Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf einer Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz vorzulegen. Mit der Begründung dieses Entwurfs werde ich zugleich eine kurze Stellungnahme zu dem Entwurf, der heute von der CDU/CSU vorgelegt worden ist, verbinden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wohnungswirtschaft unterliegt grundsätzlich den gleichen wirtschaftlichen Gesetzen wie die gewerbliche und die agrarische Wirtschaft. Wenn trotzdem auf dem Gebiete der sozialen Marktwirtschaft auch heute noch für die Wohnungswirtschaft gewisse Zwangsvorschriften gelten und vorerst auch noch nicht völlig aufgehoben werden können, so hängt das mit der besonderen Struktur der Wohnungswirtschaft zusammen. Ein Eingreifen des Staates wird immer auf den Gebieten erforderlich sein, in denen eine erhebliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nicht in kurzer Zeit überwunden werden kann. Wenn in normalen Zeiten in der gewerblichen Wirtschaft Mangelerscheinungen auftreten, so lassen sich diese in den meisten Fällen durch Produktionssteigerung in verhältnismäßig kurzer Zeit beheben. Anders ist es auf dem Gebiete der Wohnungswirtschaft. Die Lücke, die hier zwischen dem Bestand und dem Bedarf an Wohnungen klafft, läßt sich nicht im Verlauf weniger Jahre schließen. Dies hat dazu geführt, daß
Mittel der öffentlichen Hand in weitem Umfang in Anspruch genommen werden mußten, um die Bautätigkeit anzuregen und zu beschleunigen.
Unter der Geltung des Ersten Wohnungsbaugesetzes ist es gelungen, innerhalb des Zeitraums von drei Jahren mehr als eine Million Wohnungen zu erstellen. Damit steht die Bundesrepublik im Wohnungsbau an der Spitze der europäischen Völker. Trotzdem fehlen, zumal der Wohnungsbedarf durch neue Familiengründungen immer wieder eine Erhöhung erfährt, noch ungefähr vier Millionen Wohnungen.
Die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Wohnungswirtschaft und die allmähliche Loslösung von staatlicher Hilfe muß das Ziel des Bundesministers für den Wohnungsbau sein. Dieses Ziel, das auch eine mit der Herstellung der Wirtschaftlichkeit verbundene Anregung der privaten Bautätigkeit in sich schließt, kann nur schrittweise erreicht werden.
Von diesem Gedanken ließ sich der Ihnen heute vorgelegte Entwurf der Novelle leiten. Dieser Entwurf will Mängel des Ersten Wohnungsbaugesetzes, die sich im Laufe der Jahre gezeigt haben, beseitigen; er will aber auch das starre Gefüge der Wohnungswirtschaft auflockern, soweit es heute möglich und vertretbar erscheint. Er will dazu beitragen, daß die Wirtschaftlichkeit des Wohnungsbaus allmählich wiederhergestellt wird und die private Bautätigkeit eine Anregung und einen Ansporn erhält. Und noch ein weiteres, meine Damen und Herren: diese Novelle hat es sich auch zur Aufgabe gesetzt, den Eigentumsgedanken besonders herauszustellen und zu stärken.
Wenn ich nun auf die Neuerungen, die die Regierungsvorlage enthält, in kurzem eingehen soll, so stelle ich voraus, daß sich diese Neuerungen in verschiedene Gruppen einteilen lassen, von denen ich die wichtigsten hervorheben möchte.
Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände haben nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz den sozialen Wohnungsbau als vordringliche Aufgabe mit dem Ziel zu fördern, daß innerhalb von sechs Jahren möglichst 1,8 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus geschaffen werden. Dieses Ziel ist in den vergangenen Jahren zwar erreicht worden; doch hat es sich als Mangel des Ersten Wohnungsbaugesetzes herausgestellt, daß die Erfüllung des Programms durch das Gesetz selbst nicht finanziell gesichert war. Die gesetzliche Sicherstellung eines vom Bund für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellenden Festbetrages ist um so notwendiger geworden, als nach dem Lastenausgleichsgesetz aus der Wohnraumhilfe in Zukunft wesentlich weniger Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen werden, als es bisher unter der Geltung des Soforthilfegesetzes der Fall gewesen ist. Die Regierungsvorlage sieht daher vor, daß der Bund zur Erfüllung des jährlichen Bauprogramms in den Rechnungsjahren 1953 bis 1956 aus Haushaltsmitteln einen Betrag von je 500 Millionen DM zur Verfügung zu stellen hat. Die im Wohnungsbau besonders wichtige Kontinuität ist damit gewährleistet.
Für das Baujahr 1953 ist es gelungen, einen Betrag von bisher 400 Millionen DM auf die Länder zu verteilen. Damit ist für das laufende Jahr ein frühzeitiger Baubeginn ermöglicht. Ich darf der Erwartung Ausdruck geben, daß die Länder ent-
sprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch ihrerseits Mittel für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen werden; denn sie tragen gemeinsam mit dem Bund die Verantwortung für die Aufbringung der erforderlichen öffentlichen Mittel.
Ein besonderes Kernstück sind die Vorschriften, die der Beschaffung von Einzeleigentum dienen sollen. Als das Erste Wohnungsbaugesetz im Jahre 1950 verabschiedet wurde, kam es im Hinblick auf die ungeheure Wohnungsnot in erster Linie darauf an, so schnell wie nur irgend angängig möglichst viele Wohnungen zu erstellen. Dieses Ziel ist in den vergangenen Jahren auch erreicht worden.
Es scheint nun aber die Zeit gekommen, von einer mehr auf das Quantitative ausgerichteten Wohnungspolitik abzugehen und auch die Qualität des Wohnungsbaus in den Vordergrund der Erwägungen zu stellen. Hierzu gehört vor allem die Schaffung von familiengerechten Heimen und von Wohnungen, die im Eigentum ihrer Bewohner stehen. Deshalb ist es das gemeinsame Anliegen des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung, daß in Zukunft die bereitgestellten öffentlichen Mittel in verstärktem Umfang für den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und sonstigem Wohnungseigentum verwendet werden. Die Erfüllung dieses Anliegens habe ich seit Beginn meiner Amtszeit in Fortsetzung der von meinem verstorbenen Vorgänger Eberhard Wildermuth verfolgten Wohnungspolitik als besonders wichtige Aufgabe betrachtet. Ich habe deshalb unverzüglich nach meinem Amtsantritt meinem Ministerium den Auftrag erteilt, in dem in Bearbeitung befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Ersten Wohnungsbaugesetzes diesen bisher zwangsläufig zu kurz gekommenen Forderungen zu entsprechen. Außerdem habe ich schon bei meiner Amtsübernahme einen Betrag von 50 Millionen DM für Eigenheime eingesetzt. Diese Aktion ist bereits angelaufen.
Die Regierungsvorlage enthält zur Erreichung dieses Ziels folgende Neuerungen: Beim Neubau von Wohnungen wird für Eigenheime und Kleinsiedlungen gesetzlich ein Vorrang festgelegt. Ich schließe mich hier der Auffassung des Herrn Kollegen Lücke an, daß, wenn es irgend möglich ist, mit dem Eigenheim auch ein Kleingarten verbunden werden soll. Ich- möchte hier noch einmal betonen, daß die Verstärkung des Eigentums meiner Auffassung nach nicht nur im sozialpolitischen, sondern auch im staatspolitischen Interesse liegt. Denn Eigentum stärkt auch den Staatsgedanken. Ich glaube, das ist in der heutigen Zeit sehr notwendig.
Darüber hinaus sollen die obersten Landesbehörden verpflichtet sein, angemessene Prozentsätze für die öffentlichen Mittel festzulegen, die ausschließlich zur Förderung dieser Bauvorhaben zu verwenden sind. Ferner wird es dem Bundesminister für Wohnungsbau zur Pflicht gemacht, dafür Sorge zu tragen, daß die Hälfte des alljährlich bereitzustellenden Betrags von 500 Millionen DM für den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen eingesetzt wird.
