Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so bes chlos sen.Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen mit der Überschrift „Stand: 30. 5. 1978" vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Betr.: Entschließung des •Europäischen Parlaments zurRechtspolitik der Europäischen Gemeinschaften
zuständig:RechtsausschußBetr.:Entschließung des Europäischen Parlaments zu derRegionalpolitik der Gemeinschaft und der Beteiligung des Fonds ab 1. Januar 1978
zuständig:Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen HaushaltsausschußBetr.:Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigenAusgaben im 1. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1978Bezug: § 37 Abs. 4 BHO
zuständig: - HaushaltsausschußErhebt sich gegen die vorgesehenen Überweisungen Widerspruch? — Auch das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß entsprechend beschlossen ist.Dann habe ich dem Haus noch mitzuteilen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung um die Eidesleistung des Bundesministers des Innern ergänzt werden soll. Dieser Punkt der Tagesordnung soll nach der Fragestunde aufgerufen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß die Tagesordnung um diesen Zusatzpunkt ergänzt worden ist und daß der Punkt nach der Fragestunde aufgerufen werden wird.Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 2 auf:a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Einundzwanzigsten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus der gesetzlichenRentenversicherung sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte
— Drucksachen 8/1601, 8/1734 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/1854 —Berichterstatter: AbgeordneterPrinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteinbb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 8/1842 — Berichterstatter:Abgeordneter FrankeAbgeordneter GlombigAbgeordneter Schmidt
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Franke, Dr. Zimmermann, Dr. Ritz, Röhner, Lemmrich, Katzer, Dr. Jenninger, Braun, Zink, Höpfinger, Frau Krone-Appuhn, Kiechle, Hasinger, Schedl, Müller , Müller (Berlin), Dr. Blüm, Frau Karwatzki, Dr. Voss, Dr. George, Stutzer, Köster, Krampe, Frau Hürland, Frau Schleicher, Dr. Jobst, Kraus, Dr. Hammans, Ziegler, Glos, Biehle, Dr. Schäuble, Dr. Wörner, Spranger, Dr. Althammer, Engelsberger, Dr. Rose, Frau Dr. Neumeister, Wawrzik, Link, Neuhaus, Vogt (Düren), Dr. Riedl (München), Dr. Laufs, Dr. Becker (Frankfurt), Gerlach (Obernau), Hartmann, Dr. Probst, Dr. Becher (Pullach), Dr. Möller, Lintner, Regenspurger, Breidbach, Susset, Dr. Stavenhagen, Bühler (Bruchsal), Josten, Schmidhuber, Dr. Wittmann (München) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Reichsversicherungsordnung, des Ange-
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7452 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Präsident Carstensstelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes— Drucksache 8/1087 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/1855 — Berichterstatter:Abgeordneter Grobeckerbb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung— Drucksache 8/1842 — Berichterstatter:Abgeordneter Franke Abgeordneter GlombigAbgeordneter Schmidt
Ich rufe ferner den Tagesordnungspunkt 3 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
— Drucksache 8/1735 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der GeschäftsordnungDrucksache 8/1856 —Berichterstatter: AbgeordneterPrinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohensteinb) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache 8/1843 — Berichterstatter:Abgeordneter FrankeAbgeordneter GlombigAbgeordneter Schmidt
Im Ältestenrat ist eine verbundene Debatte vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter wollte ich nicht das Wort nehmen. Trotzdem möchte ich eine Bemerkung zum Bericht machen. Es handelt sich um eine Korrektur. Auf dem Deckblatt von Drucksache 8/1843 unter Buchstabe C — Alternativen —, der die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion enthält, hat sich unter Ziffer 3 ein Fehler eingeschlichen. Statt „Anhebung des Schadensausgleichs für Witwen auf 55 v. H. des Vergleichseinkommens." muß es richtig heißen: „Erhöhung des Ableitungsverhältnisses beim Schadensausgleich für Witwen auf 55 v. H. und Anhebung der Ausgleichsquote auf 50 v. H. des Vergleichseinkommens."Ich hoffe, daß das genügt, um die Korrektur anzubringen.Die Fraktionen von SPD und FDP haben die Möglichkeit, gemeinsam etwas zu regeln, im Rahmen des 21. Rentenanpassungsgesetzes nicht genutzt. Ich glaube, das ist der Sache nicht dienlich und auch für die Betroffenen — worüber wir uns heute sicherlich noch auseinandersetzen werden — nicht besonders günstig. Ich hoffe sehr, daß es uns gelingt, bei den Fragen, die wir am Ende dieser Legislaturperiode vielleicht noch anzusprechen haben und die die Kollegen oder wir, falls wir alle wiederkommen, für 1984 zu regeln haben, Gemeinsamkeit herzustellen. Sie ist in der Sozialpolitik einfach notwendig, denn große sozialpolitische Reformen kann man nicht gegen 50 O/o der Bevölkerung und 50 % der hier vertretenen Parteien einführen.
Ich hoffe sehr, daß die politische Vernunft bei Ihnen,SPD und FDP, Einzug hält und daß wir das alsGrundlage für künftige Beratungen sehen können.Ich bedaure noch einmal, daß es nicht gelungen ist, im Rahmen der Beratungen des 20. und des 21. Rentenanpassungsgesetzes früher vorhandene Gemeinsamkeiten, die z. B. die SPD auf dem Altar der Koalition opfern mußte, wiederherzustellen.SPD und FDP haben trotz der Mahnungen fast aller Sachverständiger, die wir im April gehört haben, trotz der Mahnungen der Gewerkschaften, der Kriegsopferverbände, der Wissenschaftler und trotz der Mahnungen der CDU/CSU ihre zwischen SPD und FDP beschlossene Systemänderung im sozialen Rentenrecht im Ausschuß durchgepeitscht. Wie zu befürchten ist, werden sie die Änderung auch hier heute durchpeitschen, ohne den Gründen der politischen Vernunft und der sozialen Gerechtigkeit nachzugehen. Wir bedauern das außerordentlich.
SPD und FDP demontieren die größte soziale Reform, die seit Kriegsende in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen worden ist,
und sie senken, ja, sie kürzen Einnahmen für alle Rentnerhaushalte. Ihnen von der SPD und der FDP ist es gleichgültig, daß Rentner mit geringem Renteneinkommen von dieser Ihrer sogenannten Sanierung gleichfalls so betroffen werden wie Rentner mit hohem Renteneinkommen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7453
FrankeIhnen, SPD und FDP, scheint es gleichgültig zu sein, daß die von Ihnen jetzt beschlossenen Maßnahmen dazu führen, daß viele Rentner künftig zusätzlich Sozialhilfe zum Lebensunterhalt beantragen müssen. Sie alle scheren mit Ihren Maßnahmen alle Rentner über einen Kamm.
— Das ist die sozialistische Heckenschere.
Auch die Tatsache, daß 47,8 v. H. der Arbeiterwitwen und 25,2 v. H. der Angestelltenwitwen monatlich weniger als 480 DM Rente erhalten und damit in die Nähe des Sozialhilfeanspruchs geraten, scheint Sie nicht zu stören.
Daß Sie auf die Träger der Sozialhilfe — dafür tragen Sie hier eine unmittelbare politische Verantwortung — Milliardenlasten im Laufe der nächsten Jahre verlagern, wissen Sie genauso gut wie wir, aber es kümmert Sie nicht; Sie wollen hier Ihre Renten sanieren, die Sie in den Teich gefahren haben.
Die Kosten, die hier für die Träger der Sozialhilfe entstehen — ich wiederhole es —, werden in den Gemeindehaushalten letztlich Milliardenbeträge erfordern, um den Anspruch der Bürger unseres Landes auf möglichst gute Lebenswohlfahrt finanzieren zu können.Es scheint Sie, FDP und SPD, nicht zu stören, daß die Renten ab 1981 für alle Rentenbezieher — unter Einschluß der Regelungen des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes — um ca. 9% geringer werden. Das sind bei einer Rente von 1 000 DM monatlich 90 DM weniger. Die Rentner werden — ich habe es eben schon gesagt — durch diese Ihre Maßnahmen zu einem großen Teil zu Sozialhilfeempfängern gestempelt.Das wäre nicht eingetreten, wenn Sie unserem Antrag, dem Antrag der Kriegsopferverbände, der Sozialverbände, der Gewerkschaften nachgekommen wären, die bruttolohnbezogene Rente zu erhalten. Sie waren uneinsichtig.Es ist richtig: Wir hatten beantragt, an Stelle der von Ihnen vorgeschlagenen pauschalierten, für drei Jahre festgesetzten Rentenminderung einen sozial gestaffelten Krankenversicherungsbeitrag der Rentner einzuführen. Das ist von Ihnen abgelehnt worden. Es ist richtig, meine Damen und Herren, daß unser Krankenversicherungsbeitrag der Rentner die von der SPD und FDP verschuldete und errechnete fehlende Summe in der Rentenversicherung von 33 Milliarden DM bis 1982 nicht gedeckt hätte.
Unsere Vorschläge hätten „nur" — das ist schon genug — eine Belastung für die Rentner gebracht, die etwa zwei Drittel der Belastung ausmacht, die sich aus den Vorschlägen von SPD und FDP ergibt. Aber Sie von SPD und FDP haben unseren Grundantrag auf Beibehaltung der bruttolohnbezogenen Rente abgelehnt.Folglich konnten unsere anderen Forderungen nicht realisiert werden; denn leider — für unsere Bürger draußen — haben SPD und FDP zur Zeit hier im Deutschen Bundestag noch die Mehrheit, wenn auch knapp.
— Ich sagte „noch".Das von der Regierung errechnete Defizit in der Rentenversicherung kann nicht nur durch die Belastung von Rentnern und später von Beitragszahlern gedeckt werden. Es ist auch falsch, wenn Herr Ehrenberg uns unterstellt, wir würden den Rentnern enorme Krankenversicherungsbeiträge abnehmen. Ich wiederhole: Die durch unsere Vorschläge vorgesehene Belastung der Rentner macht nur zwei Drittel der Belastung aus, die den Rentnern aus den Vorschlägen der Regierung entstehenNun sagen Sie von SPD und FDP, das würde die von Ihnen verschuldete und errechnete Finanzlücke nicht schließen. Das stimmt. Aber Ihre Vorschläge werden auch nicht zu einer Sanierung der Rentenfinanzen beitragen, meine Damen und Herren.
Ihre Annahmen, die Sie im Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz und im Einundzwanzigsten Rentenanpassungbericht getroffen haben, sind falsch oder ungenügend. Sie gehen davon aus, daß es im Jahre 1978 eine Entgeltsteigerung von 5,5 % geben wird. Es ist heute schon zu sehen, daß das nicht erreicht wird. Diese Steigerung wird eher bei 5 °/o als bei 5,5 °/o liegen. Sie gehen davon aus, daß es im nächsten Jahr eine Entgeltsteigerung von 6 % und in den darauf folgenden Jahren eine Entgeltsteigerung in Höhe von 6,2 % geben wird. Ich glaube, diese Ihre Annahme ist falsch, wie auch die meisten Sachverständigen, die hier besonders Sachverständigen, z. B. die Deutsche Bundesbank oder die Vertreter des Sozialbeirats, in der Sachverständigenanhörung Mitte April im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung gesagt haben. Sie glauben nicht daran, daß die wirtschaftliche Entwicklung, die Sie unterstellen, stattfinden wird und folglich auch die Entgeltsteigerung, die Sie unterstellen, nicht erreicht wird.Was hat das für eine Bedeutung? Wenn die Entgeltsteigerung um 1 °/o geringer als angenommen ist, bedeutet das für die nächsten Jahre, für den Sanierungszeitraum, den Sie hier angesprochen haben, eine Mindereinnahme der Rentenversicherung von etwa 15 Milliarden DM. Ich wiederhole: SPD und FDP haben jetzt errechnet, daß für die nächsten Jahre bis 1982 etwa 33 Milliarden DM fehlen. Gerät die Entgeltsteigerung um 1 % geringer als geschätzt, fehlen noch einmal 15 Milliarden DM, und leider ist zu befürchten, daß die Sachverständigen und nicht Sie Recht behalten. Die Folge sind wiederum 1 Million Arbeitslose. Trotz der Regelung zum 1. Juli 1978 aber bedeuten Arbeitslose auch weiterhin weniger Beitragseinnahmen. 1 Million Arbeitslose führen also zu weniger Beitragszahlern, geringerer Entgeltsteigerung, und dann haben wir die Schwierigkeiten in der Rentenversicherung noch nicht behoben.
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7454 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
FrankeAllerdings haben Sie von der SPD und der FDP das so angelegt, daß die Sanierungsmaßnahmen erst nach 1980 eintreten müssen. Man muß sich fragen, wieso Sie das Jahr 1980 gewählt haben, warum Sie den Bürger erst 1980 mit der Wahrheit, die wir hier heute schon auf den Tisch legen, mit der harten Wirklichkeit konfrontieren wollen.
Sie können darüber nachdenken. Für den Bürger draußen, der es nicht mehr ganz so präsent haben sollte, heißt das: Im Jahre 1980 sind wieder Wahlen, und leider ist zu befürchten, daß vor dem Wahltag 1980 wieder die „Problemchen hochgestellt" werden, wie es der Herr Bundeskanzler vor 'der Bundestagswahl 1976 gesagt hat.
Die Ursache dieser Schwierigkeiten, die wir in der Rentenversicherung haben, ist eine mangelnde binnenwirtschaftliche Nachfrage.
Es ist falsch, wie von Ihnen immer wieder behauptet wird — Herr Ehrenberg, seit dem 8. Februar, als wir mit Herrn Professor Meinhold ein Fernsehgespräch geführt haben, behaupten Sie es allerdings nicht mehr so oft —, die Außenwirtschaft hierfür verantwortlich machen zu wollen. Die Außenwirtschaft hat ihren Beitrag geleistet. Die binnenwirtschaftlichen Schwierigkeiten müssen wir beseitigen. Wir, Sie, Regierung und Bundestag, müssen die Wachstumshemmnisse beseitigen.Lassen Sie mich einmal zwei Beispiele nennen. Ich entnehme einer Wochenzeitung, die mehr für Sie, hin und wieder aber auch gegen Sie, aber meistens gegen uns, jedenfalls nicht für uns schreibt, — ich nenne keinen Namen —: 1966 wurde von einem Einfamilienhausbauer erwartet, daß er für ,den Bauantrag 55 Gesetze und Verordnungen beachtet. Heute, im Jahre 1978, muß er etwa 250 gesetzliche Bestimmungen und Verordnungen beachten, ehe er überhaupt die Möglichkeit erhält, sein Eigenheim bauen zu können.
Wieviel schwieriger muß es dann sein — das können wir hier auch vorlegen, ich will das aber jetzt nicht tun —, einen Industriebau, der Arbeitsplätze schafft, genehmigt zu bekommen! Wenn die Genehmigung eintrifft, haben die Japaner längst die Lücke auf dem Weltmarkt entdeckt und durch schnellen Bau befriedigt.
Das sind die Schwierigkeiten, nur an diesem Beispiel dargestellt, die die mangelnden binnenwirtschaftlichen Nachfragekräfte induzieren.Vor kurzem war ich mit Helmut Kohl bei einer großen Firma in Berlin, und wir haben dort viele Gespräche mit den Arbeitnehmern geführt. Die Betriebsräte haben Helmut Kohl und mich darauf hingewiesen, daß hinten in der Halle viele Sachen lagerten, die einfach nicht abgerufen werden konnten, weil z. B. die Einsprüche, die ungenauen Bestimmungen, die Sie gesetzlich erlassen haben, den Bau eines konventionellen Kraftwerks scheitern ließen. So können diese dort lagernden Güter im Wert von 40 Millionen DM keine zusätzlichen Arbeitsplätze mobilisieren, •und demzufolge müssen einige hundert Menschen Kurzarbeit leisten. Wenn Sie nach den Ursachen der Schwierigkeiten in der Rentenversicherung fragen, müssen Sie auf diese Punkte kommen; denn das sind die wahren Ursachen der Schwierigkeiten, der Misere in der Rentenversicherung.
Oder ich berufe mich auf das, was der vor einiger Zeit neu ins Amt berufene Wirtschaftsminister Lambsdorff bzw. sein Haus einmal gesagt hat: etwa 50, 60 oder 70 Milliarden DM Investitionsstau in der Bundesrepublik Deutschland.
Dazu müssen Sie einmal die Konjunkturprogramme zum Induzieren der Nachfrage in der Binnenwirtschaft ins Verhältnis setzen, die Sie von der Regierung aufgelegt haben; ich glaube, es waren insgesamt 32 Milliarden DM. Mit anderen Worten, wenn diese 50 oder 60 oder 70 Milliarden DM unmittelbar als Nachfrage auftreten würden, so hätten Sie auf einen Schlag 800 000 Arbeitslose weniger und 800 000 Steuerzahler und Beitragszahler für die Rentenversicherung mehr. Hier liegt die Ursache der Schwierigkeiten!
Weil Sie die Mehrheit hier im Hause haben, müssen Sie die Ursache der Schwierigkeiten beseitigen. Und auch einem stellvertretenden Vorsitzenden einer großen Gewerkschaft müßten doch mindestens die Binsenweisheiten volkswirtschaftlicher Kenntnis mit in dieses hohe Amt gegeben worden sein, also kann er nicht den Kopf schütteln; ich werde einmal bei den Arbeitnehmern der IG Chemie nachfragen, ob das, was ich hier gerade gesagt habe, zutrifft.
Sie haben die Mehrheit! Sie wollten die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft ausprobieren!
Erreicht haben Sie Schwierigkeiten in der Rentenversicherung und hohe Arbeitslosigkeit. Meine Damen und Herren, dann, wenn die Ursache nicht beseitigt wird, werden wir bald über neue Sanierungsmaßnahmen sprechen müssen.Nun haben Sie Ihr Gesetz so angelegt — ich wiederhole es —, daß die negativsten Wirkungen erst nach 1980 — bei den Rentnern allerdings schon etwas früher — eintreten, also - ich wiederhole auch das — nach der nächsten Bundestagswahl. Die Regelung z. B. des individualisierten Krankenversicherungsbeitrages erfolgt erst nach 1980. Meine Freunde und ich werden im Laufe der Debatte darauf noch zurückkommen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7455
FrankeDie Ursache der Schwierigkeiten ist die verfehlte Wirtschaftspolitik von SPD und FDP. Noch einige Beispiele: 1973 führten Sie in der Bundesrepublik Deutschland eine Investitionssteuer von 11 % ein. Wer erinnert sich nicht daran? 1974/75 führten Sie eine Investitionsprämie von 7,5 % ein, um das zu kompensieren, was Sie vorher an politischer Fehlentscheidung geleistet hatten. Die Folge war: weniger Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland; Sachverständige schätzen die dadurch nicht erreichten Investitionen auf etwa 200 Milliarden DM.Meine Damen und Herren, die Folge dieser Schwierigkeiten sind eine hohe Arbeitslosigkeit und die nicht ausreichende Bekämpfung der Inflation, und die Folge der hohen Arbeitslosigkeit sind mangelnde Beiträge in der Rentenversicherung.
Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu der hier von mir aufgestellten Behauptung machen, daß die Inflation und die Arbeitslosenquote für diese Schwierigkeiten verantwortlich sind. 1969 hatten wir einen Inflationsindex von 1,9 %, 1972 von 5,5 %, 1974 von 7 % und 1976 von 4,5 %. Diese Inflation hat unsere Wettbewerbsfähigkeit behindert, oder anders ausgedrückt: das hatte zur Folge, daß sich aus Inflation Arbeitslosigkeit ergab.1966 hatten wir eine Arbeitslosenquote von 0,7 %, das sind, meine Damen und Herren, durchschnittlich im Jahr 161 000 Arbeitslose.
Im Jahre 1967 — in einem Jahr, das von Ihnen in der Diskussion oft als ein Krisenjahr bezeichnet wird — hatten wir eine Arbeitslosenquote von 2,1 %, d. h. 459 000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt.
Wer hat es noch im Ohr? Wer hat damals davon gesprochen, daß die, die das verursacht haben, ins Gefängnis gehören?
Oder wer war es, der hier gesagt hat: lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit? Das 5 % Inflation letztlich 5 % Arbeitslosigkeit als Ergebnis bringen, weiß jeder, auch wenn er nicht einmal Volkswirtschaft studiert hat; aber unser Weltökonom Schmidt, der hat das gesagt, meine Damen und Herren!
Ich sehe ihn immer noch, wie er sich — um mit Helmut Kohl zu sprechen — hier in der letzten Woche selbst auf die Schultern klopfte. Ich habe mir einmal herausgeschrieben, was er da gesagt hat: „Ihr werdet am Montag schon schön dumm aus der Wäsche gucken." — Ich habe ihn noch gar nicht gesehen, er nimmt an einer solch wichtigen Debatte hier gar nicht teil, der Herr Kanzler.
Um welche Frage geht es hier? Herr Wehner, kommen Sie mir nicht wieder mit einem Zettel!
Ich hoffe, daß wir darauf nicht zu sprechen kommen müssen.Meine Damen und Herren, der Kanzler, der das als „Problemehen" bezeichnet hat und der dann plötzlich eine Phase des Irrtums bekannt hat, hat sich in der letzten Woche selber hier als der große Staatsmann herausgestellt. Er hat anderen Staatsmännern, vor allem dem amerikanischen Präsidenten, mit erhobenem Zeigefinger Ratschläge über ökonomische Zusammenhänge erteilt. Aber er hat sich hier zu Hause geirrt.Der Kanzler hat 1976 die Lage falsch eingeschätzt, er, der Herr Okonom und Kanzler Schmidt. Er hat noch bis in die letzten Tage vor der Bundestagswahl all die Zahlen geleugnet, die hier seit Jahren in der Debatte gestanden haben. Ich glaube nicht an einen Irrtum. Ich will das vorsichtig formulieren. Ich glaube an das, was Helmut Kohl hier in der letzten Woche richtig qualifiziert hat, was er gemeint hat: daß hier eine Täuschung stattgefunden hat.
Meine Damen und Herren, unter dieser Täuschung und vor dem Hintergrund der nicht früh genug vorgenommenen Handlung haben heute 9 Millionen Rentner und demnächst 22 Millionen Beitragszahler zu leiden. Diese Regierung hat nicht den Mut zum frühzeitigen Handeln gehabt.
Wie ist der Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit? Ich wiederhole die Zahlen: 1966 0,7 %, 1967 2,1 %, 1971 0,8 %. Dann geht es rapide aufwärts: 1973 1,2 %, 1975 4,7 %, 1976 4,6 %, 1977 4,4 %, in diesem Jahr jahresdurchschnittlich wahrscheinlich 4,5 %. Das sind 1,4 bzw. 1,6 Millionen Beitragszahler weniger; denn in dieser Statistik sind viele nicht aufgeführt, die den Arbeitsmarkt inzwischen verlassen haben.Eine weitere Ursache: die Verschuldung der öffentlichen Hände. Allein der Bund hatte im Dezember 1977 151 Milliarden DM Schulden. Ich will Ihnen nur einmal einen Vergleich geben: In 20 Jahren CDU/ CSU-Regierung waren es insgesamt 14,5 Milliarden DM Nettokreditaufnahme. Das macht Herr Apel oder sein Nachfolger Matthöfer in einem halben Jahr, oder in vier Monaten bringen die das fertig. Allein der Bund hatte also im Dezember 1977 151 Milliarden DM Schulden. Im März 1978 waren es 160 Milliarden DM. In diesem Jahr wird es noch einmal 30 Milliarden DM Nettokreditaufnahme geben. So kommen wir also auf 180 Milliarden DM Nettokreditaufnahme durch den Bund.Bund, Länder und Gemeinden werden am Jahresende 1978 etwa 400 Milliarden DM Schulden haben. Jede zweite Mark, die neu aufgenommen wird, muß dazu verwendet werden, die alten Schulden abzutragen.
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7456 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
FrankeHier wird die Vorstellung von Keynes gar nicht berücksichtigt; das „deficit spending" findet gar nicht statt. Man braucht nämlich das Geld, um die alten Schulden zurückzuzahlen. Man schafft damit keine zusätzliche Nachfrage am Binnenmarkt.
Das Ergebnis sind Arbeitslosigkeit, weniger binnenwirtschaftliche Nachfrage und weniger Beitragszahler in der Rentenversicherung. Und das ist die Ursache der Misere in der Rentenversicherung.
Meine Damen und Herren, die FDP hat das alles mitgemacht. Dies zu sagen, kann ich Ihnen leider nicht ersparen.
— Freie Demokratische Partei. Sie nennt sich „die Liberalen in unserem Land".
— Herr Hoppe, ich meine Sie nicht persönlich. Entschuldigen Sie! Aber Sie sind der amtierende Vorsitzende. Ich habe immer behauptet, hier — bei der CDU/CSU — säßen die Liberalen. Ich bestreite nicht, daß das bei Ihnen — der FDP — auch der Fall wäre. Nur können Sie sich bei Ihrem Partner nicht durchsetzen. Denn diese wirtschaftspolitische, finanzpolitische, steuerpolitische Misere, wie wir sie haben und die auf die Rentenversicherung durchschlägt, haben Sie mitzuverantworten.
Die FDP hat beim 20. RAG und beim KVKG systemfremde Lösungen zugelassen und, damit den SPD-Vorstellungen ungehemmten Durchfluß erlaubt. Lassen Sie mich eine Klammerbemerkung machen: Dafür haben Sie jetzt übrigens u. a. auch von den Wählern die Quittung bekommen.
Man muß sich den Kopf über die Ursache zerbrechen. Hamburg! — Sie verstehen, ich als Niedersache nenne natürlich zuerst Hamburg. Es ist auch wirklich Hamburg, welches das Zeichen für die FDP darstellt. Im Vollzug von Hamburg haben Sie für die Profillosigkeit Ihrer Politik, die Sie auf dem Altar der SPD-Systemveränderer opfern mußten,
jetzt vom Wähler, vom Souverän unseres Volkes, die Quittung bekommen. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen damit etwas helfen kann, ob ich Ihnen damit etwas Neues sage. Aber ich glaube, es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken und sich von Ihren Fachleuten— oder nehmen Sie andere; ich meine nicht aus unserer Fraktion, sondern wirklich „objektive" Fachleute — beraten zu lassen. Denken Sie einmal darüber nach, was beim 20. Rentenanpassungsgesetz und beim sogenannten KVKG — „Kostenverschiebungsgesetz — des letzten Jahres an systemfremden Einflüssen gelungen ist und deshalb unter anderem Wähler aus diesen Kreisen Ihnen in Scharen davongelaufen sind. Ich wiederhole und behaupte, Siehaben das alles mitgemacht und müssen das mitverantworten.
Herr Kollege Hoppe, Sie sind der Amtierende. Ich meine das nicht persönlich. Ich wiederhole noch einmal: Sie müssen darüber nachdenken, ob Sie die Regelung im 21. Rentenanpassungsgesetz mitmachen können, wo Sie die Frage der freiwillig Versicherten einfach bedingungslos so durchlaufen lassen.Was hat es mit der Frage der freiwillig Versicherten auf sich? Durch die Änderung des Rentenreformgesetzes von 1972 haben wir eine Menge Neuaufnahmen in die Rentenversicherung gehabt, nicht nur Selbständige, sondern auch Hausfrauen. Das war damals eine Absicht. Wir haben ihnen ganz bestimmte Bedingungen gestellt. Das haben wir einstimmig hier im Deutschen Bundestag verabschiedet. Die freiwillig Versicherten gehören auch zu Gruppierungen, die Ihre Partei wählen. Weil jetzt auf 'einmal die von der Bundesregierung verschuldete Finanzmisere da ist, ändern Sie die Bedingungen und sagen: „Wir haben uns geirrt. Jetzt brauchen wir mehr Geld von euch Wählern. Wir brauchen die Kontinuität der Beitragszahlung, damit ihr die Solidarleistung der Rentenversicherten in Anspruch nehmen könnt."Darüber kann man diskutieren, auch mit mir. Wenn man Solidarleistungen einer Versichertengemeinschaft in Anspruch nimmt, muß man dann auch die gleichen Pflichten und Rechte einsetzen. Nur haben wir das damals alle zusammen hier ganz bewußt ausgeklammert und haben gesagt: Wir wollen sie auch unter diesen veränderten Bedingungen hereinnehmen. Jetzt auf einmal sagen Sie: „Ätsch, wir haben uns geirrt. Jetzt müßt ihr ändere Bedingungen annehmen." Verstehen Sie, die Verdrossenheit der Bürger, der Enttäuschten, der Betrogenen — darf ich das einmal so sagen? — drückt sich dann in der Stimmabgabe bei Landtagswahlen aus. Sie haben den Preis mit zu bezahlen.
Rätseln Sie nicht darüber nach. Versuchen Sie nicht, die Gründe bei anderen Dingen zu suchen. Hier liegen sie begründet. In Hunderten von Versammlungen ist mir das immer auch von Wählern bestätigt worden, die die FDP wählen. Das hat jetzt mit Schadenfreude oder Häme nichts zu tun. Ich bitte, das wirklich ernsthaft zu beachten.
— Sie nicht. Aber mit Ihnen rede ich im Augenblick nicht. Auf Sie komme ich gleich noch zu sprechen, meine Damen und Herren.
Ich unterhalte mich mit den Kollegen der FDP. Das muß ja in diesem Bundestag noch erlaubt sein.Sie haben gegen Grundsätze freiheitlicher, liberaler Politik verstoßen. Sie hätten die Kraft haben müssen, mit uns zusammen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — unser Angebot lag oft genug auf dem Tisch — diese systemfremden Einflüsse zu verhindern. Dann wäre manches Debakel verhindert worden, meine Damen und Herren von der FDP.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7457
FrankeAlso beim 20. RAG und KVKG hat die SPD regiert. Jetzt hat die FDP, was die Abschaffung der bruttolohnbezogenen Rente angeht, regiert. Die SPD hat 1957 der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente zugestimmt. Aber jetzt muß ,die SPD dem Anspruch der sozialen Demontage nachkommen. Obwohl alle Gewerkschaften und fast alle Sachverständigen — wer sich an Ihre Seite geworfen hat, will ich hier gar nicht nennen — die Lösungen, die SPD und FDP vorschlagen, ablehnen, stimmen auch die alten Gewerkschafter wie Walter Arendt — ich sehe ihn leider nicht —,
Adolf Schmidt, Hermann Rappe, der stellvertretende Vorsitzende der IG Chemie, und der Vorsitzzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen dieser unsozialen Lösung zu. Sie lassen sich davon nicht stören, daß die IG Metall in den Betrieben Unterschriften gegen die Abschaffung der bruttolohnbezogenen Rente sammelt. Sie stimmen zu, weil es irgendeiner befohlen hat. Hier gibt es kein Ausweichen. — Entschuldigung, Walter Arendt ist doch da; er saß hinter dem breiten Schopf von Herrn Ehmke.Ich unterstelle, daß Sie das nicht wollen, ich weiß, daß Sie das nicht wollen; aber Sie üben hier Disziplin gegenüber Ihrem Koalitionspartner, weil sonst die Koalition zusammenbrechen würde.
Nur, meine Damen und Herren, die Leidtragenden und diejenigen, die die Zeche bezahlen müssen, sind die Rentner und die Arbeitnehmer draußen. Das wollte ich Ihnen vorhalten.
Diese vier Gewerkschafter und Herr Glombig dazu würden ausreichen — wenn sie nachher mit uns stimmen würden —,
um die bruttolohnbezogene Rente zu erhalten. Diese Gelegenheit bekommen Sie.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronenberg?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Leider nicht, Herr Präsident. Ich habe nur 50 Minuten Redezeit, und ich bin schon etwas in Zeitverzug.
Meine Damen und Herren, damit wir auch sehen können, wie diese vier Gewerkschafter plus Herr Glombig nachher abstimmen, werden wir hier namentliche Abstimmung über die Erhaltung der bruttolohnbezogenen Rente beantragen. Dann müssen Sie sich halt bekennen.
Die Rentenversicherung soll also saniert werden. Nun müssen Sie mir allerdings noch einmal sagen, was die Frage der Kriegsopferversorgung und derAltershilfe für Landwirte, die bei dieser Gelegenheit geändert werden sollen, mit der Sanierung der Rentenversicherung zu tun hat. Das hat damit gar nichts zu tun. Die Kriegsopferversorgung wird aus dem Bundeshaushalt finanziert, aber die Kriegsopfer sollen auch hier die Zeche bezahlen.Auch hier schlägt natürlich die schlechte Finanz- und Wirtschaftspolitik durch. Während sich SPD und FDP in der Unfallversicherung unserem Hauptanliegen und den Einwänden der Sachverständigen angeschlossen haben, bleiben sie in der Kriegsopferversorgung und in der Altershilfe der Landwirte hartleibig und kassieren für die Bundeskasse. Kriegsopfer und ältere Landwirte haben mit der Rentenversicherung nichts zu tun; trotzdem werden diesen Personenkreisen Kürzungen auferlegt. Wir halten das für unsozial und lehnen das ab.
Die Bürger draußen fragen uns alle: Wie ist es denn zu diesen Finanzschwierigkeiten in der Rentenversicherung gekommen? Über die Ursachen auf der wirtschaftlichen Seite habe ich gesprochen. Auf die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, die Sie verursacht haben, habe ich schon hingewiesen. Aber es gibt noch einen anderen Faktor. Als im Jahre 1957 die bruttolohnbezogene Renten beschlossen wurde, stellte sich, aus seiner Sicht gesehen mit Recht, der damalige Abgeordnete Professor Schellenberg — ich muß noch hinzufügen; der von mir immer sehr geschätzte Abgeordnete Professor Schellenberg — ebenso wie der Abgeordnete Dr. Preller
—nein, das habe ich auch zu seiner Zeit ausgedrückt, als er noch hier war; das war ein sehr unbequemer Mann; Herr Egert, der konnte noch etwas —
hier hin und sagte: Es ist unsozial, wenn Sie im Rahmen der Regelung des Gesetzes die Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung für sachfremde Leistungen von 40 auf 31 % kürzen. — Das können Sie in den Protokollen des Deutschen Bundestages über die erste und zweite Lesung nachlesen. Ebenso äußerte sich Professor Preller. Aber, meine Damen und Herren, wie sieht das denn heute aus? Während 1957 bei der Einführung der bruttolohnbezogenen Rente noch etwa 32 °/o der Rentenausgaben durch Bundeszuschüsse mitfinanziert wurden und es 1967 immerhin noch 20 % waren, waren es 1977 nur 14 %. Bei einer Ausgabe von etwa 100 Milliarden DM und bei einem Defizit von 33 Milliarden DM in den nächsten Jahren können Sie sich ausrechnen: ein Heraufschleusen auf die alten Verpflichtungen — die sachfremden Leistungen machen immer noch 30 °/o aus — hätte schon jetzt das Defizit in der Rentenversicherung behoben. Man hätte also diese Kürzungen auf 14 % im Jahre 1977 nicht vornehmen dürfen. Aber auch wenn die Bundeszuschüsse bis 1981 auf 16,8 % der Rentenausgaben ansteigen werden, ist das nicht eine Kompensation der Forderungen, die Professor Schellenberg im Jahre 1957 hier aufgestellt hat. Sie stehlen sich also aus der Verantwortung.
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7458 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
FrankeNun kann man im Deutschen Bundestag nicht einmal beantragen, die Mittel aus der Bundeskasse wieder dazuzugeben, denn Ihre Kasse ist leer. Sie haben die Mittel so verwirtschaftet, daß man auch von daher nichts holen kann.
Also gehen Sie den einfachsten Weg: Sie kürzen die Leistungen für die Rentner und erhöhen die Beiträge für die Versicherten.
Wenn es demnach so ist, daß etwa 33 Milliarden DM fehlen, dann braucht die Regierung von SPD und FDP ja nur die Zuschüsse des Bundes auf den Stand von 1957 oder auf den Stand von 1967 zu bringen — und schon wäre das Defizit beseitigt. Das ist nicht möglich. Denn die schlechte Wirtschaftspolitik, die Sie zu verantworten haben, schlägt auch hier durch.Um ein anderes Stichwort aufzunehmen, das wir im Ausschuß beraten haben: „Bundesgarantie". Dieses Wort steht in § 1384 der Reichsversicherungsordnung. Das geht so weit, daß der Bund die Rentenversicherungsträger unterstützen muß, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Wir haben Sie bei der ersten Lesung und im Ausschuß aufgefordert, die Bundesgarantie, wie sie der § 1384 vorsieht, im Gesetz zu konkretisieren. Leider haben wir bis heute von Ihnen keine Initiative auf dem Tisch. Sie bräuchten diese gesetzliche Initiative hier nur durchzugeben.Die Rentenversicherungsträger — und das sind nicht irgendwelche anonymen Körperschaften, sondern sie setzen sich aus Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen —, insbesondere Gerd Muhr, der stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, haben am 10. Mai 1978 eine Konkretisierung der Bundesgarantie verlangt. Die Vertreter der Rentenversicherung befürchten, daß sie schon 1979 — in einem Jahr — in Liquiditätsschwierigkeiten kommen. Ohne eine Konkretisierung der Bundesgarantie wird die Abhängigkeit von politischer Willkür noch größer, als sie ohnehin schon ist.Weiter: Im Entwurf und im Ausschußergebnis ist von einer Risikoabsicherungsklausel die Rede. In § 17 des Entwurfs spricht die Bundesregierung von einer Risikoabsicherung. Auf gut deutsch heißt das: Wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht so, wie angenommen, abläuft, muß die Bundesregierung besondere Maßnahmen vorschlagen. Das können nur Leistungskürzungen bei den Rentnern oder Beitragserhöhungen bei den Versicherten oder Erhöhungen des Bundeszuschusses sein. Das letzte schließe ich aus, weil dort nichts mehr zu holen ist. Ich will hier nicht den Text des § 17 verlesen. Aber nicht einmal die 4 % / 4 %/ 4,5 % werden davon nicht tangiert und sind sicher. Die Bruttorente gibt es ab 1981 ohnehin nicht mehr. Sie ist zerstört und nicht wiederherstellbar, wie gestern die Vertreterversammlung der BfA festgestellt hat.Beitragserhöhungen: Die CDU/CSU lehnt Beitragserhöhungen ab. Für uns wäre es ein leichtes gewesen, Beitragserhöhungen und eine Erhöhung des Bundeszuschusses im Deutschen Bundestag zu beantragen. Jeder hätte das intellektuell verstanden. Es wäre für meine Freunde und mich draußen auch leichter zu argumentieren gewesen, wenn wir hier einfach gesagt hätten: Beiträge und Bundeszuschuß erhöhen! Dann hätten wir uns die komplizierte Auseinandersetzung draußen gar nicht an den Leib ziehen müssen. Nein; das wollten wir nicht verantworten.
— Gutgeheißen hätten das nicht viele. Nein; das wäre relativ leicht gewesen. Das wäre auch durchsetzbar gewesen. Aber wir wollten mit unserem Verhalten die Offentlichkeit auf die Ursachen der Schwierigkeiten hinweisen.
Mit solchen Anträgen und deren Verwirklichung hätten wir die Ursache der Schwierigkeiten immer noch nicht beseitigt. Und für die Arbeitnehmer — lassen Sie mich das einmal deutlich sagen — ist eine Beitragserhöhung nicht mehr zumutbar. Steuern und Sozialabgaben haben ein solches Maß an Belastung für die Arbeitnehmer gebracht, daß zusätzliche Belastungen nicht mehr verantwortet werden können.
Ohnehin ist in den nächsten Jahren eine stärkere Beitragsbelastung in der Krankenversicherung zu erwarten, wenn die Lastenverschiebung aus dem 20. Rentenanpassungsgesetz sich bei den Krankenversicherungsträgern auswirken.
Die Entlastung der Krankenversicherung ist im Augenblick sehr willkommen. Aber der Schein trügt. Im nächsten und im übernächsten Jahr werden dort wieder Beitragserhöhungen oder Beitragsstabilisierungen anstehen.Und wenn die uns bekanntgewordenen Zahlen stimmen, daß in der Arbeitslosenversicherung im Jahr 1979 4,1 Milliarden Defizit bei einem Etat von 18 Milliarden vorhanden sind, können Sie sich ausrechnen, wer, da aus der Bundeskasse nichts zu holen ist, dann diese Lasten zu tragen hat. Es sind die Arbeitnehmer und die Betriebe.Also können wir ihnen nicht noch eine Beitragserhöhung in der Rentenversicherung zumuten. Dann nämlich sagen die Arbeitnehmer draußen, es lohnt nicht mehr zu arbeiten. Denn unser Einkommen wird so sehr besteuert und durch Sozialabgaben belastet, daß wir eine zusätzliche Belastung nicht mehr ertragen können.Ein anderes Beispiel, Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung: So wie Sie es lösen, halten wir es für unpraktikabel. Vor allem für Haushalte mit mehreren Kindern wird die Teilzeitbeschäftigung nunmehr fast unmöglich gemacht. Das Handwerk beklagt, daß Teilzeitarbeit im Gebäudereinigerdienst schwierig und teurer wird. Aber hier gibt es auch — das gebe ich zu — andere Stim-
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Frankemen, auch aus Kreisen der Gebäudereiniger. Nicht einmal der Einstieg in eine eigenständige Alterssicherung der Frau ist hier zu erkennen. Dem Bäckerhandwerk oder dem Friseurhandwerk wird durch diese Lösung das Mobilisieren von Teilzeitkräften am Wochenende erschwert. Wir lehnen diese unpraktikable Lösung ab.Meine Damen und Herren, zur freiwilligen Versicherung habe ich im Rahmen der Auseinandersetzung mit der FDP schon etwas gesagt. Ich will darauf verweisen.Rentendynamik — lassen Sie mich zum Schluß kommen —: Den meisten Bürgern ist nicht bewußt, daß sich durch die Änderung der Rentendynamik — 4,5 °/o im Jahre 1979, jeweils 4 % in den Jahren 1980 und 1981 — die ab 1982 möglicherweise wieder einsetzende Bruttodynamik auf einem niedrigeren Sockel vollzieht. Der Kollege Müller aus Berlin hat ausgerechnet, daß der Sockel — die Maßnahmen des 20. Rentenanpassungsgesetzes mit berücksichtigt — um insgesamt 9 °/o niedriger läge.
In Zahlen ausgedrückt: Bei 1 000 DM bedeutet das immerhin 90 DM weniger pro Monat, und das fortschreitend, für unsere Rentner, deren Durchschnittsrente bei 40jähriger Versicherungszeit — auf das Jahr 1977 bezogen — bei 968 DM liegt. Also, meine Damen und Herren: Zusammen mit den Maßnahmen des letzten Jahres — ich wiederhole noch einmal das, was der Kollege Müller gestern gesagt hat — wird der Sockel um 9 °/o niedriger sein.Was ich an dieser Stelle schon mehrmals festgestellt habe, will ich heute noch einmal deutlich feststellen: Das was Sie — SPD und FDP — als Rentensanierung bezeichnen, beruht auf wirtschaftlichen Annahmen, die mehr als unsicher sind. Die Entwicklung der Einkommenssteigerungen —5,5 %, 6 % und 6,2 % —, die von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen, wird mit ziemlicher Sicherheit nicht eintreten. Das heißt: Wenn 1 % weniger Entgeltsteigerung zu verzeichnen ist, fehlen in dem von Ihnen genannten Sanierungszeitraum etwa 15 Milliarden DM in der Kasse mehr. CDU und CSU lehnen die Vorlage von SPD und FDP zum 21. Rentenanpassungsgesetz ab. Wir sind für die bruttolohnbezogene, dynamische Rente und wollen an der Demontage der größten Sozialreform — 1957 von der CDU/CSU eingeführt und bis heute in der Welt ohne Beispiel — nicht mitschuldig werden.
Weil SPD und FDP unfähig sind, die Einheit von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik wiederherzustellen, lehnen wir die Verantwortung für diese Politik ab. Jahrelang haben Sie unsere Mahnungen und Angebote ausgeschlagen. Sie können uns nicht zu Mitverantwortlichen für Ihre Politik machen. Meine Damen und Herren, es ist nicht möglich, daß Sie uns in die Verantwortung für Ihre Mißerfolge in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ziehen.Wir werden nachher namentliche Abstimmung beantragen, um Ihr Bekenntnis zur Erhaltung der bruttolohnbezogenen Rente kennenzulernen. Soziale Demontage, wie sie im 21. Rentenanpassungsgesetz vorgesehen ist, lehnen wir ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese erstaunliche Rede des Kollegen Franke
— ob sie gut war, mit der Beurteilung warten wir einmal einen Moment — endete, man möchte fast sagen, mit einer Drohung, nämlich der Ankündigung einer namentlichen Abstimmung im Hinblick auf die Frage der bruttolohnbezogenen Anpassung. Wir sehen dieser namentlichen Abstimmung mit großer Ruhe und Gelassenheit entgegen, einfach deswegen, weil diese erstaunliche Rede des Kollegen Franke in dritter, aber nicht verbesserter Auflage nichts Neues, aber überhaupt nichts Neues in der Sache gebracht hat.
Nachdem wir wochen- und monatelang miteinander diskutieren, beraten, können wir doch erwarten, daß uns wenigstens in der dritten Lesung eine echte Alternative vorgelegt wird. Statt dessen erlebten wir den kläglichen Versuch einer staatsmännischen Rede, die sich zu 90 % mit allen möglichen Themen, aber doch nicht mit dem Thema beschäftigt hat, das auf der Tagesordnung steht.
Das ist die Politik, die vor allem von Herrn Kollegen Franke betrieben wird; natürlich auch von Herrn Kohl, der hat sie ja zu verantworten. Aber Herr Kollege Franke versuchte, das auszuformulieren, was der Herr Kollege Kohl denkt.
— Ja, wir kommen schon noch dazu. — Wissen Sie, was das ist — und das sollte man mit aller Deutlichkeit sagen —? Das ist eine Politik der leeren Hände und des vollen Mundes.
— Der leeren Hände und des vollen Mundes.Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten die Stirn, in einer Frage von solcher Bedeutung — der Konsolidierung der Rentenfinanzen — vor dieses Hohe Haus zu treten und zu sagen: Mit unseren Vorschlägen decken wir den Konsolidierungsbedarf nur zu zwei Dritteln ab, und seht beim restlichen Drittel
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Glombigeinmal zu, wie ihr damit fertig werdet. Finden Sie das solide?
Offensichtlich ja. Sie schaffen das auch mit zwei Dritteln. Jedenfalls wollen Sie das den Rentnern und Versicherern einreden. Ich glaube, das ist längst durchschaut.
Ich meine, daß es sich zum großen Teil nicht lohnt, auf das einzugehen, was der Kollege Franke vorgetragen hat.
— Das ist gar nicht schwer. — Aber ich will die parlamentarischen Spielregeln nicht mißachten und will mich auf das beschränken, was zur Debatte steht. Deswegen will ich mit der Behauptung des Kollegen Franke beginnen,
daß diese Bundesregierung nicht den Mut gehabt habe, rechtzeitig zu handeln. Ich behaupte, daß wir zu jeder Zeit rechtzeitig und richtig gehandelt haben im Gegensatz zu Ihnen, die Sie ja auch die Möglichkeit gehabt hätten, entsprechende Alternativen vorzulegen, aber keine vorgelegt haben.
Und die zweite Behauptung, zu der ich Stellung nehmen möchte: Der Kollege Franke sagt, die Stimmenabgabe in Hamburg und Niedersachsen sei ein Ausdruck dessen, daß die Rentner betrogen worden seien. Wie wollen Sie eine solche Behauptung eigentlich mit dem überwältigenden Sieg der Sozialdemokraten in Hamburg in Einklang bringen?
Die Begründung für diese Behauptung sind Sie doch schuldig geblieben.
— Ja, ein überwältigender Wahlsieg der Sozialdemokraten in Hamburg. Das wollen Sie doch wohl nicht bestreiten. Und im übrigen: In Niedersachsen hat Ihr Stimmenanteil ja nicht zugenommen, sondern abgenommen. Ich gebe zu: Auch der Stimmenanteil der Sozialdemokraten hat nicht zugenommen.
Aber sinngemäß zu sagen, wir seinen die strahlenden Sieger — ich finde, da sollten wir etwas vorsichtig sein.
— Sinngemäß haben Sie das gesagt.
Die Rentner wissen:
Nach den Vorschlägen von Koalition und Bundesregierung werden mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz Rentenanpassungen von 4,5 % zum 1. Januar 1979, von 4 % zum 1. Januar 1980 und nochmals 4 % zum 1. Januar 1981 beschlossen. Was wissen die Rentner von den Vorstellungen der CDU/CSU? Nichts bis zum heutigen Tage. So ist es.Das bedeutet eine Rentensteigerung mit Zinseszins von 13 % in drei Jahren. Die Rentner nehmen damit weiterhin am wirtschaftlichen Wachstum teil. Die Renten steigen etwa in Höhe der voraussichtlichen Zunahme der verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer.
— Dann müssen wir es Ihnen immer wieder, jeden Tag, sagen, damit Sie es endlich begreifen!
Es kann doch nicht angehen, daß Sie mit allem, was Sie vorschlagen oder nicht vorschlagen, an der Sache, d. h. an dem Problem, vorbeigehen. Wir müssen dieses Problembewußtsein vor allem für Sie schaffen.Die Opposition hat dagegen — das haben Sie auch immer wieder gehört; das sollen Sie heute auch wieder hören — nur einen Konsolidierungsabschlag vorgeschlagen. Ihr sogenannter Krankenversicherungsbeitrag der Rentner hätte für den Rentner nicht mehr, sondern weniger Rentenzuwachs bedeutet. Auch das ist eine Tatsache.
— Genau das ist eine Tatsache, die von uns längst bewiesen ist und auch von Herrn Franke nicht entkräftet wurde.Da die Opposition keine Beitragssatzerhöhung vorgeschlagen hat — ich finde: mit sehr ominösen Begründungen hätte ihr einziger und einseitiger Vorschlag eines sogenannten Krankenversicherungsbeitrags der Rentner 8 % und mehr betragen müssen.
— Das ist eindeutig richtig. Sie fordern einen Konsolidierungsabschlag, und Sie wollen keine Erhöhung des Beitragssatzes. Das muß zwangsläufig zu einem höheren Krankenversicherungsbeitrag der Rentner führen, auch wenn Sie sagen, daß das übrige Drittel aus Mitteln des Bundeshaushalts abzugelten ist. Das ist doch völlig unrealistisch. Die Belastung der Rentner wäre also höher als nach den Regelungen des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes. Meine Damen und Herren, es ist Willkür, einen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner in ungewisser Höhe vorzuschlagen, statt wie die Koalition in verantwortlicher Entscheidung
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Glombigverminderte, aber doch feste Rentensteigerungen zu beschließen.
Dieser Vorschlag, Herr Kollege Hasinger, der Union ist sozial unausgewogen.Das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz sieht eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung um 0,5 % auf 18,5 % ab 1. Januar 1981 vor. Ein Arbeitnehmer, der monatlich 2 000 DM verdient, zahlt dann 5 DM mehr zur Rentenversicherung. Dies ist eine Regelung, die soziale Ausgewogenheit herstellt. Die Arbeitnehmer sind auch bereit, meinen wir zu wissen, diesen Beitrag zu zahlen, um den Generationenvertrag stabil zu halten. Sie wissen nämlich: Ein stabiler Generationenvertrag ist die Grundlage dafür, daß sie eines Tages ebenso zuverlässig ihre Rente erhalten.Der Vorschlag der Union ist, wie gesagt, finanziell nicht ausreichend. Der sogenannte Krankenversicherungsbeitrag der Rentner hätte allein das erforderliche Finanzvolumen von 32 Milliarden DM, um das es ja anerkanntermaßen geht, nicht decken können.
— Eben. „Und für den Rest Zigaretten" würde der Hamburger sagen, wenn er das nicht sollte. Die Opposition weiß also, wie wir hier eben hören, um die Unzulänglichkeit ihres Konzepts und hält trotzdem diesen unseriösen Vorschlag auch heute noch aufrecht.
Sie hat daher Hoffnungen auf arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Besserung in ihre Rechnung zur Entwicklung der Rentenfinanzen unbekümmert und oberflächlich als vermeintliche Aktivposten eingesetzt.
Sie unterstellt, bei einer Wirtschaftspolitik nach Unionsart würden schon genügend Brosamen für die Sozialpolitik abfallen.
Ich sage noch einmal: Eine solche Politik ist unsolide.Unsolide ist auch, meine Damen und Herren, daß gerade die Opposition die rechnerische Lücke ihres Konzepts, die ein Drittel des notwendigen Finanzierungsvolumens ausmacht, aus dem Bundeshaushalt finanzieren will. Lassen Sie mich noch einmal auf dieses Argument eingehen. Gleichzeitig redet die Opposition von Steuererleichterungen und, wie wir hier wieder gehört haben, vom Abbau der Verschuldung der öffentlichen Hand. Andererseits will sie das wirtschaftliche Wachstum ankurbeln, nicht zuletzt mit öffentlichen Mitteln, und sie will sogenannte investitionshemmende Maßnahmen abbauen. Ich hatte hier zeitweilig den Eindruck, als wolle Herr Kollege Franke wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion werden, wenngleich ich auf der anderen Seite den Eindruck habe, daß schon seine Position als sozialpolitischer Sprecher umstritten ist. Jedenfalls war das, was hier zur Wirtschaftspolitik gesagt worden ist, so meine ich, nicht gelungen.
Die Opposition weicht in leere Versprechungen, bloße Hoffnungen und widersprüchliche Forderungen aus. Nach dem Motto „Auf diese Weise sind wir schon beim Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz über die Runden gekommen" nimmt die Opposition ihre Verantwortung für die Rentenversicherung und vor den Rentnern, wie ich meine, zu sehr auf die leichte Schulter. Damals hat sie ihren Vorschlag gleich mit einem Fehlbetrag von 5,4 Milliarden DM vorgelegt. Die Opposition meinte damals, daß es sich um einen Betrag innerhalb der normalen Fehlergrenze handle, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, so als ginge es nicht um Milliarden DM, sondern um Pfennigbeträge; eine Fehlerquote von 5,4 Milliarden DM.Sozialliberale Koalition und Bundesregierung haben mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz einen Weg eingeschlagen, um mit finanziell ausreichenden und sozial ausgewogenen Maßnahmen die lohnbezogene dynamische Rente zu sichern. Die Rückkehr zur bruttolohnbezogenen Anpassung der Renten ab 1982 ist im Gesetz ausdrücklich festgeschrieben. 1982 findet ein automatischer Übergang zurück zur bruttolohnbezogenen Anpassung statt.
— Das ist gewollt, und das wird nicht bestritten.
— Das ist von uns gewollt. Anders wäre die Konsolidierung der Rentenfinanzen überhaupt nicht möglich gewesen, und einen anderen Weg würden Sie in der Regierung nicht einschlagen können, zumal Sie ja, wie gesagt, keine Beitragssatzsteigerungen wollen.
— Ja, es ist nun einmal so, daß die soziale Sicherheit auch Geld kostet und man sie nicht umsonst bekommt.
Ab 1982 soll der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner individuell berechnet werden. Die Einführung dieses Krankenversicherungsbeitrages soll belastungsneutral für die Rentner sein, die nur eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Dazu wird die bisherige Pauschalzahlung der Rentenversicherung für die Krankenversicherung der Rentner in eine zusätzliche Rentenerhöhung umgewandelt. Jede Rente wird um 11,7 % zusätzlich zur normalen Rentenerhöhung aufgestockt. Darüber hinaus sollen sonstige Alterseinkünfte, die Einkom-
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Glombigmen und Renten vergleichbar sind, ebenfalls beitragspflichtig zur Krankenversicherung der Rentner werden. Diese Regelung dient größerer sozialer Gerechtigkeit.In der Unfallversicherung wird das bisherige Anpassungsverfahren beibehalten. Die Unfallversicherung ist der einzige Zweig unseres gegliederten Systems der sozialen Sicherung, in dem eine finanzielle Konsolidierung aus Gründen der weltwirtschaftlichen Rezession nicht erforderlich ist. In der Unfallversicherung gibt es eine andere Art der Finanzierung und eine besondere Rentenformel. Daher besteht hier keine Notwendigkeit, das Anpassungsverfahren zu ändern. Die Beibehaltung der Bruttoanpassung in der Unfallversicherung ist von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bereits zu Beginn der parlamentarischen Beratungen angekündigt worden. Die Verwirklichung dieser Ankündigung ist ein Signal für die gesetzlich festgeschriebene Rückkehr zur bruttolohnbezogenen Anpassung auch in der gesetzlichen Rentenversicherung.
— Herr Farthmann wird die Entscheidungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sicherlich mit Wohlwollen begleiten. Aber diese Entscheidungen werden, wie gesagt, hier fallen.
In allen übrigen Zweigen der sozialen Sicherung hat sich die wirtschaftliche Lage unmittelbar oder mittelbar über den Bundeshaushalt ausgewirkt. Die Zweige Altershilfe für Landwirte, knappschaftliche Rentenversicherung und Kriegsopferversorgung müssen gleichbehandelt werden. Insofern ist die Frage „Was hat die Kriegsopferversorgung oder die Altershilfe für Landwirte mit der Rentenversicherung zu tun?", meine ich, beantwortet. Das ist eine polemische und keine sachliche Frage; denn insbesondere in der Kriegsopferversorgung hat sich der enge Verbund der Anpassung mit den Anpassungen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewährt. Dieser Anpassungsverbund liegt im Interesse der Kriegsopfer, und wir sind stolz darauf, daß wir ihn gegen Ihren Willen haben herstellen können. Wir werden ihn nicht aufgeben.Die Opposition von CDU/CSU hat es darauf angelegt, Unsicherheit zu schaffen.
— Ich würde darüber nicht lachen, das ist ein sehr, sehr ernster Vorgang.
Ich finde, die Rede des Kollegen Franke hat das wiederum exemplarisch vorgeführt,
indem man zur- Sache nichts zu sagen hat und in Polemik ausweicht.
Meine Damen und Herren, so wie die Union in ihren Aktionen gegen das 21. Rentenanpassungsgesetz geht man nicht mit dem mündigen Bürger um.
Statt lediglich draußen Aktionen abzuhalten, wie Sie das getan haben, hätte die CDU/CSU der Sache der Rentenversicherung und der parlamentarischen Demokratie besser gedient, wenn sie sich mit Einzelanträgen, mit Einzelvorschlägen an den Ausschußberatungen beteiligt hätte. Ich kann Ihnen sagen: zum 21. Rentenanpassungsgesetz Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Was dabei herausgekommen ist, ist die Wiederholung des Antrages zur bruttolohnbezogenen Rente, des einzigen Antrages — mit dem man nichts anfangen kann; wir werden das noch klarstellen — zur zweiten Lesung. Da hat sich also die Opposition bei den Ausschußberatungen in vornehmer Zurückhaltung geübt und setzt diese vornehme Zurückhaltung fort, weil sie einfach überfordert scheint, weil sie keine anderen Vorschläge hat. Ein Armutszeugnis!
— Ja, ein Armutszeugnis, ein kläglicher Vorgang.
Die Opposition hat ihre parlamentarischen Pflichten nicht erfüllt.
Sie ist nur vor der Verantwortung ausgewichen. Sie wollte niemandem wehtun, wollte alles offen. lassen und mutet uns hier eine solche sogenannte Alternative zu.
— Sie sollten erst darüber reden, wenn Sie etwas davon verstehen. Sie hätten sich den Gesetzentwurf einmal ansehen sollen. Ich hatte Ihnen das in der letzten Sitzung, d. h. in der ersten Lesung, angeraten. Sie scheinen von diesem guten Ratschlag keinen Gebrauch gemacht zu haben. Aber wir haben ja hier eine Mittagspause, holen Sie das dann nach.
Meine Damen und Herren, auch der Sache der Rentner und der Versicherten hat die Opposition damit, daß sie im Parlament nicht mitgearbeitet hat, einen Bärendienst erwiesen. Die Entwicklung der Rentenfinanzen wird davon bestimmt, wie sich Einnahmen und Ausgaben zueinander entwickeln. Dieses Verhältnis wird durch die wirtschaftliche Situation bestimmt, die gegenwärtig nicht schlechter ist als von der Bundesregierung für 1978 erwartet. Die Zahlen über das erste Quartal 1978 zeigen deutlich: Die Löhne sind gegenüber dem Vorjahr — auf Stundenbasis berechnet — um 5,5 % gestiegen. Dies ent-
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Glombigspricht den Annahmen, die dem Rentenanpassungsbericht zugrunde liegen. Die Beitragseingänge bis Ende April weisen darauf hin, daß die Vorausschätzungen des Rentenanpassungsberichts voraussichtlich erreicht bzw., wenn diese Entwicklung anhält, sogar übertroffen werden.
Schwankungen nach unten zu Beginn des Kalenderjahres sind saisonüblich und dürfen nicht überbewertet werden.Gegenüber Vermutungen darüber, daß die wirtschaftliche Entwicklung entgegen den heute geltenden Annahmen schlechter verlaufen könnte, ist folgendes festzustellen: Die Rentenerhöhungen für die kommenden drei Jahre stehen fest. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß ab 1981 eine Beitragssatzsteigerung vorgesehen ist. Schließlich sieht das geltende Recht eine Bundesgarantie vor, die spätestens— ich sage: spätestens — wirksam wird, wenn die Rentenversicherungsträger ihren laufenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten, wovon wir nicht auszugehen brauchen.
Meine Damen und Herren, das Unbehagen der Opposition im Zusammenhang mit den Problemen der Rentenversicherung sitzt tief — aber in einer ganz anderen Weise, als das Herr Franke hier beschrieben hat. Angesichts der Notwendigkeit zur Konsolidierung der Finanzen der Rentenversicherung vertritt der frühere Generalsekretär der CDU Pläne zur Schaffung einer Bereitschaft für die individuelle Übernahme von Risiko, wie er es nennt, auch in der sozialen Sicherung.
— Ja, wir wollen das einmal gleich untersuchen.Er spricht von Anreizen für private Altersvorsorge. Biedenkopf will auf diese Weise das Netz der sozialen Sicherung aufknüpfen, meine Damen und Herren,
das sich seiner Auffassung nach zu sehr — und jetzt zitiere ich — „an den begrenzten Fähigkeiten der Schwächsten ausrichtet". Lassen Sie sich das doch einmal auf der Zunge zergehen. Es wäre nicht auszudenken, wie das aussehen würde in der praktischen Sozialpolitik einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung.Wenn das nicht für uns alle so gefährlich wäre, würden wir die Proteste der Sozialausschüsse der CDU/CSU in diesem Zusammenhang dieser Tage bestimmt nicht zu hören bekommen haben.
— Diese Sprache und diese Absicht, Herr Kollege Hasinger, sind verräterisch.Unter diesen Voraussetzungen muß davon ausgegangen werden, daß unser System der sozialen Sicherung es für den früheren Generalsekretär derCDU nicht wert ist, auch unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen konsolidiert und stabil erhalten zu werden.
Deshalb haben, wie ,gesagt, die Sozialausschüsse der Union Herrn Biedenkopf soziale Demontage vorgeworfen,
— Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob Sie auch den Sozialausschüssen angehören. Aber Sie sollten sich das einmal in Erinnerung rufen.Herr Biedenkopf will das System der sozialen Sicherung offenbar nach rückwärts entwickeln. Wie sonst könnte sein Vorschlag gedeutet werden? Die Opposition sollte der Offentlichkeit sagen — möglichst heute noch —, was es bedeutet, auf private Altersvorsorge angewiesen zu sein. Sollen die Älteren, sollen die Rentner jetzt alle noch schnell eine private Lebensversicherung abschließen? Kann es das bedeuten?
Welche Rente hätten sie dann zu erwarten? Biedenkopfs Strategie bedeutet doch, daß der Rentenversicherung langfristig durch die Förderung sogenannter privater Altersvorsorge Einnahmen entzogen würden. Und Sie wollen eher mehr als weniger, wenn ich das richtig verstanden habe. Der Generationenvertrag würde ausgehöhlt, die bewährte soziale Rentenversicherung ihrer Grundlage beraubt. Das, was Sie uns unterschieben, würde dadurch entstehen.Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, werden es dazu nicht kommen lassen. Darauf können Sie sich verlassen.
— Wir wollen gerne wissen, Herr Kollege Blüm — Sie haben sich jetzt nach vorne gesetzt; das ist Ihr Spezialthema, wie ich aus Ihren öffentlichen Auslassungen entnommen habe —: Wie steht die Opposition zu Biedenkopfs Thesen? Wollen Sie uns das heute vielleicht noch einmal erklären? Das muß von diesem Platz aus noch geklärt werden.
Ihre finanziell völlig unzureichenden Konsolidierungsvorstellungen zum Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz fügen sich, meine ich, bisher nahtlos mit Biedenkopfs zerstörerischer Kritik am Netz der sozialen Sicherheit zusammen, das vor allem die sozialliberale Koalition seit 1969 ausgebaut hat.Die sozialliberale Koalition weist solche Überlegungen aus den Reihen der Opposition entschieden zurück. Die schwierige Aufgabe der Konsolidierung der Rentenfinanzen darf nicht durch eine Diskussion blockiert oder unterlaufen werden, die auf Grund-
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Glombigsätze der Union ausweicht, während jetzt unverzüglich finanzielle Maßnahmen notwendig sind.Im Vordergrund des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes stehen — wie könnte es anders sein — zwar die Bemühungen um die Konsolidierung der Rentenfinanzen, aber Sozialpolitik erschöpft sich nicht in Konsolidierungsmaßnahmen — jedenfalls nicht für Sozialdemokraten.
Es gibt keinen sozialpolitischen Stillstand. Sie haben eine Chance gehabt, hier Vorschläge zu machen, damit dieser Punkt überwunden werden kann. Aber nicht einmal dazu, zu Zukunftsvorstellungen, wie das weitergehen soll, ist von Ihnen heute ein Wort gesagt worden, und zwar weil Sie auch in diesem Punkte viel zuviel Angst vor der Öffentlichkeit haben, Angst davor, Sie könnten dabei irgend jemandem auf den Fuß treten. Sie hatten eine Chance, Sie haben sie in dieser Debatte zum wiederholten Male verpaßt, meine Damen und Herren von der Opposition.Die Sozialpolitik steht vor großen Herausforderungen. Davon haben wir bei Herrn Franke nichts vernommen. Sie beziehen sich einmal darauf, das Leistungsniveau der sozialen Sicherung auch unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen abzusichern und zu erhalten; zum anderen geht es darum, unser bewährtes System der sozialen Sicherung weiterzuentwickeln und für künftige Problemlösungen zu rüsten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verfolgt eigenständige sozialpolitische Ziele. Unser System der sozialen Sicherung muß gerechter, lückenloser ausgestaltet, für die Bürger durchschaubarer und wirksamer werden.Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung dem Gesetzgeber in der Frage der Witwenrente seinen vollen politischen Handlungsspielraum belassen. Das wird von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion begrüßt. Die SPD wird sich dafür einsetzen, daß mit der Rentenreform 1984 Männer und Frauen in allen Punkten bei Vorliegen gleicher rentenrechtlicher Voraussetzungen gleichbehandelt werden. Gleichzeitig soll damit das Rentenrecht gerecht gestaltet und dem geänderten Rollenverständnis der Frau angepaßt werden. Dazu bedarf es vor allem einer grundlegenden Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung. Daran wird im Arbeitsministerium und in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit aller Verantwortung gearbeitet.
Diese wichtige Aufgabe kann nur in breiter Zusammenarbeit aller parlamentarischen Kräfte erfolgreich gelöst werden. Herr Kollege Franke, Sie hatten gesagt, Sie wollten sich dazu äußern. Sie haben das nicht getan. Ich äußere mich dazu zum zweiten Male und wiederhole: An die Stelle von Obstruktion muß konstruktive Zusammenarbeit treten.
Dem darf sich auch die Opposition nicht entziehen, wie sie es bis jetzt getan hat.In dem Spannungsverhältnis, wie wir es bei der Beratung des Zwanzigsten und Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes erlebt haben, müßte der Versuch, zu weitgehend kostenneutralen Umstrukturierungen im Leistungsrecht zu kommen noch viel schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich werden. Sozialpolitik ist mehr als soziale Sicherung. Sie muß vorbeugend und vorsorgend wirken. Dies ist nicht nur eine staatliche Aufgabe. Auch die Selbstverwaltungsgremien haben hieran mitzuwirken, etwa beim Arbeitsschutz, bei der Arbeitsmedizin, aber auch beim Recht der Berufskrankheiten. Dies alles hat auch für die Rentenversicherung Bedeutung; denn die Zahl der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrentner macht einen beträchtlichen Teil der Ausgaben der Rentenversicherung aus. Das System sozialer Leistungen muß durchschaubarer werden, um den Bürger zu befähigen, seine Rechte voll wahrzunehmen. Im übrigen erwarten wir von der Transfer-Enquetekommission der Bundesregierung Aufschlüsse darüber, wo noch Mängel bestehen und wie unser System in der sozialen Sicherung wirksamer gestaltet werden kann.Weil die CDU/CSU die zukünftige Bevölkerungsentwicklung immer wieder zum Anlaß nimmt, Katastrophenmeldungen über die Rentenfinanzen zu verbreiten, muß bei dieser Gelegenheit einiges zum Problem der langfristigen Sicherheit der Renten gesagt werden. Die jetzige Rentenkonsolidierung führt aus heutiger Sicht dazu, daß nach Überwindung der Engpaßsituation ab 1981 bis 1992 wieder ein solides Rücklagepolster angesammelt sein wird. Die Beitragserhöhung ab 1. Januar 1981 verbessert die Finanzierungsgrundlagen in höherem Maße, als es unbedingt notwendig wäre, um die Bruttodynamik der Renten zu sichern. Damit sind auf der Basis der heutigen Vorausrechnungen die Rentenfinanzen bis zur Mitte der 90er Jahre finanzierbar. Damit ist auch ein Sicherheitsspielraum vorhanden. Ganz unabhängig von der Rentenkonsolidierung bleibt es für die Zukunft eine offene Frage, inwieweit es möglich ist, unter langfristiger Beibehaltung der Bruttolohnbezogenheit der Renten und unabhängig von Einsparungsüberlegungen die Rentenfinanzen noch mehr vor Konjunkturempfindlichkeit und vor der Abhängigkeit von Veränderungen der Lohnsteigerungsraten zu schützen. Dabei muß geprüft werden, ob die zeitliche Verzögerung der Rentenanpassungen gegenüber den Lohnsteigerungen verkürzt werden kann, so ,daß Defizite bei niedrigen Lohnsteigerungen und Überschüsse bei hohen Lohnsteigerungen vermieden werden können. Diese Frage wird im Zusammenhang mit der bevorstehenden Rentenreform 1984 beantwortet werden müssen, einer Reform, die ohnehin neue Überlegungen bezüglich der finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung erforderlich machen wird.Langfristig hängt die Rentenfinanzierung auch vom Altersaufbau der Bevölkerung ab.
— Ja, aber darüber haben wir von Herrn Franke, obwohl er sich dazu in der Offentlichkeit immer
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Glombigwieder äußert, nichts gehört. — Das heißt, sie hängt vom Verhältnis der Zahl der Beitragszahler zur Zahl der Rentner ab. Langfristig wird sich der Altersaufbau dahin gehend verändern, daß ab Mitte der 90er Jahre der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung stark zunimmt. Ernsthafte Probleme werden aber erst vom Jahre 2000 an auftreten. Das ist die Folge des seit 1964 zu beobachtenden Geburtenrückganges, der im übrigen eine internationale Erscheinung ist.
— Meine Damen und Herren von der Opposition, das ist gleichwohl kein Grund zur Panik. Die CDU/ CSU unterschlägt bei ihrer Argumentation, daß mit der Zunahme des Anteils der älteren Generation und der gleichzeitigen Abnahme des Anteils der Kinder und Jugendlichen die Ausgaben z. B. für das Bildungswesen und das Kindergeld zurückgehen werden. Für die Finanzierbarkeit der Sozialleistungen kommt es auf den Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung an;
dieser Anteil wird nach den heutigen Berechnungen langfristig trotz Geburtenrückgangs vermutlich nicht sinken. — Bei Ihnen, Herr Kollege Franke, kann man nichts abschreiben; dazu eignen sich Ihre Veröffentlichungen überhaupt nicht!
Der Anteil kann gleichbleiben oder sogar steigen— habe ich das auch bei Ihnen abgeschrieben? —,
wenn der Trend anhält — haben Sie davon schon einmal etwas gehört, Herr Kollege Hasinger? —, daß Frauen immer häufiger am Erwerbsleben teilnehmen. Und ich glaube, dieser Trend hält an.Es besteht deshalb kein Anlaß zu der Erwartung, daß, wie immer von der CDU/CSU behauptet wird, die Versorgung der alten Menschen nicht mehr gewährleistet sein könnte. Die Folgeprobleme der demographischen, der bevölkerungspolitischen Entwicklung sind lösbar. Das aber erfordert den Mut zu einer Reform der sozialen Sicherung. Dazu haben wir von Ihnen heute nichts gehört. Wir hätten dazu von Ihnen heute gern ein Wort gehört, aber auch hier war Fehlanzeige.
Zur Jahrtausendwende werden sicher Umstrukturierungen notwendig sein. Angesichts der Zunahme des Anteils der älteren Menschen müssen die in der Gesellschaft für die Altersversorgung zur Verfügung stehenden Mittel gerechter als bisher eingesetzt werden.
— Das habe ich allerdings bei Ihnen auch in der ersten Lesung nicht gehört; eine solche Feststellung habe ich vermißt.
Heute ist die Altersversorgung zersplittert. Zahlreiche Leistungen — von den Beamtenpensionen bis zum Lastenausgleich, von der Sozialhilfe bis zur steuerrechtlich begünstigten betrieblichen Altersversorgung, — bestehen nebeneinander.
Das führt zu Ungerechtigkeiten und Mehrfachbegünstigungen, aber auch zu Lücken in der Altersversorgung.
All dies durch eine Gesamtreform der Altersversorgung neu zu ordnen wird unbedingt notwendig werden. Eine solche Gesamtreform der Altersversorgung wird dann auch langfristig die Teilhabe der älteren Generation am Wohlstand der Gesellschaft sichern können.Wir Sozialdemokraten halten nichts davon,
die demographischen Probleme zu Wahlkampfmunition umzumünzen.
Wir glauben, daß den heutigen Versicherten, die später einmal Rentner sein werden, besser gedient ist, wenn wir schon heute mit der Arbeit an einer umfassenden, wenn auch schrittweise zu verwirklichenden Reform der sozialen Sicherung beginnen.
— Herr Kollege Franke, das hat etwas mit dem 21. Retenanpassungsgesetz und seinen Folgerungen zu tun, wenn Sie das noch nicht begriffen haben sollten! Es ist ja gerade das Bedauerliche, daß Sie das bis heute nicht begriffen haben.
Ich sage Ihnen noch einmal: Daran mitzuwirken und in einen konstruktiven Wettstreit der Ideen einzutreten würde auch der Union gut anstehen.
— Meine Damen und Herren, bei der Partnerrente haben Sie ebenso wie bei Ihrem Vorschlag zum 21. Rentenanpassungsgesetz bisher vergessen, die Deckungsvorschläge nachzuschieben,
einmal den Menschen draußen zu sagen, wie Siedas eigentlich bezahlen wollen. Das sind alles herr-
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Glombigliche Forderungen, aber kein Mensch sagt uns, wie das zu finanzieren ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.
Harmonisierung der Altersversorgung, Privilegienabbau und mehr soziale Gerechtigkeit in der sozialen Sicherung sind reformerische Aufgaben und Ziele. Sie werden von den Sozialdemokraten gegenüber jenen konservativen Kräften vertreten, die die Sozialpolitik in eine Legitimitätskrise steuern möchten, um die von Ihnen beschworenen Grenzen des Sozialstaats immer enger ziehen zu können. Dagegen setzen sich die sozialliberale Koalition und die Bundesregierung weiter für den sozialen Fortschritt ein. Dabei berücksichtigen sie in verantwortlicher Weise die finanziellen Probleme. Wie wir heute gehört haben, wird die Eigenständigkeit der Sozialpolitik nicht aufgegeben. Die Rentner und die Kriegsopfer nehmen mit den Rentensteigerungen von 4,5 % im Jahre 1979 und von je 4 % in den Jahren 1980 und 1981 am wirtschaftlichen Wachstum weiterhin teil. Wenn auch die Opposition das will, muß sie diesen Gesetzentwürfen zustimmen.
Sonst würden die Rentner noch nicht einmal die feststehenden Rentenanpassungssätze, die wir vorsehen, bekommen können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt .
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum dritten Mal in zwölf Monaten ist das Hohe Haus aufgerufen, Entscheidungen zu treffen, um Rentnern und Beitragszahlern eine klare Antwort darauf zu geben, wie unter veränderten wirtschaftlichen Entwicklungen und veränderten Generationsentwicklungen das gute Netz unserer Altersversorgung in den nächsten Jahren gesichert werden kann. Wir Freien Demokraten begrüßen, daß gerade dieser dritte Schritt eine wohl deutlichere und klarere Antwort für die nächsten Jahre gibt als manche Debatte in den letzten Jahren und leider auch als Ihre einführende Rede hier, Herr Kollege Franke.Zu Beginn Ihrer Rede, Herr Kollege Franke, hatte ich mit Freude registriert, daß Sie von Geschlossenheit und Vernunft sprachen.
Dies war aber der einzige Satz, den ich in dieserRichtung gehört habe. Am Schluß stand, meine Damen und Herren — auch das habe ich mir aufgeschrieben —: Die CDU/CSU lehnt die Verantwortung ab.
Herr Kollege Franke, meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe Verständnis dafür, wenn eine Opposition mit Vorschlägen der Regierung nicht einverstanden ist. Ich habe aber kein Verständnis dafür, wenn sie die Verantwortung ablehnt, ohne echte Alternativen zu bieten, und damit Rentner und Beitragszahler weiterhin in Unsicherheit läßt.
