Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 des
Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 der Ge-
schäftsordnung auf Verlangen des Bundeskanzlers einbe-
rufen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundeskanzler
Terroranschläge in den USA und Beschlüsse
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
sowie der NATO
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP vor, über den namentlich abgestimmt werden
soll. Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Frak-
tion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung
drei Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Herr Bundeskanzler, Gerhard Schröder.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner Re-
gierungserklärung vom 12. September habe ich, bezogen
auf die terroristischen Angriffe gegen die Vereinigten
Staaten, gesagt: Dies ist nicht nur ein Krieg gegen die
USA, dies ist ein Krieg gegen die zivilisierte Welt. Daran
halte ich fest. Danach ist gefragt worden, ob das jener
Kampf der Kulturen sei, von dem so oft gesprochen
worden ist. Meine Antwort heißt: nein.
Es geht nicht um den Kampf der Kulturen, sondern es geht
um den Kampf um die Kultur in einer immer mehr
zusammenwachsenden Welt. Dabei wissen wir um die
Verschiedenheiten der Kulturen in der Welt und wir res-
pektieren sie. Wir bestehen aber darauf, dass die Ver-
heißungen der amerikanischen Unabhängigkeitserklä-
rung universell gelten. Dort heißt es:
Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstver-
ständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen
sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen, un-
veräußerlichen Rechten ausgestattet sind, dass dazu
Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.
Meine Damen und Herren, diese Verheißungen wenn
sie auch Erbe des christlichen Abendlandes sind, das sich
auch nicht ohne verhängnisvolle Irrungen zu diesen Wer-
ten hin entwickelt hat stehen nicht im Widerspruch zu
einer Interpretation des Islam ohne jeden fundamentalis-
tischen Wahnsinn. Jener gesichts- und auch geschichts-
lose barbarische Terrorismus ist gegen all das gerichtet,
was unsere Welt im Innersten zusammenhält, nämlich die
Achtung vor dem menschlichen Leben und der Men-
schenwürde, die Werte von Freiheit, Toleranz, Demokra-
tie und friedlichem Interessenausgleich.
Deutschland steht angesichts dieses beispiellosen An-
griffs uneingeschränkt an der Seite der Vereinigten Staa-
ten von Amerika.
Unser Bekenntnis zur politischen und moralischen
Solidarität mit den USA ist in diesen Tagen mehr als
eine bloße Selbstverständlichkeit. Gerade hier in Berlin
werden wir Deutschen niemals vergessen, was die Verei-
nigten Staaten für uns getan haben.
Es waren die Amerikaner, die ganz entscheidend zum
Sieg über den Nationalsozialismus beigetragen haben,
und es waren unsere amerikanischen Freunde, die uns
nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang in Freiheit
und Demokratie ermöglicht haben. Sie haben nicht nur die
Lebensfähigkeit, sondern auch die Freiheit Westberlins
garantiert und geschützt. Sie haben uns geholfen, unsere
staatliche Einheit in einem friedlichen, demokratischen
Europa wiederzugewinnen.
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187. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Beginn: 9.00 Uhr
Klar muss aber sein: Dankbarkeit ist eine wichtige und
auch gewichtige Kategorie. Doch sie würde zur Legiti-
mation existenzieller Entscheidungen, vor denen wir un-
ter Umständen stehen, nicht reichen. Bei den Entschei-
dungen, die wir zu treffen haben werden, lassen wir uns
einzig von einem Ziel leiten: die Zukunftsfähigkeit unse-
res Landes inmitten einer freien Welt zu sichern; denn ge-
nau darum geht es.
Die Welt hat auf die barbarischen Anschläge reagiert,
selten einmütig und selten eindeutig. Der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen hat in der grundlegenden Reso-
lution 1368 einmütig festgestellt, dass die terroristischen
Anschläge von New York und Washington eine, wie es in
der Erklärung heißt, Bedrohung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit darstellen. Der Weltsicher-
heitsrat hat damit eine Weiterentwicklung bisherigen Völ-
kerrechts vorgenommen. Bislang galt ein bewaffneter An-
griff, eine Störung des Weltfriedens, der Weltsicherheit
immer dann, wenn es sich um einen Angriff von einem
Staat auf einen anderen Staat handelte. Mit dieser Resolu-
tion das ist das entscheidend Neue sind die völker-
rechtlichen Voraussetzungen für ein entschiedenes, auch
militärisches Vorgehen gegen den Terrorismus geschaffen
worden.
Der NATO-Rat hat den Vereinigten Staaten seine volle
Solidarität auf der Grundlage von Art. 5 des NATO-Ver-
trages erklärt. Auch er hat, ganz ähnlich wie der Welt-
sicherheitsrat, neu interpretiert, was unter einem bewaff-
neten Angriff auf einen Bündnispartner zu verstehen sei,
nämlich nicht nur, wie bei Zustandekommen des NATO-
Vertrages gedacht, der kriegerische Angriff eines Staates
auf einen Staat, der NATO-Mitglied ist, sondern ebenso
wie der Weltsicherheitsrat auch ein terroristischer An-
griff, verstanden als Angriff auf einen Bündnispartner.
Damit gilt dieser Angriff auf die Vereinigten Staaten als
ein Angriff auf die NATO-Partner. Der NATO-Rat hat die-
sen Beschluss mit unserer vollen Unterstützung gefasst.
Das entspricht dem Geist und dem Buchstaben des
NATO-Vertrages.
Die NATO hat bisher keine konkrete Aktion beschlos-
sen. Voraussetzung für einen Beschluss über konkrete Ak-
tionen ist die Feststellung, dass es sich bei den Anschlä-
gen von New York und Washington um einen Angriff von
außen handelt. Außerdem muss eine konkrete Bitte um
Unterstützung durch die Vereinigten Staaten ausgespro-
chen werden. Das ist zurzeit aus Gründen, die wir alle
kennen, nicht der Fall.
Welche Rechte resultieren aus diesen Beschlüssen für
die Vereinigten Staaten? Die Vereinigten Staaten können
auf der Grundlage der Entscheidung des Sicherheitsrates
Maßnahmen gegen Urheber und Hintermänner, gegen
Auftraggeber und Drahtzieher der Attentate ergreifen.
Diese sind völkerrechtlich gedeckt. Sie können und sie
dürfen, durch diese Weiterentwicklung des Völkerrechts
gedeckt, ebenso entschieden gegen Staaten vorgehen, die
den Verbrechern Hilfe und Unterschlupf gewähren. Um es
klar zu sagen: Auf all das bezieht sich das, was ich unein-
geschränkte Solidarität genannt habe.
Was heißt das für die Pflichten der Bündnispartner?
Alle Bündnispartner haben ihre moralische und politische
Solidarität ausgesprochen. Das ist selbstverständlich. Wir
wissen heute noch nicht, ob und welche Unterstützung die
Vereinigten Staaten von den NATO-Partnern erwarten
und einfordern. Das könnte auch militärischer Beistand
sein; ein solcher kann nicht ausgeschlossen werden und
deswegen darf ich ihn nicht ausschließen. Um welche
Form der Unterstützung wir auch immer gebeten werden:
Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit, dass wir bei
den Entscheidungen das Grundgesetz und die Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts dabei insbeson-
dere die Rechte dieses Hohen Hauses strikt beachten
werden.
Mit jedem Recht wir wissen das korrespondiert eine
Pflicht, aber umgekehrt gilt auch: Mit der Bündnispflicht,
die wir übernommen haben, korrespondiert ein Recht und
dieses Recht heißt Information und Konsultation. Wir
als Deutsche und Europäer wollen bei allen notwendigen
Maßnahmen eine uneingeschränkte Solidarität mit den
USA erreichen. Ich betone: Zu Risiken auch im Mi-
litärischen ist Deutschland bereit, aber nicht zu Aben-
teuern. Diese werden von uns dank der besonnenen Hal-
tung der amerikanischen Regierung auch nicht verlangt.
Ich denke, das wird so bleiben.
Die Form der Solidarität, von der ich gesprochen habe,
ist die Lehre, die wir aus unserer Geschichte gezogen ha-
ben, eine Lehre, die für die zivilisierte Welt bitter genug
war. Allerdings: Eine Fixierung auf ausschließlich mi-
litärische Maßnahmen wäre fatal. Wir müssen und wollen
ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung des Terro-
rismus, zur Prävention und zur Bewältigung von Krisen
entwickeln. Dieses Konzept muss auf politische, wirt-
schaftliche und kulturelle Zusammenarbeit sowie auf Zu-
sammenarbeit in Fragen der Sicherheit gegründet sein. Zu
diesem Zweck werden wir auch in der Europäischen
Union unsere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Ter-
rorismus weiter verstärken müssen. Gerade jetzt muss
Europa mit einer Stimme sprechen.
Auf meinen Vorschlag hin hat darum der belgische
EU-Ratsvorsitzende Verhofstadt für diesen Freitag eine
Sondersitzung des Europäischen Rates einberufen, auf
der wir die weitere Haltung der Europäischen Union zur
Bekämpfung des Terrorismus beraten werden. Unser
Ziel muss sein, möglichst alle Länder in ein weltweites
System von Sicherheit und Wohlstand zu integrieren.
Dazu wollen wir im Rahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit weitere Anreize für Staaten bieten, die sich
zur Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus
bereit erklären. Für die Krisenregionen des Nahen
Ostens und Zentralasiens müssen wir eine Perspektive
für politische und wirtschaftliche Stabilisierung und Sta-
bilität, für Frieden und Entwicklung eröffnen. Vor allem
müssen wir jetzt mit vereinten Anstrengungen alles da-
ransetzen, den Durchbruch zum Frieden im Nahen Osten
zu erreichen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
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Der Bundesaußenminister hat bereits mehrfach die
Initiative ergriffen, die Konfliktparteien in Israel und
Palästina zum Ende der Gewalt und zur Wiederaufnahme
ihrer Gespräche zu bewegen. Sein beherztes Engagement
in diesem Konflikt ist der beste Beweis für unsere Bereit-
schaft, den Konfliktparteien auf ihrem Weg zum Frieden
aktiv beizustehen.
Gestern haben die internationalen Vermittlungsbemü-
hungen zu einem ersten Erfolg geführt: Palästinenserprä-
sident Arafat hat seinen Truppen die strikte Feuereinstel-
lung befohlen. Daraufhin hat Israels Ministerpräsident
Scharon den Rückzug der israelischen Truppen aus den
Palästinensergebieten angeordnet.
Diese Entwicklung ist ein ermutigender Schritt in
einer schwierigen Situation, aber eben nur ein Schritt.
Sie wird die internationalen Bemühungen, eine Allianz
gegen den Terrorismus zu schmieden wenn das
Ganze Erfolg hat; das müssen wir uns wünschen ,
sehr erleichtern. In diesem Sinne müssen wir den
Dialog mit den gemäßigten Führern der arabischen
Welt fortsetzen. Bereits in den vergangenen Tagen
habe ich deshalb mit dem jordanischen König Abdullah
und dem ägyptischen Präsidenten Mubarak Kontakt
gehalten. Diesem Zweck wird auch ein erneutes Ge-
spräch mit dem ägyptischen Präsidenten am kommen-
den Dienstag in Berlin dienen. Die Bundesregierung
wird darüber hinaus die bestehenden Kontakte zu
wichtigen Regionalmächten wie etwa zum Iran und zu
Syrien nutzen, um diese Staaten zu einer Zusam-
menarbeit in der Bekämpfung des Terrorismus zu be-
wegen.
Man kann es nicht oft genug betonen: Wir befinden uns
nicht im Krieg gegen irgendeinen Staat.
Wir befinden uns auch nicht im Krieg gegen die islami-
sche Welt.
Terroristen haben uns den Krieg erklärt und sie werden
dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Anschläge von New York und Washington haben
das wissen wir alle nichts, aber auch gar nichts mit
Religion zu tun.
Sie sind Ausdruck einer verbrecherischen Gesinnung. Die
erschreckende Missachtung menschlichen Lebens ist eine
Kampfansage an unsere gesamte Zivilisation.
Die Aufgabe, Terroristen und Fanatiker zu ächten und mit
aller Entschiedenheit zu bekämpfen, stellt sich daher auch
den islamischen Staaten und Glaubensgemeinschaften.
Sie dürfen nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen
lassen, dass es keine politische, aber auch keine religiöse
Rechtfertigung für terroristische Gewalt geben kann.
Viele Menschen in unserem Land fragen nach den
möglichen Auswirkungen der terroristischen Verbre-
chen. Die Bundesregierung weiß um diese Sorgen und
nimmt sie sehr ernst. Wir sagen deutlich: Es gibt nach der-
zeitiger Einschätzung und sorgfältiger Prüfung keinen
Anlass zur Furcht oder gar zur Panik. Die Bundesregie-
rung und die Sicherheitsbehörden haben entschlossen rea-
giert und sind weiter wachsam. Wir befinden uns nicht in
einem nationalen Notstand. Unmittelbare Konsequenzen,
die wir aus den tragischen Ereignissen ziehen müssen,
wurden und werden gezogen. So wird die Sicherheit des
Flugverkehrs am Boden wie in der Luft optimiert. Wir ha-
ben die entsprechenden Vorkehrungen getroffen und um-
gesetzt und auch die dafür notwendige Zustimmung der
privaten Luftverkehrsträger erhalten. Das betrifft die Si-
cherung des Cockpits wie auch die Verbesserung der
Gepäckkontrollen, die Überprüfung der Beschäftigten auf
den Flughäfen oder auch die Begleitung deutscher Flug-
zeuge durch Sicherheitspersonal.
Unsere Nachrichtendienste haben bei der Bekämp-
fung des weltweit agierenden Terrorismus bisher gute Ar-
beit geleistet. Sie haben in enger Kooperation mit den
amerikanischen und europäischen Diensten Anschläge
verhindert und Strukturen des Terrorismus offen legen
können. Sie haben in der Vergangenheit durch ihre Er-
mittlungen die Festnahme zum Beispiel des damaligen
Finanzchefs aus dem Umfeld von Bin Laden ermöglicht.
Wir werden weiterhin unsere besondere Aufmerksam-
keit auf die finanziellen Strukturen der terroristischen
Netzwerke richten müssen.
Es ist unsere Aufgabe, aber nicht nur unsere Aufgabe,
diese Finanzströme zu erfassen und zu unterbinden. Die
Finanzierung des Terrors darf nicht zur Kehrseite des
freien Welthandels und des freien Kapitalflusses werden.
Desgleichen werden wir auch auf Finanzierungen des Ter-
rors genauer achten müssen, die sich mit dem Mantel der
Wohltätigkeit tarnen. Auch das gibt es.
Meine Damen und Herren, bereits heute Nachmittag
werden wir im Bundeskabinett ein Maßnahmenpaket
beschließen, um die Bekämpfung des Terrorismus im
Lichte der jetzt evidenten Erkenntnisse zu optimieren.
Dazu gehört auch eine Neuregelung im Strafrecht, die
es uns ermöglicht, aus dem Ausland operierende Unter-
stützer krimineller Vereinigungen künftig genauso zu
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
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belangen wie Mitglieder und Unterstützer inländischer
krimineller Vereinigungen.
Dazu gehört weiter die Abschaffung des Religionsprivi-
legs im Vereinsrecht; denn die grundgesetzlich garantierte
Glaubens- und Bekenntnisfreiheit darf nicht jene schüt-
zen, die Religion missbrauchen, um Mord und Terror zu
planen.
Wir werden Qualität und Effizienz in der Bekämpfung
des Terrorismus verbessern. Aber ich denke, auch da
sind wir uns ungeachtet der Diskussionen über Details,
die vor uns liegen, einig wir werden unter keinen Um-
ständen den Rechtsstaat abschaffen, um den Terror zu
bekämpfen.
Begäben wir uns auf einen solchen Weg, dann würden wir
die Werte, die die Terroristen angreifen und die wir zu ver-
teidigen haben, selbst infrage stellen. Das darf nicht sein.
Unser Kampf gegen den Terrorismus ist eine Verteidigung
unserer offenen Gesellschaft, die auf festen Werten ba-
siert, eine Verteidigung unserer Liberalität und auch
unserer Art, in einer offenen Gesellschaft zu leben.
Der Terrorismus das müssen wir immer wieder deutlich
machen wird es nicht so weit bringen, dass wir die
Werte, die wir gegen den Terrorismus verteidigen, selber
infrage stellen.
Deshalb darf und wird der Terrorismus uns auch nicht da-
ran hindern, ein modernes, auf die Anforderungen unserer
Volkswirtschaft abgestimmtes Zuwanderungsrecht zu be-
schließen.
Mit dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers ha-
ben wir ein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht auf den
Weg gebracht. Das Gesetz wird in Deutschland dringend
gebraucht. Sinnvolle deutsche Ausländer-, Zuwande-
rungs- und Integrationspolitik braucht mehr denn je ein
abgewogenes rechtliches Instrumentarium; denn Zuwan-
derung wird sich nicht von allein steuern und regeln.
Natürlich sind wir offen für Überarbeitungen in dem ei-
nen oder anderen Punkt. Notwendige Ergänzungen und
Anpassungen können auch im weiteren parla-
mentarischen Verfahren berücksichtigt werden. Gerade in
der aktuellen Situation werden die Stärken und Vorzüge
des Entwurfs mehr als deutlich: Dieses Gesetz bringt
mehr Sicherheit, beispielsweise durch die Personen-
überprüfungen im Visaverfahren schon vor der Einreise
bei den deutschen Auslandsvertretungen. Auch erlaubt die
Neuregelung eine genauere Unterscheidung zwischen den
Menschen, die ein Aufenthaltsrecht erlangen können, und
den Menschen, für die das nicht gilt. Alle erhalten schnel-
ler Gewissheit über ihre weitere Situation und die daraus
folgenden Konsequenzen. Dadurch werden sich deutlich
weniger Personen hier aufhalten, denen die sichere Per-
spektive für einen Aufenthalt bei uns fehlt.
Die Fragen nach Zuwanderung, Flüchtlingsschutz und
Integration stellen sich nicht allein in Deutschland. Unsere
europäischen Partner diskutieren diese Fragen gleicher-
maßen. Im europäischen Vergleich auch das gilt es
auszusprechen nehmen wir, was die Zahlen angeht,
schon länger keinen Spitzenplatz mehr ein. Trotzdem ha-
ben wir als Land in der Mitte Europas ein erhebliches In-
teresse daran, auch auf europäischer Ebene zukunftsfähige
Regelungen bei der Zuwanderung zu beschließen. Mit un-
serer eigenen Diskussion und auch mit der Kritik in dieser
Diskussion können wir dazu beitragen.
Wie so viele andere Nationen ist auch Deutschland
ganz direkt von den terroristischen Attentaten in den Ver-
einigten Staaten betroffen. Wir trauern um viele Deutsche,
die in den entführten Flugzeugen oder im World Trade
Center einen schrecklichen Tod fanden. Ihre genaue Zahl
wissen wir immer noch nicht. Unsere Gedanken sind bei
den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gelten ich
denke, da spreche ich für alle unser Mitgefühl und un-
sere Anteilnahme.
Kein Zweifel: Viele unserer Landsleute ängstigen sich.
Sie haben Angst vor dem Terror und auch Angst vor
Krieg. Es sind insbesondere jene älteren Menschen, die
die Grauen des Zweiten Weltkriegs noch persönlich erlebt
haben, aber auch wir alle spüren es; Sie spüren es in
Ihren Wahlkreisen die ganz jungen. Diese Angst mag
übertrieben, mag unbegründet sein, gleichwohl ist sie da
und sie bewegt die Menschen in unserem Lande. Wir alle
zusammen, denke ich, müssen uns bemühen, diese Angst
zu verstehen. Aber die politischen, ökonomischen und
kulturellen Eliten unseres Landes dürfen nicht zulassen,
dass uns diese Angst lähmt. Ich verstehe meine Arbeit so,
dass sie gerade jetzt darin besteht, dabei zu helfen, aus
Angst Zuversicht zu entwickeln, und ich bin davon über-
zeugt, dass es dazu Anlass gibt, meine Damen und Herren.
Zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts steht Deutsch-
land auf der richtigen Seite fast ist man versucht zu sa-
gen: endlich , auf der Seite der unveräußerlichen Rechte
aller Menschen. Diese Menschenrechte sind die große Er-
rungenschaft und das Erbe der europäischen Aufklärung.
Diese Werte der Menschenwürde, der freiheitlichen De-
mokratie und der Toleranz sind unsere große Stärke im
Kampf gegen den Terrorismus. Sie sind das, was unsere
Völker- und Staatengemeinschaft zusammenhält, und sie
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sind das, was die Terroristen zerstören wollen. Diese
Werte, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind un-
sere Identität und deshalb werden wir sie verteidigen, mit
Nachdruck, mit Entschiedenheit, aber auch mit Beson-
nenheit.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht haben wir
alle erst am letzten Wochenende, als wir nach langen Ta-
gen in Berlin ein paar Stunden Zeit zum Nachdenken hat-
ten, vielleicht auch mit unseren Familien und unseren
Freunden gesprochen haben, richtig verstanden, was in
der letzten Woche wirklich geschehen ist. Die Ereignisse
dieses Tages, die Bilder, die uns seitdem fast ununterbro-
chen begleiten, werden das Bewusstsein der amerikani-
schen Nation über Jahrzehnte prägen. Unser Verhalten, so
wie wir uns auch und gerade als Deutsche in den nächs-
ten Wochen und Monaten den amerikanischen Freunden
gegenüber zeigen, wird das Verhältnis zwischen Deutsch-
land und Amerika für Jahrzehnte prägen.
Ich will deshalb zu Beginn nicht den fast schon zu oft
gesagten Satz wiederholen, dass der 11. September 2001
die Welt grundlegend verändert hat. Aber ich will mit be-
sonderem Nachdruck zum Ausdruck bringen, dass wir
alle heute zu einem klaren Ja zur Gemeinschaft der freien
Völker, zum Bündnis, zur NATO, und vor allem zu unse-
ren Freunden in den Vereinigten Staaten von Amerika ge-
fordert sind.
Dies ist nicht die Zeit für ein Ja, aber.
Wir Deutsche stehen in der Pflicht, innerhalb der nord-
atlantischen Allianz einen Teil der Solidarität zurückzu-
geben, die wir insbesondere von Amerika in über 50 Jah-
ren erfahren haben. Wir können und müssen das
Fundament für die atlantische Allianz im 21. Jahrhundert
legen. Die Attentate vom 11. September 2001 markieren
den ersten Testfall für die neue NATO, die sich bereits mit
dem strategischen Konzept von 1999 auf die veränderte
Sicherheitslage eingestellt hat. Man muss fast sagen: In
kluger Voraussicht hat die NATO vor zwei Jahren festge-
stellt, dass Sicherheitsinteressen des Bündnisses durch
Akte des Terrorismus, der Sabotage, des organisierten
Verbrechens, sogar durch die Unterbrechung der Zufuhr
lebenswichtiger Ressourcen berührt sein können. Dies ist
auf grausame Weise vor wenigen Tagen Realität gewor-
den eine Realität, der wir alle uns jetzt stellen müssen.
Auch deshalb geht es bei weitem nicht allein um die
Dankbarkeit von uns Deutschen für Solidarität im Bünd-
nis. Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Nachdruck und,
wie ich finde, richtigerweise darauf hingewiesen: Wenn
die NATO den Bündnisfall auslöst dies ist das erste Mal
in der Geschichte der NATO und es ist eine historische
Entscheidung , dann kommt darin auch zum Ausdruck,
dass es in unserem ganz eigenen Interesse liegt, ohne je-
den Vorbehalt an der Bekämpfung des internationalen
Terrorismus mitzuwirken.
So wie New York und Washington hätte es auch Paris,
Frankfurt oder Berlin treffen können. Und es hat uns un-
mittelbar getroffen; denn Sie haben es bereits gesagt,
Herr Bundeskanzler auch viele deutsche Staatsbürger
sind bei diesen menschenverachtenden Attentaten ums
Leben gekommen.
Wichtig ist, dass wir uns jetzt Klarheit verschaffen und
dass wir den vielen, die uns heute zuschauen und zuhören,
sagen, worum es geht. Wir haben es mit den Feinden der
offenen Gesellschaft, mit einem totalitären Anspruch der
Unfreiheit, der sich gegen uns alle richtet und der die
Grundwerte der demokratischen und der freiheitlichen
Gesellschaften infrage stellt, zu tun. Deshalb ist eine klare
und unmissverständliche Antwort erforderlich. Es darf
keinen Zweifel geben, dass alles getan wird, um die Täter
und die Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen. Der
freiheitliche demokratische Rechtsstaat muss sich als
wehrhaft erweisen, wenn er auch gegenüber seinen eige-
nen Staatsbürgern glaubwürdig bleiben will.
Deshalb, Herr Bundeskanzler, haben wir Ihr Angebot
an die amerikanischen Freunde zu uneingeschränkter So-
lidarität von Anfang an unterstützt. Aber täuschen wir uns
nicht darüber, dass es schwierig wird. Es wird ziemlich si-
cher neben allen Bemühungen um Diplomatie, Auf-
klärung und Strafverfolgung auch militärische Aktionen
geben, ja geben müssen. Das Ziel solcher militärischer
Operationen wird nicht sein, Vergeltung zu üben. Jeder
Einsatz gegen die Terroristen, gegen ihre Infrastruktur,
gegen das Umfeld, das sie schützt und das ihre Taten über-
haupt erst möglich macht, ist Teil einer Strategie der
Prävention, für Freiheit, für Frieden, für das Recht und für
den Schutz auch unserer Bürger; denn Sicherheit ist und
bleibt die Grundlage auch unserer Freiheit.
Lassen Sie es mich mit einem Wort von Wilhelm von
Humboldt sagen:
Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine
Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu ge-
nießen. Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.
Meine Damen und Herren, bei der Herausforderung,
Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten, geht es nicht, wie
manche in diesen Tagen schreiben, um eine Auseinander-
setzung unterschiedlicher Kulturen oder Religionen. Die
Anschläge von New York und Washington sind weltweit
und von fast allen Staaten und von ganz unterschiedlichen
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Kirchen, Glaubens- und Religionsgemeinschaften und
deren geistlichen Oberhäuptern klar und eindeutig verur-
teilt worden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist
noch nie so schnell und so klar und so eindeutig und so
übereinstimmend zu einer zutreffenden Bewertung und
Beurteilung gekommen wie wenige Stunden nach diesem
Attentat. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben ih-
rerseits bisher sehr besonnen reagiert. Dieses gemeinsame
Verhalten vieler Staaten und vieler engagierter Menschen,
auch und gerade in den Kirchen in aller Welt, hat eine
noch nie dagewesene Allianz gegen den internationalen
Terrorismus um den geht es überhaupt erst möglich
gemacht. So furchtbar die Anschläge waren, sie geben uns
jetzt vielleicht die Chance, weltweit zu einer Ächtung des
Terrorismus zu kommen und ihn wirklich wirkungsvoll zu
bekämpfen.