Ich möchte ausdrücklich auch auf die Eigentumswohnungen, auf das sogenannte Wohnungseigentum, hinweisen. Ich weiß, daß es bisher noch nicht gelungen ist, dieses Wohnungseigentum so populär zu machen, wie es das verdient. Die Schwierigkeiten lagen insbesondere in der Beschaffung der ersten Hypothek oder überhaupt der Hypotheken, da die Kapitalsammelstellen oft noch Sorge trugen, Einzelbeleihungen vorzunehmen. Sie zogen lieber eine Gesamtbeleihung in Betracht. Ich habe mich bemüht, gerade auch bei den Kapitalsammelstellen den Gedanken der Eigentumswohnung oder des Wohnungseigentums besonders hervorzuheben, und sie darum gebeten, wenn irgend möglich auch zur Einzelbeleihung überzugehen. Ich hoffe, daß diese Rechtsform, die besonders in den romanischen Ländern sehr bedeutende Erfolge aufzuweisen hat — man hat mir beispielsweise gesagt, daß man sich in Italien und Frankreich ohne die Rechtsform des Stockwerkseigentums, wie es dort genannt wird, den Wiederaufbau gar nicht habe vorstellen können —, bei uns noch weitere Fortschritte macht und in das allgemeine Bewußtsein unserer Bevölkerung eindringt.
Die besondere Förderung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen, die die Regierungsvorlage den durchführenden Stellen zur Pflicht macht, wird von der Bundesregierung als eine soziale Maßnahme von hervorragender Bedeutung angesehen. Sie soll dazu dienen, den Schichten unseres Volkes, die aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage sind, zu dem Erwerb eines ihren Wohn- und Lebensbedürfnissen entsprechenden, in ihrem Alleineigentum stehenden Heimes zu verhelfen. Dies erscheint mir um so wichtiger, als das Eigenheim nach meiner Auffassung die beste Grundlage für eine gesunde und sozial gesicherte Entwicklung der Familie ist. Ich kann hier auf die ausgezeichneten Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Lücke, mit denen ich völlig einig gehe, Bezug nehmen. Gerade in dieser Verbindung breiter Schichten des Volkes mit dem heimatlichen Boden sieht die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Festigung und zum sozialen Ausgleich bei den Volkskreisen mit geringerem Einkommen.
Die mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Eigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen sollen wie bisher den Bevölkerungskreisen zugute kommen, deren Einkommen in der Regel nicht über die Grenze der Sozialversicherungspflicht hinausgeht. Dabei sollen Bauherren, die zum Bau ihres Eigenheims oder ihrer Kleinsiedlung durch beispielhaften Arbeitswillen und Sparsamkeit einen wesentlichen Teil der Baukosten selbst aufbringen und deshalb nur die Hälfte des sonst üblichen Förderungsbeitrags beanspruchen und benötigen, besonders begünstigt werden. Ihnen soll der erbetene Beitrag von der öffentlichen Hand als Zuschuß gewährt werden. Die Bundesregierung will durch diese zusätzlichen Vergünstigungen einen Anreiz dazu schaffen, daß der Sparwille für Eigenheime immer mehr an Boden gewinnt.
Der von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen verfolgt, wie ich bereits ausführte, die gleichen Ziele wie die Regierungsvorlage. Er stellt sie in einzelnen Punkten noch stärker heraus. Im ganzen gesehen darf ich sagen: ich bin dankbar dafür, daß insoweit meine Bestrebungen eine so starke grundsätzliche Unterstützung von seiten der größten Partei des Deutschen Bundestages erfahren. In dem Gesetzentwurf der CDU/CSU sehe ich in der großen Linie einen Bundesgenossen für das von der Bundesregierung verfolgte Ziel, in
möglichst großem Umfange bei der Durchführung des öffentlich geforderten sozialen Wohnungsbaus Einzeleigentum zu schaffen.
