Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte sollte sich eigentlich nur auf die beiden Anträge beschränken. Nachdem aber meine beiden Herren Vorredner doch zu der Antwort des Herrn Bundeskanzlers auf die Große Anfrage Stellung genommen haben, muß ich auch dazu einige Bemerkungen machen, bevor ich zu den beiden Anträgen selbst spreche.
Unsere Fraktion ist mit der Antwort des Herrn Bundeskanzlers zufriedengestellt. Wir meinen sogar, daß mit der Antwort des Herrn Bundeskanzlers bewiesen ist, daß der Großen Anfrage die materielle Grundlage gefehlt hat. Denn ich glaube, Herr Kollege Erler, daß es doch in der Organisationsgewalt der Bundesregierung liegt, hier solche Aufgaben zu verteilen. Die Ausweitung der Tätigkeit des Amtes Blank allerdings ist nicht zuletzt auch durch die Anträge im EVG-Ausschuß erfolgt. Ich könnte zu den beiden Beispielen, die der Herr Bundeskanzler genannt hat, noch einige hinzufügen, z. B. den Antrag, daß wir möglichst Einblick in das strategische Kartenmaterial bekommen sollten. Das allein müßte die Einrichtung einer kartographischen Stelle im Amt Blank zur Folge haben.
Die Frage, ob wir einen ständigen Ausschuß oder einen Ad-hoc-Ausschuß einrichten sollten, war vor dem Beschluß schon Gegenstand der Absprachen im Ältestenrat und innerhalb der Fraktionen. Wir sind Ihnen damals entgegengekommen und haben nur einen Ad-hoc-Ausschuß eingerichtet. Ursprünglich bestand bei uns der Wunsch, einen allgemeinen Ausschuß für europäische Sicherheitsfragen oder Verteidigungsfragen einzurichten. Auch die Benennung — und ich komme damit zu den Anträgen — stellt kein Präjudiz dar, Herr Kollege Erler. In Straßburg wird seit zwei Jahren auch schon über Fragen der europäischen Sicherheit gesprochen. Ich sehe daher die Benennung des Ausschusses, wie sie im Antrag der Koalition zum Ausdruck kommt, losgelöst von den Fragen des EVG-Vertrages.
Ich sehe sie abstrakt und konkret als „Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit" schlechthin. Das hat mit den Verträgen nur mittelbar etwas zu tun, nicht unmittelbar. Herr Kollege Erler, ich möchte Sie doch daran erinnern, daß auch für die Opposition die Frage eines Beitrags zur europäischen Sicherheit an sich geklärt ist, zumindest seit dem Dortmunder Parteitag. Das Ob ist doch eindeutig auch von Ihnen klargestellt, lediglich über das Wie wird noch gestritten. Gerade um für das Wie, Herr Kollege Erler, die besten theoretischen Voraussetzungen zu gewinnen, kann man nicht früh genug in Zusammenarbeit mit einem ständigen Ausschuß entsprechende Vorbereitungen treffen.
Nun, Herr Kollege Renner, das gilt jetzt Ihnen und Herrn Kollegen Rische! Durch die dritte Sowjetnote des vorigen Jahres ist die Frage der Füllung des militärischen Vakuums in der Bundesrepublik ja bereits entschieden. Sie ist sicher! Die Frage ist nur, ob die kommenden Soldaten der Bundesrepublik das Krätzchen mit Hammer und Sichel auf den kahlgeschorenen Köpfen und die Gymnastiorka um den Leib tragen werden oder ob sie den Battledreß tragen und die Formen eines westlichen Soldatentums praktizieren werden.
— Das ist nur die Frage,
— Herr Kollege Renner, ich habe zuviel von den Volksarmee-Bataillonen gesehen und gehört, die an Vinzenz Müller, an von Lenski, an Lattmann und anderen ehemaligen Generalen vorbeimarschierten, deren Namen Sie schamhaft verschweigen.
Nun zu dem Problem der Diskussion hier im Plenum. Ich glaube, Herr Kollege Renner, wir würden Ihnen sehr entgegenkommen, wenn wir nationale Sicherheitsfragen zum Gegenstand von Plenardebatten machten. Allerdings wäre es erstmalig in der Weltgeschichte, wenn militärische und Verteidigungsfragen Gegenstand allgemeiner öffentlicher Diskussionen würden. Es ist nirgendwo in der Welt so. Hier liegt auch eine Schwäche gegenüber dem totalitären System des Ostens, daß nämlich in den Demokratien des Westens viel zuviel über diese Dinge geredet wird. Die Verteidigungskraft der westlichen Demokratien steigt aber nicht proportional zu der Zahl der gehaltenen Reden. Man sollte sich an dem Schweigen des Ostens manchmal ein Beispiel nehmen. „Feind hört mit!", das galt nicht nur gestern, sondern gilt heute und morgen, insbesondere im Kalten Krieg.
Hier möchte ich allerdings doch eine kleine Anmerkung zu der Großen Anfrage machen, die sich nicht gegen bestimmte Personen richtet, sondern ein Prinzin darstellen soll: Man sollte sich in militärischen Fragen überall mehr an das Beispiel des großen Schweigers Moltke und weniger an das des redelustigen Cicero halten,
wenn man nicht bewußt oder fahrlässig den Feinden der Demokratie Material an Hand geben will, das sie sich sonst nur auf dem Umweg über NKWD und Spionagedienste für viel Geld verschaffen müssen.