auch dürfen sie bei Bürgermeistern nicht angefordert werden. Das ist eine erste Grundlage, damit man richtig kalkuliert.
Nun kommt die andere Kalkulation bei der inländischen Seite. Wir können in der Landwirtschaft über eines nicht verfügen: über die Vegetationsverhältnisse, über Wind und Wetter und all die Ernährungsbedingungen, die notwendig sind. Haben wir momentan einen Überdruck der Erzeugung, so kann nach einigen Monaten wieder das Gegenteil eintreten. Deswegen ist es notwendig, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen rechtzeitig mit den nötigen Kreditmitteln versehen sind, damit sie eine Marktmanipulation — nicht zur Überhöhung, sondern zur Stabilisierung und zum Ausgleich der Preise — vornehmen können. So, wie heute die Dinge liegen, haben wir einen starken Einbruch in die Viehpreise zu verzeichnen; und da kommt dann die Klage der Verbraucher, daß sie sagen: „Trotz der gesenkten Viehpreise haben sich die Preise für die Verbraucher nicht angeglichen". Ich bin nicht so unvernünftig, zu behaupten, daß sich alles so angleichen könne, wie es ehedem der Fall war; denn da steht der eine dazwischen: das ist der Bur desfinanzminister mit seiner erhöhten Umsatzsteuer, mit seiner Phasenumsatzsteuer und mit allem, was drum und dran hängt. Aber man sollte doch die Gewißheit haben, daß der Verbraucher bei sinkenden Erzeugerpreisen in der Landwirtschaft auch wenigstens in den Genuß dieser sinkenden Erzeugerpreise kommt.

(Zustimmung in der Mitte.)

Ich sage das nämlich aus dem Grunde, weil auch das, Herr Kollege Kriedemann — da sind wir sicher einig —, zu einer Regulierung des Marktes beiträgt.

(Abg. Kriedemann: Selbstverständlich!)

— Dann ist es ja gut; dann sind wir uns so einig, daß ich auf eine weitere Begründung verzichten kann.
Wir werden uns dann im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten näher über die Dinge unterhalten. Ich bitte, meinem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß, den ich genannt habe, einhellig die Zustimmung erteilen zu wollen mit der Maßgabe, endlich den Bundesfinanzminister darüber zu belehren, daß zur Manipulierung des landwirtschaftlichen Marktes die nötigen Mittel zur Verfügung stehen müssen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124510400
Das Wort hat der Abgeordnete Eichner.