Meine Damen und Herren, trotz der verstärkten Förderung des Baus von Eigenheimen werden wir aber auch in Zukunft im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus die Mietwohnungen nicht entbehren können. Unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen ist es z. B. nicht jeder Familie möglich, schon jetzt zu übersehen, ob der augenblickliche Aufenthaltsort auf die .Dauer der Mittelpunkt ihrer Existenz bleiben wird. Auch dem auf Freizügigkeit Wert legenden Teil der Bevölkerung muß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus geholfen werden. Auch für diese Familien, die den Mietwohnungen den Vorrang geben und vielleicht geben müssen, sollen familiengerechte Wohnungen geschaffen werden. Diesen Erfordernissen trägt die Regierungsvorlage Rechnung. Während bisher die gesetzliche Höchstgrenze für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus 65 qm betrug, sieht der Entwurf eine Heraufsetzung auf 80 qm vor. Die Mindestgrenze betrug bisher 32 qm und soll nunmehr auf 40 qm erhöht werden. Diese Grenze kann für den Bau familiengerechter Wohnungen bis zu 120 qm überschritten werden und darüber hinaus im angemessenen Umfange, soweit es zur Unterbringung kinderreicher Familien erforderlich erscheint. Wenn es der Raumbedarf kinderreicher Familien notwendig macht, sollen also in Zukunft Wohnungen auch über die bisherigen Grenzen des Gesetzes hinaus in der familiengerechten Größe mit öffentlichen Mitteln gefördert werden können.
Daß dabei die von der öffentlichen Hand zu gewährenden Darlehen in der Regel höher sein müssen als in den Fällen, in denen eine Wohnung mit erheblich geringerer Wohnfläche geschaffen wird, ergibt sich bereits aus der jetzt geltenden Fassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes. Es bleibt zu erwägen, für diese Fälle die Bewilligung höherer öffentlicher Darlehen im Wege einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift sicherzustellen.
Für den öffentlich geförderten Wohnungsbau sind im Ersten Wohnungsbaugesetz die von den Länderregierungen zu erlassenden Mietrichtsätze auf 1 DM, in Ausnahmefällen auf 1,10 DM je Quadratmeter Wohnfläche im Monat festgesetzt. Meine Damen und Herren, diese Bestimmung der Höchstgrenze der Mietrichtsätze durch ein Bundesgesetz hat sich nicht bewährt. Seit dem Erlaß des Ersten Wohnungsbaugesetzes im Frühjahr 1950 sind namentlich als Folge des Korea-Krieges die Baukosten um mehr als 25 % angestiegen. Mit dieser Entwicklung hat der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau bei den unverändert gebliebenen Höchstgrenzen von 1 DM bis 1,10 DM nicht Schritt gehalten. Die Folge war vielfach ein Absinken des Wohnungsstandards. Die Bauherren sahen sich genötigt, die erhöhten Finanzierungsschwierigkeiten durch eine Verringerung der Wohnungsgrößen oder durch eine Verschlechterung der Wohnungsausstattung abzufangen. Dieses Ergebnis steht jedoch in stärkstem Gegensatz zu all den Bemühungen, familiengerechte Wohnungen in angemessener Zahl im Rahmen des Bauprogramms zu schaffen. Es ist daher notwendig, die Ertragslage der neugeschaffenen Wohnräume zu verbessern, um in erhöhtem Ausmaße Mittel des Kapitalmarktes und Eigenkapital in den Wohnungsbau fließen zu lassen.
