Rede von
Dr.
Wilhelm
Gülich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ja ein merkwürdiges Verfahren, daß bei einer so wichtigen Vorlage
die Regierung auf eine Begründung verzichtet. Heute wird uns der Entwurf vorgelegt, der uns im Juli 1951 auf vielfaches Drängen hin vom Herrn Bundesfinanzminister für den September 1951 versprochen worden ist. Dabei ist zu beachten, daß das Gesetz über das Branntweinmonopol jetzt nicht durch eine, sondern durch zwei Novellen geändert werden soll. Die Bundesregierung erkennt damit die materielle Selbständigkeit des Branntweinsteuergesetzes von 1948 an; sie erkennt an, daß Branntweinbesteuerung und Branntweinbewirtschaftung ganz verschiedene Dinge sind.
— Herr Horlacher, bisher hatten wir vom Bundesfinanzministerium einen anderen Eindruck. Ich begrüße das damit eingeschlagene Verfahren, und ich muß Ihnen sagen, Herr Horlacher, daß ich diese Entwicklung mit Schmunzeln zur Kenntnis genommen habe.
Die Vorlagen betonen, daß sie eine vorläufige Regelung zum Ziele haben; sie befristen die Geltungsdauer des Gesetzes sogar nur bis zum 31. März 1954, also nur etwa für ein Jahr. Ich sehe daran, daß sich die Regierung den Zwang auferlegen will, schnell an die Neuordnung der Branntweinwirtschaft heranzugehen, bin aber davon überzeugt, daß die Frist, die sie sich mit einem Jahr gesetzt hat, zu kurz ist. In Wirklichkeit gehen die Vorlagen weit über das angegebene Ziel hinaus, und zwar greifen sie zum Teil materiell tief in die Fragen der Branntweinwirtschaft ein. Es ist z. B. nicht einzusehen, warum im Rahmen einer vorläufigen Neuordnung, die für ein Jahr gedacht ist, der § 22 geändert und die Erzeugung der Monopolbrennereien von 500 000 auf 400 000 hl beschränkt werden soll. Es ist auch nicht einzusehen, daß in einer vorläufigen Neuordnung die Regelung der Zuschläge und Abzüge nach § 66 ff. geändert und die in § 71 bestimmten süddeutschen Zuschläge gestrichen werden sollen. Um ein letztes Beispiel zu bringen: es ist nicht einzusehen, daß die Regelung der Frage des Branntweinaufschlags nach § 79 eine wesentliche materielle Änderung erfahren soll. Nach dem geltenden Recht ist der Branntweinaufschlag eine Verbrauchsteuer. Die Vorlage zieht daraus aber nicht die Konsequenz. Sie hätte sich meines Erachtens darauf beschränken müssen, den Charakter des Branntweinaufschlags als Verbrauchsteuer auch hier anzuerkennen, indem sie ihn hinsichtlich der Entstehung der Steuerschuld und ihrer Fälligkeit in Anpassung an die übliche Verbrauchsbesteuerung behandelt hätte.
Ich habe schon früher darauf hingewiesen, daß vor der Neuordnung der Branntweinwirtschaft vier Fragen geklärt werden müssen, und zwar sind das Fragen, die auf Streichungen im Branntweinmonopolgesetz durch Verordnungen des „Dritten Reiches" zurückgehen. Diese vier großen Fragen sind folgende: Erstens die Mitwirkung der Wirtschaft bei einer ordentlichen Gestaltung der Branntweinwirtschaft, zweitens die Mitwirkung des Parlaments und die Kontrolle durch das Parlament, drittens die Gestaltung der Übernahme-. und der Verkaufspreise, viertens der sehr umstrittene § 177 betreffend die Ermächtigungen an den Bundesfinanzminister. Das sind auch die vier großen Fragen, auf die der SPD-Initiativgesetzentwurf Drucksache Nr. 3623, den wir am 1. Oktober in erster Lesung behandelt haben, beschränkt ist.