Josef Eichner (FU):
Rede ID: ID0124510500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 3965 möchte ich folgendes bemerken. Als seinerzeit die verschiedenen Marktgesetze geschaffen wurden — diese Marktgesetze wurden so ziemlich einstimmig angenommen —, haben wir uns in diesem Hohen Hause wohl alle angesichts dessen gefreut, daß gerade durch den Einbau der Einfuhr- und Vorratsstellen gewisse Schleusen errichtet werden sollten. Allerdings gehört auch das liebe Geld dazu, und leider hat solches bislang gefehlt, um den Markt entsprechend lenken zu können, damit wir endlich einmal zum Wohle des Erzeugers und des Verbrauchers bei konstanten Preisen bleiben. Gerade im vergangenen Herbst haben die Märkte durch den allgemeinen Futtermangel einen ziemlich hohen Auftrieb aufgewiesen und konnten nicht entsprechende Absätze erzielt werden. Ich glaube, daß gerade dadurch der Landwirtschaft größte Verluste entstanden sind, die nicht so leicht gutgemacht werden können. Wir sind der Auffassung, daß hier unbedingt der Kaufkraft des Konsumenten entsprochen werden muß, indem die Vieh- und Fleischpreise in einen gewissen Einklang gebracht werden. Damit würde, wie betont, der Absatz gehoben werden können. Es wurde ja schon vom Kollegen Horlacher vieles in seiner Begründung vorweggenommen. Ich möchte noch darauf verweisen, daß gerade wir von der Landwirtschaft aus das gleiche Interesse haben wie die Konsumenten. Darum bitten wir, den vorliegenden Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überweisen zu wollen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124510600
Das Wort hat Abgeordneter Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0124510700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da mich der Herr Kollege Horlacher ausdrücklich darum gefragt hat, möchte ich ihn doch daran erinnern, daß wir uns dem Gedanken der Marktordnung niemals verschlossen haben. Abgesehen davon, daß das, was man hier in. diesem Hause freie Wirtschaft nennt, nicht unsere Erfindung ist, haben wir an den Marktordnungsgesetzen — das wissen Sie j a — gutwillig und nützlich mitgearbeitet, und wir haben die Verantwortung für diese Gesetze mit übernommen, damit auch für die Einrichtung der Einfuhr- und Vorratsstellen usw. Der Appell ist also überflüssig. Aber unsere Mitarbeit, unsere Zustimmung bezieht sich immer nur auf echte Marktordnung und nicht nur auf einen Teil der Marktordnung, etwa auf die Preisstützung. Man sollte es mit aller Deutlichkeit und mit aller möglichen Lautstärke sagen, daß, wenn hier von Preisen geredet werden muß, die ins Rutschen gekommen sind, es sich immer nur um die Erzeugerpreise handelt. Hausfrauen, die zufällig einer solchen Diskussion zuhören sollten, würden vielleicht daran denken, daß wir in einem merkwürdigen Lande leben, denn die Preise, für die sie sich interessieren müssen, rutschen j a nicht.
Ich bin sehr froh darüber, daß in diesem Antrag das Problem der Verbraucherpreise einmal so deutlich angesprochen worden ist, wie es bisher noch nie geschehen ist, wenigstens nicht von Ihrer Seite. Ich meine, daß, wenn die Verbraucherpreise den Preisen auf den Erzeugermärkten folgen würden, vom Verbrauch her durch die gestiegene Nachfrage auch eine Korrektur an den hier und da zu verzeichnenden Preiseinbrüchen erfolgt wäre. Daß dort an einer bestimmten Stelle, die wir hier aus Freundschaftlichkeit heute abend nicht ausdrücklich beim Namen nennen wollen, das hängen bleibt, was sowohl den Erzeugern wie den Verbrauchern fehlt, und daß da mindestens in der Mitte lukrative Geschäfte gemacht werden, das sollte deutlich gesagt werden. Ich bin nur gespannt, wie weit dann bei Ihnen die Konsequenz gehen wird, wenn es sich um Maßnahmen handelt, mit diesem Zustande, mit dem, was da im Zwischenraum passiert, endlich einmal wirksam aufzuräumen. Davon kann sich niemand beschwert fühlen, der im Rahmen des Notwendigen Handel treibt, und die sich davon be-


(Kriedemann)

schwert fühlen könnten, haben hoffentlich in diesem Hause keinen Vertreter.
Herr Horlacher, ich möchte nicht hoffen, daß Ihre Bemerkung an den Finanzminister etwa den Eindruck erweckt hat, als ob es in der Landwirtschaft, von der manche Leute annehmen, sie mache keine Buchführung, eine doppelte Buchführung gäbe, etwa eine Buchführung, in der die Unterlagen für die Beschränkung der Einfuhr zusammengebracht werden, und eine andere Buchführung, nach der dann die Steuern berechnet werden. Die Rinder, soweit sie für die eine oder die andere Seite in Betracht kommen, müssen ja mindestens der Zahl nach immer auf dasselbe hinauslaufen. Nehmen wir also an, daß es hier nichts zu korrigieren gibt.
Noch eines zum Thema Einfuhr- und Vorratsstellen. Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, daß diese Einrichtungen nicht ausreichend funktioniert haben, vielleicht überhaupt nicht richtig funktioniert haben, weil es ihnen an den notwendigen Mitteln fehlt, um nun das zu tun, was ihnen das Gesetz als Aufgabe gestellt hat. Aber, verehrter Herr Kollege Horlacher, ein bißchen liegt das auch daran, daß man sich nicht auf der genügenden Breite um eine richtige Ausgestaltung der Einfuhr- und Voratsstellen bemüht hat. Wir haben manchmal doch hier auch in diesem Haus gehört, daß es im Grunde nur um das Geld geht, das gebraucht wird, um nun gerade die Rinder aus dem Markt zu nehmen, die im Augenblick auf diesem Markt in Überzahl vorhanden sind, und man aber gar nicht so viel Geld in Anspruch nehmen wollte, um so viel Rinder in die Einfuhr- und Vorratsstellen hineinzunehmen, wie man braucht, um mit Sicherheit über das ganze Jahr hindurch aus dem Vorrat einen vernünftigen Preis für den Verbraucher halten zu können. Von Marktordnung kann wirklich nur geredet werden, wenn tatsächlich mit gleichem Maße nach beiden Seiten gemessen wird. Ich hoffe, Herr Horlacher, daß wir uns auch darüber einig sind und daß wir das gemeinsam hinbringen werden, wenn wir uns im Ausschuß mit Ihrem Antrag zu befassen haben.
Ich bedauere — lassen Sie mich das zum Schluß noch sagen —, daß es die Umstände, insbesondere die starke Inanspruchnahme des Hauses und seiner Mitglieder bisher nicht möglich gemacht haben, den Auftrag zu erfüllen, den der Außenhandelsausschuß und der Ernährungsausschuß von diesem Hause bekommen haben, sich nämlich einmal mit dem ganzen Komplex der Einfuhr- und Vorratsstellen zu befassen, um festzustellen, wie denn das, was durch die Marktordnungsgesetze in Wirksamkeit gebracht worden ist, nun tatsächlich funktioniert. Ich hoffe, daß wir trotz der Schwierigkeiten, die im wesentlichen zeitliche Schwierigkeiten sind, und trotz der Tatsache, daß vielleicht das eine oder andere gesagt werden muß, was vor den Wahlen nicht überall gern gehört wird, uns doch noch wieder zusammenfinden, um diese Arbeit zu machen, die im Interesse des Funktionierens, des dauernden soliden Funktionierens der Marktordnung absolut notwendig ist. Denn auch in diesem Bereich ist, wenn man etwas anderes will, als im Gesetz drinsteht, wenn man vor allen Dingen mehr will, als eigentlich beabsichtigt war, die Gefahr ganz besonders groß, daß darüber alles verlorengeht.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0124510800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist wohl das Gegebene, die Überweisung an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorzunehmen.