Gleichzeitig ist der Dialog der Kulturen und Religio-
nen wichtiger denn je. Dies gilt für unser Land, dies gilt
für Deutschland mit weit mehr als 2 Millionen hier leben-
den Mitbürgern islamischen Glaubens. Dies gilt aber
auch weltweit. Es war, wie ich meine, ein ermutigendes
und richtiges Zeichen, dass der amerikanische Präsident
vorgestern zum gemeinsamen Gebet in eine Moschee in
Washington gegangen ist.
Feindbilder helfen niemandem weiter. Es ist nicht zuletzt
das geistige Erbe und der Auftrag der Aufklärung, ein
friedliches Miteinander der großen Weltreligionen zu er-
möglichen.
Gerade deshalb gilt: Die Bekämpfung des internatio-
nalen Terrorismus, den wir in New York und Washington
so grausam erlebt haben, macht eine neue, umfassende Si-
cherheitspolitik nach innen und außen notwendig. Das
Kursbuch Sicherheit muss national, europäisch und
global neu geschrieben werden. Aufklärung und Präven-
tion heißt das erste Kapitel. Die Staaten und Staatenge-
meinschaften der freien Welt werden ihre Anstrengungen
deutlich steigern müssen, um schon im Vorfeld zu erken-
nen, wo bestimmte Entwicklungen einsetzen und An-
schläge geplant werden. Die Nachrichtendienste brau-
chen jede Unterstützung, um ihren von den demokratisch
legitimierten Regierungen gegebenen Auftrag auch wirk-
sam ausführen zu können: politisch, strategisch-konzep-
tionell, materiell und personell. Die Zeit jedenfalls, in der
die naiven Fantasten dieser Welt mit der Forderung nach
Abschaffung der Dienste auf Gehör stießen, dürfte end-
gültig vorbei sein.
Wir können es auch nicht hinnehmen, dass Deutschland
offensichtlich ein bevorzugter Rückzugs- und Ruheraum,
ja ein bevorzugter Trainings- und Vorbereitungsraum für
Terroristen ist, die sich auf einen gottgegebenen Auftrag
berufen und hierfür offenbar auch bei uns ein größeres
Umfeld vorfinden. Dagegen muss entschieden vorgegan-
gen werden.
Herr Bundeskanzler, Sie haben es in Ihrer Regierungser-
klärung gerade eben noch einmal erwähnt: Sie werden
heute Nachmittag im Bundeskabinett erste Vorschläge zur
Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland verab-
schieden. Dies kann nach unserem Verständnis nur ein An-
fang eines später folgenden, umfassenden Konzeptes für
mehr Sicherheit auch nach innen sein. Ich sage Ihnen na-
mens unserer Fraktion eine zügige, sehr kooperative Bera-
tung zu, damit wir sehr schnell zu richtigen Ergebnissen
auch in der Gesetzgebung in Deutschland kommen können.
Meine Damen und Herren, ein Land wie Deutschland,
zweitgrößter NATO-Partner, bevölkerungsreichstes Land
der Europäischen Union, in der geopolitischen Mitte
Europas gelegen, muss auch seine internationale Verant-
wortung wahrnehmen. Absolute Priorität für Sicherheit
nach innen und außen, strategische Koordinierung der
Sicherheitsaufgaben in einem Aufgabenspektrum, das von
Prävention bis hin zu massiven militärischen Schlägen zu-
sammen mit den Bündnispartnern auch in entfernten Kri-
senregionen reicht darauf müssen wir uns vorbereiten:
politisch, materiell, personell und natürlich auch finanziell.
Wenn der amerikanische Präsident im Kongress ein
Maßnahmenpaket in der Größenordnung von 20 Milliarden
Dollar beantragt und innerhalb weniger Stunden 40 Milli-
arden Dollar bewilligt bekommt, dann ist dies ein deutli-
ches Signal auch an die Finanzpolitiker der Länder der
freien Welt, ihrerseits neue Prioritäten zu setzen und auch
in den öffentlichen Haushalten einen Beitrag zu leisten.
Diese Entscheidungen erfordern eine neue Setzung der
Prioritäten. Wir bieten Ihnen, Herr Bundeskanzler, dabei
eine nationale Allianz der Entschlossenheit an.
Sie können sich, auch wenn es um unpopuläre Entschei-
dungen geht, auf unsere Zustimmung, auf unsere Unter-
stützung verlassen.
Denn wir wissen: Wenn wir weiter in einer freien und offe-
nen Gesellschaft leben wollen, wenn Zivilisation und
Humanität in aufgeklärten Gesellschaften westlicher Prä-
gung die Lebensgrundlage auch unserer Kinder sein sollen,
wenn die Grundwerte unserer christlich-jüdischen, unserer
abendländischen Kultur weiter gelten sollen, dann dürfen
Terroristen unseren Lebensrhythmus nicht bestimmen.
Wir stehen vor einer wahrhaft historischen Herausfor-
derung. Die Freiheit muss jetzt neu verteidigt werden.
Ihren Bedrohungen muss offen entgegengetreten werden.
Den Feinden unseres freiheitlichen Gesellschaftsmodells
muss mit Augenmaß, aber unmissverständlich entgegen-
getreten werden. Der 11. September 2001 ist deshalb das
Ende aller Zweideutigkeiten.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Friedrich Merz
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Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf
das eingehen, was Sie, Herr Bundeskanzler, zum Thema
der Zuwanderung und der Einwanderung gesagt haben.
Die Umstände dieses Attentats zeigen aus meiner Sicht
einmal mehr, wie dringend wir ein umfassendes Konzept
zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung brau-
chen, das auch den Erfordernissen der inneren Sicherheit
gerecht wird und das vor allem die Integration der in
Deutschland lebenden Ausländer fördert.
Wer in diesem Zusammenhang auf Zeit spielt, der leug-
net die notwendigen Konsequenzen, die auch schon vor-
her zu ziehen gewesen wären. Wir als CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion haben jedenfalls als erste Fraktion in
diesem Haus bereits vor zwei Jahren ein umfassendes
Konzept zur Integration vorgelegt. Noch vor der Som-
merpause haben wir unsere Vorschläge in einem umfas-
senden Antrag Umfassendes Gesetz zur Steuerung und
Begrenzung der Zuwanderung sowie zur Förderung der
Integration jetzt vorlegen präzisiert. Wir wollen noch in
dieser Legislaturperiode zu einer Lösung kommen und
bieten Ihnen auch hierzu die Zusammenarbeit an.
Bereits wenige Stunden nach den Attentaten haben wir
hier in diesem Hause eine erste Aussprache miteinander
geführt. Sie, Herr Bundeskanzler, haben am 12. Septem-
ber in Ihrer Regierungserklärung im Deutschen Bun-
destag den Vereinigten Staaten von Amerika die uneinge-
schränkte Solidarität Deutschlands zugesichert. Diese
Ihre Worte sind vor allem in Amerika auf große Zustim-
mung gestoßen; sie haben nicht nur in Washington große
Aufmerksamkeit gefunden.
Uneingeschränkte Solidarität darf und wird sich nicht
in Worten und Bekundungen des Mitgefühls und der
Trauer, so wichtig diese auch waren, erschöpfen. Den
Worten müssen Taten folgen. Es wird Schwierigkeiten,
auch Rückschläge dabei geben. Aber gerade dann wird
sich Solidarität erst wirklich beweisen. Der sichere
Freund bewährt sich in unsicherer Zeit. Deutschland muss
jetzt Kurs halten und darf keine Zweifel zulassen, auch im
Interesse unseres Landes und seiner Menschen.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Politik in diesem
Sinne fortsetzen, wenn Sie zu der zum Ausdruck ge-
brachten Solidarität auch weiterhin uneingeschränkt ste-
hen, dann werden Sie für diese Politik auch in Zukunft
in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen und in
den nächsten Monaten die uneingeschränkte Unterstüt-
zung unserer Fraktion finden.
Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Peter Struck, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Wir haben in den letzten Tagen in
Deutschland eine beispiellose Welle der Trauer, des Ent-
setzens, aber auch der Solidarität mit dem amerikanischen
Volk erlebt. Zigtausende waren bei der amerikanischen
Botschaft in Berlin, haben sich in Kondolenzbücher ein-
getragen und haben ihr Mitleiden in Worte gefasst Trau-
ergottesdienste, Gebete, Gedenkminuten. 200 000 Men-
schen kamen am Freitag zum Brandenburger Tor, um
gemeinsam mit dem Bundespräsidenten und dem ameri-
kanischen Botschafter ihr Mitgefühl für die Opfer und das
amerikanische Volk zu zeigen.
All diese Symbole der Solidarität stehen für die Nähe
des deutschen Volkes zu den Menschen in den Vereinig-
ten Staaten von Amerika. In beeindruckender Weise hat
Bundeskanzler Gerhard Schröder in den letzten Tagen,
aber auch soeben vor diesem Haus die Solidarität
Deutschlands mit den USA zum Ausdruck gebracht.
Er hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass die So-
lidarität von Regierung und Parlament mehr als eine bloß
symbolische sein muss und sein wird.
Aber wir dürfen uns nicht täuschen: Bei allem, was wir
jetzt zu entscheiden haben, geht es um mehr als lediglich
die Solidarität mit den USA; denn wir können die Terror-
angriffe in den USA nicht gleichsam aus der Zuschauer-
loge bewerten. Wenn wir in der Betrachtung einig sind,
dass die Angriffe der gesamten zivilisierten Welt gegolten
haben, dann galten sie natürlich auch uns. Wir müssen
wissen, dass die Angriffe auf New York und Washington
nicht singuläre Ereignisse bleiben müssen.
Niemand soll dem Irrtum verfallen, der Terror könnte
an Deutschland und Europa vorbeiziehen, wenn wir uns
jetzt im vermeintlichen Eigeninteresse aus dem Kampf
gegen den Terrorismus heraushielten.
Natürlich ist Europa im Visier der Terrornetzwerke. Ver-
eitelte Anschläge und Festnahmen in Deutschland und
Frankreich belegen das. Nirgendwo steht geschrieben,
dass Deutschland nur als Schlafstätte oder Ruheraum für
den internationalen Terrorismus dienen könnte. Deshalb
ist es nicht nur Bündnispflicht, sondern auch originäres
Eigeninteresse, gemeinsam mit unseren amerikanischen
Freunden, mit den NATO-Partnern und allen, die sich
dieser Bedrohung nicht ergeben wollen, entschlossen
den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu
führen.
Wir müssen alles tun, um denjenigen das Handwerk zu
legen, die mit apokalyptischem Schrecken die Welt aus
den Fugen heben wollen. Dazu bedarf es jener besonne-
nen Entschlossenheit, wie sie unser Bundeskanzler in den
letzten Tagen gezeigt hat.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Friedrich Merz
18307
Er lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er seiner Ver-
antwortung gerecht wird auch bei anstehenden harten
Entscheidungen. Wie diese Verantwortung aussieht, hat
der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt in den bis
dahin schwersten Tagen der Republik, in den Tagen nach
der Entführung von Hanns-Martin Schleyer, 1977 formu-
liert: Die Verantwortung heißt: nichts zu versäumen und
nichts zu verschulden. Das gilt für den Kanzler, für die
Regierung, aber auch für jeden Einzelnen von uns im
Deutschen Bundestag.
Nichts zu versäumen, um nichts zu verschulden: Dazu
bedarf es nationaler und internationaler Anstrengungen,
kriminalistischer und geheimdienstlicher Aktivitäten so-
wie gesetzgeberischer Maßnahmen. Aber es bedarf auch
der Bereitschaft, diesen Kampf notfalls mit militärischen
Mitteln zu führen.
Ich halte daher die Erklärung der NATO vom 12. Sep-
tember für angemessen und absolut notwendig. In ihr
wird zu Recht festgestellt, dass der terroristische Angriff
vom 11. September gegen die USA als Handlung im
Sinne von Art. 5 des NATO-Vertrages anzusehen ist, also
als Angriff gegen alle NATO-Verbündeten, falls festge-
stellt wird, dass der Anschlag vom Ausland aus auf die
Vereinigten Staaten verübt wurde. Die Aktivierung von
Art. 5 bedeutet die Einforderung der Beistandspflicht der
Alliierten.
Wir sollten uns über die Bedeutung unseres Handelns
in der NATO völlig im Klaren sein. Die NATO, die noch
nie zuvor den Bündnisfall auslösen musste, steht vor ei-
ner bedeutsamen Bewährungsprobe. Die USA realisieren
so deutlich wie selten zuvor, dass auch sie als einzige
Weltmacht verwundbar und auf verlässliche Verbündete
angewiesen sind. Daher werden sie in ihrem zukünftigen
internationalen Handeln wesentlich davon beeinflusst
werden, wie die Bündnispartner in Zeiten der Krise und
Bedrohung Solidarität und Beistand zu leisten bereit sind.
Wer befürchtet hatte, die USA würden unüberlegt und
in blindem Schmerz auf die Anschläge antworten, sieht
sich getäuscht. Die USA haben wohl überlegt angefan-
gen, eine breite Koalition gegen den internationalen
Terrorismus zu schmieden, und haben deutlich gemacht,
dass seine erfolgreiche Bekämpfung den Einsatz unter-
schiedlichster Mittel mit langem Atem erfordert.
Auf Antrag der USAhat sich der Sicherheitsrat der Ver-
einten Nationen mit den Angriffen auf New York und
Washington befasst. In seiner Resolution vom 12. Sep-
tember wird das Recht auf individuelle und kollektive
Selbstverteidigung gegenüber terroristischen Gewalttaten
anerkannt und zum ersten Mal der internationale Terroris-
mus völkerrechtlich als Bedrohung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit qualifiziert. Diese Verän-
derung des Völkerrechts hat die Möglichkeit eröffnet, ter-
roristische Gewalttäter, ihre Organisationen und die sie
unterstützenden Kräfte mit angemessenen auch militäri-
schen Mitteln zu bekämpfen bzw. ihrer Bestrafung zu-
zuführen.
Sehr zu begrüßen ist, dass sich neben der Europäischen
Union und Japan auch Russland und China an die Seite
der USA gestellt haben und zu enger Kooperation gegen
den internationalen Terrorismus bereit sind.
Wir sollten alles unternehmen, um eine größtmögliche
Koalition gegen den Terrorismus zu schaffen. Dabei müs-
sen insbesondere die Vereinten Nationen eine wichtige
Rolle spielen. Denn die erfolgreiche Bekämpfung und
Austrocknung des internationalen Terrorismus verlangt
eine komplexe und differenzierte Strategie, die politische,
wirtschaftliche, kulturelle und militärische natürlich
auch geheimdienstliche Elemente miteinander verbin-
den muss.
Es besteht kein Zweifel daran das sollten wir über
den Deutschen Bundestag auch unseren Bürgerinnen und
Bürgern mitteilen , dass es eine militärische Vergeltung
für den kriegerischen Terroranschlag auf das World Trade
Center und das Pentagon geben wird: wenn klar ist, wer
die verantwortlichen Kräfte und die sie unterstützenden
Staaten sind. Die militärische Abschreckung funktioniert
bei Staaten, aber nicht bei zu Selbstmord bereiten Ter-
roristen. Sie müssen gefasst und unschädlich gemacht
werden durch zielgenaue Aufklärung und hoch mobile
militärische Spezialkommandos. Sie müssen ihre Stütz-
punkte und staatlichen Fluchtburgen verlieren durch mas-
sive internationale Sanktionierung aller Staaten und Re-
gierungen, die Terroristen beherbergen, unterstützen und
nicht ausliefern. Sie müssen ihrer Finanzmittel verlustig
gehen durch die Verstopfung ihrer Geldkanäle und Verei-
telung ihrer Finanztransaktionen.
Aber auch das wird nicht reichen: Wir müssen den
gesellschaftlichen Resonanzboden für Terroristen aus
Armut, sozialem Elend und verletztem Stolz abbauen.
Vordringlich ist dabei der Bundeskanzler hat darauf hin-
gewiesen , den Nahostkonflikt in friedliche Bahnen zu
lenken und eine Lösung zu finden, die Israel eine gesi-
cherte Existenz und den Palästinensern einen eigenen
Staat garantiert, der wirtschaftlich lebensfähig ist.
Wir müssen den Armutsregionen der Welt eine Perspek-
tive geben durch entwicklungspolitische Maßnahmen,
aber auch durch die Öffnung unserer Märkte und den Ab-
bau von Protektionismus gegenüber ihren Produkten.
Sie müssen in den Regeln der Welthandelsorganisation
auch für sich Vorteile erkennen. Wir müssen den Dialog
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Peter Struck
18308
und die Solidarität der Religionen und Kulturen verstärkt
organisieren und vertiefen, damit deutlich wird, dass
nun zitiere ich aus dem gemeinsamen Entschließungs-
antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und
FDP keine Religion Verbrechen gegen die Menschlich-
keit rechtfertigt.
Meine Damen und Herren, es sind nicht nur welt- und
außenpolitische Herausforderungen, denen wir uns jetzt
stellen müssen, sondern wir sind im Innern genauso
gefordert, uns von diesen Feinden der freiheitlichen
Lebensweise der westlichen Welt diese nicht zerstören
zu lassen. Wir dürfen nichts versäumen und nichts ver-
schulden, hat Helmut Schmidt gesagt. Wir dürfen nicht
versäumen, die Zellen fundamentalistischen Terrors in
unseren Städten aufzudecken. Aber wir dürfen nicht ver-
schulden, dass 3 Millionen muslimische Mitbürger in un-
serem Land unter Generalverdacht gestellt werden.
Wir dürfen nicht versäumen, genauer hinzuschauen,
wer an unseren Hochschulen studiert. Aber wir dürfen
nicht verschulden, dass diese die von uns allen gewollte
Anziehungskraft in der Welt verlieren.
Wir dürfen nicht versäumen, bei der Regelung der Zu-
wanderung sicherheitsrelevante Aspekte im Ausländer-
recht zu berücksichtigen, wie vom Bundesinnenminister
geplant. Aber wir dürfen nicht verschulden, dass Zuwan-
derung als bedrohlich empfunden wird.
Wir dürfen nicht versäumen, alle erdenklichen Aspekte
für die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger zu
bedenken. Aber wir dürfen nicht verschulden, darüber die
Werte, für die wir, die westlichen Demokratien, stehen,
über Bord zu werfen.
Bundesinnenminister Otto Schily hat bei diesen Aufga-
ben die volle Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion.
Er hat in den letzten Tagen bewiesen, dass er sich den He-
rausforderungen mit ganzer Kraft stellt.
Ruhige Hand und kühler Kopf sind auch hier die besseren
Rezepte als hektische Milliardenprogramme.
Wir werden alles, was nötig ist, einleiten und auch fi-
nanzieren. Aber wer so tut, als brauche man nur mal eben
Milliarden in Geheim- und Sicherheitsdienste zu ste-
cken, um die Terrorszene auszuheben, der macht den
Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land etwas vor.
Wir alle werden möglicherweise Entscheidungen zu
treffen haben, die sich niemand von uns jemals erdacht,
geschweige denn gewünscht hat. Alle bisherigen He-
rausforderungen verblassen vor dem, was wir jetzt zu be-
wältigen haben. Meine Fraktion unterstützt den Bundes-
kanzler und die Bundesregierung im Einsatz gegen die
Herausforderungen dieses Weltterrorismus.
Wir sind gewiss, dass nur eine geschlossene und ent-
schlossene Antwort der zivilisierten Welt die Menschheit
in Zukunft vor dem Grauen des 11. September schützen
kann. Freiheit und Demokratie, Menschenwürde und die
Achtung vor der jeweils anderen Religion dürfen nicht
unter den Trümmern des World Trade Centers begraben
werden.
Das ist die Verantwortung, vor der wir jetzt stehen. Sie
zu übernehmen und sie zu tragen wird keinem von uns
leicht fallen; aber wir dürfen und können uns dieser Ver-
antwortung nicht entziehen.
Ich erteile dem Kolle-
gen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden ver-
stehen, dass auch ich diese Rede hier nicht beginnen
möchte, ohne an die Tausenden von Toten zu erinnern,
die noch immer unter den Trümmern des World Trade
Centers und des Pentagons liegen. Sie sind Opfer eines
feigen, eines hinterhältigen Terroranschlages. Unsere Ge-
danken und Gefühle sind bei ihnen, ihren Angehörigen
und Freunden.
Als jemand, der sehr viel in den USA unterwegs ist,
meine ich da werden mir viele Kolleginnen und Kolle-
gen zustimmen : Es war eine Sternstunde, zu erleben,
wie am vergangenen Freitag 200 000 Menschen in Berlin
auf die Straße gegangen sind, um Solidarität mit den Ame-
rikanern und mit den Opfern in Amerika zum Ausdruck zu
bringen.
Ich denke, dass wir jetzt alle in diesem Hause überpar-
teilich gefragt sind. Deswegen, Herr Bundeskanzler,
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Dr. Peter Struck
18309
möchte ich Ihnen auf Ihre Regierungserklärung zuerst
antworten: Sie haben hier eine würdige Regierungser-
klärung abgegeben und ich möchte Ihnen jedenfalls für
die Oppositionspartei FDP zusagen und zusichern, dass
das, was Sie gesagt haben, was Sie hier als Kurs bestimmt
haben, die Zustimmung der Freien Demokraten findet.
Jetzt geht es nicht darum, den Parteienstreit fortzusetzen,
sondern jetzt geht es darum, dass wir alle unsere Verant-
wortung wahrnehmen, ob wir auf der Oppositionsseite
oder auf der Regierungsseite sitzen. Wir als Freie Demo-
kraten sind dazu bereit.
Das ist eine wichtige Herausforderung für das gesamte
Bündnis. Deswegen kann man an diesem Tage hier nicht
sprechen, ohne auch auf die besondere Situation der
Deutschen hinzuweisen. Wir sind heute Morgen vor dem
Reichstagsgebäude allesamt an drei Demonstranten vor-
beigegangen. Bei uns in Berlin ist es das gute Recht die-
ser Demonstranten, auch unmittelbar vor dem Reichstag
zu demonstrieren. Aber es sei schon erlaubt, an Folgendes
zu erinnern: Diese drei Demonstranten würden nicht de-
monstrieren, wenn die Vereinigten Staaten nicht die Frei-
heit und den Frieden in Europa und in Berlin gesichert
hätten.
Wir alle wären nicht hier. Wir könnten hier nicht sprechen.
Deutschland hat den Tyrannen nicht aus eigener Kraft
überwunden, sondern mithilfe der Amerikaner und ihrer
Verbündeten. Das ist weit mehr als nur eine dankbare
Floskel. Das ist nach meiner Überzeugung vielmehr ein
Ausdruck der persönlichen Verantwortung, die wir jetzt
haben.
John F. Kennedy hat einmal gesagt: Ich bin ein
Berliner. Er wollte damit die Verantwortung seines Lan-
des, die Freiheit in Berlin zu sichern, zum Ausdruck brin-
gen. Wenn wir jetzt sagen: Wir stehen fest an der Seite
der Vereinigten Staaten, dann ist das Jahrzehnte später
unser Beitrag dazu, den Frieden und die Freiheit in der
Welt zu sichern. Diese große Verantwortung haben jetzt
alle Demokraten. Ich denke, in den letzten Tagen konnte
man erkennen, dass unser demokratisches Gemeinwesen
dieser Verantwortung weiß Gott gerecht wird.
Ich freue mich übrigens darüber, dass die Ansichten
mancher, die in dieser Situation mit den üblichen anti-
amerikanischen Reflexen reagieren dies erfolgt selbst
am heutigen Tage; bestimmten Kommentaren in süddeut-
schen Zeitungen habe ich dies heute entnommen , im Au-
genblick widerlegt werden. Denn die Vereinigten Staaten
von Amerika handeln, wie es einer reifen Demokratie ent-
spricht: entschieden, aber auch verantwortungsvoll.
Im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und bei
der Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit kann es
keinen Parteienstreit geben. Deutschland verdient eine par-
teiübergreifende Verantwortung. Die FDP ist dazu bereit.
Wir werden mit Sicherheit erleben, dass das Militär,
aber auch die inneren Vollzugsbehörden der Polizei im
Rahmen der Terrorismusbekämpfung handeln werden.
Aber ich finde, wir sollten bei alledem das Politische nicht
aus den Augen verlieren: Wir werden den Terrorismus in
der Welt nicht in erster Linie mit Militär und Polizei, son-
dern nur mit politischen Lösungskonzepten bekämpfen
können.
In dieser Situation ist festzustellen: Die Bevölkerung er-
wartet von uns zu Recht, dass wir entschieden handeln,
um den Terrorismus zu bekämpfen. Aber sie erwartet von
uns auch, dass wir so besonnen handeln, dass der Frieden
in Europa erhalten bleibt.
Es gibt einen bemerkenswerten Gedanken in dem fa-
belhaften Buch Kassandra von Christa Wolf, der mir in
diesen Tagen immer wieder in den Sinn gekommen ist.
Sie schreibt dort:
Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber
wann beginnt der Vorkrieg. Falls es da Regeln gäbe,
müsste man sie weitersagen.
Ich persönlich bin zu dem Ergebnis gekommen: Wenn Po-
litiker mehr über Kriegsszenarien als über Friedenslö-
sungen sprechen, dann beginnt ebendieser Vorkrieg. Die
Bevölkerung erwartet von uns zu Recht, dass wir uns
zunächst darüber unterhalten, wie man einen solchen Pro-
zess hin zum Krieg verhindern kann.
Es geht jetzt nicht um eine einseitige Fixierung auf das
Militärische. Wir brauchen vielmehr zuallererst politische
Lösungskonzepte. Politiker, die sich jetzt in öffentlichen
Interviews über Kriegsszenarien äußern, denen sollte man
sagen: Friedensszenarien sind jetzt bei uns in der Bevöl-
kerung gefragt.
Gleichwohl ist es notwendig, Entschiedenheit und
Härte zu zeigen. Gleichwohl ist es natürlich auch not-
wendig, über die Rolle der Bundeswehr zu sprechen. Wir
können nicht so tun, als gäbe es hier keine Probleme.
Meiner Einschätzung nach sollten wir in dieser Debatte
zunächst einmal über Prävention und nicht nur über Re-
pression sprechen. Dabei geht es auch um regionale Kon-
fliktlösungsmechanismen. Wenn etwas in diesen Tagen
klar geworden ist, dann das, dass es auf dieser einen Welt
keine regionalen Konflikte mehr gibt, von denen andere
Teile der Welt unbetroffen sein könnten. Jeder regionale
Konflikt ist in Wahrheit auch ein weltweiter Konflikt. Je-
der ungelöste regionale Konflikt trägt den Keim in sich,
auch bei uns Unglück zu säen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Guido Westerwelle
18310
Deswegen müssen wir auch und gerade jetzt in diesen
Zeiten eine globale politische Verantwortung wahrneh-
men, wenn es um die Konfliktlösung im Nahen Osten
geht. Wir erneuern hier unseren Vorschlag und appellieren
an Sie als Bundeskanzler und an den Außenminister, die-
sen Vorschlag in der Europäischen Union einzubringen.