Ich will zu diesen vier Punkten einige Worte sagen. Die Mitwirkung der Wirtschaft ist in der Regierungsvorlage unzureichend. Der Beirat, der aus dem jetzt bestehenden Gewerbeausschuß konstruiert werden soll, muß paritätisch nach Erzeugern und Verarbeitern zusammengesetzt sein. Die Regierungsvorlage regelt auch das Beschwerderecht ganz unzureichend und verlegt die Entscheidung ausschließlich in die Exekutive, und zwar auch in den Fragen, in denen herkömmlicherweise in allen demokratischen Staaten die Legislative zu entscheiden hat.
Interessanterweise sehen diese beiden Novoller. eine Mitwirkung des Parlaments überhaupt nicht vor. Ich habe hier wiederholt darauf hingewiesen, daß durch die Verordnungen vom September 1933 und vom September 1934 jede bis dahin bestehende Mitwirkung des Reichstags und des Reichsrats — auch der Vorläufige Reichswirtschaftsrat war beteiligt — gestrichen worden ist. Die Regierungsvorlagen sagen, obgleich von dieser Stelle aus wiederholt auf die Bedeutung der Angelegenheit hingewiesen worden ist und der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion einen Parlamentsausschuß konstituieren will, kein Wort zu dieser Frage, sondern verlegen alle Entscheidungen in die Exekutive. Dies ist ein Beispiel für den Wunsch der Regierung, das Parlament völlig auszuschalten, was mir einfach unbegreiflich ist. Ich bin davon überzeugt, daß das Parlament dies unter keinen Umständen hinnehmen kann. Die Regierungsentwürfe legen überhaupt keinen Wert auf Anpassung des Monopolgesetzes an die Formen der parlamentarischen Demokratie. In allen demokratischen Staaten, in denen es Alkoholmonopole gibt, befaßt sich das Parlament durch Ausschüsse sehr eingehend mit den Fragen der 'Gestaltung der Alkoholwirtschaft, der Besteuerung, dem Branntweinaufschlag, der Festsetzung der Jahresbrennrechte, und all diesen grundsätzlichen Fragen.
Hier in der Bundesrepublik soll nun das Parlament völlig ausgeschaltet werden. Der fadenscheinige Grund, den 'das Bundesfinanzministerium dafür hat, besteht in der Auffassung, das Branntweinmonopol sei ein Finanzmonopol. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns 'im Finanzausschuß sogar schon gesagt, eine andere Auffassung verstoße gegen das Grundgesetz. Nun, vielleicht kann man sich darüber einmal beim Bundesverfassungsgericht in Karls-
ruhe Klarheit holen. Ich hoffe aber, daß wir die Klarheit schon vorher bei den Beratungen im Finanzausschuß bekommen. Im Art. 105 Abs. 1 des Grundgesetzes steht, daß die Zölle und Finanzmonopole der Gesetzgebung des Bundes unterliegen. In Art. 108 Abs. 1 steht, daß Zölle und Finanzmonopole durch Bundesbehörden verwaltet werden. In Art. 106, der konkreter wird, steht: die Erträge der Monopole fließen in die Bundeskasse; da ist von Finanzmonopolen keine Rede.
Ich will diese Sache und die Auffassungen der Finanzwissenschaft dazu — ich habe das Problem wissenschaftlich breit nachgeprüft — jetzt hier nicht erörtern. Ich glaube aber, daß wir die erste Lesung nicht vorübergehen lassen dürfen, ohne auf diesen gravierenden Punkt der Regierungsvorlage hinzuweisen und ohne der Auffassung der Bundesregierung, das Branntweinmonopol sei ein Finanzmonopol, zu widersprechen.