Die Voraussetzungen für einen erhöhten Einsatz erststelliger Hypotheken für die Abdeckung der angestiegenen Baukosten sind durchaus gegeben, weil die Spartätigkeit der Bevölkerung im Laufe der letzten Jahre erfreulicherweise von Monat zu Monat zugenommen hat. Hinzu kommt, daß von dem soeben in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes neue Impulse für die Belebung des Sparwillens unserer Bevölkerung erwartet werden können. Der Einsatz höherer erster Hypotheken ist aber im sozialen Wohnungsbau nur möglich, wenn der Mietertrag für die Begleichung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen auch ausreicht. Bei der bisherigen Richtsatzmiete ist die Ertragsdecke hierfür zu knapp.
Es bedarf demzufolge einer Auflockerung der Richtsatzmieten. Dabei ist niemals daran gedacht worden, auf eine obere Grenze der Mieten im sozialen Wohnungsbau heute schon ganz zu verzichten. Das wäre aus sozialen Gründen heute auch noch nicht zu vertreten. Wohl aber wird eine Auflockerung des Richtsatz-Mietensystems in der Weise verantwortet werden können, daß die oberste Grenze der Mietrichtsätze um einen gewissen, der Baukostensteigerung entsprechenden Anteil heraufgesetzt wird.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine solche Neuordnung der Richtsatzmieten auch vom sozialen Standpunkt aus durchaus vertretbar ist; denn was auch immer hiergegen eingewendet werden mag, man kommt nicht an der Tatsache vorbei, daß sich seit 1950 nicht nur das Preisgefüge, sondern auch das Lohnniveau ganz wesentlich gehoben hat. Das durchschnittliche Einkommen der Industriearbeiter, für die j a in erster Linie die Wohnungen bestimmt sind, hat sich seit 1950 im Brutto-Betrag um 31 % und im Netto-Betrag um 28 % erhöht. Auch bei Berücksichtigung des Umstandes, daß der Lebenshaltungsindex vom April 1950 bis August 1952 um rund 9 % gestiegen ist, hat sich der Reallohn des männlichen Industriearbeiters in dieser Zeit um 17 % erhöht, also über die allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten hinaus.
Meine Damen und Herren! Man könnte mir vielleicht entgegenhalten, daß aber viele andere nicht im Erwerbsleben stehende Schichten — Kleinrentner, Vertriebene, Fürsorgeempfänger und andere wirtschaftlich besonders schwache Kreise — von einer Richtsatz-Mietenerhöhung schwer betroffen würden. Hier nötigenfalls einzugreifen, ist meiner Auffassung nach Sache der Sozialpolitik, nicht Sache des Wohnungsbaus.
Der Wohnungsbau muß Schritt für Schritt einer
wirtschaftlichen Gesundung zugeführt werden. Das
haben auch Sie selbst, meine Herren, schon wiederholt anerkannt. Wenn die Novelle nun einen
ersten Schritt auf diesem Wege tut, dann bitte ich,
das nicht mißdeuten oder als unsozial brandmarken
zu wollen; derartiges liegt uns vollkommen fern.
Im übrigen bedeutet eine Heraufsetzung der Richtsatz-Mietgrenze auf etwa 1,20 bis 1,30 Mark keineswegs, daß in allen Fällen diese Höchstgrenze ausgeschöpft werden muß.
