Rede von
Wilhelm
Mellies
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege K r o n e irrt, wenn er glaubt, es beständen Zweifel darüber, ob solche Mißbilligungsanträge zulässig seien. Wir haben nicht nur solche Mißbilligungsanträge praktisch hier schon beraten und darüber Beschluß gefaßt,
sondern es haben sich auch verschiedene Ausschüsse damit beschäftigt, u. a. der Rechtsausschuß. In einem Schreiben an den Herrn Präsidenten dieses Hauses ist darauf hingewiesen worden, daß der Rechtsausschuß einmütig der Auffassung sei, daß Mißbilligungsanträge zulässig seien und daß auch darüber abgestimmt werden könne. Ich glaube also, eine Debatte darüber wäre nicht mehr notwendig. Ich will das im einzelnen nicht vertiefen, obwohl dazu eine ganze Reihe interessanter Äußerungen vorliegt. Der Herr Kollege Krone hat das ja auch nicht zur Hauptbegründung seines Antrags angeführt. Er hat darauf hingewiesen, daß es nicht zweckmäßig sei, die Anträge jetzt zu beraten.
Wenn er seine Begründung damit beschlossen hätte, wäre das die wirkliche und richtige Begründung gewesen; denn sie hätte dargetan, daß die Koalition im Augenblick und wahrscheinlich auch in nächster Zukunft die Beratung dieser Mißbilligungsanträge nicht will.
Wenn aber darauf hingewiesen worden ist, daß damit in ein schwebendes Verfahren eingegriffen würde, so muß ich dazu sagen, daß eine solche Begründung sachlich unrichtig ist. Zunächst wäre es, wie ich glaube, zweckmäßig gewesen, den Herrn Bundeskanzler am 9. Dezember vor Eingriffen in ein schwebendes Verfahren ganz entschieden zu warnen!
Wir haben aber nicht gehört, daß von seiten der Koalition damals eine solche Warnung ausgesprochen worden ist.
Unsere vorliegenden Anträge beschäftigen sich mit den Vorgängen, die sich an die Tatsache anschlossen, daß der Herr Bundespräsident seinen Antrag auf Erstattung eines Gutachtens zurückzog. In dem Augenblick, in dem der Herr Bundespräsident diesen Antrag zurückzog, war damit das Verfahren erledigt. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß bei der Erörterung der Vorgänge, die damit zusammenhängen, noch irgendwie in ein schwebendes Verfahren eingegriffen würde. Dieses Verfahren in Karlsruhe ist abgeschlossen, und gerade deshalb geht eine solche Begründung für die Absetzung der heutigen Tagesordnung fehl.
Wir glauben sogar auf der andern Seite, daß die Begründung, die gegeben worden ist, eigentlich, wenn man sie richtig betrachtet, alle Veranlassung geben sollte, in die Beratung unserer Anträge einzutreten. Sie wissen selbst — ich brauche Ihnen das gar nicht auseinanderzusetzen —, welch große Unruhe, ja welche Empörung draußen in der Bevölkerung damals in jenen Dezembertagen herrschte.
Ich glaube, es wäre innenpolitisch sehr gut, wenn diese Unruhe und diese Empörung beseitigt würden. Wenn Sie heute die Beratung unserer Anträge ablehnen, werden Sie aber diese Unruhe und diese Empörung nicht beseitigen, im Gegenteil, es wird eine neue Unruhe entstehen. Denn draußen in der Bevölkerung wird doch jetzt der Eindruck aufkommen, daß das Parlament praktisch dem Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundesministern einen Freibrief bei ihrem Vorgehen in Verfassungsfragen ausstellt.
Das Parlament hat hier seine Aufgabe zu erfüllen, nämlich die Kontrolle der Regung durchzuführen. Es ist eine außerordentlich wichtige Aufgabe, die im gegenwärtigen Augenblick auf der politischen Tagesordnung steht. Wenn die Beratung unserer Anträge heute nicht durchgeführt wird, muß das verhängnisvolle Folgen für die parlamentarische Demokratie haben, und wenn Sie, meine Damen und Herren, die gesamte politische Situation mit allem, was heute die politische Öffentlichkeit bewegt, ansehen, sollten Sie um so mehr Wert darauf legen, daß wenigstens nach außen der Beweis erbracht wird: das Parlament wird seiner ihm gestellten Aufgabe und in diesem Augenblick vor allen Dingen der Aufgabe der Kontrolle der Regierung auch wirklich gerecht. Die Ablehnung der Beratung unserer Anträge ist letzten Endes nichts anderes als ein Tiefschlag gegen die Demokratie.
Meine Damen und Herren, Sie reden so viel vom kalten Krieg, von der Bedeutung des kalten Krieges und davon, daß gegen den kalten Krieg etwas getan werden müßte. Durch eine offene Diskussion der von uns gestellten Anträge würden Sie die lebendigen demokratischen Kräfte stärken. Lehnen Sie die Behandlung unserer Anträge ab, dann müssen Sie sich darüber klar sein, daß Sie damit den Agenten des kalten Krieges die stärkste Hilfe leisten.