Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir lassen nicht zu,
dass die grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens
von Terroristen zerstört werden. Wir werden Freiheit und
Recht mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ver-
teidigen. Deswegen steht Deutschland angesichts dieses
furchtbaren, hinterhältigen Angriffs fest an der Seite un-
serer amerikanischen Freunde und unserer Partner im
Bündnis der NATO.
Unser Land hat von den Vereinigten Staaten von Ame-
rika ehrliche Freundschaft und echte Solidarität erfahren;
ich erinnere nur an die Luftbrücke nach Berlin, an den
Marshall-Plan und an den Dienst amerikanischer Solda-
ten in Deutschland. Ohne die Hilfe Amerikas hätten wir
im Kalten Krieg nicht unsere Freiheit bewahrt und hätten
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht unsere
Einheit erreicht. Deswegen fühlen wir uns von den
schrecklichen Bildern, die wir gesehen haben, ganz be-
sonders belastet und selbst getroffen. Es war auch ein An-
griff auf unsere Lebensform.
Aus tiefer Überzeugung und aus Mitgefühl mit den Op-
fern, um die wir trauern und für die wir beten es waren
auch 100 Deutsche darunter, denen unser ganz besonde-
res Gedenken gelten muss , müssen wir an den Maßnah-
men, die einzuleiten sind, festhalten, auch wenn sie ge-
fährlich sein können.
Die USA reagieren auf die Terrorwelle, wie ich meine,
sehr entschlossen und auch sehr besonnen. Herr Bundes-
kanzler, Sie haben in unserer Runde, in der wir uns manch-
mal treffen, selber gesagt, Präsident Bush und seine Re-
gierung suchten die Gemeinsamkeit mit allen Staaten,
die den Terror ablehnen. Die Partner in der NATO, Russ-
land, China und viele andere Staaten in der Welt machen
gemeinsam Front gegen den Terror.
Umso bedauerlicher war es daran trägt aber niemand
von uns Schuld , dass Parlamentarier aus 143 Ländern im
Rahmen der IPU, der Interparlamentarischen Union, bei
ihrem Treffen in Burkina Faso noch nicht einmal eine Mehr-
heit dafür erreichen konnten, dass zumindest die Flaggen
auf Halbmast gesetzt werden. Das zeigt, dass der Antiame-
rikanismus noch sehr groß ist.
Ich finde es richtig, dass Sie mithelfen, gegen den
Antiamerikanismus bei uns in Deutschland anzukämpfen.
Umfragen zeigen: Nur 37 Prozent der Bevölkerung in un-
serem Land sind derzeit mit Präsident Bush einverstan-
den. Diesen Antiamerikanismus will ich Ihren Parteien
nicht pauschal zuschieben; dafür ist es auch nicht die rich-
tige Stunde. Aber er muss uns zum Nachdenken darüber
anregen, welche Vorurteile gegenüber Amerika und
dem jetzigen Präsidenten bei uns in den Medien, auch in
den öffentlich-rechtlichen, geschürt worden sind.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Gernot Erler
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Ich bin der Meinung, George Bush meistert die Krise mit
großem staatsmännischen Format. Die USA haben ein
großes Bündnis zur Bekämpfung des Terrors ge-
schmiedet. Zu diesem Bündnis muss und wird Deutsch-
land seinen Beitrag leisten. Die Opposition ist dazu selbst-
verständlich bereit.