Genau das hat Herr Kollege Franke bedauerlicherweise getan. Herr Kollege Franke, es genügt eben nicht — ich habe dies schon zu oft sagen müssen, als daß ich mich lange wiederholen möchte —, von dieser Stelle aus immer wieder zu sagen, man habe seit Jahren Vorschläge gemacht, ohne jemals echte Vorschläge gemacht zu haben.
— Darauf komme ich gleich. Ich werde es Ihnen einmal vorrechnen. Dann werden Sie selber sehen, was das wirklich bedeutet. — Sie haben nie echte Alternativvorschläge gemacht, sondern standen immer mit vagen Angeboten im Raum. Es genügt eben nicht, hier zu sagen, man lehne die Verantwortung ab, wenn man die Verantwortung beispielsweise mit dafür hat
— jetzt warten Sie doch einmal ab, wie ich das begründe, und seien Sie nicht immer so voreilig —, daß die ersten Schwierigkeiten, die in der Rentenversicherung einmal auftauchten, durch einen tiefen Griff in die Tasche der Beitragszahler ausgeglichen, wurden.
Dafür trugen Sie mit die Verantwortung. Wenn wir heute nach anderen Wegen suchen müssen, weil die Belastung unserer arbeitenden Mitbürger so hoch ist, tragen Sie da auch mit die Verantwortung. Ich würde Sie deshalb nicht kritisieren. Aber sich hierherzustellen und zu sagen, man übernähme keine Verantwortung, und gleichzeitig etwas —
— Dann bitte eine Alternative, Herr Kollege Müller. Nun fangen wir einmal mit der Alternative an, damit wir gleich — —
— Herr Kollege, ich hätte Ihnen empfohlen, bei der Sachverständigenanhörung im Ausschuß dabeizusein, als es darum ging, was die Sachverständigen auf die Frage sagten, ob man denn durch eine andere Wirtschaftspolitik zur Zeit mehr Beiträge und mehr Arbeitsplätze schaffen könnte. Alle Sachver-
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Schmidt
ständigen verneinten das. Fragen Sie einmal Ihre Kollegen, die bei der Anhörung dabei waren! Das zeigt, daß der ganze Schmus, daß man zur Zeit ein Drittel der Kosten über eine bessere Wirtschaftspolitik decken könne, eben keine Alternative ist, sondern Gerede.
— Das hat überhaupt nichts mit Resignation zu tun, Herr Kollege Burger, sondern mit Fakten. Aber die Opposition ist ja meistens nicht in der Lage, Fakten anzuerkennen, und wenn sie sie anerkennt, werden sie unterschiedlich beurteilt. Lassen Sie mich nur einmal kurz hier einen kleinen Blick zurücktun: Als die Diskussion um die Konsolidierung der Rentenversicherung erneut notwendig wurde, da hieß es von dem Kollegen Katzer: Beitragserhöhung. In einem Interview von dem Kollegen Stoltenberg hieß es: Nettoanpassung. Dann machte Herr Biedenkopf Ausführungen, wie man das machen könnte. Auch der Herr Kollege Blüm hielt Beitragserhöhungen gegebenenfalls für besser. Ich habe für alles Verständnis. Zum Schluß einigte man sich auf ein Konzept, das man zwar draußen prima verteilen kann, das aber verdammt scheinheilig ist.
Was ist denn der Krankenversicherungsbeitrag der Opposition? Daß er erstens einmal einen falschen Namen hat, das sei nur am Rande erwähnt; denn wenn das Geld bei der Rente abgezogen wird und bei der Rentenversicherung bleibt, dann soll man es nicht Krankenversicherungsbeitrag nennen. Das hat nämlich nichts mit der Krankenversicherung zu tun. Das war Nummer eins.
— Darauf komme ich dann noch, wenn ich zu unserem Krankenversicherungsbeitrag etwas sage.Zweitens. Herr Kollege Franke, daß man sich dann beharrlich zu sagen weigert, mit welchen Sätzen man nun die Rente um den sogenannten Krankenversicherungsbeitrag kürzen will, weil man dann natürlich einmal Zahlen auf den Tisch legen muß, haben wir ja nun in -zig Sitzungen erlebt. Nun nehme ich einmal Zahlen. Ich nehme vorsichtige Zahlen; diese würden nicht einmal für zwei Drittel reichen. Ich nehme einmal bloß die Zahlen 2, 2,5, 2,5. Das war einmal vor einem Jahr so in der Diskussion. Inzwischen geht das ja höher: 2, 4, 4.
— Ich sagte: Ich nehme jetzt mal nur gegriffene Zahlen, die aber mindestens sein müssen — Herr Kollege Franke, da werden Sie mir zustimmen —, wenn man auf zwei Drittel der 32 Milliarden DM kommen will.
— Na schön, wieviel wollen Sie denn einsparen? Dann sagen Sie mir schnell einmal die Zahlen, die Sie beim Krankenversicherungsbeitrag meinen! Dann rechne ich mit denen. Bisher haben Sie keine genannt.
Meine Damen und Herren, bitte lassen Sie einmal den Redner in der Argumentation fortfahren.
Ich bleibe mal bei meinem sehr vorsichtigen Beispiel.
Bitte, Herr Abgeordneter, seien Sie so liebenswürdig.
Ich wollte gerne einmal wissen, ob ich endlich einmal die Zahlen bekomme.
Ich bitte Sie sehr herzlich, in Ihrer Rede fortzufahren.
Ich nehme einmal ganz vorsichtig, Herr Kollege Franke, die Zahlen 2, 2,5, 2,5. Dann fange ich an: Bruttoanpassung 1979 7,2 minus 2 ergibt 5,2. Ich gebe zu, es liegt etwas über 4,5. Bruttoanpassung 1980: 6,2 minus 2,5 ergibt 3,7. Dieser Wert liegt schon unter 4. Bruttoanpassung 1981: 6,1 minus 2,5 ergibt 3,6. Dieser Wert liegt wieder unter 4. Dann sagen Sie doch, daß Sie genauso diesen —
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege —
— Sie werden mich nicht aus der Ruhe bringen, Herr Dr. Blüm.
Herr Kollege, darf ich Sie vielleicht — —
Ich stelle hier noch einmal fest, daß Sie bis heute —
Nein, ich hätte gewartet. Oder könen Sie einen Moment unterbrechen und eventuell eine Frage beantworten? — Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Schmidt, können Sie mir bestätigen, daß unsere drängenden Fragen gegenüber der Opposition, sie möge konkret sagen, wie hoch der sogenannte Krankenversicherungsbeitrag der Rentner sein soll, nicht beantwortet worden sind, und können Sie mir bestätigen, daß nach un-
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Urbaniakserem Bericht — wenn man es so machen würde, wie die CDU/CSU vorgeschlagen hat — die Renten 1979 um 3,5 %, 1980 um 6,7 %, 1981 um 8,5 % und 1982 um 9,4 % gekürzt werden müßten?
Ich kann diese Zahlen voll bestätigen, Herr Kollege Urbaniak. Wir haben das allerdings praktisch selber errechnen müssen, weil uns die Opposition nie Zahlen geliefert hat.
— Ich weiß sehr genau, daß es stimmt.
Herr Kollege Franke, zu diesem Thema — ich will ja nur 30 Minuten reden — abschließend eine Feststellung: Der von Ihnen als Alternative vorgeschlagene Krankenversicherungsbeitrag ist nie quantifiziert worden, ist von Ihnen nie in irgendeiner Form sachlich durchgerechnet worden. Er ist keine Alternative, sondern ein Täuschungsmanöver für Rentner und Beitragszahler.
Dem gegenüber, meine Damen und Herren, steht die klare Aussage, die Renten in den nächsten drei Jahren um 4,5, 4 und 4 % anzupassen.
Das ist eine klare Aussage an die Rentner. Draußen wird uns doch die Frage gestellt: Wie geht das weiter; wie sieht es nun aus, weil die Probleme groß sind?
Es ist eine klare Antwort an die Rentner, daß ihre Renten über die Kaufkraftentwicklung hinaus mit Realzuwachs, mit sicheren Raten in den nächsten Jahren angepaßt werden,
ohne daß ihre Kinder vor 1981 neu belastet werden müssen.
Dies, meine Damen und Herren, ist ein Stückchen Generationenvertrag. Der Rentner denkt manchmal mehr an seine Kinder, die hoch belastet sind, als Sie das vielleicht bisher getan haben.
— Jetzt haben Sie mir ein Stichwort gegeben, Herr Kollege Franke.
Wenn Sie sich hier schon — das muß ich noch einmal sagen — scheinheilig hinstellen und gewisse Verbände — vom DGB bis zu den Kriegsopferverbänden —, deren Spitzenüberlegungen ich schon lange nicht mehr verstehe — sie sollten sich einmal
bei der Basis erkundigen, was ihre Mitglieder über solche Dinge denken —,
als Partner anführen, die bezüglich der Bruttolohnbezogenheit der gleichen Meinung sind wie Sie, dann hätten Sie allerdings den Mut haben müssen, den Vorschlag dieser Verbände mit zu übernehmen, nämlich die Beiträge zu erhöhen. Das wäre dann konsequent gewesen. Aber da haben Sie auch wieder gekniffen. Sie haben sich bloß die Leute vor den Karren gespannt und dann gekniffen.
Wir jedenfalls sehen in diesen Anpassungsraten eine echte, saubere Antwort an die Rentner im Rahmen der Möglichkeiten in der Rentenversicherung. Wir sehen darin auch — obwohl dies oftmals angegriffen wurde — eine Ausgewogenheit in der Belastung. Denn wir wissen — vielleicht besser als mancher andere —, wie hoch die Belastungen der Arbeitnehmer in den letzten Jahren gerade durch das Ansteigen der Rentenversicherungsbeiträge geworden sind.
Wir beziehen in unsere Überlegungen die Tatsache ein, daß die ersten Finanzierungsschwierigkeiten durch Beitragserhöhungen und damit Belastungen der Beitragszahler überwunden werden mußten. Wir nehmen nun das Verständnis der Rentner — und sie haben mehr Verständnis als manche andere, die hier groß tönen — dafür entgegen, daß ihre Renten real weiter angepaßt werden, daß es keine Rentenverluste gibt und daß es, Herr Kollege Franke, auch kein Hineinwachsen in die Sozialhilfe gibt. Denn die Anpassungsraten liegen über den Entwertungsraten und erhalten das Rentenniveau. Also ist alles Gerede vom Hineinwachsen in die Sozialhilfe wieder nur Verdummung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Abgeordneter, bevor ich Ihnen das Wort gebe, erlauben Sie mir eine Begrüßung.
Auf der Diplomatentribüne hat S. E. der Minister für Industrie der Sozialistischen Republik der Birmanischen Union, Oberst Maung Cho, Platz genommen. Ich habe die Ehre, Sie im Deutschen Bundestag sehr herzlich zu begrüßen.
Sie hatten noch eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Hasinger. Bitte.
Herr Kollege Schmidt, da Sie gerade über den Generationenvertrag und die aktive Generation der Beitragszahler sprechen, frage ich Sie, ob Sie diese aktive Generation nicht auch darüber aufklären sollten, daß durch den heute
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Hasingervorliegenden Gesetzentwurf, wie Sie es vorgesehen haben, und durch das vor einem Jahr verabschiedete Gesetz die Renten, die diese aktive Generation nach 1981 zu erwarten hat, um mindestens 9 % niedriger als nach der bruttolohnbezogenen Rente sein werden.
Herr Kollege Hasinger, dies ist selbstverständlich ein Teil der Gesamtmaßnahme, die notwendig wurde. Aber gerade wenn ich den Beitragszahlern von heute nach 1981 oder nach 1990 oder den heute 25jährigen am Ende ihres Arbeitslebens eine Rente sichern will, die ihren Leistungen und ihrem Arbeitsleben entspricht, dann muß ich entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung und der Generationenentwicklung Maßnahmen ergreifen, die das ermöglichen. Denn es ist doch viel unsicherer, dem Beitragszahler zu sagen: Nun zahl du mal weiter; wie das im Jahr 2000, wenn du Rentner wirst, aussieht, kann dir kein Mensch sagen. Man muß hier doch rechtzeitig versuchen, die Relationen zur wirtschaftlichen Entwicklung und das Verhältnis zwischen arbeitenden und nicht mehr arbeitenden Menschen zu berücksichtigen, um auch für die Zukunft sichere Angebote und sichere Ergebnisse zu haben.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bitte.
Ich kann also feststellen: Die Aktiven zahlen die gleichen Beiträge weiter und bekommen später um mindestens 9 % niedrigere Renten.
Entschuldigen Sie, Herr Hasinger, nur noch einen Satz dazu; sonst würde meine Zeit überschritten. Die Beitragszahler müssen aber nicht mehr zahlen. Sonst müßten sie jetzt schon wieder mehr zahlen.
Das ist — damit komme ich zur Ausgewogenheit zurück — eine Frage nicht nur der Rentenversicherung — und jetzt schaue ich mal Herrn Biedenkopf an — und nicht nur der Krankenversicherung und nicht nur eines anderen Teils unserer sozialen Sicherheit. Das ist die Zukunftsfrage unserer sozialen Sicherung überhaupt: wieweit die arbeitende Generation
die nicht mehr Arbeitenden, die noch nicht Arbeitenden und die aus anderen Gründen nicht arbeiten Könnenden erhalten kann und — ich sage auch: — zu erhalten bereit ist. Und da ist eine Frage: Wie hoch kann ich diese arbeitende Bevölkerung belasten? Wo hört der Leistungswille, noch etwas zu tun, auf, weil die Belastung allmählich Grenzen erreicht, bei deren Überschreiten es nicht mehr interessant ist, in unserer Gesellschaft mehr zu leisten und dann natürlich auch mehr Beiträge zu zahlen? Das ist eine grundsätzliche Frage, die hier auftaucht und die hier einmal angesprochen werden muß.Wir haben — das möchte ich kurz erwähnen — mit der Risikoklausel immerhin eine Möglichkeit geschaffen — auch wenn sie, wie ich zugebe, nicht unbedingt sehr effektiv ist —, für den Fall, daß es doch zu anderen Entwicklungen kommen sollte — ich gehe freilich davon aus, daß die Prognosen nicht unterschritten werden; die Zahlen von 1978 zeigen das —, zusätzliche Maßnahmen ergreifen zu können. Wir haben auch die Beitragserhöhung für 1981 als Puffer im Gesetz. Wir Freien Demokraten gehen heute noch davon aus — unter der Voraussetzung, daß sich die jetzigen Zahlen, die sich für 1978 als richtig erweisen, im Rahmen unserer Vorstellungen fortsetzen —, daß wir von dieser Beitragserhöhung keinen Gebrauch machen müssen. Denn das Gesetz sieht vor, sie auszusetzen, wenn wir bis dahin die sich aus der finanziellen Entwicklung ergebenden Möglichkeiten übersehen.Wir gehen auch davon aus, daß in einer besonderen Situation die Bundesgarantie, die der Gesetzgeber von Anfang an eingebaut hat, zum Zuge kommen muß. Das ist selbstverständlich.
Mann kann mit uns auch darüber reden — aber das muß etwas differenzierter sein, meine Damen und Herren —, ob und inwieweit die gesamte Bundeszuschußregelung heute — und hier gibt es ja auch keine Anträge — die richtige ist. Wir halten jedenfalls nichts davon, den Bundeszuschuß auf Dauer nach irgendwelchen Prozentsätzen zu bemessen. Wir denken vielmehr an — bisher haben uns die Versicherungsträger leider das nicht sagen können, was wir dazu brauchen — Erstattungen aus Steuermitteln, aus Mitteln der Allgemeinheit dort, wo die Rentenversicherung Leistungen im Rahmen der Rentenzahlung übernimmt, die nicht durch Beitragsleistung und ähnliches abgedeckt sind. Je eher so etwas auf den Tisch kommt, desto eher wird man über eine Neuordnung des Bundeszuschusses nachdenken können. Die prozentualen Heraufschiebereien von 17 % auf 25 % oder 30 % sind alles keine echten, sauberen Lösungen.
— Das ist dann auch nur eine Lösung auf prozentualer Basis, -während ich das, was in einer Rente in Wirklichkeit nicht beitrags- und leistungsbezogen ist, sondern in ihr auf Grund anderer Faktoren, z. B.
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Schmidt
Kriegsdienstzeiten, enthalten ist, in Erstattungsform, in Mark und Pfennig haben will. Wir werden im Rahmen der 84er-Lösung wahrscheinlich eine Reihe von Fragen haben, bei denen man ebenfalls darüber nachdenken muß, ob dies nicht doch eine Leistung der Allgemeinheit ist.
Dann aber muß man zu Erstattungszuschüssen übergehen und endlich einmal von Prozenten weg, die das Bild im Grunde genommen nur vernebeln und nicht etwa verdeutlichen.
Lassen Sie mich nun noch — meine Zeit geht ja allmählich zu Ende — zu einem weiteren Punkt kommen, zu dem ab 1982 vorgesehenen individuellen Krankenversicherungsbeitrag. Ich sage Ihnen nichts Neues, meine Damen und Herren, daß dies ein Gedanke ist, den wir Freien Demokraten seit langem zur Diskussion gestellt haben, weil wir die von der Großen Koalition seinerzeit getroffene Lösung, daß jeder Rentenbezieher — ich sage bewußt: Rentenbezieher und nicht Rentner — gleichzeitig voll krankenversicherungsfrei ist, nicht als eine sehr soziale Lösung angesehen haben, weil immerhin ein großer Teil auf diese Art und Weise seine Alterskrankenkosten den Beitragszahlern der Krankenversicherung auferlegt hat, obwohl er noch andere Altersversorgungen hatte. Aber weil er auch eine Rente hatte, zahlte der Beitragszahler in der Krankenversicherung die Kosten für ihn brav mit.Mit dem individuellen Krankenversicherungsbeitrag, wie er nach unserer Vorstellung 1982 — über Einzelheiten wird noch zu diskutieren sein — kommt, wird es auch hier wieder eine saubere Trennung zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung geben. Durch die Anhebung der Rente um zirka 11 % in einem einmaligen Akt wird dem Voll- und Normalrentner beim Zahlen des Krankenversicherungsbeitrages kaum eine Mehrbelastung zugemutet werden. Es werden allerdings andere, die Zufallsrentner sind und andere Alterseinkommen haben, für ihre Krankheit auch im Alter etwas mehr zur Solidargemeinschaft beitragen müssen, als das bei manchen bisher der Fall war. Dies halten wir für sauberer und gerechter und darüber hinaus — wieder im Sinne der Beitragszahler — für richtiger.Eine Bemerkung noch — wir werden in der nächsten Runde sicherlich noch im Detail darauf eingehen, aber der Kollege Franke hat sich auch damit befaßt — zur Einbeziehung der Kriegsopferrenten und der landwirtschaftlichen Altershilfe in die Anpassungsraten von 4,5 %, 4 % und noch einmal 4 %. In einem haben die Kritiker recht: Natürlich ist das, weil das aus dem Bundeshaushalt gezahlt wird, keine zwingende Lösung. Aber ich kann Ihnen nur sagen — deshalb hat die sozialliberale Koalition das für selbstverständlich angesehen —: Wenn wir heute in beiden Bereichen, bei derKriegsopferversorgung und der landwirtschaftlichen Altershilfe, Jahr für Jahr dynamische Anpassungen haben, dann haben wir das nicht Ihnen, nicht der Opposition zu verdanken, sondern es war die sozialliberale Koalition, die die Kriegsopferversorgung und die landwirtschaftliche Altershilfe in die Dynamisierungsraten der Rentenversicherung einbezogen hat.
Das wollen wir einmal feststellen.
Wir halten es für gefährlich, das wieder auszuklammern, um vielleicht eines Tages wieder in die Situation zu kommen, daß Kriegsopfer demonstrieren müssen, weil sie nicht mehr im Rahmen der dynamischen Rentenversicherung ihre selbstverständlichen Anpassungsraten erhalten. Wer wie die Kriegsopfer und die landwirtschaftlichen Altershilfeempfänger im Zuge dieser Dynamik eine positive Entwicklung erfahren hat, wird auch dafür Verständnis haben, wenn einmal eine etwas geringere Anpassungsrate beschlossen wird, ihm aber weiterhin die Anpassungsmodalitäten der Rentenversicherung erhalten bleiben und er damit nicht wieder außerhalb dieser Dynamisierung steht.
Wir begrüßen es sehr, daß die Frage der Unfallversicherung durch eine Entscheidung des Ausschusses, der sich inzwischen ja wohl auch die Opposition angeschlossen hat — ich weiß das nicht genau —, anders geregelt worden ist, weil hier wirklich kein echter Sachzusammenhang bestand. Wir sind auch zufrieden darüber, daß es im Ausschuß gelungen ist, die Geringfügigkeitsgrenze auf eine Norm von 15 Stunden in der Woche festzusetzen, durch die all die Probleme, die es im Handel, Handwerk, bei Hausfrauentätigkeit usw. gibt, in der Form nicht mehr tangiert werden. Damit stellt diese Norm eine gerechte, aber nicht belastende Lösung dar.
Wir werden zu dem Entschließungsantrag, der in der dritten Lesung vorgelegt wird, im einzelnen noch etwas zu sagen haben.Lassen Sie mich abschließend zwei Bemerkungen machen, eine zu anderen in der Offentlichkeit immer wieder vorgebrachten Alternativmöglichkeiten — nicht von der Opposition, aber ich möchte das von dieser Stelle aus auch noch einmal deutlich sagen —, wie man die Altersversorgung, die Rentenversicherung vielleicht auch konsolidieren könnte. Zu Vorstellungen, im Rahmen eines Einheitsverfahrens zu besseren Möglichkeiten in der Altersversorgung zu kommen, sagen wir Freien Demokraten heute wie gestern klar nein.
Vor einer verstärkten Abhängigkeit der Rentenversicherung von Haushaltsmitteln außer der Bundesgarantie können wir nur warnen.Vor Überlegungen, wie sie auch immer wieder aufgetaucht sind, nach denen andere Altersversor-
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Schmidt
gungswerke, Betriebsrenten oder ähnliches in den Gesamtverbund einbezogen werden sollten, sagen wir von dieser Stelle aus auch noch einmal ganz klar nein.
Deshalb sehen wir in der Vorlage des 21. Rentenanpassungsgesetzes und den damit beschlossenen Maßnahmen die Möglichkeit, die Funktionsfähigkeit des Generationenvertrages Beitragszahlern und Rentnern in aller Öffentlichkeit klarzumachen: klare, reale, den Rentnern ihr Niveau erhaltende Zuwachsraten für die nächsten Jahre zu garantieren, keine Mehrbelastung der Beitragszahler in diesem Zusammenhang als notwendig anzusehen und durch diese Maßnahmen auch nicht die vor uns liegenden, sicher noch schwerwiegenderen Entscheidungen im Zusammenhang mit der 84er-Regelung zu präjudizieren oder in die falsche Richtung zu treiben.Wir begrüßen die Vorlage und stimmen ihr in der Fassung des Ausschusses voll zu.
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Ehrenberg.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Kollege Franke zu Beginn von der politischen Vernunft sprach, hatte ich die Hoffnung, daß nach dieser Einleitung von der Opposition konkrete, objektive Darstellungen, konkrete Vorschläge zu hören sein würden, obwohl diese in der Berichterstattung nicht vorhanden sind. Statt dessen gab es Philosophien über die Zusammenhänge zwischen Inflation und Wirtschaft, in denen nicht zum Ausdruck kam, daß wir bei der Preissteigerungsrate inzwischen — neben der Schweiz als einziges Land der Welt — eine Zwei vor dem Komma erreicht haben.
Das ist ein Erfolg, auf den wir gemeinsam stolz sein könnten, wenn Sie zu so viel Objektivität bereit wären.
Es gab zur Rentenversicherung, wie die Kollegen Glombig und Schmidt schon festgestellt haben, nichts Konkretes. Ich glaube, darum ist es für die weitere Diskussion, vielleicht auch für die Oppositionsredner im weiteren Verlauf der Diskussion, notwendig, hier noch einmal in aller notwendigen Komprimierung auf die Fakten der gegenwärtigen Rentenkonsolidierung einzugehen, d. h. auf das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz und das Zehnte Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung.
Mit diesen beiden Gesetzen gibt es klare, ehrliche und für jeden nachprüfbare Vorschläge für die Erhöhung der Renten und der Kriegsopferleistungen bis einschließlich 1981. Gleichzeitig gibt es Strukturverbesserungen in der Kriegsopferversorgung und eine Reihe von Maßnahmen zu mehr Beitragsgerechtigkeit in der Rentenversicherung.
Im Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz legen wir fest, daß die Renten 1979 um 4,5 % und in den Jahren 1980 und 1981 um jeweils 4 % erhöht werden. Das ist insgesamt eine Erhöhung von 13 % oder um 30 Milliarden DM. Das ist unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Preissteigerungsrate in jedem Jahr eine reale Erhöhung der Kaufkraft der Renten. Ich meine, darauf können die deutschen Arbeitnehmer, die dafür die Beiträge aufbringen, stolz sein, daß sie das Jahr für Jahr fertigbekommen.
Es trägt nicht zur Klarheit über die Situation der Rentenversicherung bei, wenn beispielsweise gestern im „Münchner Merkur" von dem Kollegen Müller zu lesen war — und das kam heute auch in einer entsprechenden Frage des Herrn Kollegen Hasinger zum Ausdruck —: Wenn die Erhöhung nach der Bruttolohnformel erfolgte, wären es 9 % weniger.
— Nach Ihrer Ausage bekommen die Rentner 9 % weniger, als wenn es nach der Bruttolohnformel ginge. Damit erwecken Sie — die Berichterstattung im „Münchner Merkur" und die Überschrift beweisen das — den Eindruck, als bekämen die Rentner in Zukunft weniger und nicht mehr.
Sie verschweigen, daß, wenn man Ihre Vorschläge annähme — aber sie sind ja gar nicht so konkret, daß man sie annehmen kann —,
durch die Erhebung des Krankenversicherungsbeitrags, im Abzugsverfahren diese Summe den Rentnern ja auch nicht als Kaufkraft zur Verfügung stünde, wodurch es auch weniger wäre als nach der Bruttolohnformel. Das ist dieser Buchhaltungstrick, mit dem Sie versuchen, die Leute zu verdummen, aber das wird Ihnen nicht gelingen!
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ?
Bitte.
Herr Müller, bitte.
Herr Bundesminister, zweifeln Sie etwa die Zahlen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger an? Von diesem stammen nämlich diese Zahlen. Danach wird das Rentenniveau bei der ersten Erhöhung um 4,5 % eben 3,7 % niedriger sein, im Jahre 1980 6,6 %, im Jahre 1981 9,1 % und im Jahre 1982 9,3 %. Wollen Sie diese Zahlen anzweifeln? Dann lassen Sie das bitte einmal nachrechnen und geben Sie dem Hohen Hause Bescheid, ob sie stimmen oder nicht.
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7472 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Herr Müller, ich zweifle diese Zahlen überhaupt nicht an.
Ich will das, was ich gesagt habe, gerne wiederholen. Lesen Sie bitte selber, Herr Müller, die Überschrift, die der „Münchner Merkur" über Ihre Ausführungen gesetzt hat. Dort stand nämlich als Überschrift: „Renten 9 °/o niedriger."
Das ist es, was den Rentnern im Bewußtsein bleibt und womit Sie gezielt den Eindruck erwecken wollen,
die Rentner bekämen weniger als bisher. Genau das ist die Täuschung, die Sie versuchen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Bundesminister?
Nein.
Nein, keine Zusatzfrage mehr, Herr Kollege Müller. — Fahren Sie dann bitte fort.
Ich folge hier dem Beispiel des Kollegen Franke, der gar keine Zwischenfrage zugelassen hat. Eine ist sehr viel mehr als keine.
— Allerdings! So ist das mit der Prozentrechnung.
Sie versuchen gleichzeitig, den Eindruck zu erwekken, als ob sich die Rentner mit Ihren Vorschlägen — nämlich die Renten nach der Bruttolohnformel zu erhöhen und dann einen Abzug vorzusehen, den Sie Krankenversicherungsbeitrag nennen, obgleich er mit der Krankenversicherung nichts zu tun hat — besserstehen würden. Dabei kann man vorrechnen, daß sich die Rentner mit Ihrem Vorschlag, den Sie ja aus guten Gründen nie konkretisieren, für den Sie die Zahlen nie nennen, schlechterstehen würden als nach der Regierungsvorlage.
— Das trifft zu, Herr Hasinger. Ich habe es Ihnen zugeschickt; Sie haben es nachgerechnet. Sie müssen ja einen Grund dafür haben, daß Sie nicht sagen, wie hoch der Krankenversicherungsbeitrag nach Ihren Vorstellungen sein soll.
Wenn Sie Ihrer Sache sicher wären, wäre ja wohl das Wenigste, was Sie tun müßten, zu sagen, wie hoch er nach Ihrem Vorschlag sein soll. Sie haben das bis jetzt nicht getan, und Sie haben auch keinen Antrag gestellt, in dem das steht.
Sie stellen lediglich einen Antrag, es bei der Bruttolohnformel zu belassen, und dann heißt es: Alle Folgeänderungen müssen berücksichtigt werden. Einen dermaßen unklaren und gar nicht zu befolgenden Antrag habe ich in diesem Hause noch nicht gesehen. Das zeigt nur, wie wenig ernst Sie es mit Ihrem Antrag meinen.
Im Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz steht klar und deutlich, daß 1982 die Rentenberechnung wieder bruttolohnbezogen erfolgen wird. Das steht dort nicht als Absicht, sondern es steht im Gesetz. Wer das nicht will, der müßte dieses Gesetz ändern. Da ich davon ausgehe, daß wir auch 1982 regieren werden, und wir nicht die Absicht haben, das zu ändern, kann sich auch jeder darauf verlassen.
— Ich würde mich nicht — wie der Kollege Franke— auf Landtagswahlen beziehen, wenn ich in Hamburg gerade ein Siebentel meiner Wähler verloren hätte, wie es die CDU hat. Darauf würde ich mich nicht beziehen.
— Ich habe mich mit meinem Kollegen Farthmann oft und ausgiebig unterhalten. Darüber brauche ich mit Ihnen nicht zu steiten, was ich mit Herrn Kollegen Farthmann zu tun habe.
— Das hat Herr Farthmann einmal getan. Es ist ja wohl das gute Recht jedes Sozialpolitikers, verschiedene Methoden für richtig zu halten. Inzwischen sind wir uns in unserer Meinung sehr einig über das, was hier zu geschehen hat.
— Ob Sie das glauben, ist dabei nicht sehr interessant, Herr Hasinger.Hier muß noch einmal gesagt werden, daß mit diesem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz, der vorübergehend, als Übergangsphase, eingebauten Verlangsamung der Zuwächse in drei Jahren, das Prinzip der bruttolohnbezogenen Rente genausowenig in Frage gestellt wird, wie es 1958 durch ihre Anpassung von null Prozent in Frage gestellt wurde.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7473
Bundesminister Dr. EhrenbergNiemand hat damals das Prinzip bezweifelt, obwohl das Zurückbleiben im Verhältnis von 7,2 zu 4,5 % ja wohl nicht so eklatant ist wie die Anpassung von null Prozent im Jahre 1958.Ich glaube, es ist gut und richtig, hier noch einmal daran zu erinnern, wie dieses Prinzip gewirkt hat und was dazu geführt hat, daß diese Korrektur eingeführt werden mußte. In den Jahren 1957 bis 1969, in zwölf Jahren, ist einmal die Anpassung unterblieben. In diesen Jahren haben sich die Nettolöhne und -gehälter der Arbeitnehmer um 116/%, die Sozialrenten um 111 und die Kriegsopferleistungen um 103 % erhöht. In den neun Jahren, die wir zu verantworten haben, von 1969 bis 1978, sind die durchschnittlichen Löhne und Gehälter um 98 %, die Renten um 124 %,
die Kriegsopferleistungen um 139 % und die Witwenrenten um 158 % gestiegen.
— Herr Franke, das waren gewollte sozialpolitische Verbesserungen für jenen Kreis, dessen Niveau am niedrigsten war, als Sie die Verantwortung ablegen mußten.
Diese gewollten sozialpolitischen Verbesserungen werden durch das, was wir tun, nicht in Frage gestellt, sondern stabilisiert.
— Nein! Wir haben heute nach 45 Versicherungsjahren ein Niveau von 73,5 % des Nettoarbeitseinkommens eines vergleichbaren Arbeitnehmers
und nach 40 Versicherungsjahren von 65,3 %.
— Herr Kollege Franke, das ist das höchste Rentenniveau, das es in der Bundesrepublik je gab,
und dieses Rentenniveau wird durch unsere Maßnahmen stabilisiert, und das hält jeden internationalen Vergleich aus.
— Herr Franke, Sie können mich durch noch so viele Zwischenrufe nicht daran hindern, diesem Hause und der Offentlichkeit zu sagen, daß unsere Vorlage dieses hohe Rentenniveau, und zwar das höchste Rentenniveau, das bisher erreicht worden ist, stabilisiert und festhält.
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?
Nein, das mache ich jetzt nicht.
— So fair wie Herr Franke, hundert Prozent fairer als er. Ich kann es Ihnen nicht antun, mehr als hundert Prozent fairer zu sein als Herr Franke.
So schätze ich den Kollegen Franke, um das nicht zu tun.Ab 1982 werden die jetzt pauschal von der Rentenversicherung an die Krankenversicherung gezahlten Beträge einmalig als zusätzliche Erhöhung den Renten zugeschlagen. Dann wird jeder Rentner selbst krankenversicherungspflichtig. Für jeden Rentner bleibt dies eine belastungsneutrale Angelegenheit, nur für den nicht, der zusätzlich zu seiner Rente aus der sozialen Rentenversicherung andere vergleichbare Alterseinkommen bezieht. Da werden die Krankenkassen in Zukunft berechtigt und verpflichtet, auch diese Einkommen zur Beitragszahlung heranzuziehen. Das ist dann ein echter Krankenversicherungsbeitrag, der auch etwas mit der Krankenversicherung zu tun hat, nicht das von Ihnen vorgeschlagene Rentenabzugsverfahren. Wir schaffen damit ein großes Stück mehr Beitragsgerechtigkeit in der Krankenversicherung.Damit die Konsolidierung rund und komplett ist, haben wir weiter zum 1. Januar 1981 vorgesehen, den Beitragssatz um einen halben Prozentpunkt mit der Maßgabe zu erhöhen, daß die Erhöhung — wie heute schon in der Arbeitslosenversicherung — durch Rechtsverordnung ausgesetzt werden kann, wenn die Finanzsituation der Rentenversicherung diese Erhöhung um ein halbes Prozent nicht notwendig macht. Die Beitragszahler werden damit, aus Konjunkturgründen versetzt, an der Konsolidierung in einer angemessenen Größenordnung beteiligt.Es muß auch festgehalten werden: Der Dynamisierungsverbund zwischen Rentenversicherung und Kriegsopferversorgung bleibt erhalten. Er darf auch nicht in Frage gestellt werden; denn dieser Verbund allein garantiert den Kriegsopfern jährliche reale Einkommensverbesserungen. Die Anpassung der Kriegsopferrenten stützt sich auf § 56 des Bundesversorgungsgesetzes. Dementsprechend werden die Kriegsopferleistungen so erhöht wie die Renten aus der Arbeiterrentenversicherung.Die Aufrechterhaltung des Dynamisierungsverbundes dient langfristig den Interessen der Kriegsopfer am meisten. Die Kriegsopfer nehmen in gleichem Umfang am Zuwachs der wirtschaftlichen Entwicklung teil wie auch die Rentenempfänger aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sollten mit Ihren Äußerungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Leistungen der Kriegsopferversorgung untrennbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung verbunden sind; denn sie werden aus dem allge-
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Bundesminister Dr. Ehrenbergmeinen Steueraufkommen finanziert. Langsameres wirtschaftliches Wachstum bedeutet auch langsamer steigende Steuereinnahmen. Man dient den Interessen der Kriegsopfer nicht damit, wenn man unerfüllbare Forderungen stellt.
Wer verantwortungsbewußt für die Interessen der Kriegsopfer eintritt und nicht nur nach kurzfristigem Tagesbeifall schielt, der muß die strikte Aufrechterhaltung des Dynamisierungsverbundes auf alle Fälle verteidigen, der muß auch erkennen, welch große Leistung es bedeutet, unter ökonomisch schwierigen Bedingungen und den gegenwärtigen Arbeitsmarktnöten Jahr für Jahr reale Einkommensverbesserungen für Kriegsopfer und Rentner aufzubringen, während zur gleichen Zeit in anderen europäischen Staaten die Inflationsraten die Verbesserungen längst überrollt haben.
Ich glaube, es ist notwendig, auch in diesem Hause auszusprechen, daß die steuerzahlenden Arbeitnehmer und die gewerbliche Wirtschaft stolz darauf sein können, diese Leistungen möglich zu machen. Es stünde Verbandspräsidenten und Politikern gut an, anzuerkennen, welche Leistung hier erbracht wird.Im Gefolge der tiefgreifenden Weltmarktverzerrungen seit 1973 ist — —
— Da haben wir auch die Ursache, Herr Nordlohne. Das wissen Sie in Südoldenburg sicher nicht. Aber das ist unbestritten so. Es wird sich irgendwann auch bis Südoldenburg herumsprechen, Herr Nordlohne. Da bin ich ganz sicher.
— Ich bin doch nicht gereizt. Nur, wenn Herr Nordlohne nie etwas dazulernt — diesen Zwischenruf höre ich jetzt schon zum 20. Mal —, muß ich deutlich sagen, wie das ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nordlohne?
Bitte, Herr Nordlohne, als mein Gegenkandidat im Wahlkreis sollen Sie mich gern etwas fragen dürfen.
Herr Minister, da Sie auf die Weltwirtschaftslage abhoben, darf ich doch noch einmal fragen, inwieweit Sie selbst als früherer Sprecher Ihrer SPD-Fraktion für die Wirtschaftspolitik in diesem Lande verantwortlich waren, der Sie im deutschen Volk immer wieder darauf hingewiesen haben, daß die Arbeitslosigkeit Mitte des Jahres 1977 kein ernsthaftes Problem mehr sei.
Herr Nordlohne, ich fühle mich für die Wirtschaftspolitik dieser Regierung sowohl in der vergangenen als auch in dieser Legislaturperiode verantwortlich. Ich bin stolz darauf,
daß wir es mit unserer Stabilitäts- und Wachstumspolitik erreicht haben, neben der Schweiz die geringste Preissteigerungsrate zu haben sowie die niedrigste Arbeitslosenquote und ein Wirtschaftswachstum zu haben, das sich unter den schwierigen Weltmarktbedingungen durchaus noch sehen lassen kann, wenn es auch niedriger ist als erwartet.
Ich habe keinen Anlaß, meine Verantwortung an dieser Wirtschaftspolitik zu verschweigen.Ich muß noch einmal auf das zurückkommen, was Herr Franke zur Wirtschaftspolitik des Bundeskanzlers in der Welt sagte. Ich kann von Ihnen, Herr Franke, nicht erwarten, daß Sie das große Ansehen und die Leistung des Bundeskanzlers anerkennen.
Das ist nicht Sache der Opposition. Aber es würde auch Ihnen gut anstehen, daß große ökonomische Ansehen des Bundeskanzlers in der Welt, das der Bundesrepublik Deutschland nützt, wenigstens zu respektieren, wenn schon nicht anzuerkenen.
— Sie sind nicht das Meßinstrument, Herr Franke, dazu gehört ein wenig mehr.
- Der Wähler hat in Hamburg bewiesen, wie es ist.
— Auch in Niedersachsen ist Ihre Position im Vergleich zum Jahr davor nicht besser und nicht schlechter als unsere.
Wir haben 1,2 Millionen Arbeitsplätze weniger als 1973.
— Es sind 1,2 Millionen. Ich muß Ihnen Ihre 1,6 Millionen noch einmal widerlegen. Bei Ihren Zahlen, Herr Franke, zählen Sie mithelfende Familienangehörige mit. Bezogen auf die Arbeitsplätze der gewerblichen Wirtschaft sind es 1,2 Millionen, und diese 1,2 Millionen sind die Beitragszahler der Rentenversicherung und nicht die von Ihnen mitgezähl-
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Bundesminister Dr. Ehrenbergten mithelfenden Familienangehörigen, die in der Statistik seit 1973 nicht mehr enthalten sind.
— Nein, das ist nicht falsch. Das können Sie nachlesen. Fordern Sie die entsprechenden Unterlagen beim Statistischen Bundesamt an! Sie bekommen sie gratis zugeschickt. Wenn Sie es gern wollen, kann ich sie Ihnen auch selber zustellen.Auf alle Fälle sollte jeder, der die Erhöhungen um 4,5 % netto mit dem abqualifizierenden Wörtchen „nur" versieht, daran denken, was es für die in ihrer Zahl um ein Zwanzigstel geschrumpften Beitragszahler und Steuerzahler bedeutet, diese 4,5 % netto jedes Jahr aufzubringen.
Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung, gerade den Kriegsopfern gegenüber, sehr bewußt. Wir sind darum auch trotz der angespannten Finanzlage zu strukturellen Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung bereit. Es sollte aber auch jeder in diesem Hause anerkennen, daß wir mit diesen 160 Millionen DM und der sorgfältigen Auswahl der damit erreichten Verbesserungen an die Grenze des zur Zeit im Bundeshaushalt Möglichen gegangen sind.Es verdient vielleicht öffentliche Aufmerksamkeit, wie sehr das Gewicht der finanziellen Leistungen für Kriegsopfer im Bundeshaushalt unter Berücksichtigung der rückläufigen Zahl der Leistungsempfänger zugenommen hat. Ich darf darin erinnern: Der Anteil des Kriegsopferhaushalts am Gesamthaushalt betrug 1957 10,9 % und er ist von 1957 bis 1969 von 10,9 °/o auf 6,4 % abgesunken. Seit dieser Zeit ist er, obwohl die Zahl der Kriegsopferleistungsempfänger von 2,6 Millionen auf 2 Millionen gesunken ist, bei diesem 1969 erreichten Anteil von 6,4 % geblieben. Und — das wirkt viel eindrucksvoller und zeigt die gewaltige Anstrengung zur Verbesserung der Kriegsopferleistungen in den letzten neun Jahren —: Die insgesamt ausgegebenen Mittel sind von 6,3 Milliarden DM im Jahre 1969 auf 12,5 Milliarden DM für den Haushalt 1979 angestiegen. Es wäre gut, wenn sich auch die Opposition bereitfinden könnte, hier anzuerkennen, zu welchen Leistungen die Bundesrepublik Deutschland zur Erleichterung der Situation jener Bürger bereit ist, die unter den Opfern zweier Kriege am härtesten zu leiden hatten. Es wäre gut, wenn diese Fakten nicht abqualifiziert würden, wenn in Zeiten ökonomisch schwieriger Bedingungen die Steigerungen für die nächsten drei Jahre hinter den Erwartungen vergangener Jahre zurückbleiben, aber in jedem Jahr reale Einkommensverbesserungen stattfinden.Meine Damen und Herren, ich würde in diesem Zusammenhang gern noch etwas zu den wirtschaftlichen Zusammenhängen sagen, weil der Kollege Franke hier so ausgiebig und so wenig objektiv darauf eingegangen ist. Herr Kollege Franke, Sie haben bezweifelt, daß die Annahme einer 5,5-%igen Steigerung für das Jahr 1978 realistisch ist.Die Beitragseinnahmen der sozialen Rentenversicherung von Januar bis Mai liegen bereits um mehr als 5,5 °/o höher als im Vorjahr, und wer die Tarifabschlüsse, die so gut wie gelaufen sind, in ihren Wirkungen wertet, kann auch nicht zu dem Schluß kommen, daß sich der jetzt erreichte Stand von etwas mehr als 5,5 % Steigerung bis zum Ende des Jahres wesentlich verändern wird. Soviel zum Jahr 1978, wo Ihre Zweifel schlicht durch die gegenwärtigen Fakten widerlegt werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister Ehrenberg, haben Sie ,Ihre eigenen Worte von vor einem Jahr noch im Ohr, als Sie auf eine diesbezügliche Frage von mir sagten, die ersten Monate der Beitragseinnahmen in der Rentenversicherung seien nicht repräsentativ?
Das waren nicht die ersten Monate, sondern der erste Monat, also der Januar,
und der ist es nie.
Jetzt aber, Herr Franke, haben wir die Monate von Januar bis Mai. Die Zahlen, die ich Ihnen eben nannte, beziehen sich auf den Zeitraum bis einschließlich Mai.
Und selbst wenn es so sein sollte, daß sich hier etwas abflacht, besteht, da wir zur Zeit über 5,5 % liegen, bei richtiger Wertung der effektiven Auswirkungen der gegenwärtigen Lohnabschlüsse kein Anlaß, daran für das Jahr 1978 zu zweifeln.
— Ich kann Ihnen viele Prognosen nennen, die nicht gestimmt haben, und andere, die gestimmt haben. Das ändert sich von Jahr zu Jahr. Aber ich will Ihnen gerade zu den Prognosen etwas sagen.Niemand wird ja wohl — und Sie doch wohl am allerwenigsten — für sich in Anspruch nehmen können, daß er die Zukunft exakt voraussagen kann. Trotzdem kann niemand — weder die Sozialversicherung noch die Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden — auf eine Vorausschätzung verzichten.
Ganz bewußt legen wir unseren Zahlen für die Zukunft dieselben Annahmen zugrunde, wie sie dermittelfristigen Finanzplanung von Bund und Län-
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Bundesminister Dr. Ehrenbergdern zugrunde gelegt werden, wie sie also auch beispielsweise von den Finanzministern von Schleswig-Holstein und von Baden-Württemberg — wenn Ihnen die zuverlässiger erscheinen als wir — zugrunde gelegt werden.
Diese Zahlen sind mit der Bundesbank und mit den Konjunkturforschungsinstituten abgestimmt. Natürlich können sie trotzdem von der Entwicklung überrollt werden. Aber ich bitte Sie: Wenn Sie etwas anderes erwarten, müßten Sie ja vielleicht so freundlich sein und das Geheimnis verraten,
wie jemand konkreter und genauer als die Bundesbank, die Konjunkturforschungsinstitute und der in Bund und Ländern vorhandene finanzpolitische Sachverstand gemeinsam schätzen kann. Wenn Sie es besser können, legen Sie Ihre Schätzungen vor, und am Jahresende werden wir vergleichen, wer recht hat.
— Ja, aber nicht besser!
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister Ehrenberg, ich habe hier das Protokoll der Ausführungen der Sachverständigen und des Vertreters der Bundesbank. Ist Ihnen bekannt, daß sie gesagt haben, diese Hypothesen machten die Risiken dieser Annahmen — bezogen auf die Annahmen der Bundesregierung —schon deutlich?
Es gibt keine Annahmen ohne Risiken, Herr Kollege Franke. Nur, bisher hat die Entwicklung unsere Annahmen für 1978 bestätigt, und für die Folgejahre haben wir auf die Kommastelle genau dieselben Risiken, wie sie die gesamte mittelfristige Finanzplanung von Bund und Ländern auch enthält, nicht mehr und nicht weniger. Und mehr kann niemand bei der Vorausschau in die Zukunft leisten, auch nicht die von Ihnen regierten Bundesländer. Unmögliches sollten Sie auch von der sozialliberalen Koalition nicht verlangen. Wir leisten viel, aber Unmögliches können auch wir nicht, nämlich die Zukunft exakt voraussehen.
In diesem Zusammenhang muß ich auf eine Bemerkung des Kollegen Franke zu 1966/67 eingehen. Es ist gar kein Zweifel, daß die Wirtschaftskrise 1966/67 sehr viel harmloser, in ihren Auswirkungen sehr viel bescheidener war als das, was wir seit 1973 erleben. Es ist aber auch kein Zweifel, daß die Krise damals in einer Welthochkonjunktur stattfand, während sie diesmal vom Weltmarkt zu uns herübergekommen ist. Aber, Herr Kollege Franke, so harmlos kann das 1966/67 doch nicht gewesen sein; sonst hätte es doch wohl nicht sein können, daß unter der Verantwortung des Kollegen Katzer die Beiträge vor dem Hintergrund dieser kleinen, scheinbar so harmlosen Wirtschaftskrise schrittweise von 14 auf 18 % erhöht und unter der gemeinsamen Verantwortung des Finanzministers Strauß und des Kollegen Katzer die Bundeszuschüsse gekürzt worden sind.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hasinger und eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ?
Nein, ich möchte jetzt in meiner Rede fortfahren.Es hängt mit vielen Dingen zusammen, aber in erster Linie mit den Finanzauswirkungen der von Ihnen als so harmlos hingestellten Wirtschaftskrise.
— Aber, verehrter Herr Franke, die Bundeszuschüsse sind ja wohl nicht wegen des Rentnerberges gekürzt worden; das kann man doch wohl beim besten Willen nicht behaupten. Sie sind vielmehr wegen der schwachen Bundesfinanzen im Jahre 1967 und aus keinem anderen Grund gekürzt worden. Wir haben nie zu einer Kürzung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung gegriffen. Das blieb dem Finanzminister Strauß vorbehalten, seit diese Republik besteht.
— Wir haben das getan, aber unter 'der Verantwortung von Herrn Strauß. Sie differenzieren doch so gern nach Ressortverantwortung, aber nicht dann, wenn es auf Sie zurückfällt; dann haben Sie das nicht gern.Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, hier noch etwas zum Konzept des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu sagen; denn Herr Franke hat sich so sehr auf die Gewerkschaften bezogen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat einen anderen Vorschlag erarbeitet als die Bundesregierung. Die Hälfte des Sozialbeirats ist ihm gefolgt. Die andere Hälfte — insofern sollte man vorsichtig sein zu sagen: fast alle Sachverständigen — hält
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Bundesminister Dr. Ehrenbergdas Konzept der Bundesregierung für besser, der Vorsitzende eingeschlossen, dem man Sachverstand in diesen Fragen ja wohl nicht wird absprechen können.Der Deutsche Gewerkschaftsbund schlägt vor, eine Beitragserhöhung schon zum 1. Januar 1979 vorzunehmen und einen im Gegensatz zu Ihren Vorstellungen präzise bezifferten Krankenversicherungsbeitrag einzuführen. Das ist ein in sich stimmiges, geschlossenes, durchgerechnetes Konzept, nicht so etwas wie Ihre politische Alternative, die, wie Sie sagen, keine rechnerische Alternative sei. Dabei heißt „nicht rechnerisch" eben: nicht durchgerechnet und damit für die Bürger nicht erkennbar.Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat hier eine klare Alternative. Wir haben sie sehr gründlich geprüft, sind ihr aber nicht gefolgt, weil wir glauben, daß im Jahre 1979 Beitragserhöhungen konjunkturell nicht förderlich wären, sondern die Gefahr besteht, daß aus Beitragserhöhungen 1979 negative Rückwirkungen auf die Konjunkturentwicklung zu befürchten wären. Aber Respekt und Anerkennung vor dem Mut und der Verantwortungsbereitschaft der deutschen Gewerkschaften, daß sie bereit sind, in einer so schwierigen Frage politische Verantwortung mitzutragen, was man der Opposition eben nicht bescheinigen kann!
Herr Franke, angesichts Ihres Versuchs, hier mit Blick auf die Gewerkschaften um Zustimmung zu werben, muß ich Sie fragen: Zustimmung wozu? Zu einem Krankenversicherungsbeitrag, den Sie nicht beziffern, von dem weder Arbeitnehmer noch Rentner wissen, wie hoch er ist, um welchen Betrag er die Rente verringern würde?
Zustimmung zu Ihrem Änderungsantrag Drucksache 8/1871, der im zweiten Absatz nur Folgeänderungen enthält, wobei niemand weiß, was Sie damit eigentlich alles gemeint haben? Es handelt sich um einen Antrag, der gar nicht konkretisiert ist. Oder es geht um die Zustimmung zu der von Ihnen geforderten Erhöhung der Bundeszuschüsse, wo man als Dekkungsvorschlag ja wohl nur auf Herrn Strauß verweisen kann, der, wie im „Handelsblatt" nachzulesen ist, Steuersenkungen fordert. Aber Steuersenkungen als Deckung für erhöhte Bundeszuschüsse — das ist ein kleines Einmaleins, das Ihnen vorbehalten ist. Das kann die Bundesregierung nicht nachvollziehen.
— Nein, das war der Volkswirt Franke,
der den Vorschlag gemacht hat, die Bundeszuschüsse zu erhöhen, während die eigene Fraktion gleichzeitig Steuersenkungen fordert. Das kann ja wohl nicht funktionieren. So, glaube ich, muß man für die Offentlichkeit noch einmal deutlich erkennbar feststellen, daß es eine Alternative der CDU nicht gibt. In diesem Zusammenhang in aller Kürze noch einige Anmerkungen zu den Versuchen, die Ihr Generalsekretär neuerdings gemacht hat, nämlich sozialpolitische Kompetenz für die CDU zu reklamieren und gleichzeitig der Offentlichkeit weiszumachen, die Bundesregierung würde die Einigung Europas mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz blokkieren. Allein ein Hinweis • auf Preissteigerungsraten in Italien mit 17 %, in Frankreich mit 9 °/o, in Belgien mit 7 % und ein Vergleich mit den dortigen Leistungsverbesserungen widerlegt Herrn Geissler gründlicher als alles andere. Herr Geissler sollte auch wissen — wenn er es nicht weiß, so hoffe ich, daß die sachverständigen Kollegen hier ihn darauf aufmerksam machen —, daß es die Initiative der Bundesregierung war, die den Beschluß des EG-Ministerrats aus dem Jahre 1974 zur — ich darf zitieren „schrittweisen Einführung von Verfahren zur Anpassung der Sozialleistungen an den wachsenden Wohlstand in den einzelnen Mitgliedstaaten" maßgeblich veranlaßt hat. Es bedarf schon einer sehr um die Ecke herum gedachten Semantik, ausgerechnet dieser Bundesregierung dann zu unterstellen, sie würde mit ihrer Rentenpolitik die Einigung Europas hemmen.Auch in der von Herrn Geissler vorgelegten Dokumentation wird uns nicht eine einzige Leistung nachgewiesen, die nicht dynamisiert wäre, während es in vielen europäischen Staaten, wie aus dem Bericht der EG-Kommission hervorgeht, eine lange Reihe von noch nicht dynamisierten oder gerade nur preisindexierten Sozialleistungen, die also reale Verbesserungen nicht beinhalten, gibt. Ich möchte Sie doch sehr herzlich bitten, Ihren Generalsekretär, der das aus seiner früheren Tätigkeit zwar auch genau weiß, doch noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Bundesrepublik Deutschland, sowohl was die Dynamisierung ihrer Leistungen als auch was die Höhe ihrer Leistungen in der Rentenversicherung und im Kriegsopferrecht angeht, keinen europäischen Vergleich zu scheuen braucht.
Ein weiterer Vorwurf, den Herr Geissler erhebt, ist, wir würden mit diesem 21. Rentenanpassungsgesetz — ich darf zitieren — „die Einheitsrente durch die Hintertür einführen". Deutlicher als in Ihren Vorschlägen ist die Leistungsbezogenheit zwischen Beiträgen und Renten ja wohl in dem Regierungsvorschlag enthalten. Ihr Vorschlag eines sozial gestaffelten Krankenversicherungsbeitrags läßt diesen Bezug sehr viel weiter hinter sich als alle Vorschläge der Bundesregierung. Ich wäre durchaus bereit, über einen solchen Vorschlag zu reden. Nur, wer einen solchen Vorschlag macht, der darf ja wohl nicht wie Herr Geissler der Bundesregierung vorwerfen, sie würde mit ihren streng an der Beitragsgerechtigkeit anknüpfenden Vorschlägen die Einheitsrente durch die Hintertür einführen wollen. Das ist eine bewußte Diffamierung durch Herrn Geissler, dem CDU-Generalsekretär.
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Bundesminister Dr. Ehrenberg— Ich sagte allerdings „Beitragsgerechtigkeit", Herr Kollege Müller, die wir mit einer Vielzahl von Bestimmungen im Zwanzigsten und Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz verbessert haben, wie Sie nur allzugenau wissen.
— Das ist nicht Anpassung nach Willkür,
sondern Anpassung nach den wirtschaftlichen Zuwächsen,
und dies ist in keinem Fall so willkürlich wie Ihr Krankenversicherungsbeitrag im Abzugsverfahren, von dem Sie noch nicht einmal sagen, wie hoch er ist. Willkürlicher kann man ja wohl mit Zahlen nicht umgehen, als Sie es tun. Oder können Sie mir jetzt endlich sagen, wie hoch Ihr willkürlicher Abzug wäre, wenn Sie die Mehrheit hätten, ihn durchzusetzen?Das, was Herr Geissler als soziale Kompetenz für die CDU/CSU reklamiert, hat sich in seiner eigenen Dokumentation und erst recht in der Berichterstattung zum Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz und auch in dem, was der Kollege Franke hier gesagt hat, deutlich als soziale Inkompetenz herausgestellt.
Diese soziale Inkompetenz haben Sie mit Ihren nicht konkreten, nicht durchgerechneten, als politische Alternative aufgemopften Vorschlägen heute hier in aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt.Abschließend möchte ich hier noch einmal folgendes betonen. Es geht der Bundesregierung bei den vorgelegten Gesetzentwürfen um die Sicherung des Generationenvertrages, um die Teilhabe der Rentner am wirtschaftlichen Wachstum durch dynamische Renten, um die Stabilisierung der sozialen Sicherung auf hohem Niveau. Diesen Zielen dienen nicht nur die vorgeschlagenen Erhöhungen von insgesamt 13 °/o für die nächsten drei Jahre, sondern auch die Strukturverbesserungen in der Kriegsopferversorgung und die Maßnahmen zu mehr Beitragsgerechtigkeit in der Rentenversicherung.Es wäre der Sozialpolitik in diesem Lande ein großer Dienst getan, wenn über diese konkreten Fakten so objektiv und konkret diskutiert würde, wie es der Ernst dieses Themas erfordert. Um konkret über vielleicht bessere Vorschläge diskutieren zu können, ist es aber, wenn es um die Konsolidierung von Finanzen geht, ja wohl notwendig, daß die Gegenvorschläge beziffert und durchgerechnet auf den Tisch gelegt werden. Mit einer politischen Alternative kann kein Rentner etwas anfangen. Er will auf seinem Rentenbescheid in Mark und Pfennig wissen, wieviel mehr er bekommt.
Darum wird über diesen Vorschlag auch so befunden werden, wie er es verdient: Er kommt zu den Akten. Der Entwurf der Regierungsparteien wird Gesetz werden und jedem Rentner die Sicherheit geben, die er braucht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geisenhofer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers Dr. Ehrenberg und des Herrn Kollegen Glombig. Aber vorher eine Frage und Feststellung: Warum ist die Regierungsbank bei dieser wichtigen Debatte, die nicht nur Millionen Rentner angeht, sondern das gesamte deutsche Volk betrifft, so leer?
Herr Bundesarbeitsminister Dr. Ehrenberg, Ihre Rede war eine einzige Rechtfertigung Ihres bisher schwerstwiegenden Systembruchs der deutschen Sozialversicherung. Sie sind dabei, die große sozialpolitische Tat der Nachkriegszeit, nämlich die Einführung der bruttolohnbezogenen Rente, zu Grabe zu tragen, die auch einmal von der SPD als große soziale Tat gewürdigt wurde.
Herr Kollege Glombig, Sie sagten, der Kollege Franke habe sich in seiner Rede mit allen anderen Dingen befaßt, nur nicht mit dem, was auf der Tagesordnung steht.
Sie haben das gesagt, weil er sich auch mit der Wirtschaftspolitik befaßt hat. Darf ich Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, sagen: Die Tragik der leeren Kassen in allen Bereichen ist dadurch entstanden, daß Sie die Wirtschaftspolitik sträflich vernachlässigt und die Sozialpolitik als selbständige Größe betrachtet haben.
Wir von der CDU/CSU wissen, daß Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik untrennbar miteinander
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Geisenhoferverbunden sind, weil man sozialpolitisch nicht mehr ausgeben kann, als man wirtschaftspolitisch erarbeitet hat.
Namens der CDU/CSU-Fraktion nehme ich zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes Stellung. Dieser Gesetzentwurf überträgt die DreiJahres-Abkoppelung der Rentenanpassung nach dem 21. Rentenanpassungsgesetz auf das Bundesversorgungsgesetz und damit auf Kriegsopferrenten, ohne daß hierfür eigentlich ein zwingender Grund vorhanden ist. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, machen das ja auch nicht bei der Unfallversicherung. Die Kriegsopfer fragen daher mit Recht: Was haben die Kriegsopferrenten mit der defizitären Lage der Rentenversicherung zu tun? Die Kriegsopferrenten werden doch nicht durch Beiträge, sondern aus dem Bundeshaushalt finanziert.
Der bereits im 9. Kriegsopferanpassungsgesetz geänderte § 56 des BVG bedingt, daß entsprechend dem 21. RAG mit seiner Anknüpfung an die Arbeiterrentenversicherung im Jahr 1979 auch die Kriegsopferrenten statt nach dem Bruttosystem in Höhe von 7,2 % nur noch um 4,5 % angepaßt und in den Jahren 1980 und 1981 statt um 6,2 % und 6,1 % nur noch um 4% erhöht werden.
Das bedeutet auch im Kriegsopferbereich wesentliche Anpassungsverluste. Wir sagen nicht, daß die Rentner jetzt um soundso viel Prozent weniger bekommen. Aber die Anpassungsverluste sind so gravierend und entscheidend.
Denn weder die von der Union geforderte Bruttoanpassung noch die von der Regierung versprochene Nettoanpassung — und hier ist wieder ein Wortbruch — werden verwirklicht, sondern es geschieht eine Anpassung nach Willkür.
Sie durchbrechen ein System: unser bewährtes Bruttoversicherungsprinzip, und setzen dafür Willkür ein.Erstmals in der Geschichte der Kriegsopfergesetzgebung sah sich daher die CDU/CSU-Fraktion schweren Herzens im Ausschuß gezwungen, ein Kriegsopfergesetz abzulehnen. Wir werden und müssen es auch heute im Plenum ablehnen, wenn Sie unsere Änderungs- und Verbesserungsanträge niederstimmen. Denn wir wollen die Kriegsopfer vor großem Schaden bewahren.
— Ich werde ganz sachlich argumentieren, es sei denn, Sie bringen mich irgendwie in Sturm.
Die Bundesregierung weist zwar darauf hin, daß die Renten in den nächsten drei Jahren um 13 % steigen, verschweigt aber, daß im gleichen Zeitraum nach dem Bruttolohnsystem die Renten um 20 °/o, also um ca. 7 % mehr, steigen würden. Wenn ich die Senkung der allgemeinen Bemessungsgrundlage im 20. RAG noch hinzunehme, dann ist eine Minderung von 9 % zu erwarten. Hierbei ist festzuhalten, daß sich diese Kürzung in der Rentenanpassung auch in Zukunft in jedem einzelnen Rentenfall nachträglich auswirkt, weil das Anpassungsniveau auf viel niedrigerer Ebene angesetzt ist.Diese negativen Auswirkungen werden auch dadurch nicht aufgewogen, daß das 10. Kriegsopferanpassungsgesetz dringend notwendige strukturelle Verbesserungen in Höhe von zirka 160 Millionen DM im Bereich der Heilbehandlung, im Kriegsopferbereich sowie im Rentenrecht enthält. Diesen Strukturverbesserungen werden wir zustimmen, den Systemveränderungen aber werden wir ein hartes Nein entgegensetzen.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsparteien betreiben hier Vernebelungspolitik, indem sie die gravierenden Anpassungsverschlechterungen mit haushaltsmäßig sehr begrenzten Strukturverbesserungen gezielt vermischen.
Es ist Pflicht der CDU/CSU-Opposition, diese Nachteile aufzuzeigen. Denn wer sollte es in diesem Hohen Hause sonst tun?Die schwerwiegendsten negativen Auswirkungen des Gesetzes sind: Erstens. Durch die Drei-JahresAbkoppelung und die willkürlich festgesetzteh Anpassungssätze der Jahre 1979 bis 1981 erleiden die Kriegsopfer erhebliche Anpassungsverluste. In D-Mark ausgedrückt, sind es in den nächsten drei Jahren mehr als 2 Milliarden DM Anpassungsverluste.
Zweitens. Eine Festlegung der Rentenanpassungssätze auch im Kriegsopferbereich für drei Jahre im voraus hält die CDU/CSU für falsch und wegen der nicht voraussehbaren Entwicklung der Durchschnittsjahresentgelte auch nicht für möglich. Es fehlen doch jetzt die Daten für die Zukunft! Daher fordern wir von der CDU/CSU mit Nachdruck die Beibehaltung der jährlichen Bruttolohnanpassung auch in der Kriegsopferversorgung.Was die strukturellen Leistungsverbesserungen in Höhe von zirka 160 Millionen DM betrifft, so stellen wir fest, daß dieser Betrag nicht einmal die Hälfte der durch die Nichtanpassung der Kriegsopferrenten 1978 erzielten Einsparungen im Haushalt, nämlich 425 Millionen DM, ausmacht — nicht einmal die Hälfte!Ich erinnere Sie, vor allem Sie von der SPD/FDP, an die im Bundestag gemeinsam von allen Parteien getragene Entschließung zum 9. Kriegsopferanpassungsgesetz. Hier haben wir gesagt, die eingesparten Beträge müssen sobald wie möglich für Strukturverbesserungen verwendet werden. Wir stellen
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7480 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Geisenhoferfest: Diesen Auftrag der Entschließung hat bisher weder die Bundesregierung noch die Koalition voll erfüllt. Wenn Sie von der SPD/FDP einwenden, daß die Entschließung die Höhe der für die Strukturverbesserungen zu verwendenden Mittel nicht festlegt, dann muß ich Ihnen erwidern, daß kein Wort der Annahme entgegensteht, daß nicht der gesamte Einsparungsbetrag den Kriegsopfern zukommen sollte. Bei dem, der das nicht tut, besteht doch, meine Damen und Herren, der Hintergedanke, den Bundeshaushalt auf dem Rücken der Kriegsopfer sanieren zu wollen.
Es ist ein Propagandatrick: Der Bundesarbeitsminister nimmt zuerst 425 Millionen DM, gibt dann 160 Millionen DM und bezeichnet alles zusammengenommen als eine große soziale Tat der SPD/FDP- Regierung.Die CDU/CSU-Fraktion wird anschließend jene Änderungsanträge im Plenum zur Abstimmung vorlegen, die Sie von der SPD/FDP im Ausschuß abgelehnt haben. Es handelt sich zunächst um den Antrag betreffend Bruttolohnanpassung der Kriegsopferrenten um 7,2 % statt 4,5 % zum 1. Januar 1979. Es handelt sich weiter um den Änderungsantrag zu § 56 BVG, der die Wiederherstellung der jährlichen Anpassung der Kriegsopferrenten entsprechend der Bruttolohnentwicklung zum Ziele hat. Wir stellen diesen Antrag auch mit Bezug auf das Bundesversorgungsgesetz, weil wir von der Union fürchten, daß die jetzt vorgesehene, auf drei Jahre befristete Abkoppelung der Rentenanpassung von der Bruttolohnbezogenheit der Anfang vom Ende unseres bewährten bruttolohnbezogenen Rentensystems ist.Wir werden weiter drei Anträge zur Strukturverbesserung in der Kriegsopferversorgung vorlegen. Das ist erstens ein Antrag zur Verbesserung des § 30, betreffend die Erhöhung des Berufsschadensausgleichs von jetzt vier Zehntel auf fünf Zehntel; denn wir empfinden es als eine Härte, daß die Kriegsopfer den erlittenen Einkommensverlust zu 60 % selbst tragen müssen. Zweitens stellen wir einen Änderungsantrag zu § 40, betreffend die Verbesserung des Schadensausgleichs der Witwen von vier Zehntel auf fünf Zehntel sowie die Erhöhung des Vergleichseinkommens auf 55 v. H. Schließlich ist es drittens der Änderungsantrag zur Verbesserung der Elternrente.Ich betone, die Kosten dieser CDU/CSU-Anträge in Höhe von insgesamt 270 Millionen DM entsprechen den Einsparungen des Bundeshaushalts im Bereich des BVG des Jahres 1978, so daß zusätzliche Mittel nicht benötigt werden, vor allem dann nicht, wenn wir die Minderausgabe von 21 Millionen DM auf Seite 20 dieses Gesetzentwurfes und die Einsparungen berücksichtigen, die sich aus der Aktualisierung der Bemessungsgrundlage des 20. Rentenanpassungsgesetzes ergeben.
Es gibt noch weitere Härten im Bundesversorgungsgesetz, die wir aber mangels vorhandener finanzieller Mittel nicht beseitigen können. Aber ich betone mit Nachdruck: Die CDU/CSU-Fraktion hat die Härten, die das Haushaltsstrukturgesetz 1975 gebracht hat, nicht vergessen, vor allem nicht jene Härten im Zusammenhang mit der Witwen- und Waisenrente nach § 48. Im Lande mehren sich die Beschwerden über diese Härtefälle. Alle unsere Anträge zu § 48 wurden in diesem Hohen Hause von der SPD und der FDP abgelehnt.
Die Diskussion über die Sanierung — das ist ein Punkt, über den ich mich wirklich sehr ärgere — der Finanzierung der Rentenversicherung und Kriegsopferversorgung wurde in der Offentlichkeit durch verzerrte Behauptungen bewußt angeheizt.
— Es wird einseitig behauptet, Herr Glombig — der Herr Bundesarbeitsminister hat das heute ja wieder getan; ich werde darauf gleich anworten —, in den vergangenen Jahren seien die Renten prozentual stärker als die Löhne gestiegen
und die Kriegsopferrenten wiederum stärker als die Sozialrenten.
Meine Damen und Herren, Sie spielen die Arbeitnehmer, die Kriegsopfer und die Sozialrentner gegeneinander aus.
Herr Bundesarbeitsminister, für einen Kleinrentner, der 600 DM bekommt, ist es doch kein Trost, wenn Sie sagen, die Renten seien um 100 °/o gestiegen. Es gibt eben kein Rentenwunder. Es ist ein Propagandatrick, den Sie im Zusammenhang mit den Rentenhochrechnungen machen, der den kleinen Leuten unter dem Strich jedoch nichts bringt.
Wer das so einseitig darstellt, muß wissen, daß er Unruhe in die Bevölkerung bringt, die Arbeitnehmer, Kriegsopfer und Rentner gegeneinander ausspielt, Neidgefühle und Unsicherheit erregt und den sozialen Frieden in unserem Lande stört. Das ist eine ganz ernste Situation.Jeder von uns weiß und alle Fachleute wissen — man sollte das bei den Diskussionen um die Renten immer wieder betonen —, daß die Ursache für das Nachhinken der Rentenanpassung gegenüber der Lohnentwicklung in der Verzögerung um drei Jahre liegt. Es gibt immer wieder Arbeitnehmer, die fragen: Warum haben die Rentner im Jahre 1977 9,9 °/o erhalten, die Arbeitnehmer aber nur 6 %? Das ist eben auf die angesprochene Verzögerung in der Anpassung zurückzuführen.Wer einseitig behauptet — das ist heute auch wieder geschehen —, daß die Kriegsopferrenten stärker als die Sozialrenten gestiegen seien, dem muß ich sagen, er weiß nichts vom Entschädigungscharakter des Bundesversorgungsgesetzes oder er kennt ihn, ignoriert' ihn aber. Kriegsopferrenten sind mit Sozialrenten einfach nicht vergleichbar, Sie beruhen
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Geisenhoferauf einem Versorgungsanspruch gegenüber dem Staat für erlittene Kriegsschäden. Hier besteht eine Entschädigungspflicht des Staates für gebrachte Sonderopfer im Krieg. Das möchte ich einmal ganz klar sagen. Das soll auseinandergehalten werden.Meine Damen und Herren, wer sich nicht in die täglichen Beschwernisse der Kriegsopfer und wer sich nicht in die Schmerzen der Schwerbeschädigten hineinfühlen kann
— das ist es ja gerade, daß Sie volksfremd geworden sind, daß Sie über die Köpfe hinweg diskutieren —, der braucht sich nicht wundern, wenn er bei Kriegsopferkundgebungen erbitterte Reaktionen erfahren muß.
Ich muß mit Nachdruck auf folgendes hinweisen: Wer 'immer wieder beginnt — der Herr Bundesarbeitsminister hat es heute wieder getan —, Anpassungssätze propagandistisch hochzurechnen und hochzudrillen bis zu 139 %, ohne gleichzeitig die Inflationsrate anzusprechen — wir hatten ja 8 °/o Inflationsrate —, wer nicht die Anrechnungsbestimmungen berücksichtigt, nämlich daß die eine Hand durch Anpassungsbestimmungen etwas gibt, was die andere wieder wegnimmt, erweckt draußen in der Offentlichkeit den Eindruck, den Kriegsopfern ginge es so gut, daß sie mit ihrem Wohlstand nicht mehr fertig würden.
Das ist eine ganz ernste Situation. Die Kriegsopfer werden verbittert, weil das nicht stimmt. In der Offentlichkeit wird Neid erzeugt gegenüber den Kriegsopfern, denen es angeblich so gut geht.
Machen Sie doch bitte einmal Schluß mit solchen propagandistischen Hochrechnungen.Natürlich verfolgt man mit dieser Argumentation ein Ziel, nämlich Kriegsopfer und Rentner für die bevorstehenden Kürzungsmaßnahmen gefügiger zu machen.
: Jawohl!)
Wenn man weiß, daß die Kriegsopfer in den nächsten drei Jahren über 2 Milliarden DM Anpassungsverluste — ich sage: Anpassungsverluste — erleiden, und ' wenn man weiß, daß die 11 Millionen Rentner über 20 Milliarden DM Anpassungsverluste in den nächsten drei Jahren hinnehmen müssen, versteht man natürlich die Propaganda, welche die Bundesregierung hier betreibt.
Meine Damen und Herren, bei der Ausschußberatung haben die Sprecher der SPD/FDP-Koalition hervorgehoben, daß eine realistische Betrachtungsweise der Kassenlage der Rentenversicherung es erfordert, daß auch der Kriegsopferhaushalt von Einschränkungen nicht verschont werden darf. Es ist richtig: Wir alle müssen sparen, um die verspielte Stabilität wiederzugewinnen.Aber ich sage mit Nachdruck: Wir von der CDU/ CSU lehnen es ab, die Stabilität zu einseitig zu Lasten der Kriegsopfer und Wehrdienstopfer wiederherzustellen.
Ich wiederhole, was ich im Ausschuß gesagt habe — ich habe die Protokolle inzwischen nachgelesen —: Die Kriegsopfer sind während der Regierungszeit dieser Bundesregierung viermal zur Kasse gebeten worden, nämlich beim Stufenplan 1972 bis 1975, beim Haushaltsstrukturgesetz ab 1. Januar 1976, durch die Nichtanpassung der Kriegsopferrenten im heurigen Jahr 1978 und in Zukunft durch die Drei-Jahres-Abkoppelung von der Bruttobemessungsgrundlage.
Unsere CDU/CSU-Ausschußmitglieder haben im Ausschuß darauf hingewiesen, daß fast 4 Milliarden DM Verluste bei den Kriegsopfern eingetreten sind. Sie haben das auch begründet.Hinzu kommt, daß ein großer Teil der Kriegsopfer auch Sozialrentner sind und deshalb doppelt belastet werden. Wegen dieser einseitigen Belastung sage ich: Es gibt keine Schicht im deutschen Volk, die in so kurzer Zeit so oft und so stark Stabilitätsopfer hat bringen müssen wie die Kriegs- und Wehrdienstopfer.Es wird bei jeder Gelegenheit eingewandt — das ist auch heute wieder durch den Herrn Bundesarbeitsminister geschehen —, daß zu Unionszeiten die Kriegsopfer für eine Rentenverbesserung demonstrieren mußten. — Jawohl, sie haben für Leistungsverbesserungen demonstriert, Herr Kollege Kratz. Aber jetzt müssen die Kriegsopfer nicht für Leistungsverbesserungen demonstrieren, sondern dagegen, daß Leistungen, die die Union gewährt hat, nicht wieder weggenommen werden.
Hier werden Haushaltsvergleiche angestellt. Der Herr Bundesarbeitsminister hat das auch getan. Er sagte: Die Ausgaben für die Kriegsopfer im Bundeshaushalt 1950 betrugen 2,5 Milliarden DM; jetzt sind sie auf 12 Milliarden DM angewachsen. Das schaut so ganz gut aus.
— Der Kollege Walter Arendt hätte als Arbeitsminister einen solchen Systembruch nie gewagt,
wie er hier vollzogen worden ist. Dafür kenne ich ihn zu gut.
In welchem prozentualen Verhältnis stehen die Zahlen aber zum Bundeshaushalt? 1950 umfaßte der Bundeshaushalt 16 Milliarden DM. 2,5 Milliarden DM Ausgaben für die Kriegsopfer waren 16 % des Haushaltes.
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Geisenhofer1977 umfaßte der Bundeshaushalt 171 Milliarden DM. Jetzt sind Ausgaben von 12 Milliarden DM für die Kriegsopfer — der Herr Bundesarbeitsminister hat es gesagt — 6,4 % des Bundeshaushalts. Sie können es drehen, wie Sie wollen: die SPD wird nicht besser, für die Kriegsopfer geht es bei dieser Regierung nicht aufwärts, sondern abwärts.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben. Meine Zeit ist gleich um. Haben Sie bitte Verständnis. Ich möchte zum Ende kommen.
