Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Nach einer Vereinbarung in der Sitzung des Ältestenrates am 20. September 1966 ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes — Drucksache V/891 — auch dem Rechtsausschuß als mitberatendem Ausschuß überwiesen worden.Zu der in der Fragestunde der 56. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. September 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Kahn-Ackermann, Drucksache V/908 Nrn. IV/1 und IV/2 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 15. September 1966 eingegangen. Sie lautet:Zu Frage IV/1:Eine Beherrschung von Fremdsprachen gleich welcher Art wird als Voraussetzung für eine Bewerbung für den Eintritt in den höheren auswärtigen Dienst nicht verlangt, da hierdurch der Kreis der Bewerber zu sehr eingeengt würde.Gefordert wird nur eine mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit in der englischen und französischen Sprache, die durch intensiven Unterricht während der Ausbildung vertieft wird. Auf solche Kenntnisse kann nicht verzichtet werden, da im diplomatischen Verkehr Englisch und Französisch die vorherrschenden Sprachen sind.Eine Kenntnis weiterer Fremdsprachen ist jedoch außerordentlich erwünscht. Bewerber mit Kenntnissen in weiteren Sprachen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen für ihre Eignung gegeben sind, bevorzugt eingestellt. Der Förderung von Fremdsprachen dienen außerdem Zuschüsse zu ihrer Erlernung sowie vom Auswärtigen Amt selbst veranstaltete Sprachkurse. Ferner werden zur Erhaltung solcher Kenntnisse Sprachzulagen gewährt, so z. B. zur Zeit für Spanisch an 146 und für Russisch an 46 Angehörige des höheren Dienstes.Zu Frage IV/2:Die außer einem abgeschlossenen Hochschulstudium erwarteten Kenntnisse in Staats- und Völkerrecht, Volkswirtschaft und neuerer Geschichte beziehen sich nur auf Grundkenntnisse dieser Gebiete, über die besonders geeignete Bewerber, die für eine spätere Tätigkeit als Kultur- oder Pressereferent in Betracht kommen, in der Regel bereits verfügen.Es hat erfahrungsgemäß bisher nicht an geeigneten Bewerbern in ausreichender Anzahl gefehlt.Zu der in der Fragestunde der 55. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. September 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Kahn-Ackermann, Drucksache V/908 Nr. V/1 St) ist inzwischen die*) Siehe 56. Sitzung, Seite 2718 D **) Siehe 55. Sitzung, Seite 2651 Aschriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 15. September 1966 eingegangen. Sie lautet:Ihre Frage, ob die Bundesregierung es billigt, daß auf Beschwerdebriefe an den Bundesverteidigungsminister wegen übermäßiger Belästigung durch Lärm von tieffliegenden Maschinen des Typs F-104 als Antwort vom Luftwaffenamt Porz-Wahn eine Broschüre „Leben mit dem Lärm?" zugesandt wird, beantworte ich wie folgt:Die Broschüre „Leben mit dem Lärm?" trägt den Untertitel „Der Flugzeuglärm — seine Ursachen und seine Bekämpfung". Es handelt sich, wie sich aus dem Vorspruch ergibt, um eine Aufklärungsschrift. Aus dem Vorspruch zitiere ich folgende Sätze: „Lärm ist ein Problem unserer Zeit. Der Kampf gegen den Lärm ist international." Ferner: „Die vorliegende Broschüre soll das Problem des Lärms, so wie es sich für den einzelnen oder ganze Gruppen der Bevölkerung darbietet, untersuchen. Sie will die Belästigung durch den Lärm nicht verharmlosen. Sie bemüht sich aber, die Zusammenhänge zu erklären, und ist bestrebt, die schwierige Lage darzustellen, in welcher sich die Luftwaffe befindet. Sie schildert alle Maßnahmen, welche die Luftwaffe ergriffen hat, um die Belästigung durch den Lärm zu verringern oder in ertragbaren Ausmaßen zu halten . . .Ich würde es nicht für richtig halten, auf konkrete Lärmbeschwerden lediglich durch Übersendung der Aufklärungsschrift „Leben mit dem Lärm?" zu antworten. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn der Antwort auf eine Beschwerde zusätzlich die Broschüre zur Information beigefügt wird.Zu der in der Fragestunde der 55. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. September 1966 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Abelein, Drucksache V/908 Nrn. V/3 und V/4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 15. September 1966 eingegangen. Sie lautet:Zu Frage V/3:Der Haushaltsplan des Bundesministers der Verteidigung hat für das Rechnungsjahr 1965 erstmals Zuwendungen an den „Verband der Reservisten der Bundeswehr e. V." ausgewiesen. Von den veranschlagten Gesamtkosten in Höhe von DM 850 000,—wurden DM 835 000,— verausgabt. Für das Rechnungsjahr 1966 sind Mittel in derselben Höhe veranschlagt.Mit Ausnahme einer einmaligen Zuwendung im Haushaltsjahr 1965 aus Kap. 1401 Tit. 306 leistet das Bundesministerium der Verteidigung an die Zeitschrift „Die Reserve" keine unmittelbaren Zahlungen. Der Wirtschaftsplan des Reservistenverbandes weist für die Rechnungsjahre 1965 und 1966 jeweils DM 140 000,— Herstellungskosten für die Zeitschrift „Die Reserve" aus.Zu Frage V/4:Die Zeitschrift wird auf Grund eines Liefervertrages von der Verlags- und Vertriebsgesellschaft „Die Reserve" GmbH, Bonn, Bennauerstraße 31, für den Reservistenverband hergestellt.Da der bisherige Umfang des Lieferauftrages dem Verlag die Einstellung hauptamtlicher Redaktionspersonals nicht ermöglicht, hat der Verlag unter anderen auch drei — vorübergehend vier — Angehörige der Bundeswehr für eine nebenamtliche Mitarbeit im Redaktionsstab gewonnen.Das Entgelt ist zwischen dem Verlag und den Beteiligten privatrechtlich vereinbart. Die mir vorliegende Kalkulation des Redaktionsfonds, aus dem die redaktionellen Mitarbeiter bezahlt werden, hält sich im brancheüblichen Rahmen.Zu diesem Sachverhalt teile ich Ihnen ergänzend mit, daß mir bereits vor einigen Wochen mit Ihren Fragen zusammenhängende Vorwürfe gegen Verleger und Mitarbeiter der Zeitschrift „Die Reserve" bekannt wurden. Die daraufhin eingeleitete Untersuchung ist noch nicht abgschlossen.*) Siehe 55. Sitzung, Seite 2651 D
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2798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Vizepräsident Dr. Dehler Wir beginnen mit derFragestunde— Drucksachen V/921, V/919 —Ich rufe zunächst die Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksache V/921 — auf. Die erste Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann :Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn beabsichtigt, auf bestimmten Strecken des Zonenrandgebietes den Personenzugverkehr ab 25. September 1966 stillzulegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen der Herren Abgeordneten Höhmann und Dr. Kreutzmann, wenn die Herrn Abgeordneten einverstanden sind, gemeinsam beantworten zu dürfen.
Es bestehen keine Bedenken. Ich rufe also auch auf die zwei weiteren Fragen des Herrn Abgeordneten Höhmann :
Wie vertragen sich die beabsichtigten Stillegungen auf bestimmten Strecken des Zonenrandgebietes mit dem Kabinettsbeschluß vom 16. Dezember 1964, wonach Stillegungsmaßnahmen aller Art im Zonenrandgebiet nicht in Frage kommen?
Stehen die vorgesehenen Maßnahmen zur Stillegung bestimmter Strecken des Zonenrandgebietes im Einklang mit dem Verkehrswegeplan der Bundesregierung und dem zu erwartenden erweiterten Verkehrswegeplan, den die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern erarbeiten will?
und die drei Fragen des Abgeordneten Dr. Kreutzmann:
Hat die Bundesregierung ausreichend Mittel bereitgestellt, um den Personenzugverkehr auch nach dem Fahrplanwechsel Sommerfahrplan 1966/Winterfahrplan 1966/67 im Zonenrandgebiet sicherzustellen?
Hält die Bundesregierung die gesamtdeutschen Belange bei Streckenstillegungen direkt an der Zonengrenze, wie ab 25. September 1966 geplant, für ausreichend gewahrt?
Sind die in Frage 5 erwähnten Stillegungen mit den Raumordnungsplänen der Bundesregierung und der Länderregierungen in Einklang gebracht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat erstmalig im Frühjahr dieses Jahres über eine Reihe von Strecken, darunter auch Strecken im Zonenrandgebiet, berichtet, auf denen in absehbarer Zeit eine Betriebseinstellung wegen des schlechten Streckenzustandes aus technischen Gründen unvermeidlich sein würde. Bei Betriebseinstellung aus technischen Gründen handelt es sich nicht um eine Stillegung auf Dauer im Sinne des § 14 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes, sondern um eine Maßnahme, die von der Bundesbahn bei Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs aus eigenem Entschluß und in eigener Verantwortung durchgeführt wird.
Unter den von der Bundesbahn genannten Strekken befinden sich drei im hessischen Zonenrandgebiet, die Sie wohl in Ihren Fragen angesprochen haben. Die Bundesbahn hat für diese Strecken eine Ersatzbedienung auf der Straße für den Personen-und Güterverkehr zu gleichen Bedingungen und Tarifen vorgesehen. Die Verhandlungen darüber, ob der von der Deutschen Bundesbahn vorgesehene
Ersatzverkehr allen sachlichen und politischen Gesichtspunkten, wie sie auch in den von Ihnen gestellten Fragen geltend gemacht werden, Rechnung trägt, sind noch nicht abgeschlossen. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat sich deshalb bereit erklärt, noch einmal zu prüfen, ob durch Mittel der sogenannten kleinen Unterhaltung die Betriebssicherheit doch noch über den 25. September 1966 hinaus gewährleistet werden kann.
Zur grundsätzlichen Seite der Angelegenheit darf ich in Beantwortung Ihrer weiteren Fragen auf folgendes hinweisen. Für die Bedienung des Personenverkehrs im Zonenrandgebiet ist die Mittelbereitstellung im Rahmen des Wirtschaftsplanes der Deutschen Bundesbahn und der Leistungen des Bundes wie bisher sichergestellt. Der Kabinettsbeschuß vom 16. Dezember 1964 gilt grundsätzlich auch heute noch. In der Erkenntnis, daß der Beschluß nicht zur Verhinderung einer Verbesserung der Verkehrsbedienung im Zonenrandgebiet führen darf, schließt das vom Kabinett am 26. Januar 1966 verabschiedete Verkehrspolitische Programm für die fünfte Legislaturperiode solche Verbesserungen im Zonenrandgebiet jedoch nicht generell aus. Es ist vielmehr selbstverständlich, daß das Zonenrandgebiet wegen seiner besonderen Stellung an den Bestrebungen, den Verkehr optimal zu bedienen, voll beteiligt werden muß.
Diese Grundsätze entsprechen den Notwendigkeiten der Raumordnung in Bund und Ländern. Sie stehen auch den gesamtdeutschen Belangen nicht entgegen, da im Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung vom 26. Januar 1966 die Aufrechterhaltung von verlustbringenden Strecken im Zonenrandgebiet aus politischen Gründen Vorgesehen ist. Unter diesen Gesichtspunkten der verkehrsmäßigen Erschließung und Förderung des Zonenrandgebietes ist auch der Verkehrswegeplan der Bundesregierung erstellt worden, der zur Zeit in Zusammenarbeit mit den Ländern in einer erweiterten Form vorbereitet wird.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Höhmann!
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht auch sagen, daß, wenn es Unterlagen dafür gibt, daß man schon im Juli und August 1965 vom Präsidenten der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn auf die Streckenstillegungen hingewiesen worden ist, Sie heute eine falsche Antwort gegeben haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir sind diese Unterlagen im Augenblick nicht bekannt. Ich wüßte auch nicht, warum ich eine falsche Antwort gegeben haben sollte. Nach meinen Unterlagen, Herr Abgeordneter, ist unser Haus, wie ich gesagt habe, erstmalig im Frühjahr dieses Jahres mit diesen möglichen Strekkenstillegungen konfrontiert worden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Höhmann.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2799
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß der Präsident der Deutschen Bundesbahn, wenn er an den Herrn Minister herangetreten ist und darüber Aktenvermerke macht, unglaubwürdig sei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das glaube ich nicht. Ich unterstelle das nicht. Aber ich wäre dankbar, wenn Sie mir diese Unterlagen freundlichst überlassen würden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicher wie mir bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn am 2. Dezember 1964, am 28. Februar 1966 und am 22. Juli 1966 Mittel angefordert hat, um diese Strecken unterhalten zu dürfen. Was hat denn die Regierung bisher getan, um den Anforderungen der Deutschen Bundesbahn nach dem Beschluß der Bundesregierung auf irgendeine Art und Weise nachzukommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann Ihre Zahlenangaben auf Grund meiner Unterlagen nicht voll bestätigen. Ich kann nur bestätigen, daß dieses Schreiben von Ende Februar möglicherweise das Schreiben ist, das bei uns Anfang März eingegangen ist.
Zur Sache selbst. Ich habe bereits in meinen grundsätzlichen Darlegungen ausgeführt, daß die Sicherstellung der Verkehrsbedienung Aufgabe der Bundesbahn ist, die dafür die nötigen Mittel im Wirtschaftsplan bereitstellt und die dazu wegen der defizitären Lage der Bundesbahn weitere Mittel als Liquiditätsbeihilfen erhält. Es ist der verständliche Wunsch der Bundesbahn, die Ausgaben für unrentable Strecken, die sie aus irgendwelchen politischen oder wirtschaftspolitischen Gründen aufrechterhalten muß, entsprechend den Erklärungen des verkehrspolitischen Programms möglichst zusätzlich ersetzt zu bekommen. Diese Verhandlungen sind geführt worden, haben aber leider nicht zu einem Ergebnis geführt, weil die Haushaltslage derartige zusätzliche Finanzierungen im Augenblick nicht ermöglicht.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, welche Zusage können Sie machen, wenn es darum geht, daß am 25. September gewisse Strecken im Zonenrandgebiet „ausgetrocknet" werden sollen? Geht das jetzt am 25. September los, oder ist die Bundesregierung bereit, etwas zu tun, damit das nicht geschieht? Ich frage ganz konkret.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesbahn ist bereits vor Ihrer Dringlichkeitsanfrage, die wir erst gestern nachmittag erhalten haben, durch
den Herrn Minister schriftlich dringend ersucht worden, alles zu tun, um die Aufrechterhaltung des Verkehrs über den 25. September hinaus zu gewährleisten.