Es geht darum, dass wir als Lösung eine Konferenz für Si-
cherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten anbieten,
dass wir sie initiieren; denn man hört viel zu oft, man
könne im Nahen Osten niemals zum Frieden finden, dort
sei alles so verhärtet, das sei nicht mehr zueinander zu
führen, das könne nur noch militärisch auseinander ge-
schlagen werden.
Dies ist sträflicher, ja geradezu tödlicher Leichtsinn,
meine Damen und Herren. So wie es uns in Mitteleuropa,
im Nachkriegsdeutschland, im Nachkriegseuropa gelun-
gen ist, aus Erbfeinden Freunde zu machen, so ist es auch
in anderen Regionen der Welt möglich, Menschen mitei-
nander zu versöhnen, wenn der Wille und die Anstren-
gung groß genug sind. Das muss erstes Ziel der deutschen
Politik sein.
Ich will Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der Bundesre-
gierung in dieser Debatte ein paar Bemerkungen aber
nicht ersparen. Wir haben die Debatte über den Haus-
halt unterbrochen, als uns die Nachricht von diesem
schrecklichen Terroranschlag im wahrsten Sinne des Wor-
tes getroffen hat. Wir werden diese Debatte über den
Haushalt aber fortsetzen. Wir müssen sie auch fortsetzen.
Vorgestern meldete die Deutsche Presse-Agentur eine
Erklärung eines Sprechers des Verteidigungsministe-
riums. Dieser verglich die Situation der Bundeswehr mit
einem Kaufhaus, in dem viele leere Regale stehen und
mehrere Abteilungen wegen Umbaus geschlossen sind.
Dies sagt nicht ein Oppositionspolitiker, sondern ein
Sprecher des Verteidigungsministeriums. Herr Bundes-
kanzler, wenn es Staatsräson ist, dass jetzt auch die Op-
position zum Bündnis steht und wir tun das , dann ist
es Ihre Staatsräson, dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr
entsprechend anständig ausgestattet wird.
Diese Strukturfragen haben wir zu beantworten und ich
gehe davon aus, dass Sie, Herr Finanzminister, einen kor-
rigierten Haushalt vorlegen werden.
Ich möchte an das anknüpfen, was Sie, Herr Kollege
Struck, gesagt haben. Sie haben gesagt, man dürfe nicht
den Eindruck erwecken Sie haben völlig Recht dabei ,
dass dann, wenn man nur Milliarden in die Terrorismus-
bekämpfung stecken würde, die Probleme gewisser-
maßen gelöst seien. Sonst würde man den Bürgern etwas
vormachen. Da haben Sie Recht. Ich sage Ihnen aber
auch: Wenn wir diese Milliarden D-Mark nicht in die Ter-
rorismusbekämpfung stecken, lösen wir die Probleme
auch nicht und machen den Bürgerinnen und Bürgern
auch etwas vor.
Deswegen ist es notwendig, dass wir in der Diskussion
über die innere Sicherheit noch auf das Folgende hin-
weisen: Herr Innenminister, das, was rechtsstaatlich not-
wendig ist, um Freiheit und Sicherheit in Deutschland zu
gewährleisten, werden wir mit Ihnen gemeinsam be-
schließen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Aber
ich füge auch hinzu: In meinen Augen beruht das Problem
der inneren Sicherheit nicht zuerst auf einem Gesetzes-
defizit, sondern auf einem Vollzugsdefizit. Die Ausstat-
tung der Polizeibehörden übrigens auch der Verfas-
sungsschutzämter in Deutschland lässt zu wünschen
übrig. Dies ist eine finanzielle, eine haushaltspolitische
Herausforderung.
Eine bessere Ausstattung ist notwendig. Ich denke, dass
wir dieses Problem lösen werden. Antworten Sie darauf!
Richten Sie sich darauf ein!
Ich möchte zum Schluss gerne noch einen Gedanken in
diese Debatte einführen. Es ist ein Gedanke, der mir eben-
falls sehr wichtig ist. Alle haben darauf hingewiesen, dass
man nicht im Namen von Religion derartige Verbrechen
begehen kann. Das ist völlig richtig. Ich möchte es aus
meiner Sicht noch einmal sagen: So, wie ich als Christ
nicht dafür in Haftung genommen werden möchte, dass in
Nordirland kriminelle Fundamentalisten Schulkinder
bombardieren und glauben, sie täten das im Namen der
Bibel, so ist es auch unzulässig, Andersgläubige in Haf-
tung zu nehmen, weil sich Straftäter auf den Koran beru-
fen. Bei dem einen geht es nicht um die Bibel, bei dem an-
deren nicht um den Koran. Beides sind Verbrechen.
Das möchte ich gerade als Liberaler, der unverdächtig
ist, dass es ihm an Toleranz mangeln würde zur wehr-
haften Demokratie sagen.
Ich glaube, das sind wir alle in diesem Augenblick. Oder
etwa nicht? Ich meine das übrigens ganz ernst.
Bezogen auf das liberale Verständnis möchte ich Ihnen
etwas sagen, was ich gerade in dieser Zeit für ganz be-
sonders wichtig halte: Toleranz ist gut. Toleranz gegen-
über Intoleranz ist in meinen Augen aber nicht liberal,
sondern dumm.
Darauf muss man in dieser Situation hinweisen; denn da-
rum geht es.
Herr Bundeskanzler, für das, was Sie in Ihrer Regie-
rungserklärung gesagt haben, haben Sie die Rücken-
deckung der Freien Demokraten. Wir gehen davon aus,
dass Sie uns auch weiter informieren. Zu dem, was Sie uns
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Guido Westerwelle
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nicht gesagt haben, können wir uns nicht äußern. Wir ha-
ben Verständnis dafür, dass Sie zwar mehr wissen, aber
natürlich nicht alles sagen können. Sie sehen ein, dass wir
unsere Zustimmung nur Punkt für Punkt zu dem, was Sie
in Ihren Erklärungen geäußert haben, geben können.
Wenn Sie einen entschiedenen, aber zugleich auch beson-
nenen Weg gehen, werden Sie die Unterstützung über die
Parteigrenzen hinweg erhalten. Das kann ich zumindest
für die Freien Demokraten in diesem Hause sagen.
Ich erteile Kollegin
Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Acht Tage sind
seit dem schrecklichen Anschlag auf das World Trade
Center und das Pentagon in den USA vergangen. In Ame-
rika versuchen die Menschen inzwischen, wieder so etwas
wie Alltag zu leben: Die Börse hat wieder geöffnet, die
Straßen füllen sich wieder mit Menschen und die Kinder
gehen wieder in die Schule.
Aber nicht nur dort, sondern auch hier merken wir alle,
dass das nicht so schnell geht. Die Bilder lassen sich nicht
so schnell verdrängen mir geht das jedenfalls so :
Frauen, die ihre Männer suchen, Fotos von Vermissten, die
Angehörige in den Straßen von Manhattan aufgehängt ha-
ben, und Hilfsmannschaften, die seit einigen Tagen nur
noch Tote bergen. Ich glaube, es wird lange dauern, bis wir
alle wirklich begreifen, was dort eigentlich geschehen ist.
Wir Politiker neigen ja dazu, alles und jedes sofort zu
kommentieren. Ich muss Ihnen sagen: Angesichts dieser
Katastrophe fällt es mir persönlich schwer, auch nur über
meine eigenen Empfindungen zu sprechen. Ich glaube,
ganz vielen Menschen in Deutschland geht das genauso.
Bei den Hunderttausenden, die am Freitag vor dem Bran-
denburger Tor standen, waren das tief und ehrlich emp-
fundene Mitgefühl für die Menschen in Amerika, aber
auch die Hilflosigkeit, die Ratlosigkeit und die Sorge vor
dem, was auf uns zukommt, zu spüren. Wir sind ange-
sichts des Ausmaßes von Gewalt und Terror fassungslos.
Wir spüren alle: In der vergangenen Woche hat sich
etwas Grundlegendes verändert. Es ist eine politische
Zäsur. Nichts wird mehr so sein wie vorher, weil der Terror
eine neue Dimension bekommen hat. Das war nicht nur
ein Angriff auf Tausende unschuldiger Menschen. Das
war ein Anschlag auf die demokratische und offene Ge-
sellschaft, ein Anschlag auf die Werte, die das Fundament
unserer Gesellschaft bilden: auf Demokratie, Freiheit und
Toleranz, ja, auf die Menschlichkeit selbst. Weil das so ist,
müssen wir dazu Stellung beziehen, so ängstlich und be-
sorgt wir auch sein mögen. Wir können uns nicht weg-
ducken, weil wir Teil dieser Wertegemeinschaft sind und
weil der Angriff auch uns galt.
Deshalb haben wir Amerika unsere Solidarität versi-
chert, nicht nur aus einer Bündnisverpflichtung heraus,
nicht nur weil uns Amerika beim Aufbau von Demokratie
und Liberalität unterstützt hat. Wir sind solidarisch, weil
wir uns in der Verteidigung unserer Werte, der Verteidi-
gung von Demokratie, Freiheit und Toleranz, gegen Ter-
ror und Unmenschlichkeit einig sind.
Wir, meine Fraktion, meine Partei, stehen zu dieser So-
lidarität. Wir meinen: Es war richtig und notwendig, dass
die Bundesregierung der Feststellung des Bündnisfalls im
NATO-Rat zugestimmt hat. Alles andere hätte die Solida-
ritätserklärung vom selben Tag zu Worten ohne Wert ge-
macht.
Dennoch fragen sich viele Menschen besorgt: Welche
Konsequenzen wird dies haben? Bei vielen wächst die
Angst vor einer Eskalation der Gewalt. Werden die USA
einen Rachefeldzug starten? Wird das Bündnis durch
seine Beistandspflicht in eine unkalkulierbare Zukunft
steuern?
Wir müssen hier und heute nicht über einen Einsatz der
Bundeswehr beraten. Wenn diese Frage ansteht, werden
wir zu gegebener Zeit im Bundestag darüber zu beraten
haben. Ich betone: Die deutsche Zustimmung zum Bünd-
nisfall löst keinen Automatismus aus. Wir haben den USA
unsere Unterstützung zugesichert. Dies enthebt uns aber
nicht der Verantwortung, dass wir, der Deutsche Bundes-
tag, in eigener Souveränität über unseren Beitrag zur Er-
greifung der Täter und zur Bekämpfung des internationa-
len Terrorismus zu entscheiden haben.
Dennoch kann es sein, dass begrenzte Militäraktionen
nötig sind, um den Terror und seine Strukturen gezielt zu
bekämpfen. Ich hoffe und erwarte aber auch, dass die
USA, die Bündnispartner, mit der gleichen Besonnenheit
und klugen Zurückhaltung vorgehen, die sie in den ver-
gangenen Tagen gezeigt haben. Natürlich haben die USA
nach dem Völkerrecht das legitime Recht auf Selbst-
verteidigung gegen diesen furchtbaren Angriff. Aber das
Völkerrecht kennt weder Rache noch Vergeltung. Das
Völkerrecht steht für universale Werte, die wir gemein-
sam verteidigen müssen. Ich kann daher nur davor war-
nen, den Eindruck zu erwecken, wie jetzt in so manchem
Leitartikel und so mancher Rede geschehen, als könne
man das Problem des internationalen Terrorismus allein
militärisch lösen.
Wir haben es mit einer ganz neuen Bedrohung zu tun,
die es so und in dieser Brutalität vorher nicht gab. Wir ha-
ben es mit einem Gegner zu tun, der aus dem Hinterhalt
zuschlägt. Kein Land und keine Regierung greift uns an,
sondern ein Gegner mit vielen Gesichtern. Es ist ein welt-
weit verzweigtes Netz des Terrors, das uns bedroht. Es ist
weder ein Mangel an Solidarität noch ein Mangel an Ent-
schlossenheit, wenn wir angesichts dieser Bedrohung fra-
gen: Was ist das richtige und angemessene Mittel gegen
diese Bedrohung? Gerade dieser Gegner erfordert zuerst
Besonnenheit und kluge Abwägung und dann zielgerich-
tetes und entschlossenes Handeln.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Guido Westerwelle
18312
Gerade die Unberechenbarkeit seiner Reaktion erfor-
dert unsererseits eine Reaktion, die nicht die Gefahr der
Eskalation mit unabsehbaren Folgen für den internationa-
len Frieden und nicht zuletzt auch für die Sicherheit der
Menschen in Deutschland in sich birgt. Die erste Antwort
auf die Frage nach den richtigen und angemessenen Mit-
teln haben die USA selbst gegeben, indem sie auf sofor-
tige Gegenschläge verzichtet und zunächst die Überein-
stimmung aller Bündnispartner gesucht haben. Sie
haben sich damit für den multilateralen Weg entschieden.
Der andere, der unilaterale Weg wäre der nationale Al-
leingang gewesen, der mit ziemlicher Gewissheit zu einer
unmittelbaren Eskalation geführt hätte.
Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die USA auch
die weiteren Maßnahmen zur Ergreifung der Täter und ih-
rer Hintermänner sowie den Kampf gegen den internatio-
nalen Terrorismus gemeinsam mit den Bündnispartnern
abstimmen werden. Schon heute ist der deutsche Außen-
minister in den USA, um weitere Gespräche zu führen.
Auch deshalb war es richtig, dass die NATO-Partner den
Bündnisfall erklärt haben, vorausgesetzt, der Angriff er-
folgte vom Ausland aus. Sie haben damit nicht nur dem
NATO-Vertrag entsprochen, der 1999 ausdrücklich für
den Fall terroristischer Angriffe erweitert wurde. Indem
wir uns bereit erklärt haben, den Bündnisfall festzustel-
len, haben wir die USA darin bestärkt, den Weg des ge-
meinsamen Vorgehens einzuschlagen und die Hilfe sowie
auch den Rat der Bündnispartner in Anspruch zu nehmen.
Nicht nur das: Auch der Schulterschluss mit den Ver-
einten Nationen wurde offensichtlich ganz bewusst ge-
sucht. Das ist in dem Bemühen um ein klares und ein-
mütiges Vorgehen des Weltsicherheitsrates deutlich
geworden. Russland und China stehen an der Seite der
USA. Nahezu alle arabischen Staaten ich möchte das be-
sonders betonen haben unmissverständlich und klar die
Anschläge verurteilt. Yassir Arafat hat gestern erklärt,
dass sich die palästinensische Autonomiebehörde mit all
ihren Mitteln an einem internationalen Antiterrorbündnis
beteiligen wird. Das heißt, es ist ein großes, globales
Bündnis entstanden, getragen von der Solidarität mit
Amerika, aber auch von einem gemeinsamen Ziel, näm-
lich dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Wann hat es je eine so große internationale Übereinstim-
mung gegeben?
Diese Entwicklung könnte auch eine große, historische
Chance bedeuten. Es könnte jetzt ein Neuanfang gelin-
gen, und zwar nicht nur im Kampf gegen den internatio-
nalen Terrorismus, sondern auch im Kampf gegen Ge-
walt, Extremismus und Intoleranz insgesamt.
Es könnten neue Allianzen im Kampf gegen Armut und
Ausgrenzung, gegen Rassismus und für den Schutz der
Menschenrechte möglich werden. Diese Chance sollten
wir nutzen.
Eines sollte auch klar sein: Dieser Kampf darf sich
nicht in erster Linie auf militärische Mittel stützen. Wir
brauchen eine weltweite, gemeinsame internationale Of-
fensive gegen die Strukturen des Terrorismus. Dazu
gehört einige Vorredner haben es schon gesagt : Wir
müssen dessen Finanzquellen austrocknen.
Der Hauptverdächtige, Osama Bin Laden, zum Beispiel
kann sich zur Finanzierung seines Netzwerkes auf umfas-
sende Geldquellen stützen. Wir aber wissen auch heute
noch viel zu wenig über seine Finanziers. Wenn wir sol-
chen Organisationen den Finanzhahn zudrehen wollen,
brauchen wir auf den internationalen Finanzmärkten mehr
Transparenz.
Wir brauchen eine enge internationale Kooperation der
Geheimdienste. Nicht nur die EU-Staaten, auch die USA,
China und Russland müssen ihre Waffenexportpolitik
überdenken. Vor allem müssen wir unsere Konzepte einer
internationalen Strukturpolitik weiterentwickeln, die zu
einer Entspannung der Konflikte in den Krisenregionen
dieser Welt führen. Es geht darum, allen Menschen dieser
Erde die Teilhabe am sozialen Fortschritt und die Chance
auf ein besseres Leben zu ermöglichen.
Ich sage aber auch: Ohne ein politisches Konzept, das
über den Tag hinausweist, ohne ein Angebot zur wirk-
samen Lösung der sozialen und ökonomischen Konflikte
auf dieser Erde, werden wir nicht in der Lage sein, Fana-
tikern und ihren terroristischen Netzwerken den sozialen
Nährboden zu entziehen. An dieser Aufgabe müssen wir
arbeiten.
In diesem Sinne hat Bundespräsident Johannes Rau an-
lässlich der Kundgebung am letzten Freitag zu Recht ge-
sagt: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist
eine gerechte internationale Ordnung. Deshalb brauchen
wir eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik. Im Vor-
dergrund muss dabei stehen, wie den neuen globalen Be-
drohungen durch Krisenprävention und zivile Konfliktbe-
arbeitung begegnet werden kann.
Wie schnell militärische Maßnahmen, Terrorakte und
Vergeltungsschläge in eine mörderische Gewaltspirale
führen können, zeigt das Beispiel Israel. Gerade der deut-
sche Außenminister hat in der letzten Zeit alles daran-
gesetzt, Israelis und Palästinenser wieder an den Ver-
handlungstisch zu bringen, um eine politische Lösung des
Konfliktes zu erreichen.
Ich freue mich, dass es ihm, gemeinsam mit den europä-
ischen Partnern, gerade jetzt gelungen ist, einen Waffen-
stillstand zwischen den Konfliktparteien zu vereinbaren.
Das ist in dieser Situation ein wirklich großer Erfolg.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Kerstin Müller
18313
Es zeigt: Gerade in Zeiten wie diesen sind politische
Erfolge möglich. Die Konfliktparteien haben die histo-
rische Chance ergriffen; sie haben erkannt: Der Weg der
Gewalt führt in die Sackgasse und nur eine politische Lö-
sung wird einen dauerhaften Frieden bringen. Beide Sei-
ten müssen jetzt zügig und ohne Wenn und Aber auf der
Grundlage des international anerkannten Mitchellplans
den Weg zurück, zu friedlichen Verhandlungen finden.
Dies ist ein Beispiel: Die Lösung des Nahostkonflikts, die
Akzeptanz und die Tatsache, dass die Menschen in Israel
friedlich mit den Palästinensern leben, ist ein wichtiger
erster Schritt im Kampf gegen den Terror, und zwar ein
ganz konkreter politischer Schritt.
Der notwendige Kampf gegen den extremistischen
Islamismus darf nicht zum Kampf gegen den Islam wer-
den. Ein solcher Kampf ist genau das, was die Täter und
Hintermänner der Anschläge erreichen wollen. Bedenken
Sie: Weltweit gibt es 1 Milliarde Muslime. Sie üben ihre
Religion friedlich aus. Viele leben in toleranter Nachbar-
schaft mit Menschen anderer Kultur und Religion. Viele
Muslime sind selbst Opfer von Gewaltherrschaft und ter-
roristischer Verfolgung, zum Beispiel in Afghanistan. Ge-
rade für die Menschen in den arabischen Ländern muss
dieser Unterschied klar und sichtbar bleiben. Der jetzt be-
ginnende Kampf gegen den Terrorismus ist nicht der
Kampf Abendland gegen Morgenland. Wenn dieser
Unterschied verwischt wird, dann kann das dazu führen,
dass der internationale Terror zusätzliche Unterstützung
erfährt.
Wir sollten sehr darauf achten, dass dieser Unterschied
auch in der innenpolitischen Debatte klar zu erkennen ist.
Wenn Herr Beckstein dieser Tage anders als Herr Merz
heute einem Zuwanderungsgesetz erneut eine Absage
erteilt, mit der Begründung, er glaube nicht, dass man
nach dem Terroranschlag in den USA noch unbefangen
darüber diskutieren könne, ob man Leute zum Beispiel
aus Irak, Leute aus der arabischen Welt zu uns leichter
kommen lasse, dann finde ich das sehr problematisch;
denn damit stellt er alle Angehörigen muslimischen Glau-
bens unter einen Generalverdacht. Dem müssen alle De-
mokraten entschieden entgegentreten. Eine solche De-
batte dürfen wir in Deutschland jetzt nicht lostreten
Wir dürfen den Kampf der Kulturen auch im Inneren
nicht zulassen. Wir brauchen gerade jetzt den Dialog der
Kulturen. Auch die muslimischen Gemeinden sind
schockiert und trauern. Auch sie haben sich solidarisch er-
klärt. Wenn sie jetzt von Morddrohungen und Anfeindun-
gen auf der Straße berichten das ist schon Alltag in
Deutschland , dann muss ich feststellen, dass das sehr
gefährliche Entwicklungen sind, und dann müssen wir al-
les unternehmen, damit unsere ausländischen Mitbürger
in Deutschland Schutz und Sicherheit erhalten.
Sicherlich müssen wir auch im Innern den Kampf ge-
gen den Terrorismus führen. Es kann zum Beispiel nicht
sein, dass extremistische Organisationen unter dem Deck-
mantel des Religionsprivilegs hier ihr Unwesen treiben,
die ohne diesen Status schon längst verboten wären. Es
ist daher ein sehr vernünftiger Vorschlag des Bun-
desinnenministers, das Vereinsrecht entsprechend zu än-
dern. Aber wir müssen genau prüfen, welche Maßnahmen
wirklich zu mehr Sicherheit führen und welche nur vorge-
ben, es zu tun. Innere Sicherheit im Rechtsstaat zu ge-
währleisten heißt, die richtige Balance zwischen Sicher-
heit und Freiheit zu finden. Sicherheit ist die
Voraussetzung für Freiheit. Das hat Otto Schily dieser
Tage gesagt und das ist richtig. Aber wenn wir jetzt als Re-
aktion auf die Anschläge in blindem Aktionismus Frei-
heitsrechte abbauen, dann haben die Terroristen schon ge-
wonnen. Das können wir nicht wollen.
Herr Kollege Scholz ich weiß nicht, ob er anwesend
ist , ich finde es absolut unangemessen, wenn Sie jetzt im
Windschatten der Tragödie in den USA Ihre alten Lieb-
lingsforderungen vom letzten Jahr durchsetzen wollen:
Aufhebung der Trennung von Geheimdienst und Polizei,
Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder Einrichtung ei-
nes nationalen Sicherheitsrates. Ich frage mich: Was soll
das? Ohne sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der
tatsächlichen Sicherheitslage solche Forderungen zu er-
heben, nenne ich Panikmache.
Damit führen Sie keine Debatte über das, was notwendig
ist. Das schafft auch nicht mehr Sicherheit. Im Gegenteil:
Das verunsichert die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land.
Uns geht es um die Verteidigung der Freiheit sowie die
Verteidigung von Demokratie und Toleranz. Daher kön-
nen wir im Bereich der inneren Sicherheit keine Schnell-
schüsse gebrauchen. Vielmehr sind Ruhe und Besonnen-
heit auch in der Innenpolitik geboten.
Viele Menschen haben Sorgen. Sie fragen sich: Wie ist
es möglich, dass einer der Täter acht Jahre lang unerkannt
und unauffällig unter uns lebte, ohne dass es auch nur die
geringsten Hinweise gab? Leider muss man antworten:
Weder noch so strikte Sicherheitsgesetze oder ein noch so
starker Geheimdienst bieten absoluten Schutz vor solchen
Tätern. Wir müssen uns die Entwicklung in den USA sehr
genau anschauen. Dort wurden allein im letzten Jahr
12 Milliarden US-Dollar für Terrorismusbekämpfung aus-
gegeben. Die USA haben einen der bestausgestatteten Ge-
heimdienste der Welt und haben für ihn allein im letzen
Jahr 30 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Dennoch ist es
nicht gelungen, diese lange vorbereitete Tat, an der viele
Personen im Vorfeld beteiligt waren, zu verhindern. Daher
müssen wir doch erst einmal genau analysieren: Wo lagen
die Schwachstellen und Fehler? Arbeiten die Dienste mit
den richtigen Schwerpunkten? Was muss angesichts der
neuen Herausforderungen ihre Aufgabenstellung sein?
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Kerstin Müller
18314
Wir müssen uns auch immer wieder klarmachen: Wir
wollen eine Gesellschaft von freien Bürgern. Eine Gesell-
schaft von freien Bürgern bleibt immer verwundbar. Ab-
solute Sicherheit gibt es in der offenen Gesellschaft
nicht.
Benjamin Franklin hat einmal gesagt das wurde in
der letzten Woche oft zitiert :
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen,
wird am Ende beides verlieren.
Lassen Sie uns deshalb alle gemeinsam die notwendigen
Diskussionen über den richtigen Weg gegen den Terror
mit Sorgfalt führen außen- wie innenpolitisch. Was wir
tun, darf das freiheitliche Fundament unserer Gesellschaft
nicht beschädigen; denn es geht ja gerade um die Vertei-
digung unserer freiheitlichen Gesellschaft. Wir müssen
sie vor dem Terror schützen nach innen wie nach außen.
Danke schön.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Roland Claus, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Die Bilder des unfassbaren
Leids wird niemand vergessen. Wir alle erleben in diesen
Tagen, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger ihre Trauer
und Wut, ihre Solidarität mit dem amerikanischen Volk
eben auch mit dem Ruf nach Besonnenheit und auch mit
der Angst vor Krieg verbinden. Die Politik ist wie selten
zuvor in die Pflicht genommen.
Herr Bundeskanzler, ich finde, Sie haben Recht: Es
geht in der Tat um die Kultur dieser einen immer mehr zu-
sammenwachsenden Welt. Die weinende Schülerin vor
der Hedwigs-Kathedrale, die mir in Erinnerung bleibt, ist
nicht weniger solidarisch mit den Vereinigten Staaten, nur
weil sie uns Politikern zuruft: Kein Krieg!. Ich denke,
wir sind uns einig: Wenn der globalisierte Terror den glo-
balisierten Krieg zur Folge hätte, dann hätte nicht die Zi-
vilisation, dann hätte der Terror obsiegt.
Die Logik des Todes ist die Logik der Terroristen. Sie darf
aber nicht die Logik einer freien und gerechten Welt
werden.