Meine Damen und Herren, nun wird gesagt: In Deutschland geht es den Kriegsopfern viel besser. Ja, aber ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern ergibt, daß in keinem Land solche Einschränkungen bei den Kriegsopfern vorgenommen worden sind wie in der Bundesrepublik Deutschland, und das, obwohl der Herr Bundeskanzler bei jeder Gelegenheit sagt: Wir Deutschen stehen im Ausland noch sehr gut da.
Ich erinnere mich als ehemaliger Soldat an den Ausspruch: „Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiß." Darf ich die SPD/FDP-Koalition einmal fragen: Wo ist der Dank der SPD und der FDP an die Kriegsopfer?
— Jawohl, das frage ich.
Aber zunächst noch eine Zahl:
1945 gab es in der Bundesrepublik Deutschland 4,5 Millionen Kriegsopfer. Heute sind es noch 2,2 Millionen, und ihre Zahl wird immer kleiner. Ich frage mich — auch Sie sollten sich das fragen, meine Herren von der SPD —: Warum demonstrieren Sie diese Härte gegenüber einem Personenkreis, der zu den verdientesten, den treuesten, den staatserhaltenden und staatstragenden Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland gehört?
Meine Kollegen von der SPD, ich glaube, daß jetzt manche von Ihnen so denken, wie ich es gesagt habe. Warum bei diesem immer kleiner werdenden Personenkreis diese Härte?
Würde die SPD/FDP-Führung — ich betone „Führung" — gegenüber anderen Personengruppen eine solche Härte anwenden, wäre es um die Sicherheit unseres Staates viel besser bestellt.
Meine Damen und Herren von SPD, nach dem Gesagten haben Sie allen Grund, Ihre Kriegsopferpolitik zu revidieren und unseren Anträgen zuzustimmen. Nach der Ablehnung unserer Anträge im Ausschuß und vor allem nach der unglaublichen Ablehnung unseres Gesetzentwurfs betreffend Vorziehung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte auf das 60. Lebensjahr
— das ist wirklich eine schmerzhafte Entscheidung gewesen, die Sie getroffen haben — haben Sie heute hier im Plenum noch einmal eine Chance, Ihre Haltung zu korrigieren. Ich bitte Sie, auch im Interesse des Ansehens der SPD, Ihre Haltung gegenüber den sozial Schwächsten und der am meisten betroffenen Schwerbehinderten zu korrigieren. Meine Damen und Herren, wir von der Union haben Verständnis, daß Finanzminister das Geld zusammenhalten müssen. Das war zu Unionszeiten bei Strauß so, und das ist jetzt auch bei Finanzminister Matthöfer so. Bei unseren Änderungsanträgen geht es aber nicht um Mehrausgaben, sondern es geht lediglich um die Umschichtung der eingesparten Mittel zugunsten der Kriegsopfer, weshalb auch die SPD/FDP, auch wenn sie noch so nachdrücklich Stabilitätspolitik betreiben möchte, zustimmen kann, weil keine Mark mehr ausgegeben werden muß.
Zu Zeiten der Unionsregierung — das möchte ich abschließend noch sagen — hat es auch Schwierigkeiten gegeben, aber innerhalb der CDU/CSU sind mutige Männer und Frauen aufgestanden und haben in der Union Gerechtigkeit für die Kriegsopfer gefordert.
Meine Damen und Herren, ich denke an die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Maria Probst. Sie hat gekämpft. Darf ich fragen: Wo sind die Rebellen in der SPD, Herr Glombig, Herr Gansel? Herr Gansel, ich habe Sie heute früh lange überhaupt nicht gesehen.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat gesagt, daß Herr Katzer damals als Arbeitsminister auch Kürzungen vorgenommen habe. Ich darf Ihnen sagen, ich erinnere mich an das Dritte Neuordnungsgesetz 1967. Da hat Hans Katzer gekämpft und hat 800 Millionen DM für die Kriegsopfer gerettet, obwohl der Haushalt damals viel kleiner war als heute mit 171 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, unsere Anträge geben Ihnen von der SPD/FDP noch einmal eine Chance — vor allem Ihnen von der SPD —, zu beweisen, daß Sie nicht nur eine sozialistische, sondern auch eine sozial denkende und handelnde Partei sind. Bitte, stimmen Sie den Anträgen zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kratz.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Debattenbeitrag meines Vorredners hat uns nicht gerade zum Zittern gebracht. Es tut mir eigentlich sehr leid. Ich kenne ihn
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Kratzaus den Debattenbeiträgen im Ausschuß als sehr sachlich und auch manchmal sehr konstruktiv in seinen Diskussionsbeiträgen. Hier hatte ich aber heute doch den Eindruck, daß er mit dem Zahlenspiel, das er hier vorgelegt hat, nicht so richtig zurechtgekommen ist. In Milliardenbeträgen zu rechnen, Herr Kollege Geisenhofer, ist für Sie anscheinend ein bißchen schwieriger.
Es ist natürlich sehr peinlich, wenn Sie immer wieder an die Vergangenheit erinnert werden. Ich werde darauf nachher zurückkommen. Wenn Sie in Ihren Anfangsausführungen sagten, Herr Kollege Geisenhofer, wir würden die Arbeitnehmer mit Neidkomplexen gegen Rentner und Kriegsopfer ausspielen,
weil wir die Zahlen nennen — Herr Hasinger, anscheinend kennen Sie davon viel zuwenig; schauen Sie sich das vorher bitte einmal genau an —,
da muß ich Ihnen sagen: Wir mußten das tun, weil Sie Ihre Pflicht in dieser Richtung 20 Jahre lang nicht getan haben.
Es war ein derart hoher Nachholbedarf da, und das sind die Auswirkungen davon. Das wollen Sie uns jetzt auch noch als Ausspielung vorwerfen. Das ist doch wohl ein starkes Stück.Meine Damen und Herren von der Opposition, die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wird dem 10. Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung in der vorliegenden Form zustimmen. Dieses Gesetz bringt einen Aufwendungszuwachs für Versorgungsleistungen ab 1979 — und diese Milliardenbeträge stimmen — und für die Folgejahre bis einschließlich 1982 von 4,2 Milliarden DM. Meine sehr verehrten Damen und Herren, schon an dieser Zahl können Sie die Bedeutung dieses Gesetzes eindeutig erkennen. Es bringt nicht nur eine der Entwicklung der Erwerbseinkommen angemessene Erhöhung der Renten, sondern auch beachtliche strukturelle Leistungsverbesserungen, die in vielerlei Hinsicht für die Weiterentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes oder, dem übergeordneten Gesichtspunkt folgend, für das gesamte Entschädigungsrecht von ausschlaggebender Bedeutung sind.
— Herr Hasinger, das ist in manchen Dingen sehr gut, dann kann man sich nicht so verheddern, wie mein Vorredner es vorhin getan hat.Was nun die Höhe der Anpassungssätze angeht, um die so heiß diskutiert worden ist und sicherlich auch in Zukunft noch diskutiert werden wird, möchte ich nicht alles wiederholen, was der Minister und mein Kollege Glombig vorher schon im Zusammenhang mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz dargelegt haben. Hier, im ZehntenAnpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung, geht es entscheidend um die Frage des Verbundes mit der Rentenversicherung. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, auch Sie werden doch nicht abstreiten oder leugnen, daß sich dieser Verbund äußerst günstig für die Entwicklung des Kriegsopferrechts ausgewirkt hat.Wenn man die Debatten um die Rentenanpassungen in der Kriegsopferversorgung verfolgt, vor allen Dingen den Debattenbeitrag meines verehrten Kollegen Geisenhofer vorher, könnte man den Eindruck gewinnen, daß die Opposition hier eine Sache verteidigt, die ihr ureigenstes Anliegen ist und es auch schon immer war. So hat es wenigstens bei Ihren Ausführungen, verehrter Herr Kollege, den Anschein gehabt.
Zwanzig Jahre lang hat es die heutige Opposition nicht fertiggebracht, die Kriegsopfer und deren Angehörige regelmäßig und dem Zuwachs des Arbeitseinkommens entsprechend an der Entwicklung des Wohlstandes teilnehmen zu lassen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burger?
Nein, Frau Präsidentin, ich gestatte keine Zwischenfrage. Ich komme noch auf den Herrn Burger im Verlauf meiner Ausführungen zurück. Er wird sich noch freuen.Von 1949 bis 1969 waren die Kriegsopfer stets auf die Gnade der damals Regierenden angewiesen, um wenigstens in unregelmäßigen Abständen Erhöhungen ihrer Renten zu erreichen. Das Gezerre um die Rentenanpassungen blieb ein unwürdiges und deprimierendes Schauspiel hier in Bonn. Es war sehr erfreulich, daß es mein Kollege Geisenhofer nicht vergessen und noch einmal daran erinnert hat; denn Sie trugen damals die politische Verantwortung.Gewiß hat man mit dem Dritten Neuregelungsgesetz im Jahre 1966 einen zaghaften Versuch gemacht, eine kleine Andeutung einer Anpassung der Renten im Bundesversorgungsgesetz vorzunehmen. Doch dieser Versuch damals war mehr als bescheiden.Es sei mir gestattet, die damalige Regelung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes in Ihr Gedächtnis zurückzurufen. Der Herr Kollege Burger hat auch in den Ausschußberatungen mehrmals auf diesen § 56 als eine besondere Leistung hingewiesen. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin darf ich diesen Absatz zitieren:Die Bundesregierung hat in zweijährigem Abstand, erstmals im Jahre 1969, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zu berichten, inwieweit es unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Wachstums der Volkswirtschaft möglich ist, die Leistungen dieses Gesetzes zu ändern.
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KratzEs war also damals eine sehr eingeschränkte Berichtspflicht mit Berichten in zweijährigem Abstand vorgesehen.Aber selbst dies — und das dürfte für Sie, Herr Kollege Geisenhofer, sicherlich nicht uninteressant sein — war dem damaligen Finanzminister Strauß ein Dorn im Auge.
Mit dem Finanzänderungsgesetz von 1967 wurde diese bescheidene Berichtspflicht noch einmal um ein Jahr hinausgeschoben.
Der für 1969 vorgesehene Bericht sollte erst Ende 1970 fällig werden.Es bedurfte der Anstrengung aller sozialpolitisch Engagierten damals in diesem Hause, um den alten Rechtszustand wiederherzustellen. Das gelang dann schließlich in einer großen Kraftanstrengung mittels eines besonderen Gesetzes im Februar 1969. Meine Damen und Herren, alles in allem ist das ein unerfreuliches Kapitel unserer Nachkriegsgeschichte.
— Ich bin überzeugt, Herr Hasinger: Es hätte sich nichts, aber auch gar nichts geändert, wenn nicht im Jahre 1969 die sozialliberale Koalition in die Regierungsverantwortung gekommen wäre.
Die erste sozialpolitische Tat der damaligen sozialliberalen Koalition unter einem Arbeitsminister Walter Arendt, der für breiteste Bevölkerungsschichten bis 1976 Hervorragendes geleistet hat — und das wird heute noch anerkannt —,
hat diesen unerfreulichen und unwürdigen Zustand beendet. Ich darf hier lobend erwähnen: mit Unterstützung eines Finanzministers, der den Kriegsopfern großes Verständnis entgegengebracht hat, des damaligen Finanzministers Alex Möller.
Damals konnte die Dynamisierung verwirklicht werden — aber nicht allein das, meine Damen und Herren.Mit den Anpassungsgesetzen, die seitdem von uns jedes Jahr pünktlich verabschiedet wurden, konnten auch strukturelle Verbesserungen vorgenommen werden. Das gesamte Niveau des Bundesversorgungsgesetzes hat sich in all den Jahren seit 1970 ganz gewaltig verbessert Der Bundesarbeitsminister hat dazu soeben einige Zahlen genannt, so daß ich mir das ersparen kann. Ich möchte nur eine Globalzahl nennen: Allein auf den Haushaltsansatz bezogen, hat es sich von 6 Milliarden DM auf 12 Milliarden DM verdoppelt.Es muß jeden, der die Entwicklung des Bundesversorgungsgesetzes kennt, befremden, wenn die Opposition heute fordert, durch eine Änderung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes eine Trennung von der Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorzunehmen. Ich hätte aber erwartet, daß sich die Kollegen der CDU/CSU von den Ausführungen der Vertreter der Kriegsopferverbände bei der Anhörung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hätten beeindrucken lassen;
denn sie waren mit ganz wenigen Ausnahmen einstimmig der Meinung, daß am Verbund mit der Rentenversicherung festgehalten werden muß, weil sie sich bewußt waren, welche Vorteile es für die Kriegsopfer gebracht hat, .daß dieser Verbund im Jahre 1970 beschlossen worden ist. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß eine Trennung der Entwicklung des Kriegsopferrechts für dieses Recht verhängnisvoll werden kann. Wer dieses Gesetz in seiner Gesamtheit wegen der verminderten Anpassungssätze ablehnt, spricht sich zwangsläufig gegen den Fortschritt in einer vernünftigen Weiterentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes aus.Bei den verschiedensten Diskussionen über das Zehnte Anpassungsgesetz, besonders aber auch bei der Anhörung der Sachverständigen kam immer wieder zum Ausdruck, daß die strukturellen Verbesserungen des Gesetzentwurfs allseitig als begrüßenswerte Verbesserungen empfunden würden. Wenn ich mich richtig erinnere — ich glaube, ich erinnere mich richtig, Herr Kollege Burger — hat sich in diesem Sinne zumindestens in wesentlichen Bereichen auch die Opposition bei ,den Ausschußberatungen geäußert. In der Tat werden mit den strukturellen Verbesserungen eine Reihe von Problemen beseitigt, die in zahlreichen Schreiben seitens der Kriegsopfer an uns, an die Parlamentarier aller Fraktionen in diesem Hause, herangetragen worden sind.Die Bundesregierung hat dabei an alle drei wichtigen Bereiche des Bundesversorgungsgesetzes gedacht: die Heilbehandlung, die Kriegsopferfürsorge und die Rentenversicherung. Wir sind der Meinung, daß im Zehnten Anpassungsgesetz die Prioritäten richtig gesetzt sind. Es ist immer ein echtes Anliegen der Kriegsopfer gewesen, den Entschädigungscharakter des Gesetzes stärker herauszuheben. Das ist mit diesem Gesetz, das uns hier und heute zur Beratung vorliegt, geschehen. Es wurde das Schwergewicht auf die strukturelle Weiterentwicklung des Berufsschadenausgleiches und der Kriegsopferfürsorge gelegt. Eine Reihe der Verbesserungen werden vor allem gesundheitlich und beruflich besonders stark betroffenen Geschädigten und Hinterbliebenen durch dieses neue Gesetz zugute kommen. Vor allen Dingen begrüßen wir es, daß nunmehr alle Eltern in die Kriegsopferfürsorge einbezogen werden, wenn sie allein wegen der Höhe ihres anzurechnenden Einkommens keine Elternrente beziehen. Wir sehen darin eine sachgerechte Ergänzung der Elternrente, und wir begrü-
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Kratzßen es, daß die Neufassung der Leistungsvoraussetzungen für die Kriegsopferfürsorge in vielerlei Beziehungen Erleichterungen bringt und manche engherzige Entscheidung in Zukunft vermeidet. Auch die Verselbständigung der Kriegsopferfürsorge und die Aufgabe ihrer starken Bindung an die Vorschriften der Sozialhilfe kommt gewiß dem Anliegen der Kriegsopfer entgegen. Das gleiche gilt für die rechtssystematische Überarbeitung mit dem Ziel, das Recht der Kriegsopferfürsorge für den rechtsuchenden Bürger überschaubarer und durchschaubarer zu machen.
Schon diese wenigen Beispiele beweisen, daß wir in der Kriegsopferversorgung trotz allem wieder einen großen Schritt vorangekommen sind. Die Kriegsopfer können daran erkennen, daß wir auch in der schwierigen Situation an unserer Politik festhalten, den Kriegsopfern auch 'viele Jahre nach dem Kriege Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Wir sind sicher, daß unsere Anstrengungen von allen objektiv und redlich denkenden Kriegsopfern anerkannt und positiv gewürdigt werden. Die unbezahlbaren und damit unredlichen Forderungen der Opposition hätten bei ihrer Verwirklichung die gesamte Kriegsopferversorgung in große Gefahr gebracht. Dies verhindert und die Weiterentwicklung des Kriegsopferrechts vorangetrieben zu haben ist das Verdienst dieser sozialliberalen Koalition.
Diese Koalition hat damit bewiesen, daß es auch in schwierigen Zeiten und unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen keinen Stillstand in der sozialen Versorgung unserer Menschen draußen gibt. Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion diesem Gesetz die Zustimmung nicht versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich für die Freien Demokraten in dieser Runde auf wenige Bemerkungen beschränken, nachdem ich vorhin schon zum Grundsatz des Zusammenhangs von Rentenanpassung und Kriegsopferrenten einiges gesagt habe.Wir bedauern — und ich bedaure es ganz besonders —, daß der Kollege Geisenhofer seine Ausführungen wieder einmal dazu benutzt hat,
die Kriegsopfer zu verunsichern und — so möchteich beinahe sagen, Herr Kollege Geisenhofer — zumißbrauchen. Sie hätten sich Ihre Rede für dienächste Veranstaltung draußen aufheben und nicht in diesem Deutschen Bundestag halten sollen.
Meine Damen und Herren, die Kriegsopfer haben nicht vergessen, wo ihre „Freunde" vor 1969 standen. Das haben sie nicht vergessen!
— Herr Kollege Geisenhofer, ich stehe mindestens so lange in den Reihen der Kriegsopfer wie Sie! Die Kriegsopfer haben nicht vergessen, wo die „Freunde vor 1969 standen. Sie hätten doch gar keine Gelegenheit, hier zu polemisieren, wenn es nach Ihrer Politik von damals weitergegangen wäre. Dann gäbe es keine Dynamisierung; dann bräuchten Sie natürlich auch nicht zu polemisieren.
Herr Kollege Geisenhofer, Sie behaupten dann hier noch, Sie ließen sich die Leistungen, die die Union gewährt habe, nicht wegnehmen. Wer waren denn diejenigen in diesem Deutschen Bundestag, die nach 1969 erst einmal eine saubere Kriegsopferversorgung in Anpassung an die Rentenentwicklungen ermöglicht haben?
— Da geht überhaupt nichts kaputt, Frau Kollegin Hürland, aber Sie würden für die Zukunft möglicherweise alles kaputtmachen, wenn Sie diesen Verbund nicht sähen, wenn Sie wegen der Polemik einfach nicht sehen wollten, daß die Generation der Rentner und der Kriegsopfer Gott sei Dank in einem Zusammenhang gesehen werden muß und daß die Versorgung daher auch für die Zukunft in einem Zusammenhang weiterentwickelt werden soll. Die ist doch •das Falsche, was hier getan wird!
— Herr Kollege Hasinger, ich will nicht alles wiederholen, ich will nicht noch einmal daran erinnern— der Herr Kollege Kratz hat es gerade gesagt —, als ein Finanzminister der Großen Koalition hier gegenüber den Kriegsopfern noch schlimmere Dinge vorhatte.
Ich will das nicht alles zurückholen, aber ich kann es einmal veröffentlichen.
— Herr Kollege Hasinger, Sie waren damals noch nicht hier.
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7486 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Schmidt
— Herr Kollege Hasinger, ich weiß auch, daß Sie zu denen in der CDU gehört haben, die das mit verhindert haben. Das alles habe ich ja damals hier gesagt; ich kenne die Dinge.Deshalb kann man sich nicht hier hinstellen und so tun, als sei man immer der große Freund der Kriegsopfer gewesen und sei das noch, obwohl in Wirklichkeit die sozialliberale Koalition erst ermöglicht hat — über die Entwicklung der Zahlen will ich gar nichts sagen —, daß es zur Dynamisierung kam. Vorher sind jedenfalls Anträge auf Dynamisierung immer an der Mehrheit dieses Hauses gescheitert, und die Mehrheit hatten Sie.Eine zweite Bemerkung zum Gesetz selbst: Natürlich wird sowohl durch die Verschiebung des Anpassungstermins als auch durch die Gleichartigkeit der Anpassungsraten ein gewisser Haushaltsansatz, der ursprünglich eingeplant war, frei. Es ist völlig unsinnig, das zu leugnen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Diese Größenordnung wird benutzt werden. Darüber haben wir gemeinsame Entschließungen gefaßt. Darüber liegen die ersten Vorschläge für weitere Strukturmaßnahmen hier bereits wieder vor.Aber es ist natürlich auch wieder etwas merkwürdig zu argumentieren: Hier werden 2 Milliarden DM eingespart — wohlgemerkt: einmal eingespart —, und am liebsten möchte man sie in einem Jahr ausgeben, damit sie dann jedes Jahr ausgegeben werden müssen. Man wird hier sehr sorgfältig auch einmal ein bißchen gegenrechnen müssen.Es wird in den nächsten Anpassungsgesetzen, wenn wir finanziell wieder weiterkommen, noch manche notwendige Härtemaßnahme geben. Was wir hier vorlegen, ist — dankenswerterweise erkennen das die Kriegsopferverbände an — die Prioritätenliste der wichtigsten Maßnahmen in diesem Bereich.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hasinger?
Herr Kollege Schmidt, würden Sie denn anerkennen, daß die Anträge auf Strukturverbesserungen, die wir hier heute vorlegen, gar nichts mit den 2 Milliarden DM zu tun haben, die Sie den Kriegsopfern jetzt wegnehmen wollen, sondern sich nur auf die halbjährliche Verzögerung der Anpassung beziehen, wobei es ja gemeinsame Meinung aller drei Fraktionen war, daß diese Einsparung zur Gänze durch Strukturverbesserungen den Kriegsopfern wieder zugute kommen soll?
Herr Kollege Hasinger, dann bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen — das habe ich von dieser Stelle aus schon einmal gesagt —, daß wir auch damals schon erklärt haben: Selbstverständlich sollen diese 425 Millionen DM den Kriegsopfern zugute kommen. Aber Sie können auch nicht eine einmalige Ausgabe jedes Jahr wiederholen; denn es sind auch nur einmal 425 Millionen DM. Fragen Sie einmal Ihre Haushaitsexperten, wie man es machen kann, einmal 425 Millionen DM einzusparen und dann Ausgaben zu beschließen, die jedes Jahr soundsoviel kosten! Da liegt, doch der Widerspruch.
— Wenn Sie das mal drei nehmen, haben Sie in den drei Jahren schon diese Größenordnung, Herr Hasinger.
Eine dritte und letzte Bemerkung. Wir Freien Demokraten sind allerdings auch so frei und hoffen, vor die Kriegsopfer und ihre Verbände zu treten — ich habe dies mehrmals tun dürfen —, um die dort manchmal falsch verstandene Situation etwas besser aufzuklären. Ich stelle fest, daß überall dort, wo das sachliche Gespräch mit den Verbänden möglich ist, die Einsicht über das, was möglich und richtig ist, sowie die Einsicht darin viel größer ist, daß der Verbund in der Dynamisierung, der in den nächsten Jahren etwas niedrigere Anpassungsraten bringen wird, das Richtige auch für die Zukunft der Kriegsopferrenten ist. Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter George.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, daß ich vielleicht eher zu dem Slalom einiges sagen würde, den Herr Ehrenberg hier zwischen Markt und Marx veranstaltet hat. Aber ich finde, es ist notwendig, daß Sie auch einmal zu einer konkreten Alternative der CDU, die Sie so oft zu vermissen vorgeben, Stellung beziehen.Ich spreche hier namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und begründe den Gesetzentwurf Drucksache 8/1087, der Ihnen am 26. Oktober letzten Jahres vorgelegt worden ist. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des § 1248 der Reichsversicherungsordnung, des § 25 des Angestelltenversicherungsgesetzes und des § 48 des Reichsknappschaftsgesetzes. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte von bisher von 62 auf nunmehr 60 Jahre.Sie werden sich vielleicht noch erinnern: Die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs fand am 8. Dezember 1977 statt. Die sehr ausführlichen Begründungen meiner Kollegen Burger und Geisenhofer stießen dabei auf einen merkwürdigen Widerspruch der SPD-Kollegin Frau Steinhauer, die den Gesetzentwurf als „unaufrichtig, unvollständig und unsolide" bezeichnete. Ich bin einmal gespannt, was heute dazu gesagt wird.
— Ich komme noch zum Deckungsvorschlag.
Herr Schmidt hingegen schlug, wie es sich für Liberale geziemt, moderate Töne an. ErDeutscher Bundestag — 8. Wahlperiode, — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7487Dr. Georgeverwies zwar auf finanz- und arbeitsmarktpolitische Bedenken, ließ aber erkennen, daß seine Fraktion in diesem Punkte noch nicht festgelegt sei.Im Tenor, meine Damen, meine Herren, waren sich alle Fraktionen einig, daß die CDU/CSU — ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin Herrn Ehrenberg wörtlich — „hier einen Gesetzentwurf über einen sehr dringlichen, sehr notwendigen und sozialpolitisch höchst wünschenswerten Tatbestand vorgelegt hat".Alle Sprecher hier im Hohen Hause votierten darüber hinaus dafür, daß dieser Gesetzentwurf im Zusammenhang' mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz eingehend zu prüfen und zu beraten sei. Deshalb wird an dieser Stelle noch einmal auf diese konkrete Alternative der Union Bezug genommen. Sie wird hiermit noch einmal eingebracht.
Nun, wir haben dieses Anliegen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sehr ausführlich und, wie ich finde, auch sehr sachlich und mit zahlreichen Argumenten und Daten in drei Sitzungen getan. Wir haben am 10. Mai abgestimmt. Siehe da, bei voller Besetzung des Ausschusses gab es eine Enthaltung auf seiten der SPD! Möge sich diese eine Enthaltung vielleicht doch noch bei der nachher zu beantragenden namentlichen Abstimmung zu dem verdichten, was damit angekündigt war.
— Das Ergebnis, Herr Glombig, läßt hoffen. Vielleicht gelingt es heute, daß doch noch Vernunft und Humandenken über parteipolitische Erwägungen
und auch, teilweise vorgeschütztes, Fiskaldenken siegen.
Unter ausdrücklicher Berufung auf die sehr ausführlichen Begründungen meiner beiden vorhin genannten Kollegen möchte ich heute folgendes unterstreichen und ergänzen. Ich fasse dies in fünf Punkten zusammen.Erstens. In erster Linie wird mit diesem Gesetzentwurf — ich betone dies namens der CDU/CSU-Fraktion — ein humanitäres Anliegen erfüllt, das sogar der Herr Bundesarbeitsminister — der es vorzieht, auch bei solchen Dingen nicht zuzuhören — als sozialpolitisch vordringlich zu lösen bezeichnet hat. Schwerbehinderte sollen also nunmehr statt bisher mit 62 Jahren in Zukunft mit 60 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden können, wenn sie dies selbst wollen. Dies ist ein wichtiger Grundsatz: Wir bejahen hiermit das Freiwilligkeitsprinzip.
Natürlich müssen — das hängt schon mit der Kostendeckungsfrage zusammen — die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des flexiblen Altersruhegeldes erfüllt sein.Wir, meine Damen, meine Herren, und mit uns zusammen die Betreuungsverbände der Schwerbehinderten wie der VdK, wie der Reichsbund, wie der Bund Deutscher Hirnbeschädigter, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, wie die Deutsche Angestelltengewerkschaft, wir alle sind gemeinsam der Meinung, daß die hohen physischen und psychischen Leistungsanforderungen, die einer modernen dynamischen Industriegesellschaft eigen sind, sich gerade bei denjenigen Arbeitnehmern potenzieren, die auf Grund ihrer Behinderung in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind.
Ich meine, diese Sonderbelastung der Schwerbehinderten führt gerade bei den älteren Jahrgängen zusätzlich zu einem mühevollen, zu einem kräfteverzehrenden Wettbewerb mit den jüngeren bzw. mit den voll arbeitsfähigen Kollegen. Ungeachtet des Schutzes durch das Schwerbehindertengesetz haben die älteren Schwerbehinderten tagtäglich, in einer sich ständig wandelnden Industriegesellschaft, diesen Wettbewerb mit Jüngeren und Leistungsfähigeren zu bestehen. Sie haben tagtäglich wegen ihres Leidens ein Sonderopfer zu erbringen. Wir sind daher der Meinung, daß sie sich davon befreien können sollen, wenn sie dies selbst für notwendig halten, wenn sie also diese Überforderung nicht mehr tragen können.Zweitens. Neben dieser humanitären Priorität kommen ergänzend noch zwei weitere Gesichtspunkte hinzu. Es sind dies zum einen ein arbeitsmarktpolitischer Gesichtspunkt und zum anderen ein rentenpolitischer Gesichtspunkt. Objektiv meßbarer Ausdruck der Schwierigkeiten der Behinderten im Erwerbsleben ist die weit überdurchschnittliche Arbeitslosenquote von Arbeitnehmern mit gesundheitlichen Einschränkungen. Ausweislich der jüngsten Strukturanalyse der Bundesanstalt für Arbeit vom September 1977, die ich mir sehr genau daraufhin angesehen habe, ist der Anteil der Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahres von 24,9 % am Gesamtpotential der Arbeitslosen auf 26,8 % und bei den Männern sogar auf 33,7 % angestiegen.
Es kommt hinzu, daß gerade bei den älteren Schwerbehinderten das strukturelle Arbeitsmarktrisiko des Alters diese Zahlen kumuliert. Im April — dies ist die letzte Stichzahl aus diesem Jahr — lag die absolute Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten bei 46 066 Arbeitnehmern, was einen Anstieg von 17,5 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Was sich hier arbeitsmarktpolitisch abspielt, sollte uns, wie ich glaube, sehr nachdenklich machen.
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7488 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. George— Ich finde, der Vorwurf, die Unternehmer seien daran schuld, ist erstens sehr einseitig und zweitens sehr polemisch, denn in der Mehrheit der Betriebe gibt es Betriebsräte, und die Betriebsräte sind selber dabei, wenn es um die Frage der Entlassung von Schwerbehinderten geht.
Es bleibt festzustellen: Das Potential der gesundheitlich Angeschlagenen wird immer größer. Den Rücken dafür müssen die anerkannt Schwerbehinderten hinhalten.Der rentenpolitische Aspekt liegt darin, den Schwerbehinderten, die vorzeitig aufhören wollen oder müssen, den aufreibenden und im übrigen, wenn Sie schon ökonomisch rechnen, auch sehr kostspieligen und sehr oft auch menschlich unzumutbaren Weg über die Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit vor Erreichung der 62-Jahre-Grenze zu ersparen. Sie wissen, was sich hier abspielt: ein Jahr Arbeitslosigkeit und dann den vorgezogenen Antrag oder den Umweg über Versicherungsgutachten, die im übrigen vom Staat und von der Sozialversicherung zu bezahlen sind. Dem sollte abgeholfen werden, wenn die Betroffenen vorzeitig in Rente gehen möchten.Drittens. Wie ein schwarzer, wie ein roter und wie ein gelber Faden, also wie ein schwarz-rot-gelber Faden, zieht sich seit der Einführung des flexiblen Altersruhegeldes durch die Rentenreform 1972 das Anliegen aller Parteien, aller Schwerbehindertenverbände und auch beider Seiten der Tarifpartner, gerade für die Schwerbehinderten die Altersgrenze so bald wie möglich auf 60 Jahre zu senken.Um bei gelb anzufangen: Im „Initiativkatalog zur Förderung der Beschäftigung und der wirtschaftlichen Entwicklung" der FDP, den Sie, Herr Cronenberg, vor kurzem selbst vorgestellt haben, ist ein ausdrückliches Ja zur Herabsetzung dieser Altersgrenze formuliert. Ich verweise auf den fdk-Pressedienst vom 28. September 1977. Wir stellen also fest, daß zumindest die gelbe Seite in diesem Hohen Hause seit einiger Zeit verkündet, sie wolle eine solche Maßnahme treffen, sie halte dies für sozialpolitisch dringend notwendig.
— Herr Hölscher, Sie können nachher darauf antworten, ob Herr Cronenberg hier nur etwas zum Fenster hinaus gesprochen hat oder ob es um ein echtes Anliegen der Freien Demokraten geht.
Was Sie, meine Damen und meine Herren von der SPD, angeht, so betonen viele von Ihnen auf Versammlungen der Gewerkschaften, vor Betriebsräten und Behindertenverbänden immer wieder, daß es ein altes sozialdemokratisches Anliegen sei, die flexible Altersgrenze für Schwerbehinderte auf das 60. Lebensjahr zu senken. Ich habe in der Zeitung von vorgestern gerade ein solches Beispiel gefunden. Ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin. Überschrift: „Kuhlwein zu Arbeitsmarktproblemen — Bundestagsabgeordneter sprach mit DGB-Kreisvorstand". Jetzt wörtlich: „Gleichzeitig gebe es Bemühungen der SPD-Bundestagsfraktion, wenigstens für Schwerbehinderte die flexible Altersgrenze um ein oder zwei Jahre zu senken."
Herr Glombig, da Sie versucht haben, —
— Ich gehe ja nur auf das ein, was Sie jetzt wirklich wollen.
Herr Glombig, da Sie mehrmals versucht haben, hier ein kleines Störfeuer loszulassen, erinnere ich gerade Sie daran, daß Sie bei der VdK-Kundgebung im Frühjahr dieses Jahres in Bad Godesberg ausdrücklich gesagt haben, daß dieses Anliegen im Zusammenhang mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz „behandelt" — so haben Sie wörtlich gesagt — werde. Ein Kollege von mir hat Ihnen zugerufen: „Nicht nur behandeln, sondern auch lösen!"
Ich frage Sie,
ob Sie damit nicht einen Hoffnungsschimmer bewußt nach draußen erweckt haben, den Sie heute hier wiederum negieren werden.
Ich komme im Rahmen der roten Seite zu jemand anderem, der sich im Augenblick möglicherweise noch schriftlich eine kleine Begründung zurechtlegt: zu Herrn Rohde. Die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen —„AfA" — in der SPD hat schon 1975, also drei Jahre nach Einführung der flexiblen Altersgrenze, in Bremen mit dem Beschluß „S 23" die SPD aufgefordert, per Gesetzesinitiative für Schwerbehinderte die Altersgrenze auf 60 Jahre herunterzunehmen. Und Herr Rohde hat vor kurzem, am 24. April, im Deutschlandfunk diese Forderung an die Adresse seiner eigenen 'Bundestagsfraktion wiederholt
und dies ausdrücklich als einen Schritt nach vorn durch Staat und Tarifpartner gelobt.
Ich summiere im Augenblick: FDP dafür, SPD dafür, selbst Herr Glombig als einer der sozialpolitischen Sprecher der SPD dafür, Herr Rohde als Chef der Arbeitnehmergruppe dafür.Es geht weiter. Auch der schwarze Teil soll nicht ausgespart sein. Denn er hat das Recht, darauf zu verweisen, daß er sich schon sehr viel früher um
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7489
Dr. Georgediese Problematik mit einer konkreten Alternativegekümmert hat. Wir haben — und daran möchteich heute in dieser Debatte ausdrücklich erinnern— schon zu Anfang der 7. Wahlperiode als erste und bisher einzige Bundestagsfraktion eine Gesetzesinitiative mit dem gleichen Titel eingeführt. Denen, die nachsehen wollen: Es ist die Bundestagsdrucksache 7/637.
— Ich will Ihnen ja bloß demonstrieren, Herr Glombig, daß es auch andere gibt, die sozialpolitische Gesetze lesen und die Vorgänge vor ihrem jeweiligen zeitlichen Hintergrund studieren. Damals hatten wir 1 % bis 1,2 % Arbeitslose und nicht, wie heute, eine wesentlich höhere Zahl. Dies sei vorsorglich gesagt, falls Sie auch den arbeitsmarktpolitischen Effekt ansprechen wollen.
Am 7. Juli 1973 wurde dieser Gesetzentwurf der CDU/CSU in diesem Plenum mit fast der gleichen Konterargumentation der SPD behandelt. Er kam in den Ausschuß für Arbeit- und Sozialordnung, wurde dann aber, wie das mit den meisten konkreten Alternativen der Union geschieht, von der Regierungskoalition bewußt „vergessen".
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?
Bisher war es Übung des Hauses, daß eine Jungfernrede nicht unterbrochen wird. Ich bin aber gern bereit.
— Danke schön. Herr Wehner, ich schaffe es nicht, „zurückzufeixen" .
Herr Glombig!
Herr Kollege George, ich wollte Sie in Ihrer Jungfernrede natürlich nicht noch zusätzlich verunsichern. Aber wenn Sie nun schon Behauptungen aufstellen und wenn Sie alles so gut gelesen haben, möchte ich Sie doch fragen: Ist Ihnen bekannt, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei den Beratungen über die flexible Altersgrenze im Jahre 1972 diese grundsätzlich erst einmal zurückgewiesen hat?
Herr Glombig, wollen wir wir die ganze Debatte über die Frage der versicherungsmathematischen Abschläge hier aufnehmen oder nicht? Ich komme nachher noch zu der Feststellung der Bundesregierung im Rentenanpassungsbericht, also dazu, was jetzt aus der flexiblen Altersgrenze geworden ist. Ich weiß, was sich damals abgespielt hat. Viele von uns wären heute vielleicht dankbar, wir hätten die Frage der versicherungsmathematischen Abschläge in diesem Hause und im Ausschuß damals etwas ernsthafter diskutiert.
Ich darf die Zahl derjenigen, die für die sofortige Herabsetzung der Altersgrenze bei den Schwerbehinderten sind, mit zwei Hinweisen erweitern: Der DGB-Bundesvorstand und der DAG-Bundesvorstand haben nicht nur in ihren Arbeitspapieren, sondern auch in ihren ständigen Diskussionen — vor allem auch mit Ihnen — immer wieder darauf hingewiesen, daß es weder arbeitsmarktpolitisch noch finanzpolitisch Bedenken geben dürfte, dieses Vorhaben im Rahmen ,des 21. Rentenanpassungsgesetzes zu lösen.Viertens. Bei so viel Übereinstimmung im Grundsätzlichen, bei so gleichgerichteter Zielsetzung sollten, so meine gerade ich, der ich aus dem „ökonomischen Lager" komme, die finanziellen Gesichtspunkte, mit denen sich SPD und FDP bisher, und schon über Jahre hinweg, gegen die Verabschiedung eines derartigen Gesetzes gesperrt haben, kein absolutes — ich betone: kein absolutes — Hindernis sein.
Herr Glombig, jetzt kommt das, was Sie vorhin erfragen wollten: Im nun endlich vorliegenden Rentenanpassungsbericht 1978, der vielleicht bewußt ein wenig spät vorgelegt worden ist, damit die Mehrheit von uns ihn nicht mehr rechtzeitig zu den Abstimmungen hier lesen kann, stehen ein paar interessante Sätze. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren. Auf Seite 13 heißt es:Insgesamt lassen die Zahlen zum flexiblen Altersruhegeld erkennen, daß die durch das Rentenreformgesetz von 1972 geschaffene flexible Altersgrenze eine gute Resonanz gefunden hat. Zudem veranschaulichen diese Zahlen die Auswirkungen der flexiblen Altersgrenze auf den Arbeitsmarkt.Beide Komponenten also, die sozialpolitische Komponente mit ihrer überhöhenden Wirkung und teilweise auch die arbeitsmarktpolitische Komponente, sind im 21. Rentenanpassungsbericht ausdrücklich angesprochen.Weiter heißt es — das ist für die Berechnungen eine wichtige Zahl —, daß sichim Juli 1977 der Bestand an Altersruhegeldern wegen Vollendung des 62. Lebensjahres ... auf 81 000 .. .Renten belief. Darin sind die BU- und EU-Renten mit eingeschlossen. Ich bitte Sie, die Zahl von 81 000 Renten einmal im Kopf zu behalten. Sie tun immer so, als seien es Millionen und Abermillionen von Renten, während es hier wirklich um einen ganz speziellen Personenkreis geht, der sich versicherungsmathematisch nicht so einfach „abrechnen" läßt. Wohlgemerkt: Für alle drei Rentenkategorien — Erwerbsunfähige, Berufsunfähige und Schwerbehinderte — belief sich die Rente zu diesem Zeitpunkt bei den Arbeitern auf 1 128 DM und
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7490 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Georgebei den Angestellten auf 1 419 DM. Ich sage das ausdrücklich, weil wir in den Berechnungsunterlagen eine Durchschnittsrente von 1 200 DM zugrunde gelegt haben, also ziemlich genau in der Mitte der neuesten Daten liegen. Wir haben eben die größere Prognosefähigkeit. Aber es wird sich zeigen müssen, was am Ende dabei herauskommt.VdK und sehr viele andere schätzen die Zahl der anspruchsberechtigten Schwerbehinderten in der Bundesrepublik Deutschland — egal, aus welchem Grunde sie rentenanwartschaftsberechtigt sind oder versorgt werden — auf insgesamt etwa 2,2 Millionen Bürger. Wichtig ist aber für uns hier und heute die Zahl derjenigen Schwerbehinderten, die im Arbeitsleben stehen. Das Bundesministerium für Arbeit schätzt diese Zahl auf ca. 800 000 bis 900 000. Bei der Hypertrophie all Ihrer Statistiken, Herr Ehrenberg, ist es für diejenigen, die mit Zahlen umzugehen verstehen, nach wie vor ein Wunder, daß es Ihnen, Ihrem Hause und der Bundesanstalt für Arbeit nicht möglich ist, die Zahl derjenigen Schwerbehinderten, die im Arbeitsleben stehen, wirlich zu erfassen. Es ist erstaunlich, daß Sie eine Zahl zwischen 800 000 und 900 000 einfach greifen müssen, obwohl das Schwerbehindertengesetz schon lange genug gilt, und Sie im Zusammenhang mit der Zahl derjenigen Arbeitgeber, die dann zahlen sollen, sehr schnell rechnen können. Sie wissen aber nicht, wie viele Schwerbehinderte in Arbeit stehen.
Sieht man sich die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten einmal an, so waren es — das sollte uns sehr zu denken geben —, 1974 10 421, 1976 schon 36 737 und im April dieses Jahres 46 066. Ein rapider Anstieg der Arbeitslosenzahl im Schwerbehindertenbereich. Nun hat niemand — jetzt komme ich zu den Berechnungen; ich habe das bewußt auch in Richtung des Bundesarbeitsministers gesagt, weil die Bundesministerien und die Ministerialbürokratie bisher ja verpflichtet waren, auch der Opposition mit Zahlen, mit Statistiken und Daten zu helfen — einen genauen Überblick darüber, wie viele Schwerbehinderte mit 35 Versicherungsjahren sich derzeit im Alter zwischen 60 und 61 Jahren befinden und noch im Arbeitsleben sind.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion rechnet mit ca. 21 000 bis 22 000 schwerbehinderten Arbeitnehmern, die zwischen 60 und 61 Jahre alt sind. Bei einer 75%igen Quote der Inanspruchnahme und einer durchschnittlichen Monatsrente von 1 200 DM kommen wir auf eine Belastung der Rentenversicherungsträger von ca. 300 Millionen DM im Jahr. Wir haben gewissenhaft eine Maximalrechnung aufgemacht; denn teilweise tritt bereits ein erster Neutralisierungs- und Entlastungseffekt dadurch ein, daß viele aus diesem Personenkreis bereits heute eine Berufsunfähigkeitsrente beziehen und nur noch die Differenz zwischen beiden Renten zu bezahlen ist.Ich füge hinzu, daß auch die Bundesregierung bei ihrer Annahme, die das Bundesarbeitsministerium geliefert hat, mit 1,6 Milliarden DM in vier Jahren rechnet, also im Durchschnitt auch auf knapp 400 Millionen DM im Jahr kommt.Wenn ich mir die Einlassung des Kollegen Hoffmann bei der ersten Beratung unseres damaligen Gesetzentwurfs, wenn ich mir die Einlassung auch von Ihnen, Herr Glombig, in Erinnerung rufe — damit Sie sehen, wie genau ich das gelesen habe; Sie haben damals von den echten Schwerbehinderten gesprochen, meinten aber nebenbei, daß nur Dornkaat echt sein könne —, waren es überwiegend finanzielle Bedenken, die Sie dagegen eingewandt haben.
Ich finde, der Notwendigkeit, die Finanzierungsmöglichkeiten nachzuweisen, hat die CDU/CSU mit ihrem Deckungsvorschlag Rechnung getragen. Ich füge hinzu: Im Einzelplan 11-2977 des Haushaltsplanes stehen z. B. noch mehrere Millionen DM — fast eine Milliarde DM — an Mitteln bereit, die noch nicht abgerufen worden sind. Wir haben im Bereich der ABM-Mittel etwa 500 Millionen DM noch nicht abgerufene Mittel. Sie haben für Schwerbehinderte sogar ein neues Programm in Höhe von 100 Millionen DM ausgeworfen. Sie schmeißen also mit rund 1,2 Milliarden DM aus Sonderprogrammen herum und sind nicht in der Lage, heute konkret — trotz der finanziellen Bedenken, die ich selber nach wie vor auch habe — eine Art Sonderopfer für die Schwerbehinderten zu bringen.Ich finde — damit darf ich zum Punkt 5 und zum Abschluß kommen —, es ist ein Scheinargument, wenn SPD und FDP immer wieder darauf verweisen, daß es unzulässig sei, einerseits die Renten im Rahmen des 21. Rentenanpassungsgesetzes miteinander zu konsolidieren und zu sanieren, andererseits zu verlangen — und diese Forderung unsererseits wird dann als „unseriös" bezeichnet —, für einen zahlenmäßig solch beschränkten Personenkreis die Leistungen der Rentenversicherungsträger auszuweiten. Sie tun das gleiche ja bei den Kriegsopfern. Überall, wo es um Strukturverbesserungen geht, haben wir Möglichkeiten gesucht und gefunden.Dieser sozialistische Heckenscherenschnitt, den Sie hier mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz quer Beet vollziehen,
verpflichtet uns alle gerade dazu, daß ein Ausgleich für diese individuell besonders Schutzbedürftigen, also für die älteren Schwerbehinderten, vorgenommen wird. Ich meine, wir sind das bei dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes uns allen schuldig. Im Wege der ausgleichenden Gerechtigkeit sollten wir das über den Weg der strukturellen Verbesserung in diesem Bereich tun.
Gerade weil sich weitere Finanzierungsproblemeangesichts der langfristigen demographischen Entwicklung abzeichnen, gerade weil Sie sich seit Jah-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7491
Dr. Georgeren immer wieder mit Hoffnungserwartungen auf morgen und übermorgen — „Der Aufschwung kommt, dann werden wir genügend Mittel haben, dann werden wir das tun" — über die Zeit hinwegretten und gerade weil es vor der nächsten Bundestagswahl keine Rentendiskussion mehr gibt, sollten Sie heute und hier Mut beweisen, sollten Sie Farbe bekennen, sollten Sie vor allem zu Ihren Versprechungen stehen. Wir sollten miteinander die Kraft haben, dieses humanitäre Sonderopfer, das wir den Schwerbehinderten schuldig sind, zu erbringen.Meine Damen und Herren, namens der Bundestagsfraktion der CDU/CSU beantrage ich daher für heute die zweite Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 8/1087 sowie zusätzlich eine namentliche Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf. Sie hatten sieben Jahre Zeit. Sie sollen heute Farbe bekennen.
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Das Haus trifft sich wieder um 14 Uhr zu einer Fragestunde.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Meine
Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe nunmehr Punkt 1 unserer Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksachen 8/1850, 1882 —
Meine Damen und Herren, auf der Drucksache 8/1882 finden Sie zwei dringliche Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zu diesem Fragenkreis lag aber bereits die Frage 118 des Abgeordneten Dr. von Geldern vor. Entsprechend der Nr. 10 unserer Richtlinien für die Fragestunde hat diese Frage Vorrang vor den dringlichen Fragen.
Ich rufe daher zunächst die Frage 118 auf:
Wie hat die Bundesregierung auf die durch Pressemeldungen bekanntgewordenen Schikanemaßnahmen Polens gegen deutsche Fischkutter außerhalb der von Polen in der Ostsee beanspruchten Fischereizone, insbesondere auf den polnischen Versuch reagiert, den Bremerhavener Fischkutter „Hilde H." aufzubringen, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um für die Zukunft zu verhindern, daß die ohnehin bestehenden Schwierigkeiten der Kutterfischerei in der Ostsee durch illegale Aktionen von polnischer Seite noch vergrößert werden?
Zur Beantwortung steht der Herr Bundeslandwirtschaftsminister zur Verfügung. Bitte, Herr Minister.
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Der Bundesregierung ist kein Fall bekannt, in dem Polen außerhalb der von Polen selbst in der Ostsee beanspruchten Fischereizone Maßnahmen gegen deutsche Fischkutter ergriffen hat. Der Fischkutter „Hilde H." befand sich, als er von dem polnischen Schlepper zum. Hieven aufgefordert wurde, allerdings in einem Seegebiet der Ostsee, das sowohl von Dänemark als auch von Polen als Fischereizone in Anspruch genommen wird. Für die Abgrenzung seiner Fischereizone legt Dänemark die Mittellinie zwischen Bornholm und Polen zugrunde, während Polen von der Mittellinie zwischen Schweden und Polen ausgeht. Polen beabsichtigt, das dänische Gewässer bei Bornholm auf 12 Seemeilen zurückzudrängen. Bisher konnten sich die beiden Staaten noch nicht über die Abgrenzung des umstrittenen Gebietes einigen. Da die dänische Fischereizone zum sogenannten EG-Meer gehört, haben deutsche Schiffe sowohl nach deutscher als auch nach dänischer Auffassung dort dieselben Rechte wie dänische Boote. Die Bundesregierung fordert daher, daß die polnische Regierung das Recht der deutschen Boote, in der umstrittenen Zone zu fischen, ebenso respektiert wie das Recht dänischer Kutter.
Als ihr der Zwischenfall bekannt wurde, hat die Bundesregierung unverzüglich die erforderlichen Schritte zur Feststellung des genauen Sachverhalts unternommen. Sie beabsichtigt, den Fall der „Hilde H." ebenso wie andere Fälle gegenüber der polnischen Regierung aufzugreifen und mit allem Nachdruck ihre Auffassung zum Ausdruck zu bringen, daß Schwierigkeiten, die sich zwangsläufig infolge der Errichtung von Fischereizonen ergeben, im Geiste der internationalen Zusammenarbeit gelöst werden müssen.
In diesem Sinne ist die Bundesregierung nach der Aufbringung des Fischkutters „Capella", die sich am 4. Juni 1978 in der Grauzone bei Bornholm ereignete — ich darf hinzufügen, „Grauzone" ist die Zone zwischen den beiden umstrittenen Mittellinien —, auf diplomatischem Wege sowohl in Warschau als auch in Bonn unverzüglich tätig geworden. Sie hat die außerordentliche Besorgnis der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, Rechtsverwahrung eingelegt und um sofortige Freilassung von Besatzung und Schiff gebeten, die inzwischen erreicht wurde.
Die Bundesregierung steht in Kontakt mit der dänischen Regierung wegen der Frage, wie der Schutz der deutschen Fischer in der dänischen Fischereizone am besten sichergestellt werden kann. Sie hat gegenüber der dänischen Regierung die Erwartung geäußert, daß Dänemark in seiner Fischereizone auch den Schutz unserer Fischereiboote übernimmt. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die dänische Regierung alsbald darüber entscheidet.
Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem Sie bestätigt haben, daß sich die beiden von Ihnen soeben erwähnten Vorfälle mit dem Fischkutter „Hilde H." und dem Fischkutter „Capella" in der Zone ereignet haben, die in den Karten,. die den Fischern in der Ostsee von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind, als Gebiete bezeichnet werden, in denen die deutschen Fischer tätig
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7492 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. von Geldernwerden dürfen, frage ich Sie, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, daß der Gedanke, die Durchsetzung von Rechtsansprüchen auf See könnte in Zukunft mit Gewalt erzwungen werden, unerträglich ist und daß nach den bisherigen Erfahrungen jedes Zurückweichen nur zu weiteren Übergriffen ermuntert.Ertl, Bundesminister: Ich stimme Ihnen zu in dem Grundsatz, daß es unerträglich ist, Rechtsansprüche mit Gewalt zu verändern oder außer Kraft zu setzen. Aber, Herr Abgeordneter, ich nehme nicht aus Ihrer Frage an, daß Sie befürworten, daß wir unsererseits Gewalt anwenden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie auch den Gedanken daran, die deutschen Fischereischutzboote, die unbewaffnet sind, in der Ostsee einzusetzen, ablehnen wollen?
Ertl, Bundesminister: Dies ist eine Frage, die erst zu prüfen wäre, wenn sich die dänische Regierung gegebenenfalls versagen würde, den Schutz zu übernehmen. Wir sind im EG-Meer, und innerhalb des EG-Meers — dazu gehört auch der Rechtsanspruch Dänemarks im Bereich der Grauzone — gilt, daß für die EG gleicher Schutz gilt, d. h. die Solidarität gilt. Es ist nicht so, daß wir die dänische Regierung nur aufgefordert hätten, sondern das Auswärtige Amt in Kopenhagen hat dem Kabinett einen Vorschlag zugeleitet, wonach es beschließen soll, daß dänische Fischereischutzboote den Schutz deutscher Fischereiboote übernehmen. Ich gehe von der Erwartung aus, daß die dänische Regierung uns hier behilflich ist; dann ist diese Frage von selbst erledigt.
Zusatzfrage.
Herr Minister, trifft es zu, wie die „Kieler Nachrichten" vom 7. Juni 1978 berichten, daß die Fischer in der Ostsee nach Auffassung der Bundesregierung an dem Risiko angemessen beteiligt werden müssen, und was versteht die Bundesregierung darunter?
Ertl, Bundesminister: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, ich habe das mit dem Risiko nicht genau verstanden: Wer soll welches Risiko — —
In den „Kieler Nachrichten", Herr Bundesminister, vom 7. Juni 1978 wird berichtet, daß nach Auffassung der Bundesregierung „die Fischer in der Ostsee an dem Risiko angemessen beteiligt werden müssen". Trifft dies zu?
Herr Kollege, die Frage steht nicht in dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage. Herr Minister, es liegt bei Ihnen.
Ertl, Bundesminister: Herr Präsident, das ist außerordentlich schwierig. Ich muß den ganzen Artikel gelesen haben, um Stellung nehmen zu können. Natürlich ist Fischfang ein Unternehmen, und insofern ist Fischfang mit Risiko verbunden. Die Bundesregierung möchte das Rechtsrisiko und das politische Risiko aber nicht den Fischern überlassen. Dieses übernimmt die Bundesregierung voll, und das hat sie durch Handlungen bewiesen.
Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hupka.
Herr Bundesminister, wie erklärt sich die Bundesregierung, daß so schnell nach dem einen Zwischenfall Anfang April Anfang Juni schon wieder ein Zwischenfall registriert werden muß?
Ertl, Bundesminister: Das ist ein bedauerlicher Zwischenfall. Deshalb hat die Bundesregierung mit aller Deutlichkeit gehandelt, Herr Abgeordneter, wie Sie wissen. Der deutsche Geschäftsträger in Warschau ist unverzüglich vorstellig geworden, der Vertreter der polnischen Botschaft wurde unverzüglich in das Auswärtige Amt zitiert. Wir sehen das als eine sehr ernste Angelegenheit an und haben deshalb auch entsprechend gehandelt. Wir sind sicher, daß die polnische Regierung zur Kenntnis nimmt, daß Wir diesen Zwischenfall nicht nur bedauern, sondern daß wir auch davon ausgehen, daß das Verhältnis damit nicht gefördert wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Czaja.
Herr Bundesminister, Sie haben vorher gesagt, die Bundesregierung wolle die Angelegenheit im Geiste der Zusammenarbeit beilegen. Frage: Wurde die Besorgnis zum Ausdruck gebracht, daß das wiederholte Aufbringen von Fischkuttern mit normalen zwischenstaatlichen Beziehungen kaum vereinbar ist?
Ertl, Bundesminister: Herr Kollege Czaja, selbstverständlich ist es nicht mit normalen zwischenstaatlichen Beziehungen zu vereinbaren. Ich habe aber auch aus den Zwischenfällen mit Island gelernt, daß es sehr klug ist, dabei ruhig Blut zu bewahren und dennoch konstant und fest aufzutreten und den eigenen Standpunkt mit Nachdruck, aber in der entsprechenden Form zu vertreten.
Herr Abgeordneter Grunenberg, Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist das Recht auf Fischerei in diesen berühmten Grauzonen einklagbar, und wer vollstreckt im Falle eines obsiegenden Urteils dieses Urteil?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7493
Ertl, Bundesminister: Herr Grunenberg, ich habe da im Moment große Bedenken, weil das, wie Sie wissen, ein strittiger Fall ist. Es geht um die Festsetzung der Mittellinie. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß das eine Position Dänemarks ist, die wir natürlich teilen, weil dänisches Meer gleichzeitig EG-Meer bedeutet. Wir haben ein Intéresse, daß die EG-Beziehungen bestehenbleiben. Ich brauche Ihnen doch wohl nicht zu sagen; daß es, wenn wir die im Rahmen der EG erzielten Ergebnisse auf dem Fischereisektor gefährden, für die deutsche Fischereiwirtschaft in Ost- und Nordsee schlimm wird. So habe ich nur den Fall Ostsee, den ich sehr ernst nehme.Ich sage Ihnen noch einmal: Es ist ein strittiger Fall um eine Mittellinie. Mir fehlen im Moment die Rechtskenntnisse, um sagen zu können, inwieweit eine Mittellinie überhaupt einklagbar ist. Ich glaube, das würde einen langwierigen Prozeß geben. Das hängt alles mit dem politischen Akt der Einführung der 200-Seemeilen-Zone zusammen, der national vollzogen worden ist. Das ist übrigens auch von Dänemark in der Ostsee vollzogen worden und wird von uns vollzogen werden.
Herr Abgeordneter Weiskirch, Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß Verhandlungen über die Abgrenzungen der Fischereizonen in der Ostsee nicht in die Kompetenz der EG, sondern in den Aufgabenbereich der Bundesregierung gehören?
Ertl, Bundesminister: Nein, da stimme ich Ihnen gar nicht zu. Wenn ich Ihrem Vorschlag folgte, Herr Weiskirch, würde ich der deutschen Fischwirtschaft einen tödlichen Dienst erweisen.
Ich will Ihnen das in aller Deutlichkeit sagen und möchte Sie vor einer solchen Position warnen.
Wenn ich Ihre Frage mit Ja beantwortet hätte, würde das England das Alibi geben, nicht der Achter-Vereinbarung beitreten zu müssen. Dann wären die Vereinbarungen auf dem Fischereisektor bezüglich des EG-Meers total gescheitert. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß das die Gefährdung der deutschen Fischwirtschaft in toto bedeuten würde.
Herr Abgeordneter Eickmeyer, Sie haben eine Zusatzfrage.
Ertl, Bundesminister: Herr Präsident, darf ich noch eine Bemerkung machen?
Herr Minister, der Abgeordnete stellt seine Zusatzfrage so lange zurück.
Ertl, Bundesminister: Herr Weiskirch, ich möchte Sie auch noch darauf aufmerksam machen, daß das u. a. eine Veränderung unseres politischen Verhältnisses zur EG zur Folge hätte. Ich erwarte von der Opposition, die mit Nachdruck von uns immer wieder eine auf die Gemeinschaft aufbauende harte Position fordert, daß sie die nötigen politischen Konsequenzen einsieht.
Ich vermute zutiefst, daß dieses Verhalten den Versuch darstellt, uns aus einer EG-Lösung herauszubringen. Ich hielte das für politisch und wirtschaftlich außerordentlich gefährlich.
Herr Abgeordneter Eickmeyer, jetzt Ihre Zusatzfrage.
Herr Minister, können wir, nachdem die Verhandlungen nun schon einige Wochen laufen, davon ausgehen, daß sie in Kürze zum Nutzen der Fischer abgeschlossen werden?
Ertl, Bundesminister: Herr Kollege Eickmeyer, ich darf Sie fragen, welche Verhandlungen Sie meinen. Meinen Sie die Verhandlungen der EG mit den osteuropäischen Staaten oder die Verhandlungen zwischen Dänemark und Polen wegen der Mittellinie? Es gibt zwei verschiedene Verhandlungen. Außerdem gibt es noch ein Problem im Zusammenhang mit dem Gotland-Komplex.
Daraus sehen Sie, daß man hier beinahe einen großen Fischereivortrag einleiten müßte.
Ich frage Sie also, welche Verhandlungen Sie meinten.
Herr Bundesminister, ich kann die Zusatzfrage nur zulassen, wenn es sich — wie in der Frage — um die Verhandlungen mit Polen handelt.
Ertl, Bundesminister: Herr Kollege Eickmeyer, da muß ich Ihnen sagen: Dies kann ich nicht entscheiden, weil Verhandlungsführer auf EG-Seite Dänemark ist, da dies ein strittiger Punkt zwischen Dänemark und Polen ist.
Letzte
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Werner.
Herr Bundesminister, können Sie Ihre Auskunft im Hinblick auf die seitens der Bundesregierung, insbesondere Ihres Ressorts, eingeleiteten Schritte gegenüber der Volksrepublik Polen nach der Aufbringung des ersten Fischkutters durch die Polen etwas konkretisieren?Ertl, Bundesminister: Herr Abgeordneter, ich nehme an, daß Sie meine Antwort auf die Frage Ihres Kollegen von Geldern gehört haben. Ich bin darauf sehr konkret eingegangen. Wir haben nicht nur unverzüglich politisch-diplomatisch gehandelt, sondern wir haben auch finanziell dafür Sorge getragen, daß der Kutter freigekommen ist und daß er heute zu Hause ist. Das gilt übrigens auch für den zweiten. Wir haben alles, was in unseren Möglichkeiten
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7494 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Bundesminister Ertlsteht — bis hin zum letzten EG-Ministerrat —, getan, damit Verhandlungen geführt werden. Wir haben auch der polnischen Regierung unseren Standpunkt so deutlich dargebracht, daß die polnische Regierung, so glaube ich, keine Illusionen haben wird, daß das für uns eine ernste Sache ist.
Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Ist die Bundesregierung bereit, umgehend umfassenden Rechtsschutz der Besatzung des von Polen am vergangenen Wochenende aufgebrachten Fischkutters zu gewähren?
Herr Bundesminister.
Ertl, Bundesminister: Herr Kollege, die deutsche Botschaft in Warschau wurde am 7. Juni 1978 ermächtigt, in Sachen des Fischereikutters „Capella" die von Polen für die Freilassung von Besatzung und Schiff geforderte Kaution in Höhe von 800 000 Zloty etwa 54 000 DM, zu zahlen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß Besatzung und Schiff jetzt zurückkehren.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, die polnische Regierung mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß hier bezüglich der polnischen Seite der ziemlich fatale Eindruck entsteht, daß eine fundamentale Rechtsfrage, um die es angeblich geht, durch die Zahlung von 52 000 DM oder — im vorigen Fall — von 31 000 DM oder wieviel auch immer gelöst wird, und daß durch eine solche Nachbarschaft zu ähnlichen Vorgängen im deutsch-deutschen Verhältnis keinesfalls ein positiver Eindruck hinsichtlich der polnischen Seite hervorgerufen wird?
Ertl, Bundesminister: Sicherlich kann daraus kein positiver Eindruck entstehen. Ich möchte nur eines richtigstellen, Herr Abgeordneter Hennig. Es gibt einen Streit um die Mittellinie, und dadurch ist die Grauzone entstanden. Dieser Streitfall ist bis jetzt rechtlich und somit auch völkerrechtlich verbindlich nicht aus der Welt geschafft. Insoweit muß ich die Aussage korrigieren: Wir können davon ausgehen, daß die dänische Mittellinie richtig ist. Das ist zwar unsere Rechtsauffassung, das ist aber ein umstrittener Punkt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist es richtig, Herr Bundesminister, daß bisher isoliert, jedenfalls von den Polen, nur gegen deutsche Fischkutter in dieser Art und Weise vorgegangen worden ist?
Ertl, Bundesminister: Mir sind andere Zwischenfälle, vor allen Dingen gegenüber dänischen Fischkuttern, nicht bekannt. Aber dies liegt wiederum daran — da kann ich einen Zusammenhang zu der Frage des Kollegen Weiskirch herstellen —, daß Polen offensichtlich bilaterale Verhandlungen wünscht, die zum Teil auch von der Opposition gefordert werden. Davor kann ich nur entschieden warnen; denn das bleibt nicht ohne Folgen auf die bisherige Fischereiübereinkunft im EG-Meer und auf die Haltung Großbritanniens. Dann wird es für die Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Fischwirtschaft ganz bedrohlich. Wir müssen auf der EG-Basis eine Lösung finden, d. h., unsere Verhandlungen müssen sich immer in Übereinstimmung mit der Rechtslage im EG-Meer befinden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Geldern.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß die Angehörigen der betroffenen Fischer die neuesten Nachrichten über ihre Männer bisher aus Presse, Rundfunk und Fernsehen erfahren haben, und ist die Bundesregierung bereit — —
Herr Kollege, Sie haben nur eine Zusatzfrage.
Ertl, Bundesminister: Herr von Geldern, ich kann Ihre Frage gern beantworten. Die Kutter melden sich nicht bei uns ab — mit „uns" meine ich das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten —, sondern sie melden sich bei der Genossenschaft ab, in der sie organisiert sind. Auch ihre Standortmeldungen geben sie der Genossenschaft durch. Die Genossenschaft hat am Sonntagmorgen in meinem Ministerium bei den diensthabenden Beamten angerufen und den Vorfall gemeldet. Da wurden allerdings nur der Schiffsname und keine Familiennamen usw. genannt. Meine Beamten nahmen selbstverständlich an, daß die betreffende Genossenschaft, die die Familien und die Angehörigen kennt, natürlich auch unverzüglich die Angehörigen benachrichtigt, was auch ich erwarten würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.
Herr Minister, glauben Sie, daß die rechtliche Mittellinie zwischen Bornholm und Polen, die Sie als Grauzone bezeichnet haben, durch Verhandlungen zwischen Dänemark und Polen festgelegt wird, oder sind Sie der Meinung, daß hier ein internationaler Gerichtshof eingeschaltet wird?
Ertl, Bundesminister: Herr Abgeordneter, dies kann ich im Moment nicht voll übersehen. Hier bin ich echt überfordert, weil ich nicht die detaillierten Kenntnisse über den Stand der Verhandlungen zwischen Dänemark und Polen habe. Ich schließe auch das letzte nicht aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7495
Herr Bundesminister, können Sie darüber Auskunft geben, nach welchen Maßstäben der Betrag festgesetzt worden ist, mit dem wir die Besatzung des Fischkutters ausgelöst haben? Einmal waren es 32 000 DM, und jetzt sind es 54 000 DM.
Die Frage bezog sich auf umfassenden Rechtsschutz durch die Bundesregierung. Ich sehe bei dieser Zusatzfrage keinen unmittelbaren Zusammenhang, so daß ich diese Zusatzfrage nicht zulassen kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Bundesminister, Sie haben in den Antworten wiederholt den sehr wichtigen Hinweis unterstrichen, daß man die EG-Verhandlungen durch bilaterale Verhandlungen ersetzen möchte. Stehen Sie auf dem Standpunkt, daß es der Rechtschutz und die gesamte deutsche Frage erfordern, daß wir, nicht zuletzt wegen Berlin, auf den EG-Verhandlungen bestehen?
Ertl, Bundesminister: Im letzten Punkt kann ich Ihnen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, voll zustimmen. Ich habe nicht vom Ersatz durch bilaterale Verhandlungen als einer Alternative zum EG-Recht gesprochen. Das wäre ein großes Mißverständnis. Ich bitte um Entschuldigung; da müßte ich mich total falsch ausgedrückt haben. Ich habe im Gegenteil gesagt, ich möchte die EG-Regelung nicht in Frage gestellt haben. Dann kann ich allerdings den letzten Teil Ihrer Frage beantworten. Das ist zum Teil ein wesentlicher Punkt, weil wir nur insoweit bilateral zu verhandeln bereit sind, als die EG voll informiert und konsultiert ist und sie auch zustimmt. Sonst, so glaube ich, würden wir unsere eigenen Interessen gröblich vernachlässigen.
Herr Abgeordneter Langguth, wollen Sie eine Zusatzfrage stellen? — Bitte.
Ich möchte doch noch einmal konkret fragen, ob nach Ihrer Antwort die Bundesregierung bereit oder willens ist bzw. intendiert, darauf zu drängen, daß seitens der EG .den Ostblock-Anrainern der Ostsee Fangrechte in der Nordsee eingeräumt werden, um dadurch zu erreichen, daß die Ostblockländer auf die Beanspruchung von Fischereizonen in der Ostsee verzichten.
Ertl, Bundesminister: Die Bundesregierung ist nicht nur dazu bereit, sondern hat das auch in der Vergangenheit getan. Nur ist bis dahin keine Übereinstimmung unter allen neun Partnern zu erzielen gewesen, und die ist auch notwendig.
Herr
Abgeordneter Graf Stauffenberg, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sieht die Bundesregierung in der Bereitstellung der Auslösesummen eine Maßnahme zur Hilfe und zur Ergänzung des Rechtsschutzes für die beteiligten Mannschaften?
Ertl, Bundesminister: Ich glaube, da gibt es keinen Zusammenhang.
Der Rechtsschutz ist für uns unverzichtbar. Uns geht es darum, das Schicksal der Betroffenen zu regeln und möglichst schnell für die Rückkehr zu sorgen. Ich habe aber nicht gesagt, daß wir mit Geld Rechtsschutz ablösen. Das wäre eine sehr unfaire Unterstellung.
Herr
Abgeordñeter Grunenberg, die letzte Zusatzfrage; dann rufe ich die nächste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf.
Herr Bundesminister, ist es richtig, daß die EG-Staaten hinsichtlich des EG-Meeres eine konzertierte Aktion gestartet haben und daß Fangrechte, wenn es um Drittländer und deren eigene Wirtschaftszonen geht, nur gegenseitig eingeräumt werden können, nicht aber in fremden Wirtschaftszonen, d. h., um Beispiele zu nennen, in der dänischen oder in der holländischen? Kann dies die Bundesregierung?
Ertl, Bundesminister: Herr Abgeordneter Grunenberg, wie Sie wissen, haben wir Quoten festgelegt, und im Rahmen dieser Quoten kann im Jahre 1978 gefischt werden. Sollte sich eine Veränderung von Quoten generell als notwendig erweisen, bedarf es einer neuen Beschlußfassung von Kommission und Rat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr
Abgeordneter Dr. Hennig, ich rufe Ihre zweite Dringliche Frage auf:
In welcher Weise ist seitens der Bundesregierung unter Einschaltung der deutschen Botschaft eine sachgemäße anwaltliche Vertretung der Besatzung des deutsdien Fischkutters sichergestellt, und welche weiteren Sofortmaßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich?
Wenn ich bitten darf, Herr Minister!
Ertl, Bundesminister: Es tut mir leid, Herr. Präsident, aber die habe ich schon beantwortet.
Sie war
durch die Antwort auf die erste Frage mit beantwortet worden? — Der Herr Abgeordnete Hennig hat jetzt aber zwei weitere Zusatzfragen. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! — Herr Minister, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sie von der Opposition zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden sind, die EG-Verhandlungen durch bilaterale Verhandlungen zu ersetzen, sondern daß Sie selbst hier von verschiedenen Schritten z. B. des deutschen Geschäftsträgers in Warschau gesprochen haben?
Metadaten/Kopzeile:
7496 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Ertl, Bundesminister: Herr Dr. Hennig, das ist eine Unterstellung. Selbstverständlich müssen wir unsere Rechtsposition wahren, wenn es um deutsche Bürger, in diesem Fall um festgehaltene Fischer geht. Dazu sind bilaterale Schritte notwendig.Ich kann Ihnen aber Pressemitteilungen vorlegen — natürlich müßte ich sie erst im Archiv heraussuchen lassen —, in denen von Vertretern der Opposition gefordert wurde, wir sollten nun unverzüglich bilateral verhandeln.
Diese Pressemitteilungen kann ich Ihnen gerne vorlegen. Ich freue mich, daß Sie sich davon distanzieren und daß die Opposition der Bundesregierung darin zustimmt, daß wir, soweit es um die Globallösung in der Ostsee geht, auf der Basis der EG- Vereinbarungen weiterverhandeln und nicht bilaterale Verhandlungen einleiten sollten, die möglicherweise das bisher Erreichte im Bereich der EG in Frage stellen würden. Daß die Opposition diesen Standpunkt einnimmt — was auch für die Bundesregierung sehr hilfreich ist —, nehme ich gern zur Kenntnis, bitte allerdings darum, diese Position dann auch in der Öffentlichkeit so zu vertreten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Herr Minister, da es hier generell um weitere Sofortmaßnahmen geht, darf ich Sie fragen, ob meine Informationen richtig sind, daß der Sachverhalt gerade bezüglich dieser EG-Verhandlungen — im Vergleich zu Verhandlungen, die gleichzeitig von Schweden in einer sehr ähnlichen Frage geführt werden — der ist, daß die EG-Verhandlungen offensichtlich deshalb, weil hier das Berlin-Problem eine Rolle spielt, sehr viel schleppender vorangehen?
Ertl, Bundesminister: Ich schließe nicht aus, daß das Berlin-Problem eine Rolle spielt. Aber wir werden unsererseits in .dieser Frage eben deshalb die Position behalten, die ich hier vertreten habe.
Keine
weiteren Zusatzfragen.
Herr Minister, ich danke Ihnen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher zur Verfügung.
Die Fragen 114 und 115 der Abgeordneten Frau von Bothmer werden schriftlich beantwortet, da die Fragestellerin nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Abgeordnete Lambinus hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingreichten Frage 119 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 120 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung auf die Beschimpfungen und Falschmeldungen gegen die nordrhein-westfälische Justizministerin, Frau Donnep, sowie auf die Beschuldigungen gegen das Justizwesen dies Landes Nordrhein-Westfalen durch die polnische amtliche Nachrichtenagentur PAP, ebenso wie in vergleichbaren Fällen mit einem entschiedenen Protest und mit der Forderung nach Richtigstellung angesichts dieser Einmischung in innere deutsche Angelegenheiten reagiert, insbesondere aber den unser Volk und das Justizwesen in Nordrhein-Westfalen verurteilenden Satz der amtlichen Nachrichtenagentur: Nach dem westdeutschen Gerechtigkeitsgefühl zu urteilen, scheint die Düsseldorfer Justizfarce nicht im Widerspruch zum Geist der Demokratie zu stehen" (Ostinformationen des BPA vom 18. Mai 1978) zurückgewiesen?
Frau Staatsminister.
Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich wie folgt.
Es kann nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, zu den laufenden Veröffentlichungen Stellung zu nehmen, die in den zahlreichen Organen der in- und ausländischen Presse erscheinen.
Zusatz-
frage.
Frau Staatsminister, warum wird hier zwischen dem diplomatischen Schutz für Staatssekretär von Bülow und dem diplomatischen Schutz für die scharf und mit Falschmeldungen angegriffene Justizministerin von Nordrhein-Westfalen unterschieden? Gibt es da ein Zweiklassenschutzsystem?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Nein, Herr Kollege, das gibt es ganz gewiß nicht. Aber hinsichtlich der Stellungnahme der Bundesregierung in Ausnahmefällen muß immer zwischen dem zu erwartenden Nutzen einerseits und der Gefahr einer unangemessenen Aufwertung einer Äußerung andererseits abgewogen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, meinen Sie nicht, daß die Behauptung, die Düsseldorfer „Justizfarce" sei ein typisches Beispiel für die westdeutsche Demokratie und das westdeutsche Gerechtigkeitsgefühl, eigentlich eine schwere Einmischung und Nötigung gegen die freiheitliche Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland darstellt?
Frau Dr. Hamm-Brüchelr, Staatsminister: Herr Kollege, wir bedauern diese Äußerungen wie Sie. Aber aus den vorhin angegebenen Gründen hat sich die 'Bundesregierung eben nicht veranlaßt gesehen, eine Richtigstellung zu verlangen oder einen Protest vorzubringen..
Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ist nach Ihrer Meinung diese Frage durch die Behand-
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Graf Huynlung im Deutschen Bundestag nicht so weit aufgewertet worden, daß es jetzt einer Intervention der Bundesregierung bedarf?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wir werden diese Frage gern prüfen.
Ich rufe
die Frage 121 des Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Rechnet die Bundesregierung damit, daß die Volksrepublik Polen in den nächsten Jahren die von ihr geschuldeten Zinsen und Rückzahlungen von je 300 Millionen DM zu überweisen vermag, oder sind bereits Bemühungen um bilaterale Umschuldungsaktionen angedeutet worden, wobei Polen sich um einen neuen Kredit zu den Bedingungen des Entwicklungshilfekredits zu 2 v. H. bemüht?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie folgt,
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Volksrepublik Polen ihren Zahlungsverpflichtungen aus aufgenommenen Lieferanten- und Bankkrediten in den nächsten Jahren nachkommen wird.
Der polnische Vizefinanzminister Czak hat Mitte Januar 1978 in einem Presseinterview erklärt, für Polen bestehe keine Notwendigkeit, sich um eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen für die im Westen aufgenommenen Kredite zu bemühen. Dementsprechend ist die Bundesregierung von polnischer Seite weder um eine bilaterale Umschuldungsaktion gebeten noch um einen Entwicklungshilfekredit zu 2 °/o Zinsen ersucht worden.
Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, wurde von der polnischen Seite bei Besuchen deutscher Minister seither bezüglich Umschuldungsaktionen oder neuer Kredite vorgefühlt?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Volksrepublik Polen ist wie andere Länder Osteuropas an zinsgünstigen Krediten interessiert, wie sie von einigen westlichen Industrieländern aus Gründen der Exportförderung vergeben werden. Die Bundesregierung hat gegenüber allen Staatshandelsländern wiederholt zu erkennen gegeben, daß ihr kein Instrumentarium für zinsverbilligte Kredite zur Verfügung steht. Damit ist Ihre Frage wohl beantwortet.