Zu dem im Ersten Wohnungsbaugesetz enthaltenen Förderungssystem, das die Schließung der
Finanzierungslücke der öffentlichen Hand überläßt, ist verschiedentlich kritisiert worden, daß sich Verantwortung und Risiko zu sehr von dem privaten Bauherrn oder überhaupt von dem Bauherrn auf den Staat verlagert hätten. In dieser Kritik steckt zweifellos ein berechtigter Kern. Auf die Dauer gesehen ist, wie bereits erwähnt, eine mehr marktwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechende Finanzierung des Wohnungsbaues anzustreben mit dem Fernziel, daß der Bauherr wieder volle Verantwortung und volles Risiko für den Bau der Wohnungen, ihre laufende Bewirtschaftung und ihre laufende Instandsetzung zu tragen hat.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich entschlossen, diesem Gedankengang auf einem Teilgebiet des öffentlich geförderten Wohnungsbaues in bestimmten Sonderfällen zu entsprechen. Beim Wiederaufbau, beim Bau von Wohnungen in vorteilhafter Lage sowie beim Bau von Wohnungen mit überdurchschnittlichem Wohnwert ist daher eine Abweichung von dem üblichen Finanzierungssystem des Wohnungsbaugesetzes vorgesehen. Die öffentlichen Mittel sollen für diesen sogenannten differenzierten sozialen Wohnungsbau, für den Wohnungsbau B, in beschränktem Umfang zu einem gleichbleibenden Zinssatz oder zinslos und zu einem gleichbleibenden Tilgungssatz gewährt werden. Ein gleitender Zinssatz, wie er bei dem öffentlich geförderten Wohnungsbau durch das Wohnungsbaugesetz allgemein vorgeschrieben war, ist hier also nicht in Aussicht genommen. Dafür soll dem Bauherrn als Ausgleich die Möglichkeit gegeben werden, nach wirtschaftlichen Grundsätzen eine Miete selbstverantwortlich zu bilden und zu erheben. Diese Miete darf indessen nicht höher sein als der den geltenden Mietrichtsatz um ein Drittel übersteigende Betrag.
Es ist zu erwarten, daß bei einem derartigen Finanzierungssystem in stärkerem Umfang Mittel des Kapitalmarktes, sonstige private Mittel und Eigenleistungen des Bauherrn in den Wohnungsbau fließen. Ich erwarte gerade von dieser Maßnahme, daß sie auch eine Belebung der privaten Bautätigkeit bringen wird. Damit würde sich infolge stärkerer Inanspruchnahme der ersten Hypotheken zugleich eine Einsparung öffentlicher Mittel, die ja bekanntlich an zweiter Stelle gegeben werden, ergeben. Die Novelle trägt diesen Gesichtspunkten dadurch Rechnung, daß sie bestimmt, daß öffentliche Mittel für den differenzierten sozialen Wohnungsbau nur bewilligt werden dürfen, wenn sie in geringerer Höhe als sonst beansprucht werden.
Die Bundesregierung hofft, daß durch dieses Finanzierungssystem in stärkerem Maße marktwirtschaftliche Gesichtspunkte im sozialen Wohnungsbau zur Geltung kommen, wobei Mißbräuchen vorgebeugt werden kann. Vor allem kann auch erwartet werden, daß durch die besondere Form des differenzierten sozialen Wohnungsbaues der Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne einen wesentlichen Auftrieb erfährt. Gerade beim Wiederaufbau der in den Großstädten noch vorhandenen Zerstörungen hat es sich in der Praxis gezeigt, daß die Finanzierung auf der Grundlage der bisherigen Mietrichtsätze nicht mehr möglich ist. Es kann aber nicht verantwortet werden, daß die Trümmerflächen im Inneren unserer Städte weiterhin unbenutzt bleiben und auch der Bau der Geschoßwohnungen sich auf die Randflächen und Außengebiete unserer Großstädte verlagert. Um demgegenüber für einen verstärkten Wiederaufbau genügend Anreize zu schaffen, ist das neue Finanzierungssystem des differenzierten sozialen Wohnungsbaues in die Regierungsvorlage aufgenommen worden. Dies entspricht auch einer übereinstimmenden Forderung der Fachleute der Länder, die sich hierbei auf ihre reichhaltigen Erfahrungen bei der praktischen Durchführung des Wiederaufbaues berufen konnten.