Ich habe noch gestern am späten Abend eine fernmündliche Rücksprache mit einem Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbahn gehabt. Es hat mir bestätigt, daß diese Frage derzeit geprüft wird und daß die Bundesbahn bemüht sein wird, unserem Ersuchen nachzukommen. Von einer „Austrocknung", Herr Abgeordneter, auf dem Wege über eine technische Stillegung kann nicht die Rede sein. Eine „Austrocknung" wäre eine Stillegung auf Dauer, die nur mit Zustimmung des Bundesministers für Verkehr durchgeführt werden kann. Ein solcher Antrag auf Stillegung auf Dauer ist für keine der Strecken, die Sie im Auge haben, von der Bundesbahn bei uns gestellt worden.
Vizepräsidet Dr. Dehler: Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, können Sie mir und dem Hohen Hause klarmachen, welcher Unterschied für den Bundesbahnbenutzer darin besteht, ob eine Strecke stillgelegt oder ob der Betrieb zeitweilig eingestellt wird? Besteht da ein Unterschied für den Benutzer, oder gibt es nur Unterschiede für die Bundesbahn und die Regierung, sich aus solchen Sachen herauszuziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Unterschied ist, glaube ich, sehr leicht zu erklären, vor allem in dem vorliegenden Fall einer eingleisigen Strecke. Jede Eisenbahnstrecke bedarf zu einem gewissen Zeitpunkt der Überholung, der Erneuerung. Bei der eingleisigen Strecke wird dies ohne Verkehrsbehinderung oder vorübergehende Verkehrseinstellung nicht möglich sein. In all diesen Fällen wird für die Zeit der Behinderung der Verkehr durch die Bundesbahn zu gleichen Bedingungen und gleichen Tarifen durch Ersatzmittel sichergestellt. Eine Stillegung nach Maßgabe des Bundesbahngesetzes bedeutet, daß eine Strecke auf die Dauer stillgelegt werden soll. Davon ist hier nicht die Rede.
Eine letzte Frage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Staatssekretär, nachdem die Frage so genau nicht beantwortet werden konnte, möchte ich fragen: Sind Sie schon jemals mit der Deutschen Bundesbahn gefahren, und können Sie mir dann aus Ihren Erfahrungen sagen, welcher Unterschied darin besteht, ob ein Zug nicht abfährt bzw. nicht ankommt, wenn die Strecke stillgelegt wird oder die Bundesbahn den Betrieb einstellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich habe diese Erklärung deutlich genug gegeben; ich möchte sie nicht noch einmal wiederholen.
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2800 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Herr Abgeordneter Dr. Kreutzmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Präsident der Deutschen Bundesbahn, Herr Professor Oeftering, noch Ende August erklärt hat, daß eine Hinausschiebung des Termins der Sperrung über den 25. September nicht in Frage kommt? Besagen Ihre Ausführungen hier im Hause nun, daß der Termin doch hinausgeschoben werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Termin soll nach unserem Wunsch hinausgeschoben werden, wenn dies nach nochmaliger Überprüfung der Sicherheitsvoraussetzungen möglich ist. Diese Überprüfung ist vom Vorstand der Bundesbahn zugesagt worden.
Herr Dr. Kreutzmann zu einer weiteren Frage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Strecken SeifertsWüstensachsen und Wanfried—Heldra unmittelbar an der Zonengrenze entlangführen und von der mitteldeutschen Seite her deutlich eingesehen werden können? Sind Sie nicht der Meinung, daß hier wirklich gesamtdeutsche Belange in Gefahr geraten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir sind diese Strecken genau bekannt. Auch nach unserer Auffassung kommt eine ständige Stillegung, wenn überhaupt, nur dann in Frage, wenn im Rahmen einer optimalen Verkehrsbedienung eine bessere Gesamtverkehrsbedienung dieses Gebietes sichergestellt ist.
Herr Dr. Kreutzmann zu einer weiteren Frage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie diese bessere Verkehrsbedienung z. B. auf der Strecke Hümme–Karlshafen als gegeben an, wenn allein in der Stadt Trendelburg morgens 100 Pendler und Schüler die Frühbusse benutzen wollen, diese Busse aber schon mit 25 bis 30 Personen besetzt sind? Mehr können da nicht aufgenommen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie dürfen versichert sein, daß die Genehmigung des Ersatzverkehrs nur dann erfolgt, wenn die absolut reibungslose und bessere Verkehrsbedienung vorher gewährleistet ist.
Herr Abgeordneter Professor Bechert zu einer Zusatzfrage.
Dr. Bechert (SPD) : Herr Staatssekretär, widerspricht Ihre Auskunft, die Sie vorhin Herrn Höhmann gegeben haben, nämlich daß es nicht zur Verhinderung von Verbesserungen oder
Ausbesserungsarbeiten kommen darf, nicht der Tatsache, daß auf der Strecke Hümme–Karlshafen, linkes Ufer der Weser, seit Jahren keinerlei Ausbesserungsarbeiten mehr stattfinden, so daß die Strecke jetzt stillgelegt werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, daß darin ein Widerspruch liegt. Ich weiß nicht, ob wirklich keine Ausbesserungsarbeiten durchgeführt worden sind. Das ist eine Entscheidung der Bundesbahn, in die wir von seiten des Ministeriums überhaupt nicht eingreifen können. Die Bundesbahn ist nach dem Bundesbahngesetz verpflichtet, ihre Anlagen sicher zu führen und instand zu halten.
Eine weitere Frage.
Dr. Bechert (SPD) : Herr Staatssekretär, steht Ihre Auskunft, die Sie soeben Herrn Kreutzmann zur gleichen Strecke Hümme–Karlshafen gegeben haben, nämlich daß eine optimale Verkehrsbedienung gesichert sein müsse, bevor eine Stillegung in Betracht kommen könne, nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß, wie Herr Kreutzmann soeben geschildert hat, sehr viele Pendler nicht in den Autobus hineinkommen, also keine optimale Verkehrsbedienung gegeben ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber, Herr Abgeordneter, wenn sie jetzt, bei dem derzeitigen Zustand, nicht hineinkommen können, dann müssen eben neue Autobusse bereitgestellt werden, bevor an eine Stilllegung gedacht wird.
An sich wäre das Thema erschöpft. Vielleicht vom Kollegen Fritsch und vom Kollegen Börner noch je eine Frage.
Herr Abgeordneter Fritsch, bitte!
Herr Staatssekretär, schließt das, was Sie gesagt haben, mit ein, daß die Auflösung von Bundesbahndirektionen, die weite Strecken des Zonenrandgebietes mitverwalten, ebenfalls ausgeschlossen sein wird? Es bestehen ja z. B. Pläne, die Bundesbahndirektion Regensburg aufzulösen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß die von Ihnen jetzt angeschnittene Frage auch nur im geringsten Zusammenhang mit dem hier erörterten Problem steht.
Herr Abgeordneter Börner, noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin im Rahmen der Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Höhmann ausgeführt, daß für die Aufrechterhaltung der Bedienung des Zonenrandgebiets durch die Deutsche Bundesbahn Mittel
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2801
Börnerwie bisher zur Verfügung stehen. Ich frage Sie deshalb: Heißt dieses „bisher", daß weitere Strecken aus einem ähnlichen Mangel an Investitionsmitteln in absehbarer Zukunft im Zonenrandgebiet stillgelegt bzw. gesperrt werden müssen, und wenn ja, sind Sie sich darüber im klaren, daß die Auswirkungen dieser eben zitierten Maßnahmen im nordhessischen Zonenrandgebiet für den Bürger in diesem Teil der Bundesrepublik in klarem Widerspruch zu den Erklärungen stehen, die sowohl der Herr Bundesverkehrsminister als auch der Herr Vizekanzler in seiner Eigenschaft als Gesamtdeutscher Minister vor Jahresfrist bei der Bereisung dieser Gebiete abgegeben hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre erste Frage mit einem klaren Nein, so daß sich die Beantwortung der zweiten wohl erübrigt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung die Frage des Abgeordneten Dröscher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der Konferenz der Kultusminister anzuregen, daß die Oberstufen der höheren und entsprechender Schulen angeregt werden, während des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Umgebung der Heimatgemeinden in einfacher Weise nach Uranerzen zu prospektieren, um damit dem in absehbarer Zeit zu erwartenden Mangel in Europa wenigstens einen Versuch entgegenzustellen, die Suche nach neuen Lagern volkstümlich zu machen?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung hält einen Einsatz von Schulkindern zur Uransprospektierung in Deutschland weder für zweckmäßig noch für notwendig. Fachleute haben das Bundesgebiet seit 1956 in einer ersten Prospektierungsstufe bis auf gewisse Teile des Schwarzwaldes durch Oberflächenmessung der Radioaktivität durchmustert.
Die nunmehr als zweite Stufe notwendige nähere Erkundung der bekannten Fundstellen kann nur Angelegenheit der einschlägigen Industrie sein. Sie erfordert den Einsatz von Bohrgeräten und anschließend bergmännische Arbeiten. Da diese Maßnahmen sehr kostspielig sind, wird sich die eingehende Untersuchung aller lohnenden Fundstellen über einen längeren Zeitraum verteilen müssen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist Ihnen der internationale Bericht des zweiten ForatomKongresses des Jahres 1965 über Uranvorräte bekannt, in dem darauf hingewiesen wird, daß in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in anderen führenden Ländern die Suche nach Uran eine „Sache des ganzen Volkes" gewesen ist?
- Das ist nicht lächerlich; das ist eine Lebensfrage für die Zukunft, meine Herren.
Herr Kollege Dröscher, ich glaube, daß die Formulierung „eine Sache des ganzen Volkes" auch unter den dortigen anderen Verhältnissen nicht ganz die Wirklichkeit trifft. Daß dort in den USA die geologischen und soziologischen Voraussetzungen andere sind als bei uns, ist wohl bekannt.
Ich darf aber unter Berufung auf den hier genannten Sachverhalt, daß wir jetzt vor einer Phase der industriellen Auswertung stehen, meine Auffassung wiederholen, daß unter den deutschen Bedingungen ein Einsatz von Schulklassen weder geboten noch zweckmäßig ist.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Bundesminister, nachdem aus Ihrer Antwort auf meine Frage vom 16. Juni hervorgeht, daß
a) in Frankreich in den Jahren 1946 bis 1964 mit einem Aufwand von 309 Millionen DM Vorräte von etwa 37 000 t Uran geortet und festgestellt worden sind — in der Bundesrepublik sind in der gleichen Zeit mit einem Aufwand von 18 Millionen DM nur 1000 bis 3000 t geortet worden —
wenn ich unterstelle, daß b) der Bedarf in der Bundesrepublik bis zum Jahre 2000 etwa 100 000 t betragen wird und
schließlich c) die Steuerzahler jährlich allein an das einzige Uranaufbereitungswerk in unserem Land etwa 1 Million DM an Zuschüssen zahlen, weil nicht genug Uranerz bei uns erschlossen ist, frage ich Sie: Wie halten Sie unter diesen Voraussetzungen die Erfüllung dieser dringenden Aufgabe in steigendem Maße für möglich?
Herr Kollege Dröscher, die in Ihrer Zusatzfrage angeschnittenen allgemeinen Probleme der Uranversorgung und der Notwendigkeit nachhaltig verstärkter Bemühungen um die Erkenntnis und die Ausnutzung dieser Möglichkeiten im In- und Ausland sind ein Thema, das uns mit allem Ernst beschäftigt. Nur glaube ich, daß die in Ihrer Hauptfrage angeschnittene Thematik des Einsatzes von Schulkindern damit in keinem Zusammenhang steht.
Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich damit spektakulär deutlich machen wollte, was wir versäumen, Herr Minister.
Ich danke Ihnen, Herr Minister, und rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf, zunächst die Frage V/3 des Herrn Abgeordneten Lemper:Ist der Bundesregierung die krisenhafte Entwicklung im rheinischen Braunkohlenrevier bekannt, durch die im Laufe der nächsten Jahre drastische Maßnahmen unumgänglich werden?Bitte, Herr Staatssekretär!
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2802 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung ist die Entwicklung im rheinischen Braunkohlenrevier bekannt. Sie ist nicht der Auffassung, daß es sich um eine krisenhafte Situation handelt. Nachdem die Rohbraunkohlenförderung des rheinischen Reviers in den vergangenen Jahren kontinuierlich und erheblich gestiegen ist, ist allerdings erstmalig im Jahre 1965 ein Rückgang gegenüber der Vorjahresförderung eingetreten. Diese Entwicklung hat sich jedoch im ersten Halbjahr 1966 nicht fortgesetzt. Die Förderung ist in diesem Zeitraum vielmehr ebenso hoch gewesen wie in der gleichen Zeit des Vorjahres. Der Förderrückgang im Jahre 1965 ist überwiegend durch einen Rückgang im Braunkohlenbrikettabsatz begründet. Auch diese Entwicklung hat sich im ersten Halbjahr 1966 nicht fortgesetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lemper.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die jüngsten Ereignisse im linksrheinischen Braunkohlenrevier, z. B. Wegfall der Sonntagsschichten und dergl., dazu führen, daß die betroffenen Arbeitnehmer monatlich bis zu 200 DM weniger Einkommen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich will dieser Frage gern nachgehen. Ich glaube aber, daß man diese Feststellung so generell nicht treffen kann. Ich habe soeben auf die Entwicklung der Produktion hingewiesen und habe darauf aufmerksam gemacht, daß sich der Förderrückgang, der sich im Jahre 1965 eingestellt hatte und der ziemlich gering gewesen ist, im Jahre 1966, soweit uns die Zahlen bisher vorliegen, nicht fortgesetzt hat. Ich verweise noch einmal darauf, daß der besonders wichtige Brikettabsatz im ersten Halbjahr 1966 wieder angestiegen ist, und zwar um 6 %.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Lemper.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die jüngsten Ereignisse dazu geführt haben, daß große Besorgnis bei den Arbeitnehmern des rheinischen Braunkohlenreviers dadurch entstanden ist, daß die Rationalisierungsmaßnahmen, die selbstverständlich getroffen werden müssen, nicht nur zur Modernisierung und zur Einsparung führen, sondern daß auch das Einkommen der Arbeitnehmer dadurch berührt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ganz selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Ich begrüße aber gerade die hier gestellten Fragen. Die Antworten sollten auch dazu dienen, zu einer Beruhigung im Braunkohlenrevier beizutragen. Ich glaube nicht, daß man aus Entwicklungen von wenigen Tagen oder wenigen Wochen auf eine krisenhafte Situation schließen sollte. Die
Zahlen, die ich hier genannt habe und die ich noch ziemlich lange ergänzen könnte, zeigen ganz deutlich, daß man sich sehr davor hüten sollte, eine Parallele zwischen der Situation im Steinkohlenbergbau und der Situation im Braunkohlenbergbau zu ziehen.
Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, daß wir im völligen Unterschied zur Lage qm Steinkohlenbergbau in den Jahren 1961, 1962, 1963 und 1964 einen permanenten Anstieg der Produktion gehabt haben, daß wir lediglich im Jahre 1965 einen leichten Rückgang zu verzeichnen haben, aber —nun wiederhole ich mich — im ersten Halbjahr 1966 sowohl insgesamt als auch in der Brikettproduktion wieder eine Steigerung, verglichen mit dem Zeitraum des Vorjahres, gehabt haben. Wenn die Entwicklung in den letzten Wochen anders gewesen ist, dann gibt das sicherlich keinen Anlaß zu generalisieren.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lemper.
Ich habe ja nur zwei Zusatzfragen. Darf ich als Vorgriff auf die anderen Fragen eine Zusatzfrage stellen?
Einverstanden.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht mit mir, daß es besser ist, derartige negative Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und auf sie aufmerksam zu machen, als später vor einer ähnlich unüberbrückbaren Krise wie der im Steinkohlebergbau zu stehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ganz selbstverständlich ist es notwendig, daß sich die Unternehmer und auch die Bundesregierung rechtzeitig den Kopf über gehörige Rationalisierungsmaßnahmen und andere Maßnahmen zerbrechen. Aber ich darf doch darauf aufmerksam machen, daß gerade im rheinischen Braunkohlebergbau der Rationalisierungsgrad ziemlich hoch ist.
Ich möchte damit nicht Ihrer zweiten Frage vorgreifen, Herr Abgeordneter, aber immerhin ist es doch interessant, daß wir im rheinischen Braunkohlebergbau Ende Juni 21 811 Beschäftigte — das ist die letzte Zahl — gehabt haben, die in diesem Jahr wohl etwa eine Produktion von 85 bis 90 Millionen t bewältigen werden. Sie, Herr Abgeordneter, kennen die Entwicklung viel zu genau, als daß ich das noch besonders unterstreichen müßte. Aber bitte, es ist eine ungeheure Leistung, die hier von dem einzelnen Arbeiter dank der sehr intensiven Rationalisierung vollbracht wird.
Die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Lemper.Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die ca, 20 000Arbeitsplätze im rheinischen Braunkohlenrevier zu sichern?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2803
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach Auffassung der Bundesregierung kann von einer generellen Gefährdung der Arbeitsplätze im rheinischen Revier gar keine Rede sein. Sollte es jedoch wider Erwarten in Einzelfällen zu Entlassungen wegen Schwierigkeiten auf dem Braunkohlenbrikettmarkt kommen, so ist die Bundesregierung bereit, dafür einzutreten, daß die davon betroffenen Arbeitnehmer Hilfe gemäß Art. 56 des Montanunionsvertrages erhalten.
Ich verweise aber nochmals darauf, daß der Brikettabsatz im ersten Halbjahr 1966 — verglichen mit dem Vorjahr — wieder angestiegen ist.
Nun die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Lemper:
Ist die Bundesregierung bereit, der Braunkohle die gleichen Stützungsmaßnahmen zu gewähren wie der Steinkohle?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage beantworte ich wie folgt. Da die Bundesregierung, wie gesagt, der Auffassung ist, daß sich das rheinische Braunkohlerevier nicht in einer Krise befindet, ist sie nicht bereit, der Braunkohle gleiche Stützungsmaßnahmen wie der Steinkohle zu gewähren. Das ist natürlich auf die gegenwärtige Situation bezogen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß, falls im rheinischen Braunkohlerevier einmal eine ernsthafte Krise eintreten sollte, neue Überlegungen seitens der Bundesregierung angestellt werden, um entsprechende Stützungs- oder Förderungsmaßnahmen einzuleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ganz selbstverständlich wird im Falle einer Krisensituation die Lage sehr gründlich überprüft werden. Ich verweise hierbei noch einmal auf meine Antwort auf Ihre zweite Frage. Ich habe dort gesagt, daß die Bundesregierung dafür eintreten wird, daß eventuell betroffene Arbeitnehmer Hilfe nach Art. 56 erhalten. Sie kennen die ganze Vielfalt der Hilfen, die hier zur Diskussion stünden. Damit ist nicht gesagt, daß sich die ganze Phantasie der Bundesregierung auf den Art. 56 des Montanunionsvertrages konzentrieren würde.
Ich rufe die Fragen V/1 und V/2 des Herrn Abgeordneten Mattick auf:
Ist dem Bundeskanzler bekannt, daß die zuständigen Minister der Bundesregierung dringend davor warnen, Bemühungen der Interzonentreuhandstelle, Erleichterungen im Berlin-Verkehr zu erreichen, vorher öffentlich zu verkünden und zu diskutieren?
Hat die Bundesregierung die Absicht, in Zukunft auch die Ergebnisse der in Frage V/1 erwähnten Gespräche öffentlich bekanntzugeben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, gestatten Sie mir, daß ich die beiden Fragen zusammen beantworte. Zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Herren Ministern besteht volle Übereinstimmung, daß es
grundsätzlich nicht in unserem Interesse liegt, wenn Verhandlungsgegenstände der Treuhandstelle für den Interzonenhandel und unsere Verhandlungsziele — insbesondere Bemühungen um Erleichterungen im Berlinverkehr — vor Abschluß der Verhandlungen der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden. Insoweit bedarf es keiner Warnung einzelner Minister. Es gibt aber Fälle, an denen die Öffentlichkeit ein so großes allgemeines Interesse nimmt, daß es durchaus richtig ist, der Allgemeinheit unseren Standpunkt eindeutig klarzumachen. Ich erinnere z. B. an die Situation, daß die andere Seite sich weigerte, die bisherige Unterschriftsform für die Währungsgebiete der DM-Ost zu leisten. Ein solcher Fall kann auch gegeben sein, wenn die andere Seite böswillige Schikanen im Berlin-Verkehr unternimmt. Es kommt also durchaus auf den Einzelfall an. wenn man entscheiden will, welcher Weg zweckmäßig ist.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß Verhandlungsergebnisse der Treuhandstelle für den Interzonenhandel wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft in geeigneter Weise bekanntgegeben werden sollten.
Herr Abgeordneter Mattick zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, benötigt der Herr Bundeskanzler erst ein Telegramm des Berliner Landesvorsitzenden der CDU, um darauf aufmerksam gemacht zu werden, daß es im Interzonenverkehr ständige Sorgen gibt und daß die Berliner durch diesen Interzonenverkehr dauernd belastet sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich nicht, Herr Abgeordneter. Aber es sollte weder den Berlinern noch irgendeiner in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeit verboten sein, sich über Fragen Sorgen zu machen, die auch uns mit Sorgen erfüllen. Das ist auch hier der Fall gewesen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Mattick.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, wenn ich feststelle, daß in einem derartigen Fall ein öffentlicher Telegrammwechsel mehr Belastungen als Vorteile mit sich bringt? Ist es nicht so, daß die Menschen — Berliner und Westdeutsche —, die auf dieser Straße fahren müssen, im Grunde genommen dauernd einem Druck unterliegen und daß sie sich darüber wundern müssen, wenn man in Einzelfällen mit diesen Dingen öffentliche Propaganda macht, statt dauernd darum bemüht zu sein, den Interzonenverkehr — auch den Personenverkehr — zu erleichtern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe versucht, in meiner Antwort deutlich zu machen, daß es sich bei allen derartigen Verhandlungen, insbesondere bei Verhandlungen der Treuhandstelle,
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2804 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Staatssekretär Dr. Langerin der Regel um sehr heikle Fragen handelt, bei denen sehr genau abgewogen werden muß, was in der Öffentlichkeit gesagt werden kann und was im Interesse der Sache besser vertraulich behandelt werden sollte. Wir, die wir mit den Dingen zu tun haben, stehen permanent vor dieser Frage.Ich darf in diesem Zusammenhang dem Hohen Hause mitteilen, daß Herr Minister Schmücker gerade gestern mittag eine ausgiebige Unterhaltung mit Vertretern aller Fraktionen des Hohen Hauses gehabt hat, in der wir versucht haben, umfassenden Aufschluß auch über die Situation des Interzonenhandels zu geben.
Herr Abgeordneter Borm zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen in der letzten Zeit Fälle bekanntgeworden, in denen durch vorherige Behandlung der Angelegenheit in der Öffentlichkeit eine Schädigung der Interessen Berlins oder der Interessen der Bundesrepublik eingetreten ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich müßte diese Frage ganz eindeutig verneinen.
Ich rufe die Frage V/6 des Herrn Abgeordneten Fritsch auf:
Sieht die Bundesregierung im Siebenten Zolländerungsgesetz vom 30. August 1966 eine Handhabe, um die für die bayerische Granitindustrie existenzgefährdenden Einfuhren von Granit aus Portugal zu verhindern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, auf Grund des 7. Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes die Einfuhr von Granit aus Portugal zu verhindern. Das von Ihnen zitierte Änderungsgesetz erlaubt lediglich eine beschleunigte Abwicklung der Antidumping- und Subventionsfälle, indem es die Möglichkeit eröffnet, bereits nach Einleitung des Prüfungsverfahrens unter besonderen Voraussetzungen vorläufige Antidumping- oder Ausgleichszölle anzuwenden. Es enthält keine Änderung der materiellen Antidumping-Vorschriften des Zollgesetzes. Für die Frage, wenn ein Dumping vorliegt, ist daher weiterhin § 21 des Zollgesetzes in Verbindung mit Art. VI Abs. 1 des GATT maßgebend. Hiernach liegt Dumping dann vor, wenn der Preis einer Ware auf der gleichen Handelsstufe für den Export niedriger ist als für den Inlandsabsatz. Begründete Anhaltspunkte dafür, daß Dumping in diesem Sinne bei der Einfuhr von Bord- und Pflastersteinen aus Portugal vorliegt, sind mir bisher nicht bekannt. Die niedrigen Preise für portugiesisches Granitmaterial beruhen hauptsächlich auf den niedrigen Löhnen der portugiesischen Arbeiter. Derartige
Preise, die infolge niedrigen Lohnniveaus im Ausfuhrland zu besonders günstigen Angeboten auf den Exportmärkten führen, ohne daß es zu Differenzierungen zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Marktpreis im Ausfuhrland kommt, sind kein Dumping im Sinne des Zollgesetzes und vor allen Dingen kein Dumping im Sinne des GATT. Störenden Einfuhren dieser Art kann daher nicht durch Verhängung von Antidumping- oder Ausgleichszöllen begegnet werden.
Herr Abgeordneter Fritsch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht Ihr Haus andere Möglichkeiten, der bedrängten bayerischen Granitindustrie zu helfen und zu versuchen, ihre Existenz zu erhalten, nachdem sich gerade diese Einfuhren aus Portugal als außergewöhnlich existenzgefährdend erwiesen haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, darf ich darauf verweisen, daß die Bundesregierung sich zu diesem Thema wiederholt geäußert hat. Ich hatte hier die Möglichkeit, mich am 10. Februar und am 20. Juli mit dem Fragenkreis ausgiebig zu befassen. Herr Abgeordneter, darf ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Antwort, die ich seinerzeit für die Entwicklung der Importe aus Portugal für die ersten Monate dieses Jahres nur als eine vorläufige geben konnte, durch die nun vorliegenden Halbjahreszahlen bestätigt worden ist. Im ersten Halbjahr 1966 haben die Importe von Bord-und Pflastersteinen aus Portugal um 23 % gegenüber dem ersten Halbjahr 1965 abgenommen, erfreulicherweise nicht mehr zugenommen.
Ich verweise darauf, Herr Abgeordneter, daß wir in den nächsten Tagen, und zwar am 5. Oktober, im Bundeswirtschaftsministerium eine umfassende Erörterung des gesamten Fragenkreises mit dem Bayerischen Industrieverband Steine und Erden, mit dem Bundesverband der Natursteinindustrie und mit dem Bundesverband der Steine- und Erdenindustrie unter Beteiligung des zuständigen bayerischen Ministeriums haben werden. Wir kennen diesen Problemkreis sehr genau — das ging aus den früheren Antworten wohl hervor — und sind sehr bemüht, dabei weiterzukommen. Es geht aber nicht auf dem Weg der Verhinderung oder der staatlichen Abbremsung von Importen aus Portugal.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie meiner Feststellung zustimmen, daß sich damit die Ausführungen von CSU-Kollegen zu dieser Frage bei der Verabschiedung des Antidumpinggesetzes als rechtlich unzutreffend herausgestellt haben? Es wurde nämlich in der Debatte gesagt, daß dieses Antidumpinggesetz die Möglichkeit einer solchen Handhabung biete.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2805
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe die Protokolle der Diskussion im Bundestag von damals nicht zur Hand. Ich hatte aber damals die Ehre, diesen Gesetzentwurf zu vertreten, und habe, glaube ich, wenn ich mich nicht irre, in meiner Antwort jedenfalls darauf aufmerksam gemacht, daß diese Möglichkeit nicht gegeben sei.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen! — Sie wollen den Herrn Staatssekretär' aber nicht zum- Zensor der Urteile dieses Hauses machen! Das steht ihm nicht zu.
Herr Präsident, diese Absicht habe ich auch nicht. Ich wollte nur den Herrn Staatssekretär noch einmal fragen, ob ihm noch in Erinnerung sei, daß diese Argumente hier gebracht worden sind, die sich nach seiner heutigen Auskunft als rechtlich unzutreffend herausgestellt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, die Feststellung kann ich nicht unterstreichen. Im übrigen würde ich anregen — soweit eine Anregung erlaubt ist —, das Protokoll der 52. Sitzung vom 29. Juli nachzulesen. Dort sind alle Ausführungen genau niedergelegt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zuerst die Frage II/1 des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert:
Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Entsendestaaten über die rechtliche Gleichstellung und soziale Sicherung der bei den alliierten Stationierungsstreitkräften beschäftigten Personen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.
Die Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 20. September 1966 lautet:
Die Regierungsverhandlungen zwischen einer Delegation der Bundesregierung und Vertretern der sechs Entsendestaaten sind am 14. und 15. Juni 1966 begonnen worden. Entgegen der ursprünglichen Absicht aller Verhandlungspartner, die Verhandlungen Ende Juli 1966 fortzusetzen, ist es leider noch nicht möglich gewesen, die Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Regierungsverhandlungen zum Abschluß zu bringen.
Die Bundesregierung hofft jedoch, die Regierungsverhandlungen mit den Regierungen der sechs Entsendestaaten noch vor Ende des Jahres wieder aufnehmen zu können. Sie bleibt um eine Beschleunigung bemüht.