Noch
eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, bedeutet die Antwort also, daß die Bundesregierung polnische Wünsche auf Umschuldungs- und neue Kreditforderungen mit erheblicher Zinssenkung zurückweisen würde, nicht zuletzt auch wegen der gegebenen Zahlungsbilanzsituation?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich möchte noch einmal auf meine erste Antwort zurückkommen. Solche Anfragen liegen bisher nicht vor. Hypothetische Fragen beantwortet die Bundesregierung sehr ungern.
Ich rufe
die Frage 122 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie erklärt es die Bundesregierung, daß Staatsminister Dr. von Dohnanyi in seiner Rede zur Eröffnung der Polnischen Tage" am 24. Mai 1978 sowohl bei Behandlung der Teilungen Polens als auch der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges nur den preußischen und deutschen Anteil genannt, aber den russischen und sowjetischen Anteil verschwiegen hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, in Beantwortung Ihrer Frage darf ich Sie auf das Thema der von Ihnen angesprochenen Rede hinweisen, Mein Kollege Herr von Dohnanyi hat während der „Polnischen Tage" in Ingelheim am Rhein am 24. Mai dieses Jahres eine Rede über die Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen für den Frieden gehalten. Sein Thema betraf nicht die deutsch-russischen oder die polnisch-russischen Beziehungen.
Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, wenn es um eine Darstellung der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges geht, ist es wohl notwendig, beide Tyrannen, Hitler und Stalin, und nicht nur Hitler beim Namen zu nennen, auch gerade, wenn das Thema so lautet, wie es gelautet haben soll.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich fühle mich nicht befugt, die Reden meiner Kollegen, auch nicht die Ihren, zu korrigieren.
Aber ich bin doch der Meinung: Wenn man auf einer solchen Veranstaltung offen darüber diskutiert, welche Bedeutung die deutsch-polnischen Beziehungen in der Vergangenheit hatten und jetzt und in Zukunft haben, bleibt man, wenn man ein guter Redner ist, beim Thema und beschäftigt man sich damit, wie sich eben die deutsch-polnischen Beziehungen entwickelt, gestaltet haben und worauf man in Zukunft achten muß.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Frau Staatsminister, da es sich beim Jahr 1939 oder bei den Teilungen Polens um ein komplexes Problem handelt, das mindestens von mehreren Seiten her zu beleuchten ist, wäre es doch angebracht gewesen, der Wahrheit die Ehre zu geben und die ganze Komplexität darzustellen.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich glaube, es wäre sehr zweckmäßig, wenn Sie sich darüber einmal mit meinem Kollegen von
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Staatsminister Frau Dr. Hamm-BrücherDohnanyi bilateral unterhielten. Ich kann das hier nicht anders beantworten, als bisher geschehen.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, da der Herr Staatsminister von Dohnanyi ja wohl nicht .in privater Eigenschaft, sondern als Vertreter der Bundesregierung bei dieser Tagung gesprochen hat, möchte ich gerne wissen, ob die Bundesregierung meine Auffassung teilt, daß es sehr schwer ist, den Eindruck einer sehr einseitigen Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge zu vermeiden, wenn in der Weise verfahren wird, wie es der Herr Staatsminister von Dohnanyi tut, der den russischen Anteil am Einfall in Polen verschwiegen und unter schlagen hat.
Frau Dr. Hammm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Mitglieder der Bundesregierung, zu denen auch Staatssekretäre und Staatsminister zählen, werden in keiner Weise einer Vor- oder einer Nachzensur unterworfen.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg.
Frau Staatsminister, würden Sie mir aber wenigstens darin zustimmen, daß der Stalin-Hitler-Pakt ein sehr wichtiges und sehr trauriges Kapitel der deutsch-polnischen Beziehungen ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich geben Ihnen das unumwunden zu. Es läßt sich immer darüber streiten und diskutieren, was in einen Vortrag einbezogen wird oder nicht. Aber wenn ich einmal eine Parallele suchen darf: Wenn man sich beispielsweise nach 1945 in den sehr schwierigen Zeiten um die Bereinigung des deutschfranzösischen Verhältnisses auf Tagungen, in Veranstaltungen usw. bemüht hat, dann werden sich Redner auch immer ganz unmittelbar auf diese Be' ziehungen bezogen haben und nicht auf irgendwelche anderen französisch-sonstigen politischen Schwierigkeiten im Laufe der Geschichte.
Ich rufe die Frage 123 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, gleichartige Konsequenzen aus der Verurteilung von Juri Orlow in Moskau zu 12 Jahren Freiheitsentzug zu ziehen, wie es die Regierung der USA getan hat und tut?
Bitte.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die Frage beantworte ich wie folgt. Die
Bundesregierung ist bemüht, bei jeder ihr geeignet erscheinenden Gelegenheit für eine weltweite Verwirklichung der Menschenrechte, also auch in der Sowjetunion, einzutreten. Sie hat diese Haltung auch und besonders mit Bezug auf das gegen den sowjetischen Bürgerrechtler Juri Orlow kürzlich ergangene harte Urteil der sowjetischen Seite gegenüber erneut zum Ausdruck gebracht. Das Urteil — und ich sage das sehr nachdrücklich — steht nach Auffassung der Bundesregierung im Widerspruch zu der Schlußakte der KSZE. Die Bundesregierung ist währen der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad wiederholt dafür eingetreten, daß die Menschen in allen Teilnehmerstaaten der Welt in Zukunft berechtigt sein müssen, die ihnen nach der Schlußakte von Helsinki zustehenden Rechte auch gegenüber den eigenen Regierungen geltend zu machen. Dies bleibt unverändert die Auffassung der Bundesregierung, eine Auffassung, die der Sprecher der Bundesregierung am 19. Mai auch deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Die Bundesregierung bedauert in gleicher Weise wie die amerikanische Regierung das Urteil gegen den Bürgerrechtler Orlow ausdrücklich. Sie hofft, daß die gegen Orlow ergriffene außerordentlich harte Maßnahme überprüft wird. Zudem haben die Regierungen der Neun, also auch wiederum die Bundesregierung, am 24. Mai eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der die gegen sowjetische Bürgerrechtler ergangenen Urteile — insbesondere das Urteil gegen Juri Orlow — als unvereinbar mit der Schlußakte der KSZE und mit den Prinzipien der Entspannung bezeichnet werden.
Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß der amerikanische Gesundheitsminister einer Einladung nach Moskau nicht nachgekommen ist — als Ausdruck des Protestes gegen das. Urteil gegen Orlow, und ist die Bundesregierung bereit, in ähnlichen Fällen auch so zu handeln?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, bei uns stand keine Reise eines Ministers nach Moskau an.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
In welcher Weise — Sie sagten: in geeigneter Weise — gedenkt die Bundesregierung ihren Protest gegen dieses brutale Urteil gegen einen Bürgerrechtler deutlich zu machen?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich freue mich, Ihnen hierfür ein konkretes Beispiel geben zu können. Anläßlich des Besuches des stellvertretenden Kulturminister Popow hier in Bonn zur Eröffnung einer Ausstellung hat der Herr
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Staatsminister Frau Dr. Hamm-BrücherStaatssekretär Hermes diesen Protest ausdrücklich ausgesprochen.
Herr Kollege Broll.
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Frau Staatsminister, erwägt die Bundesregierung, den im Bürgerrechtspakt von 1966 vorgesehenen Ausschuß einzuberufen, vor dem ja Staaten wegen Menschenrechtsverletzungen dieser Art zur Rechenschaft gezogen werden könnten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Darüber hat die Bundesregierung bisher noch keine Überlegungen angestellt.
Herr Abgeordneter Jäger.
Frau. Staatsminister, geht die Bundesregierung bei ihrer Haltung in dieser Angelegenheit davon aus, daß das Prinzip IX der KSZE-Schlußakte ausdrücklich auch Einzelpersonen das Recht zugesteht, zur Erfüllung der Schlußakte beizutuagen, und daß deswegen die Verurteilung nur wegen der Wahrnehmung dieses Rechts ein glatter Verstoß gegen die Schlußakte von Helsinki ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, ich habe genau dies in meiner Antwort gesagt, nämlich daß die Bundesregierung ausdrücklich feststellt, daß es sich hier um einen Verstoß gegen die Schlußakte handelt.
Ich rufe Frage 124 der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin auf:
Wird die Bundesregierung die sich erweiternden Hungerstreikaktionen der Angehörigen Verschwundener bzw. von Angehörigen chilenischer Menschenrechtsbewegungen zum Anlaß nehmen, bei der chilenischen Militärjunta vorstellig zu werden, um Aufklärung über das Schicksal der Verschwundenen zu erhalten?
Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Präsident, die Anfrage der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin beantworte ich wie folgt. Selbstverständlich ist die Bundesregierung auch aus diesem Anlaß bei der chilenischen Regierung vorstellig geworden. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist sie seit langem um Aufklärung über das Schicksal der zahlreichen Personen bemüht, die meist schon vor mehreren Jahren im Zusammenhang mit dem in Chile herrschenden Ausnahmezustand verschwunden sind.
Zu diesen Bemühungen gehören auch Vorstellungen, die die Bundesregierung in Verbindung mit ihren EG-Partnern erhoben hat. Ferner hat sich die Bundesregierung an entsprechenden Resolutionen internationaler Organisationen, vor allem der Vereinten Nationen, beteiligt.
Ich freue mich, Ihnen, Frau Kollegin, im Anschluß an die geschriebene Antwort mitteilen zu können, daß heute mittag die Nachricht über die Agenturen gekommen ist, daß der Hungerstreik abgebrochen worden ist und die chilenische Regierung zugesagt hat, daß sie sich sehr bemühen wird, über das Schicksal der Vermißten Nachforschungen anzustellen.
Die nächste Frage, nämlich die Frage 125 des Herrn Abgeordneten Coppik, wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 126 des Herrn Abgeordneten Werner auf.
In welche afrikanische Staaten hat die DDR nach Kenntnis der Bundesregierung Berater, darunter Militärpersonal entsandt, und in welchen Aufgabenbereichen sind diese Personen jeweils tätig?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, der Bundesminister des Auswärtigen hat bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 1. Juni dieses Jahres erklärt, daß der Bundesregierung exakte Angaben über die von den Staaten des Warschauer Pakts, darunter der DDR, nach Afrika entsandten Truppen sowie militärische Berater, Ausbilder und Experten nicht vorliegen. An diesem Sachverhalt hat sich in der einen Woche nichts geändert. Eine Beantwortung Ihrer Frage in der von Ihnen gewünschten präzisen Form ist der Bundesregierung daher auch heute nicht möglich. Im übrigen bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich ebenso wie der Bundesminister Genscher in der vorigen Woche feststelle, daß die Bundesregierung an ihrer bisherigen Haltung festhalten muß, Angaben, die auf Erkenntnissen der dafür zuständigen Dienste beruhen, nur in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu machen.
Herr Kollege, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen. Bitte.
Frau Staatsminister, können Sie mir Auskunft wenigstens darüber geben, ob die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Materials, das, sich etwa auch an Hand von Zeitschriften Ostberliner Herkunft ergibt, sich regelmäßig ein Bild darüber zu machen versucht, welche Vorgänge sich im Bereich der Militärhilfe im afrikanischen Raum seitens der DDR abspielen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Sie können sicher sein, daß die Bundesregierung dies mit zunehmender Aufmerksamkeit tut, und zwar im Hinblick auf die Entwicklung an den Krisenpunkten in Afrika.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich weiter fragen, wie die Bundesregierung denn die Anwesenheit von Militärberatern der DDR in mindestens 13 afrikanischen Staaten und die Vergabe von mindestens 200 Millionen Mark als Solidaritätshilfe an afrikanische Staaten vor dem Gesamtkonzept der sogenannten weltweiten Entspannungspolitik beurteilt.
7500 Deutscher Bundestag— 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß diese Frage eigentlich mit Ihrer ursprünglichen Frage nicht im Zusammenhang steht. Vielleicht kann das der Herr Präsident überprüfen. Aber diese Frage wird später im Laufe der Fragestunde auftauchen.
Als konkrete Frage taucht sie auf.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich bitte Sie um Verständnis, daß ich sie gern dort beantworten möchte. Ich möchte keine falschen Zahlen nennen.
Sie taucht noch mal als unmittelbare Frage auf.
Zwei Zusatzfragen lasse ich noch zu, und zwar von dem Herrn Abgeordneten Graf Huyn und dem Herrn Abgeordneten Dr. Langguth. Herr Abgeordneter Graf Huyn, bitte.
Frau Staatsminister, angesichts der Tatsache, daß ein Vertreter des Auswärtigen Amtes in der vergangenen Woche den Innerdeutschen Ausschuß in leider sehr unzureichender Weise über die Präsenz Ost-Berliner Berater und über direkte militärische Interventionen, über die Nachrichten der Bundesregierung vorliegen, informiert hat, frage ich, wann und in welchem Ausschuß das Auswärtige Amt bereit ist,
umfassend über alle vorliegenden Kenntnisse — wie Sie selbst sagten — auch der dafür zuständigen Dienste zu berichten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann im Moment noch nicht überblicken, ob der Auswärtige Ausschuß hierfür der eigentlich zuständige Ausschuß ist. Aber ich werde mich gern darum bemühen, daß dies in absehbarer Zeit mit den möglichst vollständigen Zahlen geschieht. Mehr, als den Diensten selber bekannt ist, können wir dort nicht bekanntgeben.
Herr Abgeordneter Dr. Langguth, Sie haben die letzte Zusatzfrage. Dann gehen wir zur Frage 127 des Herrn Abgeordneter Werner über.
Frau Staatsminister, auch wenn Sie zum Ausdruck gebracht haben, daß Sie über keine exakten Angaben hinsichtlich des Einsatzes der NVA in Afrika verfügen, stelle ich die Frage, wie Sie Presseberichte beurteilen, daß von seiten der DDR beispielsweise die jeweiligen Staatssicherheitsdienste aufgebaut und daß auch Folterungen durch entsprechende Personen aus dem Bereich der DDR mit vorgenommen würden.
Vizepräsident • Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr
Kollege, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die
Frage, die Sie jetzt an die Frau Staatsminister gestellt haben, über die ursprünglich eingereichte Frage weit hinausgeht.
— Wenn Sie das unter „Aufgabenbereiche" subsumieren wollen, Herr Kollege,
würde ich aber doch glauben,
daß das über das hinausgeht, was das Auswärtige Amt betrifft. Frau Staatsminister, bitte, es liegt bei Ihnen. Ich persönlich würde vorschlagen, daß der Kollege Ihnen einmal schreibt.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich möchte den Kollegen bitten, daß er mir diese Zeitungsausschnitte einmal zugänglich macht.
Ich rufe die Frage 127 des Herrn Abgeordneten Werner auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor über die direkte und indirekte Beteiligung Kubas, der UdSSR und der DDR an den kriegerischen Auseinandersetzungen in Zaire?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen bisher keine gesicherten Erkenntnisse über eine direkte und indirekte Beteiligung der UdSSR, Kubas und der DDR an den kriegerischen Auseinandersetzungen in Zaire vor. Hinweise darauf, daß die sogenannten Katanga-Rebellen von Kuba ausgebildet und von der DDR logistisch unterstützt worden wären, haben bislang keine Bestätigung gefunden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß nach Aussage des amerikanischen Sicherheitsberaters Brzezinski in Kolwezi mindestens in einem Fall — ganz konkret: unter der Führung eines Hauptmanns Marcellino — kubanische Truppen engagiert waren und daß bei der unmittelbaren Vorbereitung die beiden anderen genannten Staaten gleichfalls — —
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei einer Frage bleiben würden, damit die Frau Staatsminister sie beantworten kann. Sie haben dann noch eine weitere Zusatzfrage.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Sie haben danach gefragt, ob uns die Mitwirkung des soeben von Ihnen genannten kubanischen Hauptmanns bekannt ist. Herr Kollege, ich kann nur das sagen, was ich bisher auch schon ausgeführt habe: daß auch uns solche Behauptungen, Vermutungen sehr wohl bekannt sind, daß aber ein konkreter Beweis bisher aussteht.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7501
Sie ha-
ben jetzt eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Es ist natürlich schwierig, nach einem Schwamm zu fassen, wenn er nur aus Luft besteht. — Frau Staatsminister, welche Bemühungen hat die Bundesregierung ihrerseits angestellt, um die Vorinformationen — ich möchte es einmal vage formulieren —, die es über das Engagement der drei genannten Staaten zweifelsohne gibt, durch zusätzliche Recherchen in diesem Raum — vielleicht auch im übertragenen Sinne in einer Grauzone der Politik — abzurunden und zu verifizieren?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Sie dürfen ganz sicher sein, daß die Bundesregierung alle Möglichkeiten ausschöpft, um solche Informationen zu erhalten, sei es über unsere diplomatischen Vertretungen, sei es über unsere Dienste, sei es über die Dienste befreundeter Nationen.
Ich rufe die Frage 128 des Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus der Tatsache ziehen, daß in verschiedenen afrikanischen Staaten z. Z. ca. 40 000 Kubaner und Tausende von Militärpersonen aus Staaten des Warschauer Pakts als Interventionstruppen agieren?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, wie der Herr Bundesminister Genscher bereits in der vorigen Fragestunde ausgeführt hat, ist die Bundesregierung der Überzeugung,
daß sich die Politik der Staaten der Europäischen Gemeinschaft und auch unserer amerikanischen und kanadischen Freunde — die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten durch Nichteinmischung, aber wirtschaftliche Hilfe, damit durch Herstellen wirtschaftlicher Stabilität, Schaffung sozialer Gerechtigkeit und damit politischer Stabilität zu sichern — langfristig mehr auszahlt ...
als die Entsendung von Interventionsstreitkräften durch die Kubaner und Staaten des Warschauer Pakts. Dies war die einschlägige Antwort des Herrn Bundesministers aus der vorigen Woche.
Ich darf fortfahren: Darüber hinaus ist es erforderlich, die betreffenden außerafrikanischen Mächte immer wieder nachdrücklich auf die Gefährdung der weltweiten Entspannung durch eine interventionistische, zum Teil die Unabhängigkeit afrikanischer Staaten beeinträchtigende Politik hinzuweisen.
Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß bei diesen Auseinandersetzungen Hinweise auf die widerrechtliche Einmischung außerafrikanischer Staaten in den afrikanischen Staaten allein genügen?
Frau .Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, es ist eine umstrittene Frage, ob es sich hier um ein widerrechtliches Eingreifen handelt. In den Fällen, die hier angesprochen sind, haben Regierungen kubanische Truppen, kubanische Berater sozusagen in eigener Verantwortung in ihr Land gerufen. Man wird nicht davon ausgehen können, daß es sich dann um eine widerrechtliche Intervention handelt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, können Sie mir mit Blick auf das Beispiel, das Sie in Ihrer Antwort eben angeführt haben, sagen, welche Regierung in Angola oder in Zaire die Kubaner angefordert hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: In Zaire sind ja keine Kubaner angefordert worden; im Gegenteil. Und in Angola ist die jetzige Regierung seinerzeit, als sie noch als Befreiungsbewegung um die Macht kämpfte, wie wir wissen, mit Hilfe kubanischer Truppen an die Macht gekommen.
— Er hat mich doch danach gefragt. Ich habe doch nur seine Frage beantwortet.
Ich rufe die Frage 129 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Bundeskanzlers vom 28. April 1978 in Hamburg: „Gleichgewicht kann man erzielen durch Schaffung von Gegengewichten , „Gleichgewicht kann man erzielen durch Rüstungsbeschränkungen" im Hinblick auf die Politik der UdSSR, Kubas und der DDR in Afrika?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die Entspannungspolitik der Bundesregierung und ihrer Verbündeten in der NATO beruht auf der Aufrechterhaltung des machtpolitischen Gleichgewichts zwischen Ost und West. Die sowjetischkubanischen Interventionen in Afrika in jüngster Zeit könnten dieses Gleichgewicht in der Tat zugunsten des Ostens beeinträchtigen. Der Bundeskanzler hat daher in seinem kürzlich im Nachrichtenmagazin „Newsweek" gegebenen Interview deutlich gemacht, daß die östliche Interventionspolitik in Afrika mit dem Geist der Entspannung nicht vereinbar ist. In diesem Zusammenhang hat der Bundeskanzler auch erklärt, daß er den sowjetischen Staats-
und Parteichef Breschnew bei dessen kürzlich stattgefundenen Deutschlandbesuch auf diesen Gesichtspunkt und mögliche Auswirkungen auf Amerikas Bereitschaft zum Abschluß eines neuen SALT-Abkommens hingewiesen habe.
Eine Zusatzfrage.
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7502 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Frau Staatsminister, kann denn die Bundesregierung — diese Frage wiederhole ich jetzt zum zweiten Male — allein mit Hinweisen, ohne wirtschaftlichen Druck gegenüber den Interventionsstaaten, mit Aussicht auf Erfolg Einfluß nehmen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, man muß sich ja immer vor Augen halten, welche Möglichkeiten politischen Handelns es gibt. Wenn Sie sagen: bloß mit Hinweisen, so muß ich darauf erwidern: Natürlich ist Politik, ist Diplomatie immer ein Mittel, um seinen Standpunkt deutlich zu machen, um bestimmten Vorgängen und Verhaltensweisen nachdrücklich zu widersprechen, die einem nicht gefallen. Aber, Herr Kollege, Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, daß irgendeine Art Kanonenbootdiplomatie oder irgendein Säbelrasseln eine Alternative zur Afrikapolitik der Bundesregierung wäre.
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, abgesehen davon, daß die Kanonenbootpolitik in meinen Überlegungen überhaupt keine Rolle spielt, frage ich Sie: Bestehen zwischen der Bundesrepublik und den Ostblockstaaten, die in Afrika intervenieren, nicht wirtschaftliche Verbindungen und Verträge, die benutzt werden könnten, um auf diese Staaten Druck auszuüben in dem Sinne, den Sie als Ziel der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht haben?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte das noch einmal wiederholen; denn unsere Afrikapolitik ist ja kein Alleingang, sondern sie ist im wesentlichen eine Politik, die mit den EG-Partnern und den Bündnispartnern abgestimmt ist. Sie läuft immer wieder darauf hinaus, die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten durch Nichteinmischung in militärische Auseinandersetzungen, aber durch wirtschaftliche Hilfe zur Herstellung einer wirtschaftlichen Stabilität und damit auch zur Schaffung von sozialer Gerechtigkeit zu sichern. Diese Politik wird sich, Herr Kollege, auf längere Sicht mehr auszahlen als das Vollpumpen Afrikas mit Waffen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei den Zusatzfragen die ursprünglich eingereichte Frage beachten würden; denn wir haben noch eine Menge Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes vorliegen.
Bitte schön Herr Kollege.
Frau Staatsminister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie etwa das französische und belgische Vorgehen zum Schutze
Zaires als Säbelrasseln und Kanonenbootpolitik bezeichnen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich muß das zurückweisen.
Frau Staatsminister, ich lasse die Zusatzfrage wegen Fehlens des Sachzusammenhangs nicht zu.
Herr Abgeordneter Todenhöfer.
Frau Staatsminister, halten Sie es für mit der deutsch-französischen und der deutsch-belgischen Freundschaft vereinbar, daß Sie es diesen beiden Ländern überlassen, militärisch das Notwendige zu tun, während die Bundesregierung sich auf den hehren Grundsatz zurückzieht, sie leiste nur Entwicklungshilfe?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich hoffe, Sie kennen das Grundgesetz. Nach Art. 87 a des Grundgesetzes ist der Einsatz der Bundeswehr nur im Verteidigungsfall möglich.
Eine letzte Zusatzfrage des Kollegen Jäger. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn wir uns auf die Aussage des Bundeskanzlers in Hamburg konzentrieren würden.
Frau Staatsminister, können Sie uns denn konkret nennen, welche Gegengewichte in der Rede des Bundeskanzlers, die in der Frage des Kollegen Dr. Kunz zitiert ist, gemeint gewesen sind?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, ich muß Ihnen sagen: Mir liegt dieses Interview hier vor. Ich werde es Ihnen nachher gern überreichen. Vielleicht können Sie dann aus dem Zusammenhang eine ergänzende Antwort zu meiner ersten Antwort entnehmen.
Ich rufe die Frage 130 des Abgeordneten Amrehn auf:Welche Nachbarländer von Zaire haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in direkter oder indirekter Weise am Konflikt in Zaire beteiligt, und denkt die Bundesregierung daran, darauf konkret zu reagieren?Frau Staatsminister.Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen keine Beweise über eine direkte Beteiligung eines Nachbarstaats von Zaire am Konflikt in Shaba vor. Hinweise auf eine indirekte Beteiligung könnten in der Duldung katangesischer Flüchtlinge und ihrer Aktivitäten in Angola gesehen werden. Aus dem
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7503
Staatsminister Frau Dr. Hamm-BrücherGesagten folgt, daß eine Reaktion schon mangels eindeutiger Erkenntnisse nicht in Frage kommt.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 131 des Herrn Abgeordneten Amrehn auf:
Welche sind nach Auffassung der Bundesregierung die wirklichen Beweggründe für Kuba und die DDR, in Afrika in so erheblichem Maße aggressiv und militärisch zu intervenieren?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die Afrikapolitik Kubas dürfte auf eine Reihe sehr verschiedener Beweggründe zurückgehen. Einmal scheint unter den führenden Persönlichkeiten des kubanischen Regimes ein revolutionäres Sendungsbewußtsein verbreitet zu sein. Ich erinnere an die Untergrundtätigkeit Che Guevaras in Bolivien in den 60er Jahren.
Dieses Sendungsbewußtsein hat in der kubanischen Verfassung seinen Niederschlag gefunden. Dort heißt es: „Internationalistisches Recht und die internationalistische Pflicht Kubas ist es, den für die Befreiung kämpfenden Völkern zu helfen."
Herr Abgeordneter, wollten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich war noch nicht fertig, Herr Präsident. Ich habe nur über den Zwischenruf nachgedacht und fand ihn nicht so schlecht.
Zum anderen ist der kubanische Ehrgeiz zu nennen, eine weltpolitische Rolle in der Bewegung der Blockfreien zu spielen. Außerdem dürfte das Engagement in Afrika eine wichtige Funktion als Mittel zur Ablenkung von innenpolitischen — insbesondere wirtschaftlichen — Schwierigkeiten in Kuba selbst erfüllen.
Schließlich dürfte die Übereinstimmung der kubanischen Motive mit den machtpolitischen Interessen der Sowjets bedeutsam sein.
Die UdSSR setzt die genannten kubanischen Beweggründe in ihr weltpolitisches Spiel um die Ausdehnung ihrer Einflußzone in Afrika ein. Ohne ihre massive wirtschaftliche und militärische Unterstützung wären die kubanischen Aktivitäten in Afrika nicht denkbar. Bei der hohen wirtschaftlichen, militärischen und politischen Abhängigkeit Kubas von der Sowjetunion dürfte es für die kubanische Regierung heute nicht mehr leicht sein, sich sowjetischen Wünschen zu widersetzen.
Nun zu den Beweggründen der DDR, nach denen Sie fragen, Herr Abgeordneter. Die DDR versteht seit jeher ihre Afrikapolitik als aktive antiimperialistische Solidarität. In diesem Sinne hat der Generalsekretär der SED, Erich Honecker, erst kürzlich am 24. Mai in einem Rechenschaftsbericht vor dem 8. ZK der SED folgendes ausgeführt — ich darf zitieren —:
In Afrika setzen die imperialistischen Mächte besonderen Eifer daran, sich verlorene Ausbeutungs- und Herrschaftsgebiete wieder zu verschaffen oder ihre Position mit neokolonialistischen Mitteln zu halten. Es ist gut bekannt, daß wir an der Seite der Sowjetunion, Kubas und der anderen sozialistischen Bruderstaaten die Völker Äthiopiens, Angolas, Moçambiques und die Befreiungsbewegung im Süden Afrikas tatkräftig unterstützen.
Herr Kollege, Zusatzfrage.
Würden Sie sich in der Lage sehen, Frau Staatsminister, zu erklären, daß die Bundesregierung das, was Sie soeben ausgeführt haben, zum Anlaß nehmen wird, darüber insbesondere auch mit der DDR zu sprechen, damit vermieden wird, daß die DDR als Teil Deutschlands auf einem anderen Erdteil kriegerisch tätig wird und auf diese Weise einen Grundsatz verletzt, den zu beachten sie früher selbst bekundet hat?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, daß die DDR kriegerisch tätig wird, ist bisher nicht nachgewiesen worden. Aber im übrigen haben Sie natürlich recht, daß über diese Fragen der Afrika-Politik geredet werden muß.
Sie haben keine weiteren Zusatzfragen. Ich lasse jetzt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kittelmann zu.
Frau Staatsminister, nachdem Sie den „revolutionären Geist", in dem sich die Kubaner in Afrika selber glauben bestätigen zu müssen, in der Prioritätenliste vorangestellt haben, könnte man Ihre Antwort darin gehend abkürzen, daß sich sowohl die DDR als auch Kuba in Afrika in erster Linie als Hilfstruppen des sowjetischen Imperialismus betätigen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, der Fragesteller, Herr Kollege Amrehn, hatte mich nach den Beweggründen gefragt, die nach Auffassung der Bundesregierung für die Aktivitäten von Kuba und der DDR zu nennen sind. Ich habe es als eine Fleißaufgabe betrachtet, das mit Hilfe sachkundiger Mitarbeiter einmal aufzulisten. Aber der Schlußfolgerung, die Sie aus der Aufzählung der Gründe gezogen haben, möchte ich mich nicht verschließen.
Frau Abgeordnete Erler.
Frau Staatsminister, welche Fälle gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, bei denen der Einsatz der Kubaner nicht der Abwehr
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7504 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Frau Erlereiner ausländischen Intervention gegolten hat, wie in Angola, Mozambique und Äthiopien?
Frau Staatsminister, ich sehe hier nicht den unmittelbaren Zusammenhang mit der beantworteten Frage. Ich lasse daher die Zusatzfrage nicht zu.
Ich rufe die Frage 132 des Abgeordneten Dr. Hüsch auf:
Welche Aussichten sieht die Bundesregierung für den Bestand und die Garantie der Staatsgrenzen in Afrika, wie sie durch den Beschluß der Organisation afrikanischer Staaten festgeschrieben worden sind?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit haben sich die jungen Staaten Afrikas entschlossen, die oft rein willkürlich und ohne Beachtung ethnischer Gesichtspunkte von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen zu übernehmen,. und diese Entscheidung zu einem Grundprinzip der Organisation der Afrikanischen Einheit erhoben. Dieses Prinzip gibt, da in Afrika zahlreiche Fälle im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht stehen, reichlich Anlaß zu Konflikten. Die Entscheidung, ob die OAE auf die Dauer strikt an diesem Prinzip festhalten oder ob sie künftig gewisse Korrekturen, die sich am Selbstbestimmungsrecht orientieren, zulassen wird, liegt ausschließlich bei den Staaten Afrikas. Wir können und wir wollen uns insoweit nicht in die Rolle eines Lehrmeisters begeben, sondern werden von den Afrikanern beschlossene Lösungen dieser Fragen resepktieren.
Wir wenden uns jedoch nachdrücklich gegen jede Intervention raumfremder Mächte, die unter dem Vorwand der Unterstützung des einen oder des anderen der beiden Prinzipien bestrebt sind, sich militärische, ideologische oder wirtschaftliche Einflußzonen in Afrika zu sichern. Die Politik der Bundesregierung geht, wie wiederholt dargestellt wurde, dahin, die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten zu sichern und ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, außerafrikanische Lösungen afrikanischer Fragen mit Erfolg abzuwehren.
Herr Abgeordneter, Sie wollen keine Zusatzfrage stellen? — Dann die Frage 133 des Abgeordneten Todenhöfer:
Wird die Bundesregierung gegenüber solchen Staaten in Afrika reagieren, die ihre Gebiete für den Aufmarsch zu kriegerischen Operationen oder zur Anzettelung von Bürgerkriegen zur Verfügung stellen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, die von Ihnen gestellte Frage ist leider so generell formuliert, daß ich kaum eine Möglichkeit sehe, darauf eine wirklich konkrete Antwort zu geben, die den besonderen Umständen jedes denkbaren Einzelfalles gerecht wird. Die Bundesregierung muß sich vorbehalten, ihre Politik in jedem Einzelfall an den jeweils besonderen Gegebenheiten zu orientieren.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Todenhöfer.
Frau Staatsminister, sind Sie beispielsweise bereit zu überprüfen, ob Länder, die sich als Aufmarschgebiet zu Kriegen im südlichen Afrika zur Verfügung stellen, in Zukunft noch deutsche Entwicklungshilfe erhalten können?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Sie müßten mir dann konkret so ein Land nennen, damit ich auch versuchen kann, Ihnen eine konkrete Antwort zu geben.
Bitte, Herr Kollege, eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem kürzlichen Besuch des sambischen Präsidenten Kaunda bei Staatschef Neto von Angola, nachdem ja bekannt ist, daß in Zaire der Vorwurf erhoben worden ist, daß die Aufständischen von Angola aus über die sambische Grenze in die zairische Provinz gelangt sind?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Aus dem Besuch selbst kann ich keine Schlußfolgerung ziehen. Der Sachverhalt, daß die Rebellentruppen tatsächlich von Angola aus über den Nordwestzipfel von Sambia nach Zaire einmarschiert sind, ist richtig. Das ist eine Grenze, wie ich mir habe sagen lassen, von über 1 000 Kilometern Länge, die militärisch überhaupt nicht gesichert werden kann. Es ist interessant festzustellen, Herr Kollege — jetzt kommt das Wichtigste daß diese Rebellentruppen beim Rückmarsch, als sie wiederum durch sambisches Gebiet marschierten, entwaffnet und festgehalten oder eingesperrt worden sind. Ich weiß nicht, welches der korrekte Ausdruck dafür ist. Jedenfalls sind sie auf sambischen Boden entwaffnet worden und konnten nicht weiter durch Sambia ziehen.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7505
Herr Abgeordneter Todenhöfer, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ich war davon ausgegangen, daß Ihnen die Namen der Frontstaaten bekannt sind.
— Dann verstehe ich allerdings Ihre Antwort nicht.
Darf ich deswegen fragen, Frau Staatsminister, ob Sie bereit sind, die Entwicklungshilfe an das Aufmarschgebiet und an den Frontstaat Tansania oder Sambia zu überprüfen, und ob Sie auch bereit sind, zu überprüfen, ob das seinerzeitige Entwicklungshilfeangebot an Angola heute von der Bundesregierung noch aufrechterhalten werden kann?
Herr Kollege Todenhöfer, jetzt ist es Ihnen allerdings gelungen, darin gleich zwei Zusatzfragen unterzubringen.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, zunächst nannten Sie Tansania und Sambia. Bei diesen beiden Staaten sieht die Bundesregierung keinen Grund, weshalb die Entwicklungshilfe für diese Länder eingestellt werden sollte. Was Angola betrifft, so haben wir bisher noch keine Entwicklungshilfe, Kapitalhilfe, gegeben.
— Dann kann ich Ihnen im Augenblick natürlich nicht aus dem Handgelenk sagen, wie wir das in Zukunft weiter halten werden. Ich gebe Ihnen aber gerne zu gegebener Zeit darauf eine Antwort. Im übrigen kann ich nur noch einmal wiederholen, Herr Kollege, was in der Diskussion mit Ihnen ja schon so oft gesagt wurde: Eine einigermaßen friedliche Lösung im südlichen Afrika wird nur möglich sein, wenn der Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt endlich einmal durchbrochen wird.
Herr Abgeordneter Langguth, dann der Abgeordnete Voigt.
Frau Staatsminister, da Sie den Wunsch geäußert hatten, konkret nach Ländern gefragt zu werden, möchte ich noch einmal auf Sambia kommen und fragen, ob Sie, obwohl Sambia offensichtlich Aufmarschgebiet für die „katangischen Gendarmen", wie sie genant werden, ist, dennoch weiterhin Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen werden.
Herr Kollege, ich bitte um Nachsicht, Zusatzfragen müssen nach der Geschäftsordnung kurz, knapp und klar sein.
— Herr Kollege, mindestens eine der wesentlichen
Voraussetzungen nach den Richtlinien hatten Sie
nicht erfüllt. — Erforderlichenfalls könnte der Herr Kollege sie noch einmal kurz zusammenfassen.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich habe sie präzis verstanden und bin bereit, sie zu beantworten.
Wunder-
bar, ich bedanke mich.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte in Erinnerung rufen, daß Präsident Kaunda diese Behauptung, daß Sambia Aufmarschgebiet gewesen sei oder gar daß sambische Truppen mit in Shaba einmaschiert seien, als nicht den Tatsachen entsprechend bezeichnet hat.
Wie es sich mit dem Durchmarsch der Rebellen verhalten hat, habe ich als militärisch Nichtfachkundige vorhin schon zu beschreiben versucht.
Herr Abgeordneter Voigt.
Frau Staatsminister, nachdem sich entsprechende Vorschläge von Herrn Todenhöfer, die auf eine Streichung von Unterstützungsmaßnahmen abzielten, schon — um das ironisch zu sagen — gegenüber Somalia so sehr bewährt haben, möchte ich fragen, ob nicht durch entsprechende Streichungsmaßnahmen oder Repressalien gegenüber Kenia und auch Sambia die wenigen Freunde, die die westliche Seite und gerade die Bundesrepublik in Afrika noch haben, verlorengehen könnten.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich pflichte Ihnen bei.
Ich möchte den Herrn Kollegen Todenhöfer bitten, sich einmal mit den Kollegen aus seiner Fraktion zu unterhalten, die kürzlich von ihrer Reise in das südliche Afrika zurückgekehrt sind, damit er auch von seinen eigenen Kollegen erfahren kann, wie differenziert man die jeweilige Situation in Afrika beurteilen muß.
Zusatzfrage, Herr Kollege Corterier.
Frau Staatsminister, würden Sie mir in der Feststellung zustimmen, daß Staatspräsident Kaunda einer derjenigen Staatschefs ist, die die größten Anstrengungen unternehmen, um zu einer friedlichen Lösung in Namibia beizutragen, und daß es geradezu wahnwitzig wäre, ihm gegenüber solche Konsequenzen zu ergreifen, wie sie von der Opposition empfohlen werden?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis: Keine Werturteile in der Zusatzfrage.
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7506 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Haben Sie die Frage genehmigt, Herr Präsident?
Frau
Staatsminister, ich habe das Werturteil gestrichen, den Inhalt der Frage aber zugelassen.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann das durchaus bestätigen; denn die fünf westlichen Sicherheitsratsmitglieder sind mit ihren Bemühungen um den Namibia-Vorschlag in den sehr mühsamen fünf Verhandlungsrunden durch die Vermittlung des sambischen Staatspräsidenten Kaunda weitergekommen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, ihre Haltung im Falle von Mozambique zu überprüfen, das als selbsterklärter Frontstaat Entwicklungshilfe bekommen soll und die Annahme der Entwicklungshilfe auch noch von der Bedingung abhängig macht, daß in einem entsprechenden Vertrag mit der Bundesrepublik keine Berlin-Klausel enthalten sein soll?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wir überprüfen unsere Möglichkeiten immer wieder. Aber die Veränderungen in Afrika gehen wirklich erstaunlich schnell vor sich. Von Staaten, von denen wir heute noch annehmen, sie seien ohne jede Hoffnung auf Änderung Satelliten der Sowjetunion geworden, kann man morgen in der Zeitung lesen, daß sie sich auf einmal von solchen Bindungen lösen wollen. Ich habe heute in der „Süddeutschen Zeitung" gelesen, Südjemen sei dabei, sich mit den Vereinigten Staaten in Verbindung zu setzen. Im Irak ist etwas Ähnliches im Gange. Ägypten ist ein weiterer Fall, auch Somalia.
Deshalb meine ich: Wir dürfen hier keine ideologischen Entscheidungen ein für allemal treffen, sondern müssen in der Afrika-Politik nach einem Prinzip — wie heute mehrfach formuliert — vorgehen, dessen Befolgung wirklich hilft, die Krisenherde, die ohnehin schon groß genug sind, nach Möglichkeit einzudämmen.
Ich rufe
die Frage 134 des Abgeordneten Todenhöfer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Verurteilung der an der Invasion in Zaire direkt oder indirekt beteiligten Länder, namentlich die für die UdSSR stellvertretend handelnden Länder Kuba und DDR, durch einen Beschluß der UNO zu beantragen bzw. einen solchen Antrag eines anderen Landes aktiv zu unterstützen?
Bitte.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wendet sich nachdrücklich gegen alle militärischen Interventionen raumfremder Mächte in Afrika, die geeignet sind, Freiheit und Unabhängigkeit der Staaten Afrikas zu beeinträchtigen.
Für konkrete Maßnahmen zur Mißbilligung einer bewaffneten Intervention in Afrika ist nach Auffassung der Bundesregierung zunächst die Organisation der Afrikanischen Einheit als Regionalorganisation der unmittelbar oder mittelbar betroffenen Staaten Afrikas berufen. Ob darüber hinaus auf Wunsch der OAE oder im Einvernehmen mit ihr der VN-Sicherheitsrat von dessen westlichen Mitgliedern mit einer solchen Frage befaßt werden soll, ist, wie immer, eine Frage der politischen Zweckmäßigkeit, die die Bundesregierung mit ihren westlichen Partnern sorgfältig abwägen muß. Bei der Entscheidung hierüber ist neben der Beweislage auch die Frage der Erreichbarkeit der erforderlichen Mehrheit bei den Vereinten Nationen von entscheidender Bedeutung.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, haben Sie nicht den Eindruck, daß Sie mit Ihrer zurückhaltenden Beantwortung meiner Frage, Kuba betreffend, eine doppelte Moral vertreten, wenn man die Haltung der Bundesregierung beispielsweise gegenüber Südafrika sieht?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, wenn Sie heute der Fragestunde zugehört haben, können Sie beim besten Willen nicht behaupten, daß wir uns gegenüber der kubanischen Intervention zurückhaltend geäußert haben.
Aber die Frage einer Intervention oder der Bemühungen um eine Verurteilung bei den Vereinten Nationen muß realistischerweise so gesehen werden, daß die Bundesrepublik hier keinen Alleingang wagen kann, wenn nicht in etwa sichergestellt ist, daß eine solche Intervention die entsprechende Unterstützung hat. Wir sind als Bundesrepublik auf unsere Partner und Freunde, auch auf unsere Partner in Afrika, angewiesen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, heißt das, daß Sie sich für die Menschenrechte in der UNO in Form von Resolutionen nur dann einsetzen werden, wenn Sie, wie beispielsweise bei Südafrika, dafür eine Mehrheit haben?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege Todenhöfer, Sie wissen ganz genau, wie sich die Bundesregierung — übrigens jede Bundesregierung, ganz gleich, wie sie zusammengesetzt sein mag — bei jeder Gelegenheit bei Verstößen gegen Menschenrechte mit Nachdruck dagegen zu wenden versucht, und daß sie sich unabhängig davon, ob Mehrheiten vorhanden sind, natürlich überall bemühen wird, daß solche Verstöße in entsprechender Weise geahndet werden.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7507
Ich rufe
die Frage 135 des Herrn Abgeordneten Dr. Hoffacker auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Interventionspläne der UdSSR, Kubas und der DDR gegenüber Rhodesien und Namibia/SWA?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Sowjetunion, Kuba und die- DDR den bewaffneten Kampf der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika durch Waffenlieferungen und Stellung von militärischen Ausbildern und Beratern unterstützen. Von einem weitgehenden Engagement der drei Staaten, etwa einer Beteiligung an der Vorbereitung einer bewaffneten Intervention gegenüber Rhodesien und Namibia liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Ich rufe die Frage 136 des Abgeordneten Graf Huyn auf:
In welchen Staaten sind nach Kenntnis der Bundesregierung „Berater" aus dem Ost-Berliner Herrschaftsbereich unmittelbar oder mittelbar an Kämpfen beteiligt oder als Ausbilder auf dem afrikanischen Kontinent tätig?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über den unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz von DDR-Truppen bei Kämpfen auf dem afrikanischen Kontinent vor. Die Beantwortung des zweiten Teils Ihrer Frage, die Entsendung militärischer Ausbilder der DDR in die Staaten Afrikas betreffend, könnte nach Auffassung der Bundesregierung nur im zuständigen Bundestagsausschuß erfolgen, wie ich vorhin schon einmal gesagt habe. Ich bitte um Verständnis dafür, daß die Bundesregierung bei Fragen, deren Beantwortung ihr nur auf Grund von Informationen der zuständigen Dienste möglich ist, an Ihrer bisherigen Praxis festhält.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsministerin, würden Sie dann die Äußerung des äthiopischen Staatschefs Menghistu, die er vor wenigen Wochen, im Mai dieses Jahres, getan hat, für unrichtig erklären? Er sagte wörtlich: „Im Lager der Freunde haben wir die DDR und andere wahrhaft sozialistische Länder, die uns mit Taten unterstützen. Sie leben mit uns, sterben mit uns und kämpfen mit uns."
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, diese Pressemeldungen liegen uns vor, und ich habe sie auch dabei. Wir haben versucht, über die Zeitung, in der dieser Artikel erschienen ist, Recherchen über unsere Vertretung anzustellen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob diese Rede überhaupt gehalten wurde. Man spricht sogar von einer „Geisterrede". Niemand kann genau feststellen, ob das wirklich gesagt worden ist. Wir konnten keine Bestätigung des Zitats erhalten. Deshalb kann ich es hier auch nicht bestätigen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß dieser Teil der Rede in amharischer Sprache — nicht in den englischsprachigen Sendungen von Radio Addis Abeba — verbreitet worden ist und daß auf Befragen des Ost-Berliner Außenministeriums diese Äußerung nicht dementiert worden ist?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Daß die Rede in amharischer Sprache gehalten sein soll, ist mir bekannt. Ihren übrigen Hinweisen werde ich gern nachgehen.
Ich rufe Frage 137 des Abgeordneten Graf Huyn auf:
In welchen Staaten Afrikas sind nach Kenntnis der Bundesregierung „Berater" des Ost-Berliner Ministeriums für Staatssicherheit mittel- oder unmittelbar an der Organisation, dem Aufbau oder der Gewährleistung der „inneren Sicherheit" beteiligt?
Bitte.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, gesicherte Erkenntnisse darüber, in welchen Staaten Afrikas Berater des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit bei Organisation, Aufbau oder Gewährleistung der Sicherheitsdienste beteiligt sind, liegen der Bundesregierung nicht vor. Ich betone nochmals: gesicherte Erkenntnisse.
Die erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsminister, ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt — und wäre das Auswärtige Amt bereit, in den zuständigen Ausschüssen, die zu benennen ich bitten möchte, in vertraulicher Sitzung darüber zu berichten, ob das bekannt oder nicht bekannt ist —, daß etwa in Mozambique u. a. die innere Sicherheit durch Berater des Staatssicherheitsdienstes Ost-Berlins organisiert wird?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, Herr Bundesminister Genscher hat dies in der letzten Sitzung zugesagt, und ich glaube, es ist sicher, daß so verfahren werden kann.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ist dem Auswärtigen Amt auch bekannt, daß eine enge Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Staaten des Warschauer Paktes einschließlich Kubas bei der Präsenz und Intervention des Staatssicherheitsdienstes in einer ganzen Reihe von afrikanischen Staaten besteht?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Sowjetunion, Kuba und die DDR in den afrikanischen Ländern in jeder Weise zusammenarbeiten.
Der Herr Abgeordnete Dr. Marx hat um schriftliche Beant-
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7508 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenwortung der von ihm eingereichten Fragen 138 und 139 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe Frage 140 des Abgeordneten Kittelmann auf:Worin unterscheidet sich der gegenwärtige Konferenzstand der Seerechtskonferenz im Bereich Meeresbergbau vom ICNT?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, unverändert ist der ICNT — zu deutsch: der informelle Verhandlungstext — die Grundlage der Verhandlungen der 7. Session der 3. Seerechtskonferenz. Einen neuen Verhandlungstext gibt es bisher noch nicht. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die 7. Session nicht, wie vorgesehen, am 19. Mai 1978 beendet werden konnte. Da drei der auf sieben Wochen angesetzten 7. Session durch die Präsidentschaftskrise und die Erörterung von Prozedurfragen verlorengingen, konnte kein neuer Verhandlungstext erarbeitet werden. Die 7. Session wird daher vom 21. August bis 15. September 1978 in New York fortgesetzt werden. Wir befinden uns also derzeit in einer laufenden Verhandlungsphase, so daß eine mit dem Ergebnis der 6. Session vergleichende Wertung nicht möglich ist.Die Fragen des Meeresbergbaus sind während der Genfer Periode der 7. Session in drei Verhandlungsgruppen intensiv erörtert worden. Diese Erörterungen haben jedoch, wie ich schon sagte, nicht zur Verabschiedung ausgehandelter Texte geführt. Vielmehr haben die Vorsitzenden der Verhandlungsgruppen in eigener Verantwortung Texte formuliert, die sie als konsensfähig ansehen. Dementsprechend haben diese Texte keinen offiziellen Status und keine irgendwie geartete Vertragsqualität; sie sind lediglich Grundlage weiterer Erörterungen.
Frau Staatsminister, ist damit auch die zweite Frage des Abgeordneten Kittelmann mit beantwortet, oder wollen Sie darauf noch gesondert eingehen?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Ich habe eine gesonderte Antwort vorbereitet.
Danke. Dann bitte die erste Zusatzfrage!
Frau Staatsminister, wie hoch schätzen Sie den Verhandlungserfolg der Entwicklungsländer ein, der darin liegt, daß entgegen dem vor der Konferenz erklärten Willen der Industriestaaten der ICNT praktisch doch als anerkannter Verhandlungstext in Genf behandelt wurde, nachdem auch Sie eben in Ihrer Antwort — entgegen der Absicht auch der Bundesregierung, nach Genf zu reisen und diesen Text nicht als Verhandlungsgrundlage anzuerkennen — sagten, daß der ICNT Verhandlungsgrundlage ist?
Frau Dr. Hammm-Brücher, Staatsminister: Als Verhandlungstext muß er anerkannt werden. So heißt er ja auch. Aber er ist von den Regierungen noch nicht angenommen und beschlossen worden. Das wissen Sie als Berater der Delegation wohl selber am besten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, darf ich Ihre kurze Beantwortung einer, wie ich zugebe, komplizierten Frage dahin interpretieren, daß die Bundesregierung im Moment nicht die Absicht hat, zu dem Thema mehr zu sagen, als Sie in Ihrer Antwort eben zum Ausdruck brachten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Aber, Herr Kollege, es hat doch gar keinen Sinn, mitten in einer Session eine Wertung vorzunehmen, bevor überhaupt Texte vorliegen, über die man reden kann. Das ist reine Zeitverschwendung.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Frau Staatsminister, der ICNT ist, wie der Name schon sagt, ein informeller Verhandlungstext gewesen. Ist Ihnen bekannt, daß es inzwischen neue, ebenfalls informelle Texte gibt, nach deren Unterschied zum ICNT wir Sie gefragt hatten?
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Nein, solche Texte gibt es noch nicht. Es wird weiter auf Grund der Vorlage des ICNT verhandelt. Die Texte, die vorliegen, werden dann in der New Yorker Session überhaupt erst weiter beraten.
Ich rufe die Frage 141 des Abgeordneten Kittelmann auf:
Welche konkreten Ergebnisse sind in den Bereichen Technologietransfer, Finanzierung der Meeresbodenbehörde und Minderheitenschutz im Council auf der 7. Session der Seerechtskonferenz in Genf erzielt worden?
Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, wie vorher festgestellt, kann von konkreten Ergebnissen eben nicht gesprochen werden. Die vorliegenden Texte bringen eine leichte Verbesserung im Bereich des Technologietransfers wie übrigens auch in den Fragen des Zugangs zum Meeresboden und zur Revisionskonferenz.
Hinsichtlich der Zusammensetzung des Council ist auf der Genfer Periode der 7. Session gegenüber dem ICNT keine Veränderung eingetreten. Der Text zur Finanzierung der Meeresbodenbehörde enthält noch keine Zahlenangabe, so daß auch hier eine Beurteilung nicht möglich ist.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, dann darf ich die vom Ergebnis her hypothetische Frage stellen: Hält die Bundesregierung unter wirtschaft-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7509
Kittelmannlichen Gesichtspunkten das von den Entwicklungsländern geforderte Junktim zwischen Technologietransfer auf das Enterprise und der Erteilung von Abbaulizenzen in der entscheidenden Phase für annehmbar, oder wird die Bundesregierung klar erklären, daß dies für sie kein annehmbarer Kompromiß wäre?Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Kollege, nach Ende der 6. Session war klar, daß die Bundesregierung, wie Sie richtig gesagt haben, die Texte in dieser Form nicht akzeptieren würde.
Keine Zusatzfrage mehr. Die Frage ist erledigt.
Dann kann ich jetzt die Frage des Herrn Dr. Hoffacker beantworten lassen. Vielleicht kann auch noch die Frage von Herrn Dr. Hüsch beantwortet werden, je nachdem, wie es mit den Zusatzfragen steht.
Ich rufe jetzt also die Frage 142 des Abgeordneten Dr. Hoffacker auf:
Welche Fortschritte sieht die Bundesregierung nach dem Abbruch der 7. Session der Seerechtskonferenz im Bereich der Ausgestaltung der Wirtschaftszonen und der Streitregelung?
Frau Staatsminister.
Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich wiederhole auch hier: Die im folgenden beschriebenen möglichen Verbesserungen sind keineswegs irgendwie endgültige Resultate.
Als Tendenz der Genfer Runde lassen sich in zwei Teilbereichen einer künftigen Rechtsordnung für die Wirtschaftszone gewisse Fortschritte erwarten.
Das gilt erstens in der Fischereiregelung, und zwar gegen den starken Widerstand von Küstenstaaten. Das durch Fischereiabkommen zu realisierende Recht bestimmter Staaten, der Binnenländer und der Staaten mit besonderen geographischen Merkmalen, auf Beteiligung an den lebenden Ressourcen der Wirtschaftszone soll gegenüber dem ICNT verdeutlicht werden. Gleichzeitig sollen auch entwickelte Staaten mit besonderen geographischen Merkmalen ein solches Beteiligungsrecht erhalten, während der ICNT derartige Rechte nur den Entwicklungsländern zugesteht.
Dieser Veränderung im substantiellen Bereich entspricht eine Veränderung der prozessualen Regelung von Fischereistreitigkeiten. An die Stelle der gerichtlichen Streitregelungen für solche Streitigkeiten soll obligatorische Streitschlichtung treten. Diese Regelung soll anders als der ICNT eindeutig auch Ermessenswillkür des Küstenstaats überprüfbar machen; darüber haben wir ja vorhin debattiert. Außerdem sollen die unverhältnismäßigen prozeduralen Erschwernisse, die zu dem an sich berechtigten Zweck des Schutzes vor RechtswegeMißbrauch in den ICNT aufgenommen worden waren, auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Damit dürfte die Konfliktmasse der Seerechtskonferenz beträchtlich entschärft werden.
Zweitens läßt sich absehen, daß die Befugnisse des Küstenstaates zum Schutze der Meeresumwelt in der Wirtschaftszone im Vergleich zum ICNT leicht verstärkt werden. Aber dies ist, wie gesagt, nur eine Momentaufnahme.
Zusatzfrage.
Ich verzichte und reiche die Zusatzfragen schriftlich nach.
Danke. — Ich danke der Frau Staatsminister für die Beanttung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Wir stehen damit am Ende der heutigen Fragestunde.
Die Fragen 53 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwencke , 76 und 77 des Herrn Abgeordneten Volmer, 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden), 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs, 80 des Herrn Abgeordneten Krey, 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Langguth, 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Eyrich, 83 des Herrn Abgeordneten Berger (Herne), 84 und 85 des Herrn Abgeordneten Spranger, 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch (Wiesbaden), 87 des Herrn Abgeordneten Berger (Herne), 100 und 101 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Diesem Wunsch wird entsprochen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt unserer Tagesordnung auf:Eidesleistung des Bundesministers des InnernDer Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 8. Juni 1978 mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers den Herrn Bundesminister Professor Dr. Werner Maihofer aus seinem Amt entlassen und Herrn Gerhart Rudolf Baum zum Bundesminister des Innern ernannt hat.Nach Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 des Grundgesetzes vorgeschriebenen Eid.Ich bitte Sie, Herr Bundesminister des Innern, zur Eidesleistung heranzutreten.
Ich lese Ihnen die Eidesformel vor und bitte, den Eid mit den Worten „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" oder „Ich schwöre es" zu bekräftigen.Der Eid lautet:Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.Ich bitte Sie, den Eid zu leisten.
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7510 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich beglückwünsche Sie zur Übernahme Ihres Amtes und wünsche Ihnen alles Gute.
Meine Damen und Herren, ich darf zugleich im Namen des Hauses dem scheidenden Bundesminister des Innern, Herrn Professor Dr. Werner Maihofer, den Dank des Hauses aussprechen.
Meine Damen und Herren, wir setzen die verbundene Debatte zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung — Einundzwanzigstes Rentenanpassungsgesetz und Zehntes Anpassungsgesetz des Bundesversorgungsgesetzes — fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Vormittag dieser Aussprache werte, dann haben Sie mal wieder ein besonders schönes Beispiel dafür geliefert, welchen Beitrag Sie zum aktuellen Problem der Sanierung der Rentenfinanzen zu liefern bereit sind. Erst einmal lehnen Sie alle Vorschläge der Koalition in Bausch und Bogen ab.
Dann kommen Sie mit Vorschlägen, die es noch nicht einmal verdienen, ernstgenommen und diskutiert zu werden, weil sie eben keine Vorschläge, sondern Schauanträge sind.
Im dritten Schritt erheben Sie dann Forderungen, um deren Finanzierung Sie sich natürlich nicht kümmern, Forderungen, deren einzige Aufgabe es ist, gut in den Ohren der Bundesbürger zu klingen. Ich weiß nicht, wer Ihnen die Drehbücher dafür schreibt. Das ist miesestes Provinztheater.
Ich will hier aber nicht nur Vorwürfe machen, sondern das, was ich sage, am Beispiel der von Ihnen geforderten Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte beweisen. Schritt 1: Sie lehnen die auf drei Jahre begrenzte Abkoppelung von der bruttolohnbezogenen Rentenanpassung ab. Sie tun das mit einem reichlich dubiosen Entschließungsantrag und winken mit einem als Konsolidierungsvorschlag etikettierten Rentnerkrankenkassenversicherungsbeitrag, der in Wirklichkeit ein Rentenkürzungsbeitrag wäre.Schritt 2: Ihr Herr Franke hat heute hier im Plenum drei bemerkenswerte Feststellungen getroffen, die ich in Ihre Erinnerung zurückrufen möchte. Erstens sagte Herr Franke, die Regierung habe zu optimistisch gerechnet; in Wirklichkeit liege das Defizit in der Rentenversicherung höher als bei den geschätzten 32 Milliarden DM. Zweitens sagte Herr Franke, die Unionsvorschläge würden die Konsolidierungsmasse in der Tat nur zu zwei Dritteln abdecken. Ein Drittel bliebe ungedeckt. Drittenssagte er dann, wenn ich ihn richtig verstanden habe,
die Haushaltslage des Bundes werde eine Erhöhung der Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung eigentlich kaum möglich machen. Sie schieben also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ein drohendes Defizit von 12 Milliarden DM bewußt vor sich her und lassen es ungedeckt.
Dann kommt der dritte Schritt. Dieser dritte Schritt wird von Herrn George getan. Herr George plädiert mit seinem Antrag auf Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für eine Erhöhung dieses Defizits um mindestens weitere 1,5 Milliarden DM.Im vierten Schritt schließlich — er wird ja in Kürze hier im Plenum stattfinden — werden Sie letztendlich alles ablehnen. Sie werden die Sanierung der Rentenversicherung ablehnen. Sie werden de facto jegliche Rentenerhöhung ablehnen. Sie werden die strukturellen Verbesserungen in der Kriegsopferversorgung ablehnen.
— Herr Müller, so ist es in der Tat. Sie werden weiterhin, wenn ich es richtig verstehe, ein Jein in der Frage der Behandlung der Unfallrenten sagen. Und das auch noch in namentlicher Abstimmung!Ich bewundere Sie um Ihren traurigen Mut. Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen: Wir werden Ihnen Ihr Abstimmungsverhalten in der Offentlichkeit noch um die Ohren schlagen. Sie nehmen nämlich ein Chaos bewußt in Kauf. So kann man, meine Damen und Herren von der Opposition, mit der Zukunft der Rentenfinanzen, so kann man mit der Zukunft unserer älteren Mitbürger nicht umspringen.
Nun zu dem Antrag, den Herr George vertreten hat. Die humanitäre, die sozialpolitische und in kleinerem Umfang auch die beschäftigungspolitische Bedeutung einer Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte brauchen Sie uns nicht erst zu verdeutlichen. Wir wissen darum.
Wir haben dies lange vor Ihnen erkannt. Wir haben dies lange vor Ihnen gefordert. Wir aber tragen Verantwortung,. und wir können uns nicht als Showmaster in der Politik betätigen. Wir dürfen nur solche gesetzlichen Veränderungen und Verbesserungen vornehmen, die auch in der Zukunft solide finanziell abgesichert sind.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7511
LutzWir dürfen im Interesse der Rentner und der Schwerbehinderten keine ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausstellen, wie Sie das offensichtlich vorhaben.Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, erkläre ich namens der sozialliberalen Koalition folgendes.
— Hören Sie halt zu, was ich Ihnen gerade zu erklären bereit bin, Herr Blüm!
Wir werden noch in dieser Wahlperiode einen weiteren Schritt unternehmen, um auch wegen der strukturellen Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt eine weitere Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte vorzunehmen.
Die Koalition wird diesen Schritt sorgfältig vorbereiten, und zwar sowohl in finanzieller
als auch in tatsächlicher Hinsicht.
Wir haben uns damit selbst, Herr Müller , in die Pflicht genommen, und wir werden dieses Wort einlösen. Wir werden allerdings nicht die Hand dafür reichen, daß ein solches Angebot des Gesetzgebers von Unternehmen dazu mißbraucht wird, Schwerbehinderte, die weiterarbeiten wollen, rücksichtslos aus dem Arbeitsprozeß herauszudrängen. Die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte ist für uns auch keine Alternative zur Pflicht der Unternehmen, jeden 15. Arbeitsplatz einem Schwerbehinderten zur Verfügung zu stellen.
Und wir werden — wir wären dankbar, wenn Sie uns dabei helfen würden — das Postulat aufrechterhalten, das niemand aus seiner gesellschaftlichen Pflicht gegenüber den Schwerbehinderten entlassen werden kann.Herr Franke hat am Vormittag und Herr George vor dem Mittagessen versucht, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD als Kronzeugen — —
— Na ja, Sie haben's ja gewußt; sonst haben Sie von etwas geredet, wovon Sie nichts wußten, wenn Sie jetzt fragen: „Was ist das denn?"
Sie haben versucht, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen als Kronzeugen gegen die Regierungspolitik in Anspruch zu nehmen.
Nun, ich bin gemeinsam mit den Kollegen Rohde und Urbaniak Mitglied des Bundesvorstands der AfA,
und viele weitere Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion gehören ihr an. Wir stehen zu den Beschlüssen, die Sie freundlicherweise zitierten.
Wir haben in der Koalition dazu beigetragen, daß es zu einem ausgewogenen Konzept der Rentenkonsolidierung kam. Ihr Beitrag steht noch immer aus.
Wir haben mit der AfA mitgewirkt, daß die stufenweise Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte noch in dieser Wahlperiode Wirklichkeit wird.
Aber alle unsere Vorschläge sind von uns an dem obersten Ziel gemessen worden, erst die finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung auf Dauer zu sichern
und unseren Rentnern die Gewißheit eines gesicherten Lebensabends zu geben. Wir sind, Herr Franke, nicht die soziale Badehose der SPD.
Insofern sind wir mit den Sozialausschüssen in der Tat nicht vergleichbar.
Wir formulieren mit, aber wir tragen auch mit die Verantwortung für gesellschaftspolitische Veränderungen, die die Mehrheit dieses Hauses beschließt.
Und unser Platz ist nicht die unverbindliche Seifenkiste der Propagandisten, die Sie Ihren Sozialausschüssen zugewiesen haben. Unser Platz ist der Platz in der Politik. Wir reden nicht von und nicht über Politik. Wir machen sie!
Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf einbringen wird, der die gültigen Bestimmungen für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Kriegsbeschädigter im öffentlichen Personenverkehr auf alle Schwerbehinderten ausdehnt.
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7512 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Lutz— Herr George, Sie dürften eigentlich nicht mehr fragen, Sie wissen bereits, was das kostet. — Wir halten diese Regelung für überfällig, wir halten sie auch für finanzierbar.
— Ich habe nur 15 Minuten Redezeit beantragt. Ich bitte um Verständnis, daß ich jetzt keine Zwischenfragen zulassen möchte und damit auch dem Beispiel des Kollegen Franke folge, der ebenso verfahren ist, obwohl er eine 50minütige Redezeit hatte.Sie wissen, daß ein erster Anlauf in der letzten Legislaturperiode — unternommen von der Bundesregierung, und zwar mit Billigung und kräftiger Unterstützung der sozialliberalen Koalition — am Einspruch des Bundesrates gescheitert ist.
Wenn Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, am Schicksal der Schwerbehinderten so viel liegt, dann haben Sie in den nächsten Monaten eine gute Gelegenheit, für diesen Gesetzentwurf ein völlig verändertes Klima in dem von Ihnen beherrschten Bundesrat zu schaffen.
Weil ich nicht meine, jeder müßte seine Redezeit bis zum letzten ausschöpfen, möchte ich zum Schluß nur noch einige generelle Bemerkungen an Ihre Adresse, meine Damen und Herren von der Opposition, richten. Sie waren heute im Plenum — so wie während der ganzen Beratungszeit im Ausschuß — leider kein seriöser Partner. Die einzige ernsthafe Alternative zum Konsolidierungsprogramm der Regierung und der Koalitionsfraktionen kam von den Gewerkschaften.
Warum wir dieser Alternative nicht beitreten konnten, hat Minister Herbert Ehrenberg vorhin schlüssig dargelegt.
Aus agitatorischen Gründen nehmen Sie bewußt das Risiko in Kauf, daß die finanzielle Zukunft der Rentenversicherung ungewiß bleibt. Das ist eine unverantwortliche, ja, das ist eine politische Operation, die ich nicht mit irgendwelchen Adjektiven belegen darf, weil ich mir sonst einen Ordnungsruf einhandelte.
Wenn Sie ehrlich rechneten
und das drohende Defizit voll abdecken möchten, was nach Meinung aller Sachverständigen unbedingt notwendig ist, wenn Sie eine Beitragserhöhung grundsätzlich ablehnen, wenn Sie die Möglichkeit der Erhöhung der Bundeszuschüsse, wie Herr Franke, in Frage stellen, wenn Sie es dann nur über einen Rentnerkrankenversicherungsbeitrag, der keiner wäre, tun müßten, dann müßte das so ausschauen: Sie würden die Renten 1979 brutto-lohnbezogen um 7,2 % erhöhen und gleichzeitig einen Rentenabschlag von 3,5 % vornehmen.
Sie würden die Renten 1980 um 6,2 % erhöhen und den Rentnern gleichzeitig 6,7 °/o wieder wegnehmen müssen.
Sie würden eine formale Rentenanhebung um 6,1 % 1981 durch einen tatsächlichen Abschlag von 8,5 v. H. wieder zurücknehmen.
— Sie werden, meine Damen und Herren, nicht annehmen, daß wir ein solches Zahlenverwirrspiel zu Lasten der Rentner mitmachen. Das kommt nicht in Frage!
Wir sagen und wir beschließen heute offen und ehrlich, was unsere Rentner an tatsächlichen Zuwächsen zu erwarten haben: eine dreimalige Rentenerhöhung, die unsere älteren Mitbürger tatsächlich nicht schlechter stellt als die Versicherten, die mit ihren Beiträgen die Renten letztendlich finanzieren.
Leider müssen wir über Ihre propagandistische Operation, die Sie heute wieder vornehmen, zur Tagesordnung übergehen. Denn wir haben die Pflicht — sozial gerecht und solide finanziert —, unseren älteren Mitbürgern ein sorgenfreies Alter zu garantieren. Das ist in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht einfach. Aber es ist machbar, wie das 21. Rentenanpassungsgesetz beweist. Wieder verweigern Sie sich in einer entscheidenden politischen Frage. Sie greifen sich ein Megaphon und lärmen. Ich frage Sie abschließend: Meinen Sie wirklich, daß Sie die Senioren, um deren Zukunft es schließlich geht, auf die Dauer mit einem solchen Manöver beeindrucken können, daß es Ihnen gelänge, diese Senioren auf die Dauer propagandistisch übers Ohr zu hauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hölscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Kollegen Dr. George zu seiner sehr sachlich vorgetragenen Jungfernrede gratulieren. Aber, Herr Dr. George, ich kann mir auch vorstellen, daß Sie nicht sehr
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7513
Hölscherglücklich waren, Ihren Einstand im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf zu vollziehen;
denn so ganz fair ist es nicht, daß die Opposition diesen Gesetzentwurf dem Parlament heute in zweiter und dritter Lesung vorlegt.
Ich darf Sie daran erinnern, daß beide Koalitionsfraktionen, sowohl die SPD-Fraktion als auch meine eigene Fraktion, im Arbeits- und Sozialausschuß verbindlich erklärt haben, daß wir in dieser Sache etwas tun wollen, daß wir auf Grund der uns nun einmal übertragenen Verantwortung aber nichts tun dürfen, solange die Finanzierung nicht sichergestellt ist.
Das ist schon etwas eigenartig, und ich finde, die Haltung der Opposition zeigt auch in diesem Punkt, wie widersprüchlich sie in der Rentenpolitik ist; denn auf der einen Seite fordern Sie die Konsolidierung der Rentenfinanzen und auf der anderen Seite wollen Sie uns mit diesem Gesetzentwurf darauf festlegen, die Rentenversicherung um ca. 2 Milliarden DM mehr zu belasten. Das möge einer auf einen Nenner bringen.
— Es mögen auch 1,5 Milliarden DM sein. Jedenfalls hat dieser Gesetzentwurf, wenn er jetzt realisiert würde — und darum geht es, Herr Kollege Müller —, eine zusätzliche Belastung für die Rentenversicherung zur Folge, die wir auch im Interesse der Versicherten nicht für zumutbar halten. Ich darf für meine Fraktion noch einmal erklären — Herr Dr. George, Sie haben mit Recht den Beschluß meiner Fraktion zitiert —, daß wir im Grundsatz selbstverständlich — und das nicht erst seit heute; insofern hat Ihr Gesetzentwurf ohnehin offene Türen eingerannt —
für die Herabsetzung der Altersgrenze bei den Schwerbehinderten eintreten.Was mich aber besonders — ich muß sagen — im Weglassen beeindruckt hat: daß Sie persönlich die arbeitsmarktpolitischen Wirkungen, die ja zumindest für Ihren Kollegen Blüm das Allheilmittel zur Überwindung der Beschäftigungslosigkeit darstellen, nur am Rande erwähnt haben, obwohl auch Ihr Gesetzentwurf — ich habe das über die Mittagspause noch einmal nachgelesen — hierauf das Schwergewicht legt. Sie sagen nun — da stimme ich mit Ihnen überein —, in ersten Linie habe das humanitäre Ziele, in erster Linie sei das ein sozialpolitisches Anliegen. Ich freue mich, daß die Opposition von den arbeitsmarktpolitischen Wirkungen, die diesem Gesetzentwurf zunächst unterstellt wurden, doch — jedenfalls durch Sie als Sprecher, Herr Dr. George — abgekommen ist.Ich sage das in aller Offenheit: Auch ich war vor einem Jahr noch der Meinung, gerade die Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze brächte die erwarteten arbeitsmarktpolitischen Wirkungen — eben durch Neubesetzung der frei werdenden Arbeitsplätze — mit sich. Ich habe meine eigene Meinung revidieren müssen, einfach wegen der Erfahrungen mit der Arbeitsmarktlage. Wer kann denn garantieren, daß der frei werdende Arbeitsplatz des Schwerbehinderten bei Herabsetzung der Altersgrenze wieder durch einen Schwerbehinderten besetzt wird? Wer kann dann einigermaßen das Risiko abschätzen, ob dieser Arbeitsplatz wegen des Rationalisierungsdrucks überhaupt noch besetzt wird?Das macht die Verantwortung, die wir für die Finanzierung der Rentenversicherung übernehmen, um so wichtiger. Nachdem wir wissen, daß eine solche Maßnahme arbeitsmarktpolitisch zur Zeit kaum Wirkungen haben dürfte, daß also auf der Einnahmenseite nicht das zu erwarten ist, was wir noch vor einem Jahr erwartet haben,
müssen wir in diesem Zusammenhang um so mehr die Belastung der Rentenversicherung sehen.Deshalb brauchen wir noch einige Monate. Ich hoffe, wir kommen noch in diesem Jahr, auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode zu einer Herabsetzung. Aber wir brauchen noch einige Monate, um sicherzustellen, daß nicht die Rentenversicherung die Kosten der Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte zu finanzieren hat, sondern als eine humanitäre, als eine allgemein sozialpolitische Aufgabe auch der Steuerzahler.Dies, was Sie getan haben, halte ich parlamentarisch nicht für sehr fair. Sie wußten seit dieser nämlichen Ausschußsitzung, daß wir im Grunde alle einer Meinung sind. Aber wir wollten ein seriöses Finanzierungskonzept zur Grundlage eines solchen Schrittes machen. Das wußten Sie, und Sie haben dennoch heute diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Dies kann ich nur als Basiskosmetik bezeichnen.
Meine Damen und Herren, ich darf etwas richtigstellen — manchmal ist es ganz gut, wenn eine Mittagspause zwischen den Reden liegt; dann kann man telefonieren —, was Herr Dr. George in zwei Punkten über die Haltung des Bundesarbeitministers und seiner Behörde kritisch gesagt hat. Er hat in diesem Zusammenhang auch kritische Anmerkungen zur Bundesanstalt in Nürnberg gemacht.Herr Dr. George, Sie zitierten die Strukturanalyse vom September 1977, und Sie sprachen von einer hohen Zahl von Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie die Zahl genannt haben. In der Tat gibt es nach dieser Strukturanalyse insgesamt 52 749 Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen zwischen 55 und 60 Jahren. Aber ich denke, Sie hätten sich vergewissern müssen, daß dies nicht gleichzusetzen ist
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7514 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Hölschermit Schwerbehinderten. Der Begriff „gesundheitliche Einschränkungen" ist viel umfassender. Salopp gesagt: Vielleicht sind Leute dabei, die gerade am Tag der Ermittlung die Grippe hatten; jedenfalls sind es nicht nur Schwerbehinderte.
Schwerbehinderte Arbeitslose hatten wir zu diesem Stichtag insgesamt 13 188. Dies zur Richtigstellung.Ein zweiter Punkt hat mich viel mehr überrascht, Herr Dr. George. Sie haben der Bundesregierung den Vorwurf gemacht, daß sie bis heute nicht in der Lage sei, mitzuteilen, wieviel schwerbehinderte Arbeitnehmer es gibt. Dieses Parlament hat aber 1974 mit den Stimmen der Opposition das Schwerbehindertengesetz verabschiedet, und in § 51 dieses Schwerbehindertengesetzes wird die Bundesregierung beauftragt, alle fünf Jahre einen entsprechenden Bericht, eine entsprechende Statistik vorzulegen. Das heißt, auch die Opposition war 1974 der Meinung, daß dieser Bericht, wenn ich richtig zähle, im Jahre 1979 vorgelegt werden soll. Es sprechen sicher viele praktische Gründe auch im nachhinein dafür, daß wir diesen Zeitraum von fünf Jahren gewählt haben. Es ist nicht rechtens, die Bundesregierung für etwas anzugreifen, was sie nicht vollziehen konnte oder nicht vollziehen brauchte, weil der Gesetzgeber mit den Stimmen der Opposition diesen Fünfjahreszeitraum vorgeschrieben hat.Gestatten Sie mir hier folgende Nebenbemerkung. Wir sollten uns auch einig sein, daß dies natürlich mehr Bürokratie ist. Wir reden draußen soviel von mehr Bürokratie. Es wird sicher auch Einwendungen der Arbeitgeber geben, denn sie werden durch diese Statistik mit mehr bürokratischen Aufgaben belastet. Herr Dr. George, mich freut es natürlich persönlich, daß gerade Sie dies dennoch für richtig halten. Ich halte es auch im Interesse der Kenntnisanreicherung der Sozialpolitik für richtig,
denn ohne entsprechende Informationen kann man wohl schlecht Politik machen. Wir alle verkünden vielleicht draußen in Sonntagsreden, weniger Bürokratie einzuführen. Aber andererseits müssen wir hier und da aus Sachzwängen heraus doch Derartiges tun.
Im übrigen gibt es jährlich selbstverständlich Angaben der Bundesanstalt über schwerbehinderte Arbeitnehmer. Aber auch dies, Herr Dr. George, kann nicht umfassend sein; denn auf diese Weise bekommen Sie nur die Informationen über die Betriebe, die mehr als 16 Beschäftigte haben. Dies ist die Grenze, die das Schwerbehindertengesetz zieht. Alles darunter wird in der Arbeitsmarktstatistik nicht erfaßt. Ich sage dies auch nur zur sachlichen Richtigstellung. Ich glaube, zur Kritik war in diesem Zusammenhang kein Anlaß.Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal feststellen: Die FDP ist grundsätzlich für eine Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte.