Die gesamte Wirtschaft wendet sich natürlich auch gegen das Finanzmonopol. Das Branntweinmonopolgesetz von 1922, das Gesetz, das noch in Kraft ist, hat ja auch das Monopol gar nicht als Finanzmonopol in dem Sinne konstruiert, der ihm heute vom Bundesfinanzministerium unterstellt wird. Die §§ 65 ff. enthalten genaue Vorschriften über die Errechnung der Übernahmepreise, zu denen die Monopolverwaltung den Branntwein einkauft. Der § 85, der durch eine Naziverordnung gestrichen worden war, enthielt die Kostenfaktoren, die für die Bemessung der Verkaufspreise maßgeblich sind. Lediglich für den Fall, daß bei vorsichtiger Kalkulation dennoch ein Gewinn erzielt wird — und so kaufmännisch soll ja die Monopolverwaltung arbeiten —, sieht der § 86 des Branntweinmonopolgesetzes vor, daß solche reinen Überschüsse an die Reichskasse abzuführen sind, und bei dieser Regelung sollte es auch in Zukunft bleiben.
Das Parlament, wie gesagt, soll nach der Regierungsvorlage nicht mitwirken. Hingegen sind die beiden Vorlagen voll von Ermächtigungen. Der Bundesfinanzminister soll sogar ermächtigt werden, die in diesem Gesetz und dem Branntweinsteuergesetz verwendeten Begriffe näher zu umschreiben. Ja, wenn wir Gesetze machen und wenn wir in den Gesetzen nicht einmal so klare Begriffe haben, daß danach gearbeitet werden kann, dann weiß ich überhaupt nicht, wozu wir da sind. Den übrigen Katalog der Ermächtigungen will ich hier nicht aufzählen. Ich will nur sagen, daß das, was von der Bundesregierung hier an Ermächtigungen für die Exekutive vorgesehen ist, für das Parlament nach meiner Überzeugung unerträglich ist.
Ich will nun zum Schluß aus der sehr schwierigen und komplizierten Materie ein einzelnes Problem herausgreifen. Nach Punkt 7 unserer heutigen Tagesordnung wird ein Gesetzentwurf zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen vom 15. September 1938 vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf bestimmt, daß für das gegenwärtige Brennwirtschaftsjahr, also vom 1. Oktober 1952 bis zum 30. September 1953, der Ausfuhrzoll für Melasse von 4 DM pro 100 kg gestrichen werden soll. Der Gesetzentwurf sagt, wir hätten einen Melasseüberhang von 120 000 t. Das stimmt längst nicht mehr; es werden jetzt noch zwischen 40 000 und 50 000 t sein. Aber hier ist doch die Frage zu stellen, warum wir nun nicht die Melasse selbst abbrennen. Im vorigen Brennjahr hatten die sechs Melassebrenner, die zusammen nur 31 500 hl Brennrecht haben, ein Jahresbrennrecht von 300 %. In diesem Jahr hat man ihnen wegen der hohen Bestände der Monopolverwaltung nur 100 % gegeben. Es ist also nun doch die Frage an den Bundesfinanzminister zu stellen, warum er in diesem Augenblick dem Parlament diese Vorlage Drucksache Nr. 3973 macht.
Aber ich möchte noch die weitere Frage an den Bundesfinanzminister richten: Warum führt die unter der Dienstaufsicht des Bundesfinanzministers stehende Bundesmonopolverwaltung Melassefeinsprit aus dem Ausland ein? Ich meine nicht das jetzt laufende Austauschgeschäft, nach dem aus Frankreich 4000 metrische Tonnen Melassefeinsprit gegen eine Ausfuhr von 12 000 metrischen Tonnen technischem Sprit eingeführt werden, sondern ich stelle an den Bundesfinanzminister die ganz konkrete Frage, ob auch darüber hinaus Melassefeinsprit eingeführt wird. Ich habe so die Vorstellung, daß es sich um 2500 metrische Tonnen handelt. Das sind rund 30 000 hl, also fast genau so viel, wie die Melassebrenner in diesem Jahr brennen dürfen. Ich frage also: Führt er über das Austauschgeschäft hinaus Melassefeinsprit aus dem Ausland ein? In welchem Umfang? Aus welchem Lande? Nach welchen Kontrakten? Und sehr interessant wäre die Frage: Zu welchen Preisen? Vielleicht könnte ich selber dazu eine Antwort geben, die den Bundestag interessieren würde, aber ich glaube, es wird besser aussehen, wenn der Herr Bundesfinanzminister dem Bundestag die Antwort auf meine Fragen gibt.