Ich rufe die Frage II/2 des Abgeordneten Müller auf:
Kann oder inwieweit kann die Bundesregierung die Richtigkeit der Darstellungen des in der „Süddeutschen Zeitung" vom 19. Juli 1966 unter der Überschrift: „Ostberlin drängte jahrelang auf Mauerbau" erschienenen „Berichts des geflüchteten polnischen Exdiplomaten Tykocinski" bestätigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielleicht sind Sie damit einverstanden, Herr Präsident, daß ich die beiden Fragen zusammen beantworte.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage II/3 des Abgeordneten Müller auf:
Sind der Bundesregierung noch andere als die in Frage II/2 erwähnten Quellen bekannt, nach denen das sowjetische Militär „den Ostdeutschen keine eigenen Schritte" erlaubt und Moskau entscheidet, ob in Berlin Frieden und Ruhe herrscht oder ob beispielsweise Störmanöver auf den westlichen Zugangswegen nach Berlin erfolgen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet wie folgt. Die Darstellungen in der „Süddeutschen Zeitung" beziehen sich auf Aussagen des im Mai 1965 zum Westen übergetretenen polnischen Diplomaten Tykocinski über seine persönlichen Erfahrungen als Leiter der polnischen Militärmission in Berlin. Die Bundesregierung kann die Richtigkeit der Eindrücke und Urteile Tykocinskis, die auf seinen persönlichen Erfahrungen beruhen, im einzelnen nicht bestätigen.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Sowjetunion rechtlich und faktisch die Macht hat, ihrer Verantwortung in bezug auf Berlin voll gerecht zu werden. Die Erfahrung der letzten Jahre und Hinweise bei verschiedenen Anlässen bestätigen eindeutig, daß sich die Sowjetunion die Entscheidung aller wesentlichen Berlin-Fragen gegenüber dem SBZ-Regime vorbehält.
Keine Zusatzfrage.Ich rufe die Frage II/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer auf:Ist die Bundesregierung bereit, die Regierungen. der Staaten Birma, Kamerun, Laos, Liberia, Madagaskar, Rwanda, Äthiopien, Burundi, Ghana, Israel, Lybien, Nepal, Nigeria, Sambia, Somalia, Tansania, Guinea und Indonesien auf das Erstaunen in der deutschen Öffentlichkeit darüber hinzuweisen, daß diese Länder, obschon ihre Staatsangehörigen in die Bundesrepublik ohne Visum und Gebühren einreisen können, weder die Gegenseitigkeit im Verzicht auf den Visumzwang herzustellen bereit sind, noch dem Beispiel der Staaten Afghanistan, Australien, Neuseeland, Philippinen, Südafrika, Thailand, Venezuela und USA zu folgen, die Besuchsvisen für Deutsche gebührenfrei erteilen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 20. September 1966 lautet:Wie Ihnen bereits der Staatssekretär des Auswärtigen Amts mit Schreiben vom 18. 8. 1966 in Beantwortung Ihrer in der Fragestunde des Deutschen Bundestages im August 1966 gestellten Frage mitgeteilt hat, ist die Bundesregierung seit langem bemüht, bei den Regierungen der Staaten, deren Angehörige ohne Sichtvermerk in die Bundesrepublik Deutschland einreisen können, obwohl deutsche Staatsangehörige für die Einreise in diese Länder eines Sichtvermerks bedürfen, die Gegenseitigkeit zu erreichen. Die Bundesregierung bemüht sich gleichfalls, von den Regierungen derjenigen Staaten, die einer Aufhebung des Sichtvermerkszwanges für Deutsche nicht zustimmen wollen, wenigstens die Zusicherung der Gebührenbefreiuung bel der Erteilung von Sichtvermerken an deutsche Besucher zu erhalten.Aus den Berichten unserer Auslandsvertretungen ist ersichtlich, daß die meisten Staaten aus Furcht vor Subversion einer allgemeinen Aufhebung des Sichtvermerkszwanges ablehnend gegenüberstehen und auch glauben, auf die Gebühren und Einnahmen an Devisen nicht verzichten zu können. So erklärte z. B. das indonesische Außenministerium, eine Abschaffung oder Herabsetzung der Visumsgebühren sei nicht möglich, da die indonesischen Auslandsvertretungen ihre Aufwendungen am Dienstort größtenteils aus den Gebühreneinnahmen bestritten. Eine Sonderregelung für Deutsche glauben viele Staaten nicht einführen zu können, da sie befürchten, sich dann in Kürze entsprechenden Wünschen anderer Staaten gegenüberzusehen.
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2806 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Vizepräsident Dr. DehlerDessenungeachtet wird die Bundesregierung aber auch weiterhin nichts unversucht lassen, um die Regierungen der betreffenden Staaten unter Hinweis auf die großzügige deutsche Regelung und auf negative Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit zu einem Entgegenkommen zu bewegen.Ich danke Ihnen, Herr Minister.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Frage III/1 des Herrn Abgeordneten Kubitza:Ist der Bundesregierung bekannt, von welchen Exilorganisationen immer wieder Anschläge auf jugoslawische Vertreter in Deutschland unternommen werden?Bitte, Herr Minister.
Im Bundesgebiet sind bedauerlicherweise dreimal amtliche jugoslawische Vertreter Opfer von Anschlägen geworden. In einem Fall, nämlich dem Sprengstoffanschlag auf die jugoslawische Vertretung in Mehlem, war eine kroatische Exilvereinigung für den Überfall verantwortlich. Diese Vereinigung wurde deshalb von den zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen verboten und aufgelöst.
Im zweiten Fall, bei dem der jugoslawische Konsul Klaric in Meersburg erheblich verletzt wurde, hat das Gericht keine Beteiligung einer Exilorganisation festgestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bei dem letzten Vorfall in Stuttgart, bei dem ein jugoslawischer Konsulatsangehöriger getötet wurde, sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen. Ohne dem Ergebnis vorzugreifen, kann man schon jetzt sagen, daß nach den bisherigen Ermittlungen die Beteiligung einer Emigrantenorganisation unwahrscheinlich ist. Ich hoffe, daß das Ermittlungsergebnis bald veröffentlicht werden kann und damit den Spekulationen über die Hintergründe ein Ende bereitet wird.
Zwei weitere Fälle des Versuchs von Anschlägen auf jugoslawische Dienstgebäude wurden rechtzeitig verhindert. Einer der Täter ist bereits verurteilt, der andere in Untersuchungshaft. In beiden Fällen scheint es sich um Einzeltäter zu handeln.
Frage III/2 des Herrn Abgeordneten Kubitza:
Was haben die deutschen Behörden in die Wege geleitet, um die in Frage III/1 erwähnten organisierten Verbrechen zu verhindern?
Die Bundesregierung hat bereits nach dem Überfall auf die jugoslawische Vertretung in Mehlem die Länder um verstärkten Schutz der Dienstgebäude gefährdeter ausländischer Vertretungen ersucht. Außerdem ist mit den Innenministern der Länder eine verschärfte Überwachung der Emigrantenorganisationen vereinbart worden. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg — wo die meisten Emigrantenorganisationen sitzen — haben auf Empfehlung des Bundesministers des Innern einer Anzahl von radikalen Kroaten durch ausländerpolizeiliche Auflagen die politische Betätigung untersagt.
Allgemein ist dazu zu sagen, daß die Behörden des Bundes und der Länder alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, daß Ausländer auf deutschem Boden ihre Auseinandersetzungen austragen. Wenn das nicht immer gelingt, so liegt es nicht an der mangelnden Entschlossenheit der Behörden, sondern an der Schwierigkeit der Überwachung. Der Bundesminister des Innern hat daher die Absicht, das Bundeskriminalamt mit umfassenden Ermittlungen gegen diejenigen Ausländerorganisationen zu beauftragen, bei denen der Verdacht besteht, daß es sich um Geheimbünde oder kriminelle Vereinigungen im Sinne der §§. 128 und 129 des Strafgesetzbuches handelt. Es wird alles getan, um den amtlichen Vertretern Jugoslawiens die ungestörte Ausübung ihrer Pflichten im Bundesgebiet zu gewährleisten. Wir müssen allerdings darauf achten, daß auch die Emigranten, die hier Gastrecht genießen, vor Anschlägen ihrer Landsleute geschützt werden.
Keine Zusatzfrage. Dann die Frage III/3 des Herrn Abgeordneten Kubitza:
Wieviel Straffällige und Verdächtige sind in dem Zusammenhang mit den in Frage III/1 erwähnten Anschlägen bereits des Landes verwiesen worden?
Aus letzter Zeit sind von den hierfür zuständigen Ländern zwei Fälle gemeldet worden, in denen Kroaten nach der Verurteilung wegen derartiger Delikte in das westliche Ausland abgeschoben wurden. In diesen Fällen war der fremde Staat aus rechtlichen Gründen zur Übernahme verpflichtet. In der Regel ist jedoch kein westlicher Staat bereit, Kroaten bei sich aufzunehmen, die die Regierung ihrer Heimat durch gewaltsame Anschläge zu bekämpfen suchen. Es kommt also nur eine Ausweisung nach Jugoslawien in Frage. Die deutschen Behörden haben bisher aus begreiflichen rechtlichen und humanitären Gründen gezögert, Gegner des jugoslawischen Regimes nach Jugoslawien auszuweisen. So hat z. B. der Innenminister von Nordrhein-Westfalen auch bei den Beteiligten am Überfall in Mehlem von einer Ausweisung nach Jugoslawien abgesehen, die ihre Strafe inzwischen verbüßt haben. Diese Haltung findet meine Unterstützung.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, mit den Länderinnenministern darüber zu sprechen, daß solchen Kroaten klargemacht wird, daß das Gastrecht in der Bundesrepublik und seine Weitergewährung aber auch bedeuten, daß sie sich in Zukunft so verhalten, daß die Bundesrepublik nicht vor die Frage gestellt wird, ob sie sie nicht doch abschieben müßte?
Ich bin gern bereit, darüber mit den Innenministern der Länder zu sprechen. Überdies haben Sie, Herr Kollege
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2807
Bundesminister LückeSchmitt-Vockenhausen, gebeten, diese Fragen im Innenausschuß zur Aussprache zu stellen. Ich glaube, dort sollten alle weiteren Fragen, die bei diesem schwierigen Thema berührt werden, in aller Ruhe behandelt und besprochen werden.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Minister, trifft die Stellungnahme des Auswärtigen Amts zu, daß das Opfer dieses Anschlages selbst Kontakt zu dem mit einem gültigen jugoslawischen Paß ausgestatteten Attentäter aufgenommen hat?
Ich bin im Moment überfragt. Ich werde das Auswärtige Amt befragen und Ihnen dann die Antwort schriftlich erteilen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage III/4 des Abgeordneten Fritsch auf:
Ist in absehbarer Zeit mit einer Grenzöffnung zur CSSR bel Bayerisch Eisenstein zu rechnen?
Bitte, Herr Minister!
Leider ist in absehbarer Zeit noch nicht mit der Wiedereröffnung der Übergangsstellen bei Bayerisch Eisenstein zu rechnen. Nach einer Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern hat der tschechoslowakische Grenzbevollmächtigte erklärt, es sei beabsichtigt, den Straßenübergang wieder in Betrieb zu nehmen; jedoch hänge die Verwirklichung dieses Planes von der Verkehrsentwicklung ab. Hinsichtlich des Eisenbahnüberganges habe ich Ihnen am 4. April dieses Jahres ausführlich geschrieben. Inzwischen hat sich in dieser Frage nichts Neues ergeben.
Keine Zusatzfrage.
Dann die Frage III/5 des Abgeordneten Dr. Jahn :
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die Benachteiligung der ehemaligen Berufsunteroffiziere zu beseitigen, die nach dem Gesetz zu Artikel 131 GG wohl rechtsgleich untergebracht sind, aber in der Mehrzahl die Besoldungsgruppe A 7 oder A 8 nicht mehr erreichen können sowie auch den Ausgleichsbetrag entsprechend der Vierten Novelle zu Artikel 131 GG nicht erhalten, während die nicht rechtsgleich untergebrachten ehemaligen Berufsunteroffiziere in den Genuß dieses Betrages kommen und danach in ihrer Versorgung besser gestellt sind?
Bitte, Herr Minister!
Ich bitte um Entschuldigung. Es handelt sich hier um einen schwierigen rechtlichen Komplex. Deshalb wird die Antwort etwas ausführlicher sein müssen.
Können wir uns darauf einigen, daß die Frage schriftlich beantwortet wird?
Bitte, Herr Minister!
Bei den eingehenden Beratungen über das Vierte Änderungsgesetz zum Gesetz 131 ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß die Unterbringung im Jahre 1961 endgültig abgeschlossen worden ist. Alle bereits entsprechend ihrer früheren Rechtsstellung endgültig untergebrachten Personen, also nicht nur die früheren Berufsunteroffiziere, werden von dem Gesetz 131 nicht mehr berührt. Ihr Rechtsstand nach dem Gesetz 131 ist beendet. Ihre Rechte beurteilen sich ausschließlich nach dem Recht des neuen Dienstherrn und richten sich allein gegen diesen. Im Rahmen dieses Rechts steht solchen Personen mithin auch die Möglichkeit beruflichen Aufstiegs offen.
Das Vierte Änderungsgesetz zum Gesetz 131 und das Dritte Beamten- und Besoldungsrechtsänderungsgesetz, die beide am 1. Januar 1967 in Kraft treten, haben weitere Maßnahmen zur strukturellen Überleitung der Versorgungsempfänger gebracht. Von diesen Maßnahmen sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die versorgungsberechtigten Unteroffiziere mit mindestens zwölf Dienstjahren nicht ausgenommen werden. Rechtsgleich wiederverwendete Berufsunteroffiziere sind aber keine Versorgungsempfänger nach dem Gesetz 131. Sie werden daher von diesen Verbesserungen nicht erfaßt. Dieses Ergebnis ist vom Gesetzgeber damals in Kauf genommen worden.
Das Anliegen, das Ihrer Frage zugrunde liegt, verehrter Herr Kollege, kann nur durch eine gesetzliche Regelung gelöst werden. Ob es hierzu kommt, läßt sich noch nicht übersehen. Es ergibt sich dann nämlich die sehr schwerwiegende Frage, ob die nun seit sieben Jahren abgeschlossene Unterbringung wiedereröffnet werden soll und welche weiteren Personenkreise zu berücksichtigen wären. Dabei können auch die erheblichen finanziellen Mehrbelastungen, die hierdurch entstehen würden, nicht unbeachtet bleiben.
Keine Zusatzfrage. — Ich danke Ihnen, Herr Minister.Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen und rufe die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Bewilligungsbestimmungen des Bundes für Mittel, die der Bund über die Landesauftragsverwaltung für kommunale Vorhaben zur Verfügung stellt , so zu ändern, daß die Verzinsungspflicht für die Zuweisungen vom Zeitpunkt der Überweisung bis zum Zeitpunkt der zweckentsprechenden Verwendung entfällt?Bitte, Herr Staatssekretär!
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2808 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Wagner gemeinsam beantworten?