Wir können es aber nicht verantworten, ohne Klärung der Frage, wer dies zu finanzieren hat, heute schon den gesetzgeberischen Schritt zu tun. Wir halten es gerade in Anbetracht der schwierigen Finanzlage in der Rentenversicherung für unverantwortlich, so leichthin, wie Sie das als Opposition tun — mit all den Widersprüchen, nämlich einmal die Forderung nach Konsolidierung, dann wieder ein Wust von Anträgen in anderem Zusammenhang, die zu Mehrausgaben führen —, den Versicherten Mehrleistungen aufzubürden, und dies gilt insbesondere dann, wenn das humanitäre Ziel auch eine Aufgabe der Gesellschaft ist. Ich darf hier in aller Offenheit sagen: ich hoffe, daß der Finanzminister und die Kollegen im Parlament, die für diesen Bereich zuständig sind, bereit sind, in den nächsten Monaten dabei mitzuhelfen, daß wir möglichst schnell etwas für diesen besonders drängenden Teil der Sozialgeschädigten tun können.
Ich bitte Sie wirklich, in der Öffentlichkeit nicht wider besseres Wissen weiter den Versuch zu machen, so zu tun, als wenn Ihre Fraktion die einzige wäre, die hier für ein Vorziehen der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte eintritt.
Ich glaube, daß dies der Sache abträglich ist. Ich werde den Verdacht nicht los, daß Sie den Antrag niemals eingebracht hätten, wenn Sie hier Regierungsverantwortung trügen.
Aber Gott sei Dank ist dem nicht so.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrages auf Drucksache 8/1871 hat der Herr Abgeordnete Höpfinger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg eine Bitte. Wir bitten darum, über die einzelnen Abschnitte des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes getrennt abstimmen zu lassen.Sodann darf ich eine Vorbemerkung an die Adresse von Herrn Kollegen Hölscher machen. Herr Kollege Hölscher, danke schön, daß Sie die Frage der flexiblen Altersgrenze für Schwerbehinderte noch einmal aufgegriffen haben. Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen: Warum Sie das auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, kann jeder ahnen; jeder weiß das. Aber es ist der Erfolg der CDU/CSU in diesem Hause, für • das Vorziehen der flexiblen
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7515
HöpfingerAltersgrenze für Schwerbehinderte eingetreten zu sein,
und wir lassen uns diesen Erfolg auch später nicht nehmen.
Ich sage das deshalb in dieser Deutlichkeit, weil der Herr Bundesarbeitsminister schon 1976 Gelegenheit genommen hat, die Arbeit der Opposition hier in einem Flugblatt, das er an die Wähler verteilt hat, einer Kritik zu unterziehen, indem er schrieb:Da die CDU-Opposition keine Leistung vorzuweisen hat, macht sie die Arbeit der sozialliberalen Regierung schlecht.Herr Bundesarbeitsminister, ich möchte Sie sehr herzlich bitten und Sie auffordern, die Arbeit der einzelnen Fraktionen in diesem Hause als Bundesminister etwas sachlicher zu werten, als Sie es draußen im Wahlkreis offensichtlich tun.
Die CDU/CSU-Fraktion bringt zur zweiten Lesung des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes den Ihnen vorliegenden Antrag ein, den ich wie folgt begründen darf.Erstens. Mit diesem Antrag will die CDU/CSU- Bundestagsfraktion das bewährte System der Rentenberechnung und .-anpassung aufrechterhalten. Herr Kollege Glombig, dieser unser Antrag ist kein Armutszeugnis, sondern dieser Antrag ist ein Zeugnis für unsere korrekte Haltung in der Rentenfrage und ist ein Zeugnis dafür, daß sich die Bevölkerung auf die Haltung der CDU/CSU verlassen kann.
Zweitens. Nach dem bisherigen Anpassungsmodus beträgt die Rentenanpassung für 1979 7,2 % und nicht 4,5 0/0, wie die Bundesregierung vorschlägt. Mit diesem Antrag will die CDU/CSU die von der Bundesregierung willkürlich gegriffenen Anpassungssätze verhindern.
Drittens. Unsere Fraktion teilt die Auffassung, daß eine Sanierung der Rentenfinanzen dringend notwendig ist. Sie hat dazu immer ihre Bereitschaft erklärt und auch Maßnahmen zur Sanierung vorgeschlagen, dies zu einer Zeit, als die Bundesregierung die Verschlechterung der Rentenfinanzen noch bagatellisierte und von „Problemchen" die Rede war. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD und FDP, Sie haben doch während der ganzen Debatte auf die längerfristigen Fragen der Rentenversicherung überhaupt keine Antwort gegeben, auf die Fragen der geringeren Einnahmen, auf die Fragen mehr Rentner, auf die Fragen der längeren Lebenserwartung. Dazu hat die Bundesregierung geschwiegen, und sie ist offensichtlich auch nicht bereit, diese längerfristigen Probleme in der Koppelung mit der Familienpolitik einer Lösung zuzuführen.Viertens. Die Vorlage der SPD/FDP und der Bundesregierung zum 21. Rentenanpassungsgesetz ist nicht ausgewogen. 80 % der Sanierungslast werden den Rentnern aufgebürdet. Das verletzt den Generationenvertrag. Darum ist dieser unser Antrag notwendig.Fünftens. Der Vorschlag der Bundesregierung bedeutet eine Abkehr von der bruttolohnbezogenen dynamischen Rentenformel. Dies kommt nach unserer Auffassung einer Demontage des bewährten Rentensystems gleich.
Wir haben diesen Antrag in zweiter Lesung eingebracht, weil wir den Weg der SPD/FDP nicht mitgehen. Wir zerstören nicht das Reformwerk von 1957.
Sechstens. Nach Auffassung unserer Fraktion gibt es systemkonforme Wege, die Rentenfinanzen wieder in Ordnung zu bringen, z. B. die Wiedereinführung des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner, sozial abgestuft.
Ich verstehe gar nicht, warum sich SPD und FDP immer wieder bemühen, nachzuweisen, unser Verlangen sei kein Krankenversicherungsbeitrag der Rentner gewesen. Unser Grundsatz heißt: Bruttolohnbezogene Rente muß auch beitragsbelastbar sein. Alles andere sind doch Verwaltungsangelegenheiten. Wichtig ist, daß wir Aufrecherhaltung der bruttolohnbezogenen Rente und Beitragsbelastbarkeit, d. h. Krankenversicherungsbeitrag der Rentner, verlangen.
Vor allem gilt es, die Einnahmeseite der Rentenversicherungsträger zu verbessern. Hierzu ist eine stärkere Belebung unserer Wirtschaft und ein wesentlich stärkerer Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit erforderlich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht die Zahl der Arbeitslosen sagt hier alles aus, sondern die Zahl der Beschäftigten sagt etwas aus. Deshalb muß die Zahl der Beschäftigten bei uns in der Bundesrepublik zunehmen, damit die Einnahmeseite in der Rentenversicherung wieder stimmt.
Siebtens. Absatz 2 unseres Antrages ist zwingend, da die Annahme des Absatzes 1 eine Änderung der Folgebestimmungen des 21. Rentenanpassungsgesetzes bedingt.Sehr verehrter Kollege Glombig, auf Ihren Angriff hin darf ich nur wieder sagen: Im Ausschuß haben wir deutlich erklärt, sowohl der Kollege Franke als auch der Kolege Zink, alle, die davon gesprochen haben und die sich im Ausschuß zu Wort gemeldet haben: Wir sind bereit, über alle anderen Fragen zu reden, aber wir sind nicht bereit, unser Rentenreformsystem von Ihnen mehr oder weniger durcheinanderwerfen zu lassen. Alle anderen Fra-
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Höpfingergen können nachher gemeinsam besprochen und behandelt werden.Achtens. Die Zielsetzung unseres Antrages wird von allen Gewerkschaften und einer Vielzahl von Sozialverbänden bejaht und unterstützt. Unabhängige Wissenschaftler haben bei der Anhörung bestätigt, daß die Sanierungsmaßnahmen der Koalitionsparteien SPD und FDP eine Aufgabe und Zerstörung der Rentenformel bedeuten und dieser Weg der Sanierung abzulehnen ist.Neuntens. Mit diesem Antrag wollen wir das Rentensystem ordnungspolitisch sauber und für jeden Rentner, Versicherten und Beitragszahler berechenbar und durchschaubar halten, weil wir glauben, daß das für das Vertrauen in die soziale Sicherung notwendig ist. Willkür führt zu Mißtrauen.Zehntens. Meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD und FDP, ich darf Sie noch einmal bitten: Stimmen Sie unserem Antrag zu, kehren Sie um auf dem verhängnisvollen Weg, den Sie sich im Bereich der Rentenversicherung zu gehen anschicken. Das wäre eine positive Entscheidung für die große Zahl der betroffenen Personen und ein entscheidender Beitrag für die weitere Gestaltung unserer gesetzlichen Rentenversicherung.Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantrage ich namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger zur Begründung der Anträge auf den Umdrucken 8/1867, 8/1868, 8/1869, 8/1870 und 8/1874.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-CSU-Bundestagsfraktion stellt fünf Anträge zum Zehnten Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung. Mit diesen Anträgen will sie einmal das bestehende Leistungsrecht verteidigen, zum anderen dieses mit strukturellen Verbesserungen weiterentwickeln. Die Kosten für diese von uns beantragten strukturellen Verbesserungen bewegen sich im Rahmen der Einsparungen des Neunten Anpassungsgesetzes.Die CDU/CSU-Fraktion legt erneut einen Antrag auf Änderung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes vor, mit dem Ziel, als Anpassungsmaßstab die Veränderungen der echten allgemeinen Bemessungsgrundlage — ich meine damit die Bruttolohnentwicklung — beizubehalten.Für die Koalitionsfraktionen war die Frage nach dem Anpassungsmaßstab, die zu den grundsätzlichen Fragen des sozialen Entschädigungsrechts gehört, nicht nur schnell, sondern leider auch kostensparend vom Tisch. Mit der These, die Kriegsopferrenten sollten durch die Anbindung an die Veränderungen der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung sicherer gemacht werden, wurde der Offentlichkeit und den betroffenen Kriegsopfern lediglich Sand in die Augen gestreut.Aus entschädigungsrechtlichen Gründen muß die bruttolohnorientierte Rentendynamik auch in derKriegsopferversorgung in vollem Umfang beibehalten werden.
Die beabsichtigte Herabsetzung der Anpassungssätze auch für das Kriegsopferrecht bedeutet Leistungsverluste für die Kriegsopfer bis 1981 in einem Umfang von rund 2 Milliarden DM. Dies ist 33 Jahre nach Kriegsende unter Berücksichtigung der Tatsache, daß zwei Drittel der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen älter als 60 Jahre sind, eine unzumutbare Härte.
Die Kriegsopfer würden damit zu den Gebeutelten der Rentensanierung werden.Diese Verschlechterungen, meine Damen und Herren, die den Bestimmungen des sozialen Entschädigungsrechtes widersprechen, können von uns nicht hingenommen werden. Im sozialen Entschädigungsrecht — vom Deutschen Bundestag einstimmig verabschiedet — wird ausdrücklich von einer angemessenen wirtschaftlichen Versorgung gesprochen. Das Parlament hat im Jahre 1975 den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches beschlossen. In § 5 dieses Gesetzes heißt es u. a., daß derjenige, der einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers einzustehen hat, ein Recht auf angemessene wirtschaftliche Versorgung besitzt.Damit ist doch klar und deutlich gesagt, daß der gesundheitliche Schaden, wenn er durch Maßnahmen der staatlichen Gemeinschaft verursacht worden ist, eine Entschädigungspflicht hervorruft. Es ist auch klar gesagt, daß der Bürger, der ein Sonderopfer gebracht hat, nicht etwa vergönnungsweise versorgt wird. Damit, so meine ich, haben wir eine Bewertung des verfassungsrechtlich geschützten Gutes auf Leben und körperliche Unversehrtheit vorgenommen.Der hohe Rang des Opfers und der daraus resultierende Versorgungsanspruch rechtfertigen nicht nur eine eigene Anpassungsvorschrift im Bundesversorgungsgesetz, sondern auch deren eigenständige Ausgestaltung. Die Entschädigung für Gesundheit und Leben rechtfertigt andere Maßstäbe.Mit ihrem Antrag auf Neufassung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sicherstellen, daß auch die laufenden Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zukünftig durch Gesetz zum 1. Januar eines jeden Jahres an die Bruttolohnentwicklung angeknüpft werden. In der Konsequenz der von uns beantragten Änderung des § 56 beantragen wir daher, die laufenden Rentenleistungen zum 1. Januar 1979 um 7,2 v. H. anzupassen. Dieser Antrag zielt darauf ab, alle laufenden .Rentenleistungen nach diesem Gesetz aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1978 bruttolohnbezogen zum 1. Januar 1979 um 7,2 % zu erhöhen.Für diesen Antrag auf Drucksache 8/1874 beantragen wir eine namentliche Abstimmung.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7517
BurgerDie im vorliegenden Gesetzentwurf von der Bundesregierung vorgesehenen strukturellen Änderungen enthalten nicht die von uns als notwendig erachteten Verbesserungen. Wir legen deshalb zwei weitere Anträge vor, die die Höhe der Entschädigungsquote beim Berufsschadensausgleich, für Beschädigte und beim Schadensausgleich für Hinterbliebene von bisher vier Zehntel auf die Hälfte des festgestellten Einkommensverlustes bezwecken sowie auch eine höhere Ableitungsquote beim Schadensausgleich für Witwen von bisher 50 auf 55 % des Vergleichseinkommens des Verstorbenen vorsehen. Wir wollen damit einer allgemein üblichen Ableitung der Witwenversorgung in Höhe von 60 % der Versorgung der Beschädigten näherkommen.Besonders der Schadensausgleich für Witwen bedarf dringend einer Verbesserung. Während im Jahre 1969 noch 353 000 Witwen einen Schadensausgleich erhalten konnten, sind es 1976 nur noch 197 000 Witwen gewesen. Da die jährlichen Rentenerhöhungen bei Grund- und Ausgleichsrenten beim Schadensausgleich verrechnet werden, vermindert sich die Zahl derjenigen Witwen, die Schadensausgleich beziehen können, immer mehr. Sinn und Zweck des Schadensausgleiches ist es, die wirtschaftlichen Einbußen bei den Witwen und Beschädigten auszugleichen, deren Einkommen durch die Schädigungsfolgen besonders gemindert ist. Es handelt sich hier also um gezielte Verbesserungen, die den besonders Betroffenen helfen sollen.
Die CDU/CSU wünscht auch eine Verbesserung der Elternrenten. Gerade diese Anhebung duldet keinen Aufschub mehr. Die volle Elternrente für ein Elternpaar liegt derzeit um 40 DM unter dem durchschnittlichen Regelsatz nach dem Bundessozialhilfegesetz. Um die Elternrente als Teil des sozialen Entschädigungsrechtes für ein Elternpaar auf einen Betrag anzuheben, der über dem Regelsatz nach dem BSHG liegt, ist die Elternrente um 10 % auf einen Ausgangsbetrag von 526 DM und die Rente für ein Elternteil um 6 DM auf den Ausgangsbetrag von 320 DM anzuheben. Die Kosten für diese Verbesserungen belaufen sich auf etwa 8,2 Millionen DM. Ich möchte das Hohe Haus um die Zustimmung zu unseren Anträgen bitten.Auf dem VdK-Kongreß in Saarbrücken hat der damalige Bundesarbeitsminister Walter Arendt gesagt: So sind die Kriegsopfer meist diejenigen, die stets die Rechnung für eine verfehlte Politik zu zahlen haben.
— Dieses Wort des damaligen Arbeitsministers scheint sich bei dieser Bundesregierung zu bewahrheiten.
Es ist wichtig, auch heute wieder daran zu erinnern, daß Schäden an Leben und Gesundheit unersetzlich sind und daß wir aus diesem Entschädigungsanspruch heraus das Optimale tun müssen, um dieseSchäden mit Geldleistungen einigermaßen abzugelten.
Ich komme zu einem letzten Punkt. Herr Minister Ehrenberg und auch Kollege Kratz haben der CDU/CSU zur Kriegsopferfrage Vorwürfe gemacht. Sie haben gefragt: Was habt ihr denn in den 20 Jahren eurer Regierungszeit geleistet? Sie haben gesagt: Hättet ihr doch mehr getan! Sie haben gemeint, es gab einen großen Nachholbedarf.- Wir weichen dieser Frage nicht aus. Wir fragen zurück: Habt ihr denn vergessen, was wir 1949 vorgefunden haben? Habt ihr denn die Not der damaligen 4,5 Millionen Kriegsopfer, der Flüchtlinge, der Vertriebenen, der Ausgebomten, der Arbeitslosen vergessen? Habt ihr eine ausgebombte, zerstörte und demontierte Wirtschaft und die leeren Kassen im Bundeshaushalt vergessen? Uns standen damals nur 12,5 Milliarden DM zur Verfügung.
Habt ihr die schweren Jahre des Wiederaufbaus vergessen, und wollt ihr uns die Folgen des verlorenen Krieges in die Schuhe schieben? Dies nehmen wir so nicht hin!
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mit gewissen sozialpolitischen Mehrleistungen, die in Ihrer Regierungszeit beschlossen worden sind, brüsten, so dürfen wir Sie daran erinnern, daß Sie sich 1969 doch in ein gemachtes Bett legen konnten und daß diese Mehrleistungen, die erbracht worden sind, auch Leistungen der Bundesregierungen sind, die vor 1969 sparsam gewirtschaftet haben.
Wir haben jedenfalls einen schuldenfreien Haushalt übergeben,
und Sie sammeln heute Sozialleistungen wieder ein, die Sie in den letzten Jahren gewährt haben.
Meine Damen und Herren, die Anträge meiner Fraktion sind maßvoll. Sie bewegen sich im Rahmen der Einsparungen. Wir bitten das Hohe Haus um Zustimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sieler.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gehört schon eine ganze Menge verbogene Phantasie dazu, sich diese asymmetrische soziale Schaumwelt vorzustellen, die hier von einer Reihe von Oppositionsrednern der Öffentlichkeit vorgetragen worden ist.
Lieber Herr Kollege Burger, ich möchte Ihnen und Ihren Vorrednern keinesfalls Unterstellungen
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Sielermachen, aber Sie machen es uns außerordentlich schwer, nicht den Eindruck zu bekommen, als sprächen Sie hier von einem Land, das auf einem ganz anderen Stern existiert. Denn ebenso widersprüchlich wie Ihre Darstellungen zum Lebenskomplex in diesem Lande sind die von der Opposition zum 10. Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung vorgelegten Änderungsanträge, auf die ich im Namen meiner Fraktion hier kurz eingehen möchte.Die CDU/CSU-Fraktion fordert in zwei Anträgen, daß aus entschädigungsrechtlichen Gründen die bruttolohnorientierte Rentendynamik in der Kriegsopferversorgung auch dann erhalten bleiben müsse, wenn durch das 21. Rentenanpassungsgesetz vorübergehend niedrigere Anpassungssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung festgesetzt werden müßten.Diese Argumentation, verehrter Herr Kollege Burger, ist allerdings neu. Sie galt nämlich offensichtlich nicht in der Zeit, als die heutige Opposition Regierungsverantwortung trug, und widerspricht dem Grundsatz der wert- und zeitgleichen Anpassung der Kriegsopferrenten und der Sozialrenten, die auch von Ihnen jahrelang gefordert worden ist. Wir jedenfalls wollen, daß diese für die Kriegsopfer vorteilhafte Systematik auch zukünftig gilt und erhalten bleibt. Eine Abkopplung der Anpassung der Kriegsopferrenten geht langfristig zu Lasten der Kriegsopfer. Deshalb lehnen wir sie ab.Neben der Änderung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes fordert die Opposition zusätzliche strukturelle Verbesserungen, von denen die Änderungen im Berufsschadens- und Schadensausgleich mit einem Finanzvolumen von annähernd 300 Millionen DM jährlich die bedeutsamsten sind. Wer nun die Oppositionsredner und ihre Warnungen vor weiteren Haushaltsbelastungen ernst nimmt, kommt ja wohl hier aus dem Staunen darüber nicht mehr heraus, mit welcher Blauäugigkeit derartige kostenwirksame Anträge von eben dieser Opposition gestellt werden.Meine Damen und Herren, abgesehen von den finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt kann man der Opposition auch in der Sache nicht folgen. Das Bundesversorgungsgesetz hält für unsere Kriegsopfer eine Reihe von Leistungen bereit, die in ihrer Gesamtheit den Schaden abdecken sollen. Ich erwähne hier nur die Grundrenten, ich erwähne die Ausgleichsrenten und die Leistungen der Kriegsopferfürsorge. Insgesamt stellen die Leistungen eine angemessene wirtschaftliche Versorgung sicher.Dies gilt auch für den Bereich ,der Elternversorgung. Denn, mein verehrter Herr Kollege Burger, mit dem 10. Anpassungsgesetz zur Kriegsopferversorgung ist die Elternversorgung über das Niveau des Regelsatzes des Bundessozialhilfegesetzes hinaus angehoben. Die Forderung der Opposition zu diesem Punkt ist daher unverständlich und trifft im Grunde ins Leere.Lassen Sie mich für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zusammenfassend noch einmal folgendes feststellen.Erstens. Wir sind nicht bereit, die Kriegsopferrenten auch nur zeitweise von der Entwicklung der Sozialrenten abzukoppeln. Der Verbund ist keine Schönwetterangelegenheit, sondern auch in schwierigen Zeiten im Interesse der Kriegsopfer beizubehalten.Zweitens. Wir sind sicher, daß die von der Opposition abgelehnten erheblichen strukturellen Verbesserungen im Bundesversorgungsgesetz von den Kriegsopfern und ihren Verbänden erkannt werden.
Einen Augenblick, Herr Kollege! — Meine Damen und Herren, jedem von uns kann es passieren, daß er kurz vor einer namentlichen Abstimmung hier vorn sprechen muß. Das ist wirklich eine sehr schwere Aufgabe. Ich wäre dankbar, wenn wir alle miteinander so kollegial wären, dem Redner zuzuhören.
Drittens. Die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion lassen erhebliche Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit und Redlichkeit aufkommen, weil sie in sich widersprüchlich und ohne solides finanzielles Fundament sind.
Im Namen meiner Fraktion beantrage ich daher die Ablehnung der von der Opposition zum 10. Anpassungsgesetz zur Kriegsopferversorgung gestellten Anträge. Ebenso beantrage ich, den Änderungsantrag der CDU/CSU Drucksache 8/1871 zum 21. Rentenanpassungsgesetz abzulehnen. Näher auf diesen Antrag einzugehen erübrigt sich, zumal Redner meiner Fraktion darauf bereits hinreichend eingegangen sind.
Meine Damen und Herren, wir haben noch eine Wortmeldung. Ich wiederhole, was ich eben gesagt habe: Geben Sie dem Redner die Chance, sich hörbar zu machen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hölscher.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, wie schwierig es ist, kurz vor einer namentlichen Abstimmung zu reden. Aber ich bitte um Verständnis, weil ich für die Hupe draußen nicht verantwortlich bin.Es ist meine Aufgabe, kurz unsere Ablehnung der Anträge der Opposition zu begründen. Herr Kollege Burger, wenn man ihre Anträge vordergründig zur Kenntnis nimmt, kann man den Eindruck haben, daß die Koalitionsfraktionen nichts zu einer strukturellen Verbesserung getan hätten. Aber, ich glaube, auch Sie müssen uns zugestehen, daß wir im Rahmen des finanziell Möglichen doch einen erheblichen Teil der beim 20. RAG und beim 9. KOV angesparten Beiträge in strukturelle Verbesserungen umgesetzt haben. Ich darf Sie an den Berufsschadensausgleich, an die Pflegezulagestufe, an die
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HölscherHeilbehandlungsleistungen und an die Verbesserung der Kriegsopferfürsorge erinnern. Ich darf Sie auch daran erinnern, daß wir noch während der Ausschußberatungen als Koalitionsfraktionen — da allerdings mit Ihren Stimmen — zusätzliche Verbesserungen z. B. beim Verzicht auf Beteiligung an Fahrtkosten, beim generellen Ausschluß der Berücksichtigung der Familienheime als Vermögen, bei der Einbeziehung von Hausfrauen in den Berufsschadensausgleich und bei der Erhöhung des Berufsschadens- und des Schadensausgleichs im Umfang der Rentenanpassung vorgesehen haben.Wenn man einmal die Forderungen addiert, die Sie mit Ihren Änderungsanträgen aufstellen, kommt man insgesamt unter Einbeziehung der von Ihnen verlangten Bruttoanpassung auf einen Betrag in einem Vierjahreszeitraum von sage und schreibe 3 150 Millionen DM. Ich darf auch hier nur die lapidare Frage stellen: Wo bleibt Ihr Deckungsvorschlag hierzu?
Auf der einen Seite sprechen Sie immer wieder von der Notwendigkeit der Konsolidierung der Rentenfinanzen. Auf der anderen Seite fordern Sie Mehrausgaben und werfen den Steuerpolitikern der Koalition und den Haushaltspolitikern vor, mit dem Geld ,des Steuerzahlers zu großzügig umzugehen, und fordern überdies noch Steuererleichterungen. Hierauf sich einen Reim zu machen ist zweifellos unmöglich. Ich will nicht sagen, daß die Forderungen der Opposition, die sie zur weiteren Verbesserung der Kriegsopferversorgung hier vorschlägt, falsch seien. Aber sie übersteigen einfach das finanziell Machbare. Sie sind — das lassen Sie mich für meine Person sagen — auch im Zusammenhang mit dem, was wir den Sozialrentnern eben in den nächsten Jahren zukommen lassen, unter einer wohlverstandenen Solidarität nicht zu verantworten.Ich möchte aber insbesondere zum Antrag der Opposition auf Drucksache 8/1871 sprechen, dem Antrag, der die Bruttoanpassung bei den Sozialrenten zum Inhalt hat. Ich bin sehr überrascht, daß es die Opposition wagt, einen Antrag, den sie ja bereits dem Ausschuß vorgelegt hatte, mit einer solchen Begründung hier im Plenum zu wiederholen. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich glaube, Sie haben sich im Ort geirrt. Diese Begründung paßt vielleicht in ein Redaktionskomitee bei der Abfassung von Wahlkampfpamphleten oder auf einen Parteitag, aber sicher nicht in den Deutschen Bundestag, denn was Sie uns zumuten, ist die Verabschiedung eines parteipolitischen Kampfpapieres.
Glauben Sie denn im Ernst, daß wir uns hier etwa selbst die soziale Demontage, die Sie uns unterstellen, bescheinigen würden? Dies zeigt nur, daß Sie mit der Annahme dieses Antrags überhaupt nicht ernsthaft gerechnet haben, sonst hätten Sie uns nicht eine solche unverschämte Begründung vorgelegt.
Dieser Antrag ist kein Antrag, den ein Parlament zu behandeln hat, sondern dies können Sie in Wahlkampfveranstaltungen, wenn Sie wollen, von sich geben. Jedenfalls uns zuzumuten, etwa die Feststellung zu unterschreiben, daß wir mit den Maßnahmen eine soziale Demontage einleiteten, ist doch wohl, wenn Sie es nicht vielleicht satirisch gemeint haben, höchst eigenartig, um mich vorsichtig auszudrücken.Im übrigen ist es aber auch unrichtig, wenn Sie feststellen, daß wir die Rentenanpassung von jeglichem Index der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. Ich darf Sie daran erinnern — aber vielleicht haben Sie es nicht gelesen —, daß wir in unserem Gesetzentwurf eine Risikoabsicherungsklauselbeschließen werden, die vorsieht, daß, wenn die wirtschaftliche Entwicklung, wenn die Einkommensentwicklung im Zeitraum von zwei Jahren um mehr als ein Viertel unterschritten wird, Korrekturen zwingend geboten sind. Ich denke, wir Politiker dürften Manns genug sein, wenn sich eine solche Entwicklung abzeichnet, nicht erst den Zeitraum von zwei Jahren abwarten zu müssen, sondern auch früher zu handeln.Lassen Sie mich noch zu Ihrer Krankenversicherungsbeitragsregelung ein Wort sagen. Dazu ist heute schon viel gesprochen worden. Aber gerade weil dies ja der einzige Punkt ist, wo Sie angeblich ein Finanzierungskonzept im Zusammenhang mit Ihren Anträgen vorgelegt haben, soll noch einmal etwas gesagt werden. Sie sollten sich bald einmal darüber klarwerden, welches Etikett Sie dem Ganzen geben wollen. Wollen Sie weiter behaupten, daß das ein Krankenversicherungsbeitrag sei? Sind Sie der Meinung, daß für einen Rentner höhere Beitragsprozente an die Krankenversicherung abgeführt werden sollten als für jeden anderen Beitragszahler? Wo bleibt da eigentlich das Gleichheitsprinzip, wo bleibt da die Solidargemeinschaft Krankenversicherung erhalten? Nach dieser Konsequenz müßten Sie auch einem Familienvater, der mit seiner Familie zweifellos ein höheres Risiko für die Krankenversicherung ist, einen höheren Beitrag abverlangen. Denn nach Ihrem Konzept würden die Rentenversicherungen ja weiter die 11 % an die Krankenversicherung abführen. Außerdem müßte dann der Rentner selbst ab einem bestimmten Einkommen zusätzlich noch in Form eines Abschlages etwas zahlen. Aber dies ist genaugenommen kein Krankenversicherungsbeitrag. Das ist der Schwindel, den Sie aus optischen Gründen der Sache geben. In Wirklichkeit ist es ein Rentenabschlag,
der — es ist eigentlich erschreckend, daß das von der CDU kommt — zu einer Nivellierung bei den Rentenanpassungen führen muß, weil Sie ja sagen: Wir wollen diesen Krankenversicherungsbeitrag erst ab einer bestimmten Höhe des Renteneinkommens. Sie sagen, er habe nur eine Größenordnung von zwei Dritteln unserer Belastung. Man mag nun so oder so rechnen, Tatsache dürfte sein, daß die mittleren und höheren Renteneinkommen in einem solchen Maße zur Kasse gebeten werden, daß die Rentenerhöhungen, wenn solche überhaupt noch
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Hölscherübrig bleiben, weit unter unseren Anpassungssätzen liegen. Und dann sagen Sie auf der anderen Seite noch scheinheilig: Wir sind für die bruttolohnbezogene Rentenanpassung. Dabei müssen sie zwangsläufig nach Ihrem eigenen Rechnungsmodell gedanklich — wenn Sie auch keine Zahlen nennen — zu Rentenabschlägen kommen, die für den Rentner netto Jahr für Jahr wesentlich weniger bringen als unser Konzept.
Im übrigen verweisen Sie — wie schon im Hearing — auf eine andere Wirtschaftspolitik und sprechen vom Abbau investitionshemmender Vorschriften. Der Kollege Franke hat heute morgen einige konkrete Beispiele gebracht. Ich nenne hier die bürokratischen Hemmnisse im Baugenehmigungsverfahren. Herr Kollege Franke, ich glaube aber trotz aller Gefechtsübungen, die wir hier vollziehen müssen, nicht, daß Sie ernsthaft meinen, daß auf diese Weise etwa die Konjunktur generell angekurbelt werden könnte. Sie müssen etwas anderes meinen. Dann bitte ich Sie aber um konkrete Vorschläge. Wollen Sie weitere Investitionszulagen für die Unternehmen? Wollen Sie die Revidierung von Sozialgesetzen, die wir gemeinsam beschlossen haben, z. B. des Jugendarbeitsschutzgesetzes, des Schwerbehindertengesetzes, des Betriebsärztegesetzes und vieler anderer Gesetze mehr? Wenn man das liest, was Sie hier vorlegen, und sich auch das vergegenwärtigt, was Sie gesagt haben, stellt man fest, daß Sie auch hier kein Konzept haben. Im übrigen dürfte ja gerade für Sie die Wirtschaftspolitik kein Fahrstuhl sein, bei dem dann, wenn man auf dem Knopf drückt, plötzlich alles nach oben geht. Man kann Ihr ganzes Konzept, wenn man es für sympathisch hält, allenfalls noch mit dem Blochschen Etikett „Prinzip Hoffnung" bedenken. Ein Alternativkonzept zu den Vorschlägen der Koalition ist es aber nicht, zumal Sie sich auch nicht zu dem konsequenten Schritt, den zweifellos die Gewerkschaften vollzogen haben, nämlich zu der Forderung nach vorgezogenen Beitragserhöhungen entschließen konnten.Meine Damen und Herren, ich möchte für meine Fraktion abschließend folgendes feststellen. Wir sehen in den Änderungsanträgen der Opposition keine Alternative zu den Gesetzentwürfen der Koalition, weil jeder seriöse Deckungsvorschlag fehlt. Insbesondere der Änderungsantrag Drucksache 8/1871 zum Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz ist für uns — auch in der Form — nicht zumutbar, weil das Parlament nicht dazu da ist, Parteipolemik zu beschließen. Die FDP-Fraktion wird die Oppositionsanträge ablehnen.
Wir kommen nun zur Einzelberatung und Einzelabstimmung über das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz.Ich rufe Art. 1 § 1 auf. Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 8/1871 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, der bereits begründet worden ist. — Das Wort wird nicht gewünscht. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen über den Antrag Drucksache 8/1871 in namentlicher Abstimmungab. —Meine Damen und Herren, sind noch Kollegen im Saal, die ihre Stimmkarte nicht abgegeben haben? — Wenn das nicht der Fall ist, schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. —Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Insgesamt haben ihre Stimmen abgegeben 438 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 20 Berliner Abgeordnete. Hierzu ist zu sagen, daß wegen zwingender, insbesondere europäischer Verpflichtungen insgesamt 48 Abgeordnete heute nicht hier sein können und Pairing-Vereinbarungen geschlossen haben.Es haben mit Ja gestimmt 215 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete, mit Nein 223; keine Enthaltung. Von den Berliner Abgeordneten haben zehn mit Ja und zehn mit Nein gestimmt.ErgebnisAbgegebene Stimmen 438 und 20 Berliner Abgeordnete; davonja: 215 und 10 Berliner Abgeordnete,nein: 223 und 10 Berliner AbgeordneteJaCDU/CSUDr. Abelein Dr. AlthammerDr. Arnold Dr. Barzel BayhaDr. Becher
Dr. Becker Frau BenedixBenzBerger
Berger BiecheleDr. BiedenkopfDr. von BismarckDr. BlümBöhm
Dr. Bötsch BraunBreidbach BrollBühler
BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)Dr. Czaja DawekeDr. DollingerDr. Dregger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiDr. EversEyEymer
Dr. Eyrich Feinendegen Frau Fischer Francke
FrankeDr. FriedmannFrau Geier Geisenhofer Dr. von GeldernDr. George Gerlach
GersteinGerster
Gierenstein GlosDr. Gruhl Haase
HaberlDr. Häfele HanzHartmann Hasinger
Hauser
Helmrich Dr. Hennig von der Heydt Freiherrvon MassenbachHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. Hornhues Horstmeier
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7521
Vizepräsident Frau FunckeDr. Hubrig Frau HürlandDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKatzerKiechleDr. Klein
Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampeDr. Kraske KrausDr. Kreile KreyKroll-SchlüterDr. Kunz LagershausenLampersbachLandréDr. LangguthDr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz LenzerLinkLintnerLöherDr. LudaDr. Marx Dr. Mende MetzDr. Meyer zu BentrupDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Dr. Narjes NeuhausFrau Dr. Neumeister NiegelNordlohne Frau Pack PetersenPfeffermann PfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann Prangenberg Dr. Probst RaweReddemann RegenspurgerDr. ReimersFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer Sauter (Epfendorf)Prinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinDr. Schäuble Schartz
SchedlFrau Schleicher Schmidhuber Schmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (SchwäbischGmünd) SchwarzDr. Schwarz-Schilling SeitersSickDr. Freiherr Spies von BüllesheimSpilkerSprangerDr. Sprung Stahlberg Dr. Stark
Graf StauffenbergDr. StavenhagenDr. Stercken StommelStraußStücklenStutzerSussetde TerraTillmannDr. TodenhöferFrau Tübler Dr. Unland Frau VerhülsdonkVogel
Vogt VolmerDr. VossDr. WaffenschmidtDr. Waigel Dr. Warnke Dr. von WartenbergWeber Weiskirch (Olpe)Dr. von WeizsäckerWernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski Wissebach WissmannDr. Wittmann
Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. Wulff Dr. ZeitelDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. Gradl Kittelmann Kunz Müller (Berlin)Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir WohlrabeNeinSPDAmling Dr. Apel Arendt Augstein Baack BahrDr. BardensBatzBecker BiermannBindigDr. Böhme Frau von Bothmer Brandt (Grolsheim) Buchstaller Büchler (Hof)Dr. von BülowBuschfortDr. BußmannCollet Conradi Coppik Dr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. Ehrenberg EickmeyerFrau Eilers Dr. EmmerlichDr. EndersEngholm Frau ErlerEsters EwenFiebigDr. FischerFrau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenDr. GeßnerGlombig GobrechtGrobeckerGrunenbergGscheidleDr. HaackHaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. HauffHenke Heyenn HöhmannHofmann
Dr. Holtz HornFrau HuberHuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens JunghansJungmannJunker Kaffka KirschnerKlein
KonradKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarquardt MarschallFrau Dr. Martiny-Glotz MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPawelczyk PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehnPorznerRapp
Rappe
RavensFrau RengerReuschenbachRohdeRothSanderSaxowskiDr. SchachtschabelSchäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuSchirmer SchlagaSchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg)Schmidt Schmidt (Wattenscheid)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk
SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. Sperling Dr. SpöriStahl
Dr. Staudt Dr. Steger Frau SteinhauerStockleben Stöckl
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7522 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau FunckeThüsingFrau Dr. TimmTönjes Topmann Frau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeißkirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning MattickFrau Schlei Schulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann Genscher GrünerFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann HölscherHoffieKleinertDr.-Ing. LaermannDr. Graf LambsdorffDr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier MerkerMöllemann PaintnerPeters Schäfer (Mainz) Schmidt (Kempten)von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Vohrer Dr. WendigWolfgramm WurbsBerliner Abgeordnete HoppeDamit ist der Antrag abgelehnt.Meine Damen und Herren, ich rufe Art. 1 § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Paragraph ist angenommen.Die Fraktion der CDU/CSU hat getrennte Abstimmungen über einzelne Bestimmungen vorgeschlagen. — Ich rufe zunächst Art. 1 §§ 2 bis 8 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.Ich rufe Art. 1 §§ 9 bis 11 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Art. 1 §§ 12 bis 14, Art. 1 §§ 16 und 17 sowie Art. 2 § 1 Nr. 1 bis 3. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.Ich rufe nun Art. 2 § 1 Nr. 3 a und 3 b auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Art. 2 § 1 Nr. 5, 5 a, 7, 7 a, 8 sowie Art. 2 §§ 2 und 3. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.Ich rufe Art. 2 § 4 Nr. 1 auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einzelnen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 2 § 4 Nr. 2, 3, 5 und 6 auf. Wer diesen Bestimmungen die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmungen sind angenommen.Ich rufe Art. 2 § 5 Nr. 1 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste wat die Mehrheit. Die Bestimmung ist angenommen.Ich rufe Art. 2 § 5 Nr. 2, 3, 5, 6, Art. 2 §§ 6 bis 10, Art. 3, Art. 4 § 1 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.Ich rufe Art. 4 § 2 auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 4 § 3 auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Angenommen.Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Einleitung und Überschrift sind angenommen.Wir treten nun in diedritte Beratungein.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
— Meine Damen und Herren, das Haus ist frei zu entscheiden, ob wir die dritten Lesungen am Ende verbinden und jetzt erst zur zweiten Beratung der anderen Gesetze aufrufen. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann werden wir die dritte Beratung zurückstellen und mit der der übrigen Gesetze verbinden.Wir kommen jetzt zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Franke, Dr. Zimmermann und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7523
Vizepräsident Frau FunckeIch rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 5 sowie Einleitung und Überschrift dieses von der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs auf. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.Ich eröfffne die namentliche Abstimmung. —Meine Damen und Herren, ist jemand im Raum, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. —Das Ergebnis der Abstimmung liegt vor. Insgesamt haben 439 uneingeschränkt stimmberechtigte und 20 Berliner Abgeordnete abgestimmt. Von den uneingeschränkt Stimmberechtigten haben 215 mit Ja und 224 mit Nein gestimmt. Von den Berliner Abgeordneten haben zehn mit Ja und zehn mit Nein gestimmt.ErgebnisAbgegebene Stimmen 439 und 20 Berliner Abgeordnete; davonja: 215 und 10 Berliner Abgeordnete,nein: 224 und 10 Berliner AbgeordneteJaCDU/CSUDr. AbeleinDr. AlthammerDr. ArnoldDr. BarzelBayhaDr. Becher
Dr. Becker Frau BenedixBenzBerger Berger (Lahnstein) BiecheleDr. Biedenkopf Dr. von BismarckDr. BlümBöhm
Dr. BötschBraunBreidbachBrollBühler
BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger Dr. Dregger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiDr. EversEyEymer Dr. EyrichFeinendegen Frau FischerFrancke FrankeDr. Friedmann Frau Geier Geisenhofer Dr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster Gierenstein GlosDr. Gruhl Haase
HaberlDr. Häfele HanzHartmann Hasinger
Dr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. Hornhues HorstmeierDr. Hubrig Frau HürlandDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKatzerKiechleDr. Klein
Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampeDr. Kraske KrausDr. Kreile KreyKroll-SchlüterDr. Kunz LagershausenLampersbachLandréDr. Langguth Dr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz LenzerLinkLintnerLöherDr. LudaDr. Marx Dr. Mende MetzDr. Meyer zu BentrupDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Dr. Narjes NeuhausFrau Dr. Neumeister NiegelNordlohne Frau Pack Petersen Pfeffermann PfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann PrangenbergDr. Probst RaweReddemann RegenspurgerDr. ReimersFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer Sauter (Epfendorf)Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. SchäubleSchartz
SchedlFrau Schleicher SchmidhuberSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof Dr. Schulte (SchwäbischGmünd) Schwarz Dr. Schwarz-SchillingSeitersSickDr. Freiherr Spies von BüllesheimSpilkerSprangerDr. SprungStahlbergDr. Stark Graf Stauffenberg Dr. StavenhagenDr. SterckenStommelStraußStücklenStutzerSussetde TerraTillmannDr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandFrau Verhülsdonk Vogel Vogt (Duren)VolmerDr. VossDr. Waffenschmidt Dr. WaigelDr. WarnkeDr. von Wartenberg Weber Weiskirch (Olpe) Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissebachWissmannDr. Wittmann
Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. WulffDr. ZeitelDr. Zimmermann ZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. GradlKittelmann Kunz Müller (Berlin)Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir WohlrabeNeinSPDAmlingDr. ApelArendtAugsteinBaackBahrDr. BardensBatzBecker Biermann
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7524 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau FunckeBindigDr. Böhme
Frau von BothmerBrandt
BrückBuchstaller Büchler
Dr. von BillowBuschfortDr. BußmannColletConradiCoppikDr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. EhrenbergEickmeyerFrau Eilers
Dr. EmmerlichDr. Enders Engholm Frau Erler EstersEwenFiebigDr. Fischer Frau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenDr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack HaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHöhmannHofmann
Dr. Holtz HornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens Junghans Jungmann JunkerKaffkaKirschnerKlein
KonradKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarquardt MarschallFrau Dr. Martiny-Glotz MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPawelczyk PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn PorznerRapp
Rappe RavensFrau Renger ReuschenbachRohdeRothSanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuSchirmer SchlagaSchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk
SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. Staudt Dr. StegerFrau Steinhauer Stockleben StöcklThüsingFrau Dr. TimmTönjesTopmann Frau TraupeUeberhorst UrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeißkirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning Mattick Frau SchleiSchulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann GenscherGrünerFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannHölscherHoffieKleinertDr.-Ing. LaermannDr. Graf LambsdorffDr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier MerkerMöllemann PaintnerPeters Schäfer (Mainz)Schmidt
von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Vohrer Dr. WendigWolfgramm WurbsBerliner Abgeordnete HoppeDamit ist der Gesetzentwurf abgelehnt. Nach § 84 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung unterbleibt damit jede weitere Beratung und Abstimmung.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung in zweiter Lesung über Punkt 3 der Tagesordnung, das Zehnte Anpassungsgesetz zur Kriegsopferversorgung. Auch hier hat die Fraktion der CDU/CSU getrennte Abstimmung beantragt. Ich bitte Platz zu nehmen, damit die Mehrheitsverhältnisse von hier oben erkennbar sind.Ich rufe Art. 1 Nr. 1 und 2 auf. Wer dieser Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Art. 1 Nr. 3 und 4 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmungen sind angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 5 bis 20 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Art. 1 Nr. 21 Buchstabe a auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1867 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Die Begründung ist gegeben. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 21 Buchstabe a in der Ausschußfassung. Wer zu-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7525
Vizepräsident Frau Funckezustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe nun Art. 1 Nr. 21 Buchstabe b auf. Wer dieser Bestimmung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Bestimmung ist mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 21 Buchstabe c auf. Wer dieser Bestimmung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen angenommen.Wir kommen nunmehr zu Art. 1 Nr. 22. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1874 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Er ist begründet. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich bitte Sie, Ihre Stimmkarten abzugeben.Zwischendurch möchte ich bekanntgeben, daß noch zwei weitere namentliche Abstimmungen beantragt sind, und zwar die Schlußabstimmungen in dritter Lesung zu beiden Gesetzen. Ich wollte das ankündigen, damit sich jeder darauf einrichten kann.Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Mir liegt das vorläufige Ergebnis der Abstimmung zum Antrag Drucksache 8/1874 vor. Insgesamt haben 438 uneingeschränkt stimmberechtigte und 20 Berliner Abgeordnete ihre Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 214 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete gestimmt, mit Nein 224. Von den Berliner Abgeordneten haben 10 mit Ja und 10 mit Nein gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 438 und 20 Berliner Abgeordnete; davonja: 214 und 10 Berliner Abgeordnete,nein: 223 und 10 Berliner Abgeordnete,ungültig: 1JaCDU/CSUDr. AbeleinDr. AlthammerDr. ArnoldDr. BarzelBayhaDr. Becher Dr. Becker (Frankfurt) Frau BenedixBenzBerger Berger (Lahnstein) BiecheleDr. BiedenkopfDr. von Bismarck Dr. BlümBöhm Dr. BötschBraunBreidbachBroilBühler BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg) Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger Dr. Dregger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiDr. EversEyEymer Dr. EyrichFeinendegen Frau FischerFrancke FrankeDr. Friedmann Frau Geier GeisenhoferDr. von Geldern Dr. George Gerlach GersteinGerster Gierenstein GlosDr. GruhlHaase
HaberlDr. Häfele HanzHartmann Hasinger
Dr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. Hornhues HorstmeierDr. Hubrig Frau Hürland Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. JaegerJäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKatzerKiechleDr. Klein Klein (München)Dr. Köhler Dr. Köhler (Wolfsburg) KösterDr. KohlKolbKrampeDr. Kraske KrausDr. Kreile KreyKroll-SchlüterDr. Kunz Lagershausen Lampersbach LandréDr. Langguth Dr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz LenzerLinkLintnerLöherDr. LudaDr. MarxDr. Mende MetzDr. Meyer zu Bentrup Dr. MikatDr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Dr. Narjes NeuhausFrau Dr. Neumeister NiegelNordlohne Frau Pack PetersenPfeffermannPfeiferPicardPierothDr. PingerPohlmannPrangenbergDr. ProbstRaweReddemannRegenspurgerDr. ReimersFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer Sauter (Epfendorf) Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. SchäubleSchartz
SchedlFrau SchleicherSchmidhuberSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (SchwäbischGmünd)Dr. Schwarz-Schilling SeitersSickDr. Freiherr Spies von BüllesheimSpilkerSprangerDr. SprungStahlbergDr. Stark Graf Stauffenberg Dr. StavenhagenDr. SterckenStommelStraußStücklenStutzerSussetde TerraTillmannDr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandFrau Verhülsdonk Vogel Vogt (Duren)VolmerDr. VossDr. Waffenschmidt Dr. WaigelDr. WarnkeDr. von Wartenberg Weber Weiskirch (Olpe) Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski Wissebach
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7526 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau FunckeWissmannDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. WulffDr. ZeitelDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. GradlKittelmann Kunz Müller (Berlin)Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir WohlrabeNeinSPDAmlingDr. ApelArendtAugsteinBaackBahrDr. Bardens BatzBecker BiermannBindigDr. Böhme
Frau von BothmerBrandt
BrückBuchstaller Büchler Dr. von BülowBuschfortDr. Bußmann ColletConradiCoppikDr. Corterier CurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. EhrenbergEickmeyerFrau Eilers
Dr. EmmerlichDr. Enders EngholmFrau Erler EstersEwenDr. Fischer Frau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenDr. Geßner GlombigGobrecht Grobecker GrunenbergGscheidle Dr. Haack HaarHaehserHansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHöhmannHofmann
Dr. Holtz HornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens Junghans Jungmann JunkerKaffkaKirschnerKlein
KonradKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarquardt MarschallFrau Dr. Martiny-Glotz MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPawelczyk PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehnPorznerRapp
Rappe RavensFrau Renger ReuschenbachRohdeRothSanderSaxowskiDr. SchachtschabelSchäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuSchirmer Schlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk
SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. Staudt Dr. StegerFrau Steinhauer StocklebenStöcklThüsingFrau Dr. TimmTönjesTopmann Frau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeißkirchen WendtDr. WernitzWestphal WiefelWilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer ZanderZebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich Dr. DübberEgertLöfflerMänningMattickFrau SchleiSchulze
FDPAngermeyer BaumCronenberg Eimer Engelhard ErtlFrau Funcke GärtnerGallusGattermann GenscherGrünerFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannHölscherHoffieKleinertDr.-Ing. LaermannDr. Graf LambsdorffDr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier MerkerMöllemann PaintnerPeters Schäfer (Mainz)Schmidt
von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Vohrer Dr. WendigWolfgramm WurbsBerliner Abgeordnete HoppeDamit ist der Antrag abgelehnt.Wir fahren in der Abstimmung zur zweiten Beratung fort. Ich rufe Art. 1 Nr. 22 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das erst war die Mehrheit. Die Nummer ist angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 23 bis 25 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die Nummern sind angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 26 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 27 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ge-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7527
Vizepräsident Frau Funckegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmung ist angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 28 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1868 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Der Antrag ist begründet. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 28 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Art. 1 Nr. 28 ist angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 29 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 30 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 31 und 32 auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Art. 1 Nr. 31 und 32 sind angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 33 und 34 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 35 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1869 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Der Antrag ist begründet. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 35 in der Ausschußfassung, Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 36 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1870 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Er ist begründet. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen nun zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 36 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Bestimmung ist angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 37 bis 43 und Art. 2 bis 5 auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Bestimmungen sind einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 6 auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 6 ist angenommen.Ich rufe Art. 7 auf. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 8 auf. Wer zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 8 ist mit Mehrheit angenommen.Ich rufe nun noch Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen möchte, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Wir treten nunmehr in diedritte Beratungdes Entwurfs eines Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes ein. — Das Wort wird nicht gewünscht.Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich eröffne die Abstimmung über den Entwurf eines Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes in der vorliegenden Fassung. —Meine Damen und Herren, sind alle Stimmkarten abgegeben? — Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis liegt vor. Insgesamt haben 439 uneingeschränkt stimmberechtigte und 19 Berliner Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 225 uneingeschränkt stimmberechtigte und 10 Berliner Abgeordnete, mit Nein 214 uneingeschränkt stimmberechtigte und 9 Berliner Abgeordnete gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 439 und 19 Berliner Abgeordnete; davonja: 224 und 10 Berliner Abgeordnete, nein: 214 und 9 Berliner Abgeordnete, ungültig: 1JaSPDAmlingDr. ApelArendtAugsteinBaackBahrDr. BardensBatzBecker BiermannBindigDr. Böhme Frau von Bothmer Brandt (Grolsheim) BrückBuchstallerBüchler
Dr. von BülowBuschfortDr. BußmannColletConradiCoppikDr. Corterier CurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. Ehrenberg.EickmeyerFrau Eilers
Dr. EmmerlichDr. Enders Engholm Frau Erler EstersEwenFiebig7528 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 8. Juni 1978Vizepräsident Frau FunckeDr. Fischer Frau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl
GertzenDr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack HaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHöhmannHofmann
Dr. Holtz HornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg)JaunichDr. Jens Junghans Jungmann JunkerKaffkaKirschnerKlein
KonradKratzKretkowskiDr. KreutzmannKrockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lattmann Dr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. LepsiusLiedtkeDr. Linde LutzMahneMarquardt MarschallFrau Dr. Martiny-Glotz MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPawelczyk PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn Porzner Rapp
Rappe
RavensFrau RengerReuschenbachRohde RothSander SaxowskiDr. SchachtschabelSchäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheu SchirmerSchlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk
SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. SperlingDr. SpöriStahl
Dr. StaudtDr. StegerFrau Steinhauer StocklebenStöckl Thüsing Frau Dr. TimmTönjes TopmannFrau TraupeUeberhorstUrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeißkirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning MattickFrau Schlei Schulze
FDPAngermeyerBaumCronenbergEimer
EngelhardErtlFrau FunckeGärtnerGallusGattermann GenscherGrünerFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannHölscherHoffieKleinertDr.-Ing. LaermannDr. Graf LambsdorffDr. Dr. h. c. MaihoferFrau Matthäus-Maier MerkerMöllemann PaintnerPeters Schäfer (Mainz)Schmidt
von Schoeler Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. Vohrer Dr. WendigWolfgramm WurbsBerliner Abgeordnete HoppeNeinCDU/CSUDr. AbeleinDr. Althammer Dr. ArnoldDr. BarzelBayhaDr. Becher
Dr. Becker Frau BenedixBenzBerger Berger (Lahnstein) BiecheleDr. Biedenkopf Dr. von Bismarck Dr. BlümBöhm Dr. BötschBraunBreidbachBroilBühler BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)Dr. CzajaDawekeDr. Dollinger Dr. DreggerDreyerEngelsbergerErhard ErnestiDr. EversEyEymer
Dr. Eyrich Feinendegen Frau FischerFrancke FrankeDr. FriedmannFrau Geier Geisenhofer Dr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster Gierenstein GlosDr. Gruhl Haase
HaberlHanzHartmann Hasinger
Hauser HelmrichDr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. Hornhues HorstmeierDr. Hubrig Frau Hürland Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. JaegerJäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJostenFrau KarwatzkiKatzerKiechleDr. Klein Klein (München)Dr. Köhler
Dr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampeDr. Kraske KrausDr. Kreile KreyKroll-SchlüterDr. Kunz Lagershausen LampersbachLandréDr. Langguth Dr. Langner Dr. LaufsDr. Lenz LenzerLinkLintner
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7529
Vizepräsident Frau FunckeLöherDr. LudaDr. Marx Dr. Mende MetzDr. Meyer zu BentrupDr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Dr. Narjes Neuhaus Frau Dr. NeumeisterNiegelNordlohne Frau Pack Petersen Pfeffermann PfeiferPicardPierothDr. Pinger Pohlmann PrangenbergDr. Probst RaweReddemann RegenspurgerDr. ReimersFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RiesenhuberDr. RitzRöhnerDr. RoseRüheRusseSauer Sauter (Epfendorf)I Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. SchäubleSchartz
SchedlFrau Schleicher SchmidhuberSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Dr. Schulte (SchwäbischGmünd) SchwarzDr. Schwarz-Schilling SeitersSickDr. Freiherr Spies von BüllesheimSpilkerSpranger Dr. Sprung StahlbergDr. Stark Graf StauffenbergDr. StavenhagenDr. SterckenStommel StraußStücklen StutzerSussetde Terra Tillmann Dr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandFrau Verhülsdonk Vogel
Vogt
Volmer Dr. Voss Dr. WaffenschmidtDr. Waigel Dr. WarnkeDr. von Wartenberg Weber Weiskirch (Olpe)Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach WissmannDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. Wulff Dr. ZeitelDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. GradlKittelmann Kunz Müller (Berlin)Dr. Pfennig Frau Pieser StraßmeirDamit ist das Gesetz angenommen.Wir haben nun noch über Punkt 2 der Ausschußempfehlung abzustimmen, nämlich den Bericht der Bundesregierung und das Gutachten des Sozialbeirats zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus haben wir über Punkt 4 der Beschlußempfehlung abzustimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich lasse über beide Punkte gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.Wir haben dann noch über einen gemeinsam eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache8/1875 abzustimmen. Dazu wird das Wort nicht gewünscht? — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Wir kommen zurdritten Beratungdes Zehnten Anpassungsgesetzes KOV. Das Wort hat der Abgeordnete Zink.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Zeit zu sparen, will ich versuchen, für die Fraktion der CDU/CSU eine zusammenfassende Schlußerklärung zum Rentenanpassungsgesetz und zum Zehnten Kriegsopferversorgungs-Anpassungsgesetz zu geben.Die Beratungen der vorliegenden Gesetzentwürfe — die dritte Stufe der Rentensanierung innerhalb kurzer Zeit — standen wie schon so oft bei bedeutsamen Vorhaben der Sozialgesetzgebung unter erheblichem Zeitdruck. Erinnert sei nur an die Beratungen im Zusammenhang mit dem Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz und dem Kostendämpfungsgesetz. Das gleiche gilt nun auch für das Zehnte Kriegsopferversorgungs-Anpassungsgesetz. Die Fraktion der CDU/CSU ist der Meinung, daß es unerträglich ist, wenn derart wichtige Gesetzesvorhaben, die das Schicksal vieler Millionen unserer Bürger berühren, also von erheblicher Tragweite sind, seitens der Bundesregierung so kurzfristig eingebracht werden und unter einem ständigen Termindruck beraten werden müssen.
Zum Inhalt der beiden Gesetze und deren Auswirkungen kann ich nur sagen, daß der heutige Tag, an dem diese Gesetze verabschiedet werden, als eine Art schwarzer Tag für die Sozialgesetzgebung der gesetzlichen Rentenversicherung angesehen werden muß.
Es wird zwar nicht wie am Schwarzen Freitag im Jahre 1929 in den USA wirtschaftliche und private Existenz vernichtet, aber durch diese Gesetze werden Millionen von Alterssicherungsplänen hinfällig, und die Mehrzahl der Bürger unseres Landes — seien sie Versicherte oder Rentner — werden ihre Vorstellungen und Planungen für ein sorgenfreies Alter überprüfen und zu einem erheblichen Teil korrigieren müssen.Das Abkoppeln der Rentenanpassungen von der Lohnentwicklung und der Systembruch bei der Berechnung der Höhe der Zugangsrenten sind in unseren Augen ein Bruch des Generationenvertrages, auf dem unser System der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente jener Rentenrefom des Jahres 1957 beruht. Die Bürger verlieren ihr Vertrauen in die Institution der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Anpassungen der Renten nicht mehr an die Lohnentwicklung, d. h. an einen festen Maßstab, gebunden sind, sondern der Willkür des Gesetzgebers überlassen bleiben.
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7530 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
ZinkEs ist zu befürchten, daß man, wenn man erst einmal für drei Jahre die Rentenanpassung willkürlich festsetzt, auch im Jahre 1982, falls die Finanzlage dann noch nicht wesentlich besser sein sollte, wiederum zu einer Willkürmaßnahme greift.
Die Aussetzung der Dynamik für drei Jahre durch die Abkoppelung von jeglichem Maßstab — sei es der Bruttolohn, der Nettolohn oder der Lebenshaltungskostenindex — ist für die CDU/CSU nicht akzeptabel. Die Übertragung dieser bedenklichen Regelung auf die Altershilfe für Landwirte und die Kriegsopferversorgung lehnen wir insgesamt ebenso ab.Meine Damen und Herren, das Vertrauensklima in der Bevölkerung in bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung hat sich in letzter Zeit infolge dieser Maßnahmen denn auch rapide verschlechtert.
Nach einer jüngsten Allensbach-Umfrage glaubten 1967 noch 47 % der Bevölkerung, daß man sich auf die Rentenversicherung verlassen könne. Im Jahre 1978 waren es nur noch ganze 35 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Schwund des Vertrauens in die Rentenversicherung und damit in die Einhaltung des Generationenvertrags dürfte im wesentlichen auf die Regelungen im vergangenen Jahr beim Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz, aber auch bei dem jetzt vorliegenden Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz und seiner systemverändernden Regelung zurückzuführen sein. Die Rentner sehen an der Gesetzgebung, daß die Bundesregierung schon bei den ersten Schwierigkeiten langfristige Versprechungen nicht einlöst und die Sanierung auf ihrem Rücken betreibt.
Meine Damen und Herren, diese Verabschiedung am heutigen Tage ist nicht nur für 11 Millionen Rentner ein schwarzer Tag, sondern auch für 21 Millionen Versicherte; denn auch sie sind durch diese systemverändernden Gesetze betroffen und geschädigt.
Alterssicherung bedarf aber des Vertrauens. Alterssicherungsfragen sind nämlich Schicksalsfragen. Alterssicherung heißt langfristige Planung. Hier sind gesetzgeberische Flickschusterei oder schnelle Änderungen der Versicherungsbedingungen oder Änderungen in der Finanzierung und in der Leistung ein Übel für die davon Betroffenen. Dauernde Änderungen und übereilte Änderungen an bewährten Regelungen vorzunehmen, insbesondere dann, wenn sie den Kern des Systems — die Rentenformel und ihre Bestandteile — betreffen, kommen nach unserer Auffassung einer Zerstörung des Systems gleich.In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen; daß die dauernde Bagatellisierung der Probleme der Geburtenentwicklung — das hat heute vormittag eine Rolle gespielt — ebenfalls geeignetist, dem System der bruttolohnbezogenen Rente, das auf ein ausgewogenes Verhältnis von Rentnern und Versicherten angewiesen ist, Schaden zuzufügen.
Schuld für die Notwendigkeit des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes tragen nach Auffassung der CDU/CSU die Regierung und die sie tragenden Parteien von SPD und FDP. Dies hat die Diskussion um die Rentensanierung in den letzten Jahren, aber auch die Sachverständigenanhörung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eindeutig gezeigt. Schuld für die Notwendigkeit dieser einschneidenden Sanierungsmaßnahmen tragen die Regierung und die sie tragenden Parteien von SPD und FDP; dehn sie haben die Sanierung der Rentenfinanzen in der Vergangenheit trotz vielfältiger Warnungen seitens der CDU/CSU verschleppt. Um so einschneidender müssen heute die Sanierungsmaßnahmen auf der anderen Seite ausfallen.Meine Damen und Herren, Schuld an den systemverändernden Eingriffen in unser bewährtes Rentensystem tragen die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien von SPD und FDP, denn es gibt hinreichend systemkonforme und praktikable Maßnahmen, die anstehende Probleme lösen könnten. Schuld daran, daß die Sanierung der Rentenfinanzen voraussichtlich nach drei Anläufen immer noch nicht abgeschlossen ist und bald weitere Schritte folgen müssen, muß der Bundesregierung und der SPD/ FPD-Koalition angelastet werden. Sie treiben, meine Damen und Herren, eine Politik der Bagatellisierung der Probleme, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Verunsicherung. Sie kurieren an den Symptomen, aber beseitigen nicht die Ursachen der Finanzsçhwierigkeiten der Rentenversicherungsträger.Deshalb lehnen wir das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz ab, weil es das bewährte System der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente zerstört. Die Rentenformel wird mit dieser Entscheidung geändert. Willkür tritt nach unserer Auffassung an die Stelle von Lohnbindungen sowohl bei der Rentenanpassung als auch bei der Rentenberechnung.
Diese Maßnahmen kommen einem Bruch des Generationenvertrages, einem Systembruch eben, gleich. Das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz stellt letztlich einen Akt sozialer Demontage
am Kernstück unseres sozialen Sicherungssystems dar.
Einen solchen Akt der sozialen Demontage will die CDU/CSU nicht mitverantworten.Die CDU/CSU lehnt das Zehnte Kriegsopfer-Anpassungsgesetz trotz einiger, wie es bei der Abstimmung zum Ausdruck gekommen ist, von uns mitgetragener struktureller Verbesserungen ab. Sie lehnt es deshalb ab, weil auch in diesem Gesetz willkürliche Anpassungssätze des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes übernommen worden
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7531
Zinksind. Die CDU/CSU tritt für die Beibehaltung des bisherigen Anpassungsverfahrens auch in der Kriegsopferversorgung ein. Die Rentensanierung darf nicht über das dreijährige Abweichen von der Bruttolohnanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung und durch Übertragung des geänderten Anpassungsverfahrens auf die Kriegsopferversorgung zu Verlusten der Kriegsopfer in Höhe von rund 2 Milliarden DM zugunsten einer Haushaltsentlastung des Bundes in gleicher Höhe vollzogen werden.Wir lehnen das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz aber auch wegen des Krankenversicherungsbeitrages der Rentner ab. Meine Damen und Herren, ich möchte es mir — auch im Blick auf die Lage hier im Hause — ersparen, weitere Begründungen zu diesem Punkt heranzuziehen.
Lassen Sie mich damit langsam zum Schluß kommen.
Ich erlaube mir nur noch, deutlich zu machen, worin die Unterschiede zwischen Ihnen und uns liegen.Bei der Sachverständigenanhörung hat sich Herr Professor Janz, einer jener Männer, die einen erheblichen Anteil an der Rentenreform des Jahres 1957 hatten, u. a. zu zwei Punkten, nämlich zum Prinzip der Rentenversicherung und zum Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz, folgendermaßen eingelassen — ich darf mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —, erstens zum Prinzip:Prinzip für die Rentenreform von 1957 war, daß der Lebensstandard der Aktiven, ausgedrückt in der Entwicklung der Bruttolöhne, Maßstab für eine in einem entsprechenden Abstand sich vollziehende Entwicklung des Lebensstandards der Rentner war. Das galt automatisch für die Erstfestsetzung der Renten. Es sollte auch — und das ist im Gesetz zum Ausdruck gekommen — der Grundmaßstab für die Anpassung sein.
Zum Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz sagte Professor Janz:Ich halte dieses Abgehen von einem Prinzip, wenn auch nur vorübergehend, ohne daß ein anderes an seine Seite tritt, einfach vom Gedanken einer Stetigkeit und Verläßlichkeit der Rechtsordnung her für bedenklich.
Es geht hier doch nicht nur um eine volkswirtschaftliche Planung, die jederzeit korrigierbar ist, sondern um ein Stück Rechtsordnung, auf das sich der Staatsbürger verlassen können sollte.Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Aussage deckt sich vollinhaltlich mit der Meinung der Christlich Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum 21. RAG und zum 10. Kriegsopferanpassungsgesetz gebe ich namens der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung ab:Beide Gesetze haben wir in unserer Fraktion sehr gründlich erörtert, diskutiert, und wir haben dort nach sachlichen Gesichtspunkten auch als Sozialpolitiker Zustimmung gefunden. Wir werden mit dem 21. RAG die Konsolidierung der Rentenfinanzen vornehmen, die sich als notwendig erweist, um den funktionierenden Generationenvertrag zu stabilisieren und funktionsfähig zu halten. Bei dieser Konsolidierung berücksichtigen wir gleichermaßen die Interessen der Rentner und die Interessen der Arbeitnehmer, die ja Beitragszahler sind.Wir als Sozialdemokraten stellen fest: Mit dieser Konsolidierung werden auf jeden Fall die Renten weiter steigen. Kein Rentner erhält weniger Rente. Jede Rente wird 1979 um 4,5 %, 1980 um 4 %, 1981 ebenfalls um 4 % erhöht. Die Rentner werden weiter am wirtschaftlichen Wachstum teilnehmen können.Die Rentensteigerungen der nächsten drei Jahre liegen damit etwa bei der Entwicklung der voraussehbaren Nettoverfügbarkeit der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer werden 1981 einen maßvoll erhöhten Beitrag zur Rentenversicherung zahlen. Wie Sie wissen, erhöhen wir nach unseren Vorstellungen den Beitrag von 18 auf 18,5 %. Bei 2 000 DM sind das 5 DM. Auf jeden Fall ist hier eine Ausgewogenheit und damit der finanzielle Zustrom für das Funktionieren des Generationenvertrages ebenfalls sichergestellt.Die vorgesehenen festen Zuschüsse für die Renten gelten für die Jahre 1979 bis 1981. Wir möchten betonen: Ab 1982 werden die Renten wieder wie bisher bruttolohnbezogen angepaßt — ein sehr wichtiger Punkt, denn hier will die Opposition verunsichern. Wir werden wieder bruttolohnbezogen anpassen.
Es ist ein kurzes Abweichen von dieser Formel; das muß man selbstverständlich sagen.Im Ausschuß haben wir ebenfalls beantragt, daß die Höchstgrenzen beim Zusammentreffen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Unfallversicherung von 85 auf 80 % des Jahresarbeitsverdienstes in der Arbeiter- und Angestelltenversicherung und in der knappschaftlichen von 100 auf 95 °/o reduziert, d. h. also neu festgesetzt werden. Damit folgen wir lediglich den seit 1957 eingetretenen Veränderungen des Verhältnisses der Brutto- zu den Nettolöhnen. Die Gesamtversorgung der Rentner wird in den nächsten drei Jahren auf jeden Fall auch in diesem Bereich um 4,5, 4 und 4 % ansteigen.Mit der Sozialversicherungspflicht auch bei geringfügiger Beschäftigung wird die Möglichkeit eigenständiger Versicherung insbesondere von Frauen, die solch eine Beschäftigung ausüben, geschaffen.
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7532 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
UrbaniakZum 10. Anpassungsgesetz in der Kriegsopferversorgung stellen wir fest: Der enge bewährte Verbund der Anpassung von Kriegsopferrenten und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird nicht aufgehoben. Die Kriegsopferrenten werden weiterhin entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Renten dynamisiert. Im Bereich der Heilbehandlung, der Kriegsopferfürsorge und im Rentenrecht werden erhebliche Leistungsverbesserungen vorgenommen. Mit diesen Maßnahmen werden die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse vieler Beschädigter und Hinterbliebener erneut deutlich verbessert.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dankt der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und den Bediensteten seines Hauses, für die wichtige Unterstützung und die gute Zusammenarbeit.Die zur Abstimmung bereits ergangenen Voten zeigen klare Verhältnisse in diesem Hause. Für die Kriegsopferversorgung beantragen wir namentliche Abstimmung. Wir halten diese Abstimmung für besonders wichtig.Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich feststellen: Dies heute ist kein schwarzer Tag für die Rentner. Sie haben eine klare Perspektive. Es ist ein rabenschwarzer Tag für die Opposition;
denn sie hat dokumentiert, daß sie die Verantwortung für die Konsolidierung nicht übernehmen will. Das werden wir den Arbeitnehmern und den Rentnern verdeutlichen, meine Damen und Herren.
Wir als Sozialdemokraten stellen fest: Den Notwendigkeiten der Konsolidierung auch im sozialen Bereich stellen wir uns selbstverständlich. Entsprechend unserer traditionellen Verpflichtung haben wir es immerhin geschafft, in dem weltwirtschaftlichen Gefüge der Rezession unseren Rentnern und den Behinderten durch die Dynamisierung ständig einen Anteil am Wachstum zu geben. Darauf sind wir stolz.Sie haben die Verantwortung abgelehnt. Was ist das für eine Opposition?
Das Wort
hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich hoffe, daß die Erklärung, die ich hier namens der Freien Demokraten abzugeben habe, Sie in Ihren angeregten Unterhaltungen nicht allzusehr stört.Das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz hat folgende Schwerpunkte:Erstens: Anpassungssätze. Mit Anpassungssätzen von 4,5, 4 und 4 °/o werden die notwendigen Konsequenzen aus dem verlangsamten Wirtschaftswachstum seit der weltweiten Rezession gezogen. DemKollegen Franke möchte ich in Erinnerung rufen, daß die binnenwirtschaftlich fehlende Nachfrage, von der er heute morgen gesprochen hat, auch außenwirtschaftliche Ursachen haben kann und insofern die von ihm vorgenommene Trennung in sich nicht schlüssig ist.Trotz der Abkehr von der bisherigen Anpassungspraxis, die keinesfalls — und dies muß unterstrichen werden — gesetzlich vorgeschrieben ist, verbessern sich die Realeinkommen der Rentner auch bis 1982, wobei darauf hinzuweisen ist, daß der Rückgang des Preisanstiegs von 7,8 % Ende 1973 auf 2,7 % im Mai 1978 mit gewichtet werden muß. Ich glaube, daß dies der Erfolg einer konsequenten, richtigen Wirtschaftspolitik ist. In der ganzen Welt wird diese Leistung honoriert — Ausnahme allerdings: die hier im Hause sitzende Opposition.Die Fortsetzung der bisherigen Anpassungspraxis hätte zu einer stärkeren Belastung der Beitragszahler geführt. Verehrter Herr Kollege Zink, dies wäre wirklich ein „Schwarzer Freitag" gewesen. Dies wäre aber auch sozial- und konjunkturpolitisch nicht vertretbar.Nach der Vorleistung der Beitragszahler — ich darf daran erinnern, daß der Beitragssatz -zur Zeit der Großen Koalition von 14 auf 18 % erhöht wurde — sind die Realeinkommen der Rentner um 34 % und die der Aktiven nur um 16 % gestiegen.
Die vorgesehenen Anpassungssätze vermeiden, daß sich diese Schere weiterentwickelt. In der jetzigen konjunkturpolitischen Lage wären weitere Beitragserhöhungen mit zusätzlichen Risiken für die Arbeitsplätze, Stabilität und das ohnehin schwere Wachstumsziel verbunden. Sie widersprechen damit den Interessen der Beschäftigten ebenso wie den Interessen der Rentner.Zweitens: Risikoabsicherungsklausel. Die auf Vorschlag der FDP aufgenommene Klausel macht die Abhängigkeit der Rentenfinanzen von der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich und trifft für den Fall Vorsorge, daß sich die wirtschaftlichen Annahmen von 1978 über die weitere Entwicklung bis 1981 nicht erfüllen sollten. Dies ist im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit. Nur ist durch die Diskussion um den gesamten Fragenkomplex draußen der Eindruck entstanden, als ob die Prognosen des Rentenanpassungsberichts sozusagen einklagbare Ansprüche wären. Dies ist nicht der Fall. Durch diese Risikoabsicherungsklausel wird das noch einmal verdeutlicht.Wenn sich die wirtschaftlichen Grundlagen verschlechtern, dann ist das kein Betrug, Herr Kollege Kohl, und kein Betrugsversuch gegenüber den Rentnern, sondern ein Signal für die Verantwortlichen, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Dies ist beim Zwanzigsten und Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz geschehen und wird auch, wenn notwendig, noch einmal geschehen müssen. Für eine realistische Rentenpolitik werden wir jedenfalls Sorge tragen. Im übrigen ist darauf hinzu-
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Cronenbergweisen, daß die vorsorglich eingebaute Beitragserhöhung von 0,5 % einen rechnerischen Überschuß von 6 Milliarden DM ergibt, so daß hier sozusagen eine gewisse Sicherheit des Konsolidierungsbedarfs gegeben ist.Drittens: Krankenversicherung der Rentner. Das Einundzwanzigste Rentenanpassungsgesetz verwirklicht die Vorschläge der FDP für eine systemgerechte Neuordnung. Mit der Abkopplung nach der zusätzlichen Rentenerhöhung ist für die KVdR systemgerecht allein die Krankenversicherung zuständig. Der individuelle Krankenversicherungsbeitrag stellt die Rentner auch beitragsrechtlich den aktiv Versicherten gleich. Es entsteht eine einheitliche Solidargemeinschaft von krankenversicherten Arbeitnehmern und Rentnern. Der individuelle Beitrag lüftet den gegenwärtigen Finanzierungsschleier. Er macht, anders als ein Pauschalbeitrag für Rentner und Aktive, deutlich: Auch die Rentner leisten für ihren Krankenversicherungsschutz Beiträge. Sie können Gesundheitsleistungen wie alle übrigen Versicherten nicht zum Nulltarif erwarten. Das Prinzip der eigenverantwortlichen Vorsorge wird damit auch in der KVdR anerkannt. Die Einbeziehung der den Renten vergleichbaren Alterseinkommen für die Beitragspflicht entspricht der Beitragsgerechtigkeit.Zusammenfassend kann ich also feststellen: Die Neuordnung der KVdR entspricht den Grundsätzen liberaler Sozialpolitik. Sie schafft mehr Transparenz, erhöht die Eigenverantwortung des krankenversicherten Rentners, führt die funktionsgerechte Abgrenzung der verschiedenen sozialen Risiken fort und bedeutet eine konsequente Weiterentwicklung der gegliederten Krankenversicherung.Viertens: Unfallversicherung. Entsprechend den Vorstellungen der Freien Demokraten wird nach den Änderungsbeschlüssen des Ausschusses von Eingriffen in die Eigenständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung mit ihrem besonderen Anpassungsverfahren abgesehen. Ferner unterbleiben genauso wie beim Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz systemwidrige Risikoverlagerung zu Lasten der Unfallversicherung. Die neu vorgesehene Festlegung des Anpassungsgesetzes durch Rechtsverordnung hat rechtstechnische Gründe. Bei den weiteren Beratungen des Sozialgesetzbuches, Teil Unfallversicherung, wird zu prüfen sein, ob es bei dieser Delegation durch den Gesetzgeber bleiben soll. Die FDP-Fraktion stellt klar, daß eine solche Delegation in keinem Fall ein Vorbild für die gesetzliche Rentenversicherung sein kann.Fünftens: Geringfügigkeitsgrenze. Die vom Ausschuß beschlossene Heraufsetzung —
Einen Augenblick, Herr Kollege!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Platz nähmen, damit der Redner im Hause voll verständlich ist.