Meine Damen und Herren, auch für den steuerbegünstigten Wohnungsbau bringt die Regierungsvorlage eine marktwirtschaftlichen Grundsätzen mehr Rechnung tragende Änderung. Nach der bisherigen Fassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes durfte der steuerbegünstigte Wohnungsbau die Kostenmiete bis zum Höchstbetrag von 1,50 DM pro Quadratmeter Wohnfläche erheben. Wenn nun zum Bau der Wohnungen Darlehen oder Zuschüsse verwendet worden sind, für die Einkommensteuervergünstigungen nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes in Anspruch genommen worden sind, so stellt diese Begrenzung auf höchstens 1,50 DM pro Quadratmeter meines Erachtens eine zu starke Einengung dar. Wir haben uns deshalb entschlossen, in der Novelle die Begrenzung auf 1,50 DM fallen zu lassen. In Zukunft soll also auch dem Bauherrn der steuerbegünstigten Wohnungen, die mit 7c-Mitteln geschaffen worden sind, die Vereinbarung einer echten Kostenmiete gestattet sein, wobei, wie gesagt, die frühere Höchstgrenze von 1,50 DM in Wegfall kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind im wesentlichen die Grundzüge der Ihnen heute vorgelegten Novelle.
— Schlecht? Das ist Auffassungssache, Herr Kollege Meyer. Wir werden uns darüber ja noch im Ausschuß unterhalten können.
Der Regierungsentwurf der Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz war bereits am 28. Oktober von der Bundesregierung verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet worden. Der Bundesrat hat am 21. November zu diesem Entwurf eingehend Stellung genommen. Er hat, wie Sie aus der vorliegenden Drucksache ersehen können, mehr als 40 Änderungsanträge gestellt. Die Ausschüsse des Bundesrats hatten sogar noch mehr Änderungsanträge vorgesehen. Die Bundesregierung hat Änderungsanträgen insoweit stattgegeben, als sie zu einer Verbesserung des Gesetzestextes führten. Dagegen hat sie in allen grundsätzlichen Punkten, denen der Bundesrat seine Zustimmung versagt hatte, an der ursprünglichen Fassung der Novelle festgehalten, da sonst die vom Bundestag und der Bundesregierung verfolgte wohnungspolitische Zielsetzung nicht verwirklicht werden könnte.
Ganz besonders habe ich bedauert, daß sich der Bundesrat für eine Streichung gerade derjenigen Vorschriften eingesetzt hat, die dem Eigentumsgedanken stärker Rechnung tragen. Die völlige Ablehnung eines differenzierten Wohnungsbaus mit einer selbstverantwortlich gebildeten, nach wirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichteten Miete durch den Bundesrat hat mich ebenfalls überrascht, da, wie ich bereits vorgetragen habe, gerade diese Form einer Wohnungsbaufinanzierung von den Sachverständigen der Länder meinem verstorbenen Amtsvorgänger besonders vorgeschlagen worden war.
Ich bitte nun das Hohe Haus, mich demgegenüber bei der Verfolgung der in der Novelle aufgezeigten Wege zu unterstützen und der Regierungsvorlage in der Fassung, wie sie sich auf Grund der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats ergibt, im Grundsätzlichen zuzustimmen. Ich habe vorhin bereits meiner Freude darüber Ausdruck gegeben, 'daß die vom Bundesrat in verschiedenen Punkten nicht gebilligte Regierungsvorlage nun im Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU zur Schaffung von Familienheimen in wesentlichen Punkten unterstützt wird. Ich sehe es daher als durchaus der Sache 'dienlich an, wenn beide Gesetzentwürfe im 18. Ausschuß gemeinsam beraten werden. Dazu kommt, daß diesem ja bereits vor einiger Zeit ein als Initiativantrag eingebrachter Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes überwiesen worden ist. Ohne der Entscheidung des Hohen Hauses irgendwie vorgreifen zu wollen, darf ich bei dieser Sachlage meine Auffassung dahingehend zusammenfassen, daß ich eine gemeinsame Beratung der drei Gesetzentwürfe im 18. Ausschuß für zweckmäßig ansehe. Es wird sich dann zeigen, ob eine Zusammenfassung des gesamten Gesetzgebungsmaterials in einer einheitlichen Novelle zum Wohnungsbaugesetz möglich ist, oder ob es sich empfiehlt, neben der Novelle die Bestimmungen über die Förderung des Eigenheimbaus in einem besonderen Gesetz zusammenzufassen.