Der Kampf gegen den globalisierten Terrorismus ist
gewinnbar, ein Krieg aber nie.
Herr Bundeskanzler, ich weiß um die Last, die Sie in
diesen Tagen zu tragen haben. Ihre Regierungserklärung
verdient Respekt. Aber lassen Sie mich dennoch nachfra-
gen. Ich unterstelle Ihnen bekanntlich nicht, dass Sie der
kriegerischen Vergeltung das Wort reden. Aber warum ei-
gentlich haben Sie kein Wort zur Rede des Bundespräsi-
denten Johannes Rau auf der Berliner Kundgebung ge-
funden?
Dann war da noch das Wort von Frau Merkel an die
Adresse des Bundespräsidenten, wir dürften uns nicht ins
Hinterzimmer der Gemütlichkeit zurückziehen. Solche
Sätze lassen leider ahnen, wohin die in Sprache gebettete
Verächtlichmachung von Besonnenheit und Zurückhal-
tung führen kann.
Frau Merkel, wir wollen auch keine Spirale der Wortge-
walt.
Über alle Parteigrenzen hinweg besteht große Einig-
keit darüber, dass der 11. September einen tiefen Ein-
schnitt in der Geschichte darstellt. Wenn das richtig ist
wie auch ich finde , bedarf es aber auch ganz neuer
Antworten auf neue globale Herausforderungen. Ich habe
momentan jedoch das Gefühl, dass auf diese Zäsur nicht
mit wirklich neuen, sondern immer noch mit ziemlich al-
ten Überlegungen reagiert wird. Wenn die militärische
Vergeltung im Mittelpunkt steht, ist das alt. Wenn in der
Innenpolitik nach Einschränkung individueller Freiheiten
gerufen wird, ist das alt. Dies alles ist in der Vergangen-
heit schon da gewesen
und es hat nichts genutzt.
Die Welt braucht eine neue Sicherheitsarchitektur.
Den globalisierten Terrorismus kann die Völkergemein-
schaft nur gemeinsam wirksam bekämpfen. Zivile Kon-
fliktlösungen müssen Vorrang haben und die Gefahren ei-
ner Spirale der Gewalt müssen eingedämmt werden.
Indem wir dies sagen, wissen wir natürlich, dass die Er-
greifung der Schuldigen nicht ohne repressive Maßnah-
men vonstatten gehen kann. Über das Maß dieser Repres-
sion kann aber erst entschieden werden, wenn die
Schuldigen ausgemacht sind und ihr Aufenthaltsort aus-
findig gemacht wurde. Solche repressiven Maßnahmen
müssen dann mit den Betreffenden, so auch den arabi-
schen Staaten, und nicht gegen sie vereinbart werden.
Ein militärischer Schlag, dem Unschuldige zum Opfer
fallen, wird nicht nur das Leben dieser Unschuldigen kos-
ten, er wird auch seinerseits wieder neue Rufe nach Rache
und Vergeltung hervorbringen. Dies und nichts anderes
hat Gregor Gysi gemeint, als er überlegt hat, wie denn die
Verantwortlichen für den Terror zu ergreifen sind. Ich will
Ihnen sagen: Auch diese Frage ist der Linken natürlich
nicht egal.
Meine Damen und Herren, auch wir meinen: Die Welt
darf nicht in Gut und Böse aufgeteilt werden. Kein Volk
dieser Erde ist ein Schurkenvolk; keine Religion der Welt
ist eine Schurkenreligion. Pauschale Feindbilder werden
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Kerstin Müller
18315
pauschale Hassreaktionen hervorbringen. Das kann nie-
mand wollen.
Die technische und logistische Realisierung der An-
schläge von New York und Washington zeigt: Dagegen
hilft keine Armee; dagegen hilft kein Raketen-
schutzschild. Eher ist zu befürchten, dass in der Logik des
Wahnsinns der Gegenschlag bereits kalkuliert ist. Staat-
liche Unterstützung von Terror muss geächtet und mit
politischen und ökonomischen Mitteln überwunden wer-
den. Entschiedener als zuvor haben wir darüber nachzu-
denken, wie endlich die Waffenexporte eingeschränkt und
die Finanzstrukturen des internationalen Terrorismus zer-
schlagen werden können.
Auch wir ich will das noch einmal betonen haben
keine fertigen Rezepte für die Lösung der komplizierten
Probleme. Nur: Es muss doch auch in Deutschland legi-
tim sein, vor einer Spirale der Gewalt zu warnen, ohne des
Antiamerikanismus verdächtigt zu werden. Es sind in der
Gesellschaft sehr viele, die wie wir vor dieser Spirale der
Gewalt warnen: Kirchen, Gewerkschaften, Verbände,
Friedensorganisationen. Unter den Besorgten sind ganz
Junge genauso wie auch die Älteren, die aus eigener Er-
fahrung wissen, was Krieg wirklich bedeutet.
Der Terror darf keine Gewalt über uns gewinnen. Jetzt
muss sich erweisen, wie zivilisiert die zivilisierte Welt ist.
In Berlin leben Zehntausende muslimischer Mitbürgerin-
nen und Mitbürger als Mitbürger, wie gesagt, nicht als
Feindbilder.
Es ist nicht unsolidarisch oder antiamerikanisch, wenn
sich die PDS-Fraktion entschlossen hat, den Beschluss
des NATO-Rats nicht mitzutragen. Es muss erlaubt sein,
sich dem Vorrang oder dem Übermaß des Militärischen zu
entziehen.
Eine Kriegsrhetorik wie die von der Notwendigkeit ei-
nes ich zitiere Kreuzzuges, die der Präsident der
Vereinigten Staaten jetzt gewählt hat, macht es schwer,
kritisch solidarisch zu sein. Es ist die Verantwortung der
NATO-Verbündeten, hier klare Antworten einzuholen.
Wir dürfen doch fragen: Was eigentlich ist das Ziel eines
Militärschlages? Was soll an seinem Ende stehen? Mit
welchem Ergebnis kommt man aus ihm wieder heraus?
Es bleibt uns die Hoffnung, dass aus militärischer Rheto-
rik nicht analoge Militärpolitik wird.
Neues Denken von Sicherheitspolitik verdient eine
Chance. Nein, die Terroristen sind weder Repräsentanten
noch die Stimme des in bitterer Armut lebenden Teils der
Welt. Nichts rechtfertigt ihre Anschläge. Dennoch muss
es zu einer neuen Sicherheitsarchitektur der Welt gehören,
mehr für Entwicklung und sozialen Ausgleich zu tun,
damit dem Terror der Nährboden entzogen wird. Gemein-
sames Handeln aller Staaten gegen den Terrorismus ist
nur in einem solidarischen Verbund aller Staaten möglich.
Die NATO ist nur in einem Teil der Welt ein solcher
Verbund. Die Hälfte der Welt kann nicht die Antworten
für die ganze Welt geben. Die UNO hat eine Antiterror-
konvention beschlossen, die, wenn sie weltweit ratifiziert
wird, Grundlage für entschiedene weltweite Schritte ge-
gen den Terrorismus sein kann.
Friede muss gerecht sein und sich mit Wohlstand
sei er auch relativ verbinden. Wer Sicherheit will, der
muss sich real für eine gerechte Welt und für eine neue
Weltwirtschaftsordnung einsetzen. Friede muss auch in-
nerhalb der Gesellschaft freiheitlich und demokratisch
sein. Es geht um das Gemeinwohl. Also muss die Ge-
meinschaft mehr Mittel für soziale, kulturelle und bil-
dungspolitische Integration aufbringen. Mehr Transpa-
renz, eine starke Zivilgesellschaft und interkultureller
Austausch sind Markenzeichen eines modernen Weges zu
mehr Sicherheit.
Natürlich sehen auch wir die Notwendigkeit, Maßnah-
men zur Verbesserung der Flugsicherheit zu ergreifen und
zu wirksameren Formen der Terrorismusbekämpfung im
Landesinnern zu gelangen. Aber Bürgerrechte, Demokra-
tie und Weltoffenheit dürfen nicht im Zeichen des Zorns
abgebaut werden.
Es genügt auch nicht, bei den geplanten Maßnahmen nur
in Kategorien der Repression zu denken. Es ist doch an-
gebracht, zur gemeinsamen Terrorismusprävention mit
nicht deutschen Verbänden und Vereinen in der Bundes-
republik in Beratung zu treten und dieses Thema auf die
Tagesordnung zu setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in dieser
Legislaturperiode noch ein Jahr miteinander zu tun. Wie
auch immer sich jede und jeder heute entscheidet, ich habe
die Hoffnung, dass wir uns ganz am Anfang dieser Kon-
flikte so verhalten, dass wir uns nach diesem Jahr immer
noch in die Augen sehen können. Ebenso wie ich keinem
Abgeordneten unterstelle, unbedacht oder gar kriegslüs-
tern zu sein, sollten Sie einer kritischen Minderheit im
Hause nicht unlautere oder unerlaubte Motive unterstellen.
Wenn wir dem globalisierten Terror mit globalisierter
Vernunft und globalisierter Gerechtigkeit begegnen, dann
kann Friede sein.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile dem Kolle-
gen Gernot Erler, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Die Terrorakte vom 11. September
sind eine einzige große Herausforderung gemessen an
der Zahl der Opfer, gemessen an dem Umfang der Zer-
störungen, gemessen an der Symbolkraft der Ziele,
gemessen an der Inszenierung, die die Medien der Ver-
einigten Staaten zwang, die eigene Verwundung abzu-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Roland Claus
18316
bilden und in die ganze Welt zu versenden, gemessen auch
an dem Umstand, dass die Täter womöglich noch in der
Selbstgewissheit des Gelingens ihrer Untat diese mit
spekulativen Börsengewinnen verbunden haben.
Es gibt kein erkennbares, definierbares Ziel dieser An-
schläge, nein es handelt sich um die Herausforderung an
sich. Wir erkennen, dass uns die Verwundung und die
Demütigung der stärksten Macht innerhalb der Welt-
gemeinschaft als rein zerstörerischer Selbstzweck gegen-
übertritt. Diese Herausforderung hat eine ungeheure
Spannung über die ganze Welt gelegt. Sie hat Amerika
und die ganze Weltgemeinschaft mit hinein in eine sehr
ernste Bewährungsprobe gestellt. Wir alle stehen mitten
in dieser Prüfung: die Bundesregierung, die Lan-
desregierungen, der Bundestag, unsere Sicherheitsorgane,
die seit einer Woche Enormes leisten, bis an die Grenze
der Belastbarkeit gehen und denen wir dafür Dank und
Vertrauen aussprechen müssen, aber auch jeder Einzelne.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorgelegte Ent-
schließungsantrag vergewissert sich noch einmal der
Empfindungen, die wir in dieser Woche geteilt haben, und
der Schritte, die wir in diesen sieben Tagen gemeinsam
gegangen sind. Eigentlich ist der Entschließungsantrag
die kürzeste Zusammenfassung dieser Tage nach dem
Schock. Da ist die Rede von Bewunderung: ein seltenes
Wort in der parlamentarischen Arbeit, aber ehrlich ge-
meint. Sie bezieht sich auf die menschliche Antwort, die
Amerika auf die eigene Verwundung gegeben hat, auf die-
ses Aufbäumen der amerikanischen Gesellschaft, für das
exemplarisch Bürgermeister Giuliani richtige Worte fand,
und auf diese tausendfache spontane Hilfsbereitschaft
und die Zeichen von Menschlichkeit. Das ist eine ein-
drucksvolle Antwort, die beste Antwort auf die brutalen,
menschenverachtenden Gewalttaten gewesen.
Der Entschließungsantrag würdigt auch die ungezähl-
ten spontanen Gesten in Deutschland: in jedem Dorf, in
jeder Stadt, bei jedem Zusammentreffen von Menschen in
diesen Tagen. Diese haben von den Menschen her eine
Verbundenheit und Anteilnahme demonstriert, die das
müssen wir bekennen keiner von uns durch noch so gut
gewählte Worte hätte zum Ausdruck bringen können. Ich
kann nur sagen: Das hat gut getan uns, aber auch denen,
denen diese Zeichen gelten.
Der Entschließungsantrag würdigt auch die politischen
Reaktionen in dieser Woche nach der Herausforderung:
die bemerkenswerten Beschlüsse der Vereinten Nationen,
die Beschlussfassung der Allianz und das, was Bund und
Länder zum Schutz aller Bürger in unserem Land im In-
neren getan haben und tun werden.
Alle diese Maßnahmen konnten aber eines nicht ver-
hindern: Nach all den Zeichen der Anteilnahme und Ver-
bundenheit verbreitet sich doch um uns herum jetzt Angst
aus vor dem, was kommen könnte. Es ist die Angst vor
dem Krieg; sie schlägt sich in jeder Diskussion, in zahl-
reichen Anrufen, Briefen und Appellen nieder, die uns Ab-
geordnete täglich erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Pflicht,
diese Angst ernst zu nehmen und wir tun das; ich versi-
chere das. Es ist aber auch unsere Pflicht als Abgeordnete,
Antworten in der Sache auf diese Sorgen und Befürch-
tungen zu geben. Ich will das ein Stück weit versuchen
und dabei auch zeigen: Es gibt auch Hoffnung. Ich wende
mich der politischen Reaktion in den Vereinigten Staaten
zu. Hätten wir überrascht sein können, wenn die verwun-
dete Großmacht noch mitten im ersten Schmerz ausgeteilt
hätte, sozusagen einen zwangsweise ungenauen Befrei-
ungsschlag geführt hätte? Ich bin froh, dass es nicht pas-
siert ist.
Wir hören jetzt einige Worte, die uns erschrecken, auch
wenn wir ihre nach innen gerichtete Funktion erkennen.
Entscheidend ist aber: In der Praxis, faktisch, passiert et-
was ganz anderes. Wir sind Zeuge der Bildung eines brei-
ten Bündnisses, einer großen Allianz gegen den Terro-
rismus, die auf Dauer angelegt ist, die Russland, China
und auch arabische und islamisch orientierte Staaten ein-
bezieht, ja sogar solche, bei denen hiermit eine Umkehr
verbunden sein könnte. Diese große Allianz ist keine, die
sich zum Krieg hinwendet, sondern eine, die auf umfas-
sende politische, diplomatische, ökonomische und kul-
turelle Mittel setzt. Wir sagen ganz entschieden: Das ist
der richtige Weg. Wir unterstützen diesen Weg. Es gibt
uns Hoffnung, dass Amerika in diesem Moment der Er-
schütterung die Umsicht und die Kraft zeigt, diesen Weg
einzuschlagen.
Wir wollen, dass diese große Allianz gegen die Geißel
der Gewaltanwendung und des Terrorismus von Dauer ist.
Wir wollen aber auch noch etwas anderes: Die Stunde ei-
ner großen Gefahr ist manchmal auch die Geburtsstunde
einer großen Vision, einer umwälzenden Erinnerung. Er
selbst und seine schwarzen Brüder und Schwestern in
Amerika waren in größter Bedrängnis, als Martin Luther
King unter dem Motto I have a dream die Konturen ei-
ner besseren Gesellschaft, einer besseren Welt zeichnete.
Dieser Traum hatte nachhaltige politische Auswirkungen.
Wir haben die Chance, aus der Allianz gegen etwas
gegen den Terrorismus , die sich jetzt bildet, eine Allianz
für etwas zu machen.
Wir müssen eine umfassende Umkehr heraus aus der Ge-
waltanwendung in der internationalen Politik organisie-
ren. Jede bessere Weltordnung beginnt mit diesem Weg,
mit dieser Entscheidung. Der Schreck, der uns allen in die
Glieder gefahren ist, muss neue Kräfte für diese Umkehr
wecken. Deswegen ist es in der Tat ein Zeichen der Hoff-
nung, dass Yassir Arafat jetzt und gerade jetzt einen um-
fassenden einseitigen Waffenstillstand ausgerufen hat und
dass die israelische Regierung mit dem Stopp aller offen-
siven militärischen Aktionen geantwortet hat.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Gernot Erler
18317
Eine Antwort auf die Kriegsangst ist also aufzuzeigen:
Es gibt Hoffnung. Es gibt gute Ansätze. Wir sind ent-
schlossen, diese zu verfolgen. Aber es gibt für uns als Ab-
geordnete noch eine andere Pflicht. Wir müssen denjeni-
gen, die Angst vor dem Schlimmen haben, das noch
passieren kann, klarmachen, dass etwas sehr Schlimmes,
etwas sehr Gefährliches schon passiert ist. Der Ernstfall
ist schon da. Er lauert nicht erst vor der nächsten Tür. Die-
ser Ernstfall ist am 11. September eingetreten.
Dieser Triumph der Gewalt und diese Verhöhnung aller
Gebote internationalen und menschlichen Zusammenle-
bens dürfen so nicht stehen bleiben, dürfen keinen Be-
stand haben. Sie müssen auch eine direkte Beantwortung
finden. Die Vereinten Nationen wissen, warum sie eine
umfassende internationale Anstrengung verfolgen, um die
Täter zu stellen und zu bestrafen und die, die sie schützen
und unterstützen, zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist
keine moralische Frage, sondern eine sicherheitspoliti-
sche Frage. Die Vereinten Nationen haben mit der Formel
Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Si-
cherheit ihr Signal für die höchste Alarmstufe gegeben.
Wenn dieser Triumph der Gewalt Bestand hat, dann
wird das Beispiel Schule machen, dann wird es Zulauf zu
den Netzen des Terrorismus geben, dann wird es neue An-
schläge geben, dann werden der Hydra der menschenver-
achtenden Gewaltaktionen tausend Arme wachsen. Das
dürfen wir nicht zulassen.
Das Problem besteht jetzt darin, verschiedene Dinge
miteinander zu verknüpfen: die Täter zu stellen und sie zu
bestrafen, ihre Netze unter Druck zu setzen, ihren Triumph
zu vereiteln aber das alles so, dass diese große Allianz, die
ich erwähnt habe, Bestand hat.
Ich habe am Tag nach den Attentaten eine E-Mail von
Dale Fuller erhalten, einem 21-jährigen amerikanischen
Studenten, der zehn Monate als Praktikant in meinem
Büro gearbeitet hat. Er hat seinen Bericht darüber, wie er
in Minneapolis diesen Tag erlebt hat, mit folgenden Sät-
zen beschlossen:
Ich hoffe, dass Gott uns allen hilft und dass es keinen
Krieg gibt. Aber wir müssen etwas gegen diese Ter-
roristen machen. Denkt an uns in Amerika! Unsere
Herzen und unser Land sind verletzt.
Das sind einfache Worte. Sie umschreiben aber die ganze
Komplexität unserer Aufgaben. Wir müssen die Täter
stellen. Wir müssen etwas gegen den Terrorismus ma-
chen. Wir müssen dem verwundeten Amerika helfen.
Aber wir müssen gleichzeitig den Krieg verhindern und
diese große Allianz bewahren.
Politik ist manchmal sehr schwer. Aber ich sage all de-
nen, die jetzt Befürchtungen und Angst haben: Wir bitten
euch um Vertrauen und wir bitten euch auch darum, uns
bei dieser schwierigen Aufgabe zu begleiten.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Michael Glos, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir lassen nicht zu,
dass die grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens
von Terroristen zerstört werden. Wir werden Freiheit und
Recht mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ver-
teidigen. Deswegen steht Deutschland angesichts dieses
furchtbaren, hinterhältigen Angriffs fest an der Seite un-
serer amerikanischen Freunde und unserer Partner im
Bündnis der NATO.
Unser Land hat von den Vereinigten Staaten von Ame-
rika ehrliche Freundschaft und echte Solidarität erfahren;
ich erinnere nur an die Luftbrücke nach Berlin, an den
Marshall-Plan und an den Dienst amerikanischer Solda-
ten in Deutschland. Ohne die Hilfe Amerikas hätten wir
im Kalten Krieg nicht unsere Freiheit bewahrt und hätten
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht unsere
Einheit erreicht. Deswegen fühlen wir uns von den
schrecklichen Bildern, die wir gesehen haben, ganz be-
sonders belastet und selbst getroffen. Es war auch ein An-
griff auf unsere Lebensform.
Aus tiefer Überzeugung und aus Mitgefühl mit den Op-
fern, um die wir trauern und für die wir beten es waren
auch 100 Deutsche darunter, denen unser ganz besonde-
res Gedenken gelten muss , müssen wir an den Maßnah-
men, die einzuleiten sind, festhalten, auch wenn sie ge-
fährlich sein können.
Die USA reagieren auf die Terrorwelle, wie ich meine,
sehr entschlossen und auch sehr besonnen. Herr Bundes-
kanzler, Sie haben in unserer Runde, in der wir uns manch-
mal treffen, selber gesagt, Präsident Bush und seine Re-
gierung suchten die Gemeinsamkeit mit allen Staaten,
die den Terror ablehnen. Die Partner in der NATO, Russ-
land, China und viele andere Staaten in der Welt machen
gemeinsam Front gegen den Terror.
Umso bedauerlicher war es daran trägt aber niemand
von uns Schuld , dass Parlamentarier aus 143 Ländern im
Rahmen der IPU, der Interparlamentarischen Union, bei
ihrem Treffen in Burkina Faso noch nicht einmal eine Mehr-
heit dafür erreichen konnten, dass zumindest die Flaggen
auf Halbmast gesetzt werden. Das zeigt, dass der Antiame-
rikanismus noch sehr groß ist.
Ich finde es richtig, dass Sie mithelfen, gegen den
Antiamerikanismus bei uns in Deutschland anzukämpfen.
Umfragen zeigen: Nur 37 Prozent der Bevölkerung in un-
serem Land sind derzeit mit Präsident Bush einverstan-
den. Diesen Antiamerikanismus will ich Ihren Parteien
nicht pauschal zuschieben; dafür ist es auch nicht die rich-
tige Stunde. Aber er muss uns zum Nachdenken darüber
anregen, welche Vorurteile gegenüber Amerika und
dem jetzigen Präsidenten bei uns in den Medien, auch in
den öffentlich-rechtlichen, geschürt worden sind.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Gernot Erler
18318
Ich bin der Meinung, George Bush meistert die Krise mit
großem staatsmännischen Format. Die USA haben ein
großes Bündnis zur Bekämpfung des Terrors ge-
schmiedet. Zu diesem Bündnis muss und wird Deutsch-
land seinen Beitrag leisten. Die Opposition ist dazu selbst-
verständlich bereit.
Der NATO-Rat hat am 12. September einstimmig fest-
gestellt: Die Terrorattacken sind ein Bündnisfall nach
Art. 5 des Nordatlantischen Vertrages, wenn feststeht,
dass diese Angriffe von außen gegen die USA geführt
wurden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat
sich hinter diese Maßnahmen gestellt und hat dazu aufge-
rufen, Täter, Drahtzieher und Unterstützer gemeinsam zur
Verantwortung zu ziehen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben den Vereinigten Staaten
mit unserer Zustimmung die uneingeschränkte Solida-
rität Deutschlands versichert. Dieses Wort es ist heute
vor einer Woche hier im Deutschen Bundestag ausgespro-
chen worden muss auch eine Wochen später noch gel-
ten. Deswegen appelliere ich an eine geschlossene Zu-
stimmung des Deutschen Bundestages. Dass die PDS
abschwenkt, das war zu erwarten. Sich aus Solidarität mit
Amerika auf eine Bühne zu stellen ist leichter, als die kon-
kreten Maßnahmen mitzutragen. Herr Bundeskanzler, wir
müssen uns deshalb fragen, ob es richtig ist, dass diejeni-
gen, die aus der Gemeinsamkeit der Demokraten aus-
scheren, noch dabei sitzen, wenn die Fraktionsvorsitzen-
den im Deutschen Bundestag unterrichtet werden.
Ich bin der Meinung, dass die gemeinsam eingebrachte
Resolution nachdrücklich die klare Haltung, die die Bun-
desregierung und alle Fraktionen schon vor einer Woche
zum Ausdruck gebracht haben, noch einmal unterstreicht.
Ich werbe deswegen für eine geschlossene Mehrheit. Das
wäre ein klares Signal an unsere Verbündeten: Deutsch-
land steht zu seinen Verpflichtungen. Das wäre auch ein
klares Signal an den internationalen Terrorismus:
Deutschland ist entschlossen, Zivilisation und Demokra-
tie zu verteidigen. Dieses Signal wäre gut für unser Land.
Wir wollen mit dieser Entschließung ein gemeinsames
Fundament für die folgenschweren Entscheidungen
bauen, die im Parlament in den kommenden Wochen und
Monaten möglicherweise noch zu treffen sein werden.
Diese Entscheidungen sind es dann letztlich, die unseren
Mut und unsere Konsequenz auf eine große Probe stellen
werden. Deutschland muss bereit sein, den Kampf gegen
den Terrorismus an der Seite unserer Verbündeten auch
mit militärischen Mitteln zu führen, wenn die Amerikaner
geeignete Verbände der Bundeswehr anfordern. Wir alle
wissen, dass der Einsatz für unsere Soldaten gefährlich
ist. In Kenntnis dieser Gefahr müssen wir dennoch so ent-
scheiden, wie unsere Pflicht, unsere Bündnissolidarität
und auch unsere Überzeugung uns das abverlangen.
Die Bürger erwarten von ihrer Regierung und ihrem
Parlament einen klaren und festen Kurs. Wir alle sind
Amerikaner hat Peter Struck vor einer Woche hier ge-
sagt. Aber zwei Tage später hat sich der Regierende Bür-
germeister von Berlin, Wowereit, davon verabschiedet,
indem er gesagt hat, dass wir keine Stellvertreterkriege
führen dürfen und dass wir an der Seite der Vereinigten
Staaten eben nur Stellvertreter seien. Es gibt keine Stell-
vertreterkriege, wenn es um die Freiheit geht. Herr Bun-
deskanzler, ich appelliere an Sie, dass Sie auch in Ihre Par-
tei hineinwirken. Ich fand es genauso unangemessen, dass
eine führende SPD-Politikerin davon sprach, dass dieser
schießwütige Cowboy diesen Ausdruck sollten wir
tunlichst sein lassen wohl zur Vernunft gekommen sei.
Allein mit solchen Worten schafft man Stimmungen, die
nicht gut für unser Land sind.
Deutschlands Solidarität im westlichen Bündnis an der
Seite der ganzen zivilisierten Welt muss klar und eindeu-
tig sein. Ich zitiere jetzt eine Zeitung, die der Bundesre-
gierung nahe und der Opposition sehr wenig nahe steht,
nämlich die Süddeutsche Zeitung.
Sie schrieb am Wochenende: Selbst wenn sie wollte,
könnte die Bundeswehr nicht kämpfen. Solche Analysen
dürfen kein Vorwand für Deutschland sein, um kleinere
Lasten als andere schultern zu müssen. Wir müssen die
vorhandenen Möglichkeiten die Bundeswehr hat auch
ihre Stärken selbstverständlich zur Verfügung stellen.