Dem Präsidenten für diese Bemühung herzlich dankend, darf ich fortfahren: Die vom Ausschuß beschlossene Heraufsetzung der Grenze von 10 auf 15 Stunden wöchentlich entspricht den Forderungen der FDP. Sie trägt den Bedenken vor allen Dingen aus arbeitsmarktpolitischer Sicht Rechnung, die insoweit gegen die Regierungsvorlage erhoben worden sind. Dadurch wurde auch eine verfassungsrechtlich problematische Sonderregelung für Haushalte entbehrlich. In tatsächlicher Hinsicht ändert sich in den Privathaushalten nunmehr nichts.Sechstens: Befreite Angestellte. Die FDP tritt dafür ein, auch solche Empfänger von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, in Beitragsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit zur Alterssicherung einzubeziehen. Dies habe ich von hier aus bereits bei der Verabschiedung des 20. Rentenanpassungsgesetzes erklärt. Die Gleichbehandlung halten wir aus verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Gründen für unerläßlich.
Denn es verstößt gegen den Gleichheitssatz, Mitglieder der Solidargemeinschaft „Arbeitslosenversicherung" mit einer vom Gesetzgeber anerkannten Alterssicherung unterschiedlich zu behandeln, d. h., die Mitglieder der Arbeitslosenversicherung, die nicht gleichzeitig der gesetzlichen Rentenversicherung angehören, von der Leistung „Beitrag zur Alterssicherung bei Arbeitslosigkeit" auszuschließen.Wir bejahen das gegliederte System unserer Alterssicherung. Die Benachteiligung von Arbeitnehmern, die, vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt, außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, wäre damit unvereinbar. Nur aus Zeitgründen — es war nicht mehr möglich, die von der FDP geforderte Gleichstellung gesetzestechnisch mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz zu verwirklichen — haben wir daher auf die Verabschiedung hier verzichtet. Der Entschließungsantrag, die erforderliche Neuregelung mit der nächsten AfG- Novelle vorzunehmen und rückwirkend ab 1. Juli in Kraft zu setzen, macht unseren Willen deutlich, Rechtsnachteile für die Betroffenen auf Grund einer späteren Verabschiedung zu vermeiden.Eine sachgerechte Alternative zu unseren Vorschlägen liegt nicht vor. Sie haben sich, wie in der Vergangenheit schon festgestellt, darauf beschränkt, den Fetischismus der bruttolohnbezogenen Anpassung zu betreiben, ohne ein Konzept vorzulegen, das es ermöglicht, das nun einmal vorhandene Defizit abzudecken. Nach Ihren eigenen Aussagen sind es nur zwei Drittel, die Sie mit Ihren Finanzierungsvorschlägen abdecken, und im übrigen berufen Sie sich auf das „Prinzip Hoffnung".Zum 10. Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes habe ich folgende Erklärung abzugeben: Der Verbund zwischen Kriegsopferrenten und gesetzlichen Renten bleibt erhalten. Dieser Verbund bildet die Grundlage für
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Cronenbergdie Dynamisierung der Kriegsopferrenten, die entsprechend der Wahlaussage der Freien Demokraten von 1969 im Jahre 1970 verwirklicht wurde. Ergebnis der Dynamisierung ist der Anstieg der Kriegsopferrenten seit 1970 um 139 %, der Witwenrenten sogar um 158 %.Entsprechend ist auch der Versorgungsaufwand des Bundes gestiegen. Er betrug 1969 bei rund 2,6 Millionen Versorgungsberechtigten rund 5 Milliarden DM und liegt heute bei rund 12 Milliarden DM, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Zahl der Versorgungsberechtigten auf rund 2,2 Millionen zurückgegangen ist.Mit dem 10. Anpassungsgesetz erfüllen wir unsere Zusage an die Kriegsopfer, die wir 1977 im Zusammenhang mit der Verschiebung des Anpassungstermins gegeben haben. Die 1978 durch diese Verschiebung freiwerdenden Haushaltsmittel werden zum Ausgleich noch bestehender sozialer Härten in der Kriegsopferversorgung eingesetzt. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß die eingesparten Beträge nur einmal und nicht jedes Jahr erneut ausgegeben werden können, denn die Einsparung liegt ja auch nur einmal vor.Dazu sind vor allem folgende Maßnahmen bei der Heilbehandlung, der Kriegsopferfürsorge und im Rentenrecht vorgesehen: erstens Leistungen von Kuren auch an Pflegepersonen; zweitens in der Kriegsopferfürsorge Einbeziehung aller Eltern, Erleichterung der Kausalitätsvoraussetzungen, Erhöhung der Einkommensgrenze entsprechend der allgemeinen Einkommensentwicklung, Erhöhung der Vermögensschonbeträge, Unterhaltshilfe für jugendliche Beschädigte zur Sicherung des angemessenen Lebensunterhalts bei Berufsförderung; drittens Verbesserung des Berufsschadensausgleichs und des Schadensausgleichs für Witwen u. a. durch den Wegfall der starren Höchstgrenzen und durch die Aktualisierung der Vergleichseinkommen; viertens Einführung einer Pflegezulagestufe 6 für die besonders schwer betroffenen Beschädigten wie Taubblinde und blinde Ohnhänder; fünftens Vollversorgung für Hinterbliebene von erwerbsunfähigen Beschädigten.Ergänzend haben wir bei der Ausschußberatung folgende Leistungsverbesserungen beschlossen: Verzicht auf eine Beteiligung an den Fahrtkosten bei einer Heil- oder Krankenbehandlung durch Krankenkassen, bei der Vermögensberechnung ein genereller Ausschluß der Berücksichtigung genutzter Familienheime, Erhöhung des Berufsschadensausgleichs im Umfang der Rentenanpassung. Mit diesen gezielten Strukturmaßnahmen wollen wir Freien Demokraten den Interessen der Kriegsopfer noch besser als bisher gerecht werden. Mit dem 10. Anpassungsgesetz wird der Gesetzgeber der besonderen Verantwortung gerecht, die unser Volk der Schicksalsgruppe der Kriegsopfer schuldet.Zusammenfassend kann also festgestellt werden: Wir haben uns bemüht, Mögliches durchzuführen. Wir haben verhindert, daß Unmögliches verlangt und durchgesetzt wird. Es ist schade, daß das 21. Rentenanpassunggesetz Ihre Zustimmung nicht gefunden hat und dieses 10. Anpassungsgesetz Ihre Zustimmung nicht finden wird. Trotzdem hoffe ich, daß Sie sich mindestens dazu durchringen können, den Maßnahmen der Regierung im Ergebnis Erfolg zu wünschen. Denn dies wäre im Interesse der Beitragszahler und der Rentner ein kleiner Beitrag zu einer friedlicheren Gestaltung zukünftiger Rentendebatten.
Meine
Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn alle Mitglieder des Hauses Platz nähmen.
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, am Schluß dieses langen Beratungstages den Kolleginnen und Kollegen aus den Ausschüssen dieses Hauses, insbesondere aus dem zuständigen Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, für ihre präzise, umfangreiche und sorgfältige Beratung. dieses Gesetzentwurfs hier ausdrücklich Dank zu sagen.
In diesen Dank würde ich, der Anregung des Kollegen Urbaniak folgend, gern auch die Bediensteten des Arbeitsministeriums einschließen, die mit dieser Gesetzgebung weit über den Achtstundentag hinaus eine präzise Arbeit geleistet haben.
Gestatten Sie mir die abschließende Bemerkung, daß aller Polemik zum. Trotz, die hier heute wieder zum Ausdruck gekommen ist, das Vertrauen der Rentner in die deutsche Rentenversicherung ungebrochen ist
und daß das 21. Rentenanpassungsgesetz und das 10. Kriegsopferanpassungsgesetz wichtige Schritte zur Festigung des Generationenvertrages sind, weil hier in einer klaren, überschaubaren Lösung ohne Buchhaltungstricks und Verschleierungstaktiken die notwendigen Konsequenzen gezogen werden.
Mit dieser sauberen Konsolidierungslösung wird gleichzeitig die notwendige Grundlage für die sehr schwierige, komplizierte unabdingbare Neuordnung der sozialen Rentenversicherung geschaffen, die spätestens bis 1984 dem Gebot der Gleichberechtigung der Geschlechter Rechnung tragen und gemäß der uns selber auferlegten Pflicht die eigenständige soziale Sicherung der Frau ein Stück weiterbringen muß, als es bisher gelungen ist. Dafür werden Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie das 10. Kriegsopferanpassungsgesetz in dritter Lesung annehmen, worum ich Sie herzlich bitte, einen wichtigen Beitrag leisten.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7535
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung in der dritten Beratung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung in der dritten Beratung über das Zehnte Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes bekannt.Mit Ja haben gestimmt 223 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und zehn Berliner Kollegen, mit Nein 215 Mitglieder des Hauses und neun Berliner Mitglieder des Hauses. Insgesamt haben sich an der Abstimmung 438 Mitglieder des Hauses und 19 Kolleginnen und Kollegen beteiligt.ErgebnisAbgegebene Stimmen 438 und 19 Berliner Abgeordnete; davonja: 223 und 10 Berliner Abgeordnete,nein: 215 und 9 Berliner AbgeordneteJaSPDAmling Dr. ApelArendt AugsteinBaack BahrDr. BardensBatzBecker BiermannBindigDr. Böhme Frau von Bothmer Brandt (Grolsheim) BrückBuchstallerBüchler
Dr. von BülowBuschfortDr. BußmannCollet ConradiCoppikDr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDr. von DohnanyiDürrDr. EhmkeDr. Ehrenberg EickmeyerFrau Eilers Dr. EmmerlichDr. EndersEngholmEsters Ewen Fiebig Dr. FischerFrau Dr. FockeFranke Friedrich (Würzburg) GanselGerstl GertzenDr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack HaarHaehser HansenFrau Dr. Hartenstein HauckDr. Hauff HenkeHeyennHöhmannHofmann Dr. HoltzHornFrau Huber HuonkerImmer Jahn (Marburg) JaunichDr. Jens Junghans Jungmann JunkerKaffkaKirschnerKlein KonradKratzKretkowskiDr. Kreutzmann Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus LattmannDr. LauritzenLeberLendersFrau Dr. Lepsius LiedtkeDr. LindeLutzMahneMarquardt MarschallFrau Dr. Martiny-Glotz MatthöferDr. Meinecke Meinike (Oberhausen) MeininghausMenzelMöhringMüller
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNeumann Dr. Nöbel Offergeld OostergeteloPaternaPawelczyk PeiterDr. Penner PenskyPeterPolkehn PorznerRapp
Rappe RavensFrau Renger ReuschenbachRohdeRothSanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuSchirmer SchlagaSchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmitt-Vockenhause Dr. SchmudeDr. SchöfbergerDr. Schwenk SielerFrau Simonis SimpfendörferDr. Sperling Dr. SpöriStahl
Dr. Staudt Dr. StegerFrau Steinhauer Stockleben StöcklThüsingFrau Dr. TimmTönjesTopmann Frau TraupeUeberhorst UrbaniakDr. Vogel VogelsangVoigt WaltematheWaltherDr. Weber
WehnerWeißkirchen WendtDr. WernitzWestphalWiefel WilhelmWimmer WischnewskiDr. de WithWittmann Wolfram (Recklinghausen) WredeWüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteBühlingDr. Diederich
Dr. DübberEgertLöfflerMänning Mattick Frau SchleiSchulze
FDPAngermeyerBaum CronenbergEimer
EngelhardErtlFrau FunckeGärtner Gallus GattermannGenscherGrünerFrau Dr. Hamm-BrücherDr. HaussmannHölscherHoffie KleinertDr.-Ing. LaermannDr. Graf LambsdorffDr. Dr. h. c. MaihoferFrau Matthäus-MaierMerker MöllemannPaintnerPeters
Schäfer
Schmidt
von SchoelerFrau SchuchardtSpitzmüllerDr. VohrerDr. WendigWolfgramm WurbsBerliner Abgeordnete HoppeNeinCDU/CSUDr. AbeleinDr. Althammer Dr. Arnold
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7536 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDr. Barzel BayhaDr. Becher
Dr. Becker Frau BenedixBenzBerger
Berger BiecheleDr. BiedenkopfDr. von BismarckDr. BlümBöhm
Dr. Bötsch BraunBreidbach BrollBühler
BurgerCarstens Carstens (Fehmarn) Conrad (Riegelsberg)Dr. Czaja DawekeDr. DollingerDr. Dregger DreyerEngelsbergerErhard ErnestiDr. Evers EyEymer
Dr. Eyrich Feinendegen Frau FischerFrancke FrankeDr. FriedmannFrau Geier GeisenhoferDr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster Gierenstein GlosDr. Gruhl Haase
HaberlDr. Häfele Hanz
Hauser HelmrichDr. Hennigvon der Heydt Freiherrvon Massenbach HöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. HornhuesHorstmeier Dr. Hubrig Frau HürlandDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger
Dr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jentsch Dr. JobstJosten Frau KarwatzkiKatzer Kiechle Dr. Klein
Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler KösterDr. KohlKolbKrampe Dr. KraskeKrausDr. KreileKreyKroll-SchlüterDr. Kunz LagershausenLampersbachLandreDr. LangguthDr. LangnerDr. LaufsDr. Lenz LenzerLinkLintner LöherDr. Luda Dr. MarxDr. MendeMetzDr. Meyer zu BentrupDr. MikatDr. MiltnerMilzDr. MöllerMüller
Dr. NarjesNeuhausFrau Dr. Neumeister NiegelNordlohneFrau PackPetersen PfeffermannPfeifer Picard Pieroth Dr. PingerPohlmannPrangenbergDr. ProbstRaweReddemannRegenspurgerDr. ReimersFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RiesenhuberDr. Ritz Röhner Dr. Rose RüheRusseSauer
Sauter
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. SchäubleSchartz
SchedlFrau Schleicher SchmidhuberSchmidt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderDr. Schröder Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof)
Dr. Schwarz-Schilling SeitersSickDr. Freiherr Spies von BüllesheimSpilker Spranger Dr. Sprung StahlbergDr. Stark Graf StauffenbergDr. StavenhagenDr. SterckenStommel StraußStücklen StutzerSussetde Terra Tillmann Dr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Volmer Dr. Voss Dr. WaffenschmidtDr. Waigel Dr. WarnkeDr. von Wartenberg Weber Weiskirch (Olpe) Dr. von Weizsäcker WernerFrau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissebachWissmannDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel WürzbachDr. WulffDr. ZeitelDr. Zimmermann ZinkBerliner AbgeordneteAmrehnFrau Berger
Dr. GradlKittelmann Kunz Müller (Berlin)Dr. Pfennig Frau Pieser StraßmeirDamit ist das Zehnte Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes in dritter Beratung angenommen.Der Ausschuß empfiehlt Ihnen auf der Drucksache 8/1843 unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Ich frage, ob das Haus einverstanden ist. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 10.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 bis 10 auf:6. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 19 ..
— aus Drucksache 8/976 —Zweite Beschlußempfehlung und Zweiter Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 8/1844 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Weber Abgeordneter Hartmann
b) Zweite Beratung ides von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren— Drucksache 8/323 —
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7537
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenBeschlußempfehlung und Bericht desRechtsausschusses
— Drucksache 8/1844 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Weber Abgeordneter Hartmann
c) Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren— Drucksache 8/354 —Beschlußempfehlung und Bericht desRechtsausschusses
Drucksache 8/1844 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Weber Abgeordneter Hartmann
7. a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens— aus Drucksache 8/322 —b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens— aus Drucksache 8/996 —Zweite Beschlußempfehlung und Zweiter Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 8/1845, Anlagen 1 und 2 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. EmmerlichAbgeordneter Dr. Weber Abgeordneter HartmannAbgeordneter Dr. Wittmann
dazu:
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 8/1878 — Berichterstatter: Abgeordneter Augstein8. Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung .des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses— Drucksache 8/932 —Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 8/1848 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Linde Abgeordneter Dr. Klein
9. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den Unterrichtungen durch das Europäische ParlamentEntschließung zum Terrorismus in der GemeinschaftEntschließung zum Terrorismus— Drucksachen 8/1300, 8/1753, 8/1847 — Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Wittmann Abgeordneter Dr. Emmerlich10. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes— Drucksache 8/1727 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: RechtsausschußMeine Damen und Herren, für die Tagesordnungspunkte 6 bis 10 ist im Ältestenrat eine verbundene Debatte vereinbart worden. Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.Ich frage zunächst, ob einer der Herrn Berichterstatter das Wort zur Ergänzung der Berichte wünscht.Bitte, Herr Kollege Hartmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Grund interfraktioneller Übereinkunft obliegt es mir, für die zuständigen Berichterstatter zu der Zweiten Beschlußempfehlung und dem Zweiten Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 8/1845 — betreffend die Gesetzentwürfe der Fraktion der CDU/CSU zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens — Drucksachen 8/322 und 8/996 - folgendes vorzutragen:
Erstens. In der Beschlußempfehlung und im Bericht muß bei der Gesetzesbezeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge " der Klammerzusatz gestrichen werden. Der Klammerzusatz ist keine zutreffende Kurzbezeichnung für das vorliegende Änderungsgesetz, wie sich bei Rücksprachen mit den beteiligten Ministerien herausgestellt hat. Diese Berichtigung ist redaktioneller Natur, muß aber gleichwohl hier angebracht werden.
Zweitens. Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung beantrage ich, in Art. 1 der Anlage 2 zu Drucksache 8/1845 die Nr. 2 zu streichen. Es hat sich herausgestellt, daß es insoweit bei dem geltenden Recht verbleiben kann.
Herr Kollege Hartmann, das werden wir in der zweiten Be-
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7538 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenratung erledigen. — Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter und schließe in den Dank auch die übrigen Berichterstatter des Rechtsausschusses ein.Ich eröffne nunmehr die allgemeine Aussprache und schlage Ihnen vor, daß wir zunächst die Einbringung des Tagesordnungspunktes 10 — Änderung des Strafvollzugsgesetzes — durch den Herrn Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Dr. Palm, hören.Herr Minister, Sie haben das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen als Beauftragter des Bundesrats die wesentlichen Gründe des Antrags zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes darlege. Ich weiß, daß die Redner des Parlaments dem Bundesratsvertreter in der zweiten und dritten Beratung vorgehen. Dennoch waren die Herren Fraktionssprecher und ich der Auffassung, daß es zeitsparender und rationeller ist, wenn die Fraktionssprecher auf meine Ausführungen unmittelbar eingehen können und zum Tagesordnungspunkt 10 keine neue Debatte eröffnet wird. Ich danke Ihnen für die Bereitschaft zu diesem etwas unüblichen Verfahren.Als im Jahre 1976 die Fraktionen dieses Hohen Hauses und auch der Bundesrat dem Strafvollzugsgesetz und damit den Bestimmungen über die Zwangsernährung zustimmten, geschah dies in erster Linie aus zwei Gründen: erstens weil man am Streit über • die Zwangsernährung das Zustandekommen des vom Bundesverfassungsgericht geforderten und lange beratenen Strafvollzugsgesetzes nicht scheitern lassen wollte und zweitens weil man glaubte, mit der Kompromißformel des § 101 des Strafvollzugsgesetzes eine für die Vollzugsärzte und die Vollzugsbediensteten im ganzen praktikable Rechtsgrundlage geschaffen zu haben.Wenn der Bundesrat jetzt, nach verhältnismäßig kurzer Zeit, auf Vorschlag des Landes Baden-Württemberg eine Änderung dieser Vorschriften betreibt, so geschieht dies nicht aus Inkonsequenz, sondern auf Grund der leidigen Erfahrungen, die die Landesjustizverwaltungen seither mit der Zwangsernährung als einer vielfach menschenunwürdigen Prozedur gemacht haben.
— Landesjustizverwaltungen.
— Ich meine nicht in erster Linie Nordrhein-Westfalen, weil die Hunger- und Durststreikaktionen dort meistens symbolischen Charakter hatten. Aber ich kann Ihnen einige Landesjustizverwaltungen— außer der baden-württembergischen — nennen. —Man muß sich einmal den Vorgang einer Zwangsernährung konkret vergegenwärtigen, um zu verstehen, welche Überforderung der Vollzug des Gesetzes für die Ärzte, die Vollzugsbediensteten, aber auch für den hungerstreikenden Gefangenen selbst bedeutet. Aus dem Bericht der Justizverwaltung eines nicht CDU/CSU-regierten Bundeslandes zitiere ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:Der gewöhnlich laut schreiende und um sich tretende und schlagende Gefangene wurde von fünf Aufsichtsbediensteten entweder an Armen und Beinen getragen oder auf einer fahrbaren Trage — bäuchlings liegend niedergedrückt — in einen Behandlungsraum gebracht und dort, an Armen und Beinen festgehalten, auf eine stationäre Liege gedrückt. Wenn bei dem derart fixierten Gefangenen das Einführen einer Sonde durch die Nase nicht möglich war, öffnete der Arzt ihm gewaltsam, meistens durch Zuhalten der Nase, den Mund, schob, um ein erneutes Zusammenbeißen der Zähne zu verhindern, einen Gummikeil dazwischen und versuchte dann, durch den derart geöffneten Mund eine Magensonde oder einen Magenschlauch einzuführen. Dabei mußte besonders darauf geachtet werden, daß Sonde oder Schlauch nicht in die Luftröhre des Gefangenen gerieten.Soweit das Zitat.Wen kann es bei einer solchen Schilderung noch wundern, daß der Deutsche Richterbund mit Nachdruck und der Bund der Strafvollzugsbediensteten mit aller Entschiedenheit die Abschaffung der Zwangsernährung fordern? Die Bundesärztekammer, der Ärztetag und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Ärzte und Psychologen in der Straffälligenhilfe sprechen sich aus medizinischen und berufsethischen Gründen ebenfalls gegen die Zwangsernährung aus.Entscheidend ist jedoch folgendes. Nach dem Urteil der mit der Praxis vertrauten Fachleute ist eine Zwangsernährung gegen den erklärten und praktizierten Widerstand eines Gefangenen auf die Dauer kein taugliches Mittel zur Lebensrettung. Der Hungerstreik kann selbst bei frühzeitiger Zwangsernährung den Tod bringen; das zeigt das Beispiel von Holger Meins.Das ergibt sich auch aus einem für den Herrn Generalbundesanwalt erstellten Gutachten der Bundesärztekammer. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß es unmöglich sei, einen Gefangenen, der jegliche Nahrungszufuhr verweigere und sich der künstlichen Ernährung widersetze, auf die Dauer gegen seinen Willen ausreichend Nahrung zuzuführen. Somit müsse der konsequent aktiv durchgehaltene Hungerstreik trotz aller ärztlichen Bemühungen zum Tode führen.In der „Zeitschrift für Rechtspolitik" vom Dezember 1977 schildert der Berliner Vollzugsarzt Dr. Hu-sen, er erinnere sich voller Entsetzen jener widerwärtigen Ringkämpfe und der Kraftakte, die gegen den exzessiven Widerstand der fanatisierten Gefangenen eingesetzt werden mußten. Der Berliner Vollzugsarzt spricht damit öffentlich das aus, was andere nur verhalten äußern, daß nämlich das Brechen des Widerstands des Gefangenen, das gewaltsame Einführen von Nasen- und Magensonden zu Verletzungen der Schleimhäute, zum Eindringen von
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Minister Dr. PalmNährflüssigkeit in die Luftwege, zur Aspiration von Erbrochenem mit anschließender Lungenentzündung und schließlich zu akutem Herzversagen des vom Hungerstreik ohnehin geschwächten Organismus führen kann.Alle diese Gefährdungen erhellen, daß eine gegen den intensiven Widerstand des Gefangenen durchgeführte Zwangsernährung keine Methode ärztlicher Behandlung sein kann, weil sie selbst lebensbedrohlich ist.Ich räume ein, daß die Anwendung der geltenden Vorschriften dort noch praktikabel sein mag, wo der Hunger- und Durststreik nur symbolischen Charakter hat
— wir haben in der Zwischenzeit Erfahrungen gesammelt —, wo insbesondere die hungerstreikenden Gefangenen keinen ernsthaften körperlichen Widerstand leisten. Wo indessen Widerstand geleistet wird, zeigt sich die Schwäche der Kompromißformel des § .101 des Strafvollzugsgesetzes.
Für diese problematischen und gefährlichen Fälle hält das Gesetz keine Lösungen bereit, die in' die Praxis umgesetzt werden können, ohne daß sich Ärzte und Vollzugsbedienstete zusätzlich zu ihrem psychischen und physischen Streß noch ständig an der Grenze zum Strafrecht bewegen.Der klaren rechtlichen Grenzziehung dient die Vorlage des Bundesrats. Die Zwangsernährung soll dann unzulässig sein, wenn der Gefange bei freier Willensbestimmung und klarem Verstand in Kenntnis der ihm eröffneten Konsequenzen die angebotene Nahrung zurückweist. Mit dieser Regelung ist Ärzten und Vollzugsbediensteten mehr gedient als mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit. Nach geltendem Recht nämlich werden die Ärzte mit ihrer Entscheidung allein gelassen, wenn die Grenze der Zumutbarkeit erreicht ist. Ob sie bei ihrer Grenzziehung recht gehabt haben, entscheidet dann hinterher der Staatsanwalt.Um Mißverständnissen vorzubeugen, stelle ich fest, daß auch wir in den Vollzugsanstalten selbstverständlich Selbstmorde verhindern wollen, daß auch wir beispielsweise die freie Willensbestimmung eines Gefangenen, der sich die Pulsadern aufschneidet, nicht respektieren können. Wer solche Fallbildungen gegen die Abschaffung der Zwangsernährung ins Feld führen will, verkennt den Zielkonflikt zwischen der Fürsorgepflicht des Staates und der Menschenwürde des Gefangenen, des Arztes und der beteiligten Vollzugsbediensteten.
Die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber Gefangenen gebietet es, bei Selbstbeschädigung oder Selbstmordversuch Hilfe anzubieten, aber doch nur nach ethischen Maßstäben, die dem allgemeinen Sittlichkeitsempfinden entsprechen.Die Hunger- und Durststreikaktionen terroristischer Gewalttäter bieten überdies folgende Besonderheit — das bitte ich doch zu beachten —: Ihr erklärtes Ziel ist nicht der Tod, sondern die Durchsetzung ganz bestimmter Forderungen, die Nötigung und Erpressung des Staates und seiner Organe.
Manche Gegner unserer Initiative behaupten, durch die Abschaffung der Zwangsernährung werde die Erpreßbarkeit des Staates erhöht. In Wirklichkeit ist gerade das Gegenteil der Fall.
Wenn die Zwangsernährung bei freier Willensbestimmung und klarem Verstand des Gefangenen für unzulässig erklärt wird, dann weiß der hungerstreikende Gefangene genau, welche Konsequenzen er auf sich nimmt.
Das wird mehr Gefangene von diesem Kampfmittel abhalten als bei der augenblicklichen Rechtslage; denn heute rechnen die Gefangenen, die durch Hunger- und Durststreik den Staat erpressen wollen, nur mit einem begrenzten Risiko. Sie verlassen sich darauf, daß sich der Staat über ihren erklärten Willen hinwegsetzt und in den Ablauf des Hunger- und Durststreiks eingreift. Ein solches Eingreifen wir dann propagandistisch dazu mißbraucht, dem Staat die Verantwortung für den Ausgang des Hungerstreiks zuzuschieben und ihn gleichzeitig wegen seiner angeblichen brutalen Gewaltakte und Foltermethoden anzuprangern.Anders sieht es für die zur Nötigung und Erpressung bereiten Gefangenen dann aus, wenn von vornherein feststeht, daß sie nicht zwangsernährt werden. Dann wird für sie der Hungerstreik zu einer sehr viel stumpferen politischen Waffe.
Daß die Novelle in der Tat so empfunden wird, zeigt die Reaktion eines einschlägig bekannten Anwalts auf die vorliegende Initiative. Dieser Anwalt verstieg sich zu der logisch wie sprachlich, wie ich meine, pervertierten Formulierung, „man wolle seitens des Staates den Gefangenen die Zwangsernährung verweigern" — als ob man etwas verweigern könnte, was der Betroffene ablehnt, wogegen sich der Betroffene mit Händen und Füßen wehrt!
Wir wollen nichts humanitär Gebotenes verweigern, keine ärztliche Hilfe und keine medizinische Ernährung, wenn der Gefangene bewußtlos oder aus anderen Gründen zur natürlichen Nahrungsaufnahme nicht in der Lage ist und keinen körperlichen Widerstand leistet. Im Gegenteil: Wir sind bereit, jede humanitär gebotene Hilfe anzubieten.
Wir wollen nur eines nicht mehr tun und auch nicht mehr zulassen: gegen den frei erklärten Willen und gegen den praktizierten Widerstand des Gefangenen demselben einen gefährlichen körperlichen Eingriff aufzwingen, bei dem die Würde aller Beteiligten in grober Weise verletzt wird.
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Minister Dr. PalmDes weiteren stelle ich gegenüber Einwendungen von Gegnern dieser Initiative fest: Nicht derjenige treibt eine Kalkulation mit dem Tod des Gefangenen, der die Zwangsernährung ablehnt; vielmehr eröffnet derjenige, der die Zwangsernährung zuläßt, die Möglichkeit, daß der Gefangene eine Kalkulation mit seinem Tod betreiben und das Risiko dieser Kalkulation auch noch dem Staat zuschieben kann. Das ist ein unerträglicher Zustand!
Die Gesetzesvorlage des Bundesrats will die Probleme der Zwangsernährung in einer humanen, allen Beteiligten zumutbaren und praktikablen Weise lösen. Sie entspricht inhaltlich der einschlägigen Entschließung des Deutschen Richterbundes. Gegen ihre Rechtsstaatlichkeit können keine ernsthaften Bedenken erhoben werden, wie rechtsvergleichende Untersuchungen — z. B. des Max-Planck-Instituts in Freiburg — bestätigen.Es geht bei der Initiative des Bundesrats darum, eine von der Praxis als untauglich empfundene Vorschrift zu ändern. Es geht darum, dem Gefangenen, der aus freiem Willen und bei klarem Verstand das angebotene Essen ablehnt, seine Verantwortung für den eigenen Gesundheitszustand klarzumachen. Es geht darum, humanitäre Hilfe anzubieten, aber keine Zwangsmaßnahmen durchzuführen, die mit unwägbaren gesundheitlichen Gefahren für den Gefangenen und ebenso unwägbaren strafrechtlichen Risiken für den Arzt verbunden sind. Es geht schließlich darum, den gefangenen Terroristen die Möglichkeit zu nehmen, die zwangsweise Ernährung in der Offentlichkeit als Folter darzustellen.Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, dem Antrag des Bundesrates zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Hartmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die im Rahmen der Tagesordnungspunkte 6 und 7 zu beratenden Beschlußempfehlungen und Berichte des Rechtsausschusses haben gewissermaßen die Restposten aus dem Paket der Gesetzgebungsinitiativen zum Gegenstand, die aus Anlaß der Eskalierung von Terrorismus und Gewaltkriminalität zur Verbesserung des rechtlichen Instrumentariums der Strafverfolgungsorgane und der Justiz im Parlament eingebracht worden sind.Da ist einmal der Regierungsentwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes, mit welchem die von meiner Fraktion und vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwürfe zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren korrespondieren. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes hat einmal festgestellt, daß der Bürger einfach kein Verständnis mehr dafür hat, daß Strafverfahren gegen terroristische Gewalttäter manchmal Jahre dauern. Diese Erkenntnis ist eine zutreffende Konsequenz vor allem aus dem Stammheim-Verfahren, dessen Verlauf in der Öffentlichkeit berechtigte Zweifel daran hat aufkommen lassen, ob die Justiz mittels des vorhandenen Gesetzesinstrumentarium überhaupt noch in der Lage ist, mit Strafverfahren dieser Art fertig zu werden.Jeder einschlägig befaßte Praktiker hat in den letzten Jahren und bis in die. jüngste Zeit die Erfahrung gewinnen können, daß derartige prozessuale Schwierigkeiten und Machenschaften wie im Stammheim-Prozeß bereits auch in anderen Großverfahren, vor allem auch im Bereich der Wirtschaftskriminalität, auftreten. Es ist ein gewiß nicht wörtlich zu nehmender, aber im Sinngehalt für unsere Rechtsordnung unverzichtbarer Grundsatz, daß die Strafe der Tat auf dem Fuße folgen muß. Dieser Grundsatz rechtfertigt nicht die Forderung nach einer Art Standrecht, sondern er gibt der rechtsstaatlichen Notwendigkeit Ausdruck, daß eine Justiz, die im Namen des Volkes zu urteilen hat, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nur dann nachkommen kann, wenn im Bewußtsein der Bevölkerung Dauer und Ablauf eines strafrechtlichen Verfahrens nach Ergreifung der Täter als angemessen und würdig empfunden werden.
Der Eindruck der Ohnmacht der Justiz wird geradezu heraufbeschworen, wenn — wie im Fall des Drenkmann/Lorenz-Prozesses in Berlin — schon von der Ergreifung der Täter bis zum Beginn der Hauptverhandlung gegen sie Jahre verstreichen und der Prozeß dann monatelang über Verfahrenspräliminarien nicht hinauskommt.In der Beurteilung der Notwendigkeit, umfangreiche Strafverfahren rasch und wirksam durchzuführen und abzuschließen, sind sich Bundesregierung, Koalition und Opposition grundsätzlich einig. Diese Einigkeit hat in dem vorliegenden Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes einen so hinreichend konkreten Niederschlag gefunden, daß wir, die CDU/CSU-Opposition in diesem Hause, dem Gesetz unsere Zustimmung erteilen können und auch erteilen werden.Es kann allerdings keine Rede davon sein — dies muß ich einschränkend bemerken —, daß wir mit dem vorliegenden Regierungsentwurf vollinhaltlich zufrieden wären. Während wir uns in den Ausschußberatungen kooperativ gezeigt und im Interesse einer möglichst weitgehenden Einvernehmlichkeit eine ganze Reihe von Vorschlägen der Bundesregierung und der Koalition akzeptiert haben, bei denen wir aus guten Gründen auf unseren Alternativvorstellungen hätten beharren können, haben Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der Koalition, es leider an einem entsprechenden Maß an Entgegenkommens Ihrerseits fehlen lassen. Während wir den Spielraum, innerhalb dessen eine Gemeinsamkeit möglich war, voll ausgeschöpft haben, haben Sie zur einseitigen Durchsetzung Ihrer Vorstellungen vom „Fallbeil" Ihrer minimalen Ausschußmehrheit weitgehend Gebrauch gemacht. Als Beispiel hierfür nenne ich Ihre Weigerung, dem filibusterhaften Mißbrauch des Antragsbegründungs-, Frage- und Erklärungsrechts in der Hauptverhandlung einen klaren, nicht mehr auf
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Hartmanndie Ausdeutung durch die Rechtsprechung angewiesenen Riegel vorzuschieben. Ein weiteres Beispiel ist, daß Sie bei der Durchsetzung Ihrer Vorstellungen über die Erweiterung der Einstellungsmöglichkeiten nach den §§ 154 und 154 a der Strafprozeßordnung einen zu weitgehenden Eingriff in das Legalitätsprinzip vorgenommen haben. Ihr Mehrheitsbeschluß in diesem Punkt im Ausschuß kann dazu führen, wenn er Gesetz wird, daß ein Täter, der zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt ist, diese vielleicht auch schon verbüßt hat, von der Strafverfolgung wegen einer zweiten Tat freigestellt wird, obwohl er eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu erwarten hätte. Diese Zurückdrängung verträgt das Legalitätsprinzip nicht.In diesem Zusammenhang muß ich auch das Problem der Einschränkung des Umfangs des Strafklageverbrauchs ansprechen. Es geht hier darum, ob und in welcher Form eine einschränkende gesetzliche Regelung des Umfangs des Strafklageverbrauchs bei fortgesetzten Handlungen und bei Dauerstraftaten möglich und zur Konzentration und Straffung der Verfahren geboten ist. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die sich bei der Lösung dieses Rechtsproblems auftun; dennoch muß ich feststellen, daß Bundesregierung und Koalition diesem Punkt bisher — ungeachtet einiger nicht bestreitbarer Aktivitäten — nicht die ihm gebührende Priorität eingeräumt haben. Gerade gesetzliche Maßnahmen zur Einschränkung des Strafklageverbrauchs könnten einen ganz beachtlichen Beitrag zu einer Beschleunigung und Straffung von Strafverfahren leisten. Das Problem ist nicht neu. Eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung könnte bei rechtzeitiger Inangriffnahme längst vorliegen.Wir, die Opposition, haben für dieses Problem einen, jedenfalls diskutablen, materiell-rechtlichen Lösungsansatz angeboten, nämlich die sogenannte fingierte Tatmehrheit, wenn der Tatbestand der Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen verwirklicht und zugleich der Tatbestand anderer Strafgesetze erfüllt wird.Meine Damen und Herren, obwohl also die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses in wesentlichen Punkten erheblich hinter dem zurückbleibt, was wir für notwendig halten, werden wir dem Strafverfahrensänderungsgesetz insgesamt unsere Zustimmung nicht verweigern. Unsere Beurteilung geht dahin, daß anders als bei den im Februar verabschiedeten sogenannten Antiterrorgesetzen von unseren Vorschlägen immerhin soviel eingeflossen und übriggeblieben ist, daß wir uns nicht wegen totaler Unzulänglichkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs zu einer Ablehnung gezwungen sehen müssen.Allerdings sehen wir uns unabhängig von unserer generellen Zustimmung veranlaßt, eine Reihe von Änderungsanträgen zu stellen. Im verfahrensrechtlichen Bereich, den ich hier abzuhandeln habe, betrifft der eine Änderungsantrag die von mir bereits erörterte Erweiterung der Einstellungsmöglichkeiten nach den §§ 154 und 154 a der Prozeßordnung. Hier folgen wir wie im Rechtsauschuß derStellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf.Der zweite Änderungsantrag, der sich auf den Komplex Verfahrensrecht bezieht, obwohl seine Lokalisation nicht im Verfahrensrecht ist, betrifft unseren materiell-rechtlichen Lösungsansatz für die Einschränkung des Verbrauchs der Strafklage und sieht die Anfügung eines Absatzes 7 an § 129 mit entsprechender Verweisung in § 129 a des Strafgesetzbuches vor.Daß wir zum Strafverfahrensänderungsgesetz keine weiteren Änderungsanträge stellen, beruht auf der Überlegung, daß wir die Prozedur hier im Bundestag nicht mit allzu viel juristischer Filigranarbeit befrachten wollen. Dem Bundesrat bleibt es unbenommen, in einem eventuellen Vermittlungsverfahren weitere Änderungen im Sinne seiner und unserer ursprünglichen Vorstellungen anzustreben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, soweit die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses vorsieht, auch noch den Rest unserer Gesetzentwürfe zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutze des inneren Friedens abzulehnen, stellen wir im Bereich des Verfahrensrechts ebenfalls einen Änderungsantrag, und zwar in Richtung auf eine Änderung der Regelung über die Zwangsernährung in den §§ 101 und 101 a des Strafvollzugsgesetzes. Dazu nur einige kurze Bemerkungen, nachdem der Justizminister des Landes Baden-Württemberg für den Bundesrat diesen Komplex bereits zutreffend dargestellt hat.Auch wir sind der Auffassung, daß die in Kraft befindliche Regelung sich nicht bewährt hat. Sie geht davon aus, daß der Staat nicht nur gegen den freien Willen, sondern auch gegen den körperlichen Widerstand eingreifen muß — wie der Herr Justizminister des Landes Baden-Württemberg hier sehr plastisch dargestellt hat —, um dem Gefangenen die zur Erhaltung der Gesundheit oder des Lebens erforderliche Nahrung zukommen zu lassen. Dabei werden die Grundsätze der Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit unangemessen zurückgestellt, und der Ausübung erpresserischen Drucks mittels Hunger- und Durststreiks wird Vorschub geleistet.Die von uns vorgeschlagene Gesetzesänderung ist aus rechtlichen Gründen geboten, weil die Ärzte und Bediensteten im Strafvollzug nach geltendem Recht bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zwangsernährung unzumutbar bzw. Lebens- oder gesundheitsgefährlich ist, allein gelassen werden und damit auch erheblichen strafrechtlichen Risiken ausgesetzt sind.Die Gesetzesänderung ist ferner aus ärztlich-medizinischen Gründen geboten, weil die Zwangsernährung nicht nur kein geeignetes Mittel ist, Gesundheit und Leben eines Gefangenen zu erhalten, sondern sogar eine zusätzliche erhebliche Gefährdung darstellt. Auch dies läßt sich aus der Schilderung des Herrn Justizministers Palm ablesen.Wir halten die beantragte Novellierung nicht zuletzt auch deshalb für notwendig, weil dem erpres-
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Hartmannserischen Druck hungerstreikendes Gefangener entgegengewirkt werden muß.Wir müssen leider feststellen, daß Bundesregierung und Koalition auch in dieser Frage nicht bereit sind, rechtlichen und praktischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen.In der Frage der Überwachung der Verteidigerbesuche haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, uns immer genüßlich die ablehnenden Stellungnahmen der anwaltlichen und richterlichen Standesvertretungen entgegengehalten. Bei der Zwangsernährung befinden wir uns in dieser Lage. Sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der Ärzte und Psychologen in der Straffälligenhilfe als auch der Bund der Strafvollzugsbediensteten haben Stellungnahmen abgegeben, die ganz auf unserer Linie liegen. Auch der Deutsche Richterbund, auf den Sie sich sonst immer so gern berufen, vertritt die Auffassung, daß eine Zwangsernährung nicht vorzunehmen sei, so lange von einer freien Willensentscheidung des Betroffenen ausgegangen werden könne.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein Problem ansprechen, welches zwar nicht Gegenstand der zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe ist, das aber wegen der aktuellen Entwicklung einer alsbaldigen Lösung bedarf. Im Drenkmann/Lorenz-Prozeß in Berlin ist besonders die neue Strategie der Terrorszene zutage getreten, Verfahren durch die Ausschaltung von Pflichtverteidigern platzen zu lassen, wie man zu sagen pflegt. Herr Kollege Dr. Emmerlich hat im Rechtsausschuß die treffende Formulierung gebraucht, zuerst habe man Pflichtverteidiger aus Terroristenverfahren „hinausbeleidigen" wollen, dann „hinausprügeln", und nunmehr wolle man sie im wahrsten Sinne des Wortes „hinausschießen", wie die bekannten Vorgänge in Berlin gezeigt haben. Ihrer Feststellung, Herr Kollege Dr. Emmerlich, können wir nur beipflichten.Herr Minister Dr. Vogel und die Vertreter der Koalition haben am vergangenen Freitag im Rechtsausschuß die Notwendigkeit betont, das Problem dringlich einer Lösung zuzuführen. Wir fordern Sie auf, dieser verbalen Ankündigung — Sie haben schon früher immer sehr viel angekündigt — konkrete Taten folgen zu lassen, und versichern Sie — wieder einmal — unserer vollen Unterstützung bei der Herbeiführung einer angemessenen gesetzlichen Lösung. Hier schlägt, so meine ich, vor allem die Stunde der Bewährung für die freie Advokatur.Ich habe eingangs festgestellt, daß die zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe der Restbestand der Gesetzgebungsinitiativen zur besseren Bekämpfung des Terrorismus und der Gewaltkriminalität sind. Dies veranlaßt mich, abschließend folgendes kurzes Resümee zu ziehen: Diejenigen gesetzlichen Maßnahmen, für die Regierung und Koalition mühsam eine Mehrheit zusammengebracht haben, bleiben weit hinter dem zurück, was objektiv erforderlich und aus höchstem Munde an den Gräbern der Terroropfer mit grimmiger Entschlossenheit als notwendig bezeichnet worden ist.Der Kommentator einer großen deutschen Tageszeitung hat kürzlich — gewiß überspitzt formuliert— sinngemäß die bittere, aber nach unserer Auffassung im Kern zutreffende Feststellung getroffen, daß aus Staatsräson zwar Menschenleben geopfert werden müssen, offenbar aber macht- und parteipolitische Rücksichten nicht geopfert werden dürfen.
— Herr Kollege Dr. Emmerlich, ich will die ganze zwingende Argumentationskette, die sich die Bundesregierung und die Koalition entgegenhalten lassen müssen, nicht zum soundsovielten Male darlegen.Ich frage aber die Bundesregierung und die sie tragende Koalition, ob sie ernsthaft glauben, auf die Dauer Rechtspolitik ohne und gegen die parlamentarische Repräsentanz mindestens der Hälfte der Bevölkerung unseres Landes machen zu können. Ich bin überzeugt: In Sachen Terrorismus machen Sie Ihre Politik nicht nur gegen mindestens die Hälfte, sondern mit Sicherheit gegen die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung.
Hinzu kommt, daß die Rechtspolitik, die Sie mit Ihrer Parlamentarischen Minimehrheit betreiben, nicht einem in sich schlüssigen rechtspolitischen Konzept entspringt, sondern sich von Fall zu Fall an machtpolitischem Kalkül und an den von den Linksaußen in den Koalitionsparteien gesetzten Marken orientiert. Wo bleibt bei der Rechtspolitik dieser Koalition eigentlich das kraftvolle, streitbare liberale Element? Da wird doch nur Permissivität mit Liberalität verwechselt. Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, welches Potential an Unzufriedenheit und Verdrossenheit sich in unserer Bevölkerung entwickeln kann, wenn Sie so fortfahren? Sie begehen einen fundamentalen Fehler, wenn Sie bei der Konkurrenz verschiedener Staatszwecke, um mit Theodor Eschenburg zu sprechen, die gebotene Güterabwägung nicht so vornehmen, daß eine ausgewogene Balance zwischen kollektiver und individueller Freiheit einerseits und kollektiver und individueller Sicherheit andererseits besteht. 'Ein übersteigerter Sicherheitszweck, von dem in keinem unserer Gesetzentwürfe die Rede sein konnte, kann zur Aufhebung des Freiheitsschutzes führen. Eine übersteigerte, permissive Freiheitsordnung kann aber den Bestand der Staatsmacht und ihre Funktion der Gewährleistung des Gemeinwohls gefährden. Cicero, der römische Staatsmann, hat einmal gesagt: salus populi suprema lex . Alle staatlichen Gesetze haben den Zweck, dem Gemeinwohl zu dienen. Darüber hätten wir uns in den vergangenen Debatten zur Terrorismusbekämpfung wahrlich genug auseinandersetzen können und sollten wir uns in diesem Parlament weiterhin in erster Linie auseinandersetzen und miteinander um die besten Lösungen ringen, die die Mehrheit unseres Volkes zu billigen und in ihr Rechtsbewußtsein aufzunehmen vermag und die auch draußen in der Welt nicht mißverstanden werden können.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7543
HartmannDie Bevölkerung erwartet vom Parlament, daß außer Streit steht, was .Traugott Bender, im Gegensatz zu den Herren Hirsch und Baumann zurückgetretener Minister, auf dem Bodensee-Juristentreffen im Vorjahr so formuliert hat — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:Der Staat hat seine Macht auf die Seite des Rechtes zu stellen. Dann aber hat er seine Machtmittel auch einzusetzen, kräftig, mit gutem Gewissen. Er hat die Macht einzusetzen, um Freiheit und Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, also um seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Angesichts der Bedrohung durch terroristische Gewalttäter, der bisher stärksten Herausforderung unseres demokratischen Rechtsstaates, die unmittelbar auf die Beseitigung unserer freiheitlichen Ordnung zielt, wird Bürgerfreiheit erst durch die Machtausübung des Staates — für jeden erkennbar — möglich.Der Kultusminister eines Bundeslandes äußerte jüngst ich darf wieder zitieren —: „Unter der Schaumkrone der politischen Konfrontation verkommt die Schule." Ich möchte dieses Wort auf das Problem des Schutzes unseres Staates vor seinen inneren Feinden übertragen: Unter der Schaumkrone der von den doktrinären Linken in unserem Land geschürten Konfrontation und Verteufelung der Opposition à la „APO rechts draußen" und „feixende Meute", verkommt der Konsens, die Gemeinsamkeit der Demokraten in der Beurteilung der fundamentalen Frage, was dem Gemeinwohl dient und was zum Schutz der Freiräume der rechtstreuen Bürger erforderlich und angemessen ist.Meine Damen und Herren, wir, die Opposition dieses Hauses, werden unsere klare rechtspolitische Linie unbeirrt weiterverfolgen und damit unserer Verantwortung vor der Bevölkerung und ihrem Anspruch auf Freiheitssicherung gerecht werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fing so schön an,
als Sie von der Harmonie bei der Strafprozeßordnung sprachen, und endete — wie die Debatte auch am vergangenen Donnerstag geendet hat — mit den unbegründeten Vorwürfen, die in der Behauptung gipfeln: Wenn es nach dieser Opposition ginge, gäbe es überhaupt keine Terroristen,
und wenn es welche gäbe, säßen sie längst in Haft und wären abgeurteilt.Meine Damen und Herren, Sie brauchen uns doch nicht zu belehren, Sie brauchen doch nur einmal über die Grenzen unseres Landes hinauszusehen, um leider festzustellen, daß sich die Terroristen weder nach Ländern noch nach Weltanschauungen ausrichten, sondern brutale Gewalt ausüben.Der Bundeskanzler hat wiederholt versichert, er und seine Regierung seien bereit, bei der Bekämpfung des Terrorismus bis an die Grenze des rechtsstaatlich Vertretbaren zu gehen. Das ist gut so, weil damit klargestellt wird, daß alles, was notwendig ist, geschehen wird, aber auch alles, was unrechtmäßig ist, unterbleiben wird.Lassen Sie doch deshalb diese Angriffe; ringen Sie doch mit uns einmal gemeinsam darum, festzustellen, wo denn die Grenzen des rechtsstaatlich Vertretbaren liegen.
Ist denn der Rechtsstaat einer Wurst vergleichbar, von der man immer ein Stück abschneidet, um dann festzustellen, daß der Rest ja immer noch eine Wurst ist, bis Sie den Zipfel dieser Wurst in der Hand haben? Und dann glauben Sie immer noch daran.
Ist es nicht vielmehr notwendig, zu fragen, wo denn die Substanz, wo denn der Inhalt dieses Rechtsstaates liegt? Es genügt doch sicherlich nicht, wenn wir uns gerade noch am Rande dieses Rechtsstaates bewegen und den Schritt über die Schwelle dieses Rechtsstaates hinaus gerade noch vermeiden. Wer nur ein Staatsschutzrecht schafft, um seine Stärke zu beweisen, nützt dem Staat nicht, kann aber vielen Menschen in diesem Staate Unrecht tun. Deshalb dürfen wir uns auch von den Terroristen keine Gesetze aufdrängen lassen, die keinen Verbrecher fangen helfen, aber den Freiheitsraum in unserer Demokratie in Frage stellen.
Sind Sie denn, meine Damen und Herren, nicht mit uns Sozialdemokraten der Meinung, daß die Einengung des Demonstrationsrechts und des Versammlungsrechts ein so großes Opfer erfordert, das die Terroristen nicht verdient haben, das sie aber erreichen wollen? Wollen Sie denn das freiheitliche Recht vieler, sich zu versammeln, zu demonstrieren und zu streiken für . Bedingungen, die der einzelne für wertvoll hält, einschränken und reglementieren nur aus einer nicht verständlichen Hektik heraus und ohne dabei auch nur einen einzigen kriminalpolitisch nachweisbaren Effekt zu erzielen?
Wollen Sie denn dieses Versammlungsrecht soweit reglementieren, daß die Versammelten von Panzerwagen umgeben sind und dann nur noch fragen können, ob dieser Panzerwagen auch genügend Maschinengewehre hat? Das sind doch keine Alternativen!
Oder wollen Sie die mit uns gemeinsam im Strafrechtssonderausschuß erarbeiteten Errungenschaften,die von allen Ihren Mitgliedern mitgetragen worden
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7544 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Weber
sind, z. B. hinsichtlich der einzelnen Strafrahmen oder hinsichtlich der Widerstandsleistung gegen die Staatsgewalt, in Frage stellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Feinendegen?
Bitte.
Herr Kollege Weber, sind Sie der Meinung, daß wir bis zum Jahre 1969 in einem Unrechtsstaat gelebt haben, als nämlich das Demonstrationsstrafrecht schärfer war, als es heute ist?
Ich werde Ihnen dazu gleich die notwendigen Zahlen sagen. Durch die Änderung des Demonstrationsstrafrechts hat sich nämlich sogar eine Verminderung unfriedlicher Demonstrationen ergeben, nicht das Gegenteil ist wahr.
Oder Sie müssen fragen — die Frage müssen Sie sich ernsthaft stellen lassen —: Waren Ihre damaligen Liberalisierungsbestrebungen alle nur ein Ausdruck von Heuchelei?
Max Güde — Sie kennen ihn ja —, der frühere Generalbundesanwalt und Vorsitzende des Strafrechtssonderausschusses, hat unmittelbar nach der Ermordung des Generalbundesanwalts Buback, seines Fahrers und seines Begleiters diese Frage in die Worte gekleidet — ich darf zitieren, Herr Präsident —:
Härte allein, ohne menschliches Maß ist kein wirksames Heilmittel gegen Verbrechen. Nicht die Härte allein verbürgt den Frieden im Staat, sondern die wohlüberlegte gleichmäßige Gerechtigkeit, die sich in ihrem Maß auf das Notwendige beschränkt.
— Das haben wir Ihnen schon durch unsere Gesetze gezeigt. Den Bürgern in unserem Land, die eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus wollen, aber auch den Bürgern, die sich um die Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung Sorge machen, sind wir doch gleichermaßen verpflichtet. Die Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe tragen diesen Stempel: dem Terrorismus mit gesetzlichen Mitteln erfolgreich zu begegnen und trotzdem Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat nicht zu beschädigen.
Wir wissen, meine Damen und Herren, daß wir mit dieser Ansicht nicht allein stehen, sondern damit auf der Linie unserer europäischen Freunde liegen. Sie haben im Rechtsausschuß die beiden Entschließungen des Europäischen Parlaments mitgetragen, die sich mit dem Terorismus befassen, die wir heute hier verabschieden wollen und um deren Annahme ich im Namen meiner Fraktion bitte. Wir sind nämlich mit unseren europäischen Freunden der festen Überzeugung, daß auch sie den politischen und kriminellen Terrorismus nicht wollen, Seite an Seite mit uns
den schweren Angriff auf die demokratischen Institutionen und auf die schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte verurteilen und mit uns geeignete Abwehrmaßnahmen treffen wollen.
Aber, meine Damen und Herren, in diesen Resolutionen — diese letzten Sätze der Entschließung vergessen Sie dabei immer — heißt es auch, daß dieser Kampf gegen den Terrorismus unter Beachtung der demokratischen Rechte und der verfassungsrechtlichen Garantien zu führen ist. Wir danken unseren europäischen Partnern für diese Solidarität.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung über das machen, was Sie auf internationaler Ebene unter Terrorismusbekämpfung verstehen. Am vergangenen Freitag haben Sie im Rechtsausschuß die ausführlichen Informationen des Bundesjustizministers über die Inhaftierung von vier Terroristen in Jugoslawien und die geforderte Auslieferung an die Bundesrepublik begrüßt. Als das Auslieferungsabkommen am 2. Oktober 1974 verabschiedet wurde, haben Sie sich gegen dieses Abkommen gewehrt, und der CSU-Abgeordnete Dr. Wittmann hat damals nach dem Protokoll des Rechtsausschusses wörtlich gesagt — ich darf zitieren —:
Die Opposition lehnt diesen Vertrag ab, weil
er die Gefahr in sich birgt, daß für viele Menschen Grundfreiheiten und Menschenrechte zu' mindest gefährdet werden.
Heute wollen Sie diesen Ruhm auch sich zuschreiben.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?
Herr Kollege Weber, war meine Beobachtung am letzten Freitag richtig, daß sich die gesamten Fragen an die Bundesregierung auf den einzigen Punkt konzentrierten, daß keiner aus Deutschland ausgeliefert wird, gegen den nicht schwerwiegende Tatsachen ins Feld geführt worden sind? Und war nicht gerade das das Argument, das die Opposition hier damals vorgetragen hat?
Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir darüber überhaupt nicht diskutieren dürfen, Herr Kollege Lenz, weil es dannDeutscher Bundestag ,— 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7545Dr. Weber
nämlich kein Auslieferungsabkommen gegeben hätte.
Ihnen liegt ein Bündel von Gesetzen zur Beschlußfassung vor, nämlich erstens der Entwurf der Bundesregierung des Strafverfahrensänderungsgesetzes und teilweise damit übereinstimmend die Gesetzentwürfe der Opposition. Der Entwurf des Strafverfahrensänderungsgesetzes ist nicht nur eine Reaktion auf Verfahren gegen terroristische Gewalttäter, wenn die CDU/CSU dieses auch in dieses Paket eingereiht hat. Das ist aus Ihrer Sicht natürlich verständlich; denn Sie hatten ja die mit viel Sorgfalt und in mühseliger Arbeit zusammengetragenen Arbeitsergebnisse der Bund-Länder-Kommission, die seit 1975 unter dem Vorsitz des Bundesjustizministers gearbeitet hat, abgeschrieben und dann in hektischer Eile dem Bundestag als Ihren Gesetzentwurf zugeleitet. So kann man es vereinfachend natürlich auch machen. Ob man damit allerdings glaubwürdiger wird, ist eine andere Frage.Genauso, meine Damen und Herren, haben Sie heute vor einer Woche den falschen Eindruck erweckt, man brauche nur alle Ihre Gesetzesinitiativen anzunehmen, und der Terrorismus sei in der Bundesrepublik wie ein Spuk verschwunden.
— Ja, ich komme gleich darauf. Um das glaubhaft zu machen, betonen Sie und der Oppositionsführer ja immer wieder, die Regierung tue nichts gegen den Terrorismus, sie verlasse den gemeinsamen Schwur, den alle Parteien anläßlich der SchleyerEntführung gefaßt hätten. Diesen Vorwurf, meine Damen und Herren, weise ich für die Sozialdemokraten als unwahr, als diffamierend und falsch zurück.
Sie sollten sich einmal das Wort des Generalbundesanwalts, das dieser am 1. Juni im Deutschlandfunk gesprochen hat, vor Augen führen. Der Generalbundesanwalt sagte — ich darf zitieren —:Zur Ergreifung der Terroristen brauche ich im Grunde keine Änderung des materiellen Strafrechts und des Strafprozeßrechts. Diese Terroristen sind ja zum größten Teil des Mordes verdächtigt. Für Mord kann man eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen. Das ist meines Erachtens eine angemessene Strafe.Ich weiß, die Zitate passen Ihnen nicht, selbst wenn Sie sich einmal für die Wahl des Herrn Rebmann zum Generalbundesanwalt eingesetzt haben.
Dann lassen Sie mich ein weiteres Zitat von Herrn Rebmann aus der gleichen Sendung geben. Er sagte wörtlich:Man darf nun das, was an Positivem in der Terrorismusbekämpfung geschah, doch nicht gleich wieder vergessen.So ist das, meine Damen und Herren. Das hören Sie nicht gern. Ich weiß, Sie lesen viel lieber den „Bayernkurier". Da stand nämlich in der Ausgabe vom gleichen Tag ein Satz — ich darf nochmals zitieren —:Der Befreiungsspaziergang von Moabit ist als Einzelfall ebenso alarmierend, wie er in fataler Beispielhaftigkeit für eine politische Geisteshaltung von SPD und FDP steht, da überzogene liberalistische Vorstellungen immer noch mehr gelten als die berechtigten und vorrangigen Sicherheitsinteressen des Staates und seiner Bürger.Das ist Verleumdung. Nein, es ist nicht die Geisteshaltung von SPD und FDP, was in diesem Lande zerstörerisch wirkt, sondern es ist der Geist von Kreuth, den Sie in diesem Artikel und in allen anderen zum Ausdruck bringen.
Meine Damen und Herren, soll ich denn in diesem Zusammenhang Fehler und Säumnisse aufrechnen? Soll ich denn fragen, ob der Fall Stammheim nicht ein größerer Skandal war?
— Ich komme zu Ihrem Minister. Er ist einer der wenigen, die sich offenbar bekehrt haben, wenigstens nach seinen jüngsten Reden zu urteilen.
Mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz ziehen die Bundesregierung und die Koalition ihre Erfahrungen aus Großverfahren gegen Terroristen, gegen nazistische Mörder oder gegen Wirtschaftsverbrecher. Dabei stoßen wir allerdings, meine Damen und Herren, auch immer wieder an die Grenzen der Strafverfahrensregelung. Wir müssen immer wieder den Ausgleich schaffen zwischen den Interessen der durch den Staat verkörperten Rechtsgemeinschaft an einer möglichst raschen und zielstrebigen Strafverfolgung, um den Rechtsfrieden wiederherzustellen, und auf der anderen Seite den Interessen des Beschuldigten, möglichst weitgehende Schutzrechte zur Verteidigung gegen den Vorwurf eingeräumt zu erhalten. Es darf kein Zweifel daran bestehen, daß das Strafverfahren den staatlichen Strafanspruch verwirklichen soll und muß. Es darf aber auch kein Zweifel bestehen, daß die materiellrechtliche Richtigkeit der Urteile und die Einhaltung des justizförmigen Weges gleichermaßen dastehen. Die Achtung vor der Menschenwürde — auch der des Kriminellen — und das Wissen um die Gefahren
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7546 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Weber
für die Wahrheitsfindung durch die Grenzen menschlicher Erkenntnis wirken gleichermaßen auf das Verfahren ein.Deswegen haben wir die Vorschläge der Opposition im Rechtsausschuß als rechtsstaatlich bedenklich und auch widersprüchlich abgelehnt, die Sie heute auch gar nicht mehr eingebracht haben: ein beschleunigtes Verfahren bei Demonstrationsdelikten anzuwenden, das Fragerecht zu beschneiden
— ja, so steht es drin; lesen Sie den Bericht; er ist doch von Ihnen mit abgezeichnet —
das Gehör einzuschränken oder Verfahrenseinstellungen nach § 153 a StPO im Bundeszentralregister zu erfassen. Keinen dieser Vorschläge haben Sie heute in Ihren Abänderungsanträgen wiederaufgenommen. Wir Sozialdemokraten wollen dagegen, daß Strafverfahren — vor allem die Großverfahren — in ihrem Ablauf vereinfacht und beschleunigt werden, um eine effektive Strafrechtspflege zu sichern und zugleich die Verbrechensbekämpfung zu verbessern. Wir wollen den Mißbrauch prozessualer Rechte zu verfahrensfremden Zwecken verhindern, ohne aber dabei die zentrale Aufgabe des Strafprozesses zu gefährden, auf justizförmigem Wege und in rechtsstaatlicher Weise ein der Wahrheit und Gerechtigkeit entsprechendes Urteil herbeizuführen.Die Novellierung des Strafverfahrensrechts wurde notwendig, weil die Verfahrensdauer länger geworden ist. Die Gründe für diese Zunahme liegen zum einen in der zunehmenden Zahl von schwierigen Strafverfahren, zum anderen aber auch darin, daß die Verfahrensbeteiligten ihre prozessualen Möglichkeiten in teilweise exzessiver und gelegentlich mißbräuchlicher Weise ausgenutzt haben. Dies zeigt sich beispielsweise in der Zunahme der Revisionsrügen beim Bundesgerichtshof von 1971 bis 1976 um 263 %.Die ursprünglich im Entwurf enthaltenen Vorschläge über den Mißbrauch von Verteidigerrechten sind bereits durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 erledigt. Die wünschenswerte Straffung, Beschleunigung und störungsfreie Durchführung des Verfahrens erreichen wir durch folgende Vorschläge: Von der Verfolgung einzelner Straftaten soll künftig abgesehen werden können, wenn diese von geringer Bedeutung für die Strafen sind, die für die übrigen Straftaten zu erwarten oder bereits verhängt worden sind.Diese Änderung wird für die Praxis auch deshalb von Bedeutung sein, weil die Möglichkeit einer Verfahrensbeschränkung nicht erst bei der Anklageerhebung oder gar erst in der Hauptverhandlung, sondern bereits im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegeben sein wird. Das ist eines der Kernstücke der Maßnahmen zur Stoffkonzentration. In Ihrem heute vorgelegten Änderungsantrag stellen Sie — im Gegensatz zum Regierungsentwurf, der klar herausstellt, daß bei der Einschätzung der Verfahrensdauer das Ermittlungs- und Hauptverfahren zugrunde zu legen ist — nur das Verfahren in den Vordergrund. Ob damit lediglich das Ermittlungsverfahren oder aber das gesamte Verfahren in erster und weiterer Instanz gemeint ist, bleibt undeutlich. Dies führt zu einer Rechtsunsicherheit.Die im Regierungsentwurf enthaltene Voraussetzung der Einstellung, nämlich die Einwirkung auf den Täter macht deutlich, daß spezial- und generalpräventive Gründe bei der Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft, ob von der Verfolgung einer Tat abzusehen ist, zu beachten sind. Die .von Ihnen vorgeschlagene Regelung stellt dagegen auf das öffentliche Interesse ab. Und das ist kein ausreichender für die Praxis geeigneter Anhaltspunkt.Wir sind dafür, die Verwendung von Tonaufnahmegeräten für Protokolle außerhalb der Hauptverhandlung einzuführen, ebenso wie die Verpflichtung des Zeugen zu rechtzeitiger Entschuldigung im Verhinderungsfall und die Befreiung einzelner Angeklagter von der Anwesenheitspflicht bei Verhandlungsabschnitten, die sie nicht betreffen.Dazu kommt, daß die Durchführung der Hauptverhandlung erleichtert und beschleunigt wird, indem Vorkehrungen gegen den Mißbrauch des Ablehnungsrechts zur Verfahrensverzögerung getroffen werden. Dieser Vorschlag geht im Kern dahin, daß das erkennende Gericht berechtigt sein soll, eine beschränkte Zeit weiterzuverhandeln, wenn ein Ablehnungsgesuch gestellt wird.Wir dürfen nicht hoffen, daß mit diesem Strafverfahrensänderungsgesetz zukünftig in kürzester Zeit die Strafverfahren abgewickelt werden können. Die Dauer des Verfahrens hängt vielmehr von der Natur des Verfahrens ab. Auch der deutsche Richter kann schnell verhandeln, wenn er einen im Tatbestand eindeutigen Sachverhalt vorliegen hat. Das hat das Verfahren Sonnenberg mit aller Deutlichkeit bewiesen.Dieser gleiche Beschleunigungsgedanke liegt der Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung zugrunde. Hier geht es darum, ein besseres Zusammenwirken zwischen Rechtsanwaltskammern und Staatsanwaltschaften zu erreichen, weil wir dem Eindruck entgegenwirken müssen, der in der Offentlichkeit — und die Anwaltskammern haben darüber heftig Klage geführt — entstanden ist, daß die Anwaltschaft nicht hinreichend und zügig gegen Berufsangehörige, die schwerster Pflichtverletzungen verdächtig sind, vorgehe. Um diesen Schwierigkeiten abzuhelfen, sollen den Rechtsanwaltskammern Einsichts- und Mitwirkungsrechte gewährt werden. Schließlich wird den Anwaltskammern ein Klageerzwingungs- und ein Antragserzwingungsverfahren eingeräumt.Der zweite große Gesetzesbereich, der zur Beratung ansteht, sind die Entwürfe der CDU/CSU-Fraktion zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7547
Dr. Weber
In diesem Bereich haben Sozialdemokraten alles geregelt,
was kriminalpolitisch notwendig und rechtspolitisch sinnvoll und vertretbar ist.
Das seit 25 Jahren geltende Versammlungsgesetz hat sich bewährt. Seine Grundwerte sind am Grundgesetz ausgerichtet und in die Praxis umgesetzt worden. Die Erfahrungen aus jüngster Zeit, insbesondere bei den großen Demonstrationen, haben aber gezeigt, daß verschiedentlich Störer diese Veranstaltungen zu unfriedlichen Handlungen umfunktioniert haben, diese von langer Hand vorgeplant und organisiert und auch schon vor der eigentlichen Demonstration vorbereitet haben, indem nämlich gefährliche Gegenstände zum Versammlungsort geschafft werden, um dann gegen Personen oder zur Überwindung von Objektschutzmaßnahmen eingesetzt zu werden.
Um solche Gewalttätigkeiten ungehindert und unerkannt begehen zu können, machen sich Versammlungsteilnehmer durch Masken oder ähnliches unerkennbar
und treffen Abwehrmaßnahmen gegen polizeiliches Einschreiten.
Deshalb wird im Versammlungsgesetz das allgemeine Verbot, Waffen im technischen Sinn bei öffentlichen Veranstaltungen mitzuführen, auf „sonstige Gegenstände" ausgedehnt. Das gilt auch für Versammlungen in geschlossenen Räumen.Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, mit Ihrem Änderungsantrag auf Drucksache 8/1888 kommt die CDU/CSU wiederum mit ihrem Lieblingsthema, nämlich der passiven Bewaffnung und Vermummung. Wir werden diesen Antrag ablehnen, weil er ordnungsrechtlich nicht durchsetzbar und polizeilich nicht sinnvoll ist. Das ist auch die Meinung der Polizeibehörden in unserem Land.
— Sie waren doch bei den Hearings dabei!Wir haben statt dessen vorgeschlagen und durch das erste Antiterrorgesetz auch gesetzlich geregelt, daß die Polizeibehörden einer Demonstration Auflagen erteilen können. Kommen die Verantwortlichen den Auflagen nicht nach, handelt man diesen also zuwider, besteht die Ermächtigung, die Versammlung aufzulösen und die Gegenstände einzuziehen. Das ist polizeitaktisch wesentlich flexibler.
Die weitere Forderung, meine Damen und Herren, einen § 23 neu einzufügen, hat der Innenausschuß — wiederum nach Sachverständigenanhörung — abgelehnt, weil diese Regelung polizeilich nicht durchsetzbar ist. Wir werden diesen Antrag auf der Drucksache 8/1888 deshalb ablehnen.Im übrigen ist die Einfügung eines § 23 auch gar nicht nötig. Vergleichen Sie einmal — jetzt komme ich auf Ihren Einwand zurück — die veröffentlichten Zahlen; Sie haben ja sicherlich auch die Mitteilung des Bundesministers des Innern bekommen: In Nordrhein-Westfalen hatten wir im Jahre 1968 836 Demonstrationen; davon verliefen 179 unfriedlich. Im Jahre 1977 dagegen hatten wir 927 Demonstrationen; davon verliefen nur 31 unfriedlich Aber weil ich weiß, daß Sie auf das christlich-demokratische Musterland Bayern zurückgehen wollen — meinetwegen —, sollen Sie die Zahlen von Bayern bekommen. In Bayern gab es 1968 193 Demonstrationen; davon waren 106 unfriedlich. Im Jahre 1969 — immer noch vor dieser Änderung des Demonstrationsrechts — gab es 253 Demonstrationen; davon waren 189 unfriedlich.So, jetzt kommen wir zum Jahre 1975. 1975 gab es in Bayern 195 Demonstrationen; davon waren 4 unfriedlich. 1976 gab es 187 Demonstrationen; davon waren 4 unfriedlich.
1977 gab es 222 Demonstrationen; davon waren 4 unfriedlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eyrich?
Bitte.Dr. Eyrich .: Herr Kollege Weber, welche Bedeutung messen Sie solchen Zahlen angesichts der doch auch sicher von Ihnen nicht zu bestreitenden Tatsache bei, daß wir in den letzten Jahren, u. a. in Kalkar und Grohnde, Demonstrationen gehabt haben, die zahlenmäßig zwar nur als zwei Demonstrationen anzusehen sind, die es aber der Intensität und der Masse der dort Versammelten entsprechend — gerechtfertigt erscheinen lassen, von, wie von allen Zeitungen berichtet worden ist, bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu sprechen,
und sind Sie nicht auch der Meinung, daß es schlicht und einfach unzulässig ist, hier Zahlen vorzulegen, mit denen bewiesen werden soll, daß die eine oder andere Demonstration weniger friedlich oder weniger unfriedlich verlaufen ist, ohne hinzuzusetzen,
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7548 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Eyrichdaß es Demonstrationen gegeben hat, die bürgerkriegsähnlichen Charakter angenommen haben?
Ich weiß, Herr Kollege Eyrich, daß Ihnen Zahlen immer nur dann passen, wenn sie für Sie angenehm sind.
— Ich komme zur Antwort.
— Erstens. Es steht mir frei, ob ich eine Frage überhaupt annehmen will. Zweitens. Überlassen Sie mir die Beantwortung einer Frage
und ihre Bewertung.
Wollen Sie denn die Demonstrationen von 1969 — Dutschke —, die ganzen Oster-Demonstrationen, die Ihrem damaligen Bundeskanzler Kiesinger fast das Rückgrat gebrochen hätten, als kleiner ansehen als die Demonstrationen von 1975, 1976 und 1977?
Abgelehnt, meine Damen und Herren, haben wir den Vorschlag der CDU/CSU, in § 15 des Versammlungsgesetzes eine polizeiliche Generalklausel einzuführen, weil dadurch der hohe Stellenwert und der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit, der durch die Verfassung gewährleistet ist, in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise eingeschränkt würden. Ein Einschreiten der Polizeibehörden ist vielmehr immer erst bei „unmittelbarer Gefahr" zulässig.Hinsichtlich der Terrorismusbekämpfung halten wir es — in Übereinstimmung mit den Polizeibehörden — für geboten, Änderungen im Paßwesen einzuführen und die Meldepflicht in Beherbergungsstätten zu regeln.
— Das haben wir doch mit diesem Gesetzentwurf, soweit es unsere Zuständigkeit erlaubt, getan, Sie müssen es nur lesen.
Das geltende Personalausweisrecht wird geändert, um den liberalisierten Bestimmungen im Reiseverkehr Rechnung zu tragen. Das, was bisher nur im Reisepaß möglich war, soll nunmehr auch im Personalausweis möglich sein, nämlich Vermerke über die Nichtausreisefähigkeit des Inhabers anzubringen.Das Fehlen einheitlicher Meldevorschriften für Beherbergungsstätten erleichtert es auch nach unserer Erkenntnis mobilen Straftätern, unerkannt Unterkunft zu finden und damit unterzutauchen. Da aber einheitliche Rechtsvorschriften in den Ländern nicht bestehen, soll durch eine rahmenrechtliche Regelung die Meldepflicht in Beherbergungsstätten geregelt werden.Ihr Änderungsantrag, den Sie heute auf der Drucksache 8/1879 vorlegen, enthält wiederum neue und von Ihrem bisherigen Gesetzentwurf abweichende Vorschläge. Sie fordern gesetzliche Änderungen zur Hotelmeldepflicht, verbunden mit einer Identitätskontrolle durch das Beherbergungsgewerbe. Sie fordern die Verpflichtung, ständig einen gültigen Personalausweis oder Reisepaß bei sich zu führen, wenn man die Gemeinde verläßt, und eine Nebenmeldepflicht für den Wohnungsinhaber. Ich frage: Wo endet denn die Gemeinde? Unterwegs haben Sie eine Autopanne, fahren zur nächsten Gemeinde; schon begehen Sie eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit.
Hierzu ist festzustellen, daß landesrechtliche Bestimmungen —
— Entschuldigung, ich halte mich an Ihren Gesetzentwurf. Da heißt es: Personalausweis oder Reisepaß. Da steht nichts von einem Führerschein als Ersatzausweismittel.
Sie müssen die Gesetze, die Sie in Ihrer Geschäftigkeit alle produzieren, wenigstens einmal überlesen. Dann werden Sie feststellen, wie oft Sie sich in Ihrer Gesetzeshysterie selbst strafbar machen bzw. gegen ordnungsrechtliche Vorschriften verstoßen.
Hierzu ist festzustellen — jetzt hören Sie einmal zu; Sie machen doch immer von Ihrer Bundesratsmehrheit Gebrauch —,
daß landesrechtliche Bestimmungen für eine Hotelmeldepflicht in allen Bundesländern bestehen. Alle Länder, bis auf Nordrhein-Westfalen, haben auch die Möglichkeit, die Identitätsprüfung der beherbergten Personen durch den Leiter der Beherbergungsstätte im Verordnungswege einzuführen. Die Länder müssen also nur, und zwar einheitlich, wollen.
— Die haben es. — Die an einer Hotelmeldepflichtinteressierten Sicherheitsexperten haben mehrfach
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7549
Dr. Weber
erklärt, daß es in erster Linie darauf ankomme, daß Hotelgäste handschriftlich einen Meldezettel ausfüllen. Bei den dann später zu prüfenden Anmeldungen kommt es den Sicherheitsbehörden vor allem auf die handschriftliche Ausfüllung an. Der Ausweis ist von untergeordneter Bedeutung, weil er gefälscht werden kann.Wir halten es deshalb für richtig, darauf hinzuwirken, daß die in den Ländern unterschiedlich geregelte und praktizierte Meldepflicht in Beherbungsstätten künftig einheitlich zu handhaben ist und ihre Regelungen einander anzupassen sind. Auch für die Nebenmeldepflicht gibt es bis auf Bayern und Hamburg landesrechtliche Regelungen, so daß sich eine Bundesregelung erübrigt. Wenn die Länder diese Nebenmeldepflicht für nötig halten, können sie sie einführen. Wir werden daher die Änderungsvorschläge auf Drucksache 8/1879 ablehnen; weil damit zu Unrecht dem Bund eine Verantwortung überlastet werden soll.Wir wollen den Ländern nicht den Schwarzen Peter zuschieben, wir wollen aber auch nicht etwaige Versäumnisse der Länder ausbügeln, sondern den Ländern die Möglichkeit lassen, in eigener Zuständigkeit diese Erfahrungen innerhalb von sechs Monaten auszuwerten und in eine bundeseinheitliche Regelung zu bringen. Deshalb ist es ungerechtfertigt, jetzt die Schuld an irgendwelchen unterbliebenen einheitlichen Vorschriften dem Bund in die Schuhe zu schieben, wenn in der Vergangenheit die von der CDU/CSU mehrheitsgeführten Länderregierungen keine Einigung erzielen konnten.Die CDU/CSU hat im Hinblick auf das materielle Strafrecht zahlreiche Änderungsvorschläge in den Beratungsgang eingebracht. Diese Vorschläge sind sämtlich nicht von der notwendigen abwägenden Vernunft getragen. Sie sind rechtspolitisch äußerst bedenklich, kriminalpolitisch unnötig und ohne jeden Effekt. Sie sind verfassungswidrig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen.