Der NATO-Rat hat am 12. September einstimmig fest-
gestellt: Die Terrorattacken sind ein Bündnisfall nach
Art. 5 des Nordatlantischen Vertrages, wenn feststeht,
dass diese Angriffe von außen gegen die USA geführt
wurden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat
sich hinter diese Maßnahmen gestellt und hat dazu aufge-
rufen, Täter, Drahtzieher und Unterstützer gemeinsam zur
Verantwortung zu ziehen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben den Vereinigten Staaten
mit unserer Zustimmung die uneingeschränkte Solida-
rität Deutschlands versichert. Dieses Wort es ist heute
vor einer Woche hier im Deutschen Bundestag ausgespro-
chen worden muss auch eine Wochen später noch gel-
ten. Deswegen appelliere ich an eine geschlossene Zu-
stimmung des Deutschen Bundestages. Dass die PDS
abschwenkt, das war zu erwarten. Sich aus Solidarität mit
Amerika auf eine Bühne zu stellen ist leichter, als die kon-
kreten Maßnahmen mitzutragen. Herr Bundeskanzler, wir
müssen uns deshalb fragen, ob es richtig ist, dass diejeni-
gen, die aus der Gemeinsamkeit der Demokraten aus-
scheren, noch dabei sitzen, wenn die Fraktionsvorsitzen-
den im Deutschen Bundestag unterrichtet werden.
Ich bin der Meinung, dass die gemeinsam eingebrachte
Resolution nachdrücklich die klare Haltung, die die Bun-
desregierung und alle Fraktionen schon vor einer Woche
zum Ausdruck gebracht haben, noch einmal unterstreicht.
Ich werbe deswegen für eine geschlossene Mehrheit. Das
wäre ein klares Signal an unsere Verbündeten: Deutsch-
land steht zu seinen Verpflichtungen. Das wäre auch ein
klares Signal an den internationalen Terrorismus:
Deutschland ist entschlossen, Zivilisation und Demokra-
tie zu verteidigen. Dieses Signal wäre gut für unser Land.
Wir wollen mit dieser Entschließung ein gemeinsames
Fundament für die folgenschweren Entscheidungen
bauen, die im Parlament in den kommenden Wochen und
Monaten möglicherweise noch zu treffen sein werden.
Diese Entscheidungen sind es dann letztlich, die unseren
Mut und unsere Konsequenz auf eine große Probe stellen
werden. Deutschland muss bereit sein, den Kampf gegen
den Terrorismus an der Seite unserer Verbündeten auch
mit militärischen Mitteln zu führen, wenn die Amerikaner
geeignete Verbände der Bundeswehr anfordern. Wir alle
wissen, dass der Einsatz für unsere Soldaten gefährlich
ist. In Kenntnis dieser Gefahr müssen wir dennoch so ent-
scheiden, wie unsere Pflicht, unsere Bündnissolidarität
und auch unsere Überzeugung uns das abverlangen.
Die Bürger erwarten von ihrer Regierung und ihrem
Parlament einen klaren und festen Kurs. Wir alle sind
Amerikaner hat Peter Struck vor einer Woche hier ge-
sagt. Aber zwei Tage später hat sich der Regierende Bür-
germeister von Berlin, Wowereit, davon verabschiedet,
indem er gesagt hat, dass wir keine Stellvertreterkriege
führen dürfen und dass wir an der Seite der Vereinigten
Staaten eben nur Stellvertreter seien. Es gibt keine Stell-
vertreterkriege, wenn es um die Freiheit geht. Herr Bun-
deskanzler, ich appelliere an Sie, dass Sie auch in Ihre Par-
tei hineinwirken. Ich fand es genauso unangemessen, dass
eine führende SPD-Politikerin davon sprach, dass dieser
schießwütige Cowboy diesen Ausdruck sollten wir
tunlichst sein lassen wohl zur Vernunft gekommen sei.
Allein mit solchen Worten schafft man Stimmungen, die
nicht gut für unser Land sind.
Deutschlands Solidarität im westlichen Bündnis an der
Seite der ganzen zivilisierten Welt muss klar und eindeu-
tig sein. Ich zitiere jetzt eine Zeitung, die der Bundesre-
gierung nahe und der Opposition sehr wenig nahe steht,
nämlich die Süddeutsche Zeitung.