Wir müssen aber etwas dafür tun die Haushaltsberatun-
gen stehen vor der Tür , um die Lage unserer Streitkräfte
nachhaltig zu verbessern. Hier geht es um unsere Freiheit
und um unsere Bündnissolidarität. Diese Solidarität kann
man nur erfüllen, wenn man die entsprechenden Mittel
hat.
Deutschland steht nach Bevölkerungszahl und Wirt-
schaftskraft im Bündnis der NATO an zweiter Stelle. Un-
ser Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit muss der Bedeu-
tung unseres Landes entsprechen. Deswegen müssen wir
den Auftrag und die Ausrüstung unserer Bundeswehr
der neuen Bedrohungslage anpassen, die sich übrigens
schon länger abzeichnet. Herr Bundeskanzler, ich appel-
liere an Sie das ist keine Sache des Finanzministers und
der Finanzpolitiker, wie immer gesagt wird; man kann da
auch nicht herumeicheln , dieses Problem durch ein
Machtwort von Ihnen zu lösen. Wenn dazu im Haushalt
Umschichtungen notwendig sind, um Prioritäten zuguns-
ten der Sicherheit zu setzen, dann können Sie mit uns da-
rüber reden. Wir werden diese Schwerpunktverlagerun-
gen, wenn es darauf ankommt, mittragen. Auch davor
werden wir uns nicht drücken, wenn wir damit unsere Si-
cherheit stärken können.
Die Anschläge in den Vereinigten Staaten stellen aber
auch dringende Fragen an die innere Sicherheit in
Deutschland, über die Herr Schily sicher gleich sprechen
wird. Wir müssen den Gefahren des Terrors entschlossen
begegnen. Ich begrüße, dass heute eine Sondersitzung des
Innenausschusses stattfindet, der sich ganz intensiv mit
der Bedrohungslage befasst. Dazu gehört auch ich hoffe,
Sie legen das im Innenausschuss dar , inwieweit unsere
Hilfskräfte, der Katastrophenschutz, das Technische
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Michael Glos
18319
Hilfswerk usw., in der Lage sind zu helfen, wenn ein Ter-
roranschlag bei uns passieren würde, wozu es ja sehr
leicht kommen kann. All das muss sorgfältig diskutiert
werden und wo Mittel fehlen, muss sehr schnell gehandelt
werden.
Dazu gehört aber auch, dass Bund und Länder immer
wieder Polizeikräfte in ausreichender Stärke mit moderns-
ter Ausrüstung zur Verfügung stellen. Deswegen muss
noch einmal überdacht werden, ob wir den Bundesgrenz-
schutz dauerhaft so reduzieren können, wie das geschehen
ist. Wenn die Polizei in ihren Aufgaben beim Kampf gegen
den Terror durch einen Einsatz von Soldaten in bestimm-
ten Fällen zum Beispiel für Wachaufgaben wirksam
entlastet werden kann, dann darf auch dies selbstverständ-
lich kein Tabu sein.
Der Bund und die Länder müssen auch die Nachrich-
tendienste wieder stärken. Wir dürfen an unserer Ent-
schlossenheit, jede terroristische oder extremistische
Gruppierung aufzudecken und lahm zu legen, keinen
Zweifel lassen. Der Terrorismus kann nur unschädlich ge-
macht werden, wenn seine Strukturen aufgespürt werden,
weltweit und ganz besonders auch bei uns in Deutschland.
Deswegen ist die Bundesregierung aufgefordert, für eine
bedrohungsgerechte Ausstattung des Bundesnachrichten-
dienstes Sorge zu tragen. Dort, wo es rechtliche Hürden
beim Austausch der Informationen zwischen den Sicher-
heitsdiensten gibt, müssen diese beseitigt werden. Die
Verfassungsschutzämter müssen ausgebaut werden
Stärkung, nicht Abbau ist das Gebot der Stunde.
Ich könnte jetzt eine lange Liste aus Zitaten zusam-
mentragen, wo sich führende Politiker der Koalition zur
inneren Sicherheit geäußert haben. Ich will dies nur bei-
spielhaft tun. Der Bundesumweltminister bezeichnete es
als Erfolg, dass er in Niedersachsen gemeinsam mit dem
damaligen Ministerpräsidenten Schröder den Verfas-
sungsschutz halbiert hat. Kerstin Müller sie hat vorhin
hier geredet hat sich im Handelsblatt vom 14. Ja-
nuar 1999 gegen eine Regelanfrage beim Verfassungs-
schutz bei Einbürgerungen gewandt, weil sie gegen einen
Gesinnungs-TÜV sei. Rezzo Schlauch, der heute nicht
redet, hat über den Verfassungsschutz gesagt: Zeitungs-
ausschnitte sammeln, daraus Dossiers anlegen, ... finde
ich überflüssig.
So könnte ich diese Liste fortführen. Ich glaube, es ist
dringend notwendig, dass diejenigen, die ich angeführt
habe, jetzt sagen: Wir haben uns geirrt, wir schlagen jetzt
einen anderen Weg ein.
Toleranz gibt sich selbst auf, wenn sie sich missbrauchen
lässt. Deswegen muss es bei uns heißen: Keine Chance für
die Feinde der Freiheit!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die abscheu-
liche Katastrophe verbindet sich für viele Landsleute mit
dem Schicksal von Angehörigen und Bekannten, die
seitdem vermisst sind. Die Solidarität mit den Vereinigten
Staaten im Bündnis muss deshalb gefestigt werden. Ich
hatte jedoch das Gefühl, sie ist bei unseren Mitbürgerin-
nen und Mitbürgern emotional gefestigt, weil sie das Ge-
fühl haben: Wir selbst sind getroffen. Deswegen kann die
Bundesrepublik Deutschland im Kampf gegen den inter-
nationalen Terrorismus nicht abseits stehen. Es geht nicht,
wie oft leichtsinnigerweise gesagt wird, um Vergeltung.
Es geht um unsere Freiheit. Es geht auch um die Toleranz
bei uns und um die Lebensqualität, um das, was unser Le-
ben reich und lebenswert macht. Das gilt auch für unsere
Kinder und für unsere Enkel sowie für alle Zukunft.
Wir gehen nicht blind durch die Gegend. Wir spüren
auch die großen Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mit-
bürger in Bezug auf das, was da kommen wird. Die größ-
ten Gefahren aber würde es geben, wenn eine solche Tat
ungestraft bliebe und die Helfer des Terrorismus nicht zur
Verantwortung gezogen würden. Deswegen sage ich:
Angst ist allemal ein schlechter Ratgeber. Das Beste, was
für ein sicheres Leben in Frieden und Freiheit getan wer-
den kann, ist, diesem Terror jetzt und für immer das Hand-
werk zu legen.
Ich möchte Winston Churchill zitieren, der in seinen
Memoiren geschrieben hat: Die Freude an schön klingen-
den Phrasen, das Zurückschrecken vor unerfreulichen
Tatsachen, der Wunsch nach Popularität ohne Rücksicht
auf lebenswichtige Staatsinteressen sind gefährlich für ein
Land. Er hat gesagt, Hitler sei nur so stark geworden,
weil die Demokratien lange nicht eingesehen hätten, dass
er unter großen Opfern besiegt werden müsse.
Deswegen appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns
gemeinsam die Lehre der Geschichte beherzigen. Mit
Stärke und mit Standhaftigkeit werden wir auch den Ter-
rorismus in die Schranken weisen.
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Staatsminister Dr. Ludger Volmer
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
D
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Terrorangriff auf die USA hat großes
menschliches Leid gebracht. Er hat ein Nervenzentrum
der westlichen Welt zerstört. Er hat eine aufregende mul-
tikulturelle Stadt verwüstet. Er hat aber noch ein Weiteres
bewirkt: Er hat das festgefügte Weltbild ins Wanken ge-
bracht, das manch einer mit den dominant wirkenden
USA verband.
Der Schock in der amerikanischen Gesellschaft über
den Verlust der vermeintlichen Unverwundbarkeit geht
mit der verstörten Einsicht bei uns einher, dass die Ga-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Michael Glos
18320
rantiemacht für unsere Sicherheit nun Opfer geworden ist.
50 Jahre lang haben die USA geholfen, in Europa Sicher-
heit, Freiheit und Demokratie zu sichern. Deshalb ist es
jetzt, in dieser schweren, schicksalshaften Stunde, an uns
Europäern, den USA beizustehen.
Wir werden dies, wie es Bundeskanzler Gerhard
Schröder erneut betont hat, mit aller Entschlossenheit tun,
aber auch mit der nötigen Besonnenheit, mit Augenmaß
und mit dem Blick auf die Folgen unseres Handelns. Wir
bewundern eine amerikanische Haltung, die Trauer und
Wut zwar in starke Worte kleidet, jedoch ohne übereilte
Aktionen versucht, gemeinsam mit den Partnern einen
vernunftgesteuerten Plan zu entwickeln, wie die neue, er-
schreckende Dimension des Terrorismus bekämpft wer-
den kann, ohne die Falschen zu treffen, ohne potenzielle
Freunde zu Gegnern zu machen, ohne den gezielten
Kampf gegen Verbrecherorganisationen in einen allge-
meinen Kampf der Kulturen münden zu lassen.
Außenminister Fischer ist heute in Washington, um un-
seren amerikanischen Freunden erneut unsere Solidarität
zu versichern und mit ihnen das weitere Vorgehen abzu-
stimmen.
Die NATO hat mit ihrem Beschluss vom 12. Septem-
ber ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Verei-
nigten Staaten gesetzt. Die nordatlantische Allianz ist kein
Schönwetterbündnis. Gegen menschenverachtende Mör-
der, die ohne Hemmungen die Grundlagen menschlichen
Zusammenlebens zerstören wollen, muss das Bündnis ge-
meinsam auftreten. Wir als Verbündete des angegriffenen
Partners haben nicht nur das moralische Recht, sondern
auch die moralische und politische Verpflichtung, unseren
Beitrag zur Verteidigung zu leisten und die Täter, Organi-
satoren und Sponsoren terroristischer Akte zur Rechen-
schaft zu ziehen. Diese Verpflichtung wird ausdrücklich
auch in der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen vom 12. September 2001 formuliert, in der der
Angriff auf die USA als Bedrohung des internationalen
Friedens und der Sicherheit bewertet wird.
Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus wird
schwierig und langwierig sein. Täter, Mithelfer und An-
stifter müssen bestraft werden. Tun wir das nicht, dann
wird dies nur zu einer weiteren Eskalation einladen. Soll
die Gefährdung aber nicht binnen kurzer Zeit in anderer
Gestalt wieder erstehen, muss die gesamte internationale
Gemeinschaft in einer konzertierten Aktion, in einer
weltweiten Koalition, handeln. Es steht nicht Kultur ge-
gen Kultur, sondern Zivilisation gegen Barbarei.
Aus vielen Ländern kommen dazu ermutigende Si-
gnale: aus Russland, aus China, aus Pakistan und aus
Indien. Die zentralasiatischen Staaten Kasachstan,
Usbekistan und Kirgistan haben ihre uneingeschränkte
Unterstützung zugesagt. Es bildet sich eine regionale Ko-
alition, die zum einen dem Terror entschlossen entgegen-
treten will und zum anderen verhindern möchte, dass das
afghanische Talibanregime die gesamte Region destabili-
siert. Ägypten hat eine internationale Terrorismuskonfe-
renz vorgeschlagen; die EU wird am Freitag einen Son-
derrat zur Terrorismusbekämpfung einberufen.
Fast die gesamte arabisch-islamische Welt das
scheint mir entscheidend zu sein hat die Terroranschläge
schärfstens verurteilt. Auch sie hat wie wir teure An-
gehörige in den Trümmern des World Trade Centers ver-
loren. Nicht wenige arabische Staaten haben selber sehr
schmerzvolle Erfahrungen mit dem Terrorismus gemacht.
Wenn die Spuren der Täter in die arabisch-islamische
Welt weisen, so soll dies Anlass sein, die arabischen Staa-
ten in der internationalen Allianz zur Bekämpfung dieser
Geißel der Menschheit willkommen zu heißen.
Dieser Kampf wird umso effektiver sein, je mehr sich
der Dialog der Kulturen vertieft. Wenn aber der Kultur-
dialog ein unabdingbarer außenpolitischer Faktor ist,
dann muss er auch ein innenpolitischer sein und bleiben.
Es war eine großartige Geste, dass Präsident Bush in ei-
ner Washingtoner Moschee zu Toleranz gegenüber den
Moslems aufgerufen hat. Auch in Deutschland sollten wir
auf unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
zugehen und ihnen zeigen, dass wir den Unterschied zwi-
schen Islam und Islamismus sehr genau begriffen haben.
Ein weiterer Faktor für die Bekämpfung des islamisti-
schen Terrors sind rasche und sichtbare Erfolge im israe-
lisch-palästinensischen Friedensprozess. Jede weitere
Eskalation im Nahen Osten würde die extremistischen
Kräfte in der gesamten islamischen Welt fördern.
Die Bundesregierung begrüßt daher die gestrige Er-
klärung von Präsident Arafat als einen wichtigen Schritt
auf dem Weg zum Frieden im Nahen Osten.
Es ist eine strategische Entscheidung der Palästinenser,
sich unmissverständlich auf die Seite der Antiterrorkoali-
tion zu stellen und dazu beizutragen, dass die internatio-
nalen Netzwerke des Todes zerstört werden können. Wir
hoffen, dass Präsident Arafat die Kraft hat, sich in dieser
Stunde null der internationalen Politik mit seinem Be-
kenntnis zum Waffenstillstand und zum Neuanfang gegen
interne Widersacher, die heute Nacht wieder gezündelt
haben, zu behaupten, und dass er von israelischer Seite die
entsprechende Resonanz erhält.
Die Bundesregierung und insbesondere Bundesaußen-
minister Fischer haben sich in den letzten Monaten enga-
giert und fortlaufend um eine Wiederbelebung des Frie-
densprozesses bemüht. Der Außenminister hatte sich auch
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Staatsminister Dr. Ludger Volmer
18321
mit Präsident Arafat mehrfach kurzgeschlossen und die
gestrige Erklärung eng mit ihm abgestimmt. Wir werden
dieses Engagement fortsetzen. Wir werden weiterhin da-
ran arbeiten, dass die Israelis und die Palästinenser Ge-
spräche aufnehmen, und zwar wie es der Mitchellplan
vorsieht: ohne jede Vorbedingung.
Auch die pakistanische Seite hat die Terroranschläge
schnell und entschieden verurteilt. Dieser Schritt war in
der gegenwärtigen schwierigen und aufgeheizten Lage al-
les andere als einfach. Präsident Musharraf hat sich klar
zu Unterstützungsersuchen der USA bekannt. Seine
Regierung ist bemüht, einen breiten nationalen Konsens
für einen konstruktiven Kurs zu finden. Sie bedarf unse-
rer Unterstützung, damit nicht über innere Destabili-
sierung islamistisch-fundamentalistische Gruppen die
Verfügungsmacht über das pakistanische Atomwaffenpo-
tenzial erhalten.
Wenn militärische Aktionen gegen die Beherrscher Af-
ghanistans gerechtfertigt und unvermeidlich sein sollten,
stellt sich die Frage, mit welchem Ziel sie geführt werden
sollen. Wenn sie unvermeidlich sind, dürfen sie nicht die
Voraussetzung dafür zerstören, dass auch Afghanistan
selber die Chance auf eine Zukunft, die Chance auf eine
aufgeklärte Regierungsführung, die Chance auf die Be-
wältigung des Armuts- und Flüchtlingsproblems, die
Chance auf Modernisierung und Demokratie hat.
Meine Damen und Herren, viele Menschen sind ver-
unsichert, gerade auch Mitglieder und Anhänger meiner
Partei, aber auch die anderer Parteien. Sie haben Angst,
auf eine schiefe Bahn zu geraten, auf der die Politik in un-
aufhaltsame militärische Eskalation abrutscht. Viele se-
hen sich vor der Gewissensfrage, eventuell dem Einsatz
militärischer Mittel zustimmen zu müssen. Sie sehen sich
damit einer Situation ausgesetzt, die sie durch präventive
Sicherheitspolitik hatten verhindern wollen. Solche Be-
denken sind ernst zu nehmen. Wenn man diese Menschen
dafür gewinnen will, militärische Aktionen auch gegen
große innere Zweifel zu tolerieren, müssen deren Dimen-
sionen überschaubar sein und muss ein Ende absehbar
sein. Es muss deutlich sein, dass die absolute Priorität bei
politischen Maßnahmen liegt.
Auch deshalb möchte ich sagen: Der 11. Septem-
ber 2001 hat die Welt von Grund auf verändert. Vieles,
was über den Tag hinausweist, wird grundsätzlich neu zu
beraten sein. Wir werden eine neue Sicherheitspolitik ent-
werfen müssen, die dem Terrorismus als Bedrohung
Nummer eins begegnen kann. Diese wird nicht in erster
Linie militärisch ausgerichtet sein. Eine umfassende Poli-
tik der Krisenprävention muss darauf abzielen, dem Ter-
ror mit den Mitteln einer internationalen Strukturpoli-
tik den sozialen Resonanzboden zu entziehen. Vieles
übrigens, was in der Globalisierungsdebatte der letzten
Monate von Kritikern vorgetragen wurde, sollte ernsthaft
bedacht werden. Auch wenn keine noch so ungerechte
Struktur Terror rechtfertigen kann, müssen wir realisti-
scherweise sehen, dass ein Mehr an Gerechtigkeit in der
Welt ein Mehr an Fairness bei der Lösung von Regional-
konflikten, ein Mehr an Dialogen auf Augenhöhe auch mit
den kleineren und ärmeren Staaten, ein Mehr an Sicher-
heit für uns bedeuten wird.
Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Das Zu-
sammenstehen in dieser schicksalhaften Stunde macht
uns bewusst, dass unsere transatlantischen Gemein-
samkeiten essenziell sind, Meinungsverschiedenheiten
in einzelnen Fragen, die uns in der letzten Zeit viel be-
schäftigt haben, dagegen geringfügig. Bei aller furchtba-
ren Tragik der Ereignisse liegt darin sogar eine Chance für
eine erneuerte transatlantische Partnerschaft, die Chance
für einen intensivierten Dialog gerade auch der jüngeren
Generation diesseits und jenseits des Atlantiks, die den
Weltkrieg, die Nachkriegszeit und den Kalten Krieg nicht
oder nicht bewusst erlebt hat. Die Bekämpfung von Bar-
barei wird von nun an die gemeinsame Agenda von Ame-
rikanern und Europäern mitbestimmen und andere einbe-
ziehen, die am Prozess der Zivilisation mitarbeiten
wollen.
Ich danke Ihnen.
Für die
FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir brauchen drei Haltungen,
wenn wir die Herausforderungen bewältigen wollen. Wir
brauchen zuallererst ein freiheitliches Bewusstsein. Nie-
mand muss meine Fraktion, die Freien Demokraten, da-
rüber belehren. Es ist bare Selbstverständlichkeit, dass
zum Erhalt des freiheitlichen Bewusstseins in den trans-
atlantischen Beziehungen das gehört, was für uns in der
Bundesrepublik Deutschland Staatsräson war. Das kann
man nur wiederholen. Das bedarf überhaupt keiner weite-
ren Bemerkungen.
Ich repräsentiere eine Partei, die auch in Zeiten, in de-
nen es in der Bundesrepublik Deutschland viele kritische
Stimmen von Kolleginnen und Kollegen und von den Me-
dien gegen die Supermacht Amerika mit Wirkungen, die
wir noch immer spüren, gab, wusste: Die Bundesrepublik
Deutschland wird ihre eigene Rolle weltweit nicht geach-
tet finden, wenn sie sich nicht als Partner der Vereinigten
Staaten von Nordamerika sieht und sich nicht europäisch
einbettet. Das ist die Voraussetzung; hierbei geht es um
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Staatsminister Dr. Ludger Volmer
18322
das freiheitliche Bewusstsein. Wenn Sie jetzt nach Ame-
rika blicken, spüren Sie, dass dies in dieser Nation tief
verankert ist.
Es ist mir bitter aufgestoßen, dass jemand von einem
schießwütigen Cowboy gesprochen hat. Das ist in der
gegenwärtigen Lage so unpassend, wie es nur sein kann.
Wer sich die Gesichter der Rettungskräfte in New York
ansieht, diese Charaktere wahrnimmt und sieht, dass sie
die amerikanische Fahne in den größten Trümmern auf-
stellen, der kann nur ahnen, welche Kraft in diesem Land
steckt. Diese Kraft muss mit uns zusammen weltweit für
Menschenwürde und Frieden nutzbar gemacht werden.
Darauf kommt es jetzt an.
Dieses Land hat eine gewaltige ökonomische Kraft:
Sein Anteil am weltweiten Bruttosozialprodukt liegt bei
30 Prozent, der Anteil an den Internetverbindungen liegt
bei 40 Prozent. Weil das Land wie Paul Kennedy
schreibt so international ist, stellt es 70 Prozent der No-
belpreisträger seit 1975. Es bestreitet 36 Prozent der welt-
weiten Rüstungsausgaben mehr als die folgenden neun
Staaten zusammen. Jeder von uns spürt, dass die ameri-
kanische Führung einsieht, dass es allein mit einem Ko-
loss, einer Militärmaschinerie und purer Kraft nicht geht.
Wenn es eine komplette Veränderung über den Atlantik
hinweg gegeben hat, dann die, dass die Amerikaner
spüren, dass ihnen ihre eigene Kraft nichts nützt, wenn sie
keine Verbündeten haben. Das ist eine wichtige Erkennt-
nis.
Deshalb kommt es auf uns an, und zwar mehr, als wir
vielleicht vermutet haben, und mehr, als manche von uns
mögen oder uns auch zutrauen. Bei den Haushaltsbera-
tungen werden wir deshalb eine andere Diskussion als
bisher führen müssen. Es wird eine Auseinandersetzung
mit der Bundesregierung und auch mit dem Bundesver-
teidigungsminister stattfinden müssen. Angesichts dieser
Lage kann der Haushalt so nicht bestehen bleiben. Darü-
ber werden wir zu diskutieren haben.
In dieser Situation müssen wir der Bundeskanzler hat
es auch getan der Öffentlichkeit ehrlicherweise sagen:
Wir werden bei allen ökonomischen Anstrengungen,
allem freiheitlichen Bewusstsein und aller Armuts-
bekämpfung am Ende nicht darum herumkommen, auch
militärische Mittel einzusetzen, und zwar gegen Men-
schen, die entgegen dem, was wir uns als Gutmen-
schen in Deutschland so oft vorstellen absolut nicht
therapierbar sind. Die Gegner sind nicht fest lokalisierbar.
Es handelt sich nicht um die traditionelle staatliche Aus-
einandersetzung. Die Situation ist auch nicht die gleiche
wie bei Pearl Harbor. Damals wusste man noch, gegen
wen man anzutreten hatte. Jetzt handelt es sich um eine
Auseinandersetzung, die viele Kräfte in vielen politischen
Bereichen beanspruchen wird. Am Ende werden notwen-
digerweise auch die militärische Kraft und die militäri-
schen Fähigkeiten eingesetzt werden müssen; denn zu un-
serer Verantwortung für die Sicherheit der Bundesbürger
in Deutschland einschließlich der ausländischen Mitbür-
gerinnen und Mitbürger gehört die Fähigkeit, diejenigen
zu bekämpfen, die das Leben von Menschen bedrohen.
In manchen Reden, die ich in den letzten Tagen gehört
habe, habe ich dieses eine Wort vermisst. Hier diskutiert
niemand wie im Generalstab oder in Kriegsszenarien. Wer
aber Verantwortung hat, muss unseren Mitbürgern sagen:
Wenn wir dieser Menschen habhaft werden und sie
bekämpfen wollen, müssen wir in der Lage sein, militäri-
sche Fähigkeiten zu entwickeln. Das ist eine bare Selbst-
verständlichkeit.
Deshalb kommt es darauf an, die Öffentlichkeit nicht mit
falschen Bildern vertraut zu machen. Wir müssen uns mit
Entschlossenheit gegen solche menschlichen Charaktere
wehren, in welchen Gesellschaften einschließlich der
der Bundesrepublik Deutschland sie sich auch immer
befinden. Wir können sie nicht alle in psychiatrische An-
stalten einweisen und glauben, sie therapieren zu können.
Diplomatische Mittel werden im Übrigen nur dann
wirkungsvoll eingesetzt werden können, wenn dahinter
militärische Fähigkeiten stehen. Es gibt Menschen auf
dieser Welt, die durch einen Botschafterbesuch nicht da-
von zu überzeugen sind, ihre Meinung zu ändern. Auch
gibt es Bedrohungen, die durch schlichte Verhandlungen
und Diplomatie nicht hinwegzudiskutieren sind.
In dieser großen, weltweiten Allianz gegen den Terro-
rismus haben sich in anderen Ländern Führungseliten öf-
fentlich zu dieser Allianz bekannt, deren Gesellschaften
jedoch schwanken. Niemand weiß, ob sie morgen noch
zur Allianz stehen, oder ob dort emotionale, soziale oder
religiöse Bewegungen die Oberhand gewinnen, die vom
Bekenntnis zur Allianz nichts halten. Oft sind sie fana-
tisch und haben mit Problemen zu kämpfen, die wir uns
überhaupt nicht vorstellen können.
Nein, es wird keine sauberen, schnellen und klaren
Siege geben, wie dies Paul Kennedy ausgedrückt hat.
Dies wünschen sich die Amerikaner; denn bisher war es
für sie in der Geschichte immer so. Aber es wird nicht
mehr so sein. Es wird einer unendlichen Anstrengung der
freien Gesellschaften bedürfen, um diesem Phänomen,
das eine dramatische Bedrohung der Freiheit von Men-
schen und Menschenwürde in diesem beginnenden Jahr-
tausend darstellt, zu begegnen.
Hier wird sich erweisen müssen, ob die Bundesrepu-
blik Deutschland nach einer unglaublichen Entwicklung
ökonomischer, freiheitlicher und demokratischer Stabi-
lität in der Lage ist, nach der größten Katastrophe des letz-
ten Jahrhunderts die größte Herausforderung ohne Panik,
mit Standing, mit freiheitlichem Bewusstsein, dem Be-
kenntnis zu ihren Verfassungsgrundsätzen, aber auch dem
Bekenntnis, den Feinden von Demokratie im Ernstfall
entgegenzutreten, zu bewältigen, ob sie sich dessen be-
wusst ist und in der Lage ist, ihre innere und wirtschaftli-
che Stabilität zu bewahren.