Aber wir Sozialdemokraten freuen uns ja über jeden bekehrten Sünder.
Es war der frühere, gerade über die Terroristenszene gestolperte Justizminister Bender, der auf einer Tagung der CDU-Mittelstandsvereinigung in Bad Herrenalb am 29. April 1978 ausgeführt hat — ich zitiere —:den Abbau der Wertvorstellungen nicht weiter voranzutreiben und den Blick für Verbesserungen des Strafvollzugs und bei der Resozialisierung durch den Terrorismus nicht trüben zu lassen.Die Opposition verzichtet in ihrem Änderungsantrag auf Drucksache 8/1888 auf insgesamt 17 Änderungsvorschläge zum Strafgesetzbuch. Insgesamt hatte die Opposition dem Rechtsausschuß 42 Änderungen des Strafgesetzbuchs vorgeschlagen.
Ihr Änderungsantrag enthält also — das ist eine erfreuliche Feststellung — nur noch 26 Änderungsvorschläge.
Es ist festzustellen, daß die Opposition mehr als ein Drittel ihrer Änderungsvorschläge zum Strafgesetzbuch aus eigener Erkenntnis aufgegeben hat. Sie beginnt einzusehen, daß eine freiheitsverkürzende Paragraphenflut nicht die optimale Lösung in der Frage der Terrorismusbekämpfung darstellt.
Ihr Verhalten zeigt ferner, daß die Opposition leichtfertig zunächst einmal ein Übermaß von Abänderungsvorschlägen unterbreitet, um so in der öffentlichen Meinung „Dampf" machen zu können, um dann mühsam zu versuchen, von den unausgegorenen Vorschlägen wieder herunterzukommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden heute zwei Entschließungen des Europäischen Parlaments zum Terrorismus zustimmend zur Kenntnis nehmen. Diese Entschließungen machen deutlich, daß man innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, aber nicht nur hier, auch im Kreis der Europaratsstaaten und darüber hinaus die Gefahr des Terrorismus voll erkannt hat.Ich stelle dies an den Anfang meiner Ausführungen, weil bei allen Mängeln, Herr Kollege Spranger, die hier ganz sicherlich nicht in Abrede gestellt werden können, viele Erfolge bei der Bekämpfung des Terrorismus in der letzten Zeit
nur möglich waren durch den verstärkten Willen zur internationalen Kooperation.
Die Fahndungserfolge zeigen, daß sie vor allem durch neue Fahndungsmethoden errungen werden konnten, durch eine ständig verbesserte Kriminaltechnik und dann durch den Willen zur internationalen Zusammenarbeit, wie ja auch umgekehrt — das können wir nicht übersehen — das, was an Pannen und an schweren Rückschlägen bei der Bekämpfung des Terrorismus uns heimgesucht hat, nicht die fehlenden Gesetze sind, sondern mangelnde Koordination in organisatorischen Bereichen,
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7550 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Engelhardeine in mehreren Fällen deutlich gewordene mangelnde Sicherung in den Haftanstalten.
Die Herausforderung zu laufenden Verbesserungen und zur Abstellung von Mängeln liegt also vor allem und zunächst einmal im tatsächlichen und weniger im rechtlichen Bereich.Von dieser Grunderkenntnis sind wir bei den Beratungen im Rechtsausschuß ausgegangen.
Unsere Maxime war, alles zu tun, was notwendig ist, aber auch nicht weiterzugehen und nicht ständig weiter an der Gesetzesschraube zu drehen, was zwar möglich ist, was wir aber in weiten Bereichen nicht für unbedingt nützlich halten. Ich warne auch davor, und nun gar nicht in dem Ton, daß ich vesuche, so zu antworten, wie es uns häufig entgegenschallt. Nein, Herr Kollege Erhard,
wir sollten die Dinge auch einmal unter dem Gesichtspunkt sehen, daß die Erwartungen in der Bevölkerung nicht durch Vorschläge und neue Gesetze übersteigert werden dürfen. Denn es könnte der Umstand eintreten, daß dies als Vorspiegelung falscher Tatsachen empfunden würde, daß eine Erwartungshaltung geweckt würde, indem man glaubt, nun sämtliche Probleme einfach dadurch bewältigt zu haben, daß man bloß ungeheure Aktivität auf diesem Gebiet entwickelt. Darum kann es doch nicht gehen.Andererseits wird der Gesetzgeber punktuell immer wieder gefordert sein. Das gilt etwa im Bereich des Strafverfahrensrechts, zu dem uns jetzt umfangreiche Vorschläge vorliegen. Es geht dabei um Großverfahren im Strafprozeß schlechthin, insbesondere aber um Verfahren, die terroristische Gewalttaten zum Gegenstand haben. Wir wissen doch alle, daß in der Öffentlichkeit weithin Unverständnis herrscht, warum die Ermittlungen so lange dauern, warum sich die Hauptverhandlung über Monate, ja, über Jahre hinzieht. Es ist sicherlich unsere Aufgabe, bei Laien dafür etwa Verständnis zu wecken, deutlich zu machen, daß dies nicht der durchschnittliche Prozeß ist, daß hier mosaikartig Steinchen für Steinchen von den ermittelnden Behörden zusammengetragen werden muß, um die Überführung der Täter zu ermöglichen. Aber dieses Werben um Verständnis reicht natürlich nicht. Ich behaupte, mit jedem Monat, um den wir die Zeitspanne zwischen der Ergreifung eines Täters und seiner Aburteilung verkürzen können, wird unendlich viel für das Bewußtsein in breiten Bevölkerungsschichten unseres Landes getan, daß sich Gerechtigkeit auch tatsächlich verwirklicht. Deswegen sind die Änderungen, die uns hier zur Verabschiedung vorliegen, so wichtig. Sie dienen diesem Ziel. In der Form, in der sie vorgelegt worden sind, beseitigen sie in keinem Punkt die klaren und verbrieften Rechtsgarantien eines fairen Strafprozesses.Ich will in diesem Zusammenhang ganz kurz auf eine weitere Frage eingehen. Alle wünschen eine intakte Anwaltschaft, eine Anwaltschaft, die sich bei Ausübung ihres Berufes an den Gesetzen, aber auch am Standesrecht orientiert Dann wird man allerdings diese Anwaltschaft auch in den Stand setzen müssen, ihren Beitrag dazu zu leisten, ihre eigenen Reihen sauber zu erhalten.
Hier ist es in der Vergangenheit zu beträchtlichen Mißhelligkeiten gekommen — wir kennen das: die Staatsanwaltschaft als die bisher allein legitimierte Verfolgungsbehörde —, wobei allerdings Verzögerungen dann moralisch der Anwaltschaft angelastet wurden. Hier ist insbesondere meine Fraktion in Zusammenarbeit mit anderen Kollegen initiativ geworden. Ich darf ausdrücklich unseren Kollegen Kleinert erwähnen, der sich besonders dieses Problems angenommen hat. Was uns zur Verabschiedung vorliegt, daß erstmals der Vorstand der Rechtsanwaltkammer Akteneinsicht bekommt, daß künftig eine gegenseitige Unterrichtungspflicht besteht, daß die Anwaltschaft die Möglichkeit haben wird, dort, wo Verfahren verzögert werden, ein Klageerzwingungsverfahren einzuleiten, um das Verfahren zu beschleunigen, ist in der doppelgleisigen Anlage, wie die Ermittlungsverfahren nun laufen können, meines Erachtens ein wichtiger Punkt.Es ist von Herrn Justizminister Palm heute die Frage der Zwangsernährung eingangs dieser Debatte angesprochen worden.
Wir haben diese Frage im Rechtsausschuß sehr eingehend beraten und haben die Vorschläge der Opposition abgelehnt.
Ich räume ein: Dies ist ein sehr schwieriges Problem.
Die Lösung .dieses Problems wird aber nicht dadurch einfacher, daß man glaubt, ohne neue Erkenntnisse nach den doch umfangreichen, sich über einen langen Zeitraum hinziehenden, unter Einschaltung aller möglichen Experten abgehaltenen Beratungen des seinerzeitigen Strafrechtssonderausschusses das damals mit den Stimmen aller Fraktionen gewonnene Ergebnis einfach wegwischen und wieder ganz von vorne beginnen zu können.Der Bundesrat hat jetzt einen ähnlichen Vorschlag vorgelegt. Nach den Beratungen im Rechtsausschuß ist dieser an sich inhaltlich erledigt. Wir sind aber selbstverständlich dafür, daß dies erneut dem Rechtsausschuß überwiesen wird, damit wir uns die Dinge dort nochmals durch den Kopf gehen lassen. Nur wurde bisher nichts vorgelegt, was in einer überzeugenden Weise klargemacht hätte, daß das, was so eingehend und von allen Fraktionen getragen vor nicht so langer Zeit verabschiedet wurde,
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7551
Engelhardnun eine schlechte Lösung sei und ersetzt werden müsse.Wir haben im Rechtsausschuß Änderungen zum Versammlungsgesetz, zum Personalausweisgesetz und zur Meldepflicht in Beherbergungsstätten vorgenommen. Gerade in diesen Bestimmungen wird deutlich, wie man punktuell Schwachstellen, die deutlich werden und wo wäre dies nicht hier und da einmal der Fall? —, auffüllen muß, die notwendigen gesetzlichen Änderungen vornehmen und sich dabei immer hüten sollte, nun zu meinen, mit einem Rundumschlag müsse alles verändert werden.
Wir gewinnen neue Erkenntnisse
bei der Fahndung, bei der Bekämpfung des Terrorismus wie der allgemeinen Kriminalität, insbesondere der Gewaltkriminalität in ihren vielen Erscheinungsformen. Uns treten auch etwa bei den Massendemonstrationen ungeahnten Ausmaßes, wie wir sie erlebt haben, Erscheinungsformen der Gewalt entgegen, die eine Herausforderung sind und eine entsprechende Antwort verlangen.
Darauf haben wir zu reagieren versucht.
Wer das Grundecht der Versammlungsfreiheit in der ganzen Breite unserer Bevölkerung als einen hohen Wert lebendig erhalten will, der wird natürlich gleichzeitig dafür sorgen müssen, daß immer auch deutlich bleibt, daß unsere Verfassung vom Recht, sich friedlich und ohne Waffen, zu versammeln, spricht. Unser Bemühen bei den Beratungen war, das in das Versammlungsgesetz zu übersetzen. Wir haben jetzt ein erweitertes Waffenverbot.Nachdem es üblich geworden ist, bei Demonstrationen nicht mehr mit seinem Gesicht zu werben, sondern seine Züge unkenntlich zu machen, unter dem Schutz der Anonymität an Ausschreitungen teilzunehmen und in der Ausstattung, bei der Bekleidung seine Kampfbereitschaft schon nach außen deutlich zu machen, nachdem dies leider, wenn auch nicht bei der Mehrzahl der Demonstranten, sondern bei einem kleinen, aber nicht unerheblichen Teil deutlich geworden ist, haben wir nun vorgesehen, daß auch hier von der Behörde entsprechende Auflagen gemacht werden können.Es ist vorher schon darüber gesprochen worden, ob es vielleicht klug gewesen wäre, der Opposition zu folgen und ein Verbot von Vermummung und passiver Bewaffnung vorzusehen mit einer enumerativen Aufzählung, was dort alles verboten sei. Sie wissen selbst, daß dies nicht möglich ist. Die noch so angespannte Phantasie kann die Vielzahl der Möglichkeiten nicht ermessen, und jeden Moment das Gesetz erneut zur Novellierung vorzulegen, das wäre ganz sicherlich untunlich. Hier den Weg zugehen, der zuständigen Behörde, ausgerichtet an den Gegebenheiten des Einzelfalles, die Möglichkeit zu geben, Auflagen zu machen, ist ganz sicherlich der richtige Weg.Wenn wir die Möglichkeit der Einziehung von Gegenständen vorsehen, die zwar bisher auch schon weggenommen und zunächst sichergestellt werden konnten, dann aber zurückgegeben werden mußten, so wird klar, daß auch hier die Entschlossenheit vorhanden ist, alles zu tun, um dafür Sorge zu tragen, daß Versammlungen und Demonstrationen wieder durchgängig zu dem werden, was sie sein sollten, nämlich eine Meinungsäußerung der Bürger durch Handeln, ein Deutlichmachen einer Einstellung für etwas oder gegen etwas, aber keine Krawallveranstaltungen, die, wo die Grenzen des Gesetzes überschritten werden, von uns nicht geduldet werden können.Ein besonders wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Kriminalität und insbesondere des Terrorismus ist der eigenhändig ausgefüllte Meldezettel in Hotels und anderen Beherbungsstätten. Wir kennen die Fälle, wo allein durch diesen Zettel — von einem Terroristen mit falschem Namen und möglicherweise verstellter Schrift, selbstverständlich ausgeführt —
Festnahmen erfolgen konnten oder der Nachweis der Beteiligung an einer Straftat geführt werden konnte.Nun sind in der Offentlichkeit auch Bedenken gegen diese Hotelmeldepflicht laut geworden. Es ist gesagt worden, sie sei nicht nur lästig, sondern schränke den Freiheitsraum des einzelnen ein. Ich halte diese Sorgen — ich will es an dieser Stelle auch ganz klar sagen — für völlig unbegründet; denn wir haben in allen Bundesländer schon heute die Meldepflicht. Vorschläge, diese etwa abzuschaffen, sind mir nicht bekannt. Aber nur in sechs Ländern haben wir den Meldezettel, dessen die Kriminalpolizei für ihre Arbeit bedarf. In den anderen Ländern haben wir das Gästebuch. Wenn es auch die Damen und Herren der Opposition nicht so gerne hören: Wir haben die Identitätsprüfungspflicht des Gastwirts abgelehnt, weil wir uns davon nichts versprechen. Dabei kommt nichts heraus. Ich muß aber darauf hinweisen, daß wir in jenen Ländern, die das Gästebuch haben, das vom Hotelier zu führen ist, in das sich der Gast nicht eigenhändig einzuschreiben hat, häufig qua Praxis eine gewisse Identitätsprüfungspflicht haben; denn bei jedem schwierigen Familiennamen wird weniger buchstabiert, sondern entweder — was der günstigere Fall für die Polizei wäre — wird dem Gast gleich das Buch hingeschoben, damit er sich selbst einträgt, wozu er aber rechtlich nicht verpflichtet ist, oder der Gast übergibt seine Personalpapiere, um dem Hotelier die mühelose Eintragung zu ermöglichen. Ich glaube, daß wir mit der Regelung, die überall die Benutzung von Meldezetteln vorschreibt, einen wesentlichen Dienst für gezielte Fahndungsmaßnahmen leisten.Wir haben Änderungen beim Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vorgenommen. Es war notwendig, einige neue Ein-
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7552 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Engelhardgriffstatbestände vorzusehen. Von besonderer Bedeutung ist nach meiner Meinung die nun im Gesetz verankerte Verpflichtung, dem Betroffenen nach Beendigung von Maßnahmen Mitteilung zu machen, wenn dadurch die Gefährdung des Zwecks, der die Maßnahme ausgelöst hat, nicht zu befürchten ist. Auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1970 wird diese Übung seit langem praktiziert. Aber ich darf darauf verweisen, daß es erst der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedurfte, um eine alte Forderung der FDP durchzusetzen, die hier schon immer in Korrektur der Notstandsverfassung, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend, eine solche Regelung wollte, sich aber zu Zeiten der Großen Koalition nicht durchsetzen konnte.
Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen der Opposition bei den Beratungen im Rechtsausschuß abgelehnt. Wir konnten uns ganz einfach nicht davon überzeugen, daß all dies einerseits notwendig und zum anderen nützlich sei.
— Nein, Herr Kollege.
Das Eingehende der Beratungen und das Bemühen, nicht nur pro forma über die Dinge zu sprechen, hat Ihnen täglich verdeutlicht, daß hier eine von vornherein fixierte Meinung zu den einzelnen Punkten nicht bestanden hat.
— Herr Kollege, ich glaube, wir sollten uns vor der naiven Auffassung hüten, daß nicht Vorberatungen in den einzelnen Fraktionen stattfinden. Solche pflegen Sie gleichfalls.Wir konnten uns nicht davon überzeugen, daß dies notwendig und gleichzeitig nützlich sei, und deswegen haben wir es abgelehnt. Man mußte bei der Fülle der Vorschläge und nach der Art dieser Vorschläge den Eindruck gewinnen, daß zum Teil Pläne realisiert werden sollten, die nicht bis ins letzte durchdacht waren. Es kann auch nicht richtig sein, Gesetze zu verabschieden, die sich mehr als eine Drohgebärde denn als eine für die Praxis wirksame Maßnahme darstellen. Es muß davor gewarnt werden, an unserem materiellen Strafrecht ständig dort herumzubasteln, wo dies nicht zwingend notwendig ist. Dieses Strafrecht ist nun einmal kein Experimentierfeld, und es ist keine Sache, die man in ein Versuchslabor eingeben kann, um dort allerlei Experimente und Versuche anzustellen.
Wir sind der Meinung, daß wir der Praxis geben müssen, was diese Praxis benötigt, aber daß wir auch nicht mehr tun sollten, und darum haben wir uns bei den Beratungen im Rechtsausschuß bemüht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann .
Herr Präsident, was der Gesamtheit der Berichterstatter passiert, nämlich etwas zu übersehen, ist leider auch bei dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion geschehen. Wir haben durch ein Schreibversehen eine Nummer unseres Antrags vergessen. Der Herr Kollege Weber kann sich beruhigen: Es fehlen dann nur noch 25 Anträge. Ich habe es selber nicht nachgezählt. Ich darf das vielleicht übergehen, Herr Präsident.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Kollege Weber hat hier den Eindruck erweckt, als wollte er durch lautes Rufen sein schlechtes Gewissen beschwichtigen, das er bei dem wohl haben muß, was er zu dem ausgeführt hat, was jetzt, gesteuert von den SPD- und FDP-Linken, herausgekommen ist. Was Sie hier mit Ihrer Mehrheit jetzt in den nächsten Stunden verabschieden werden, wird wieder eine Täuschung unserer Bevölkerung und vielleicht eine Enttäuschung der Menschen werden. Vorsorglich hat der Bundeskanzler schon in der vergangenen Woche erklärt, daß man keine Gesetze brauche, daß er sich gegen uferlose neue Gesetzgebung wehre und daß er gegen Basteleien sei.
Nun, was Sie hier von den Gesetzentwürfen übriggelassen haben — sehen wir einmal von dem Gesetzentwurf zum Strafverfahrensrecht ab —, ist nichts weiter als eine Anstandskosmetik beim Versammlungsrecht, der schwarze Peter für die Länder im Melderecht, weil Sie es — geben Sie es doch zu! — in Ihrer Fraktion nicht durchgebracht haben. Dann mußte sich das Kabinett danach richten. Das und nichts anderes ist doch die lautere Wahrheit.
Bei den Personalausweisen ist es, so muß ich Ihnen sagen, das gleiche. Jeder Deutsche ist bereit, irgendeinem Portier in der Welt seinen Personalausweis vorzulegen, ihn also auch mitzuführen. Das gab es ja schon einmal, und da habe ich nicht gehört, daß das rechtsstaatswidrig gewesen wäre.
Im ganzen muß man, glaube ich, sagen: Die Koalition hat versucht, das Gesicht zu wahren,
genau wie bei dem Vorab-Gesetz, das damals — wieder zur Täuschung der Offentlichkeit — „AntiTerror-Paket" genannt wurde.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich?
Bitte, gern.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7553
Es wird auf die Redezeit angerechnet. — Bitte.
Sind Sie der Meinung, daß jeder Portier in der Welt in der Lage ist, die Identität seiner Gäste zu überprüfen, so wie Sie das fordern?
Herr Kollege Emmerlich, ich danke Ihnen für die liebenswürdige Frage, denn sie gibt mir Gelegenheit, zu sagen, daß es für jemanden eine größere Hemmschwelle ist, irgendwo hineinzugehen und zu übernachten, wenn er den Paß vorlegen muß, der möglicherweise gefälscht ist. Das muß man ja auch sehen.
Wie sind denn die Teroristen teilweise im Ausland — nicht bei uns — gefangen worden? Auch über die Hotelmeldepflicht mit Ausweisvorlage. Lassen Sie sich das vielleicht einmal sagen.
Meine Damen und Herren, daß die Gesetze vom Februar dieses Jahres ein Schlag ins Wasser waren, zeigt folgendes Beispiel. Die Neuregelung der Kontrollstellen sollte sich jetzt als Hindernis für die Bekämpfung des Terrorismus herausstellen. Am 11. Mai 1978 wurde der Terrorist Wisniewski in Paris festgenommen und am gleichen Tag nach Deutschland überstellt. In seinem Besitz befand sich eine Kopie eines fünfseitigen Zellenzirkulars, in dem Hinweise auf Anschläge auf Justizvollzugsanstalten enthalten waren. Dies wurde den Landeskriminalämtern am 12. Mai 1978 mitgeteilt, aber erst am 25. Mai
— ich bitte, die Daten zu beachten — hat das Bundeskriminalamt die Landeskriminalämter von dem Beschluß des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 24. Mai in Kenntnis setzen können, daß Kontrollstellen zum Schutze der Justizvollzugsanstalten und zur Fahndung nach den Tätern eingerichtet werden können. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der jetzige Rechtszustand. Hinzu kam dann noch, daß das Bundeskriminalamt den Landeskriminalämtern die Bitte vorgetragen hat, noch auf Einzelweisungen zu warten. Das war am 26. Mai. Am 27. Mai ist der Terrorist Till Meyer aus Moabit befreit worden. Das ist das Ergebnis eines Gesetzes, das mit Ihrer Mehrheit verabschiedet worden ist: also wieder eine Täuschung der Bevölkerung.
— Lassen Sie sich die Vorgänge einmal vorlegen; dann werden Sie es merken. — Die von Ihnen nicht allgemein gewollten, aber von Ihren Linken bestimmten Gesetze lähmen in Wirklichkeit ,die Terrorbekämpfung.
— Herr Kollege Emmerlich, gehen Sie ruhig darauf ein.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler ist gegen uferlose Gesetzgebung und ewige Basteleien.
Ich glaube, er sollte sich auch einmal gegen den Pfusch wenden, der mit Ihrer Mehrheit dann hier im Bundestag verabschiedet wird.
— Ja, vermutlich kümmert er sich gar nicht darum.
— Das, was Sie hier machen, ist Pfusch!
Herr Abgeordneter, es gibt sicher andere Ausdrücke, auch für nach Ihrer Meinung nicht ausreichende Maßnahmen.
Ja, Herr Präsident, ich würde es umformulieren und sagen: Das Gesetz ist ungeeignet, dem Zwecke des Gesetzes zu dienen.
Meine Damen und Herren, von „Gesetzesflut" und von „ewig neuen Basteleien" wird immer gesprochen, wenn es um Terrorbekämpfung geht. Aber wenn Sie jetzt das Ehe- und Familienrecht, das erst am 1. Juli 1977 neu in Kraft getreten ist, im Zusammenhang mit der Relativierung des Elternrechts bei der elterlichen Sorge wieder ändern wollen, ist von „Gesetzesflut" und von „ewig neuen Basteleien" nicht die Rede. Was Ihrer Ideologie dient, kann jederzeit durchgesetzt werden, ohne Bastelei und Gesetzesflut zu sein, was aber bei der Gewaltkriminalitätsbekämpfung den Menschen dient, offenbar nicht.
— Ach, Herr Lambinus, wenn Sie im Rechtsausschuß so wortgewandt gewesen wären, dann wäre es vielleicht manchmal hilfreicher gewesen.
Meine Damen und Herren, am 20. Oktober 1977 hat der Bundeskanzler erklärt — ich zitiere, Herr Präsident —:Allerdings würde ich es begrüßen, wenn der schon eingeleitete Versuch, einzelne Vorschläge zur besseren Bekämpfung des Terrorismus nach sorgfältiger Prüfung in einer gemeinsamen Gesetzesinitiative der drei Fraktionen zusammenzufassen, fortgesetzt und zu einem konstruktiven Ende geführt würde.Von einem konstruktiven Ende kann man hier weiß Gott nicht sprechen.Was war der Bemerkung des Bundeskanzlers vorausgegangen? Ein Brief der Minister Maihofer und Vogel an die Fraktionen des Inhalts, sie hätten den Auftrag der Bundesregierung, mit den Fraktionen in eine Erörterung der bisher gemachten Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus und der Gewaltkriminalität einzutreten, nachdem der erste Gesetzentwurf der CDU/CSU bereits seit April 1977 vorlag.
Dr. Wittmann
Das war im Höhepunkt der Entführung Hanns Martin Schleyers. Die verschiedensten Vorschläge zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität umfaßten in einer Vorlage der beiden Minister 23 Hauptpunkte mit vielen Einzelvorschlägen, — in der Tat lohnend, eine gemeinsame Initiative zu entfalten. Die beiden Minister haben in Vierergesprächen mit dem Kollegen Dr. Eyrich und mir den Eindruck erweckt, als wollten sie einen Großteil der Vorschläge — wir haben nicht erwartet, daß sich das auf alle Vorschläge bezieht —, ernsthaft prüfen. Ich glaube ihnen die ehrliche Absicht. Aber bereits in der gemeinsamen Sitzung des Innen- und des Rechtsausschusses am 26. Oktober 1977 hat sich das Bild geändert. Die Minister waren wieder mit den Ihren konfrontiert, sprich: mit den Linken ihrer Fraktion. Sie trauten sich nicht mehr — das werden wir noch öfter haben — und kündigten eigene Initiativen an, auf die wir heute zum größten Teil noch warten.
— Das kommt noch so oft, bis Sie vielleicht von links wegrücken, Herr Heyenn. Vielleicht wird es Ihnen dann lästig.Was soll denn das Gerede von den ewigen Basteleien, meine Damen und Herren? Warum war denn das Kontaktsperregesetz nötig? Es war doch erforderlich, weil just jener Justizsenator Baumann, dem im liberalen Strafvollzug die Terroristen herausgeholt werden, damals die Kontaktsperre nicht konsequent durchgeführt hat. CDU und CSU waren damals gut genug, Ihnen zu diesem notwendigen Gesetz zu verhelfen.Sie setzen sich auch in Widerspruch mit sich selbst: Einmal lehnen Sie einzelne Gesetze gegen Terroristen ab. Legt man aber allgemeine Gesetze vor, so heißt es, allgemeine Veränderungen des Strafrechts brauche man nicht, das sei nicht nötig, man müsse ja die Terroristen bekämpfen.In der Tat müssen wir leider sehen, daß die Gewaltdelikte allgemein erschreckend zugenommen haben. Das ist der wesentliche Grund auch unserer Gesetzesvorschläge, die auch die terroristischen Nachahmungstäter treffen sollen.Meine Damen und Herren, bei erpresserischem Menschenraub gab es 1974 16, 1975 21, 1976 32 Fälle. Es gab also in zwei Jahren eine Verdoppelung. Den Unwissenden wird diese geringe Zahl wahrscheinlich nicht beeindrucken angesichts der anderen Zahlen bei Diebstahl usw., die in die Abertausende gehen. Aber die grausamen Umstände solcher Straftaten, glaube ich, sind entscheidend.Andererseits muß man auch sehen, daß Grausamkeiten in diesem Bereich immer mehr zunehmen, aber die Verurteilung weit zurückbleiben. Zum Beispiel gab es bei der Geiselnahme 1975 13 und 1976 19 Fälle. Vorher war diese Straftat statistisch nicht erfaßt. Bei 16 Verurteilungen wurden 3 Strafen mit über fünf Jahren ausgesprochen, bei 6 Verurteilungen Strafen mit zwei bis fünf Jahren, bei 7 Verurteilungen Strafen mit zwei Jahren. Bei 16 Verurteilungen wegen Aussetzung, ebenfalls eines grausamen Delikts, gab es nur 1 Freiheitsstrafe über zwei Jahre, 10 Strafen unter zwei Jahren und fünfmal nur Geldstrafe. Das sind nur einige Beispiele. Ich glaube, daß die Veränderung des Strafrahmens den Unrechtsgehalt der Delikte signalisieren und die Gerichte ermutigen soll, den Strafrahmen differenzierter anzuwenden.Die Freiheit der Menschen, Unversehrtheit und Leben sind Rechtsgüter, die auch von der Strafdrohung her geschützt werden müssen. Auch die besondere Brutalität der Begehung muß berücksichtigt werden. Die Rechtssprechung muß durch den Gesetzgeber ermutigt werden, hier zu differenzieren. Friedrich Karl Fromme schreibt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 21. September 1977 — ich darf zitieren —:Das Strafrecht bewirkt zweierlei. Es kann abschrecken, und es enthält die Bekundung des Willens der Gemeinschaft, bestimmte störende oder schädliche oder inhumane Verhaltensweisen einzelner nicht zuzulassen. Hier tritt der Gesichtspunkt in den Vordergrund, ob der Staat nicht gut daran tue, nach einer äußersten Provokation, wie er sie jetzt wieder erlebt hat, sich als eine Einrichtung zu beweisen, die sich nicht zaghaft immer weiter zurückzieht, sondern die vielmehr, fordert es der Anlaß, ihren Strafanspruch auch zu erhöhen vermag.Immer wieder wird auf die mangelnde Abschrekkungswirkung von Strafen hingewiesen. Neben Terroristen, die sich sicher wenig abschrecken lassen, gibt es ja inzwischen die Nachahmungstäter. Die Bundesregierung ließ vor dem Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe erklären — ich zitiere —:Straftaten, die wegen der Prävention nicht begangen wurden, können nicht gezählt werden.Wenn dies also offen ist, muß bis zum absoluten Beweis des Gegenteils das Mittel der höheren Strafe um der Sicherung der Menschen willen auch als Abschreckung angenommen werden.
Der Deutsche Richterbund hat dazu erklärt:Das Präsidium des Deutschen Richterbundes ist der Auffassung, daß härtere Strafen ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der modernen Gewaltkriminalität sein können.
— Herr Lambinus, Sie werden noch heiser. Das Bier beim Bundesjustizminister schmeckt Ihnen dann nicht mehr, wenn Sie heiser sind.
— Ich habe ihn gar nicht verstanden, weil er nur so dahergeredet hat.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7555
Dr. Wittmann
Die Strafe und die Sicherungsverwahrung dienen gleichermaßen zum Schutze der Menschen. Besonders gefährliche Täter sind für die Allgemeinheit nicht erst gefährlich, wenn sie drei Straftaten begangen haben. Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir der Meinung, daß die Sicherungsverwahrung in bestimmten Fällen auch nach Erstverurteilung, wie es in unseren Anträgen steht, gerechtfertigt erscheint.Unsere Vorschläge sollen auch diejenigen schützen, die ihr Leben für die Sicherheit der Menschen aufs Spiel setzen, nämlich unsere Polizeibeamten. Dazu dienen unsere Vorschläge gegen Gewaltdemonstrationen. Herr Kollege Weber, ich glaube, die Zahl der Demonstrationen war wirklich von Ihnen nur so dahergeredet. Sie wissen ganz genau, daß die Gewalttätigkeit zugenommen hat und daß es nicht mehr möglich ist, gewalttätige Demonstranten zu fassen, wenn wir nicht den alten Tatbestand des Landfriedensbruchs wieder einführen, weil sie von einer kriminell sympathisierenden Menge eingemauert werden, die sich aber im formellen Sinne nicht strafbar macht, so daß der Polizei hier die Hände gebunden sind. Wir wollen eben mit unseren Vorschlägen nicht alles auf dem Rücken der Polizei und der Behörden austragen, die erst mit Auflagen operieren müssen, die ihnen dann vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden, um dann in letzter Minute vielleicht aufgehoben zu werden, oder, wenn dann die Entscheidung ergeht, nicht mehr durchgesetzt werden können. Wir wollen dieses Risiko und diese Unzumutbarkeit von Behörden und Polizei wegnehmen, weil wir meinen, daß hier der Gesetzgeber die Verantwortung trägt.
Meine Damen und Herren, die Koalition bringt einige Regelungen im Ausweisrecht, im Melderecht. Das sind nur Halbheiten. Sie zeigen im Grunde Ihre Unfähigkeit zur rechtsstaatlichen Gesetzgebung. Unsere Bevölkerung wird nicht durch wirksame Strafgesetze gegen einige wenige Täter, die gefährlich sind, sondern eben durch frei herumlaufende und milde bestrafte Gewalttäter bedroht. Unsere Bevölkerung — Sie wollten das, Herr Kollege Weber, sicherlich nicht im Ernst behaupten — fühlt sich nicht durch Strafgesetze bedroht, denn Sie müßten ja sonst die Behauptung wagen, daß die meisten unserer Bürger straffällig sein könnten.
Meine Damen und Herren, SPD und FDP beweisen ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat, wenn sie dies nicht sehen.
Ich stimme dem zu, was Johann Georg Reißmüller in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt. Damit ist Ihr Wurst-Beipiel, Herr Kollege Weber, wie ich glaube, hinreichend widerlegt, weil Sie nur das eine Ende der Wurst sehen und nicht auch das andere. Ich zitiere:Die Rechtsstaatlichkeit wird ausgegeben als einBündel von Garantien, die den Friedensstörer,den überführten Verbrecher und den im Verdacht des Verbrechens Stehenden schützen, dem Staat das Zugreifen verbieten. Das soll alles sein. Unterschlagen wird,— jetzt hören Sie gut zu —daß die Rechtsstaatlichkeit dem Staat auch gebietet, Leben und Freiheit seiner Bürger vor dem Verbrechen zu schützen. Ein Staat, der sich nur an eine Hälfte des Gebots der Rechtsstaatlichkeit hält,— diesen Eindruck erwecken Sie —die andere aber mißachtet, ist Rechtsstaat im gleichen Sinne, wie ein in der Mitte quer durchschnittenes Pferd noch ein Pferd ist: Ein solcher Staat ist kein Rechtsstaat.So Reißmüller in der „Frankfurter Allgemeinen".Noch haben wir es im Parlament in der Hand, diesen Rechtsstaat zu wahren. Noch können wir das Vertrauen in ihn erhalten. Schlimm wird es aber, wenn nur das Minimalste für eine Schau getan wird. SPD und FDP könnten ihr Rechtsstaatsverständnis jetzt beweisen, wenn sie unseren Anträgen zustimmten
und nicht wieder etwas täten, was jene in der SPD-Fraktion bestimmen, die den Rechtsstaat nicht ernsthaft meinen. Das sind Gott sei Dank nur einige wenige. Ich hoffe, Sie werden diese eines Tages überzeugen. Hoffentlich wird diese Überzeugung nicht erst durch neue Gewalttaten herbeigeführt, so wie jedes Handeln von Ihnen erst nach Ereignissen kommt, durch die unser Volk in höchstem Maße verunsichert wird. Wir wollen die Sicherheit des Volkes und nicht die Sicherheit der Rechtsbrecher. Denn auf das Volk, auf die freien Menschen sind wir alle mehr oder weniger durch unsere Wahl vereidigt. Ihnen haben wir in erster Linie zu dienen. Das erwarten sie von uns.
Das Wort hat der Abgeordnete Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wittmann hat das im Frühjahr dieses Jahres verabschiedete Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung in ein ursächliches Verhältnis mit der Befreiung eines des Terrorismus Beschuldigten in Berlin gebracht. Er reiht sich damit würdig hinter die Aussage des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht ein, der das Entstehen des Terrorismus in einen ursächlichen Zusammenhang mit der sozialliberalen Koalition gebracht hat. Ich stelle das hier nur fest.Diese Äußerung und auch die über das gestörte Verhältnis der SPD zum Rechtsstaat sind es nicht wert, daß man sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzt.
Niemand von Ihnen, den ich kenne und schätze,wird das von mir erwarten. Herr Kollege Wittmann,
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7556 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. EmmerlichSie haben kein Verhältnis zu politischem Anstand und politischer Fairneß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich einige ergänzende Bemerkungen zu den beiden Gesetzentwürfen der Opposition zur Bekämpfung des Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens mache. Damit keine Mißverständnisse entstehen: Wir begrüßen, daß sich auch die Opposition zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität bekennt und dazu sogar Vorschläge unterbreitet.
— Seien Sie doch froh, daß ich das anerkenne, was Sie tun, soweit es anerkennenswert ist.Wir bedauern alerdings, daß die Prüfung dieser Vorschläge ergeben hat, daß sie zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität weitgehend ungeeignet sind.Was den Schutz des inneren Friedens anlangt, so wären Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, allerdings durchaus in der Lage, durch eine Änderung Ihres eigenen Verhaltens einen wichtigen Beitrag zum inneren Frieden zu leisten.
Sie sollten zum Beispiel endlich aufhören mit der Strategie der totalen Konfrontation, damit kritische Geister dieses Landes in den Geruch der Verfassungsfeindlichkeit zu bringen
und Politik damit zu machen, daß Sie das Vertrauen und das Selbstvertrauen in unserem Volk zerstören und Ängste mobilisieren und erzeugen.
Was den Terrorismus betrifft, so ist er zweifellos nach wie vor eine ernst zu nehmende Bedrohung. Seine zerstörerische Kraft ist noch nicht gebrochen. Unser Land ist gegenüber dem Terrorismus aber nicht wehrlos, und der Kampf gegen den Terrorismus war bisher auch keineswegs erfolglos. Die überwiegende Zahl der terroristischen Gewalttäter ist bekannt. Gegen sie liegt so viel Beweismaterial vor, daß sie nach ihrer Ergreifung in Haft gehalten werden können und ihre Überführung und damit Verurteilung möglich ist.Die Fahndungserfolge der letzten Wochen rechtfertigen es, daß ich die Voraussage wiederhole, die ich von dieser Stelle vor einigen Monaten gemacht habe. Die Mörder von Hanns Martin Schleyer und seinen Begleitern, die Mörder von Jürgen Ponto und auch die Mörder von Generalbundesanwalt Buback und seinen Mitarbeitern und alle, die ihnen geholfen haben, werden über kurz oder lang ergriffen und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.Wenn wir unsere Pflicht tun, wenn wir kühlen Kopf bewahren und entschlossen bleiben, der Gewalt nicht nachzugeben, sondern das Recht durchzusetzen, wenn wir uns die Unterstützung und Mithilfe des ganzen Volkes bewahren, dann hat derTerrorismus bei uns keine Chance und kann besiegt werden.
Die Terroristen verfolgen die Strategie, diesen Staat ins Unrecht zu setzen,
um Mitleid, Sympathie und Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen. In diese Falle dürfen wir nicht hineintapsen.Auch unter diesem Aspekt müssen die Vorschläge der Opposition gewürdigt werden, zum Beispiel die auf Einführung des Kronzeugen und die zur Gesundheitsvorsorge bei Inhaftierten. Es ist ein unerträglicher Verstoß gegen das Gerechtigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, daß ein Mörder straflos bleiben oder nur geringfügig bestraft werden soll, weil er seine Komplicen verrät.
Die Effektivität darf nicht zum alleinigen Maßstab unseres Handelns werden, auch nicht bei der Terrorismusbekämpfung.
Die Legitimität unseres Handelns beruht letztlich auf unserer Bindung an die Wertordnung des Grundgesetzes. Sie entschwindet in dem Maße, in dem wir uns in ein bloßes Nützlichkeitsdenken hineintreiben lassen.Auch Ihre Vorschläge zum Hungerstreik sind unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung unserer Legitimation in hohem Maße gefährlich. Sie laufen darauf hinaus, daß wir den Tod, jedenfalls aber schwere Gesundheitsschäden von Inhaftierten bei Hungerstreiks bewußt in Kauf nehmen sollen. Wenn Sie konsequent wären, müßten Sie dann auch jede Vorsorge gegen Selbstmord und Selbstverstümmelung unterbinden. Und das bei Menschen, die sich infolge der Inhaftierung in einer Ausnahmesituation befinden, häufig unter schwerem psychischen Druck stehen, vielleicht auch, wie gerade Terroristen, unter erpresserischen Zwängen. Wer diesem Vorschlag der Opposition zum Hungerstreik zustimmt, verrät die jahrhundertelangen Bemühungen um ein humanes Strafrecht und um einen menschlichen Strafvollzug und geht zurück hinter die Aufklärung, zurück zum Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn".
Hinzu kommt, daß alles, was Sie zur Begründung Ihres Vorschlags anführen, nicht stichhaltig ist. Die geltenden Rechtsvorschriften über die Gesundheitsvorsorge haben sich, wie die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen beweisen, bewährt. Im vergangenen Jahr hat es in Nordrhein-Westfalen insgesamt 78 Fälle von Zwangsernährungen gegeben. Alle sind völlig komplikationslos verlaufen. Und, sehr geehrter Herr Justizminister Palm, Sie wollen doch nicht im Ernst sagen, daß die Hungerstreiks in Nordrhein-Westfalen weniger' ernsthaft waren als in Ihrem Land. Gewiß, die Praxis mußte erst lernen, diese neuen Vorschriften richtig zu handhaben.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7557
Dr. EmmerlichSie sind ja erst am 1. Januar 1977 in Kraft getreten, und zwar mit Ihrer Zustimmung; auch mit der Zustimmung der Bundesländer. Bei der Erarbeitung der geltenden Vorschriften haben die Justizminister Theisen und Hillermeier maßgeblich mitgewirkt. Die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen zeigen, daß die geltenden Vorschriften die Praxis vor keine unlösbaren Probleme stellen, sondern daß sie — im Gegenteil — befriedigende Ergebnisse ermöglichen.Falsch ist es im übrigen, daß der Staat auf Grund der geltenden Vorschriften erpreßbar ist. Ebenso falsch ist es, daß im Fall eines Hungerstreiks automatisch Zwangsernährung einsetzt. Dies kommt nur bei Lebens- oder schwerwiegender Gesundheitsgefahr in Betracht, gegen den Willen des Betroffenen nur bei akuter Lebensgefahr. Voraussetzung ist ferner, daß die Zwangsernährung für alle Beteiligten, also auch für die Ärzte und für das Vollzugspersonal, zumutbar ist.Herr Justizminister Palm hat hier Ausführungen zu diesem Thema gemacht, die in mir den Verdacht erzeugen, daß er die geltenden Vorschriften nicht kennt.
Dann allerdings wundert mich die Schwierigkeit, die er bei der praktischen Bewältigung dieses Problems in seinem Lande hat, gar nicht. Wie sollen denn die Vollzugsbediensteten die geltenden Regelungen kennen, wenn nicht einmal der Justizminister sie kennt?Die Beispiele, die er gebildet hat, wären nach geltendem Recht mit Zwangsernährung nicht zu behandeln, weil in diesen Fällen eine Behandlung durch Zwangsernährung nicht zumutbar ist und im übrigen eine akute Lebensgefahr dann, wenn sich jemand so vehement zu wehren in der Lage ist, nicht vorliegt.
Im übrigen ist es doch etwas merkwürdig, wenn man sagt: Zwangsernährung hilft nicht in allen Fällen, Leben zu bewahren und Gesundheitsschäden zu beseitigen. Richtig, in allen Fällen hilft es nicht. Aber das rechtfertigt doch nicht, sie generell zu unterlassen. Dort, wo durch Zwangsernährung geholfen werden kann, müssen wir das, um unserer humanen Verpflichtung gerecht zu werden, auch tun.
Dann, Herr Justizminister Palm, haben Sie völlig übersehen, daß nach geltendem Recht derartige Maßnahmen wie Zwangsernährung nicht zulässig sind, wenn eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit der Inhaftierten besteht. Ich muß mich, wie gesagt, tatsächlich wundern, wie Sie hier einen derartigen Vortrag, der am geltenden Recht völlig vorbeigeht, zu halten wagen.Die jüngsten Anschläge in Berlin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen, daß die Terroristen die Durchführung von Strafverfahren unmöglich machen wollen. Ich stelle dazu fest: Die Terroristen haben geglaubt, diesen Staat beliebig erpressen zu können. Sie haben sich geirrt. Sie irren sich auch, wenn sie glauben, Gewalttäter ihrer Strafe entziehen zu können. Wir werden dafür zu sorgen wissen, daß die Strafverfahren gegen Terroristen durchgeführt werden und daß niemand seiner Strafe entgeht.Was die Entwicklung der Gewaltkriminalität anlangt, so besteht kein Anlaß zur Dramatisierung. Bei Tötungsdelikten liegt die Häufigkeitszahl in der Bundesrepublik bei 1,4, in den USA bei 9,8. Die Aufklärungsquote bei diesen Delikten beträgt bei uns 95 %, in den USA nur 78%.Daß es zu Gewaltdelikten kommt, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt ja nicht daran, daß die gesetzliche Strafandrohung bei solchen Taten zu geringfügig ist. Sie können doch nicht im Ernst behaupten, daß eine Heraufsetzung des Strafrahmens bei lebensbedrohenden Straftaten von 15 auf 20 Jahre geeignet wäre, auch nur ein einziges Gewaltdelikt zu verhindern.Im Rechtsausschuß haben Sie sich denn auch dar, auf zurückgezogen, daß dadurch der Wert des Lebens auch im Strafrecht zum Ausdruck gebracht werden solle. Herr Wittmann hat hier von einer Signalwirkung des Strafrechts gesprochen. Den kriminologischen Realitäten und den Zielen der Kriminalpolitik wird ein solches demonstratives oder plakatives Strafrecht in keiner Weise gerecht. Durch Wissenschaft und Praxis ist im übrigen die alte Vorstellung der Konservativen längst widerlegt, daß ein hartes Strafrecht und harte Strafen die besten Mittel im Kampf gegen die Kriminalität seien.Wahr und erwiesen dagegen ist, daß die Ursachen für Kriminalität erkannt und beseitigt werden müssen, daß dem Rückfall nur durch Sozialisierung und Resozialisierung entgegengewirkt werden kann und daß die Abschreckung insbesondere von der Aufklärungsquote abhängt.Sie haben auf besonders spektakuläre Kriminalfälle unserer Tage — Snoek, Oetker, Albrecht und andere — hingewiesen und meinen offenbar angesichts der Beachtung, die diese Straftaten in der Öffentlichkeit gefunden haben, nicht tatenlos bleiben zu dürfen. Sie irren sich, wenn Sie glauben, das Strafrecht müsse geändert werden, wenn es spektakuläre Kriminalfälle gibt. Solche spektakulären Kriminalfälle hat es zu jeder Zeit gegeben. Es wird sie auch in der Zukunft geben. Mit einer Änderung des Strafrechts richten Sie nichts aus. Was not tut, ist die Ergreifung und Bestrafung der Täter, nicht eine Politik, die das Strafrecht zum Spielball von Aktualitäten, von vermeintlichen Tagesnotwendigkeiten macht. Eilfertiger, sich der Stammtischmentalität anbiedernder Aktionismus hilft nicht. Er schadet nur, weil er sehr schnell, nämlich bei der nächsten Aufsehen erregenden Straftat, als solcher entlarvt wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard?
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7558 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Bitte.
Herr Kollege Emmerlich, wenn ich Ihnen folge, sind Sie dann auch bereit, mir zu erklären, warum Sie im Bereich des Waffenrechtes und im Bereich des Straßenverkehrsrechtes Verdoppelungen der Strafandrohung sowohl im Mindeststrafbereich wie im Höchststrafbereich für notwendig halten, wenn Sie generell nichts von höheren Strafen halten? Wie paßt das zusammen?
Herr Kollege Erhard, Sie haben mich mißverstanden.
Ich habe nicht ausgeführt, daß ich generell nichts von Strafen oder von einer angemessenen Strafandrohung halte. Nur, es ist völlig töricht, aus dem Gesamtsystem unseres Strafrechts mit seinen abgestuften Strafandrohungen, die auf den Unrechtsgehalt und die Gefährlichkeit der Einzeltaten abgestimmt sind, einzelne Tatbestände herauszunehmen. Es ist sicher falsch, daß man in den Fällen, in denen Sie eine Erhöhung des Strafrahmens vorschlagen, erwarten kann, daß es dadurch zu einer Minderung der Gewaltkriminalität kommt. Nichts anderes habe ich gesagt.
Aufsehen und unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen massenhafte Gewaltaktionen, wie sie beispielsweise in Brokdorf und insbesondere in Grohnde geschehen sind. Solchen Mißbräuchen des Demonstrationsrechts muß und kann mit den Mitteln des geltenden Rechts erfolgreich entgegengetreten werden. Das hängt im wesentlichen davon ab, wie stark die Polizei ist, wie sie eingesetzt, ausgerüstet, ausgebildet und geführt wird. Einer durchgreifenden Änderung des Versammlungsgesetzes bedarf es nicht. Was geboten ist, ist in dem Gesetzentwurf über Versammlungen und Aufzüge, der ihnen heute zur Abstimmung vorliegt, enthalten.
Der von der Opposition vorgeschlagenen Änderung des Demonstrationsstrafrechts muß aber entschieden widersprochen werden. Die Möglichkeiten der Polizei, Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, würden dadurch nicht verbessert, sondern im Gegenteil eingeschränkt. Das Prinzip der Gerechtigkeit nähme darüber hinaus schweren Schaden. Wenn es nicht gelingt, diejenigen zu ergreifen und zu überführen, die das Friedensgebot bei Demonstrationen mißachten, dann geht es nicht an, sich an denen schadlos zu halten, die ihr Demonstrationsrecht friedlich wahrnehmen oder denen ein anderes Verhalten nicht nachgewiesen werden kann. Die Wiedereinführung einer Verdachtsstrafe können wir nicht akzeptieren.
Ich bitte Sie, den Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses zu folgen und die Änderungsanträge der Opposition zurückzuweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Beste an der Rede des letzten Redners war ihre Kürze, das Schlechteste ihr Beginn. Ich weiß nicht, Herr Kollege Emmerlich, warum Sie Äußerungen des Kollegen Wittmann, die sich in der gleichen Tonlage bewegten und genau gleichen Inhalts waren wie die Äußerungen Ihres Kollegen Weber, in der Weise qualifiziert haben, wie Sie das getan haben. Ich meine, wir sollten in dem Punkte gegenüber allen mit gleichem Maßstab messen. Wenn Polemik zulässig ist, dann muß sie Ihrerseits und unsererseits gleichermaßen zulässig sein, dann darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.
Lassen Sie mich damit gleich zum nächsten Punkt kommen. Ich habe den Eindruck, bei der Gesetzesflut und der Gesetzesbastelei gehen Sie ähnlich parteiisch vor. Was wir vorschlagen, ist „Gesetzesflut, und was Sie vorschlagen, ist „wohldurchdachte Reform". Mit dieser schlichten Einteilung der Wirklichkeit in zwei Kategorien kommen wir nicht hin. Außerdem ist der Vorwurf, wir machten ständig neue Vorschläge, schlicht falsch. Unter unseren Vorschlägen finden sich — ich kann es nur mit Bedauern sagen — leider eine Reihe sehr alter Bekannter. Ich denke da z. B. an den Vorschlag, die Bildung terroristischer Vereinigungen als Verbrechen zu bestrafen, und die Wiedereinführung wirksamer Vorschriften gegen den Landfriedensbruch und gegen die Gewaltverherrlichung.Wir ändern deshalb so häufig das Gesetz, meine Damen und Herren, weil Sie unsere Vorschläge immer nur in kleinen Bröckchen schlucken. Deshalb entsteht hier dieser Eindruck. Es ist nicht unsere Schuld, daß das so ist. Es ist eher der langsame Lernprozeß auf Ihrer Seite, der diesen Prozeß so quälend, so stückweise und so langsam macht.
Übrigens, lassen Sie mich eines sagen, Herr Kollege Emmerlich: Wir wissen leider, daß Gewaltverherrlichung und Teilnahme am Landfriedensbruch — oder anders ausgedrückt: an gewaltsamen Demonstrationen — oft Vorstufe für die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und die Beteiligung an dieser Vereinigung wiederum die Vorstufe zur Begehung schwerster Straftaten ist.Wir meinen einfach, wir müßten aus dieser Tatsache die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen.Wir haben einen weiteren alten Bekannten, den wir heute nicht behandeln, nämlich unsere Vorschläge zur Überwachung des Gesprächs zwischen Verteidiger und dem mutmaßlichen, in Haft befindlichen Terroristen. Herr Kollege Emmerlich, es wäre jewiß zu weitgehend, in den Berliner Vorgängen einen Beweis dafür zu sehen, daß Anwälte an der Befreiung von Till Meyer mitgewirkt haben, aber
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7559
Dr. Lenz
ein entsprechender Verdacht ist doch nicht von der Hand zu weisen. Wir meinen, daß Bundesanwaltschaft und Kammergericht in Berlin Dank und Anerkennung dafür verdienen, daß sie diesem Verdacht nachgehen.
Auch Bundesregierung und Koalitionsparteien können nicht nach der Maxime leben, die der Bundeskanzler hier neulich aufgestellt hat, man brauche keine neuen Gesetze. Sie haben selbst — wir haben davon gesprochen — ein Gesetz über die Beschleunigung der Strafprozesse vorgelegt. Wir sind damit einverstanden. Wir haben die Bundesregierung niemals getadelt, daß sie auf diesem Gebiet tätig geworden ist. Wir tadeln nur — das möchte ich hier noch einmal wiederholen —, daß diese Bundesregierung ihre Vorstellungen nicht in die Beratungen über die von Opposition und Bundesrat schon viel früher vorgelegten Vorschläge hat einfließen lassen, sondern in Autorenstolz auf der Vorlage eines eigenen Entwurfs bestanden hat.
Wir fürchten, meine Damen und Herren, daß wir ohne neue Gesetze nicht auskommen werden, wenn jene Probleme genügend studiert worden sind, die durch die Anschläge auf Pflichtverteidiger in Berlin aufgetaucht sind. Wir sollten hier doch nicht den gesunden Menschenverstand außen vorlassen. Neue Tatsachen — das wissen wir doch alle — können neue Gesetze erfordern.Mit dem Aufschrei gegen immer neue Gesetze ist es nicht getan. Das ist ein Punkt, in dem wir uns übrigens sonst völlig einig sind. Man muß nur die Notwendigkeit eines jeden Gesetzes klar und deutlich für den Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes beweisen. Daß wir hier einen strengen Prüfungsmaßstab anlegen, auch wenn es um terroristische Gewalttaten geht, haben wir Ihnen gestern im Rechtsausschuß bei der Beratung des Straßenverkehrsermächtigungsgesetzes bewiesen.Dem Bundeskanzler ist übrigens in seiner Rede auch darin beizupflichten, daß das, was an Instrumenten da ist, zielstrebig eingesetzt werden muß. Ich zitiere wieder seine Rede vom 1. Juni. Deswegen richten wir im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Strafprozeßgesetzes an die Strafverfolgungsbehörden die Bitte, von den Möglichkeiten, den Ablauf der Verfahren durch eine Beschränkung des Prozeßstoffes sowie durch den Einsatz technischer Hilfsmittel zu beschleunigen, in möglichst weitem Umfang Gebrauch zu machen. Wir haben also die praktische Seite durchaus nicht übersehen. Wirsind keine Gesetzespositivisten.Deswegen meinen wir auch, die Koalitionsparteien müssen in ihrem Bereich dafür Sorge tragen, daß diejenigen Landesminister, die das, was an Instrumenten da ist, nicht zielstrebig einzusetzen wußten, aus ihren Ämtern entfernt werden. Das gilt insbesondere im Falle Berlins, wo der Amtsinhaber das unglückliche Schicksal seines Vorgängers ja doch vor Augen haben mußte,
der wissen mußte, wo das Schwergewicht seiner Tätigkeit liegen mußte. Ohne den gleichen Fehler seines Vorgängers wäre der Mann doch niemals Justizsenator geworden! Es ist in der Tat ein Skandal, meine Damen und Herren, daß die Verantwortung für die Fortdauer der Inhaftierung der Terroristen in Berlin in den Händen eines Mannes liegt, der so offensichtlich in seiner Aufgabe versagt hat.
— Herr Kollege, Sie stimmen mir ja innerlich zu; Sie dürfen es bloß nicht laut sagen. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.Eine wesentliche Bedingung für die Beschleunigung der Strafverfahren ist die Autorität der Gerichte. Als die Autorität der Gerichte in Deutschland noch nicht durch Angeklagte und ihre Verteidiger systematisch untergraben wurde — das, was wir vorhin zu diesem Thema gehört haben, war ja wohl Schönfärberei reinsten Wassers —, wie dies seit etwa einem Jahrzehnt geschieht, waren die Prozesse — das läßt sich statistisch nachweisen — noch ererheblich kürzer. Wir haben uns daher schon frühzeitig bemüht, die Autorität der Gerichte auf gesetzlichem Wege zu stärken, ohne dabei bei de Koalition Gefolgschaft oder auch bei allen Betroffenen Zustimmung gefunden zu haben.Aber alle gesetzgeberischen Bemühungen, die Gerichte instand zu setzen, ihre Aufgabe besser zu erfüllen — zu diesen Bemühungen rechne ich auch den uns vorliegenden Gesetzentwurf —, werden vergeblich bleiben, wenn Mitglieder der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien fortfahren, in einer konzertierten Aktion unsere Gerichte des Machtmißbrauchs anzuklagen.
Die Kritik richtet sich hier in erster Linie an das Bundesverfassungsgericht; aber sie greift auch schon auf andere Gerichte über. Der hessische Ministerpräsident, Holger Börner, hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit aufs Korn genommen, und Herr Kollege Wehner hat den Bundesgerichtshof beschuldigt, den Schriftsteller Heinrich Böll „in Verbitterung zu hetzen". Sein Parteivorsitzender ist ihm ausdrücklich beigetreten. Bundesjustizminister Vogel hat sich nicht etwa vor die angegriffenen Gerichte gestellt, sondern seinem Parlamentarischen Staatssekretär de With gestattet, an einem Oberlandesgericht sein Mütchen zu kühlen. Am erschütterndsten ist freilich, daß ein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts selber der Flamme der Kritik an seinem Gericht Nahrung gibt.Meine Damen und Herren, die Vorgänge ziehen Kreise. Ermutigt durch solche Vorbilder fühlt sich dann auch ein Gewerkschaftsfunktionär frei, beim Unterliegen seiner Partei das Arbeitsgericht der Klassenjustiz zu bezichtigen; so geschehen in Ulm. Oder eine regionale Gewerkschaftsorganisation telegrafiert an die Bundesregierung: „Es ist unerträglich, daß von der Bundesregierung eingeleitete vernünftige sozialpolitische Entwicklungen einmal wieder durch die politische Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben werden sollen";
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Dr. Lenz
so geschehen in Hessen am 30. Mai dieses Jahres. Kein Wunder: Herr Vetter hat es ihnen ja vorgemacht, und wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen.Merken Sie eigentlich nicht, meine Damen und Herren, daß Sie damit den Kreisen, um deren Bekämpfung es uns hier geht, geradezu die Argumente mundgerecht liefern?
Der Deutsche Richterbund hat in diesem Zusammenhang festgestellt, hier werde einmal mehr der Versuch unternommen, die betroffenen Richter zu Prügelknaben zu machen; Stellungnahmen dieser Art seien sicherlich nicht geeignet, so sagt er, den Gedanken der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. Dem ist hier nichts hinzuzufügen. Damit wird der Erfolg unserer Bemühungen, den Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten bessere Instrumente zur Verfügung zu stellen, zunichte gemacht. Ich appelliere deshalb — und nicht nur deshalb — an die Verantwortlichen, die Folgen ihrer Kritik an unseren Gerichten mit zu bedenken und Formulierungen zu wählen, die die Autorität der Dritten Gewalt unangetastet lassen. Andernfalls leidet unser Staat Schaden.
Von unseren sonstigen Vorschlägen sind im Rechtsausschuß nur kümmerliche Reste übriggeblieben. Ich glaube, wenigsten in diesem Punkt bin ich mit den Kollegen von der Koalition einig.
Ich möchte zu diesen Vorschlägen nur zwei Bemerkungen machen.Erstens: Sie beziehen sich nicht nur auf terroristische Gewalttäter, sondern auch auf sonstige Gewalttäter; denn wir finden die Verbrechen, die gegen Snoek, Egloff, Oetker oder gegen die beiden belgischen Barone Empain und Bracht begangen worden sind, um kein Haar weniger kriminell als die Verbrechen gegen Lorenz, Schleyer oder Moro, auch wenn die Ziele dieser Täter vielleicht nicht so weit gesteckt sind. Wir haben stets auf dem Standpunkt gestanden, daß neben der Bekämpfung des Terrorismus die Bekämpfung der übrigen Gewaltkriminalität nicht vernachlässigt werden darf. Deshalb schlagen wir, wie bereits erwähnt, eine Reihe von Erhöhungen sowohl von Mindest- wie von Höchststrafen vor. In diesem Zusammenhang ist dann wieder, wie schon so oft, die Behauptung aufgestellt worden, die Erhöhung der Strafandrohung schrecke keinen einzigen Täter mehr ab als vorher. Wenn dies richtig wäre, wäre dies ein Argument gegen unterschiedliche Strafandrohungen, ja, vielleicht gegen Strafandrohungen überhaupt. Dieses wird doch aber im Ernst niemand behaupten. Im übrigen wird ja auch — der Kollege Erhard hat es bereits durch eine Zwischenfrage deutlich gemacht — im Straßenverkehrsrecht und im Wirtschaftsstrafrecht nach ganz anderen Grundsätzen verfahren. Hier gilt noch, von keinem sozialreformerischen Gedanken angekränkelt, völlig unangefochten das Sühne- und Abschreckungsprinzip, meine Damen und Herren. Manche gehen da mit ihren Strafdrohungen so weit, daß sie am liebsten für einen Zahn gleich vier Schneidezähne ausschlagen wollen. Das ist doch die Wirklichkeit. Hier wird der Versuch gemacht, gegen gewisse Gruppen ein Spezialrecht zu schaffen, wo nach anderen Maßstäben als im sonstigen Strafrecht gerechtet wird.Meine Damen und Herren, noch entscheidender ist aber nach unserer Überzeugung ein weiterer Gesichtspunkt: Sind denn die gegenwärtigen Strafandrohungen wirklich schuldangemessen oder nicht? Wir haben den Eindruck, daß dies nicht der Fall ist. Wir meinen, es habe eine Reihe von Entführungen und Geiselnahmen gegeben, bei denen eine Erhöhung der zeitigen Freiheitsstrafe auf 20 Jahre durchaus angemessen gewesen wäre.
— Herr Kollege, mehr Gerechtigkeit! Das ist wohl das, was Sie nicht begreifen. Ich finde es ganz erstaunlich, daß sich durch die Reden der Vertreter der Koalition hier wie ein roter Faden das Bemühen zieht, nur ja keinem, der etwas Böses getan hat, zu wehe zu tun und sich um die Frage der Wiedergutmachung für die Opfer überhaupt nicht zu scheren.
Deswegen hat der Herr Kollege, der eben hier von den zwei Pferdehälften gesprochen hat, recht gehabt. Er hat gesagt, daß Ihre Art von Gerechtigkeit — sicherlich anerkennenswert; ich will das gar nicht leugnen, Herr Kollege — sich bemüht, einem Teil Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aber um den anderen Teil bemühen Sie sich überhaupt nicht. Wir finden das eben einseitig. Deshalb bekämpfen wir die dahinterstehende Haltung.
Herr Abgeordneter Dr. Lenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Emmerlich?
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Lenz, erinnere ich mich richtig, daß das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten von der sozialliberalen Regierung und der sozialliberalen Koalition eingebracht und verabschiedet worden ist, oder ist es so, daß ich mich irre und daß das von CDU/CSU-Regierungen eingebracht und im Bundestag durchgesetzt worden ist?
Herr Kollege Emmerlich, es tut mir wirklich leid, Ihnen sagen zu müssen, daß für das Inkrafttreten von Gesetzen nicht die Vorschläge von noch so wohlmeinenden Bundesregierungen maßgebend sind, sondern die Beschlüsse dieses Hauses. Das Gesetz ist hier einstimmig verabschiedet worden.
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Dr. Lenz
— Im übrigen, Herr Kollege Lambinus, geht es mir nicht darum, die Opfer von Gewalttaten mit Geld zu entschädigen.
Das ist eine Sache, die muß natürlich sein. Ich glaube aber nicht, meine Damen und Herren, daß damit dem Gerechtigkeitsempfinden unseres Volkes Genüge getan ist, wenn der Betreffende eine Abfindungssumme erhält und der Straftäter sich nach kurzer Zeit wieder in Freiheit befindet. Dies wollen wir verhindern, und das sagen wir ganz deutlich und ganz offen.
In diesem Zusammenhang ist hier gelegentlich davon gesprochen worden, wir wären da nicht rechtsstaatlich.
Das ist nicht so direkt gesagt worden. Der Herr Kollege Weber hat das wohl mehr zwischen den Zeilen gesagt. Ich sage Ihnen hier in aller Gelassenheit: Der Satz, man müsse bis an die Grenzen des Rechtsstaates gehen, stammt von keinem CDU-Politiker, sondern von einem Politiker, der die Grenzen des Rechtsstaates — dies ist gerichtsnotorisch festgestellt — schon mehrfach übertreten hat.
Ich bin bereit, Ihnen eine entsprechende Dokumentation zuzuleiten, Herr Kollege, in der Sie die Grundgesetzverstöße dieser Koalition im einzelnen nachlesen können. Ich würde meine Redezeit entschieden überziehen, wenn ich Ihnen das heute abend noch alles vortragen würde.
Die Bekämpfung des Terrorismus erfordert, daß die politischen Instanzen ihre Verantwortung uneingeschränkt übernehmen; denn sonst können Sie einen nachdrücklichen Einsatz der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden wie auch der Anwaltschaft neuerdings nicht verlangen — einen Einsatz, der vielleicht unter Lebensgefahr geleistet werden muß. Deswegen ist es erforderlich, daß Minister Hirsch dem Beispiel von Minister Maihofer folgt, denn dieser ist nicht schuldiger als jener, und deshalb kann es auch keinen Unterschied in den Konsequenzen geben.
Deshalb ist es auch erforderlich, daß der Gesetzgeber die notwendigen Entscheidungen selber trifft und sie nicht den Verwaltungsbehörden und Gerichten überläßt. Leider ist dies nicht immer geschehen.So hat die Mehrheit im Rechtsausschuß abgelehnt — es ist davon gesprochen worden—, es zu verbieten, sich bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen zu maskieren oder sonst unkenntlich zu machen. Statt dessen soll es den zuständigen Verwaltungsbehörden überlassen bleiben, die notwendigenAuflagen zu machen. Hannemann, geh du voran!
Meine Damen und Herren, woher sollen die eigentlich den notwendigen Mut dazu nehmen, wenn wir ihn nicht haben?
Ein ähnlicher Fall hat sich schon am 16. Februar hier in diesem Hause ereignet, als wir über die Durchsuchung von Gebäudekomplexen diskutierten. Die Mehrheit hat befunden, eine Durchsuchungsermächtigung für Gebäudekomplexe dürfe nicht geschaffen werden, auch nicht, wenn mehrere Gebäude von einem einzigen Eingang her zugänglich sind. Der Bundesjustizminister meint, in einem solchen Falle könne der Richter mehrere Durchsuchungsbefehle für Gebäude ausschreiben. Der Richter soll also das tun, wozu hier die Mehrheit den Mut nicht hat.
Die Koalition ist offenbar bereit, der Bundesregierung weitreichende Vollmachten zur Einführung von Meldepflichten beim Verlust von Führerscheinen, Kfz-Papieren und Kfz-Kennzeichen einzuräumen, aber sie ist nicht bereit, selbst eine Hotelmeldepflicht oder eine Meldepflicht des Vermieters einzuführen. Meine Damen und Herren, wir haben hier immer durchgängig das gleiche Muster: Nur ja hier nichts entscheiden, nur ja abschieben, abschieben, abschieben, um selbst dann, wenn man etwas nicht vermeiden kann, den Schein der Liberalität zu erwecken.
In diesem Verhalten wird die Entschlossenheit sichtbar, sich mit eigener Verantwortung so wenig wie möglich zu engagieren.
Ich fürchte, daß ein solches Beispiel — —
Herr Abgeordneter Dr. Lenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Keine Zwischenfrage mehr.Ich komme zum Schluß. Ich fürchte, daß ein solches schlechtes Beispiel böse Folgen haben wird. Ich darf Sie deswegen bitten — allerdings fürchte ich, daß diese Bitte keinen Sinn mehr hat —,
unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Meine Fraktion will die Bekämp-
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Dr. Lenz
fung des Terrorismus nicht etwa nur durch Gesetzesänderungen. Dies war und ist immer falsch gewesen. Wir meinen, man muß die Ursachen bekämpfen und ausräumen. Wir meinen, man braucht eine gut ausgebildete, gut ausgerüstete und gut geführte Polizei und dazu auch entsprechende Minister. Drittens glauben wir, daß manchmal Gesetzesänderungen erforderlich sind. Dazu haben wir Ihnen die erforderlichen Vorschläge gemacht. Wir werden sie, meine Damen und Herren, wenn Sie sie hier ablehnen, draußen im Lande verkünden, damit das deutsche Volk weiß, wer hier rechts und wer hier links steht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute hier erneut eine Auseinandersetzung über die Frage, was in unserer Republik auf dem Felde der Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrors und zu seiner Überwindung geschehen kann. Anlaß dazu bietet die Lesung der Entwürfe, die uns heute vorliegen.
Seit dem November 1974 — damals standen wir unter dem Eindruck der Ermordung des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann — ist dies die sechste Debatte dieser Art. Dem äußeren Anschein nach, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren diese Debatten über weite Strecken unfruchtbare Konfrontationen, die — wie leider auch die zuletzt von dieser Stelle gehaltene Rede deutlich macht — der wechselseitigen Verteufelung, ja der Gehässigkeit nicht ermangelten. Wem die Erhaltung — —
— Ich weiß nicht, Herr Kollege Lenz, in welchem Wald Sie sich befinden. Ich stelle fest, daß diese Debatten über weite Strecken den äußeren Anschein unfruchtbarer Konfrontation, und zwar voller Gehässigkeit, erweckt haben und daß dazu auch die letzte Rede gehört hat. Dies wiederhole ich.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wem die Erhaltung eines Mindestmaßes an Gemeinsamkeit am Herzen liegt und wer beobachtet, wie in anderen Ländern, so etwa in Italien, angesichts der drohenden Herausforderung des Terrors Gemeinsamkeit zwischen Parteien entsteht, die wahrlich durch tiefere Gegensätze als die Fraktionen dieses Hauses getrennt sind, der kann diesen Anschein nur mit größter Sorge bedauern.
Auch heute gab es Ansätze zu weiterer Polarisierung. Zum Beispiel wurde sinngemäß zitiert, daß in der Bundesrepublik aus Staatsräson zwar Menschenleben geopfert werden müssen, offenbar aber macht- und parteipolitische Rücksichten nicht geopfert werden dürften. Was soll diese schreckliche Vereinfachung? Es gibt niemanden, der auch nur einen Menschen opfern will. Es gibt ein Ringen um das rechte Maß, um die Gesetze, die die Gefahren mindern, ohne ungewollt das zu tun, was auf Ihrem Kongreß Professor Schmidtchen und Professor Lübbe so überzeugend ausgeführt haben, nämlich objektive Ansätze und Mechanismen auszulösen, die die Rekrutierung neuer Terroristen erleichtern. Dies ist das Feld, auf dem sich unser Ringen um vernünftige Lösungen abspielt.
Ich muß auch fragen, sehr verehrter Herr Kollege Lenz: Was soll es, wenn Sie Kritik, und zugegebenermaßen auch überscharfe Kritik und zugegebenermaßen auch falsche Kritik von Gerichtsurteilen — es gehört zum Wesen der Demokratie, daß man auch falsche Kritik üben darf,
selbstverständlich auch falsche Kritik — so darstellen, als ob es sich um subversive Aktivitäten zur Untergrabung der Autorität der Gerichte und der rechtsstaatlichen Ordnung handele.
Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, was Bundeskanzler Konrad Adenauer im Jahre 1952 in diesem Hause erwiderte, als man ihn um eine Stellungnahme zu einem Telegramm seines Justizministers bat, der, als ihm eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen seine Auffassung ging, telegrafierte, dieses Gericht. sei in erschütternder Weise vom Wege des Rechts abgewichen. Die Antwort des Bundeskanzlers war, er habe keinen Anlaß, solche Äußerungen zu zensieren oder zu kritisieren. Lieber Kollege Lenz, gemessen an diesem Präzedenzfall kann man doch jetzt nicht in maßloser Übertreibung — ich sage es noch einmal — auch scharfe Kritik und meinetwegen auch falsche Kritik, wobei über falsch oder richtig lange gestritten werden kann, in die Nähe der Subversivität oder der feindlichen Haltung gegenüber dem Rechtsstaat rücken.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pinger?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber gern.
Herr Minister, würden Sie einen Unterschied zwischen einer sachlichen wenn auch scharfen Kritik und dem Vorwurf machen, der auch gemacht worden ist, daß Klassenjustiz ausgeübt werde, was mit dem Vorwurf verbunden wurde, daß die Gerichte unobjektiv seien?
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7563
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, über die Frage, ob Klassenjustiz ausgeübt wird, haben sich deutsche Parlamente in der Weimarer Republik und im Kaiserreich über Jahrzehnte auseinandergesetzt. Zwischen einem so angesehenen Mann wie Radbruch und konservativen Gegnern ist darüber in intensivster Weise diskutiert worden. Ich teile die Meinung nicht, daß wir in diesem Lande Klassenjustiz haben, aber ich bin nicht bereit, den verteufelten, der, meinetwegen auch mit falschen Argumenten, zu einem solchen Urteil kommt.Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Debatten, von denen ich spreche, haben aber in Wahrheit nicht nur, wie es der äußere Anschein ist, zur Konfrontation, sie haben auch zu Fortschritten, zu besseren, ja zum beachtlichen Teil sogar zu gemeinsamen Einsichten geführt. Offenbar verbietet es aber das Prinzip der Polarisierung, dies zuzugeben. Ich jedenfalls gebe es zu und halte es heute für eine allgemeine und von breitem Konsens getragene Einsicht, daß — —
Aber lieber Herr Kollege Lenz, ich weiß nicht, mit Ihnen gehen manchmal merkwürdige Verwandlungen vor.
Sie sind der fairste, sachkundigste Vorsitzende des Rechtsausschusses, und hier — aus Gründen, die ich mir nur schwer erklären kann — erwecken Sie den Anschein, der schärfste und ironischste Polemiker zu sein.
Ich kann mir nicht helfen, ich kenne offenbar zwei Kollegen Lenz und bin irritiert.
— Aber ich habe doch nicht bestritten, daß ich das bin!Ich halte es jedenfalls für eine allgemeine und von breitem Konsens getragene Einsicht, daß zwei Felder der Auseinandersetzung noch wichtiger sind als die Änderung von Gesetzen, nämlich die Suche nach und die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrorismus und den Erscheinungen, die die Terroristen ermutigen oder ihnen zumindest neue Sympathien verschaffen, und der Vollzug der bestehenden Gesetze.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lasse mich beispielsweise nicht davon abbringen, daß dabei auch und gerade die Art unseres Umgangs miteinander — hin wie her — einen erheblichen Stellenwert besitzt.
Wahr ist aber auch, daß eine gefühlsmäßige Bindung an unsere staatliche Ordnung, ihre Bejahung nicht nur aus dem Verstand, sondern auch aus innerer Überzeugung und aus dem Gefühl, den sichersten Schutzwalll gegen den Terrorismus darstellt.
In diesen Schutzwall schlägt nicht nur der eine Bresche, der Haß gegen diese Ordnung predigt, sondern auch der, der an verantwortlicher Stelle auf Grund einer ebenso leisen wie eisigen Selbstgerechtigkeit schreckliche Verstrickungen auch im nachhinein nicht als solche zu erkennen vermag und der zum Bedauern, ja offenbar auch nur zum Betroffen-sein gänzlich unfähig erscheint, seinerseits aber jungen Menschen mit schärfsten Maßstäben gegenübertritt.
Auch darüber, daß viele konkrete Gefahren in der jüngsten Zeit ohne jede Gesetzesänderung im Rahmen der geltenden Rechtsordnung hätten vermieden werden können, wenn dem nicht menschliche Unzulänglichkeiten im Wege gestanden hätten, gibt es doch wohl zwischen uns und hier keinen Streit mehr. Ich nenne nur die Stichworte Stammheim,
Erftstadt, Berlin-Moabit — nicht um meinerseits Vorwürfe zu erheben oder Zensuren zu erteilen und schon gar nicht um die Vorfälle parteipolitisch auszuschlachten oder aufzurechnen; aber die Frage ist doch wohl erlaubt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ein Teil der Zeit und der Kraft, die wir in den gewaltigen Gesetzgebungsschlachten verbraucht haben, auf die Verbesserung des Gesetzesvollzugs — und zwar bei Bund und Ländern, überall da, wo Verantwortung besteht — verwendet worden wäre.
Natürlich ist auch eine besonnene, von extremen Pendelschlägen freie Fortentwicklung unserer Rechtsordnung dort notwendig, wo neue Gefahren das erfordern. Nur so lassen sich — und da appelliere ich wieder an die gemeinsame Verantwortung des Hauses — abrupte Kursänderungen der Gesetzgebung vermeiden, zu denen sich andere europäische Länder — so etwa Italien — in ihrer Gesetzgebung gerade in jüngster Zeit gezwungen sahen.
