Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Nun zur Sache selber. Warum soll die Aussprache hier verhindert werden? Sehen Sie, es waren ja nicht nur wir Kommunisten, die das Eingreifen des Herrn Bundeskanzlers in das beim Bundesverfassungsgericht schwebende Verfahren als Staatsstreich angesprochen haben. Diese Auffassung ist ja in prominenten bürgerlichen Kreisen und prominenten bürgerlichen Zeitungen zum Ausdruck gebracht worden. Vor mir liegt die „Deutsche Zeitung", bestimmt kommunistenrein. Unter der Überschrift „Ein gerissener Schachzug" wird da dem Herrn Bundeskanzler attestiert:
Auch wenn der Klageantrag der Regierungskoalition von dem dafür zuständigen Zweiten Senat des Verfassungsgerichts als zulässig anerkannt werden sollte — was im Augenblick keineswegs sicher ist —, so bleibt der überaus peinliche Eindruck einer politischen Berechnung, die vor nichts haltmacht, auch nicht vor dem moralischen Fundament des höchsten Gerichts.
In deutsche Sprache übertragen heißt das: die vor nichts haltmacht, auch nicht vor einem offenen Staatsstreich.
— Das mag Ihnen manchmal unangenehm sein, daß
ich auch sogar Ihre Käsblätter gelegentlich lese.
Nun zur Sache. Es handelt sich hier um einen offenen Staatsstreich, und das ist sogar in der Fraktion des Herrn Krone von gewisser Seite ausgesprochen worden. In der eigenen Fraktion war man ja der Meinung, daß Konrad Adenauer einen Staatsstreich mit dieser Aktion begangen hat. Und wenn Sie die großen Schützer der Demokratie wären, die Sie sonst zu sein vorgeben, dann wäre es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß vor dem deutschen Volk möglichst schnell die Hintergründe dieser Aktion des Herrn Bundeskanzlers Adenauer aufgezeigt werden. Gerade weil der Herr Bundeskanzler gleichzeitig auch noch Außenminister ist, ist es hochnotwendig, daß das geschieht. Denn warum ist das Bundesverfassungsgericht ausgeschaltet worden? Um dem Herrn Adenauer den Weg frei zu machen, unter Umgehung des Bundestags und des Bundesverfassungsgerichts, über den Weg der Diktatur, mittels Notstandsmaßnahmen das zu erzielen, was er im Auftrage der Imperialisten Amerikas und Westdeutschlands erzielen muß: die Aufrüstung, die Kriegsvorbereitung, darum geht es! Die Aussprache ist Ihnen darum hochnotpeinlich. Sie wollen nicht wissen, wie das Volk über derartige Regierungsmaßnahmen des Bundeskanzlers und Außenministers Adenauer denkt, des Mannes, dem der Weg vorgesteckt ist und der den Weg geht, der hinweggeht über Bundestag und Bundesverfassungsgericht, der notfalls pfeift auf die Verfassung, wenn das im Interesse seiner amerikanischen Auftraggeber notwendig ist.