Zum Abschluss, Herr Bundeskanzler, zu den Haus-
haltsberatungen: Es reicht heute, nach diesem Ereignis
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
18323
nicht mehr aus, nur über die Probleme der Wirtschaft zu
diskutieren. Es gibt keine Wachstumsrate in den Vereinig-
ten Staaten. Die Konjunktur schwächelt und die Katastro-
phe tut ihr Übriges dazu. Sie dürfen nicht nur woanders hin-
schauen. Wenn wir jetzt einen Beitrag leisten wollen, dann
müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, ökonomisch
und beschäftigungsdynamisch nach vorn zu kommen. Ge-
rade weil die Vereinigten Staaten jetzt so betroffen sind, ha-
ben wir lassen Sie es mich so ausdrücken ein Stück wirt-
schaftspolitische, ökonomische Führungsverantwortung in
den freiheitlichen Gesellschaften. Wir sind keine beliebige
Volkswirtschaft.
Deshalb wird dies nicht nur eine Haushaltsberatung
mit Blick auf die Sicherheit. Es wird auch keine Haus-
haltsberatung in der Weise, wie sie der Finanzminister
einmal in einer Weltlage angenommen hat, die anders war
als die heutige. Es wird eine Beratung, bei der zuallererst
die Regierung die Frage beantworten muss, ob sie wirk-
lich glaubt, mit diesem Haushalt den ökonomischen und
sicherheitspolitischen Beitrag der Bundesrepublik
Deutschland angesichts der Veränderung der Weltlage
leisten zu können. Ich sage Ihnen: Es wäre klug, wenn uns
das Kabinett angesichts der Ereignisse einen neuen Haus-
halt vorlegen würde.
Der vorliegende wird der Lage in keinem Bereich mehr
gerecht.
Während der Haushaltsdebatte dürfen diese Ereignisse
nicht vergessen werden. Die Debatte wird vonseiten der
Freien Demokratischen Partei aber eine klare Präzision
erfahren, was wir nach diesen Anschlägen politisch und
ökonomisch in Deutschland für notwendig erachten. Das
ist unsere Pflicht. Heute haben Sie unsere Unterstützung,
aber demnächst müssen wir uns wieder mit Ihnen ausei-
nander setzen. Das ist notwendig. Nichtsdestoweniger
finden Sie uns bei den von Ihnen abgegebenen Erklärun-
gen gegenüber den Vereinigten Staaten von Nordamerika
an Ihrer Seite.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile
nunmehr das Wort dem Bundesminister der Verteidigung,
Rudolf Scharping.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Gefühle
beschäftigen die Menschen in Deutschland besonders
stark: das Gefühl des Mitempfindens, der Solidarität, des
Zusammenstehens auf der einen Seite und das Gefühl von
Angst, Unsicherheit, Sorge vor Terror und Krieg auf der
anderen Seite. Das Zweite berührt die Sorgen um die Si-
cherheit und die Freiheit des eigenen Lebens.
Wenn wir nicht verstehen diese Debatte macht ein-
drücklich deutlich, wie gut wir es verstehen , dass dieser
Angriff ein Angriff auf uns alle war, ein Angriff auf unser
Leben, unsere Würde sowie auf unsere Vorstellungen von
einem friedlichen Zusammenleben und einem friedlichen
Austragen von Konflikten, ein kalt geplanter, menschen-
verachtend ins Werk gesetzter, gut organisierter und leider
auch wirkungsvoll finanzierter Angriff, dann können wir
die umfassende Antwort, die jetzt notwendig ist, nicht
entwickeln.
Unsere Antwort entscheidet darüber, ob wir die Kraft
finden, ökonomisch und kulturell, sozial und finanziell
auch unter Einsatz militärischer Mittel dem interna-
tionalen Terror mit seiner Brutalität, Gewalt und Men-
schenverachtung eine möglichst enge Grenze zu ziehen.
Sie entscheidet zuletzt auch darüber, ob wir die Entwick-
lung bestimmen oder ob wir es einem blutigen Terroris-
mus überlassen wollen, zu entscheiden, wann und wo
Menschen erneut in den Tod gerissen werden. Es gibt in
meinen Augen überhaupt keine andere Alternative, als
diese Grenze umfassend, kraftvoll und wirkungsvoll zu
ziehen.
Wenn ich von einer umfassenden Antwort spreche, ist
dem, was der Bundeskanzler in seiner Regierungser-
klärung gesagt hat, nichts hinzuzufügen
außer einem Gedanken: Das alte Denken in den Katego-
rien des Ost-West-Konfliktes, einschließlich seiner anti-
amerikanischen Chiffren und Sentiments, ist endgültig
passé.
Im Lichte dieser Bedrohung, die nicht neu ist, deren
Qualität, Umfang und Wirkungsweise jetzt aber so ent-
setzlich sichtbar geworden sind, wird vielleicht verständ-
licher, was die Staats- und Regierungschefs der NATO
schon 1999 in Washington formuliert haben, nämlich dass
Krisenprävention, umfassende Sicherheitspolitik und, in
sie eingeschlossen, der Kampf gegen den internationalen
Terror gemeinsame Aufgaben sind. Insofern geht es nicht
nur um eine umfassende Antwort, es geht auch um eine
entschiedene, das heißt zielgerichtete, angemessene und
maßvolle Antwort.
Willy Brandt hat in seinen Erinnerungen im Zusam-
menhang mit Frieden und Friedensbewahrung geschrie-
ben, dass es gerade für Deutschland nach der Einheit nicht
mehr darum gehen könne, alleine verbale Beiträge zu leis-
ten; es gehe um mehr: Wir stehen vor einer Entscheidung,
die sehr ernst sein wird und sich nicht auf verbale Beiträge
beschränken kann und darf.
Das wirft die Frage auf, ob wir gemeinsam die Fähig-
keiten haben, diese Antwort zu geben. Diese Fähigkeiten
sind in der Strategie der NATO und in den daraus ent-
wickelten Anforderungen an die Streitkräfte beschrieben.
Sie konsequent, ohne zeitlichen Verzug und ohne inhaltli-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
18324
che Abstriche umzusetzen ist die praktische Verwirkli-
chung dessen, was unser gemeinsames Interesse an Si-
cherheit und unser gemeinsamer Wille zur Bewahrung
von Frieden, Freiheit und rechtsstaatlicher Demokratie
praktisch bedeuten.
Die Bundesrepublik Deutschland kann dazu einen Bei-
trag leisten. Dieser Beitrag wird von ihr erwartet. Nicht
allein deshalb, sondern auch weil es in unserem ureigens-
ten Interesse als freiheitlicher Demokratie liegt, dass nicht
andere nach ihrer menschenverachtenden Ideologie oder
ihrem menschenverachtenden Fanatismus entscheiden,
welches freiheitliche und demokratische Land jeweils
Ziel ihrer Angriffe ist, werden wir ihn leisten.
Es wird im Übrigen nüchtern zu prüfen sein, ob wir den
schon vorhandenen Fähigkeiten schnell neue hinzufügen
müssen. Das gilt auch im Sinne der jetzt notwendigen um-
fassenden Antwort und beschränkt sich beileibe nicht auf
die Erneuerung der Bundeswehr alleine. Aber dazu wird
noch an anderer Stelle der Debatte etwas gesagt werden.
Ich möchte nur deutlich machen: Es geht nicht nur darum,
die USA wie manche sagen zu unterstützen, sondern
darum, die Chance, die die Tragödie in den USA bietet
davon haben einige in dieser Debatte zu Recht gespro-
chen , zu nutzen, den jeweiligen nationalen Identitäten
eine globale und zivilisatorische Identität hinzuzufügen
und eine gemeinsame Antwort auf jenen mittelalterlichen
und vordemokratischen Geist zu entwickeln, der sich
frei von jeder Vorstellung von der Würde des einzelnen
Menschen in Europa mit fürchterlicher Brutalität im
Dreißigjährigen Krieg und während der faschistischen
Zeit ausgetobt hat und der sich jetzt kaltblütig der techni-
schen Möglichkeiten der Zivilisation des 21. Jahrhunderts
bedient. Diese Antwort muss, wie gesagt, umfassend, ent-
schieden, klar und angemessen sein.
Wir alle haben uns in den 50 Jahren, in denen wir in die
westlichen Demokratien und ihre Gemeinschaften hinein-
gewachsen sind, nicht vorstellen können, dass der Bünd-
nisfall der NATO zum ersten Mal wegen und zum Schutz
der gemeinsamen Werte, ausgelöst durch einen Angriff
auf die USA, erklärt werden muss. Wir haben uns in den
letzten 50 Jahren auf die Solidarität der westlichen De-
mokratien verlassen. Das war gut für Deutschland. Also
haben die westlichen Demokratien und insbesondere die
Vereinigten Staaten einen Anspruch darauf, dass wir jetzt
mehr tun, als sie nur zu unterstützen. Das wäre schon viel.
Aber wir müssen gemeinsam eine Antwort geben, wis-
send, dass diejenigen, die über mehrere Jahrzehnte für uns
eingestanden sind, jetzt einen Anspruch darauf haben,
dass wir mit ihnen gemeinsam für unsere Interessen und
für unsere Wertvorstellungen eintreten.
Das wird sehr harte und ernste Entscheidungen erfor-
derlich machen. Ich hoffe das sage ich auch im Interesse
der Soldaten und ihrer Familien , dass der Ernst, die Ent-
schlossenheit und die Gemeinsamkeit, die in diesen Tagen
in diesem Hohen Hause sichtbar geworden sind, auch alle
anderen notwendigen Entscheidungen tragen werden.
Vielen Dank.
Ich erteile
das Wort der Kollegin Dr. Angela Merkel für die Fraktion
von CDU und CSU.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir werden das World Trade
Center wieder aufbauen der New Yorker Bürgermeister
Rudolph Giuliani hat diesen Satz vor ein paar Tagen ge-
sagt. Inmitten der größten Katastrophe, die Amerika je
heimgesucht hat, inmitten all der Zerstörung, inmitten all
des Leids, der Toten und der Verletzten sagt er ein wenig
trotzig, vor allem aber entschlossen und mutig: Wir wer-
den das World Trade Center wieder aufbauen.
Wie wir die Amerikaner kennen, werden sie es wahr-
scheinlich größer und schöner bauen als je zuvor. Das im-
poniert mir, das imponiert vielen Menschen.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Es kann nie-
mand sagen, dass die Menschen in den Vereinigten Staa-
ten bei dem, was sie erlebt haben, und bei dem, was
geschehen ist, nicht mindestens so viel Verzweiflung
empfinden wie wir. Es kann niemand sagen, dass die Müt-
ter und Väter in den USA oder in Großbritannien nicht die
gleichen Ängste haben wie die Mütter und Väter in
Deutschland vor dem, was geschehen ist, aber auch vor
dem, was jetzt kommen mag. Ich will hinzufügen: Ich
finde diese Angst verständlich. Sie drückt die Fassungs-
losigkeit aus. Sie ist ein Maß für die Ungewissheit über
das, was kommt. Sie lässt bei vielen Erinnerungen wieder
aufkommen oder aber Gelesenes fast real erscheinen.
Ich bin aber fest davon überzeugt: Angst darf nicht un-
ser Ratgeber sein. Deshalb hat Giuliani etwas ganz Be-
sonderes geschafft. Er hat ausgedrückt, was es bedeutet,
den Sieg der Freiheit gegenüber dem Terror durchzuset-
zen. Diese Worte von Giuliani fassen für mich die Ent-
schlossenheit zum Sieg der Menschenwürde gegenüber
der Barbarei in Worte. Sie stehen auch in der Stunde der
größten Not dafür, dass wir nicht kapitulieren vor Feigheit
und Zerstörungswut.
Das ist der Geist, der die Menschen nicht im Gesche-
henen gefangen nimmt, sondern der sie aus Trauer und
Verzweiflung wieder ausbrechen lässt. Das ist der Geist
einer Debatte, die der Zukunft zugewandt ist. Das ist der
Geist, den ich mir auch für die kommenden Debatten in
Deutschland wünsche und der auch von der heutigen De-
batte ausgehen muss; denn verantwortungsbewusste Poli-
tik ob in der Regierung oder in der Opposition war und
bleibt immer eines: die Gestaltung der Zukunft. Es ist
vielleicht ein oft dahingesagtes Wort, aber es sollte gerade
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
18325
auch in den kommenden Wochen der Kern unseres Han-
delns bei allen Entscheidungen ob im Nordatlantischen
Bündnis oder in der Europäischen Union, ob in der Re-
gierung oder in der Opposition sein: jeder in seiner
Rolle, jeder an seinem Platz. Genau deshalb nehmen wir
als Union unsere Aufgabe als kritischer Wächter, aber
auch als zuverlässiger Begleiter der Bundesregierung sehr
energisch und konsequent wahr.
Es ist richtig, dass das, was am 11. September stattge-
funden hat, eine Kriegserklärung an die zivilisierte Welt
ist. Der 11. September war eine Zäsur. Heute sind wir
dabei, zum ersten Mal auch über die Konsequenzen und
Folgerungen zu beraten. Es geht dabei um sehr konkrete
Konsequenzen in wirtschaftlicher Hinsicht, in politischer
Hinsicht, in diplomatischer Hinsicht und um das ganz
ausdrücklich hinzuzufügen auch in militärischer Hin-
sicht. Es geht darum, dass wir einer vollkommen neuen
Lage gegenüberstehen.
Es ist in den letzten Tagen viel von Dankbarkeit, ja
sogar von Schuld die Rede gewesen, in der gerade wir
Deutschen nach 50 Jahren Beistand durch die Amerikaner
gegenüber den USA stünden. Das ist ohne Zweifel rich-
tig. Aber wäre es das allein, es würde auf Dauer nicht tra-
gen. Eine wahre Freundschaft lebt auch, aber nicht allein
von Dankbarkeit. Wahre Freundschaft lebt von ihrer Trag-
fähigkeit für die Zukunft.
Der Bundeskanzler hat deshalb Recht, wenn er von un-
eingeschränkter Solidarität mit den NATO-Partnern
und den USA spricht. Er hat Recht, wenn er sagt: Es darf
nicht heißen Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht
nass. Deshalb füge ich hinzu: Eine tragfähige Partner-
schaft zwischen den Staats- und Regierungschefs inner-
halb des Bündnisses der NATO, der Europäischen Union
und darüber hinaus gründet diese uneingeschränkte Soli-
darität auf Selbstbewusstsein zwischen den Partnern. Eine
tragfähige Partnerschaft gründet diese Solidarität auf ak-
tives Engagement für den anderen. Eine tragfähige Part-
nerschaft gründet diese Solidarität auf Taten und nicht
alleine auf Worte.
Meine Damen und Herren, wenn dieser 11. September
eine Zäsur markiert, wenn dieser 11. September ein Tag
war, der für die Geschichte des 21. Jahrhunderts eine aus-
schlaggebende Bedeutung hat ich glaube das , dann geht
es darum, den Gegner genau zu erkennen, und dann geht es
darum, die Ordnung für das 21. Jahrhundert zu finden.
Nach der Beendigung des Kalten Krieges, Ende der
80er-, Anfang der 90er-Jahre, gab es Aufsätze und Bücher,
in denen wichtige Autoren vom Ende der Geschichte ge-
schrieben haben. Wir wissen heute: Die Bedrohungen des
21. Jahrhunderts haben spätestens am 11. September ein
klares Gesicht bekommen. Wir haben keine Illusionen
mehr über die Gefahren unseres Jahrhunderts. Niemand
kann mehr sagen, er habe es nicht gesehen. Alle Warnun-
gen vor solchen Gefahren sind durch die Realität über-
troffen worden.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen, aus die-
ser großen Krise auch eine Chance zu machen. Es geht um
nicht mehr und nicht weniger als um den Aufbau einer Ar-
chitektur des 21. Jahrhunderts. Mit Sicherheit
keine Frage ist dies eine globale Architektur. Für mich
ist in den letzten Tagen noch einmal ganz deutlich gewor-
den, wie sehr die zwei Seiten einer Medaille zusammen-
hängen: die politische Demokratie und die wirtschaftliche
Ordnung einer globalen Welt. Wir haben dies in Deutsch-
land immer wieder erlebt. Freiheitliche Demokratie und
soziale Marktwirtschaft waren zwei Seiten einer Erfolgs-
geschichte. Genauso wird es in einer globalen Welt sein.
Von den Gegnern der Globalisierung haben wir so viel
Kritisches über die Globalisierung gehört. Ich kann nur
sagen: In der letzten Woche hat die Wirtschaftsordnung
eine schwere Bewährungsprobe bestanden. Das gemein-
same besonnene Vorgehen von amerikanischer Noten-
bank und Europäischer Zentralbank hat dazu geführt, dass
diese Wirtschaftsordnung im Rahmen des Möglichen ei-
nigermaßen stabil blieb. Das war ein Riesenerfolg. Wenn
der Euro seine erste Bewährungsprobe bestanden hat,
dann war dies in der letzten Woche. Wir können dankbar
sein, dass wir ihn haben.
Jetzt geht es um eine neue politische Ordnung.
Kerstin Müller hat gesagt: Es wird nichts mehr so sein,
wie es war. Ich halte das für falsch. Die Werte, auf die wir
diese Ordnung gründen, werden die gleichen Werte blei-
ben wie vor dem 11. September. Es sind die Werte der
Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität.
Aber wir werden die Linien neu ziehen müssen. Wir wer-
den sehr klar sagen müssen, wo die Unterschiede liegen.
Sie werden gezogen werden zwischen Demokratie und
Diktatur, zwischen Achtung der Menschenwürde und ih-
rer Missachtung, zwischen Freiheit und Unfreiheit.
Jeder im internationalen Rahmen und jeder bei uns zu
Hause wird gefragt werden, wie er sich zu diesen Linien
stellt. Da wird es keine Halbheiten geben, da wird es keine
Ausflüchte geben. Deshalb wird sich die Staatengemein-
schaft in dieser Krisensituation auch neu ordnen. Es geht
nicht nur um eine neue Architektur der NATO, es geht ge-
nauso um eine neue Architektur von Allianzen, die in den
nächsten Tagen und Wochen ihre Bewährungsproben zu
bestehen haben. Ich halte die Resolution des UN-Sicher-
heitsrates für einen ersten Vorboten dieser neuen Archi-
tektur. Aber sie muss sich bewähren und das wird in der
Praxis erfolgen.
Meine Damen und Herren, national heißt das für uns
auch vieles. Es heißt auf der einen Seite, dass sich jeder in
diesem Lande, in jeder Vereinigung, in jeder Partei, ent-
scheiden muss, wie er sich zu den Grundwerten unserer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Angela Merkel
18326
Ordnung stellt. Ich wünsche mir, dass gerade auch die
Vertretungen der ausländischen Bürgerinnen und Bürger
in unserem Lande diese Trennlinie sehr klar ziehen. Das
würde unserer Gemeinsamkeit im Lande und der Integra-
tion sehr helfen.
Es wird für uns heißen, dass wir nicht werden warten
können, bis jemand auf uns zukommt und uns um etwas
bittet. Vor allen Dingen werden wir nicht die Attitüde ein-
nehmen können, dass der Kelch an uns vielleicht vorüber-
gehe. Es geht in dieser Stunde um die Fragen: Welche
Rolle wird Deutschland in der Welt des 21. Jahrhunderts
spielen? Werden wir in der Lage sein, entsprechend un-
serer ökonomischen Kraft auch eine politische Kraft in
dieser Weltordnung zu sein?
Es ist unser ureigenes Interesse, zu klären, inwieweit
wir in diesen Wochen und Monaten zu dem bereit sind,
was nach Art. 5 des NATO-Vertrages von uns mit großer
Wahrscheinlichkeit verlangt werden wird, nämlich die
Ausübung und Auslebung des Bündnisfalles. Es ist das
erste Mal, dass wir nach dem Ende des Kalten Krieges
unserem ureigenen Interesse als wiedervereinigtes Land
folgend für Freiheitlichkeit einstehen können.
Ich sage dies so betont, weil ich weiß, dass in den
neuen Bundesländern viele Menschen keine Dankbarkeit
für 50 Jahre NATO fühlen, wie das in den alten Bundes-
ländern der Fall ist. Aber auch mit diesen Menschen wer-
den wir darüber sprechen, dass es keine freiheitliche Ord-
nung in der Bundesrepublik Deutschland geben wird,
wenn wir jetzt die Zeichen der Zeit verschlafen. Es ist für
mich keine Petitesse, wenn der Regierende Bürgermeister
von Berlin in dieser Auseinandersetzung von Stellvertre-
terkriegen spricht. Es sind keine Stellvertreterkriege,
sondern es waren Angriffe auf unsere ureigenen Werte;
deshalb dürfen wir uns nicht anders verhalten als andere.
Herr Staatsminister Volmer als solcher scheinen Sie
gesprochen zu haben , wenn Sie hier, abweichend von
dem, was der Bundeskanzler gesagt hat, und sogar ab-
weichend von Ihrem eigenen heute abwesenden Minister,
darum bitten, dass die militärischen Aktionen kurz
seien, dann kann das nicht der Maßstab sein. Der Maßstab
muss die Frage sein, ob wir unsere Werte wie die Freiheit
erfolgreich verteidigen und mit welchen Mitteln dies am
besten gelingt. Deutschland hat dabei nicht darüber zu
entscheiden, ob ihm die Vorgehensweise der USA passt
oder nicht.
Wir dürfen weder Wut noch Angst haben; das dürfen
nicht unsere Ratgeber sein. Sicherlich ist es auch richtig,
dass Besonnenheit gefragt ist. Die Diskussionen der
nächsten Wochen deuten sich aber schon an. Wenn in die-
sen Tagen von Besonnenheit gesprochen wird, dann spüre
ich durch viele Ritzen, dass dahinter ein ganz unter-
schiedliches Verständnis steht. Besonnenheit kann Ent-
schlossenheit, Mut und richtiges Handeln mit kühlem
Kopf bedeuten. Wenn Besonnenheit jedoch Wankel-
mütigkeit bedeutet, dann ist dies nicht unser Verständnis.
Es muss eine Besonnenheit sein, bei der klar wird, dass
wir nicht nur wissen, was wir nicht wollen oder wovor wir
uns fürchten, sondern auch wissen, was wir anstreben und
wozu wir uns entschließen. Das ist das Allerwichtigste.
In den nächsten Wochen wird es um diese Fragen gehen.
Ich sage auch: So wie wir den Schulterschluss mit der
Regierung in dem Kampf gegen die Bedrohung einge-
gangen sind und auch weiterhin eingehen werden, so wer-
den wir die Tatsache, dass dies in der innenpolitischen De-
batte eine Zäsur war, nicht einfach wegschieben können.
Verantwortung einer Opposition heißt immer auch Ver-
antwortung für diejenigen Dinge, die in unserem Lande
geleistet werden. Wenn angeblich, wie Frau Müller gesagt
hat, nichts mehr so ist, wie es war eine Auffassung, die
ich noch nicht einmal teile , dann darf der Bundeshaus-
halt mit Sicherheit nicht das Einzige sein, was so bleibt,
wie es war.
Herr Bundeskanzler, wir sehen uns hier nächste Woche
zu einer anderen Debatte wieder. Diese Debatte wird et-
was mit den Fragen zu tun haben, wie unsere Bundes-
wehr ausgerüstet ist und wie unsere innere Sicherheit
ausgestattet ist. Genau diese Fragen werden dann zu be-
antworten sein. Da wir uns einig sind, dass es sich um
neue Schwerpunkte, um neue Aufgaben handelt, erwarten
wir auch einen neuen Bundeshaushalt.
Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion.
Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin
Merkel, es wird Ihnen nicht gelingen, einen Misston in die
Debatte hineinzubringen;
denn, liebe Frau Kollegin Merkel, Sie und wir, das ganze
Haus bis auf die PDS, haben deutlich Zustimmung zu dem
Vorschlag signalisiert, über den wir nachher abstimmen
werden, dass sich der Bundestag für ein international
abgestimmtes Vorgehen und für besonnenes Handeln aus-
spricht, weil es im Interesse aller Völker, auch der Bun-
desrepublik Deutschland, liegt, den Terrorismus weltweit
zu bekämpfen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Dr. Angela Merkel
18327
Der Kollege Dr. Gerhardt hat einen, wie ich finde, sehr
wichtigen Punkt angesprochen. Er hat den amerikani-
schen Historiker Paul Kennedy zitiert. Dieser hat gerade
am letzten Sonntag im Independent on Sunday darüber
geschrieben, dass es jetzt wohl so sei, dass Amerika ins
21. Jahrhundert eingetreten ist. Sind denn die Terror-
schläge gegen New York und Washington die Schatten-
risse, die die Zukunft auf unsere Gegenwart wirft? Ich
meine: Eiskalte Selbstmörder, die Tausende gemordet und
nicht unterschieden haben, welche Hautfarbe ihre Opfer
hatten, welcher Religion oder welcher Nationalität sie zu-
gehörten, haben das oberste Recht zerstört, das jedem
Menschen eignet, nämlich das Recht auf Leben. Deswe-
gen müssen wir die Kraft aufbringen, gegen diesen inter-
nationalen Terrorismus auch gemeinsam zu handeln.
Noch ein weiterer Gedanke mag das verdeutlichen:
Morgen findet wie jedes Jahr der Tag des Kindes statt; die
Vereinten Nationen rufen dazu auf. Wie viele Kinder sind
vorletzten Dienstag in den Explosionen umgekommen?
Wie vielen Kindern ist die Mutter weggenommen worden
und wie vielen der Vater? Auch das ist ein Grund, warum
alle Staaten bis auf zwei die Anschläge verurteilt haben.
Es waren nämlich Anschläge auf die Universalität der
Menschenrechte. Die Terroristen müssen wissen: Wir
werden diesen Fortschritt der Zivilisation mit allem, was
wir vernünftigerweise gegen sie einsetzen können, vertei-
digen.
Verstört uns und auch andere nicht das unerhört Grau-
same, wie sich technische Intelligenz mit dem Trieb
mischt, sich und unschuldige andere unentrinnbar mas-
senhaft in den Tod zu reißen? Verstört es uns nicht auch,
wenn gesagt wird, eine jede Gesellschaft werde verwund-
barer, je moderner sie wird? Wir alle haben in diesen letz-
ten Tagen erlebt, dass die Welt auf den gemeinsamen
Fernsehblick darauf geschrumpft ist, was vor uns allen
stehen kann. Jeder hat in den Abgrund sehen können. Von
daher ist es sehr verständlich, dass mit Angst auf diese
Verstörung reagiert wird. Von Angst aber dürfen wir uns
nicht hinreißen lassen. Schärfe des Denkens, Klarheit
des Verstandes, auch eine Debatte darüber, wie vernünf-
tig auf die neuen Formen internationalen Terrors geant-
wortet werden muss, sind jetzt nötig.
Es ist sinnvoll, jetzt einmal einen Blick auf die ameri-
kanische Debatte zu werfen. Die, wie ich finde, absur-
deste Antwort auf die Frage, wie der Terrorismus entstand
und was er bedeutet, hat der christlich-fundamentalis-
tische Fanatiker Jerry Falwell gegeben. Er beschuldigt das
säkulare Amerika, Gott erzürnt und so die Katastrophe
heraufbeschworen zu haben.