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Revision der Bewilligungsbestimmungen in der in Frage IV/1 angedeuteten Richtung zweckmäßig wäre, weil bei kommunalen Bauvorhaben der Verwaltungsaufwand für die Errechnung der Zinsschuld das Ergebnis in der Regel übersteigt und weil ein zeitlicher Zwischenraum zwischen Mittelzuteilung und Verwendung häufig nicht aus Verschulden der Gemeinden entsteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Interesse einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltung von Bundesmitteln muß sichergestellt sein, daß Zuwendungsempfänger — darunter auch die Gemeinden — Bundesmittel nicht früher als notwendig in Anspruch nehmen. Das ist auch die Auffassung des Bundesrechnungshofs.
Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn Zuwendungsempfänger die Mittel verfrüht anfordern. Die Zuwendungsempfänger können die Entstehung der Zinsforderung verhindern, indem sie die Bundesmittel erst dann abrufen, wenn diese tatsächlich benötigt werden.
Ich bitte um etwas Ruhe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch die Verpflichtung zur Zinszahlung soll außerdem vermieden werden, daß Zuwendungsempfänger aus dem vorzeitigen Abruf von Geldern und deren Anlage ungerechtfertigt Erträge ziehen.
Die Bundesregierung hält deshalb eine Revision dieser Regelung nicht für vertretbar, zumal diese Regelung gegenüber allen Zuwendungsempfängern, nicht nur gegenüber Gemeinden, gilt. Die Bundesregierung ist auch nicht der Meinung, daß die Errechnung der Zinsschuld mit unvertretbarem Verwaltungsaufwand verbunden ist.
Im übrigen hat aber die Bundesregierung keine Bedenken, daß von einer Zinsforderung abgesehen wird, soweit der Zuwendungsempfänger dartut, daß er die gegenüber der Anforderung verspätete Verwendung der Zuwendungsmittel nicht zu vertreten hat.
Dann die Frage IV/3 des Herrn Abgeordneten Dröscher:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den US-Kurierflugplatz im Herzen der Kurstadt Bad Kreuznach zu verlegen, nachdem das bisher in Aussicht genommene Gelände mit Rücksicht auf den Kurbetrieb in Bad Münster am Stein und in Bad Kreuznach nach siebenjährigen Vorbereitungen nun nicht in Frage kommen soll?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich auch die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dröscher zusammen beantworten?
Ja. Ich rufe also auch die Frage IV/4 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:
Wie konnte es geschehen, daß ein Projekt in der in Frage IV/3 erwähnten Größenordnung so wenig sorgfältig vorbereitet wurde, daß erst unmittelbar vor der Ausführung sich die Unmöglichkeit ergab, den vorgesehenen Platz in Anspruch zu nehmen und damit eine für die Bevölkerung und die Wirtschaft lebenswichtige Frage in ihrer Lösung erneut auf Jahre verzögert zu. werden droht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die US-Streitkräfte haben ihre Zustimmung, den Kurierflugplatz in Bad Kreuznach auf das Kuhberggelände zu verlegen, im Juni dieses Jahres zurückgenommen. Sie begründen diesen Entschluß mit dem verstärkten Bedarf an Übungsgelände. Mit einer Verlegung auf ein geeignetes Ersatzgelände sind sie nach wie vor einverstanden. Die Bundesregierung hat deshalb die Landesregierung von Rheinland-Pfalz gebeten, ein anderes Ersatzgelände vorzuschlagen.
Ihre Annahme, Herr Abgeordneter, daß das Projekt nicht sorgfältig vorbereitet gewesen sei, trifft nicht zu. Die US-Streitkräfte haben erst kürzlich aus militärischen Überlegungen ihre frühere Zustimmung zu der Benutzung des Kuhberggeländes aus dem Jahre 1961 zurückgenommen. Im übrigen hat auch die Landesregierung Rheinland-Pfalz erst im Juli dieses Jahres mitgeteilt, daß sie dem Projekt im Hinblick auf die von der Nachbargemeinde Bad Münster am Stein erhobenen Vorstellungen nicht zustimmen könne, nachdem im Jahre 1960 der Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz den Geländevorschlag gebilligt und die Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz Anfang 1961 diese Zustimmung bestätigt hatte.
Die Bundesregierung ist, wie ich nochmals betonen darf, nach wie vor bereit, die Verlegung des Kurierflugplatzes im Interesse der Bevölkerung und der Wirtschaft von Bad Kreuznach zu fördern, sobald das Land Rheinland-Pfalz ein anderes geeignetes Ersatzgelände vorschlägt.
Darf ich meine Bitte um Ruhe wiederholen.
Bitte, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Staatssekretär, haben Sie Verständnis dafür, wenn ich frage, warum, nachdem doch offensichtlich von 1961 bis 1966 die Zustimmung der US-Behörden für die Verlegung vorgelegen hat, in diesem Zeitraum die Arbeiten nicht ausgeführt worden sind, um dieses für die Kurstadt so wichtige Problem — im Herzen ihrer Anlagen einen Flugplatz zu haben — zu lösen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2809
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, mein Minister hat Ihnen bereits in einer früheren Fragestunde auf diese Frage geantwortet, und zwar in dem Sinne, daß die US-Streitkräfte leider erhöhte Bauanforderungen an den Flugplatz auf dem Kuhberg gestellt haben und daß dies zu einer verzögerten Erledigung geführt hat. Ich bedaure das genauso wie Sie.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Staatssekretär, ist die Tatsache, daß es zu dieser langen Verzögerung gekommen ist und daß jetzt ganz zum Schluß noch rechtliche Schwierigkeiten wegen des Einspruchs der Gemeinde Bad Münster entstanden sind, dadurch begründet, daß die Landesplanungsbehörden nicht ordnungsgemäß verfahren sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage kann ich Ihnen nicht aus dem Stegreif ohne Prüfung beantworten. Fest steht nur, daß das Land Rheinland-Pfalz die im Jahre 1961 erteilte Zustimmung jetzt ebenfalls widerrufen hat.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich von hier mit nach Hause nehmen, daß Sie bereit sind, mit allen Kräften diese notwendige Verlegung jetzt zu unterstützen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das werden wir tun, Herr Abgeordneter.
Man kann Frage und Antwort schwer verstehen, wenn das ganze Haus im Gespräch ist.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf, zunächst die Fragen VI/1 und VI/2 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus:
Teilt die Bundesregierung die Meinung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenfürsorge, ihre Rücklagen müßten so hoch sein, um 2 Jahre hindurch eine Arbeitslosenquote von 5 % ohne Defizit durchhalten zu können?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der in Frage VI/1 erwähnte Grundsatz für die Rücklagenbildung geändert und der Tatsache anzupassen ist, daß seit mehr als 5 Jahren die Arbeitslosenquote 0,5 % beträgt?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 20. September 1966 lautet:
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, die Rücklage der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung müsse so hoch sein, daß die bei einer Arbeitslosenquote von 5 % erforderlichen Mittel zwei Jahre hindurch ohne Defizit aufgebracht werden können. Die Bundesregierung hat daher die Beiträge, welche die Rücklagenhöhe steuern, bisher ausschließlich
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium
— Drucksache V/914 —
Wer wünscht das Wort?
Ich habe Punkt 2 sehr pünktlich aufgerufen. —(Zuruf von der SPD: Wir haben keinen
Kanzler mehr! — Heiterkeit links.)
— Ich bitte Sie, sich einen Augenblick zu gedulden. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus erörtert heute die Lage der Bundeswehr. Nicht die Aufgabe der Bundeswehr selbst und die unserer Soldaten stehen zur Debatte — darüber gibt es keinen Streit mehr —, sondern ihre Leistungskraft und Leistungsfähigkeit, und es geht nicht zuletzt um ihre harmonische Einordnung in unsere Gesellschaft und den demokratischen Staat.Gerade in dieser Stunde, wenige Tage nach dem Untergang eines deutschen U-Bootes in der Nordsee, wird uns erneut bewußt, welche hohen Anforderungen wir, Staat und Volk, an jene stellen, die in der bewaffneten Macht dienen und in Ausübung ihrer soldatischen Pflichten beim Aufbau des deutschen Beitrages zur gemeinsamen Sicherheit Leben und Gesundheit einsetzen.
Das gleiche gilt für die verbündeten Streitkräfte hier auf deutschem Boden und anderswo in der Dienstleistung für das gemeinsame Ziel der Bewahrung der Freiheit innerhalb der westlichen Allianz. Wir wissen, was wir allen diesen und unseren Soldaten für den Schutz Europas zu danken haben. Diese Opfer dürfen nicht umsonst gebracht sein, und deshalb möge jeder einzelne, der in gesicherter Freiheit sein Leben führen darf, auch das rechte Verständnis für die Erfordernisse dieses Schutzes und für die Leistungen, die dazu notwendig sind, zu bekunden bereit sein.
Weil das so ist, dürfen wir der Diskussion in der Öffentlichkeit und in diesem Parlament nicht ausweichen. Aber wir müssen gerade im Zusammenhang mit den hier zu erörternden Fragen Verantwortungsbewußtsein und Fairneß obwalten lassen. Es darf nicht dazu kommen, daß die Debatte um Fragen der Bundeswehr, ihrer Organisation, ihrer inneren Struktur, über ihre Stellung im Volk und ihren Auftrag die bewährte Institution selbst in Frage stellt und statt dessen Fragwürdiges als Ersatz darbietet.
Die Bundeswehr braucht zu ihrer besseren Entwicklung wohl die reformwillige Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Aber sie braucht ebensosehr Ruhe, Sachlichkeit und Klarheit des Urteils.Es ist meine Überzeugung — und davon gehe ich bei allen Überlegungen, die die Bundeswehr betreffen, aus —, daß diese unsere Bundeswehr in
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2811
Bundeskanzler Dr. Erhardihrer Gesamtheit — das schließt Soldaten, Beamte, Angestellte und Arbeiter ein — Teil unserer Gesellschaft, Teil unserer Lebensgemeinschaft ist, die wir „deutsches Volk" nennen.
Das ist sie im positiven wie im negativen Sinne, das ist sie, soweit wir ihr Anerkennung schulden, das ist sie aber auch, soweit Kritik angebracht ist. Sie verdient gleichermaßen unsere Beachtung wie Achtung.Mit diesen Worten soll nicht die gegebene und bestehende politische Verantwortung geschmälert werden. Zu dieser politischen Verantwortung bekenne ich mich ausdrücklich.Eine Diskussion über dieses Thema kann allerdings nicht geführt werden, ohne an die Entstehung und an die politischen Bedingungen, unter denen der Aufbau der Bundeswehr vollzogen werden mußte,
wie auch an die innenpolitischen Vorgänge, die diesen Prozeß in entscheidendem Maße beeinflußt, ja gehemmt haben, zu erinnern.
Darüber wird noch im einzelnen zu sprechen sein.Die Bundeswehr braucht zu ihrer weiteren Konsolidierung und zu ihrem weiteren Aufbau vor allem Verständnis für ihre Probleme. Dazu gehört auch die Anerkennung der Eigenständigkeit des Soldatenberufs, soweit sie gerechtfertigt und notwendig ist. Ich anerkenne die Eigenständigkeit des Soldatenberufs in den Grenzen, die unsere Verfassung, das rechtsstaatliche Denken und die gesellschaftlichen Gegebenheiten in unserem Volk setzen. Voreingenommenheit ist ein schlechter Ratgeber sowohl gegenüber den Soldaten als auch für den Soldaten selbst.
Die Widrigkeiten, mit denen unsere Bundeswehr zu kämpfen hat, sind zu einem erheblichen Teil Wachstumsschwierigkeiten. Ebenso wie in anderen Bereichen unserer Politik haben wir auch dort nach Jahren starker Expansion nunmehr Anlaß, Bilanz zu ziehen und das Erreichte zu prüfen, Mängel zu beheben und die künftige Entwicklung vorsichtig zu steuern, damit im Bereich unserer Sicherheitspolitik das Gewonnene erhalten bleibt und weiter gefestigt werden kann. Der Aufbau der Bundeswehr vollzog sich unter Voraussetzungen, die heute sowohl dem Umfang wie auch der Dringlichkeit nach eine veränderte Betrachtung verlangen.Wenn wir deshalb aus heutiger Sicht gerade über gewisse unliebsame Erscheinungen urteilen, sollten wir uns um der Gerechtigkeit willen hüten, jenen Tatbestand zu übersehen. Es kommt nicht so sehr darauf an, die Vergangenheit zu analysieren, sondern es geht darum, die gegenwärtige Lage richtig zu erkennen und für die Zukunft Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, noch vorhandene Schwierigkeiten zu überwinden.Damit komme ich zu einer bedenklichen These, die unsere Öffentlichkeit beschäftigt und die Aufgabe betrifft, der unsere Soldaten dienen. Die Öffentlichkeit, so ist zu hören, zweifle an dem Sinn der Bundeswehr; unsere Divisionen hätten, wie es heißt, nur einen politischen Zweck und keine militärische Aufgabe.Hierzu sei gesagt: Da das Militärische immer nur Teil der Politik ist — eben eines der Instrumente, deren sich die Politik bedient —, haben Divisionen, so gesehen, nur einem politischen Zweck zu genügen. Sie können diesen Zweck aber wiederum nur dann erfüllen, wenn sie einsatzfähig und schlagkräftig sind.
Die Bundeswehr hat eine gewaltige Aufbauleistung vollbracht. Hinter dieser Leistung stand der richtige und rechtzeitig aufgebrachte politische Wille der Mehrheit dieses Hohen Hauses. Heute — das kann füglich behauptet werden — steht die gesamte Öffentlichkeit hinter der Bundeswehr. Die Bundeswehr muß wissen, daß sie das Vertrauen des ganzen deutschen Volkes genießt; sie braucht sich in dieser Überzeugung nicht irremachen zu lassen.
Die Verteidigungspolitik, der unsere Soldaten dienen, hat drei Ziele:1. Sie muß unserem Kontinent einen Frieden gewährleisten können, der diesen Namen verdient. Das Schweigen der Waffen ist nicht genug; wir suchen den wahren Frieden, der uns aus der Überwindung der Spaltung Europas und der Zertrennung unseres Volkes erwächst.2. Die Verteidigungspolitik muß zugleich eine Auseinandersetzung mit militärischen Mitteln in Europa verhindern. Die Ruinen des letzten Krieges schrecken noch immer, und seine Wunden werden sich noch lange nicht schließen.3. Sie muß deshalb einen Angriff auf unser Land mit den gleichen Mitteln wie einen Angriff auf das Bündnis insgesamt zu beantworten in der Lage sein. Die Abschreckung muß glaubhaft bleiben!Das waren die Grundsätze, unter denen wir der NATO beigetreten sind, und diesen Zielen sind auch heute unsere Soldaten verpflichtet.Wir alle, Politiker, Regierungsparteien und Opposition, ja alle Staatsbürger sind aufgerufen, der Bundeswehr bei der von ihr selbst erstrebten Vollendung ihrer Einordnung in Staat und Gesellschaft helfend zur Seite zu stehen.Deshalb wende ich mich vor diesem Hohen Hause an unsere Soldaten: Auseinandersetzungen im Parlament und in der Öffentlichkeit sind Ausdruck des Wesens der Demokratie; sie sind Symbol ihrer Lebendigkeit und ihrer Lebenskraft; sie sind der Demokratie Stärke und Schwäche zugleich; aber sie sind notwendig.Unsere Soldaten aller Dienstgrade und Dienstzweige sowie die Angehörigen der Bundeswehr-
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2812 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Bundeskanzler Dr. Erhardverwaltung rufe ich auf, wie bisher ihr Bestes zu geben. Das erwarten unser Volk uns dieses Hohe Haus.
