Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war trotz unserer Selbstbeschränkung offensichtlich nicht ganz möglich, die Debatte über die Große Anfrage der SPD zu unterbinden, was aber in diesem Falle weniger bei uns lag. Ich möchte nur eine einzige Bemerkung im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der SPD machen.
In Punkt 1 dieser Anfrage wird nach der Rechtsgrundlage gefragt, auf Grund deren die Tätigkeit der Dienststelle Blank über ihre Titulierung hinaus sich bisher vollzogen hat. Die Rechtsgrundlage, glaube ich, kann mit einem einzigen Satz umrissen werden. Die Rechtsgrundlage ist durch die Verantwortung der Bundesregierung gegeben, für die Fragen der deutschen Sicherheit und für die Frage der gemeinsamen europäischen Sicherheit rechtzeitig die Vorarbeiten aufzunehmen. Ich glaube, wir müssen in diesem Zusammenhang. — auch wenn Sie über die Note der Bundesregierung oder des Herrn Bundeskanzlers vom 24. August 1950 eine andere Meinung vertreten — der Bundesregierung dafür dankbar sein, daß sie sich nicht auf das beschränkt, was ihr bei engster Auslegung des Besatzungsstatuts zukommt, sondern daß sie das in Angriff nimmt, was ihr auf Grund ihrer Verantwortung für Freiheit und Leben der Menschen bei uns nun einmal als Aufgabe zugemutet werden muß.
— Das ist nun der dümmste Zuruf, der bisher gemacht wurde.
Was die gestellten Anträge betrifft, so sind wir uns einig über den Inhalt der Arbeit, die der bewußte Ausschuß zu leisten hat. Wir sind uns uneinig hinsichtlich der Titulierung dieses Ausschusses und hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung seines Mandats. Wir muten Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht zu, an die Ratifizierung der Verträge als an eine vollendete Tatsache etwa zu glauben. Sie werden es auf der anderen Seite verstehen, daß wir berechtigten Anlaß haben, zu glauben, daß die größere, weitaus größere Wahrscheinlichkeit für die kommende Ratifizierung dieser Verträge spricht. Das kommt aber auch in der Unterschiedlichkeit der Titel dieses Ausschusses nicht zum Ausdruck. Wir unterscheiden uns anderswo.
Sie vertreten die Meinung, daß mit dem Scheitern der Verträge auch das Mandat dieses Ausschusses zu Ende gegen müsse, weil damit das Parlament zunächst keine Veranlassung habe, sich mit dieser Frage weiter zu befassen. Wir sind genau entgegengesetzter Auffassung. Ohne Rücksicht auf die Einstellung zu den Verträgen sind wir gerade auf Grund Ihrer Ausführungen, Herr Kollege Erler, der Meinung, daß das Parlament ebenfalls
— und nicht nur die Regierung — die Verantwortung hat, gleichgültig, wie das Schicksal der Verträge sein wird, die Frage der deutschen Sicherheit im Rahmen der europäischen Verteidigung ernsthaft zu prüfen.
Aus diesem Grunde sehen wir uns nicht in der Lage, uns Ihrer Beschränkung hinsichtlich des Mandats oder hinsichtlich des Termins anzuschließen, und sind der Meinung. daß ein deutsches Parlament in der gegenwärtigen Situation und angesichts der bevorstehenden Aufgaben die Verpflichtung hat, sich dauernd um diese Frage zu kümmern. Wir können uns nicht allein auf die parlamentarische Kontrolle der Dienststelle Blank beschränken, sondern wir haben neben dieser Kontrollaufgabe eine echte politische Aufgabe: die Verantwortung eines deutschen Parlaments für die deutsche Sicherheit in der europäischen Verteidigung.
Und, Herr Kollege Renner, Sie haben heute beinahe mich selber überzeugt; es wäre Ihnen beinahe gelungen. Aber ich sehe in dieser Aufgabe noch einen besonderen Zweck, nämlich Ihnen, Herr Kollege Renner, ein noch wesentlich längeres Leben zu ermöglichen und auch Ihre Freiheit zu vertei-
digen, da der Schatten von Prag und der Schatten der Säuberungswelle von der Ostzone sonst auch Sie erreichen würde.