Es gibt aber andere in den USA, die jetzt ungeschminkt
und selbstkritisch über die Ursachen reden. Stephen
Greenblatt, ein großer Renaissance-Forscher, sagt:
Ich versuche mir vorzustellen, welchen Phantasien
sie
die Täter
sich hingaben. Das Einzige, was mir einfällt, sind
biblische Bilder vom Fall der Türme deiner
Feinde.
Er fügt hinzu:
Das Problem mit der ... Rede von unserem
dem amerikanischen
Kampf gegen das reine Böse ist, dass dies genau die
Sprache ist, derer sich auch diese Leute
die Terroristen nämlich
bedienen.
Allzu rasch wird bei dem Versuch, die neue Form des
internationalen Terrors zu erklären, zu ideologischen
Schablonen gegriffen. Nein, der Kampf, der jetzt statt-
findet, ist nicht ein Kampf zwischen Kulturen und nicht
ein Kampf zwischen Zivilisationen. Es ist der Kampf ge-
gen den internationalen Terrorismus, der jetzt geführt
wird.
Wir müssen uns fragen: Was treibt die Täter an? Zu-
allererst unbändiger Hass. Worauf zielen sie? Auf die
Grundfesten des modernen Lebens. Wahllos morden sie,
um Schrecken zu verbreiten, um Menschen einzuschüch-
tern, um die Institutionen der Staaten zu zerstören, die sie
zu ihrem Feind erklärt haben. Worauf zielt ihre Logik?
Ihre Halluzination ist es, in einem heiligen Krieg zu
kämpfen.
Wir sollten uns selbstkritisch fragen: Erinnert uns das
nicht an die Vergangenheit des Christentums? Wer einmal
nachgelesen hat, was Hernán Cortés Kaiser Karl über
seine Erfahrungen mit der Expansion berichtet hat, der
spürt den Fieberwahn, den Gewalt und Expansion bei de-
nen auslösten, die sich von Gott erwählt glaubten. Sie ge-
fielen sich als Conquistadores, als Werkzeuge der christ-
lichen Welt wie Kolumbus, der Cristóbal Colón, der
Christus tragende Kolonisator.
Wer also den Kampf der Kulturen verhindern will, der
kann auf gar nichts anderes setzen als auf die Kraft der
Freiheit. Sie ist stark, wo sie sich an die Vernunft bindet.
Die Freiheit ist dann unbezwingbar, wenn Konflikte
zwischen Kulturen im Dialog ausgetragen werden. Das
setzt aber voraus, dass sich die Kulturen wechselseitig
als gleichberechtigt anerkennen. Menschen verschiedener
Kulturen sind fähig, gemeinsame Werte zu teilen. Der
Träger des Nobelpreises für Ökonomie Amartya Sen hat
den Wert der Freiheit als den überragenden erkannt, weil
die Freiheit der Pfeiler ist, auf dem alle anderen Werte
ruhen.
Das ist der Grund, warum das Jahr 2001 von der UNO
zum Jahr des Dialoges zwischen den Kulturen ausgerufen
worden ist. Der iranische Präsident war es, der diesen Vor-
schlag gemacht hat. Viele Tausende von jungen Iranern
haben jetzt mit ihren Kerzen in Teheran deutlich gemacht,
dass sie sich gegen den Terrorismus wehren und dass sie
sich an die Seite der zivilisierten Welt stellen, um dagegen
zu kämpfen, dass die Terroristen die Religion und den
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Gert Weisskirchen
18328
Islam für ihre finsteren Zwecke missbrauchen. Das ist ein
wunderbares, deutliches Zeichen, dass im Islam und bei
Muslimen jetzt die Erkenntnis gewachsen ist: Der Terro-
rismus muss auch innerhalb des Islam bekämpft werden.
Wenn es also wirklich einen Kampf gibt, dann ist es
nicht der Kampf zwischen den Zivilisationen, sondern der
im Innern der Zivilisationen, jeweils zwischen jenen Mus-
limen, Christen, Hindus, Buddhisten oder auch Juden, die
für einen modernen Entwurf ihrer Gesellschaft streiten,
und denen, die für einen rückwärts gewandten Entwurf ih-
rer Gesellschaft kämpfen.
Wer Hass sät, wer Gewalt privatisiert, wendet sich ge-
gen menschliches Zusammenleben, gleich in welcher Re-
gion der Erde. Die Stärke der offenen Gesellschaft, der
liberalen Demokratie und des reformfähigen sozialen
Rechtsstaates kann und darf aber von den Terroristen
wirklich nicht erschüttert werden.
Der moderne Staat, die Demokratie, muss sich aller-
dings schützen können. Weil Terroristen international
agieren, muss auch die internationale Staatengemeinschaft
gemeinsam handeln. Das ist jetzt zum Beispiel in Jerusa-
lem deutlich geworden, wo, wie in Teheran, junge Men-
schen unterschiedlichen Glaubens, Palästinenser wie Ju-
den, ihre Solidarität gezeigt haben. Sie haben gemeinsam
deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, die Hinter-
männer, die Drahtzieher von Attentaten und die Förderer
islamistischer Terroristen, die religiöse Gefühle miss-
brauchen, die so ihre Gier nach Macht maskieren, die
Menschen in den Untergang führen und die versuchen,
Staaten zu zerbrechen, zur Verantwortung zu ziehen.
Liebe Frau Kollegin Merkel, Sie haben eben zu Recht
darauf hingewiesen, dass man eine neue globale Archi-
tektur braucht. Ich bitte Sie: Bedenken Sie aber auch die
schwierige innere Situation in Afghanistan. Afghanistan
ist ein Land, das seit Jahren, ja fast seit Jahrzehnten ge-
schunden ist und politisch hin und her gestoßen wird. Es
wird von einer selbst ernannten Elite regiert, die die Ab-
hängigkeit von Menschen nutzt. Ich nenne nur Drogen-,
Menschen- und Waffenhandel. Das alles zeigt die Gier
dieser selbst ernannten Elite, über andere zu herrschen.
Eine Strategie gegen diesen Terror muss daher viel
mehr als nur militärische Mittel umfassen. Sie braucht ei-
nen viel breiter angelegten Ansatz mit einer vernünftigen,
klaren Mischung aus militärischen Zielen, die auf den
Punkt genau definiert werden müssen, und darüber hinaus
aus zivilen Mitteln. Durch diesen neuen politischen An-
satz, auch durch eine stärkere Mobilisierung der Entwick-
lungspolitik, wird es erst möglich, den Boden auszutrock-
nen, auf dem ein solch schrecklicher Terrorismus
entstehen kann. Die Erarbeitung eines solchen Ansatzes
ist die gemeinsame Anstrengung der internationalen
Staatengemeinschaft. Das wird der Deutsche Bundestag
hier gemeinsam beschließen.
Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Bundesminister des Innern, Otto Schily.
Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen!
Heute erinnere ich mich an die US-amerikanischen Sol-
daten, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus, den
Nationalsozialismus geopfert und aufs Spiel gesetzt ha-
ben. Ich erinnere mich an die US-amerikanischen Solda-
ten, die am Ende des Krieges mit uns Kindern ihre Es-
sensrationen geteilt haben. Ich erinnere mich an die jungen
Amerikaner, die zu uns gekommen sind, um die Demo-
kratie in Deutschland aufzubauen. Ich erinnere mich an
die amerikanischen Geschäftsleute, die so im Gespräch
mit meinem Vater zusammen mit ihren ehemaligen Fein-
den die Wirtschaft in Deutschland wieder aufgebaut ha-
ben. Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir gemeinsam
vor dem Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zugeju-
belt haben, weil er an der Seite Berlins und für Freiheit
stand. Ich erinnere mich an viele Gespräche mit vielen res-
pektablen Botschaftern der Vereinigten Staaten, Herrn
Burns, Herrn Burd, Herrn Kornblum und anderen, die in
großer demokratischer Offenheit auch über Meinungsver-
schiedenheiten in der Politik mit uns gesprochen haben.
Ich erinnere mich an die Worte des amerikanischen Präsi-
denten Bush vor der Mauer hier in Berlin.
Ich finde, wir haben allen Grund, in diesen Tagen die
Unverbrüchlichkeit der Freundschaft zu Amerika zu
betonen.
Das ist nicht nur eine Frage der Rhetorik, sondern etwas,
was unser Volk mit dem amerikanischen Volk verbindet,
der Nation, die in der Menschheitsgeschichte allen voran
als Symbol für die Menschenrechte, für Freiheit und De-
mokratie gilt.
In diesen Tagen sind wir Zeugen mörderischer
Verbrechen geworden, deren grauenvolle Dimension uns
alle im tiefsten Innern erschauern lässt. Es sind Ver-
brechen, in denen sich Hass, Fanatismus, Feindschaft
und Menschenverachtung auf unvorstellbare und er-
schreckende Weise verdichtet haben. Es sind Tage des
Schreckens, der Trauer und des Zorns. Es sind für viele
das ist schon in einigen Debattenbeiträgen gesagt wor-
den auch Tage der Sorgen, der Angst und der Furcht.
In dieser Lage muss jeder seine Verantwortung kennen
und wahrnehmen. Wir müssen Festigkeit und Ent-
schlossenheit beweisen. Zaghaftigkeit und Unsicherheit
dürfen nicht die Devise sein. Wir sind auf die Mitwirkung
aller angewiesen. Deshalb danke ich heute dem gesamten
Parlament ich möchte über ein paar kleinere Unstim-
migkeiten hinwegsehen , dass es diese Einmütigkeit be-
wiesen hat.
Wir sollten diese Einmütigkeit in den Vordergrund
rücken.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Gert Weisskirchen
18329
Ich bedanke mich auch für das Angebot zur Zusam-
menarbeit. Gernot Erler und Frau Merkel haben es hier
mit Recht angesprochen: Ich glaube in der Tat, dass uns
der American Spirit, der Geist des Mutes und des auf-
rechten Ganges, den wir heute in Amerika beobachten
können, als Vorbild dienen kann. Die Feuerwehrleute, die
Bergungskräfte, die Börsianer, die Schuhputzer, die
Krankenschwestern, die unzähligen Menschen, die sich
zur Blutspende bereit erklärt haben, und auch Hillary
Clinton mit ihrer eindrucksvollen Rede sind Vorbilder für
uns. Wir sollten in dieser Situation von unserer Zaghaf-
tigkeit und von unserem Hang zum Pessimismus Ab-
schied nehmen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Entschlos-
senheit, Klarheit und Festigkeit den Kampf gegen den
Terrorismus gewinnen werden. Aber dieser Kampf wird
schwierig werden und er wird lange dauern. Darüber
sollte sich niemand Illusionen machen.
Ich neige bekanntlich nicht zu Dramatisierungen und
Übertreibungen. Ich bin für realistische Einschätzungen.
Ich habe aktuell stets darauf hingewiesen, dass im Au-
genblick keine konkrete Gefahr für unser Land besteht.
Das ist die Einschätzung unserer Dienste und unserer eu-
ropäischen Nachbarn. Aber niemand sollte sich über den
Ernst der Lage täuschen. Die Sicherheitssituation kann
sich in sehr kurzer Frist grundlegend verändern.
Es ist allerdings nicht hilfreich, wenn sich einige in
der Ausmalung ausufernder Schreckensszenarien über-
bieten.
Nicht hilfreich ist ebenso, wenn manche die engagierte,
gefahrvolle und schwere Arbeit unserer Polizei und un-
serer Sicherheitsdienste wider besseres Wissen
bemäkeln.
Gerade jetzt und auch künftig sollten wir unserer Polizei,
den Sicherheits- und den Verfassungsschutzbehörden un-
sere besondere Anerkennung, unseren besonderen Dank
und auch unser Vertrauen aussprechen.
Aber selbstverständlich werden wir unsere Anstren-
gungen erhöhen müssen. Manche Gemächlichkeit und
Umstandskrämerei müssen wir ablegen. In meinem Haus
gilt der Grundsatz der gerade im Bereich der inneren Si-
cherheit seine Bedeutung hat , dass sich niemand da-
durch auszeichnet, dass er mir umständlich erklärt, was
angeblich nicht geht.
Vielmehr kam und kommt es stets darauf an, rasch he-
rauszufinden, was geht, was zum Erfolg führt.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge ha-
ben wir zu Sofortmaßnahmen gegriffen, im Bereich der
Luftsicherheit, der Verkehrswege, der Infrastruktur ins-
gesamt, des Objektschutzes. Wir haben unsere
Aufklärungsmaßnahmen verstärkt. Denn Aufklärung ist
natürlich das wichtigste Mittel im Kampf gegen den Ter-
rorismus. Wir werden heute im Kabinett eine Reihe von
weiteren Maßnahmen beschließen. Diese, Herr Merz,
sind ich sage dies, damit bei Ihnen kein Irrtum entsteht
noch nicht vollständig; das wird weiterzuführen sein.
Ich bedanke mich jedoch schon jetzt ausdrücklich für das
Angebot, das Sie, Herr Merz, gemacht haben, in diesen
Fragen eng mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist der
Konsens der Demokraten, der jetzt im Vordergrund ste-
hen muss.
Ich bin froh darüber, dass Bedenken, die in kirchlichen
Kreisen zeitweise durchaus vorhanden waren, überwun-
den werden konnten und dass wir jetzt endlich dem Zu-
stand ein Ende bereiten, dass Vereine, die sich mit reli-
giösen Zielsetzungen tarnen, weiter ihr Unwesen treiben
dürfen. Wir werden das Religionsprivileg im Vereins-
recht beseitigen.
Wir müssen zusammen mit der Polizei und unter An-
wendung des Strafrechtes dafür sorgen, dass wir alle
terroristischen Gruppen erfassen, nicht nur jene, die ihre
Zielsetzungen mit Aktivitäten im Innern entfalten. Des-
halb ist es dringend erforderlich, das Strafgesetzbuch zu
ändern. Wir werden das umsetzen, indem wir einen
§ 129 b einfügen.
Wir werden darüber hinaus auch andere Maßnahmen
ergreifen müssen, etwa im Bereich der Überprüfung des
Sicherheitspersonals beim Luftverkehr. Auch dafür wer-
den wir heute die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.
Überdies werden wir das ist schon von mehreren ange-
sprochen worden dafür sorgen müssen, dass wir den
Geldern auf die Spur kommen, mit denen der Terrorismus
Mord und Totschlag finanziert. Das ist ja einer der
schrecklichsten Zusammenhänge, deren wir ansichtig
werden.
Meine Damen und Herren, wir werden uns von man-
chen Vorurteilen und Denkgewohnheiten verabschieden
müssen. An anderer Stelle werden wir über das Zuwan-
derungsgesetz zu reden haben. Ich werde mich das si-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundesminister Otto Schily
18330
chere ich Ihnen zu von diesem Projekt nicht verab-
schieden.
Das wäre ein Sieg der Terroristen. Diesen Sieg dürfen wir
nicht zulassen. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler für das
dankbar, was er in seiner Regierungserklärung dazu ge-
sagt hat. Aber eines muss auch klar sein: Das Sicherheits-
problem bei der Zuwanderung ist gar nicht in erster
Linie ein Problem der Arbeitsmigration, die wir steuern
und regeln wollen, sondern die Frage danach, welche Per-
sonen unter dem Zeichen des Flüchtlings- oder Asyl-
schutzes zu uns kommen. Darunter befinden sich leider
einige, die das Asyl- und das Flüchtlingsrecht missbrau-
chen.
Wenn sich unter denen einige befinden, die terroristischen
Aktionen dienen, dann müssen wir das versteht sich von
selber diesen Herrschaften auf die Spur kommen.
Deshalb darf mir und anderen an dieser Stelle niemand in
den Arm fallen: Es kann nicht sein, dass bestimmte
Dateien, die wir zur Verfügung haben, um diese Dinge
aufzuklären, nicht genutzt werden. Datenschutz ist in
Ordnung, aber der Datenschutz darf nicht zur Behin-
derung von Kriminalitäts- oder Terrorismusbekämpfung
führen.
Kerstin Müller und auch einige von der SPD-Fraktion
haben hier gesagt, der Rechtsstaat dürfe dafür nicht geop-
fert werden.
Das stimmt mit meinen Überzeugungen überein. Alles an-
dere wäre ja auch eine Torheit und das sieht, glaube ich,
niemand in diesem Hause anders. Aber man muss schon
sehr sorgfältig unterscheiden: Ist es ein Verstoß gegen die
Freiheitsrechte, wenn wir dafür sorgen, dass niemand
seine Identität verschleiert oder andere darüber täuscht?
Identitätssicherung, damit der Staat seine Kontroll-
pflichten und Kontrollrechte ausüben kann, ist in einem
Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit.
Die Zeit lässt es nicht zu, dass ich Ihnen alle Einzel-
heiten vortrage. Selbstverständlich gehört dazu auch, dass
wir den Katastrophenschutz voranbringen. Wir haben
schon vor den Ereignissen einiges in Bewegung gebracht.
Ich bin in dieser Beziehung sehr dankbar für die Zusam-
menarbeit zwischen den Ländern und dem Bund. Wir hat-
ten gestern eine Schaltkonferenz der Innenminister der
Länder und des Bundes. Ich möchte nicht versäumen,
meinen besonderen Dank an meine Kollegen in den Län-
dern auszusprechen. Es ist vorbildlich, in welcher Ein-
mütigkeit und Entschlossenheit Bund und Länder gegen
den Terrorismus vorgehen und sich über die Maßnahmen
geeinigt haben.
Es wird auch das gehört zu dem, was wir gestern in
der Schaltkonferenz gemeinsam erörtert haben ein In-
einandergreifen von militärischen und polizeilichen
Operationen notwendig sein. Wenn man es mit einer
Herausforderung wie dem Terrorismus zu tun hat, darf
man sich nicht auf philosophische Haarspaltereien einlas-
sen. Ich habe das übrigens bereits viel früher, schon im
vergangenen Jahr, der Weizsäcker-Kommission gesagt. Es
ist eine Situation, die eine Verbindung von polizeilichen
und militärischen Strategien erforderlich macht. Wir wer-
den jetzt gegen Bin Laden, wo immer er sein sollte, ver-
mutlich nicht die üblichen Verfahren ein Auslieferungs-
gesuch zu stellen, im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens
innerhalb von mehreren Jahren herauszufinden, wo er ist,
um dann vielleicht eine Entscheidung zu treffen einhal-
ten können. Auch im Kosovo-Konflikt gab es, wie Sie fest-
stellen können, wenn Sie den Dingen genau auf den Grund
gehen, eine polizeiliche Zielsetzung, die wir mit militäri-
schen Mitteln gemeinsam durchgesetzt haben.
Es wird also ein Ineinandergreifen von militärischen
und polizeilichen Strategien geben müssen. Das darf aber
nicht so missverstanden werden, dass nun die Bundes-
wehr überall in der Bundesrepublik postiert werden soll;
das ist nicht der Fall. Aber im Rahmen der durch die Ver-
fassung gezogenen Grenzen wird auch die Bundeswehr
ihre Aufgaben bei der Sicherung der Infrastruktur und mi-
litärischer Einrichtungen in Deutschland zu erfüllen ha-
ben; das versteht sich ganz von selbst.
Ich bin nicht dafür, dass wir uns jetzt in Schuldzuwei-
sungen verstricken. Herr Kollege Glos, das sage ich an
Ihre Adresse. Ich begrüße es, dass der Freistaat Bayern so-
eben durch eine Kabinettsentscheidung den Personalein-
satz beim Verfassungsschutz erhöht hat. Ich werde daraus
nicht den Vorwurf ableiten, dass es in der Vergangenheit ir-
gendwelche Versäumnisse gegeben hat.
Ich habe mich in den Haushaltsdebatten der vergange-
nen Jahre in sehr guter Kooperation mit dem Finanzminis-
ter für Mittel für die innere Sicherheit eingesetzt. Sie wis-
sen ich habe das in jeder Haushaltsdebatte gesagt , dass
wir die Mittel für die Institutionen, die für die innere
Sicherheit zuständig sind, nicht gekürzt, sondern erhöht
haben. Ich habe einige Zahlen vor mir liegen, die ich Ih-
nen jetzt nicht alle erläutern kann. Ich möchte nur fol-
gende Zahl nennen: Für die Luftsicherheit haben wir seit
1998, also seit unserem Regierungsantritt, 1,2 Milli-
arden DM aufgewendet. Das ist nun wahrlich kein kleiner
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundesminister Otto Schily
18331
Betrag. Ich könnte Ihnen viele weitere Zahlen nennen. Sie
haben Unrecht, Herr Glos, wenn Sie sagen, wir hätten die
Mittel für den BGS zurückgeführt; im Gegenteil. Wir ha-
ben ihn nur anders organisiert. Das ist übrigens die BGS-
Reform, die Ihre alte Regierung beschlossen hat.
Wir wollen uns da nicht in irgendwelche Dinge ver-
stricken.
Eines will ich Ihnen allerdings auch ankündigen: Wir
werden den Personaleinsatz und die Sachmittel für die
innere Sicherheit an einigen Stellen verstärken müssen.
Da muss ich die Hilfe des Parlaments, vor allem natürlich
die der Regierungsfraktionen, in Anspruch nehmen. Das
wird notwendig sein. Allerdings sollten nicht einfach nur
quantitative Forderungen gestellt werden. Es kommt viel-
mehr auf die Verbesserung der Qualität an.
Wer mit der Forderung, es müssten Zigtausende Polizei-
beamte eingestellt werden, durch die Lande wandert, den
frage ich: Woher soll ich die eigentlich nehmen? Man
muss sehr vorsichtig sein, um die Dinge richtig zu ent-
scheiden. Wir werden den sicherheitsempfindlichen Be-
reichen den Vorrang geben. Dort werden wir eine Verstär-
kung vornehmen. Das werden wir gemeinsam tun.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab-
schluss sagen, dass für die Bundesregierung Folgendes
gilt: Wir müssen und wir werden gegen die Terroristen, die
diese Verbrechen zu verantworten haben, mit äußerster
Konsequenz und mit der gebotenen Härte vorgehen. Wir
werden alle polizeilichen und militärischen Mittel aufbie-
ten, über die die freiheitlich-demokratische Staatsordnung,
die wehrhafte Demokratie verfügt. Wir werden den Kampf
gegen den hasserfüllten, menschenfeindlichen Terroris-
mus aber nur gewinnen, wenn er zugleich ein Kampf für
die Universalität und Unverbrüchlichkeit der Menschen-
rechte ist, wenn er ein Kampf für geistige Freiheit, für so-
ziale Gerechtigkeit, für den Rechtsstaat und für die unbe-
dingte Achtung der Würde des Menschen ist.
Wir dürfen uns nicht ich wiederhole bewusst das, was
der Bundeskanzler heute in seiner Regierungserklärung
formuliert hat in einen angeblichen Kampf der Kulturen
hineintreiben lassen. Im Gegenteil: Es ist an der Zeit, dass
wir ein geistiges Zeichen für den interkulturellen Dialog,
für Aufklärung, für Verständnisbereitschaft und geistige
Offenheit setzen. Religiöser, hasserfüllter Fanatismus hat
in der Menschheitsgeschichte zu den schlimmsten Ver-
brechen geführt. Diese Verbrechen waren zugleich immer
die Verleugnung der vermeintlich eigenen religiösen
Überzeugungen, auf die sich die Fanatiker berufen haben.
Mit geistiger Offenheit meine ich sehr viel mehr als
bloße Toleranz im Sinne von Ertragen unterschiedlicher
religiöser und weltanschaulicher Auffassungen. Geistige
Offenheit heißt, die eigenen Überzeugungen infrage zu
stellen, infrage stellen zu lassen und infrage stellen zu
können, anstelle des Verharrens in starren Dogmen der
Gedankenfreiheit Raum zu geben und niemanden zu ver-
dammen, der fortschreitende Erkenntnis sucht.
Wir müssen uns heute und morgen in einer geistig-kultu-
rellen Offensive vereinen, die die Erkenntnisfähigkeit der
Menschen in einer mitunter geistvergessenen Welt erwei-
tert, ihre moralischen Willensimpulse stärkt und ihre see-
lisch-geistigen Fähigkeiten gesunden lässt. Niemand
kann sich der Einsicht entziehen: Die Verbrechen begin-
nen im Geist und in der Seele von Menschen, derer sich
das Böse bemächtigt.
Herr Minister, ich
muss Sie an die Einhaltung Ihrer Redezeit erinnern.
Ich bin sofort
fertig.
Der Kampf gegen das Böse ist ein realer Kampf. Das
Böse ist eine geistige, eine gesellschaftliche Realität. Wir
werden und wir müssen diesen Kampf furchtlos aufneh-
men. Wir werden ihn gewinnen, wenn wir in uns und in
den anderen den Frieden suchen und finden.
Vielen Dank.
Ich erteile dem Kolle-
gen Wolfgang Bosbach für die CDU/CSU das Wort.
Der Kollege Ludwig Stiegler weiß schon, dass er heute
nicht mehr zum Reden kommt.
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr
Bundesminister Schily, Sie haben sich an dieser Stelle
sehr kämpferisch, sehr entschlossen gezeigt und haben
vieles gesagt, was wir voll unterstreichen können und was
wir immer schon gesagt haben, und zwar bereits vor dem
11. September 2001. Wir hätten uns aber viel mehr ge-
freut, wenn Sie diese Entschlossenheit und den kämpferi-
schen Einsatz auch schon vor den mörderischen Anschlä-
gen in den USA gezeigt und schon vorher so wie heute
gesprochen hätten.
Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn sich wenigstens
ein Teil von dem, was Sie heute gesagt haben, in der Koa-
litionsvereinbarung wiederfinden würde.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Bundesminister Otto Schily
18332
Dazu, dass Sie in diesen Tagen das Ende einer permis-
siven Gesellschaft fordern und darauf hinweisen, dass die
Haltung nach dem Motto anything goes nicht mehr tole-
rabel sei, muss ich Ihnen sagen, dass Sie diese Überzeu-
gungsarbeit nicht bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
leisten müssen. Wir liefern Ihnen gern die Adressen der-
jenigen, bei denen das notwendig ist.
Sie werden auch sehr genau registriert haben, wer bei
Ihren Ausführungen geklatscht und wer mehr Betroffen-
heit als Freude gezeigt hat.
Die sicherheitspolitische Lage hat sich in der Tat seit
dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs, seit dem
Ende der Ost-West-Konfrontation nachhaltig geändert.
Aber trotz dieser geänderten Lage sind die Gefährdungen
für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands nicht
geringer geworden. Sie sind lediglich ganz anders als
noch vor 15 oder 20 Jahren, aber deswegen nicht weniger
bedrohlich, nicht weniger gefährlich.