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Schmidt .
- Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter Schmidt, ich habe ein schlechtes Programm.
Sie hatten mich schon aufgerufen, Herr Präsident.
Ich bin zwar sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, aber zunächst hat der Herr Bundesverteidigungsminister das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 14. September hat unsere Bundesmarine den Verlust des U-Bootes „Hai" erlitten. Wir alle sind von diesem Ereignis tief betroffen und trauern mit den Hinterbliebenen. Das Hohe Haus hat am 15. September der Toten gedacht und den Hinterbliebenen sein Mitempfinden bekundet. Ich darf den Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Namen der Bundeswehr für diesen Ausdruck der Verbundenheit danken, und ich darf in diesen Dank an dieser Stelle zugleich die zahlreichen Beileidsbekundungen aus dem In- und Ausland einschließen.Die Unfalluntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Dem Verteidigungsausschuß wird morgen das bisherige Ergebnis berichtet werden.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist aufgefordert, dem Bundestag heute über Vorgänge im Bundesministerium der Verteidigung zu berichten, die in den letzten Wochen die Öffentlichkeit beschäftigt haben. Der Ausgangspunkt war: drei Generale der Bundeswehr haben um ihre Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten, Generalleutnant Panitzki am 12. August, General Trettner am 13. August, Generalmajor Pape am 14. August. Den Gesuchen der beiden erstgenannten Generale wurde, wie Sie wissen, durch den Herrn Bundespräsidenten stattgegeben; über das letztgenannte Gesuch ist noch nicht entschieden.Obwohl die Entlassungsgesuche des Generalinspekteurs und des Inspekteurs der Luftwaffe in keinem sachlichen Zusammenhang standen, reagierte die Öffentlichkeit mit Schlagworten wie „Aufstand der Generale", „Die Generale proben den Aufstand" und „Führungskrise in der Bundeswehr".Das war die Meinung des Tages. Einer solchen Auffassung vermag heute niemand mehr zuzustimmen, der das Ergebnis der bisherigen Erörterungen des Verteidigungsausschusses kennt.Lassen Sie mich zunächst dieses erklären: ich stehe nicht an, hier festzustellen, daß die persönliche Haltung der Generale Trettner und Panitzki von mir respektiert wird. Diese Generale haben ihre großen Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr, die auch durch Umstände und Ereignisse dieser fünf Wochen nicht geschmälert wurden.
Die heftige Reaktion der Öffentlichkeit auf die Rücktrittsgesuche wird besonders verständlich vor dem Hintergrund zweier Komplexe, die seit einem Jahr diskutiert werden.Der erste: im Herbst und Winter 1965/66 die Diskussion um das Thema Starfighter. Die Leitung des Ministeriums und der Inspekteur der Luftwaffe haben diesem Problem absoluten Vorrang eingeräumt. Am 15. Oktober werde ich dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages einen ausführlichen Bericht über die Entwicklung des letzten halben Jahres auf diesem Gebiete vorlegen. Ich beschränke mich heute auf die Feststellung, daß ein Großteil der dem Hohen Hause bekannten Maßnahmen angelaufen ist. Die ersten Auswirkungen sind erkennbar. Ich beurteile jedoch die Lage genauso ernst, wie sie General Steinhoff dem Verteidigungsausschuß vorgetragen hat.Der zweite Komplex betrifft Pauschalurteile zu den in diesem Frühjahr im Verteidigungsministerium aufgedeckten Korruptionsfällen. Der Umfang der Verfehlungen ist inzwischen bekanntgeworden. Es handelt sich um eine begrenzte Zahl von Fällen, die zum Teil viele Jahre zurückliegen. Die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß ich Einzelheiten nicht vortragen darf.Angesichts einer zum Teil sehr gezielten Dramatisierung wird verständlich, daß die Vorgänge um den Rücktritt der Generale in der Öffentlichkeit nach der Art der Darstellung, etwa der Interpretation des ÖTV-Erlasses der Bundeswehr, als krisenhafte Erscheinungen gewertet wurden. Der inzwischen gewonnene zeitliche Abstand von den Entlassungsgesuchen und die unverzüglich folgende Neubesetzung der militärischen Führungsspitze lassen die Ereignisse jedoch in einem anderen Licht erschienen. Es steht heute fest: es gab keinen Augenblick den geringsten Zweifel an der Verfassungstreue, noch wurde von irgend jemandem am Primat der Politik gerüttelt; vom Machtstreben der Generale kann keine Rede sein. Die sogenannnte Krise der Bundeswehrführung ist ein legitimer Vorgang in unserem demokratischen Staatswesen. Dieser Vorgang berührt weder unsere Sicherheitspolitik noch unsere Bündnisverpflichtungen noch unsere feste, loyale Haltung in der NATO noch unseren Willen, mit allen Kräften die Sicherheit und den Frieden milltärisch durch die Abschreckung des Gegners zu verbürgen. Aus der Rückschau erscheinen sie heute
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2813
Bundesminister von Hasselweit weniger dramatisch, als es damals der Fall zu sein schien.Die Bundesregierung begrüßt deshalb die hier gebotene Gelegenheit zur Diskussion, auch wenn sie glaubt, daß es besser gewesen wäre, wenn diese Debatte erst nach Abschluß der Erörterungen der Einzelheiten im Verteidigungsausschuß stattgefunden hätte.
Fragt man nach den eigentlichen Ursachen dieser Ereignisse, räumt man all die vielen Mißverständnisse und Vorurteile beiseite, so gelangt man zu der Erkenntnis, daß sich ein langer Evolutionsprozeß plötzlich entladen hat. Der neue Generalinspekteur hat zutreffend vor dem Verteidigungsausschuß dieses Faktum als „Unbehagen" bezeichnet. Die Abgeordneten aller drei Fraktionen haben dieses Wort aufgenommen. Ich meine, es ist an der Zeit, daß wir alle dazu gelangen, leidenschaftslos und systematisch die sachlichen Hintergründe dieses Unbehagen zu analysieren. Mit hochgehenden Emotionen wird der Bundeswehr nicht genützt.
Der Soldat denkt im übrigen viel zu klar und zu nüchtern, als daß er sich durch den Überschwang der Gefühle angesprochen fühlte. Nicht mehr gelegentliches Lob hilft unseren Soldaten weiter; dazu ist der Soldat bereits zu selbstverständlich mit unserem Staatswesen und mit dem Alltag der Bürger verwachsen; gibt es doch heute nach 10 Jahren Bundeswehr kaum noch eine Familie, in der nicht Sohn, Bruder oder ein anderer Verwandter „Staatsbürger in Uniform" war oder ist!Die Armee bedarf heute der Anerkennung in einer anderen Weise. Sie muß spüren, daß auch die Politiker die Wandlung des Selbstverständnisses des Soldaten erkennen. Die Armee muß spüren, daß die Eigenständigkeit des Soldatenberufs dort anerkannt wird, wo dies berechtigt ist. Es müssen Lösungen gefunden werden, die gemessen sind an den Besonderheiten des militärischen Auftrages, an den soldatischen Notwendigkeiten, an den Konsequenzen der fortschreitenden Wehrtechnik. Ich kann Behauptungen nicht beipflichten, am Anfang unserer Wehrverfassung habe eine „große Unehrlichkeit" gestanden.
Ich halte dies nicht nur für eine Legende, sondern für ein Unrecht gegenüber diesem Hohen Hause.
Was aber heute tatsächlich abgebaut werden muß, ist die aus unserem nationalen Schicksal verständliche, aber überholte Skepsis gegenüber dem Instrument Bundeswehr. Es ist etwas anderes, wenn wir — wie jede Demokratie zu Recht — eine Machtposition wachsam beobachten, als wenn wir dieser Armee auf die Dauer mit Skepsis begegnen, mit einer Skepsis, .die als Hypothek aus den ersten Jahren des Aufbaus unseres Verteidigungsbeitrags stammt. Staat und Gesellschaft müssen klar zu erkennen geben: Die Bundeswehr hat durch ihr Verhalten den Skeptikern den Boden entzogen. Sie hatdaher Anspruch darauf, daß nach elf Jahren endlich die Hypothek gelöscht wird.
Dies muß in vertrauensvoller Zusammenarbeit aller Beteiligten geschehen. Denn der Stellung des Soldaten im Staat, wie sie sich auch aus dem Wandlungsprozeß des letzten Dezenniums ergeben hat, sind in den Augen der Militärs manche Politiker nicht gerecht geworden. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß auch Soldaten gelegentlich den vorgezeichneten Integrationsprozeß verkannt oder ihre eigene Bedeutung überbetont haben.Lassen Sie mich hierzu, meine Damen und Herren, einige Überlegungen vortragen. Der Soldatenberuf ist von jeher gekennzeichnet durch seine dreifache Aufgabe: zu führen, zu erziehen, auszubilden. Dieses Berufsbild trifft auch noch heute für diejenigen Unteroffiziere und Offiziere zu, die im Truppendienst verantwortlich die Ausbildung leiten. Daneben gibt es aber eine große Gruppe von Soldaten in technischen und anderen Sonderfunktionen sowohl im Truppenbereich wie in den Stäben, die eine umfangreiche, zusätzliche Spezialausbildung benötigen. Die hochtechnisierte Bundeswehr ist einem modernen technischen Großbetrieb vergleichbar und darum im gleichen Maße auf Fachkräfte angewiesen, wie es das Prinzip der Arbeitsteilung nun einmal erfordert.Hier ergeben sich Schwierigkeiten. Denn der Soldat ist von altersher gewohnt, hierarchisch zu denken. Heute aber begegnet er dem Zwang zur Teamarbeit und zur Diskussion, einem Zwang, den die komplizierten und komplexen, insbesondere technischen Sachverhalte ausüben. Das scheint in ursprünglichem Widerspruch zum Prinzip des Befehls zu stehen. Solche Probleme der modernen Menschenführung machen es verständlich, daß der dafür notwendige Umdenkungsprozeß nicht immer reibungslos in ein und derselben Generation vor sich gehen mag,
das um so mehr, als man berücksichtigen muß, daß wir kein homogenes Offizierskorps haben, sondern eines, das in seiner personellen Struktur infolge der unterschiedlichen militärischen Ausbildung und der beruflichen Herkunft im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg sehr differenziert ist. Die Anpassung an den von der Sache her gebotenen neuen Führungsstil führt daher gelegentlich zu Friktionen. Die Bundeswehr erlebt damit Wandlungserscheinungen, wie man sie auch in anderen Führungsbereichen unserer Gesellschaft, z. B. in der Industrie beobachten kann. Mit dem Leitbild der Inneren Führung, dem „Staatsbürger in Uniform" wird den Besonderheiten der modernen Menschenführung Rechnung getragen.In Zusammenhang damit steht ein weiterer Aspekt. Der Soldat ist zur Verantwortung erzogen. Zugleich aber sieht er sich heute dem Widerspruch ausgesetzt, den er zwischen dem militärischen Prinzip der Unteilbarkeit der Verantwortung einerseits und der immer deutlicher werdenden zwingenden Aufteilung der Verantwortung in Aufgabenbereiche,
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2814 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Bundesminister von Hasselin Mitwirkungs- und Einflußmöglichkeiten Dritter auf der anderen Seite als Folge dieser zwingenden Arbeitsteilung erkennt. Schon rein äußerlich neuartig ist also die zunehmende Abhängigkeit der Soldaten von Spezialisten, die nicht den gleichen Rock tragen. Beide, die Spezialisten im zivilen Rock und die Soldaten, müssen daher lernen, höher als diese äußeren Unterschiede die Gemeinsamkeit im Ethos des Dienens zu werten. Dann wird es dem Soldaten leichter fallen, Rivalitätsvorstellungen aufzugeben und ständig nach Vergleichen in der Vergangenheit zu suchen. Es wird dann das Gefühl des Kontrolliertseins, er wird den Argwohn verlieren, daß er über Gebühr kritisiert, bevormundet, kontrolliert oder gar bewußt umgangen wird. Projiziert man diese Grundsätze auf die oberste Führung, so wird man sagen müssen, daß auch hier der Prozeß zur optimalen Zusammenarbeit noch im Gange ist. Die Erörterungen im Verteidigungsausschuß haben gezeigt, daß noch Spannungen vorhanden sind. Sie zu leugnen, wäre falsch. Aber es muß an dieser Stelle deutlich gesagt werden, daß die in unserer Wehrverfassung festgelegte zivile Struktur der Bundeswehrverwaltung und ihre Gleichordnung gegenüber den Streitkräften weder auf Mißtrauen gegen die Soldaten noch gar auf dem Bestreben beruht, die Soldaten durch die Verwaltung konrollieren zu wollen. Sollte ein Angehöriger der Verwaltung seine Aufgabe so sehen, so wäre er fehl am Platze. Civil control bedeutet nicht — wie oft ist das gesagt worden! —, daß er als Zivilist den uniformierten Soldaten zu kontrollieren hätte. Civil control ist 1 neben dem Parlament allein dem Minister als der politisch verantwortlichen Spitze vorbehalten. Er hat sie gegenüber dem Beamten gleichermaßen auszuüben wie gegenüber dem Soldaten.Die Verwaltung hat diese Kontrolle weder angestrebt noch ist sie dazu nach der geltenden Organisation in der Lage. Richtig ist allein, daß in Art. 87 b des Grundgesetzes die verfassungsrechtliche Struktur der Bundeswehrverwaltung im Interesse der Streitkräfte so festgelegt wurde, daß diese von allgemeinen Verwaltungsaufgaben entlastet werden.Die bewußte Abkehr von der früheren Wehrmachtsregelung, nach der die Militärbeamten als Uniformträger einen Mischstatus hatten, wobei die oberste Sachleitung bei Soldaten lag, war nicht zuletzt auch deshalb zu begrüßen, weil diese damalige Regelung weder bei den Soldaten noch bei den Beamten ungeteilte Zustimmung gefunden hat. Dazu muß man sich auch der Tatsache bewußt sein, daß keine Verwaltung — so auch nicht die Bundeswehrverwaltung — besser arbeiten wird, wenn man sie — abweichend von allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen — der Befehlsbefugnis von Nichtfachleuten unterwirft.