(Abg. Dr. Horlacher: An den Haushaltsausschuß?!)

— Ja; es handelt sich ja schließlich um die Bereitstellung von Mitteln. Da wird wohl der Haushaltsausschuß in erster Linie in Frage kommen. Ich darf Ihnen also vorschlagen: Haushaltsausschuß als federführender, Ausschuß für .Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatender. Dem wird nicht widersprochen?

(Abg. Schoettle: Die Federführung beim Haushaltsausschuß scheint mir etwas merkwürdig!)

— Nicht beim Haushaltsausschuß? — Also gut, drehen wir es um, nehmen wir die Federführung beim Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. Ist das Haus damit einverstanden, daß dann der Haushaltsausschuß mitberatend eingeschaltet wird?

(Zustimmung.)

— Dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Notenwechsel vom 19. und 28. Dezember 1951 zu dem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Nr. 3980 der Drucksachen).
Die Regierung verweist dazu auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat war der Ansicht, daß die erste Beratung ohne Aussprache erfolgen sollte. Unter diesen Umständen darf ich Ihnen vorschlagen, die Überweisung an den ERP-Ausschuß zu beschließen.

(Abg. Niebes: Ich möchte dem widersprechen!)

— Wem widersprechen Sie?

(Abg. Niebes: Ich widerspreche dem, daß die Sache ohne Aussprache an den Ausschuß verwiesen wird!)

— Ja, meine Damen und Herren, wenn eine Aussprache gewünscht wird, — —

(Widerspruch — Abg. Mellies: Bitte abstimmen lassen über den Vorschlag des Ältestenrats!)

— Meine Damen und Herren, ich möchte Sie fragen: Sind Sie mit dem Vorschlag des Ältestenrats, daß zur ersten Beratung keine Debatte stattfindet, einverstanden?

(Rufe von der Mitte: Ja!)

Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit überwältigender Mehrheit angenommen. Das Haus verzichtet also auf die Aussprache.
Nun haben wir darüber abzustimmen, ob die Überweisung an den Ausschuß für den Marshall-plan stattfinden soll.

(Zuruf: Auch an den Außenhandelsausschuß!)

— Der Vorschlag der Überweisung an den Marshallplan- als den federführenden Ausschuß ist also angenommen. Es wird zusätzlich Überweisung an den Ausschuß für Außenhandel gewünscht. —


(Vizepräsident Dr. Schäfer)

Dem wird nicht widersprochen. Ich darf die Zustimmung des Hauses dazu annehmen.
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht Nr. 61 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 744).
Dazu darf ich die Zustimmung des Hauses annehmen.
Ich rufe Punkt 13 auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 745).
Auch da darf ich die Zustimmung des Hauses annehmen.
Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Sitzung, die 246. Sitzung des Deutschen Bundestages, wird auf Donnerstag, den 22. Januar 1953, 9 Uhr vormittags, einberufen.
Die 245. Sitzung ist geschlossen.