Sie schrieb am Wochenende: Selbst wenn sie wollte,
könnte die Bundeswehr nicht kämpfen. Solche Analysen
dürfen kein Vorwand für Deutschland sein, um kleinere
Lasten als andere schultern zu müssen. Wir müssen die
vorhandenen Möglichkeiten die Bundeswehr hat auch
ihre Stärken selbstverständlich zur Verfügung stellen.
Wir müssen aber etwas dafür tun die Haushaltsberatun-
gen stehen vor der Tür , um die Lage unserer Streitkräfte
nachhaltig zu verbessern. Hier geht es um unsere Freiheit
und um unsere Bündnissolidarität. Diese Solidarität kann
man nur erfüllen, wenn man die entsprechenden Mittel
hat.
Deutschland steht nach Bevölkerungszahl und Wirt-
schaftskraft im Bündnis der NATO an zweiter Stelle. Un-
ser Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit muss der Bedeu-
tung unseres Landes entsprechen. Deswegen müssen wir
den Auftrag und die Ausrüstung unserer Bundeswehr
der neuen Bedrohungslage anpassen, die sich übrigens
schon länger abzeichnet. Herr Bundeskanzler, ich appel-
liere an Sie das ist keine Sache des Finanzministers und
der Finanzpolitiker, wie immer gesagt wird; man kann da
auch nicht herumeicheln , dieses Problem durch ein
Machtwort von Ihnen zu lösen. Wenn dazu im Haushalt
Umschichtungen notwendig sind, um Prioritäten zuguns-
ten der Sicherheit zu setzen, dann können Sie mit uns da-
rüber reden. Wir werden diese Schwerpunktverlagerun-
gen, wenn es darauf ankommt, mittragen. Auch davor
werden wir uns nicht drücken, wenn wir damit unsere Si-
cherheit stärken können.
Die Anschläge in den Vereinigten Staaten stellen aber
auch dringende Fragen an die innere Sicherheit in
Deutschland, über die Herr Schily sicher gleich sprechen
wird. Wir müssen den Gefahren des Terrors entschlossen
begegnen. Ich begrüße, dass heute eine Sondersitzung des
Innenausschusses stattfindet, der sich ganz intensiv mit
der Bedrohungslage befasst. Dazu gehört auch ich hoffe,
Sie legen das im Innenausschuss dar , inwieweit unsere
Hilfskräfte, der Katastrophenschutz, das Technische
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001
Michael Glos
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Hilfswerk usw., in der Lage sind zu helfen, wenn ein Ter-
roranschlag bei uns passieren würde, wozu es ja sehr
leicht kommen kann. All das muss sorgfältig diskutiert
werden und wo Mittel fehlen, muss sehr schnell gehandelt
werden.
Dazu gehört aber auch, dass Bund und Länder immer
wieder Polizeikräfte in ausreichender Stärke mit moderns-
ter Ausrüstung zur Verfügung stellen. Deswegen muss
noch einmal überdacht werden, ob wir den Bundesgrenz-
schutz dauerhaft so reduzieren können, wie das geschehen
ist. Wenn die Polizei in ihren Aufgaben beim Kampf gegen
den Terror durch einen Einsatz von Soldaten in bestimm-
ten Fällen zum Beispiel für Wachaufgaben wirksam
entlastet werden kann, dann darf auch dies selbstverständ-
lich kein Tabu sein.
Der Bund und die Länder müssen auch die Nachrich-
tendienste wieder stärken. Wir dürfen an unserer Ent-
schlossenheit, jede terroristische oder extremistische
Gruppierung aufzudecken und lahm zu legen, keinen
Zweifel lassen. Der Terrorismus kann nur unschädlich ge-
macht werden, wenn seine Strukturen aufgespürt werden,
weltweit und ganz besonders auch bei uns in Deutschland.