Diese zivile Bundeswehrverwaltung hat keinen Selbstzweck. Sie muß sich ihrer dienenden Funktion bewußt sein und sich stets darum bemühen, die Truppe im Rahmen der gegebenen, auch für die Bundeswehrverwaltung nicht überschreitbaren Grenzen finanzieller, wirtschaftlicher und personeller Art bestmöglich zu versorgen.Im übrigen ist die Verwaltung gehalten, die in unserem komplizierten Staatsgebilde nun einmal nicht einfache Gesetzgebung anzuwenden, und sie wird dann zuweilen in die Situation kommen — auf Grund von Gesetzen, von Verordnungen und Durchführungsvorschriften —, militärischen Anforderungen auch einmal ein Nein entgegenzusetzen. Es ist aber falsch, ein solches Verhalten als „Kontrolle" zu bezeichnen. Viele Kommandeure der Bundeswehr bestätigen im übrigen die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehrverwaltung. Daß es auch Ausnahmen gibt, sei nicht geleugnet. Unsubstantiierte Leserbriefe mit allgemeinen, unbewiesenen Vorwürfen haben demgegenüber kein Gewicht. Im übrigen ist es von alters her ein beliebtes Thema, über die Verwaltung zu klagen. Das ist nicht nur gegenüber der Bundeswehrverwaltung so, sondern in allen Armeen der Welt, und dieses Hohe Haus weiß sehr wohl, daß leider der Beamte seit eh und je Ziel vielfältiger Angriffe gewesen ist. Ich halte diese Art der Konfrontation der Öffentlichkeit gegen die Verwaltung schlechthin für sehr bedauerlich.
Die verfassungsrechtliche Struktur der Bundeswehrverwaltung, ihre Aufgabenstellung und ihr Verhältnis zu den Streitkräften bedürfen nach allgemeiner Auffassung keiner grundsätzlichen Änderung. Notwendig ist aber, daß sich alle Beteiligten, Soldaten und Beamte, mit der Regelung, die ihnen die Verfassung gegeben hat, so lange bescheiden, wie das Hohe Haus nicht zu anderen Regelungen kommen sollte, und in gemeinsamer Arbeit dem Wohle der Truppe dienen, anstatt sich laufend am Verfassungsbefehl zu reiben.Meine Damen und Herren, in der Diskussion dieser fünf Wochen wurde dieses Thema — Soldat und Verwaltung — sehr stark in den Mittelpunkt gestellt und der Öffentlichkeit so dargelegt, wie ich es Ihnen eben geschildert habe. Es wird gesagt, eine andere Organisation müsse her, einen beamteten Staatssekretär dürfe es nicht geben, es sei unerträglich, daß Ingenieure, Volkswirte, Juristen und andere Verwaltungsfachleute neben und nicht unter dem Soldaten stünden; die Soldaten müßten selbständig auch über Haushaltsmittel, über Personal, über Technik, über Infrastruktur verfügen können, dann würde das Unbehagen weichen.Wer die Dinge einmal unvoreingenommen untersucht hat, weiß, daß dieses Verreißen der Organisation des Verteidigungsressorts zum Teil deshalb geschieht, weil es immer publikumswirksam ist, auf Organisation in der Assoziation mit „Instanzenweg", mit „Amtsschimmel", mit Beamten, überhaupt mit öffentlichen Bediensteten, zu schimpfen.
Ich glaube, daß die zivilen Kräfte in der Bundeswehr diese ungerechtfertigte Kritik mit Gelassenheit hinnehmen. Ich sehe aber eine Gefahr darin, daß diese Kritik dem Prozeß der Integration zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich in
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2815
Bundesminister von Hasselder Bundeswehr, dem Sich-finden-Müssen, in der Sache abträglich ist.
Der andere Grund, warum sich die öffentliche Diskussion so eingehend mit Fragen der Organisation befaßt, ist eine Überschätzung dessen, was eine gute oder eine schlechte Organisation bewirken kann. Organisatorische Maßnahmen sind kein Allheilmittel, kein Selbstzweck und schon gar nicht ein Mittel, etwa Machtpositionen aufzubauen oder zu verteidigen. Wichtiger als die Struktur einer Organisation ist ihre Handhabung, ist der Geist, der sie belebt. Zu dieser Handhabung, zu diesem Geist gehört aber fraglos, daß man sich auf allen Ebenen, vom Standort unten über den Wehrbereich in der Mitte bis zur Spitze des Ministeriums und im Ministerium vom Sachbearbeiter über den Hilfsreferenten und den Referenten bis zum Abteilungsleiter verständigt und schon dort gemeinsame Lösungen zum Nutzen der Truppe erarbeitet. Hier ist fraglos noch manches im argen, und das sei nicht beschönigt.Im Zusammenhang mit den Fragen der Organisation findet man nun in der Öffentlichkeit die Behauptung, daß die neuen Inspekteure unter anderem auf organisatorischem Gebiet „Forderungen" gestellt hätten. Nun, die dem Verteidigungsausschuß angehörenden Mitglieder dieses Hohen Hauses wissen, daß das nicht stimmt. Ich will hier aber auch deutlich sagen: Es wäre ein Sturmzeichen dafür, daß die demokratische Ordnung, daß der vielzitierte Primat der Politik tatsächlich in Gefahr geriete, wenn Rücktrittsgesuche von Generalen einen Verteidigungsminister derart mattsetzen könnten, daß er den „Forderungen" der nachfolgenden Generale machtlos gegenüberstünde.
Die neuen Inspekteure haben als ebenso gute Soldaten wie Demokraten gar nicht daran gedacht, dem Bundesminister der Verteidigung „Forderungen" zu stellen. Sie haben, wie das bei der Übernahme derart verantwortlicher Posten zwingend ist, mir ihre Überlegungen, wie sie ihr Amt führen wollen, offengelegt, und ich kann nur sagen: meinen Respekt davor, wie diese Männer ihr Amt auffassen.
General de Maizière, der neue Gneralinspekteur, hat auf meine Bitte das, was er mir am 24. August dieses Jahres mündlich vorgetragen hatte, am nächsten Tage schriftlich fixiert. Ich habe den Brief und meine Antwort dem Verteidigungsausschuß vorgetragen und übergeben, und es gab wohl niemanden, der sich dem Ethos dieser Gedankenführung entziehen konnte. Aber was wird in der öffentlichen Diskussion daraus gemacht? — Aus der Bitte des Generalinspekteurs de Maizière, mir offen und ungeschminkt jederzeit zu allen militärischen Fragen seine Auffassung sagen zu können, wird gemacht: der vorherige Generalinspekteur habe erst zurücktreten müssen, damit der neue Generalinspekteurein unmittelbares Vortragsrecht — gewissermaßen am Staatssekretär vorbei — beim Minister erhält. In Wahrheit hat jeder Abteilungsleiter, jeder Inspekteur immer das Recht gehabt, dem Minister unmittelbar vorzutragen.
Selbstverständlich gehört hierzu auch, daß bei allen anstehenden wichtigen Entscheidungen, die die Soldaten betreffen oder berühren, der Generalinspekteur beteiligt wird. Der lebendige Kontakt, die freie Aussprache, gibt eine sichere Grundlage für sachgerechte Entscheidungen.Dann wird behauptet, der neue Generalinspekteur habe dem Minister abgerungen, daß er der dritte Mann in der Bundeswehr — nach Minister und Staatssekretär — werde. Das ist einfach unwahr. General de Maizière hat mich lediglich gebeten, daß ich die Formulierung in dem Entwurf des Organisationsgesetzes für die militärische Landesverteidigung, die ich in Zusammenarbeit mit seinem Amtsvorgänger gefunden hatte, aufrechterhalte,wonach der Generalinspekteur als ranghöchster Soldat der Bundeswehr und durch die Erfüllung internationaler militärischer Aufgaben in den entsprechenden internationalen Gremien im Rahmen des Bundesministeriums der Verteidigung eine Stellung sui generis innehat.Es war für mich selbstverständlich, diese Bestimmung weiterhin zu vertreten. Es sind also auch insoweit keineswegs „Forderungen" gestellt worden.Generalleutnant Moll, der neue Inspekteur des Heeres, Nachfolger des Generals de Maizière in dessen bisheriger Position, ist ebenso wie die beiden anderen neu ernannten Generale oder Inspekteure ein prononcierter Vertreter eines modernen Führungsstils. Er brachte dies wie folgt zum Ausdruck:Ich werde scheinbar bewährte und unabdingbare, liebgewordene und bequeme Gewohnheiten und Einrichtungen nicht von heute auf morgen umstoßen. Aber ich werde mit Behutsamkeit, aber auch mit aller Beharrlichkeit dem Gedanken der Erziehung des Soldaten zu mitdenkender Eigenverantwortung gerade auch in den kleinen Verrichtungen des täglichen Dienstes zum Durchbruch verhelfen.Dazu ist es notwendig, daß die Führer aller Grade vorne sind bei der Truppe, an der Front. Dort müssen die Grundsätze der inneren Führung und der modernen Menschenführung von unseren jungen Vorgesetzten praktiziert werden. Sie müssen den Dienst sinnvoll, modern und rationell gestalten.
Meine Damen und Herren, ich kann nur hinzufügen, daß ich mit den von Generalleutnant Moll mit großem Ernst formulierten Gedanken völlig übereinstimme.Generalleutnant Steinhoff, neuer Inspekteur der Luftwaffe, hat ein Amt übernommen, in dem er ungewöhnlichen Belastungen und Verantwortungen ausgesetzt ist. Ich habe es für richtig gehalten, daß
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2816 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Bundesminister von Hasseler sich vor der Übernahme dieser Verantwortung eine ausreichende Bedenkzeit ausbat und daß er mir in eingehenden Gesprächen seine Gedanken über die künftige Führung der Luftwaffe entwickelte.Generalleutnant Steinhoff hat mir vorgeschlagen, die Luftwaffenstäbe und das Luftwaffenamt umzustrukturieren. Dieser Vorschlag deckt sich mit meiner eigenen Auffassung und mit dem Auftrag, den ich am 23. Mai dieses Jahres bereits seinem Amtsvorgänger gegeben hatte.Der neue Inspekteur der Luftwaffe hat mir vorgeschlagen, daß er zu seiner Beratung ein Personal-board einrichten möchte, um die personellen Entscheidungen transparenter zu machen. Hierdurch werden dem Inspekteur der Luftwaffe nicht mehr Rechte gegeben, als sie jeder Inspekteur bereits durch den Erlaß vom 10. Juli 1957 hatte: Die Personalabteilung muß seitdem den Vorschlägen der Abteilungsleiter, der Inspekteure, folgen, wenn nicht „wichtige Gründe in der Person oder personalwirtschaftliche Erwägungen entgegenstehen". Wie der Inspekteur sich seine Meinung in Personalsachen bildet, ist ihm überlassen. Ich habe gegen die Einrichtung eines Personalboards beim Inspekteur der Luftwaffe daher keine Bedenken. Man wird Erfahrungen sammeln und erst dann prüfen, ob die Einrichtung sich bewährt hat und gegebenenfalls von den anderen Teilstreitkräften übernommen werden sollte.Der neue Inspekteur strebt Maßnahmen an, die eine langfristige Verwendung aller Düsenflugzeugführer im fliegenden Verband ermöglichen. Diese „Forderung" steht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Verteidigungsausschusses und dieses Hohen Hauses selbst.Der neue Luftwaffeninspekteur hat unterstrichen, daß der Haushaltstitel für Flugzeugerhaltung eigenverantwortlich vom Führungsstab der Luftwaffe verwaltet werden muß. Ich teile diese Auffassung; sie entspricht im wesentlichen der seit langem geübten Praxis.Ein zentraler Vorschlag des neuen Inspekteurs der Luftwaffe geht dahin, einen Systembeauftragten „zunächst versuchsweise" für F 104, also für die Starfighter, mit Entscheidungsbefugnis beim Inspekteur der Luftwaffe einzurichten. Es kann hier oder im Verteidigungsausschuß im einzelnen dargelegt werden, daß ich schon 1963 kurz nach der Übernahme meines Amtes dem Inspekteur der Luftwaffe „grünes Licht" für die Einrichtung eines solchen Systembeauftragten F 104 gegeben hatte und daß ich zuletzt am 19. November 1965 den Inspekteur der Luftwaffe laut Protokoll ermächtigt hatte, nicht nur für die Starfighter, sondern auch für andere bedeutende Waffensysteme Sonderbeauftragte zu bestellen, die ich mit besonderen Vollmachten auszustatten ausdrücklich zugesagt hatte. Denn wer die Verantwortung für die Einsatzbereitschaft derartiger hochgezüchteter Waffensysteme trägt, muß auch Entscheidungsbefugnisse haben, die dieser Verantwortung entsprechen.