Aber besonnen sind Änderungen eben nur dann, wenn sie nicht nur die Rechtsstaatlichkeit streng wahren, sondern auch tatsächliche Wirkung erwarten lassen.Und auch dies sage ich mit vollem Ernst: Zur besonnenen Fortentwicklung gehört auch, daß im Parlament Gegenmeinungen zu Wort kommen, ohne daß sie sofort mit Etiketten versehen werden, wie dies hier an einer Stelle mit der raschen Bezugnahme auf die dogmatische Einstellung der Betreffenden auch wieder geschah.Sicher, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, kann man darauf hinweisen, daß auf diesem Gebiet auch Kollegen der Verstärkung staatlicher Befugnisse widersprechen, die auf anderen Gebieten die gegenteilige Position einnehmen, also dem gleichen Staat auf anderen Gebieten mehr Kompetenzen geben wollen. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, warnen in diesen Fällen doch fast mit den gleichen Argumenten wie die eben von mir erwähnten Kollegen vor der Mißbrauchsgefahr, der angeblichen Einschränkung der
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7564 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Bundesminister Dr. VogelFreiheit, vor dem, was Sie dann als „Übermacht des Staates" bezeichnen, etwa auf wirtschaftlichem Gebiet oder im familiären Bereich.Warum soll dieser Austausch der Argumente in diesem Parlament des deutschen Volkes nicht möglich sein? Warum bringen wir nicht die Toleranz auf, zu sagen: „Was du sagst, ist falsch. Ich bitte dich, es zu überlegen." Warum muß dies sofort — hin wie her — mit einem Etikett versehen werden?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Minister, wer hat denn wohl zuerst gesagt, daß die Grenze des Rechtsstaates eingehalten werden müsse und aus diesem Grunde Vorschläge der Opposition abgelehnt werden müßten? Wer verteufelt denn da wen?
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Herr Kollege Erhard, ich will mich an dem Streit über das Erstgeburtsrecht an Vorwürfen nicht beteiligen. Ich will für meinen Teil sagen: Es gab Vorschläge der Opposition — darunter zugegebenermaßen auch solche, die sie zurückgenommen hat —, die diese Beurteilung notwendigerweise auf sich zogen. Ich erinnere z. B. an den Vorschlag, den es eine Zeitlang gab, in Fällen des Verdachts eines Vergehens nach § 129 a StGB auf den Haftgrund zu verzichten und zur automatischen Verhaftung zu kommen, solange dieser Verdacht besteht. Dies ist mit den Maßstäben des Verfassungsrechts nicht vereinbar.
Im übrigen verstehe ich das nicht: heiß und kalt aus einem Mund! Sie werfen mir dieses vor, aber von dieser Stelle aus wird doch ununterbrochen — ich bestreite gar nicht, daß Sie die Legitimation dazu haben — dem Bundeskanzler und der Bundesregierung objektiver Verstoß gegen Verfassungsrecht, gegen Grundgesetzbestimmungen vorgeworfen. Warum denn nicht hin wie her? Dies muß doch möglich sein, aber doch nicht immer in der Tonart und mit der Intention, daß die anderen in eine Ecke gedrückt werden müssen, wo sie zur konstruktiven Mitarbeit nicht mehr zu gebrauchen sind. Ich will mich daran nicht beteiligen.Die Vorschläge, die Sie gemacht haben, sind zum Teil in das Gesetz eingegangen. Ich gebe ausdrücklich zu, daß im Strafverfahrensänderungsgesetz auch Dinge enthalten sind — warum denn nicht; das ist doch der Sinn der Beratung —, die Sie vertreten haben. Aber es gibt auch Vorschläge — ich schließe mich da weitgehend meinen Vorrednern an —, denen ich nicht folgen kann.Wir hatten eine interessante Debatte über die Erhöhung des Strafrahmens für die zeitige Freiheitsstrafe auf 20 Jahre. Wenn ich richtig zugehört und richtig verstanden habe, dann ist es doch so, daß ein abschreckender Effekt bei den Terroristen offenbar von niemand mehr behauptet wird. Ich habe auch noch nie gehört, daß an dem Gericht Kritik geübt worden wäre, weil in einem Verfahren gegen einen mutmaßlichen Terroristen zu milde Strafen verhängt worden wären. Dies ist doch, glaube ich, unstreitig.Ich habe den Kollegen Lenz dahin verstanden, daß er auch bei Geiselnahme, Menschenraub usw. eigentlich die Strafzumessungspraxis als solche unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung, der ja ein legaler Gesichtspunkt ist — der wird ja nicht verteufelt, er steht ja im Gesetzbuch —, dankenwerterweise nicht kritisiert. Er befindet sich in bestem Einklang, mit den Justizministern der Länder.
— Die wechseln jetzt öfter; aber das war noch vor Ihrer Zeit, Herr Kollege Palm. Im März 1977 waren die Justizminister beieinander, haben diese Urteile geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen: Den Gerichten ist kein Vorwurf zu machen.Und nun kommt ein Punkt, Herr Kollege Lenz, wo uns wirklich, ich will fast sagen: eine rechtsphilosophische Meinungsverschiedenheit trennt. Ich sehe keine mögliche Herleitung der Forderung, bei Menschenraub und dergleichen von 15 auf 20 Jahre zu gehen, weil das Leid und das Sühnebedürfnis des Opfers und des Verletzten mit Strafen bis 15 Jahre nicht befriedigt werden könne, mit Strafen zwischen 15 und 20 Jahren aber in einem relevanten Maß befriedigt sei. Ich sage nur, ich kann dieser Argumentation nicht folgen. Ich halte sie nicht für überzeugend.Daß man auch einmal Strafrahmen erhöhen muß, wird doch gar nicht in Abrede gestellt. Aber bitte, warum denn gerade 20 Jahre? Mit dieser Begründung könnte man auch an 30 Jahre denken. Die Amerikaner haben Strafen, da kommen sie in einem Fall auf 50 und 90 Jahre. Die werden natürlich nie verbüßt. Die Verurteilten sind nach drei Jahren wieder heraus. Ich warne deswegen davor; denn die 15 Jahre stammen ja nicht aus einer Schönwetterzeit. Das ist ja eine Erfahrung, die seit über 100 Jahren, seitdem es das Strafgesetzbuch gibt, damit gemacht worden ist.Dann komme ich noch mit einem Wort zur Zwangsernährung. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, warum wollen wir eigentlich den einstimmig gebilligten Kompromiß, der unter verdienstvoller Federführung, nicht nur Mitwirkung, des Kollegen Theisen, der wie kein anderer unter den Erfahrungen des schrecklichen Falles Holger Meins stand — das war nämlich das auslösende Moment — zustande kam, jetzt schon wieder in Frage stellen? Ich bestreite ja gar nicht, daß Zwangsernährung schlimme Probleme aufwirft. Ich habe mir das in Köln-Ossendorf von denen, die dabei waren, erklären lassen. Es ist schlimm. Aber löst denn der Vorschlag des Bundesrats und der Opposition das Problem? Wir sind uns auch, glaube ich, darin völlig einig: Auch wenn Sie die Verpflichtung zur Zwangsernährung in bestimmten Fällen ganz aus dem Gesetz streichen, dann will doch keiner — auch Sie nicht, Herr Kollege Palm, und auch die Damen und Herren von der Opposition nicht — einen Be-
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7565
Bundesminister Dr. Vogelwußtlosen, einen seiner Sinne nicht mehr Mächtigen, einen nicht mehr in Kontrolle seiner Handlung Befindlichen verhungern lassen. Das will doch niemand.
— Entschuldigung, Sie machen sich dies zu einfach.
— Entschuldigung, meine Damen und Herren, ich verstehe die Aufrechnung nicht. Ich sage ja gerade: Keiner will das.
— Ich würde etwas Geduld empfehlen. Wenn Sie mir jetzt durch Zuruf bestätigen, daß Sie bei einem Bewußtlosen, bei einem seiner Sinne nicht mehr Mächtigen, bei dem, der zwar äußerlich klar erscheint, aber infolge starker Abhängigkeitsverhältnisse seine Handlungen nicht mehr kontrollieren kann, Zwang nicht nur für zulässig halten, sondern die Verpflichtung zur Anwendung des Zwangs sehen, dann schrumpft die ganze Unterschiedlichkeit, in der Sie die Problemlösung erblicken, darauf zusammen, daß Sie warten, bis der Betreffende bewußtlos ist. Dann setzt die Ernährung ein. Dann setzt notfalls auch eine Zwangsmaßnahme ein, während nach dem geltenden Recht nicht auf den Bewußtseinszustand, sondern auf das Ausmaß der Lebensgefahr abgestellt wird. Jeder Arzt wird Ihnen bestätigen, daß dies die Probleme nur verschiebt. Es kann viel leichter sein, den Betreffenden, bevor er ins Koma fällt, mit einem Zwangseingriff soweit zu bringen, daß er nicht bewußtlos wird. Soll man dann die Bewußtlosigkeit abwarten? Wie machen Sie es, wenn er bewußtlos wird? Dann kommt er wieder zu sich. Dann wird er wieder bewußtlos. Ich will es nicht weiter ausmalen. Ich will nur den Glauben an die Patentlösungen zerstören. Ich sage doch gar nicht, daß unsere Lösung bereits das Nonplusultra ist, aber ich möchte überzeugender hören, daß Sie damit die Schwierigkeiten nicht nur verschieben.Im übrigen: wenn wir uns bemühen, Herr Kollege Palm und die anderen, die hier Verantwortung tragen, dann können wir mit der Zumutbarkeitsregel— da hat Herr Kollege Emmerlich recht — die notwendigen Schranken ziehen und zu einer vernünftigen Übung kommen. Keiner von uns will doch dem Arzt oder auch" dem Gefängnisbeamten etwas zumuten, was gegen seine Menschenwürde ist. Aber ich warne davor, daß Sie meinen, dies sei mehr als ein Verschieben der Probleme. Die Ärzte kommen aus ihrer Situation nicht heraus.
— Lieber Herr Kollege, das Argument, daß man den Ärzten irgendeine Verantwortung hinschöbe, ist doch so billig. Es gibt doch Menschen in Berufen, die in kritischen Situationen einfach vor Lagenstehen, die ihnen andere nicht abnehmen können. Es gibt doch in jedem Beruf eine Grenzsituation.
Es erlebt doch auch ein Anwalt, es erlebt sogar ein Abgeordneter, daß er in eine solche Situation kommt. Man kann doch nicht sagen, da würde irgend etwas abgeschoben. So einfach ist es doch nicht.Auch den Änderungsanträgen vermag ich nicht zuzustimmen. Zum Strafverfahrensänderungsgesetz sind es, glaube ich, mehr rechtstechnische Fragen. Sie wollen die Möglichkeit für die Einstellung von Ermittlungsverfahren etwas enger. Die Regierungsvorlage hat es etwas weiter gefaßt. Darüber, glaube ich, kann man durchaus in Ehren unterschiedlicher Meinung sein.Zu den anderen Dingen will ich mich wegen der fortgeschrittenen Zeit nur stichwortartig äußern:Die Sicherungsverwahrung für Erstverurteilte ist eine ganz schwierige Sache. Ich behaupte nicht, daß sie verfassungswidrig ist, aber sie wirft eine Problematik auf, über die wir die Meinungen oft genug ausgetauscht haben.Was die Wiederherstellung der Bestimmungen über den Landfriedensbruch in der alten Fassung angeht, so will ich mich nicht darauf beschränken, zu sagen, daß dies zu Zufallsbestrafungen führt. Wenn Sie in einer Menge Tausende haben, würden Sie auf Grund Ihres Tatbestandes tatsächlich zu zufälligen Bestrafungen kommen. Und da frage ich wieder: Glauben Sie wirklich, daß eine Strafdrohung motivierendes Gewicht hat, von der jeder Betroffene weiß, daß die Wahrscheinlichkeit, daß es ihn treffen werde, nur in Bruchteilen eines Prozents ausgedrückt werden kann?Die Gerichte haben doch nicht mangels Tatbestandes, sondern wegen der Gründe, die Kollege Emmerlich schilderte, die allergrößten Schwierigkeiten im Fall Grohnde.Ich will hier auch einmal der Behauptung entgegentreten, das, was in Grohnde damals passiert ist, sei eine Demonstration gewesen. Dies war weder eine Demonstration noch war es eine Meinungsäußerung im Rahmen des Grundgesetzes. Dies war eine Zusammenrottung mit all den Straftatbeständen, die hier entgegenstehen. Nennen wir dies doch nicht „Demonstration".Nun frage ich Sie: Meinen Sie, es hätte irgend etwas bedeutet, wenn aus den 4 000 Leuten in Grohnde statt zwölf 200 oder 300 festgenommen worden wären? Fragen Sie doch die Polizeileiter, wieviel überhaupt festgenommen werden können.Ich habe selber den Vorteil oder Nachteil, daß ich längere Zeit für eine kommunale Polizei mit 5 000 Leuten verantwortlich war. Ich habe die bittere Lehre der Schwabinger Krawalle in München miterlebt. Ich traue mir ein Urteil zu. Welche anderen Möglichkeiten hat denn die Polizei in der Auseinandersetzung mit einer Menge wie in Grohnde oder in Brokdorf, wenn dieses tatsächlich ein auf dem Papier stehender Straftatbestand ist? Kommen dann7566 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95: Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978Bundesminister Dr. Vogelmehr Wasserwerfer? Können mehr Polizeibeamte kommen? Verschieben wir doch bitte das Problem nicht, sondern haben wir den Mut, die Polizei, wenn sie ihre Pflicht tut, hinterher nicht zu kritisieren. Haben wir den Mut, nicht ihr Vorwürfe zu machen, sondern uns allen miteinander.
— Lieber Herr Kollege Miltner, da will ich die Hand nicht umdrehen. Ich bestreite gar nicht, daß dies mitunter meine Freunde sind. Ich habe allerdings Kritik von seiten der Opposition an Polizeieinsätzen in der schärfsten Weise auch in Ländern gehört, in denen Sie in der Opposition waren. Dort haben Sie die Verantwortlichen kritisiert.
— Ich bitte Sie! Wollen wir uns einmal über die Frankfurter Auseinandersetzungen in all ihren Einzelheiten unterhalten?
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist jetzt vielleicht das Stichwort für den letzten Vorschlag, auf den ich noch eingehen wollte: nämlich friedensstörende Unruhe bzw. friedensstörende Schriften.
Hier wiederholen Sie, was zur Problematik der Gewaltbefürwortung mit äußerster Gründlichkeit in den Jahren 1976 und 1977 erörtert worden ist. Ich glaube, es ist parlamentarisch auch zulässig, zu sagen: Neue Gesichtspunkte sind — dies ist ja wohl kaum mehr möglich — nicht hervorgetreten.Das von der Bundesregierung vorgelegte Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 entstammt derselben Quelle wie Ihr erster und Ihr zweiter Entwurf, derselben Quelle wie der Entwurf des Bundesrates, nämlich der von Rund und Ländern gemeinsam eingesetzten Kommission, die Sie — das gebe ich zu — etwas früher abgezapft haben. Als Sie dies taten, war der Wein aber noch nicht ganz vergoren. Wir haben gewartet, bis er noch etwas ausgereifter war.
— Herr Kollege, beim Strafverfahrensänderungsgesetz haben wir die Probleme, die ich sonst gar nicht leugne, doch gar nicht gehabt. Es ist eine reale Hilfe— das ist, wie ich glaube, auch von allen so gesehen worden — zur Beschleunigung der Strafprozesse, übrigens nicht nur für Terroristenprozesse,sondern auch für Wirtschaftsstrafsachen und für NS-Prozesse.
— Gut, aber nicht in dem Ausmaß.Meine Damen und Herren, jetzt sage ich etwas, bezüglich dessen ich nicht ganz sicher weiß, wie die Reaktion sein wird. Dies trifft nach meiner Ansicht querdurch zu: Ich bin ein bißchen betroffen — ich sage das für meine Person —, daß wir die Notwendigkeit solcher Strafverfahrensänderungsvorschriften zum Zwecke der Beschleunigung nicht schon unter dem Eindruck der NS-Gewaltprozesse und unter dem Eindruck der Prozesse in Wirtschaftsstrafsachen erkannt und angepackt haben, sondern daß wir alle offenbar erst des Anstoßes durch die Terroristenprozesse bedurften.
Da ist etwas nicht drin, was leider hier offenbar immer hinein muß, damit es richtig zündet, nämlich Häme; sondern das ist eine kritische Feststellung.Die Verbesserungen will ich nicht mehr aufzählen. Daß sie erheblich sind, zeigt mir schon ein einziger Fall. Von den 192 Verhandlungstagen im ersten Stammheim-Prozeß sind etwa 50 Tage — das sind rund 25 % — allein für Ablehnungsgesuche und die Verhandlungen und Entscheidungen darüber verlorengegangen.
Vielleicht schaffen wir es, daß wir die Sache, wenn auch nicht um 50 Tage, so doch wenigstens um 30 oder 40 verkürzen.Bitte bedenken Sie bei all der Kritik — ich weiß, Sie meinen ja immer nur den Gesetzgeber —: Es ist auch für die Justiz doch furchtbar schwierig, sich mit solchen neuen Herausforderungen herumzuschlagen und damit fertig zu werden. Ich bin manchmal traurig darüber, daß der erste Vorsitzende im Stammheim-Prozeß eine solche Fülle von Kritik einstekken mußte, wo er tatsächlich einer neuen Herausforderung gegenüberstand und sich auf nichts zurückziehen und berufen konnte. Dies muß man auch einmal sagen, um dem Mann gegenüber gerecht zu sein.
Im übrigen möchte ich sagen: Das, was heute verabschiedet wird — dankenswerterweise im Straverfahrensänderungsgesetz offenbar mit breiter Zustimmung —, ist noch nicht die Lösung aller Probleme. Es sind einige weitere schon angesprochen worden.Zum Beispiel sind weiterhin offen der Strafklageverbrauch, aber auch die Probleme, die sich an die Vorschriften über die notwendige Verteidigung knüpfen, ebenso die Verbesserung der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bekämpfung des Terrorismus. Beim Strafklageverbrauch — dies ist denen, die nicht unmittelbar damit zu tun haben, fast nicht vernünftig darzustellen — handelt es sich darum, daß nicht angeklagte Straftaten später möglicherweise
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Bundesminister Dr. Vogelnicht mehr verfolgt werden können, weil sie als Teile eines Organisationsdelikts — § 129 a — mit diesem zusammen bereits, ohne daß man sie kannte, rechtskräftig abgeurteilt wurden. Die bisherigen Erfahrungen, Herr Kollege Hartmann, lassen aber vermuten, daß die Tragweite dieses Problems vielleicht doch etwas überschätzt worden ist. Dem Wunsch des Rechtsausschusses entsprechend, wird die Prüfung jedoch sehr sorgfältig und unter Ihrer Beteiligung fortgesetzt werden.Das Problem der notwendigen Verteidigung-- ich möchte sehr unterstreichen, was hierzu von einigen Rednern gesagt wurde — hat durch die jüngsten Berliner Vorgänge eine drängende Aktualität erlangt. Es geht im Kern darum, wie ein etwaiges Konzept vereitelt werden kann, die Fortsetzung einer Hauptverhandlung in Fällen der notwendigen Verteidigung durch Einwirkungen der geschilderten Art auf vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger zu verhindern. Ich habe darüber dem Rechtsausschuß ausführlich vorgetragen. Die Suche nach einer gemeinsamen Lösung ist im Gang. Wir werden uns zu Beginn der nächsten Woche zur ersten Besprechung treffen; die Einladungen auch an die Fraktionsobleute sind ergangen.Ich sage hier aber ganz deutlich: Sehr wünschenswert wäre es, wenn diese Lösung unter Mitwirkung der Anwaltschaft ohne neuerliche Gesetzesänderung gefunden werden könnte,
wenn die Anwaltschaft selber in der Praxis Lösungen fände, bei denen übrigens dem Anwalt im konkreten Fall nicht mehr abverlangt wird als — und jetzt rede ich nicht vom Berufsrichter — in durchaus vorstellbaren Fällen einem Schöffen oder einem Geschworenen, einem Laienrichter. Wir sind im Gespräch mit dem Ziel, daß durch Schutzmaßnahmen, entsprechende personelle Überlegungen und anderes dieser Versuch so weit wie möglich getrieben wird.Die Verbesserung der Europäischen Zusammenarbeit ist dankenswerterweise in der Entschließung des Europäischen Parlaments direkt angesprochen. Nach Ansicht der Bundesregierung lassen sich hier Fortschritte am ehesten erreichen, daß nach Schweden, Österreich und der Bundesrepublik nunmehr möglichst Mitgliedstaaten des Europarats das Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus ratifizieren. Mein Appell ist eigentlich, daß alle ihre politischen Möglichkeiten ausnutzen, um auf andere Mitgliedsländer des Europarats einzuwirken, damit sie ratifizieren. Ich sage Ihnen voraus: Solange diese Konvention im Verhältnis untereinander nicht überall geltendes Recht ist, werden wir mit Auslieferungsverfahren immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen, die uns zwar schwer verständlich sind, die aber nur durch die Ratifizierung des Abkommens nachhaltig überwunden werden können.Trotz all der Einschränkungen, trotz der offenen Fragen: Die heute zur Entscheidung stehenden Gesetzesvorlagen, insbesondere das Strafverfahrensänderungsgesetz, bedeuten einen Fortschritt. Namens der Bundesregierung danke ich allen, die an den intensiven Beratungen Anteil genommen haben, vor allem den Mitgliedern des Rechtsausschusses und seinem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Lenz, wenn ich so sagen darf, als Nummer eins. Zugleich bitte ich um die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu den vorgelegten Entwürfen in zweiter und dritter Lesung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, wenn sich der Herr Bundesjustizminister von dieser Stelle aus Mühe gibt, den Versuch zu unternehmen, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, an Gemeinsamkeiten zu appellieren, weil ja Rechtspolitik in wichtigen Fragen ohne eine breite Basis im Parlament nur sehr schwer verwirklicht werden kann. Insoweit stimme ich, insoweit stimmen wir Ihnen, Herr Vogel, völlig zu. Nur, wenn jede schärfere Aussage von unserer Seite dann sofort als Gehässigkeit und Häme bezeichnet wird, fängt das Werben um die Gemeinsamkeit an, durchsichtig zu werden.Wir haben von Ihnen gehört, es sei notwendig, eine größere Gemeinsamkeit zu finden; Sie haben dabei auf Italien verwiesen. Ja, wenn sich die verschiedenen politischen Kräfte von den Flügeln her auf so viel verständigen können, wie die Parteien das in Italien gemacht haben, dann wären Sie doch mit Ihrer Fraktion aufgefordert, wenigstens so weit zu gehen, wie wir es vorgeschlagen haben. Denn das ist viel, viel weniger als das, was man in Italien gemeinsam beschlossen hat.
Es ist doch einfach nicht vertretbar, Herr Bundesjustizminister, Gemeinsamkeit zu sagen und dann praktisch alles das, was von der Opposition kommt, abzulehnen.
— Herr Weber, wo soll denn da Gemeinsamkeit praktiziert werden?
Ich persönlich bin der festen Überzeugung — jetzt wende ich mich an Sie, und hören Sie gut zu, Herr Justizminister —, daß wir in den wesentlichen Elementen der Terrorgesetzgebung eine 90 %ige Übereinstimmung in diesem Hause haben könnten, die offenkundig würde. Aber sie darf nicht offenkundig werden, damit hier weiter nur die CDU/CSU als die „böse" Fraktion dasteht. Sie darf nicht offenkundig werden, weil in der Koalition eine Gruppe sitzt, die etwa 10 °/o der Abgeordneten ausmacht und die alles blockiert.
Sie, Herr Bundesjustizminister, haben in den vergangenen Gesetzgebungsakten betreffend diese Fragen nicht gerade den Eindruck einer klaren und
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Erhard
überzeugenden eigenen Haltung vermittelt. Zuletzt haben Sie dann gemeint, man müsse sehen, daß man diejenigen, die da abdriften könnten, mit einbinde, um auf diese Weise Gemeinsamkeiten zu erreichen, Gemeinsamkeiten aber nur — und das war das entscheidende — innerhalb Ihrer Fraktion oder Koalition, nicht im Bundestag. Denn da war eine breite Mehrheit vorhanden. Wer in solcher Weise, Herr Bundesjustizminister — darauf hat Herr Lenz hingewiesen —, das Prinzip der eigenen, auch nach draußen darstellbaren optischen Machterhaltung für wichtiger hält als die sachliche Entscheidung bei Gesetzen, der gerät ins Zwielicht, und das sind nicht wir. Aber ich kann es Ihnen ja nun nicht abnehmen, daß Sie sich da hineinbegeben haben. Aber bitte, das ist dann doch Ihre Sache und nicht die unsere.Das Feld unseres Ringens, meinen Sie, müßte das sein, durch unsere Gesetzgebung nicht neue Terroristen zu schaffen. Wir stimmen Ihnen völlig zu. Aber das ist ja gar nicht das Feld, das hier wirklich sichtbar wird. Das Feld, worum es geht, habe ich angesprochen. Das ist die Minderheit in Ihrer Fraktion, die das Handeln bestimmt, weil Sie nicht haben wollen, daß Gesetze mit der Zustimmung der CDU/CSU gegen einen relativ kleinen Teil aus der SPD —, vielleicht auch der FDP-Fraktion, zustande kommen. Das ist das eigentliche Problem.
— Herr Weber, die Qualität dieses Zwischenrufes können Sie selbst beurteilen, wenn Sie ihn nachher einmal bedenken. Dazu sind Sie ja auch fähig.Zur Kritik, die laut geworden ist und die Sie als etwas bezeichnen, das Sie nicht teilen, aber laufen lassen, nämlich zur Kritik an Herrn Wehner wegen seiner Urteilsschelte! Ich kann mir nicht helfen. Herr Kollege Wehner, Sie haben in jungen Jahren, von denen Sie heute sicherlich weit entfernt sind, anderen Parteien den Vorwurf gemacht, sie seien zu legal. Sie dürfen jetzt den Gerichten eigentlich nicht vorwerfen, wenn Sie auf Grund unserer Rechtsordnung entscheiden.
Der Schutzwall, Herr Bundesjustizminister, des gemeinsamen Gefühls für unseren Staat ist notwendig. Ich stimme Ihnen zu. Aber dieser Schutzwall des gemeinsamen Gefühls kann ja wohl nicht darin liegen, daß der eine nur das als das Entscheidende ansieht, was er in seiner zugegebenermaßen schwierigen Situation durchbringt, und darauf verzichtet, die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen, die Sie auch für notwendig halten — auch wenn Sie das nicht zugeben können — zu beschließen und durchzuführen.Die Gemeinsamkeiten — ich möchte das wiederholen —, wie in Italien praktiziert, würden wir uns nur wünschen. Sie sind aufgefordert, das Entsprechende zu tun. Wenn ich daran denke, wie wir unter dem Eindruck der Schleyer-Entführung ein gemeinsames Handeln nach außen darstellen ließen — wir haben Sie gelassen; Sie und der Innenminister haben mit den Abgeordneten, die dann in der Presse und im Fernsehen zu den Sicherheitsexperten hochstilisiert wurden, Verhandlungen geführt ,—, wie zahlreiche Gesetze angekündigt wurden — von der' Regierung, nicht von uns; unsere lagen vor —, und mich dann frage, was daraus geworden ist, kann ich nur sagen: Fast nichts. Aber vor diesem gemeinsamen Sitzungen haben Sie ein Bündel von Gesetzen vorgelegt: noch nicht verabschiedet, zum Teil verabschiedet, jetzt vorgelegt und zur Verabschiedung reif. So sehen die Dinge bei richtigem Lichte aus.Dann war Herr Schleyer tot, und dann gab es keine Gemeinsamkeit mehr. Die Gemeinsamkeit gab es nicht — ich wiederhole es —, weil Sie sie in Ihrer Fraktion nicht herstellen konnten.
Sie haben sich zur Zwangsernährung geäußert. Da kann man verschiedener Meinung sein. Unsere Auffassung steht seit langem fest. Der Staat darf nicht erpreßbar sein und darf nicht erpreßbar werden. Hier ist das Urteil unserer Landesjustizverwaltungen für uns wichtiger als die immer wieder geäußerten Bedenken, was man da vielleicht doch alles sonst versäumen könnte.Die Demonstrationen in Grohnde und Brokdorf nur durch eine Veränderung des Begriffs nicht mehr zu Demonstrationen zu erklären, Herr Bundesjustizminister, ist Rabulistik. Damit wird das Problem einfach vom Tisch gewischt — so möchten Sie es wenigstens —, aber man kommt dadurch der Sache natürlich nicht bei. Wir müssen die Dinge so betrachten, wie sie sind, d. h. solchen Vorgängen muß auch eine entsprechende gesetzliche Antwort entgegengesetzt werden.Herr Vogel, ich bitte um Nachsicht: Daß Sie dann das Beispiel Frankfurt dafür anführen, um zu sagen, da sei Kritik geübt worden — je nachdem, wer regiert, muß Kritik hinnehmen —, das heißt doch die Dinge geradezu auf den Kopf stellen. Wir haben in Hessen die Frankfurter Verhältnisse kritisiert, weil die Polizei in vielen Fällen nicht so eingesetzt worden ist, wie es notwendig gewesen wäre — das war die Kritik —, während in umgekehrten Fall, was Sie betrifft und was sie zugegeben haben, die Kritik am Einsatz der Polizei laut geworden ist. Wir sind der Auffassung: Die Polizei braucht unseren vollen Schutz. Wir wären Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie den vorgeschlagenen Vorschriften zur Verstärkung des Schutzes der Polizei zustimmten. Mit verbalen Akten allein ist den Dingen nicht beizukommen.Was wir aber erleben — Herr Kollege Lenz hat schon darauf hingewiesen — ist, daß wir in den verschiedensten Bereichen eine breite Kriminalisierung vieler Bürger hinnehmen, zum Teil hinnehmen müssen, und zwar unter der Überschrift „Terrorismusbekämpfung" . Das ist problematisch. Die Erhöhung der Strafen bei Leuten, die sich an sich vielleicht
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Erhard
ordnungswidrig verhalten, und die Androhung, die Tat mit einer Kriminalstrafe zu belegen, d. h. mit einem Jahr Gefängnis als Höchststrafe, ist kriminelles Strafrecht. Das betrifft z. B. Ihren Vorschlag, Herr Bundesjustizminister, an das Kabinett, daß sich jemand, der Fahrzeugschilder herstellen will und diese Absicht nicht anzeigt, künftig eines Vergehens strafbar macht. So wurde es vorgeschlagen, so ist es durchgelaufen.Was ist das für ein Verhältnis im Bereich strafrechtlicher Androhungen? Das müssen wir sehr sorgfältig im Auge behalten. Ähnliches gilt beim Melderecht. Wir müssen einiges in Kauf nehmen, aber wir sollten dieses mit größter Vorsicht und Zurückhaltung tun. In den Fällen, wo die Terroristen nicht betroffen werden, ist die Mehrheit hier drüben sehr großzügig; da, wo es sich wirklich um Terroristen handeln könnte, ist man in einer außerordentlichen Weise zurückhaltend.
Ich bitte, sich doch mit solchen Zwischenrufen zu mäßigen.
Wenn Sie nicht mehr in aller Ruhe konkrete Fakten ertragen können, müssen Sie bei sich anfangen.
Herr Bundesjustizmininster, hat es bis in die Mitte der 70er Jahre in den NS-Verfahren ein Verteidigerverhalten gegeben wie in den Terroristenverfahren? Sie haben gesagt, wir hätten längst merken müssen, was da zu tun ist, was wir auch in diesen Verfahren längst versäumt hätten. Ich frage Sie: Wo hat es in diesem Lande bis in die Mitte der 70er Jahre Verfahren in NS-Prozessen gegeben, bei denen sich die Verteidiger so oder auch nur ähnlich verhalten hätten wie in Terroristenprozessen?
— Nein, das Gegenteil hat er hier angedeutet.
Daß inzwischen in allen möglichen Prozessen die Anwälte sich daran ein Beispiel nehmen, was möglich ist, was geduldet wird, ist mir bekannt, und dagegen muß vorgegangen werden. Nein, wir sollten sehen, was in anderen Ländern zur Terrorismusbekämpfung geschehen ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt?
Ja.
Herr Kollege Erhard, könnten Sie mir denn nicht zustimmen, daß die Schwierigkeiten in Großverfahren, also auch in NS-Prozessen, durchaus nicht nur und keineswegs überhaupt mit den Verteidigern zu tun haben, sondern daß es auch andere Schwierigkeiten gab und gibt, die es zu beseitigen gilt, daß der Bundesjustizminister auf diese Schwierigkeiten angehoben hat?
Ich habe von diesen Schwierigkeiten bei dem Herrn Bundesjustizminister gar nichts gehört.
Die Schwierigkeiten, die es in den NS-Verfahren gegeben hat, räumen wir mit diesen Vorschriften des neuen Strafverfahrensrechts mit keinem Jota aus. Diejenigen, die vom Strafprozeß soviel verstehen wie die Überschrift, sollten sehr vorsichtig in ihren Äußerungen sein.
Wir räumen — ich wiederhole das — mit diesen Vorschriften des Strafprozeßrechts in den NS-Verfahren die wirklichen Schwierigkeiten überhaupt nicht aus. Die wirklichen Schwierigkeiten liegen in der langen Zeitdauer der Prozesse und in der Schwierigkeit der Beweisführung für weit zurückliegende Zeiträume.
Meine Damen und Herren, man sollte hier, auch wenn es um die eigene Fraktion geht, sich sehr klar und deutlich auf das besinnen, was man für richtig hält. Das erwarten wir vom Bundesjustizminister.
Es hat einmal vor vielen, vielen Jahren ein großer deutscher Politiker, und zwar war es Bismarck, im Reichstag gesagt:
Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut. Aber Sie
— an einen Abgeordneten —
werden nicht selten finden, daß es achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.
Herr Bundesjustizminister, ich habe den großen Wunsch, daß Sie nicht zu denen gehören, die Herr Bismarck damals schon angesprochen hat.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 6, 7, 9 und 10. Danach erfolgt noch einmal eine Debatte über Punkt 8.
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7570 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau RengerWir beginnen mit der Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über den Tagesordnungspunkt 6: Strafverfahrensänderungsgesetz 1979.Ich rufe Art. 1 Nrn. 1 bis 10 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 12 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1877 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 8/1877 unter Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer Art. 1 Nr. 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 12 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 1 Nr. 13 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1877 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der .Fraktion der CDU/CSU vor. Das Wort zur Begründung wird jeweils nicht mehr gewünscht, nehme ich an. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Wir stimmen jetzt über Art. 1 Nr. 13 in der Ausschußfassung ab. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.Ich rufe nunmehr Art. 1 Nrn. 14 bis 34 und Art. 2 bis 9 in der Ausschußfassung sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen, in zweiter Beratung angenommen.Wir treten nunmehr in diedritte Beratungein. Wird dazu noch einmal das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig so angenommen.Meine Damen und Herren, es liegen noch drei weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1844 unter Buchstabe b die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist ohne Gegenstimmen angenommen.Der Ausschuß empfiehlt ferner auf Drucksache. 8/1844 unter Buchstabe c, die Gesetzentwürfe der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/323 und des Bundesrates auf Drucksache 8/354 für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist so beschlossen.Der Ausschuß empfiehlt außerdem auf Drucksache 8/1844 unter Buchstabe d, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist das so beschlossen.Meine Damen und Herren, damit ist die dritte Beratung abgeschlossen.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung zu den Gesetzentwürfen unter Tagesordnungspunkt 7, und zwar als erstes auf Drucksache 8/1845: Zweite Beschlußempfehlung und Zweiter Bericht des Rechtsausschusses, Anlage 1: „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge "Ich rufe hierzu den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/1888 Nr. II auf, und zwar mit der von Herrn Dr. Wittmann vorgetragenenen Ergänzung durch Nr. 17 a, wie sie sich aus der Drucksache 8/1888 ergibt. Unter Nr. II wird beantragt, vor Art. 1 einen Art. 01 einzufügen. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/1888 unter Nr. II zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1888 unter Nr. III ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Das Wort wird ebenfalls nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/1888 unter Nr. III zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zu Art. 1 in der Ausschußfassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Art. 1 ist damit in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/1888 unter Nr. IV auf. Dort wird beantragt, nach Art. 1 einen neuen Art. 1 a einzufügen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Ich rufe Art. 2, 3 und 4 und die Einleitung auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Die aufgerufenen Bestimmungen sind damit akzeptiert.Ich rufe nunmehr die Überschrift auf.
Hierzu liegt auf Drucksache 8/1888 unter I. ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7571
Vizepräsident Frau RengerWer der Überschrift in der Ausschußfassung ohne den Klammerzusatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU in zweiter Beratung angenommen.Meine Damen und Herren, wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist in dritter Lesung gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe jetzt den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise und zur Regelung der Meldepflicht in Beherbergungsstätten und die Zweite Beschlußempfehlung und den Zweiten Bericht des Rechtsausschusses auf Drucksache 8/1845, Anlage 2, auf.Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu hat der Herr Berichterstatter vorgetragen, daß er auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung die Streichung des Abs. 1 Nr. 2 beantragt. Diese Streichung ist nicht redaktioneller Natur. Wir müssen darüber abstimmen.Erhebt sich gegen die Streichung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.Außerdem liegt auf der Drucksache 8/1879 unter II ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.Wer dem Art. 1 in der Ausschußfassung mit der zuvor beschlossenen Streichung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 ist so beschlossen.Ich rufe Art. 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1879 unter III ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer dem Art. 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe Art. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1879 unter IV ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wer dem Art. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 3 ist angenommen.Ich rufe Art. 4 und die Einleitung auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Bestimmungen sind so angenommen.Ich rufe gesondert die Überschrift auf. Hierzu liegt wiederum auf Drucksache 8/1879 unter Nr. I ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesen Änderungsantrag anzunehmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.Wer der Überschrift in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überschrift ist in der Ausschußfassung angenommen.
Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke schön. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der CDU/CSU ist es in dritter Lesung angenommen.Es liegen noch zwei weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1845 unter Ziffer 2, die Gesetzentwürfe der Fraktion der CDU/CSU auf den Drucksachen 8/322 und 8/996 im übrigen abzulehnen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Der Ausschuß empfiehlt außerdem auf Drucksache 8/1845 unter Ziffer 3, die zu den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das ebenfalls so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Terrorismus.Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1847, die Entschließungen des Europäischen Parlaments auf den Drucksachen 8/1300 und 8/1753 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist das so beschlossen. Ich bedanke mich.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 10. Der Ältestenrat schlägt vor, den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes auf Drucksache 8/1727 an den Rechtsausschuß zu überweisen. — Auch damit ist das Haus einverstanden. Es ist so beschlossen.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über Tagesordnungspunkt 8: Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, Drucksache 8/1848.
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7572 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau RengerDazu eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Miltner.D
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die zur Abstimmung stehende Novelle zum Gesetz ist schon lange überfällig. Bereits im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1970 wurde der Bundestag dazu aufgefordert. Das Gericht entschied damals, die Betroffenen müßten über eine G-10-Maßnahme dann unterrichtet werden, wenn diese Unterrichtung ohne Gefährdung des Zwecks der Beschränkungsmaßnahme erfolgen kann.Der hohe Wert des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, geschützt in Art. 10 des Grundgesetzes, verlangt von uns Abgeordneten äußerste Sorgfalt und Genauigkeit bei der Ausgestaltung des Gesetzesvorbehalts. Man erwartet, daß die Eingriffsvoraussetzungen verfassungsrechtlich einwandfrei normiert sind. Darum hätte auch erwartet werden können, daß im Falle des Gesetzes zu Art. 10 GG die Bundesregierung dem Parlament noch in der 6. Legislaturperiode, in der die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging, die Novelle vorgelegt hätte. Aber erst in der 7. Legislaturperiode, und zwar am 27. August 1974, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der jedoch bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr beraten werden konnte.Es war dann aber unverständlich, weshalb die Bundesregierung nicht sogleich nach der Bundestagswahl 1976 einen neuen Entwurf vorgelegt hat. Es war ja seit langem bekannt, welche Verbesserungen und Klarstellungen des Gesetzes noch über die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderung hinaus vorgenommen werden sollten. Es war insbesondere auch dann kein Grund zur Verzögerung mehr gegeben, als die Strafbestimmung des § 129 a StGB — Bildung einer terroristischen Vereinigung — als Eingriffstatbestand mit in das Gesetz zu Art. 10 GG aufgenommen werden konnte. Die Bundesregierung hat damit einen Mangel an Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erkennen lassen, der mit hehren verfassungsrechtlichen oder rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist.Es muß, glaube ich, an dieser Stelle vermerkt werden, daß sich die Bundesregierung und auch der Bundestag eine solche verspätete Novellierung eines so empfindlichen Gesetzes nicht mehr leisten dürfen, selbst wenn man berücksichtigt, daß der Bundesinnenminister und die G-10-Kommission in der Zwischenzeit auch ohne Gesetzesänderung entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Regelung verfahren sind.Schließlich hat die CDU/CSU mit dem Gesetzentwurf vom 23. September 1977 die Beratung wieder in Gang gebracht. Auf der Grundlage dieses Gesetzentwurfs wurde in den Ausschüssen im wesentlichen übereinstimmend beraten, und in einigen Punkten wurden Ergänzungen vorgenommen. So wurde neben dem Anliegen des Bundesverfassungsgerichts, also neben der Mitteilung an den Betroffenen, auch noch der Hinweis auf den Rechtsweg ausdrücklich mit ins Gesetz aufgenommen, obwohl der Rechtsweg natürlich schon bisher gegeben war. Gegen die Aufnahme dieses Hinweises auf den Rechtsweg hat das Argument gesprochen, das gerichtliche Verfahren führe in der Regel wegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Vorgänge zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Der Rechts- und der Innenausschuß haben sich dennoch für diese Klarstellung und für die Aufnahme des Hinweises auf den Rechtsweg ausgesprochen.Eine zwischen Regierungskoalition und Opposition kontroverse Rechtsauffassung hat es in einem Punkt gegeben, in welchem es um die Einschaltung der Dreier-Kommission vor dem Vollzug der Beschränkungsmaßnahme ging. In § 9 Abs. 2 wurde mehrheitlich festgelegt, daß der zuständige Bundesminister monatlich eine Kommission über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen unterrichtet, und zwar vor deren Vollzug. Auch wenn wir dem Gesetz zustimmen werden, möchte ich doch in diesem Falle unsere Bedenken noch einmal vortragen. Wir wollen mit unseren Bedenken in diesem Punkt auch hier im Parlament deutlich machen, daß die volle Verantwortung für eine Anordnung nach G 10 beim Bundesminister liegt und verbleibt.Nach Art. 10 Abs. 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 des Gesetzes zu Art. 10 GG tritt bei angeordneten Beschränkungen an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch die Kommission. Die Kommission hat also Richterersatzfunktion; sie hat nachzuprüfen. Gleichzeitig wirkt die Kommission bei der parlamentarischen Kontrolle der Regierung mit. Aufgabe von Richtern wie von Parlamenten ist die nachgehende Kontrolle, die Nachprüfung von Entscheidungen von Regierung und Verwaltung. Allein die nachgehende Kontrolle, die Nachprüfung, entspricht der vom Grundgesetz gewollten und in zahlreichen Bestimmungen geregelten Gewaltengliederung. Werden Gericht und Parlament in die Entscheidung der Regierung mit einbezogen, vermischen sich die Verantwortungsbereiche von Regierung einerseits und Rechtsprechung oder Parlament andererseits.Der Kommission sollen zwar nur angeordnete Beschränkungen vorgelegt werden, doch die Anordnung enthält nur einen Teil der von der Regierung zu treffenden Entscheidung. Da die Anordnung ein interner Akt ist, der dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird, wird die Entscheidung erst durch ihren Vollzug vollständig.Zwar kann man sich heute auf die bisherige Praxis berufen, aber es ist ein schwerwiegender Unterschied, ob ein solches, die verfassungsrechtlich geordnete Gewaltengliederung durchbrechendes Verfahren im stillschweigenden Einvernehmen der Beteiligten ausgeübt und jederzeit wieder abgestellt werden kann oder ob es gesetzlich festgeschrieben wird. Solcher Festschreibung steht nicht nur das Interesse des Parlaments entgegen, sich nicht unnötig Mitverantwortung für der Regierung obliegende Entscheidungen aufdrängen zu lassen, sondern vor allem die klare verfassungsrechtliche Bestimmung über die Nachprüfung in Art. 10.
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7573
Dr. MiltnerAußerdem, meine Damen und Herren, birgt die vorgeschlagene Regelung im Gesetz zu Art. 10 GG die Gefahr eines unerwünschten Präjudizes.Ein weiterer Punkt hat bei der Novellierung und Beratung eine wichtige Rolle gespielt, nämlich die Frage, ob Anwälte im Gesetz eine Privilegierung erfahren sollen. Sowohl der Innen- als auch der Rechtsausschuß waren der Auffassung, daß hier ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber anderen Personen oder Berufsgruppen nicht gegeben ist. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine solche Privilegierung auch verfassungsrechtlich nicht geboten.Meine Damen und Herren, die Gesetzesnovelle trägt also einerseits dem Schutz des Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnisses und andererseits dem notwendigen und einwandfrei normierten Eingriff im Interesse der inneren Sicherheit Rechnung.Die CDU/CSU stimmt ihrem Gesetzentwurf auch in der Fassung, wie er aus den Ausschußberatungen herausgekommen ist, zu. Wir bitten auch die Koalition, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Linde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Miltner, ich darf mich recht herzlich bedanken, daß Sie das Ergebnis der Ausschußberatungen so sehr schön vorgetragen haben. Ihre Bemerkungen zur Überfälligkeit dieses Gesetzentwurfs will ich sogar unterstreichen. Bloß war bei Ihnen etwas überflüssig. daß Sie hier die Regierung gemahnt haben, verstehe ich zwar durchaus, bloß hätten Sie dabei auch noch erwähnen müssen, daß die CDU/CSU-Fraktion in dieser Legislaturperiode alles an unerledigten Gesetzentwürfen zusammengekratzt hat, was sie finden konnte. Hier waren Sie natürlich etwas schneller als die Regierung. Dafür gebührt Ihnen durchaus Anerkennung. Aber ein besonderes Verdienst ist das nicht; denn auf Grund eigener geistiger Leistung haben sie diese Sache nicht vollbracht.
— Nein, sicherlich.Zum zweiten, Herr Kollege Miltner, eine kleine Korrektur Ihrer Ausführungen zur Reihenfolge der Anordnung von Kontrollmaßnahmen und der Kontrolle selber sowie deren Vollzug. Ihre Ausführungen waren nicht ganz auf dem aktuellen Stand. Ich weiß, daß die CDU hier einmal Beklemmungen gehabt hat. Bloß sind diese im Rechtsausschuß einvernehmlich ausdiskutiert worden, nachdem die Regierung klargestellt hatte, daß es in keiner Weise zu einer Verwischung der politischen Verantwortung kommen sollte; und dabei bleibt es.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde möchte ich es sehr kurz machen und nur drei Bemerkungen machen. — Herr Kollege Lenz guckt erleichtert. — Ich möchte eine Bemerkung über die Dreierkommission machen, die ja die eigentliche Kontrolle über den Vollzug von Eingriffen in das Post- und Fernmeldegeheimnis ausübt. Die SPD-Fraktion und, wie ich wohl auch sagen kann, der Ausschuß sind auf Grund eingehender Gespräche und Erörterungen davon überzeugt, daß im Gesetz zu Art. 10 GG ein wirksames Kontrollinstrument geschaffen wurde. Die Kommissionsmitglieder üben ihr Amt verantwortungsvoll aus. Gerade weil aber darüber aus verständlichen Gründen nicht öffentlich berichtet werden kann, möchte ich an dieser Stelle Dank für diese Arbeit aussprechen. Hier wird ein Stück parlamentarischer Kontrolle wirksam und zum Schutz des Bürgers vor übermäßigen Eingriffen ausgeübt. Mißtrauen, das häufig aus Unkenntnis geäußert wird, ist im Bereich des G-10-Gesetzes nach meiner und der Überzeugung meiner Fraktion nicht angebracht.
— Vielen Dank, Herr Kollege Lenz. Ich bedanke mich für diesen Beifall. Ich meine es wirklich so. Das sollte auch breite Zustimmung hier erfahren.Noch eine weitere Bemerkung zu den Beschränkungsmaßnahmen gegen sogenannte unverdächtige Dritte, die als Nachrichtenmittler Kontrollmaßnahmen unterworfen werden. Der Ausschuß konnte dem Vorschlag nicht folgen, daß derartige Beschränkungen gegen Anwälte nur angeordnet werden dürfen, wenn diese Anwälte selbst Verdächtige sind. Eine solche Privilegierung, wie Herr Kollege Miltner ja mit Recht ausgeführt hat, ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Es kommt noch ein Argument hinzu. Es gibt auch keine Abgrenzungskriterien zu anderen Vertrauensfunktionen in anderen Berufen. Ich möchte hier aber ausdrücklich und mit Nachdruck dem öffentlich geäußerten Vorwurf und dem Vorurteil entgegentreten, daß hier jeder Anwalt, der z. B. einen Terroristen verteidigt, automatisch damit rechnen muß, daß sein Telefonanschluß überwacht wird. Das ist nicht der Fall. Das ist weder durch den Gesetzeswortlaut noch durch die Staatspraxis gedeckt. Es muß ein weiterer gravierender Anlaß, ein besonderer Verdacht noch hinzukommen.Es bleibt schließlich ein Bereich zu beachten, der über diesen Gesetzentwurf hinausgeht. Die Post- und Fernmeldekontrollen werden nicht nur durch dieses Gesetz, sondern auch nach der Strafprozeßordnung ausgeübt. Die SPD-Fraktion wird sich um eine einheitliche restriktive Anwendung der Überwachungsmöglichkeiten bemühen. Nach Erhebung im Länderbereich, die der Herr Justizminister dankenswerterweise zugesagt hat, wird zu klären sein, ob die parlamentarische Kontrolle der strafprozessualen Beschränkungsmöglichkeiten zu verbessern sein wird. Bedenken gegen die Überwachungspraxis, die öffentlich geäußert worden sind, bestehen vor allen Dingen im Bereich der richterlich angeordneten Beschränkungen. Ob man hier von diesem Hause eine besondere Maßnahme treffen wird, hängt von den Ergebnissen der Erhebungen ab.Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwischen Sicherheit und Freiheit besteht zumal in einer
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7574 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Lindefreiheitlichen Demokratie ein schmaler Grat. Dieses Gesetz dient der Sicherung des Freiheitsbereiches des Bürgers im weitesten Sinne. Das Gesetz verbessert die Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist dieses Gesetz angenommen.
Es liegt noch eine Beschlußempfehlung des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1848 unter Nr. 2, zum Gesetzentwurf eingegangene Petitionen für erledigt zu erklären. Kein Widerspruch, so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964
— Drucksache 8/1707 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/1821 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Spöri
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
— Drucksache 8/1270 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/1821 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Spöri
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäuble.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entwurf zur Änderung desMineralölsteuergesetzes besteht aus zwei Teilen. Zum einen soll bei Motoren in ortsfesten Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme ermäßigt besteuertes Gas, 01 und schweres Heizöl und unbesteuertes Flüssiggas sowie Erdgas als Treibstoff verwendet werden dürfen; zum anderen sollen der Steuersatz für leichtes Heizöl verdoppelt und die nach geltendem Recht zum 31. Dezember 1979 auslaufende Heizölsteuer um insgesamt zwei Jahre bis Ende 1981 verlängert werden.Die CDU/CSU stimmt der steuerlichen Begünstigung von stationären Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme zu. Mehr noch, meine Damen und Herren, wir haben zu dieser notwendigen Maßnahme die Initiative ergriffen. Unser Entwurf auf Drucksache 8/1270 ist am 29. November 1977 in diesem Hause eingebracht worden. Der Regierungsentwurf stammt vom 14. April 1978. Da die Bundesregierung offenbar aber kaum noch eine sinnvolle Initiative ergreifen bzw. von uns übernehmen kann, ohne damit eine wirtschafts- und konjunkturpolitisch falsche Steuererhöhung zu verbinden, hat sie mit der Übernahme unserer Initiative zur Begünstigung der Kraft-Wärme-Koppelung gleich den Vorschlag verbunden, die Geltungsdauer der Heizölsteuerregelung zu verlängern und die Steuer für leichtes Heizöl zu verdoppeln. Meine Damen und Herren, dies lehnen wir ab.
Es ist ja der etwas krampfhaft wirkende Versuch gemacht worden, über diese Steuererhöhung eine Energiedebatte zu führen. Wie untauglich dieser Versuch ist, wird am besten klar, wenn man beobachtet, zu welch atemraubenden Argumentationskurven die Vertreter dieser Steuererhöhung deshalb gezwungen sind, weil sie einerseits das Ausmaß der Steuererhöhung als harmlos darstellen, gleichwohl aber einen mächtigen Energiespareffekt hineindeuten. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen hat beispielsweise vor dem Bundestag am 17. März erklärt — ich zitiere —:Die Erhöhung der Heizölsteuer ist so bemessen, daß der Verbraucher sie nur sehr wenig spürt, z. B. mit 50 DM im Jahr bei einem Verbrauch von 5 000 1 Heizöl. Ich rechne aber doch mit einer ausreichenden Signalwirkung, um den Verbraucher z. B. zu veranlassen, seinen Thermostaten etwas niedriger einzustellen. Schon ein Grad könnte einen wünschenswerten Spareffekt auslösen.Meine Damen und Herren, mir ist nicht so recht klar, wieso der Verbraucher seinen Thermostat wegen einer Steuererhöhung, die er angeblich gar nicht spürt, niedriger einstellen wird. Wir treten dem Versuch der Bundesregierung und der Koalition entgegen, für immer neue Erhöhungen von Steuern und Abgaben immer neue phantasievolle Begründungen zu finden. Im Augenblick begründen Sie diese Steuererhöhung gerade einmal mit Energieeinsparung. In Wahrheit gibt es einen einzigen Grund: Sie haben die Kassen in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung so schrecklich geleert, daß Sie nach bürgerlichen Maßstäben pleite sind. Zu den notwendigen Sparmaßnahmen sind Sie nicht bereit und
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7575
Dr. Schäublenicht in der Lage. Offenbar haben Sie sich überlegt, daß eine Diversifikation der Steuererhöhungen den Widerstand dagen verringern könnte. So holen Sie sich das Geld jetzt scheibchenweise. Dieses Mal sagen Sie, die Verdoppelung der Heizölsteuer erhöhe die Steuerlastquote nur um 0,04%; das soll wohl heißen: praktisch falle sie gar nicht ins Gewicht. Es sind aber 500 Millionen DM mehr Steuern jährlich — von der Verlängerung der Geltungsdauer der Heizölsteuerregelung ganz abgesehen —, die dabei herauskommen. Wenn Sie sagen, daß jene 500 Millionen DM mehr Steuern jährlich nur 0,04 % der Steuerlastquote sind, so zeigt dies nur, daß die Gesamtbelastung mit Steuern und Abgaben ohnedies zu hoch ist.Deshalb lehnt die CDU/CSU Steuererhöhungen grundsätzlich ab. Deshalb stimmt die CDU/CSU gegen das Gesetz in der von der Mehrheit des Finanzausschusses beschlossenen Fassung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Spöri.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Beratung über den Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes hat mit Ausnahme der im Finanzausschuß beschlossenen Übergangsbestimmungen zur Nachsteuer und mit Ausnahme der Tatsache, daß die neuen Regelungen nicht mehr ab 1. Juni, sondern ab dem Tage der Verkündung des Gesetzes gelten sollen, seit der ersten Lesung im wesentlichen keine neuen Sachaspekte gebracht.Es zeigte sich in der Ausschußberatung und es zeigte sich auch heute in Ihrem stürmischen Debattenbeitrag, Herr Schäuble, daß Ihnen im Grund genommen gar nichts Neues mehr eingefallen ist, als die altbekannte Kritikplatte der Bundesratsmehrheit heute abend noch mal abzuspielen. Und die hatten wir ja schon in der ersten Lesung hier widerlegt.Doch die Opposition, Herr Schäuble, kritisiert nicht jeden Punkt dieses Gesetzentwurfs, und wir freuen uns darüber, daß Sie sich darüber freuen können, daß mit diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung die rationelle Energieverwendung in der Bundesrepublik in einem wesentlichen Punkt einen Schritt vorangebracht wird, nämlich bei der sogenannten Kraft-Wärme-Koppelung.
— Sie haben ja selber eben diese Argumentation in Ihren Ausführungen unterstützt, Herr Schäuble.Daran besteht wohl kein Zweifel: Der steuerbegünstigte Einsatz von Mineralöl als Treibstoff in gleichzeitig Strom und Wärme erzeugenden Dieselaggregaten macht eine bisher im wesentlichen in der Praxis vernachlässigte Energietechnologie für den Anwender erst betriebswirtschaftlich interessant und kommerziell attraktiv.
Aber auch der nunmehr mögliche Einsatz von unversteuertem Flüssig- und Erdgas — das haben Sie in Ihrem Antrag nicht behandelt, Herr Schäuble — bei der Wärme-Kraft-Koppelung — ist ein bemerkenswerter Fortschritt bei der Einführung dezentraler Energietechnologien in Richtung auf eine rationellere Energieverwendung in unserer Volkswirtschaft.Interessant ist für uns als Sozialdemokraten nicht nur aus energiepolitischen Aspekten heraus eine verbesserte Ausnützung der eingesetzten Primärenergie durch die Technologie der Kraft-Wärme-Koppelung. Interessant ist für uns vor allem, daß sich mit diesen steuerlichen Vergünstigungen für die Kraft-Wärme-Koppelung auch für die Hersteller derartiger Technologien, z. B, Wärmepumpen und Dieselaggregate, ganz neue wichtige Absatzfelder öffnen, die produktions- und beschäftigungspolitisch nicht unterschätzt werden dürfen.Es handelt sich hier also um einen wichtigen praktischen Beitrag zu dem, was ansonsten allzu oft nur unverbindlich in Sonntagsreden immer wieder betont wird: um einen Beitrag zum qualitativen Wachstum.Es freut uns, daß Sie von der Opposition gerade diesen Maßnahmenbereich des Gesetzentwurfs voll begrüßen, wo Sie doch, wenn Sie sich diesen Maßnahmenbereich mal richtig vor Augen führen, sehen müssen, daß es sich hier geradezu um ein klassisches Beispiel einer steuerpolitischen staatlichen Investitionslenkung handelt.
Dies ist eine steuerpolitisch gezielte staatliche Investitionslenkung. Wir freuen uns, daß Sie von der Opposition, obwohl Sie sehen müssen, daß wir hier gezielt mit Anreizmethoden Energieinvestitionen in die Richtung spezieller Technologien lenken wollen, ganz unorthodox und ohne ideologische Scheuklappen heute abend zumindest diesem Bereich des Gesetzentwurfs zustimmen. Das finden wir großartig.Um so enttäuschender ist für uns, daß Sie Ihre positive und konstruktive energiepolitische Einstellung zur Energieeinsparzielsetzung dieses Gesetzentwurfs nicht konsequent durchhalten und mit einem Nein zur Verlängerung und zur Erhöhung der Heizölsteuer versuchen, einige billige Punkte in der Offentlichkeit zu machen. Ich will Ihnen mal erklären, was „billig" in diesem Zusammenhang heißt. Es ist doch auf der einen Seite so, daß Sie in der vergangenen Woche bei der Einbringung des Nachtragshaushalts, als hier über die Mehrkosten zur Erhaltung unserer nationalen Steinkohlebasis diskutiert worden ist, nicht laut nein geschrien haben, daß Sie nicht laut nein geschrieen haben, als z. B. über die 314 Millionen DM für zusätzliche Preisstützungsmaßnahmen, als über die 348 Millionen DM an zusätzlichen Investitionszuschüssen für den Steinkohlebergbau diskutiert worden ist. Es ist doch so, daß der finanzielle Aufwand zur Sicherung unserer Energieversorgung in diesem Jahr 4 Milliarden DM übersteigen wird, daß gerade Sie von der Opposition diese Maßnahmen zur energiepolitischen Zukunfts-
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7576 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Dr. Spörisicherung voll tragen und daß Sie sogar noch Zusatzvorschläge mit neuen Anträgen machen, die sich zusätzlich haushaltsbelastend auswirken.Auf der anderen Seite ist es doch so, daß Sie in letzter Zeit in der Öfentlichkeit immer wieder von den Gefahren einer zusätzlichen Nettokreditaufnahme warnen. Und nun will die Opposition gerade im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf verhindern, daß wir zur einnahmepolitischen Abdeckung der steigenden und unabweisbaren energiepolitischen Ausgaben zumindest einen bescheidenen Teilbeitrag leisten können.
Das wollen Sie hier verhindern. Da paßt einiges nicht zusammen, insofern nämlich, als Sie gleichzeitig zum Bürger gehen und ihm Flugblättchen über Staatsverschuldung „Die Zeitbombe tickt" in den Briefkasten werfen. Hier handelt es sich um eine finanzpolitisch unverantwortliche, demagogische Strategie, die darauf setzt, daß der Bürger nicht begreift, in welçhe finanzpolitische Widersprüche Sie sich hier verwickeln.Doch unabhängig von diesem unseriösen finanzpolitischen Spiel, das Sie heute abend auch betrieben haben: Das, was gegen die Erhöhung der Heizölsteuer von der Bundesratsmehrheit und — analog dazu — von der CDU im Finanzausschuß ansonsten vorgebracht bzw. nachgesungen worden ist, ist mehr als dünn. Es ist durch Ihren Beitrag heute abend auch nicht „dichter" geworden, Herr Schäuble. Wir gehen keineswegs, wie Sie vorhin unterstellt haben, davon aus, daß die Preiserhöhung, die durch die Steuererhöhungsmaßnahmen beim Heizöl induziert wird, zu abrupten, großen Ölverbrauchseinsparungen führen wird. Aber wir halten es energiepolitisch durchaus für sinnvoll, daß dem Bürger durch eine verkraftbare Preiserhöhung von höchstens 1 Pfennig pro Liter signalhaft bewußt wird,
daß der Preistrend beim Öl unabhängig von kurzfristigen Marktlagen und kurzfristigen Preisschwankungen, langfristig nach oben zeigt und daß deshalb alle rentablen Energieeinsparmöglichkeiten von ihm genutzt werden sollen.Ich ziehe. das Fazit: Die Unionsparteien haben mit ihrem Nein zu dem gesamten Gesetzentwurf bewiesen, daß sie unfähig sind, aus den unabweisbar steigenden Ausgaben für unsere energiepolitische Zukunftssicherung die notwendigen einnahmepolitischen Konsequenzen zu ziehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die mit diesem Gesetzentwurf gelungene Kombination von rationeller Energieverwendung auf der einen Seite mit den Erfordernissen einer finanziell verkraftbaren Energiepolitik auf der anderen Seite. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung des fortgeschriebenen Energieprogramms der Bundesregierung geleistet, den die Union weder verwässern noch wesentlich verzögern wird. Das ist das Schöne daran.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Haussmann.
Frau Präsident! Liebe Kollegen! Ich möchte es vor dieser eindrucksvollen Kulisse recht kurz machen.Es wird darauf ankommen, daß das Verhältnis zwischen Primärenergieverbrauch und Wirtschaftswachstum bei einer verantwortungsvollen Energiepolitik durch Formen anderer Tarifgestaltung, durch rationellere Energienutzung und durch staatliche Anreize für Sparmaßnahmen mittelfristig entscheidend verbessert wird.Über die Notwendigkeit solcher energiesparender Maßnahmen besteht kein Dissens zwischen Regierung, den sie tragenden Fraktionen sowie der Opposition. Der Dissens zeigt sich erst bei den Maßnahmen, die zur Durchsetzung dieses von uns allen als wichtig und vordringlich angesehenen Zieles diskutiert werden. Ich darf in diesem Zusammenhang an das Heizenergiesparprogramm der Bundesdesregierung erinnern, das zunächst im Wege des Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern realisiert werden sollte und das dann in dieser Form doch am Widerstand Baden-Württembergs scheiterte. Der dann vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf, der auf Anregung des Bundesrates schon mit einer steuerlichen Komponente angereichert war, scheiterte im Bundesrat und steht nun zur weiteren Beratung im Vermittlungsausschuß an.In die gleiche Richtung zielen der heute zu beratende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 sowie der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion. Ich möchte herausstreichen, daß sich der Entwurf der Fraktion der Unions-Parteien mit dem ersten Teil des Entwurfes der Bundesregierung deckt. Darüber hat es, wie ich höre, auch im Ausschuß keine unterschiedlichen Stimmen gegeben. Das wurde soeben auch bestätigt. Hierbei handelt es sich bekanntlich um die Entlastung der mit Dieselkraftstoff betriebenen Kleinkraftwerke. Statt dessen soll für diese Kraftwerke der weitaus geringere Mineralölsteuersatz gelten, so daß die Ausnutzung des Effektes der Kraft-Wärme-Koppelung künftig nicht mehr an der zu hohen Treibstoffbesteuerung scheitern dürfte.Ebenso wird durch diese steuerliche Entlastung des Treibstoffes der Einsatz von Wärmepumpen gefördert. Gerade im Bereich der Heizung und Warmwasserversorgung unserer Wohnungen liegt der Schwerpunkt des Einsatzes der Wärmepumpen. Sie sind wirtschaftlicher als der herkömmliche Ölkessel.In der energiepolitischen Beurteilung dieser steuerlichen Entlastungsmaßnahme stimmen wir überein. Leider hat sich jedoch hinsichtlich der Beurteilung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Erhöhung des ermäßigten Steuersatzes für leichtes Heizöl ein Dissens ergeben. Im Sinne der eingangs zitierten Anreize für das Energiesparen halte ich diese Maßnahme für vertretbar. Die durchschnittliche steuerliche Mehrbelastung dürfte sich für eine normale Wohnung bzw. für ein Einfamilien-
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Dr. Haussmannhaus auf ca. 50 DM pro Jahr belaufen, ein Betrag, der einerseits bestimmt nicht als konfiskatorisch angesehen werden kann, der zum anderen jedoch schon heute den einzig richtigen Weg unserer Energiepolitik aufzeigt, nämlich die sparsamste Verwendung fossiler Rohstoffe, die einerseits viel zu kostbar zum Verbrennen sind und andererseits heute noch keine geeigneten Substitute haben.Wir meinen, wie sollten dem Verbraucher klar sagen, daß die Energie künftig relativ knapper wird und daß eine solch maßvolle Anhebung des Steuersatzes die geeignete Indikatorfunktion hat. Deshalb bin ich auch nicht der Meinung, daß die aus dieser Mineralölsteueranhebung resultierenden Steigerung der volkswirtschaftlichen Steuerquote von ungefähr 0,04 °/o ein von der Opposition ernsthaft vorgetragenes Argument ist, zumal Abweichungen in diesen Größenordnungen noch innerhalb der statistischen Fehlerquoten liegen.Aus energiepolitischen Gründen wäre möglicherweise eine weitaus stärkere Anhebung des Steuersatzes erforderlich gewesen. Das würde als marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument sicherlich verstärkt in die richtige Richtung der Einsparung zielen, ein Ergebnis, das im Gegensatz zur Argumentation der Opposition auch von den OPEC-Staaten geradezu dringend verlangt wird. Sie drohen sonst mit weiteren Verteuerungen des Öles, das nicht verfeuert werden soll. Andererseits würde eine zu starke Erhöhung des ermäßigten Steuersatzes für leichtes Heizöl kurzfristig zu Verwerfungen führen, die nicht erwünscht sind.Lassen Sie mich daher abschließend eine allgemeine Bemerkung zum Steuerrecht machen. Wie wir alle betonen, wollen wir bei jeder neuen steuerlichen Maßnahme, die uns zur Beschlußfassung vorliegt, prüfen, ob sie für den Bürger noch verständlich und für die Verwaltung noch praktizierbar ist. Mir scheint, daß beide Aspekte erfüllt sind. Die Fraktion der Freien Demokraten wird daher dieser Vorlage zustimmen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Bundesminister Matthöfer.
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem bereits beschlossenen Investitionszulagengesetz, das eine Förderung insbesondere auch von energieeinsparenden Investitionen vorsieht, liegt Ihnen heute mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes ein weiterer finanzpolitischer Gesetzentwurf vor, der zur Verwirklichung des fortgeschriebenen Energieprogramms der Bundesregierung beiträgt.Dieser Entwurf zieht die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß wir sämtliche Einsparpotentiale ausschöpfen müssen, wenn wir in Zukunft die Versorgung der Bundesrepublik mit Energie in wirtschaftlich vertretbarer Weise sichern wollen.Durch die Beseitigung von Steuerbelastungen, die sicher der Verwendung von Mineralöl für die Erzeugung von Strom und Wärme mit Hilfe von Verbrennungsmotoren entgegenstehen, eröffnen wir Möglichkeiten einer neuen Technologieanwendung. Dies ist für die Arbeitsplätze in der Industrie, die solche Anlagen herstellt, durchaus von nennenswerter Bedeutung.Diese Steuerentlastung steht nicht im Widerspruch zur erklärten Politik der Bundesregierung, den Anteil des Mineralöls an der Strom- und Wärmeerzeugung im Interesse einer größeren Versorgungssicherheit so gering wie möglich zu halten. Denn bei der — auch wegen der geltenden steuerrechtlichen Bevorzugung — vorherrschenden Verwendung von Mineralöl in Heizkesseln, Dampf- und Gasturbinen werden wesentlich schwächere Wirkungsgrade erreicht als beim Einsatz in Verbrennungsmotoren. Deshalb haben wir es hier mit einem wirklichen Einsparungseffekt zu tun. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn Kraft und Wärmeerzeugung gekoppelt werden. Kleine Heizkraftwerke auf Dieselbasis können den wirtschaftlichen Aufbau örtlicher Fernwärmeversorgungsbereiche erleichtern, was wiederum die schrittweise weitere Durchsetzung der volkswirtschaftlich sinnvollen Fernwärme, die die Energieverschwendung durch Abwärmeverlust eindämmt, in größerem Maßstab begünstigt.Die neu begünstigten Verfahren sollen nach Auffassung der Bundesregierung der Kohle keine Konkurrenz machen können. Sie kommen gerade dort zum Zuge, wo kohlegefeuerte Kraft- und Heizkraftwerke zur Belieferung neuer kleiner Versorgungsbereiche nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen.Auch beim Antrieb von Wärmepumpen, die weitere Einsparungsmöglichkeiten bei der Raumbeheizung erschließen, ist Dieselkraftstoff besonders günstig. Deshalb soll hier ebenfalls die bisherige Besteuerung aufgegeben werden.Der Ausbildung eine rationelleren Energieversorgungssystems mit einer größeren Unabhängigkeit von Öl dienen neben der Förderung technischer Einsparungsmöglichkeiten auch Kostenstrukturen, die den langfristigen Knappheitsverhältnissen Rechnung tragen. Insofern hat die Erhöhung der Steuer für leichtes Heizöl auch einen gewissen Signalcharakter. Die Verbrennung des kostbaren und in absehbarer Zeit zur Neige gehenden Rohstoffs Öl, bei der die größten Abwärmeverluste entstehen, muß wenigstens tendenziell zurückgedrängt werden, weil sie volkswirtschaftlich unvernünftig ist. Die vorgesehene Steuererhöhung hilft wenigstens zum Teil, die energiewirtschaftlichen Zwecke dienenden Bundesaufwendungen zu decken, die allein 1978 4,3 Milliarden DM betragen sollen. Diesem Aufwand stehen bisher nur 800 Millionen DM an Einnahmen aus der Heizölsteuer entgegen. Diese Summe wird durch die vorgesehene Steuererhöhung auf 1,3 Milliarden DM steigen.Würde dem Bund nicht nur diese Erhöhung, sondern auch die für zwei Jahre beantragte Verlängerung der Heizölsteuer verweigert, so entfiele demgegenüber ab 1980 die zweckgebundene Heizölsteuer als einzige energiepolitisch gebundene Ein-
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7578 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Bundesminister Matthöfernahmequelle gänzlich. Beides — sowohl die gänzliche Streichung als auch die Beschränkung auf 800 Millionen DM — halte ich weder energie- noch finanzpolitisch für vertretbar.Auch die übrigen Einwendungen gegen die vorgesehene Erhöhung der Steuer sind nicht begründet. Die Steuererhöhung läßt wegen ihres geringen Umfangs keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Beschäftigungslage erwarten, zumal das leichte Heizöl zu über 85 % zur Raumbeheizung verwandt wird.Von einer Benachteiligung strukturschwacher Gebiete kann keine Rede sein. Im Gegenteil werden von den Fördermaßnahmen zur rationellen Energieausnutzung neue Impulse zur Schaffung von Arbeitsplätzen auch in strukturschwachen Gebieten ausgehen.Das Mehraufkommen aus der erhöhten Heizölsteuer kann nicht schematisch in die Region zurückfließen, aus der es stammt, oder schematisch dem einzelnen Heizölverbraucher zugute kommen, der mit ihm belastet wird. Es muß vielmehr dort eingesetzt werden, wo es energiewirtschaftlich die beste Wirkung erzielt. Die zukunftsorientierte Energiepolitik der Bundesregierung muß Aufgabenschwerpunkte setzen. Dies ist in der Zweiten Fortschreibung des Energieprogramms und in der gesetzlichen Bindung des Heizölsteueraufkommens für energiepolitische Zwecke sichtbar festgelegt worden.Abschließend noch ein kurzes Wort zum Antrag des Finanzausschusses, einen Art. 1 a in das Gesetz einzufügen. Die dort vorgesehene Nachbesteuerung der Bestände an leichtem Heizöl bei der Mineralölindustrie und beim Mineralölhandel schließt in der Tat eine Gefährdung des Mehraufkommens durch Hortungen von leichtem Heizöl in Tanklägern usw. aus. Endverbraucher bleiben von der Nachsteuer ausgeschlossen, da sie sich über ihren normalen Bedarf hinaus nicht mit Heizölvorräten eindecken werden. Deshalb ist dies eine sinnvolle Regelung.Ich bitte, den Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung zu beschließen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Debatte.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 bis 3 sind gegen die Stimmen der Opposition angenommen.Ich rufe Art. 4 auf. Dazu liegt auf Drucksache 8/1880 ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD/FDP vor. Es handelt sich um das Inkrafttreten. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist angenommen.Wer Art. 4 in der soeben beschlossenen Fassung anzunehmen wünscht; den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist so beschlossen.Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist mit Mehrheit so beschlossen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist in dritter Beratung angenommen.Meine Damen und Herren, es liegt noch eine Beschlußempfehlung des Ausschusses vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/1270 für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist angenommen. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung erledigt.Meine Damen und Herren, wir ziehen jetzt eine Beratung vor. Das haben wir im Ältestenrat zu beschlossen.Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 21 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1978 der Bundesregierung— Drucksachen 811562, 8/1825 — Berichterstatter:Abgeordneter Peters Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1825, dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 8/1562 in der Ausschußfassung zuzustimmen. Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Handzeichen, wenn Sie dem entsprechen wollen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — 3 Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist so angenommen. Punkt 21 ist damit erledigt.Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 12:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 23. März 1973 zur weiteren Verlängerung des Internationalen Olivenöl-Übereinkommens von 1963 mit Änderungen des Übereinkommens— Drucksache 8/1545 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache 8/1808 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Dr. Riede
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Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978 7579
Vizepräsident Frau RengerDer Berichterstatter wünscht nicht das Wort, eine Debatte wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4 mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom. 19. Juli 1976 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik Polen über die steuerliche Behandlung des internationalen Straßenverkehrs— Drucksache 8/1534 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/1796 —
Berichterstatter:Abgeordneter von der Heydt Freiherr von Massenbach
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.Ich rufe Punkt 14 der Tagsordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 18. Februar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über steuerliche Erleichterungen im grenzüberschreitenden deutsch-italienischen Straßenverkehr— Drucksache 8/1535 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/1795 —Berichterstatter: Abgeordneter Gobrecht
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort.Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. Dezember 1976 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Irland über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr-- Drucksache 8/1659 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache 8/1794 —Berichterstatter: Abgeordneter Stutzer
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort.Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Straße zwischen Lörrach und Weil am Rhein auf schweizerischem Gebiet— Drucksache 8/1657 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache 8/1804 —Berichterstatter: Abgeordneter Curdt
Das Wort. zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.Wir kommen zur. Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dies ist einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Funkstörungen durch Hochfrequenzgeräte und Funkanlagen
— Drucksache 8/1672 —
Metadaten/Kopzeile:
7580 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Juni 1978
Vizepräsident Frau RengerBeschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache 8/1803 —Berichterstatter: Abgeordneter Wiefel
Das Wort zur Berichterstattung wird ebenfalls nicht gewünscht.Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 10 mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Schlußabstimmung: Wer dem Gesetz in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen.Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung— Drucksache 8/1664 —Liegen dazu Wortmeldungen vor? — Keine Wortmeldungen dazu.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf auf Drucksache 8/1664 an den Haushaltsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und den Rechtsausschuß zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist auch das so beschlossen.Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films— Drucksache 8/1830 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf auf Drucksache 8/1839 an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — sowie zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. — Es ist so beschlossen, da ich keinen Widerspruch höre.Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:a) Beratung der Ubersicht 5 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache 8/1833 — b) Beratung der Ubersicht 6 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache 8/1834 —Das Wort wird nicht gewünscht.Der Rechtsausschuß empfiehlt auf den Drucksachen 8/1833 und 8/1834, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in den Übersichten 5 und 6 aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich rufe die Punkte 22 und 23 der Tagesordnung auf:22. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Verordnung des Rates über die allgemeinen Regeln für die Finanzierung bestimmter Investitionen durch den EAGFL Abteilung Garantie— Drucksachen 8/1477 Nr. 8, 8/1815 —Berichterstatter: Abgeordneter Bayha23. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1968 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EWG, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten— Drucksachen 8/1557, 8/1840 —Berichterstatter:Abgeordneter Wolfram
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht begehrt.Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber gemeinsam abstimmen? — Es gibt keinen Widerspruch.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen auf den Drucksachen 8/1815 und 8/1840. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt.Ich berufe den Deutschen Bundestag zu seiner nächsten Sitzung für Freitag, den 9. Juni, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.