Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich hatte eben übersehen, daß das Finanzierungsgesetz für den Wohnungsbau für Umsiedler, Drucksache Nr. 3905, mit besprochen werden sollte. Hiergegen möchte ich sehr erhebliche Bedenken meiner Fraktion anmelden. Zunächst möchte ich beantragen, daß die Vorlage federführend an den Finanzausschuß überwiesen wird und mitberatend an den Lastenausgleichsausschuß. Es wird j a hier gefordert, daß der Bundesminister der Finanzen 225 Millionen DM im Wege des Kredits beschafft und daß der Lastenausgleichsfonds diesen Betrag in Raten bis zum 1. Oktober 1957 zurückzahlt. Ich glaube, die Kollegen im Lastenausgleichsausschußmüßten sich überlegen, ob das so möglich ist. Es geht mir jetzt nur darum, daß die Vorlage auch in den Lastenausgleichsausschuß kommt.
Nun noch einige wenige Sätze zu dem, was der Kollege Jacobi erklärt hat. Im Prinzip hat er gesagt: Gut, auch Förderung des Eigentumsgedankens! Aber wenn er sich nun mit der Auflockerung der Richtsatzmiete beschäftigt, muß man doch eines festhalten: Die Verteuerung der Baukosten ist da und kann nicht abgeleugnet werden. Man muß sich überhaupt wundern, daß wir in der Zeit nach 1950 diese Verteuerung bisher so gut verkraftet haben. Wenn nun die Abwälzung auf die Richtsatzmiete nach Ihrer Auffassung nicht möglich ist, dann ist ganz klar, daß eine Abwälzung etwa im Wege der Aufstockung der ersten Hypotheken auch nicht möglich ist. Denn wenn wirklich das erststellige Geld genügend vorhanden ist, scheitert die Aufstockung eben an der starren geringen Richtsatzmiete,
weil die Beleihungsgrundsätze eine Erhöhung der Hypothek eben nicht gestatten.
— Aber irgendwie muß man es j a nun überlegen. Wenn also, wie ich sagte, die Aufstockung der ersten Hypothek nicht möglich ist, bleibt letzten Endes nur noch die Aufstockung der öffentlichen Förderungsmittel übrig. Das ist zum Teil geschehen. Die Länderrichtlinien haben gegenüber 1950 eine Aufstockung vorgenommen. Aber heute können wir feststellen, daß bei vielen, vielen
Finanzierungsplänen bei Einrechnung der Richtsatzmiete ein Fehlbetrag da ist, daß noch nicht einmal die Tilgung des Landesdarlehens möglich und darüber hinaus noch ein Fehlbetrag vorhanden ist. Wir haben festzustellen, daß in vielen Fällen entgegen unserer Auffassung bei der Beratung des Ersten Bundeswohnungsbaugesetzes noch nicht einmal die dort fixierte Verzinsung von 4 % des Eigenkapitals möglich ist. Also muß man sich letzten Endes überlegen, ob nicht eine Notwendigkeit besteht, die Richtsatzmiete in der Weise aufzulockern. Sie haben selbst, Herr Kollege Jacobi, in Ihrem Gesetzentwurf für bestimmte Fälle eine Auflockerung vorgesehen. Ob man es nun ganz generell macht oder ob man es staffelt, werden wir im Ausschuß beraten, ebenso wie die von Ihnen angeschnittene Frage, ob man es im Gesetz fixieren soll, ob man es den Ländern überlassen soll oder ob man es, wie in der Vorlage der Regierung gefordert, der Bundesregierung im Wege der Rechtsverordnung, die an die Zustimmung des Bundesrats geknüpft ist, überlassen soll. Alle diese Fragen werden wir überlegen müssen.
Generell ist doch zu sagen, daß seit 1950 die Löhne und Gehälter um einen erheblichen Prozentsatz gestiegen sind und daß die Mieten eben nicht gestiegen sind. Wenn Sie sich überlegen, daß, wie der Minister eben erklärt hat, der Lohn der Industriearbeiter im Durchschnitt 31 % brutto, 28 % netto und real 17 % gestiegen ist, dann ist das eine Tatsache, die doch nun zu der Überlegung Veranlassung geben muß, ob nicht tatsächlich in einem bestimmten Maß die Auflockerung der Richtsatzmiete notwendig ist.
In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, daß seit Jahrzehnten der Anteil der Miete an den Gesamtausgaben des Haushalts der Familie nur ein ganz geringer Bruchteil im Vergleich zu anderen Zeiten und anderen Ländern gewesen ist. Ich will nur noch eine Zahl nennen: Wenn wir 1938 gleich Null setzen und die Indizes errechnen, ist die Wohnungsziffer von 1949 bis August 1952 von 101 auf 104 gestiegen, während der Wochenverdienst des männlichen Industriearbeiters von 140 auf 199,5 gestiegen ist. Man kann also nicht sagen, daß uns ein unsoziales Handeln zu dieser Überlegung führt. Man muß davon ausgehen — das hat Herr Minister Neumayer richtig betont —, daß es nicht Aufgabe des Wohnungsbaues ist, zugunsten der sozial schwächsten Kreise, der Sozialrentner, Flüchtlinge usw. die Mieten auf einem für diese Kreise tragbaren Stand zu halten. Das ist Sache der Sozialpolitik, und damit müssen sich andere Leute beschäftigen.