Wir stehen nicht erst heute, nicht erst seit den schreck-
lichen Ereignissen der vergangenen Woche, sondern be-
reits seit vielen Jahren vor völlig neuen Herausforderun-
gen hinsichtlich der Sicherheitspolitik unseres Landes.
Der international operierende Terrorismus, der von Staa-
ten gedeckt und unterstützt wird und daher über erhebli-
che logistische und finanzielle Möglichkeiten verfügt und
dem es immer wieder gelingt, junge Menschen zu rekru-
tieren, die aus religiösem oder politischem Fanatismus be-
reit sind, das eigene Leben hinzugeben, um mörderische
Attentate auszuüben, ist für uns alle eine existenzielle Be-
drohung. Der Kampf gegen den religiös oder politisch
motivierten gewaltbereiten Extremismus und gegen den
internationalen Terrorismus erfordert daher Besonnenheit
gleichermaßen wie Entschlossenheit.
In den vergangenen Tagen gab es in vielfältiger und
auch beeindruckender Form Gesten der Trauer für die Op-
fer in den USA, Worte des Mitgefühls für die Hinterblie-
benen und für das gesamte amerikanische Volk. Die Ges-
ten waren richtig und wichtig, aber es darf jetzt nicht bei
Worten und Gesten bleiben. Die USA haben aus einer
ganzen Fülle von Gründen einen Anspruch darauf, dass
gerade wir sie in ihrem Kampf gegen den internationa-
len Terrorismus tatkräftig unterstützen. Dies liegt auch
in unserem eigenen Interesse.
In den letzten Tagen war oft an dieser Stelle ist schon
zu Recht darauf hingewiesen worden von Vergeltungs-
schlägen die Rede und davon, dass man Gewalt nicht mit
Gegengewalt beantworten solle. Wichtiger als militäri-
sche Aktionen seien politische Lösungen. Aber es geht
nicht um Vergeltung, nicht um Rache, sondern um
Prävention, um die Verhinderung von neuen, Tod und Zer-
störung mit sich bringenden Anschlägen, nicht nur in den
USA.
Wer wollte bestreiten, dass eine friedliche Konfliktlö-
sung einer gewaltsamen vorzuziehen ist? In diesem
Hause niemand. Wir wissen aber aus vielen, auch eigenen
leidvollen Erfahrungen, dass todbringender Terror und
mörderische Banden nicht mit sicherlich gut gemeinten
Gesten und Appellen erfolgreich bekämpft werden kön-
nen. Der Kollege Gerhardt hat zu Recht darauf hingewie-
sen, dass es in dieser Welt leider zu viele Despoten, zu
viele Terroristen gibt, die sich nicht von Argumenten, son-
dern nur von einer entschlossenen Gegenwehr beein-
drucken lassen.
Wenn es richtig ist, dass Konsequenzen gezogen wer-
den müssen, müssen wir das Recht fortentwickeln, wie
dies heute auch das Bundeskabinett zumindest in Teilen
beschließen wird. Wir werden auch im Haushalt Konse-
quenzen ziehen müssen. Entscheidend ist aber, dass wir
zunächst alle darin übereinstimmen, dass der äußeren und
inneren Sicherheit endlich die notwendige politische
Priorität eingeräumt werden muss.
Selbstverständlich geht es dabei auch, aber nicht nur, um
die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für
Personal und Technik. Es geht aber vor allen Dingen um
eine andere politische Haltung der Koalition zu allen Fra-
gen der äußeren und inneren Sicherheit.
Ich nenne als ein Beispiel die Bundeswehr. Die Bünd-
nisfähigkeit stellt man doch nicht allein dadurch unter
Beweis, dass man Auslandseinsätzen zustimmt, sondern
dadurch, dass man die Armee in allen Teilstreitkräften so
ausstattet, dass sie ihre Bündnispflichten in vollem Um-
fang erfüllen kann.
Davon sind wir weit entfernt. Das weiß nicht nur die mi-
litärische Führung der Bundeswehr, sondern auch die
Bundesregierung, ohne dass sie bislang entsprechend ge-
handelt hat.
Es muss auch endlich aufhören, dass diejenigen, die für
einen starken Staat nicht nur in Worten, sondern auch in
Taten und für eine wehrhafte Demokratie kämpfen, un-
ter den Generalverdacht gestellt werden, sie wollten in
Wahrheit einen Polizeistaat. Wir wollen keinen allmäch-
tigen Staat, der die Bürger ständig kontrolliert oder sie gar
ihrer Freiheitsrechte beraubt. Wir wollen einen starken
Staat, der sich gegen seine Gegner zu wehren und seine
Bürger zu schützen weiß.
Im Kampf gegen den Rechtsextremismus waren wir
uns völlig einig: keine Toleranz der Intoleranz. Nichts an-
deres darf beim Kampf gegen Extremisten aller Schattie-
rungen und Kriminelle gelten.
Wir wollen auch weiterhin ein liberales Land und eine to-
lerante Gesellschaft sein. Aber wenn wir das auf Dauer
bleiben wollen, müssen wir diejenigen entschlossen
bekämpfen, die diese Toleranz dazu nutzen, unser Land
und seine freiheitliche Ordnung zu bekämpfen. Für uns ist
law and order kein Schimpfwort. Recht und Gesetz sind
jedenfalls für die rechtstreuen Menschen in unserem
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Wolfgang Bosbach
18333
Land keine Bedrohung, keine Gefahr und keine Fessel.
Sie sind unabdingbare Voraussetzungen für ein Leben in
Freiheit und Sicherheit.
Die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten ist die vor-
nehmste Aufgabe des Staates. Deshalb müssen wir ange-
sichts der dramatischen Ereignisse in allen Bereichen der
äußeren und inneren Sicherheit überprüfen, ob wir in per-
soneller und technischer Hinsicht so ausgestattet sind,
dass wir die potenziellen Gefahren rechtzeitig erkennen
und abwehren können.
Der Kollege Glos hat beispielhaft den Bundesgrenz-
schutz erwähnt. Mit Verlaub, Herr Innenminister, Sie ha-
ben den Kollegen Glos nicht richtig zitiert und mögli-
cherweise missverstanden. Er hat darauf hingewiesen,
dass der Bundesgrenzschutz heute eine völlig andere Auf-
gabenstellung hat und vor völlig anderen Herausforde-
rungen steht als noch vor 15 oder 20 Jahren. Machen wir
uns aber bitte nichts vor: Spätestens mit der EU-Erweite-
rung nach Ost- und Südosteuropa wird auch der Bundes-
grenzschutz wiederum vor neue Herausforderungen ge-
stellt werden.
Deshalb müssen wir immer überprüfen, ob Verfassungs-
schutz, Bundesnachrichtendienst, Bundesgrenzschutz
und die Polizeien des Bundes und der Länder auf der
Höhe der Zeit sind. Nichts anderes hat der Kollege Glos
gesagt. Damit hat er Recht.
Die aktuelle und dringend notwendige Debatte über
mehr äußere und innere Sicherheit kann nur dazu führen
dazu fordern wir die Bundesregierung auf , dass schon
bei den Haushaltsplanberatungen in der nächsten Wo-
che der Haushalt so umgeschichtet wird, dass deutliche
Prioritäten für mehr äußere und innere Sicherheit gesetzt
werden. Mehr Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif.
Daneben müssen wir das Recht fortentwickeln. Wir ha-
ben bereits vor dem 11. September einen Gesetzentwurf
zur Bekämpfung des Terrorismus mit vielen konkreten
Maßnahmen vorgelegt. Wir erwarten von der Bundes-
regierung, dass sie diesen Gesetzentwurf nachhaltig un-
terstützt. Der Bundesinnenminister hat sich in den letzten
Tagen und auch heute sehr dezidiert zum Thema innere
Sicherheit geäußert. Er hat dabei Vorschläge unterbrei-
tet, die von der Union ausdrücklich begrüßt werden, und
zwar insbesondere deshalb, Herr Schily, weil uns diese
Vorschläge sehr bekannt vorkommen. Sie sind nicht, wie
der Kollege Özdemir gestern gesagt hat, abenteuerlich.
Diese Vorschläge sind notwendig.
Herr Schily, Sie sagen: Datenschutz darf nicht zum
Täterschutz werden. Wir sagen: Richtig. Diese Erkenntnis
war mit Verlaub noch bis vor wenigen Tagen politisch
höchst unkorrekt.
Wir sind mit Ihnen darin einig, dass sich zur Abwehr von
Gefahren und zugunsten von mehr Sicherheit auch in der
Ausländer- und Asylpolitik einiges ändern muss. Wir
begrüßen es daher ausdrücklich, dass Sie bei Ihren
Vorstellungen auch Forderungen der Union aufgegriffen
haben, die zum Teil schon seit vielen Jahren auf dem Tisch
liegen. Aber beim Thema Zuwanderung und Integration
geht es nicht nur darum, einige zum Teil seit langem be-
kannte Probleme zu lösen. Es geht uns, der CDU/CSU,
um eine grundsätzliche Neuorientierung unserer Auslän-
der- und Integrationspolitik.
Es ist richtig, dass wir uns mitten im Übergang von der
Industrie- zur Informationsgesellschaft befinden und dass
wir uns selber schaden würden, wenn wir bei dem welt-
weiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe nicht mit-
machten. Dies kann aber im Umkehrschluss nicht bedeu-
ten, dass wir sowohl unter humanitären als auch unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten ständig mehr Zuwan-
derung nach Deutschland zulassen.
Allein in den letzten zehn Jahren sind 8,1 Millionen
Ausländer nach Deutschland gekommen. Im gleichen
Zeitraum haben 5,8 Millionen Ausländer unser Land ver-
lassen. Der positive Wanderungssaldo beträgt in diesen
zehn Jahren 2,3 Millionen. In diesem Zeitraum haben wir
mehr Menschen aufgenommen als die Vereinigten Staaten
von Amerika. Wir haben in den letzten zehn Jahren
1,8 Millionen Asylbewerber aufgenommen und damit
doppelt so viel wie die USA, viermal so viel wie England
und sechsmal so viel wie Frankreich. Wir haben keinen
Mangel an Zuwanderung, sondern einen deutlich erkenn-
baren Mangel an Integration und ein nicht ausgewogenes
Verhältnis von Zuwanderung aus humanitären Gründen
einerseits und aus wohl verstandenem eigenen staatlichen
Interesse andererseits.
Ihr Gesetzentwurf, Herr Schily, trägt den Titel Steue-
rung und Begrenzung der Zuwanderung. Der Titel ist
gut. Es kommt bei einem Gesetz, aber nicht darauf an, was
draufsteht, sondern darauf, was drinsteht. Ihr Gesetzent-
wurf ist leider nicht dazu geeignet, die Zuwanderung nach
Deutschland im Sinne einer Begrenzung zu reduzieren,
sondern er ist dazu geeignet, Zuwanderungsanreize zu
schaffen und weitere Zuwanderungsmöglichkeiten zu
eröffnen. Das ist der Grund, warum dieser Gesetzentwurf
aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig ist.
Wir haben auch heute mehrfach von dieser Stelle aus
gehört für uns als Union ist das eine Selbstverständlich-
keit , dass wir niemanden unter Generalverdacht stellen
dürfen. In Deutschland leben 3,5 Millionen Muslime. Der
allergrößte Teil von ihnen ist rechtstreu, weder extremis-
tisch noch gewalttätig und lehnt den Terrorismus als Mit-
tel der Politik ebenso ab wie wir. Aber wir müssen zur
Kenntnis nehmen, dass es darunter auch Menschen gibt,
die unter dem Deckmantel der Humanität oder der Reli-
gionsfreiheit extremistischen oder terroristischen Bestre-
bungen Vorschub leisten. Rund 32 000 von ihnen gelten
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Wolfgang Bosbach
18334
als extremistisch und gewaltbereit. Darüber muss man of-
fen reden können, ohne der Ausländerfeindlichkeit be-
zichtigt zu werden.
So heißt es im Verfassungsschutzbericht: Zu einer
nachhaltigen Bedrohung haben sich die Aktivitäten der
Arabischen Mujahedin entwickelt, die sich in einem lo-
sen Netzwerk am internationalen Jihad beteiligen. Ihre
antiwestliche Zielrichtung, ihre Gewaltbereitschaft und
ihr transnationales Zusammenwirken machen ihre Ge-
fährlichkeit aus. Wegen ihrer Leitfunktion kommt der Or-
ganisation Al Qaida des saudischen Millionärs Osama
Bin Laden eine besondere Bedeutung zu. Es kann und
darf uns nicht genügen, die Aktivitäten in Deutschland zu
beobachten, sondern wir müssen uns von denen trennen,
die in diesen Organisationen Mitglied sind.
Was spricht eigentlich dagegen, bei der Beantragung
eines Visums eine Kopie des Reisepasses anzufertigen
und vom Antragsteller einen Fingerabdruck zu verlangen
oder vor der Einbürgerung eines Ausländers beim Verfas-
sungsschutz anzufragen, ob dort Erkenntnisse vorliegen,
dass sich der Bewerber um die deutsche Staatsangehörig-
keit verfassungsfeindlich betätigt hat? Warum sollten wir
jemanden einbürgern, von dem wir wissen, dass er die öf-
fentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet?
Warum sollte sich der Staat bei einer so wichtigen Ent-
scheidung wie der Verleihung der Staatsbürgerschaft
künstlich dümmer stellen, als er tatsächlich ist? Wenn wir
beim Kampf gegen den Rechtsextremismus eine Unkul-
tur des Wegsehens beklagen und Zivilcourage einfordern,
dann darf auch der Staat nicht wegschauen und sich düm-
mer stellen, als er ist. Wir müssen auch Staatscourage zei-
gen und nicht nur Zivilcourage verlangen.
In einem freiheitlichen Rechtsstaat müssen wir immer
die Balance zwischen viel Freiheit auf der einen Seite und
einem Höchstmaß an Sicherheit für alle Menschen auf der
anderen Seite halten. Der Bonner Staatsrechtler Professor
Isensee hat einmal gesagt:
Der Rechtsstaat gibt sich nicht nur preis, wenn er die
Freiheit seiner Bürger unterdrückt, sondern auch,
wenn er ihnen die Sicherheit vorenthält. Der Rechts-
staat hat nicht nur ein einziges Feindbild, die Despo-
tie, sondern deren zwei, die Despotie und die
Schwäche.
Deswegen gilt für uns: Wir müssen Stärke zeigen und un-
sere Pflicht tun.
Danke.
Als letztem Redner
erteile ich dem Kollegen Cem Özdemir für Bündnis 90/
Die Grünen das Wort. Ich bitte Sie, auch diesem Redner
noch aufmerksam zuzuhören.
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 11. Septem-
ber hat vieles verändert: Wir haben eine neue Situation.
Eine neue Situation verlangt, dass man nicht einfach Vor-
schläge recycelt nach dem Motto Was ich schon immer
zu diesem Thema sagen wollte. Eine neue Situation be-
deutet für uns als politische Klasse, als Menschen, die
Verantwortung übernommen haben und in die Verant-
wortung gewählt worden sind Opposition und Regie-
rung , dass wir nicht den Eindruck erwecken dürfen, als
ob sich die Bundesrepublik Deutschland im Kriegszu-
stand befinde. Wir dürfen nicht so tun, als ob nationale Pa-
nik angesagt wäre. Wenn man seiner Verantwortung ge-
recht werden will, bedeutet Führung in diesem
Zusammenhang, der Bevölkerung deutlich zu machen:
Wir sind dafür gewählt, um in dieser Republik Verant-
wortung zu übernehmen, ohne Panik zu säen, ohne Ängs-
te zu schüren und ohne dazu beizutragen, dass weniger Si-
cherheit in der Bevölkerung entsteht.
Ich bin froh, dass der Bundeskanzler in seiner Rede zu
Besonnenheit gemahnt hat, dass er die Notwendigkeit
deutlich gemacht hat, die Sicherheit sofern dies in un-
serer Macht steht mit Sofortmaßnahmen zu erhöhen, so-
weit dies noch nicht geschehen ist, dass es aber nicht da-
rum gehen kann, Sicherheit gegen Freiheit auszuspielen.
Wir brauchen beides: Sicherheit und Freiheit gehören zu-
sammen. Wer das eine vom anderen trennt, hat nicht ver-
standen, wofür unsere Zivilisation, unsere Gesellschafts-
ordnung steht.
Das Vereinsgesetz wurde bereits mehrfach auch vom
Innenminister angesprochen. Deshalb möchte ich mich
an dieser Stelle kurz fassen und nur eines dazu sagen: Ich
glaube, wir sind uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg
darin einig wichtig ist auch die Tonlage : Die Änderung
des Vereinsgesetzes durch die Streichung des Religions-
privileges, die wohl alle wollen, ist keine Maßnahme, die
sich gegen den Islam richtet. Extremismus kann sich be-
dauerlicherweise in allen Religionen finden. Ich will nur
ein Beispiel in Erinnerung rufen, das einige vielleicht
schon vergessen haben: Viele haben noch den schreckli-
chen Vorfall im Kopf, als eine japanische Sekte einen Gift-
gasangriff auf die U-Bahn in Tokio unternommen hat. Wir
sind nicht davor gefeit, dass es Erscheinungen dieser Art
in den verschiedensten Religionen geben kann. Deshalb ist
es richtig, diese Maßnahme zu treffen. Sie richtet sich nicht
gegen eine Religion, sondern gegen den Missbrauch der
Religion durch Extremisten. Deshalb ist sie richtig.
Wir müssen jetzt auch darauf wurde bereits hinge-
wiesen Maßnahmen treffen, um die Flugsicherheit zu
erhöhen, weil auch auf diesem Feld ein Anspruch unserer
Bevölkerung besteht, sich sicher zu fühlen. Auch hier
wird etwas geschehen.
Stichwort Waffenrecht. Viele Maßnahmen sind be-
reits vor diesem schrecklichen Ereignis in die Wege ge-
leitet worden. Wir sind der Meinung: Wir brauchen in
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Wolfgang Bosbach
18335
unserer Gesellschaft nicht mehr, sondern weniger Waffen.
Das führt zu mehr Sicherheit für alle.
Auch das Stichwort Geldströme ist bereits gefallen.
Ich glaube, dass wir auf diesem Gebiet in Zukunft das
bezieht sich nicht nur auf den religiösen Extremismus, ich
denke auch an die UCK und andere Fälle sehr genau hin-
schauen müssen, wo unter dem Deckmantel der Humani-
tät Gelder für extremistische, terroristische und men-
schenrechtsverachtende Zwecke akquiriert werden. So
etwas kann mit Sicherheit nicht hingenommen werden.
Wir müssen sehen, wie wir ein solches Vorgehen durch
rechtsstaatliche Maßnahmen unterbinden können.
Ich möchte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen,
um auch namens meiner Fraktion unseren Polizeien zu
danken. Sie müssen in diesen Tagen Überschichten fahren
und haben einen sehr schweren Job zu erfüllen, um Si-
cherheit zu gewähren.
Ich glaube, ich kann an dieser Stelle fraktionsübergreifend
den Dank an unsere Polizei dafür aussprechen, dass sie
in diesen Tagen ihre Arbeit in bewährter Weise so macht,
wie wir das von ihr kennen. Ich glaube, die aktuellen Er-
eignisse haben auch gezeigt, dass die Zusammenarbeit
zwischen dem FBI und den bundesrepublikanischen
Diensten sehr gut funktioniert und sich bewährt hat.
Ich möchte noch eines deutlich machen. In der Welt
am Sonntag vom 16. September 2001 hat Elie Wiesel ge-
schrieben: Terrorismus ist die Herrschaft der Angst.
Wenn dies zutrifft, dann sind wir alle aufgefordert, dafür
zu sorgen, dass dies nicht gilt,
dass der Terrorismus sein Ziel, uns in Angst und Schrecken
zu versetzen, nicht erreichen wird. Unter diesem Aspekt
bitte ich, alle Vorschläge, die in der jetzigen Debatte ge-
macht werden, zu überprüfen. Ich glaube, dass sich jeder,
der Vorschläge macht, gefallen lassen muss, dass seine
Vorschläge daraufhin überprüft werden, inwiefern sie ge-
eignet sind, einen solchen feigen Anschlag, wie wir ihn er-
lebt haben, in Zukunft zu verhindern.
Wenn man die einzelnen Vorschläge prüft, dann wird
man zu dem Ergebnis kommen ich hoffe, dass wir uns
darüber einig sind , dass der Datenschutz eben kein Tä-
terschutz, sondern eine Errungenschaft ist, für den sowohl
die alte als auch die jetzige Regierung eingetreten sind,
und dass im Bereich des Datenschutzes Änderungsbedarf
besteht, eben weil er nach unserer Meinung zu den Er-
rungenschaften unserer Gesellschaft gehört. Wir werden
ihn mit Sicherheit nicht abschaffen.
Wir werden das Grundgesetz mit Sicherheit nicht
ändern. Die Bundeswehr kann bereits heute, wenn die
Notwendigkeit besteht Stichwort Oderbruch , im
Katastrophenfall eingesetzt werden. Es besteht also kein
Änderungsbedarf. Ich rate, Vorschläge zukünftig genau
auf ihre Praktikabilität hin zu prüfen, bevor man sie
macht.
Ich bin sehr froh darüber, dass der Bundeskanzler, aber
auch der Verteidigungsminister deutlich gemacht haben,
dass hier kein Änderungsbedarf besteht, dass vielmehr die
geltende Rechtslage ausreichend ist, um die notwendigen
Maßnahmen durchzuführen.
Froh bin ich auch darüber, dass klargemacht worden
ist, dass wir von dem Vorhaben, ein Einwanderungs-
gesetz zu verabschieden und damit anzuerkennen, dass
die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland
geworden ist, nicht abrücken werden. Jetzt ist es erst recht
notwendig, dass wir mehr für die Integration von Flücht-
lingen tun und dass wir die Bedürfnisse unserer Wirt-
schaft nach Zuwanderung befriedigen. Wir müssen noch
in dieser Legislaturperiode gemeinsam das Einwande-
rungsgesetz verabschieden.
Der feige Anschlag in den USA das ist von verschie-
denen Rednern so gesagt worden war ein Anschlag auf
die offene Gesellschaft. Wenn das stimmt, dann war dies
auch ein Anschlag auf unsere Art zu leben. Menschen un-
terschiedlicher religiöser Herkunft und unterschiedlichen
kulturellen Hintergrundes, die vor Hunger, politischer Un-
terdrückung und religiöser Verfolgung geflohen sind, ha-
ben gemeinsam das ist die Gründungsgeschichte die
Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut. Der Anschlag
hat nicht nur ihre, sondern auch, wie gesagt, unsere Art zu
leben getroffen, die darin besteht, dass Menschen unter-
schiedlicher Herkunft und unterschiedlicher religiöser
Zugehörigkeit friedlich zusammenleben. Unsere Antwort
auf den Anschlag darf nicht dazu führen, dass die Gesell-
schaft entlang religiöser Linien gespalten wird. Wer das
will, dem muss man mit einem klaren Nein entgegentreten.
Wir wollen weiterhin in einer interkulturellen und
interreligiösen Gesellschaft leben. Wir alle sind aufgefor-
dert, eine solche Gesellschaft zu verteidigen. Ich bin des-
halb sehr froh darüber, dass der amerikanische Präsident
Bush eine Moschee besucht hat. Ich kann alle Mitglieder
dieses Hohen Hauses nur auffordern, in ihren Wahlkrei-
sen sofern das nicht schon geschehen ist; ich weiß, dass
viele Kollegen das schon getan haben das Beispiel von
Präsident Bush aufzugreifen und Gespräche mit Musli-
men zu organisieren. Wir brauchen in unserer Gesell-
schaft auch den Dialog mit dem Islam. Wir müssen den
Islam aus den Hinterhöfen herausholen und in das Licht
der Öffentlichkeit führen.
Es ist klar, dass Integration keine Einbahnstraße sein
kann. Wir müssen auch von muslimischen Organisationen
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Cem Özdemir
18336
in der Bundesrepublik Deutschland erwarten können,
dass sie die Spielregeln unserer Gesellschaft beachten.
Nur, das tun 99 Prozent der Muslime genauso wie Chris-
ten, Juden, Andersgläubige und Atheisten.
Zum Schluss: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen,
was wir tun können, um die Integration zu verstärken. Die
Stichwörter sind Religionsunterricht und Fakultäten,
an denen Lehrstühle für den Islam geschaffen werden
müssen, damit der moderne, zeitgenössische Islam eine
Heimat in der Bundesrepublik Deutschland bekommt.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aus-
sprache. Mir liegen Erklärungen nach § 31 der Geschäfts-
ordnung vor, und zwar von Herrn Dr. von Stetten, von
Frau Nickels und anderen sowie von Herrn Gehrcke,
Herrn Dr. Seifert, Herrn Dr. Jens und Frau Dr. Antje
Vollmer.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungs-
anträge, und zwar zunächst über den Entschließungsantrag
der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnis-
ses 90/Die Grünen und der FDP auf Drucksache 14/6920.
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstim-
mung. Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und
Kollegen, darauf zu achten, dass die Stimmkarte, die Sie
haben, auch Ihren Namen trägt. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu-
nehmen. Sind alle Urnen besetzt? Das ist der Fall. Ich
eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? Ich stelle fest, dass alle
ihre Stimmen abgegeben haben. Ich schließe die Abstim-
mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Ab-
stimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmung fort und kommen zum Ent-
schließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/6919. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?
Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der Antrag ist
gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir danken den Schriftführerinnen und Schriftführern,
dass sie so schnell gearbeitet haben.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP zu der Regierungserklärung zu den Terroran-
schlägen in den USA und zu den Beschlüssen des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO auf
Drucksache 14/6920 bekannt. Abgegebene Stimmen 611.
Mit Ja haben gestimmt 565, mit Nein haben gestimmt 40,
Enthaltungen 6. Der Entschließungsantrag ist damit ange-
nommen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Cem Özdemir
18337
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen:
611;
davon
ja: 565
nein: 40
enthalten: 6
Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Rainer Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich
Harald Friese
Anke Fuchs
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs
18338
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Götz-Peter Lohmann
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Birgit Roth
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-Zadel
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Ewald Schurer
Dietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl
Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Verena Wohlleben
Hanna Wolf
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Manfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Hansgeorg Hauser
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs
18339
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Franz Romer
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Gerhard Schulz
Diethard Schütze
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck
Volker Beck
Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Christian Sterzing
Jürgen Trittin
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm
Margareta Wolf
FDP
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Dr. Uwe Jens
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Annelie Buntenbach
Winfried Hermann
Monika Knoche
Hans-Christian Ströbele
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Winfried Wolf
Enthalten
SPD
Gudrun Roos
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Irmingard Schewe-Gerigk
Christian Simmert
Dr. Antje Vollmer
PDS
Manfred Müller
Dr. Ilja Seifert
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Dienstag, den 25. September 2001, 18 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.