Deswegen ist die Bundesregierung aufgefordert, für eine
bedrohungsgerechte Ausstattung des Bundesnachrichten-
dienstes Sorge zu tragen. Dort, wo es rechtliche Hürden
beim Austausch der Informationen zwischen den Sicher-
heitsdiensten gibt, müssen diese beseitigt werden. Die
Verfassungsschutzämter müssen ausgebaut werden
Stärkung, nicht Abbau ist das Gebot der Stunde.
Ich könnte jetzt eine lange Liste aus Zitaten zusam-
mentragen, wo sich führende Politiker der Koalition zur
inneren Sicherheit geäußert haben. Ich will dies nur bei-
spielhaft tun. Der Bundesumweltminister bezeichnete es
als Erfolg, dass er in Niedersachsen gemeinsam mit dem
damaligen Ministerpräsidenten Schröder den Verfas-
sungsschutz halbiert hat. Kerstin Müller sie hat vorhin
hier geredet hat sich im Handelsblatt vom 14. Ja-
nuar 1999 gegen eine Regelanfrage beim Verfassungs-
schutz bei Einbürgerungen gewandt, weil sie gegen einen
Gesinnungs-TÜV sei. Rezzo Schlauch, der heute nicht
redet, hat über den Verfassungsschutz gesagt: Zeitungs-
ausschnitte sammeln, daraus Dossiers anlegen, ... finde
ich überflüssig.
So könnte ich diese Liste fortführen. Ich glaube, es ist
dringend notwendig, dass diejenigen, die ich angeführt
habe, jetzt sagen: Wir haben uns geirrt, wir schlagen jetzt
einen anderen Weg ein.
Toleranz gibt sich selbst auf, wenn sie sich missbrauchen
lässt. Deswegen muss es bei uns heißen: Keine Chance für
die Feinde der Freiheit!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die abscheu-
liche Katastrophe verbindet sich für viele Landsleute mit
dem Schicksal von Angehörigen und Bekannten, die
seitdem vermisst sind. Die Solidarität mit den Vereinigten
Staaten im Bündnis muss deshalb gefestigt werden. Ich
hatte jedoch das Gefühl, sie ist bei unseren Mitbürgerin-
nen und Mitbürgern emotional gefestigt, weil sie das Ge-
fühl haben: Wir selbst sind getroffen. Deswegen kann die
Bundesrepublik Deutschland im Kampf gegen den inter-
nationalen Terrorismus nicht abseits stehen. Es geht nicht,
wie oft leichtsinnigerweise gesagt wird, um Vergeltung.
Es geht um unsere Freiheit. Es geht auch um die Toleranz
bei uns und um die Lebensqualität, um das, was unser Le-
ben reich und lebenswert macht. Das gilt auch für unsere
Kinder und für unsere Enkel sowie für alle Zukunft.
Wir gehen nicht blind durch die Gegend. Wir spüren
auch die großen Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mit-
bürger in Bezug auf das, was da kommen wird. Die größ-
ten Gefahren aber würde es geben, wenn eine solche Tat
ungestraft bliebe und die Helfer des Terrorismus nicht zur
Verantwortung gezogen würden. Deswegen sage ich:
Angst ist allemal ein schlechter Ratgeber. Das Beste, was
für ein sicheres Leben in Frieden und Freiheit getan wer-
den kann, ist, diesem Terror jetzt und für immer das Hand-
werk zu legen.
Ich möchte Winston Churchill zitieren, der in seinen
Memoiren geschrieben hat: Die Freude an schön klingen-
den Phrasen, das Zurückschrecken vor unerfreulichen
Tatsachen, der Wunsch nach Popularität ohne Rücksicht
auf lebenswichtige Staatsinteressen sind gefährlich für ein
Land. Er hat gesagt, Hitler sei nur so stark geworden,
weil die Demokratien lange nicht eingesehen hätten, dass
er unter großen Opfern besiegt werden müsse.
Deswegen appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns
gemeinsam die Lehre der Geschichte beherzigen. Mit
Stärke und mit Standhaftigkeit werden wir auch den Ter-
rorismus in die Schranken weisen.