Der bisherige „Sonderbeauftragte F 104" unterstand der Leitung des Hauses unmittelbar. Er hatte das Recht und die Pflicht, befreit vom Dienstweg und ohne Zeitverlust die Entscheidung der Leitung des Hauses herbeizuführen. Er hat übrigens während seiner Amtszeit nie Veranlassung hierzu gesehen.Auf Vorschlag von General Steinhoff habe ich mit Erlaß vom 14. September 1966 das folgende geändert:Der Name „Sonderbeauftragter" wird ersetzt durch „Systembeauftragter", um damit auszudrücken, daß es sich um eine dauernde Einrichtung handelt.Der Systembeauftragte ist nicht mehr, wie der Sonderbeauftragte, der Leitung des Hauses unmittelbar, sondern dem Inspekteur der Luftwaffe unterstellt.Beides drückt aus, daß es sich bei der Institution künftig also nicht mehr um eine Sondermaßnahme handelt.Auf dem Arbeitsgebiet des Systembeauftragten hat der Inspekteur der Luftwaffe dann Entscheidungsbefugnisse, wenn entweder die bevollmächtigten Vertreter der beteiligten Abteilung zugestimmt haben, oder aber wenn der Inspekteur der Luftwaffe beim Fehlen der Zustimmung einer Abteilung diesen Abteilungsleiter zugleich ausdrücklich konsultiert hat.Im letzteren Fall kann der Inspekteur der Luftwaffe ebenso wie der beteiligte Abteilungsleiter die Entscheidung der Leitung des Hauses herbeiführen.Diese Regelung entspricht den Vorstellungen aller beteiligten Abteilungen des Hauses. Ich habe diesem Vorschlag deshalb ohne Zögern zugestimmt, insbesondere dem Vorschlag, den Sonderbeauftragten, jetzt Systembeauftragten, dem neuen Inspekteur der Luftwaffe und nicht mehr der Leitung des Hauses zu unterstellen.Es ist also unrichtig, wenn behauptet würde, der neue Inspekteur der Luftwaffe hätte den Verteidigungsminister zu Zusagen „gezwungen". Richtig ist, daß General Steinhoff für seine modernen Ideen bei allen Abteilungen des Hauses, und ich darf die Leitung des Hauses einschließen, ein offenes Ohr und viel Verständnis findet.Auch das Weapon System Management für neues Gerät bis zur Übernahme durch die Truppe ist im Sinne der Kooperation geordnet. Das Hohe Haus wird damit einverstanden sein, daß ich mich darauf beschränke, Einzelheiten dazu im Verteidigungsausschuß zu erläutern.Ich habe, meine Damen und Herren, ausgehend vom Thema Organisation, Ihnen diese Einzelheiten präzise darlegen müssen, um Legendenbildungen entgegenzutreten.Das Thema Organisation findet aber seinen Konzentrationspunkt unter den Angehörigen dieses Hohen Hauses, bei Militär und Verwaltung und in der politisch interessierten Öffentlichkeit in der
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2817
Bundesminister von HasselGestaltung des Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung. Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß der Entwurf dieses Gesetzes 1965 zwar die 1. Lesung im Bundesrat erfuhr, im Bundestag aber wegen Zeitmangels nicht mehr beraten wurde. Dem vorigen Verteidigungsausschuß habe ich den damaligen Entwurf vorgetragen.Seit geraumer Zeit bin ich mit der Überprüfung des vorjährigen Entwurfes beschäftigt. Nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit den Erörterungen der letzten fünf Wochen habe ich mir meine Auffassung von der Ordnung der Spitze der Bundeswehr gebildet und werde sie zur gegebenen Zeit dem Kabinett in den drei wesentlichsten Punkten vortragen:Erstens. Der Entwurf 1965 ließ die Frage offen, wer den Verteidigungsminister in der Ausübung der ihm durch das Grundgesetz übertragenen Befehls-und Kommandogewalt bei längerer Abwesenheit, bei Krankheit oder dergleichen vertritt. Mein Vorschlag wird besagen:Ist der Bundesminister der Verteidigung verhindert, die Befehls- und Kommandogewalt auszuüben, so tritt das dazu bestimmte Kabinettsmitglied an seine Stelle. Die allgemeine Regelung der Vertretung der Bundesminister nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung bleibt unberührt.Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich persönlich zunächst einer anderen Lösung zuneigte und mich deshalb -mit General Trettner dahin verständigt hatte, daß ich die Lösung dieser Frage von einem unabhängigen Professorengutachten abhängig machen wollte.Zweitens. Nach dem Entwurf 1965 waren die Stellen der Hauptabteilungsleiter für Rüstung und für Administration eingerichtet worden. Diese beiden Posten wurden zunächst finanziell und damit protokollarisch ebenso bewertet wie die des Generalinspekteurs. Der neue Entwurf wird deutlich machen, daß der Generalinspekteur im Range unmittelbar dem Minister und dem Staatssekretär folgt. In der dem Hohen Hause inzwischen vorliegenden neuen Besoldungsordnung findet dies bereits seinen Niederschlag.Drittens. Der Entwurf des Organisationsgesetzes von 1965 sah für den Generalinspekteur truppendienstliche Befugnisse gegenüber der Territorialen Verteidigung und für die Inspekteure der Teilstreitkräfte truppendienstliche Befugnisse gegenüber ihren Teilstreitkräften vor.Demgegenüber ist eingewandt worden, daß auch diese neue Konstruktion nach wie vor eine militärische Spitze der Streitkräfte vermissen lasse. Mein neuer Vorschlag sieht deshalb vor, daß vom Kompaniechef über den Bataillonskommandeur usw., den Kommandierenden General, den Inspekteur der Teilstreitkräfte bis hinauf zum Generalinspekteur ein durchgehender Befehlsstrang geschaffen wird. Auch in dieser Konstruktion handelt der Generalinspekteur selbstverständlich im Auftrage des Ministers als des Inhabers der unteilbaren Befehls- und Kommandogewalt. Ich gebe zu, daß eine solche Regelung politisch und rechtlich eine Reihe vonProblemen aufwirft. Ich meine jedoch, daß es stärkere Gründe gibt, die für die vorgeschlagene Regelung sprechen.Wir bemühen uns also, die Organisation als „geprägte Form, die lebend sich entwickelt" zu sehen und zu behandeln — um dieses bekannte Wort zu zitieren. Ich warne aber davor, daß man unter dem Eindruck der gegenwärtigen Diskussion zu Augenblickslösungen greift. Was man gestalten will, muß dauerhaft, praktikabel und in ernsten Situationen belastbar sein.
Ich wiederhole schließlich, daß nicht die Organisation, sondern der Geist der Zusammenarbeit Leistung und Erfolg bestimmt. Es kommt darauf an, Soldaten und zivile Fachkräfte in der gemeinsamen Aufgabe für die Bundeswehr zu integrieren, sie notfalls durch Integration zur Kooperation zu zwingen. Im übrigen bin ich überzeugt, daß die neue Führungsspitze der Bundeswehr die Garantie dafür bietet, daß diese Zusammenarbeit eng und fruchtbar sein wird.Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, dem Hohen Hause die tieferen Ursachen, die Hintergründe für das Unbehagen in den Reihen der Bundeswehr zu analysieren und Ihnen darzustellen, was im Zusammenhang mit dem Wechsel in der Führungsspitze der Streitkräfte geschehen ist und welche Gedanken zur Organisation ich der Bundesregierung vorzuschlagen beabsichtige. In einer der letzten Sitzungen des Verteidigungsausschusses hat ein Mitglied des Hohen Hauses einen weiteren, fraglos außerordentlich wichtigen Komplex für das „Unbehagen" in den Reihen der Soldaten vorgetragen. Sie wüßten nämlich nicht, wie eigentlich ihr Auftrag aussehe, welche Strategie gültig sei, wie es eigentlich um die NATO bestellt sei. Da ich weiß, daß diese Fragezeichen in der Tat gesetzt werden, daß sie sich durch manchen gesprochenen und geschriebenen Kommentar noch größer abheben, halte ich es für erforderlich, zum Abschluß auch dieses Kapitel zu behandeln.Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist wesentlich bestimmt durch die fortdauernde Bedrohung, die Teilung Deutschlands, die strategisch wichtige und geographisch ungünstige Lage der Bundesrepublik einschließlich Berlins sowie die Eingliederung der Bundesrepublik in das auf dem Prinzip der Integration beruhende Bündnissystem der NATO. Das Ziel der Sicherheitspolitik ist, den Frieden zu bewahren und unsere Freiheit zu sichern, der ideologischen Herausforderung durch den Osten entgegenzuwirken und vor einer militärischen Aggression abzuschrecken und — falls die Abschrekkung versagen sollte — einen Angriff gemeinsam mit unseren Verbündeten abzuwehren.Welche Aufgabe hat im Rahmen dieser Politik nun die Bundeswehr zu erfüllen? In der Öffentlichkeit, vor allem aber in verschiedenen Organen der öffentlichen Meinungsbildung werden in der letzten Zeit der politische Zweck, der Auftrag, ja sogar die Daseinsberechtigung der Bundeswehr angezweifelt, mißdeutet oder überhaupt in Frage gestellt.
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2818 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Bundesminister von HasselNun werden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß sich aus der fortdauernden Bedrohung für uns ein elementares Bedürfnis der Sicherheit ergibt. Ohne die gegenwärtige sowjetische Friedensbereitschaft in Zweifel zu ziehen, kann man nicht übersehen, daß der Ostblock — die vorliegenden Erkenntnisse beweisen es — die Rüstung auf allen Sektoren ganz erheblich verstärkt und auf den Gebieten der Forschung, der Technik, der Wirtschaft und der Schwerindustrie ungeheure Anstrengungen macht, einen entscheidenden militärischen Vorsprung zu gewinnen. Angesichts dieser Tatsachen werden Sie ebenfalls mit mir darin übereinstimmen, daß die Regierung unserem Volke Rechenschaft darüber schuldig ist, ob alles geschieht, um unsere Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten, und daß wir uns bei dieser Verantwortung nicht damit begnügen können, auf die Sicherheitsvorkehrungen zu verweisen, die andere für uns getroffen haben. Die Aufstellung und Unterhaltung eigener Streitkräfte ist daher eine Frage der nationalen Existenz.Die Abhängigkeit der Verteidigung von einem großen Wirtschaftspotential sowie die Zahl, Wirkungskraft und Kosten moderner Waffen in Verbindung mit Raketen und hochentwickelten Führungssystemen schließen aber eine nationale Verteidigung für Staaten europäischer Größenordnung aus, weil die personelle, wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit einer einzelnen Nation nicht ausreicht. Hieraus ergibt sich für uns die natürliche Folge, an einem Verteidigungsbündnis teilzunehmen.Die Bundesrepublik kam mit dem Beitritt zur NATO zwei wichtigen Zielen ihrer Politik näher: der militärischen Sicherung ihrer erneuerten Staatsordnung und dem Abbau der politischen Isolierung zwischen den Blöcken. Für die Bundesrepublik gibt es, solange sich die Weltlage nicht wesentlich ändert, keine Alternativlösung, die Sicherheit und Freiheit mit annähernd gleicher Wirksamkeit verbürgen könnte.Der Auftrag der Bundeswehr leitet sich ab aus dem Grundgesetz, aus dem NATO-Vertrag und dem Vertrag der Westeuropäischen Union sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen. Er läßt sich wie folgt formulieren:Die Bundeswehr hat die Aufgabe, das Recht und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland gegen Angriffe von außen zu schützen.Die Bundeswehr hat nach Entscheidung des Bundestages und der Bundesregierung zur Wahrung und zur Sicherheit des nordatlantischen Raumes einen Beitrag zu leisten. Die Integrität des nordatlantischen Raumes gewährleistet zugleich die Integrität der Bundesrepublik Deutschland.Im Rahmen der nordatlantischen Allianz trägt die Bundeswehr gemeinsam mit den alliierten Streitkräften durch ihre Existenz, ihre ständige Einsatzbereitschaft und ihre Schlagkraft zur Abschreckung bei, um dadurch jede Art von Krieg zu verhindern.Versagt die Abschreckung, ist es Aufgabe der Bundeswehr, zusammen mit den alliierten Streitkräften den Raum und die Lebensordnung der Bundesrepublik Deutschland und der in der NATO zusammengeschlossenen Staaten zu verteidigen und ihre Integrität wiederherzustellen.Dieser Auftrag ist politisch nur vertretbar, wenn er militärisch durchgeführt werden kann.Im Auftrage SACEURs, der erst im vergangenen Jahr neu formuliert wurde, sind Abschreckung und Vorwärtsverteidigung als Prämissen unserer Verteidigungsüberlegungen aufgeführt. Dieser Auftrag ist vom Rat genehmigt und damit gültiger Ausgangspunkt aller Überlegungen für die Verteidigungsplanung in Europa. Es scheint mir auch das einzige Konzept zu sein, das die Unversehrtheit des Gebietes der Allianz sicherstellen kann. Es ist nach Auffassung der Bundesregierung aber nur mit Streitkräften durchzuführen, die bereits im Frieden integriert sind, und zwar unter einem Oberkommandierenden, der neben Streitkräften, die seinem Auftrag angemessen sind, die bisherigen Befugnisse für ihren Einsatz behält.Unsere Streitkräfte müssen, soll der politische Auftrag erfüllt werden, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft den militärischen Anforderungen, die sich aus dem Auftrag ergeben, entsprechen. Weitere Modernisierung, Rationalisierung, Leistungssteigerung und Standardisierung sind die Begriffe, die auf dem Wege über Planung, Programmierung und Einzeluntersuchungen militärisch ausgefüllt werden müssen. Hierzu gehören das optimale Verhältnis zwischen Kosten und Wirksamkeit unserer Streitkräfte und die systematische Erarbeitung von Alternativen zur Erfüllung dieses Auftrags.Grundsatz ist: mit geringstem finanziellen Aufwand den optimalen Effekt zu erzielen. Ziel ist: bis 1970 den Gesamtaufbau der Bundeswehr zu vollenden. Dieses Ziel setzt voraus:1. Die Beibehaltung der Wehrpflicht. Ohne sie ist die Erfüllung unserer im eigenen Sicherheitsinteresse eingegangenen Verpflichtung den Partnern gegenüber nicht zu erreichen. Eine Reduzierung unseres Beitrages würde mit Sicherheit Rückwirkungen bei den Partnern auf Kosten unserer Sicherheit auslösen. Das heutige Kriegsbild verlangt die sofortige Einsatzbereitschaft. Sie wäre in dem für die Abschreckung erforderlichen Ausmaß durch ein kleines, rasch überaltertes Berufsheer nicht gewährleistet. Und außerdem: Nur die Wehrpflicht schafft die für die Glaubhaftigkeit der Abschreckung notwendige Wechselbeziehung zwischen Volk und Armee, macht den Verteidigungswillen des ganzen Volkes sichtbar.2. Kein Nachlassen der Verteidigungsanstrengungen. Das wäre solange nicht gerechtfertigt, als nicht wirksame Rüstungskontrollmaßnahmen in Verbindung mit internationalem Sicherheitssystem und Sicherheitsgarantien geschaffen sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß sich die Spannungen in einigen Teilen der Welt vor allem deswegen vermindert haben, weil unser Verteidigungssystem kraftvoll und wirksam gewesen ist.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2819
Bundesminister von HasselIch fasse zusammen:1. Die deutsche Sicherheitspolitik läßt sich von unserem nationalen Interesse leiten. Es geht hier nicht um Prestige-, sondern um Existenzfragen, es geht weder um Mißtrauen noch um Macht.2. Die Bundeswehr hat ihren Auftrag im Rahmen des Gesamtkonzepts der NATO zu erfüllen.3. Der Aufbau der Bundeswehr aus dem Nichts, zumal in einer gesellschaftlichen Ordnung, die sich in der Wandlung befindet, fand nicht statt in Zeiten der Ruhe: Suez 1956, Berlin 1958, Berlin 1961, Kuba 1962 drückten von außen. Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Personalmangel und Budgetsorgen brachten Einschränkungen von innen. So sind Probleme der Streitkräfte, Spannungen mancherlei Art, die in diesen Wochen allen sichtbar geworden sind, nicht ausgeblieben.4. Zu den jüngst von mir vollzogenen personellen Veränderungen in der militärischen Führungsspitze erkläre ich — auch in Wiederholung dessen, was ich vorgestern in München vor einer großen Konferenz der gesamten Politiker der NATO erklärt habe — folgendes. Die Ursachen und die Anlässe, die zu den Entscheidungen geführt haben, entbehren jedes sensationellen Akzentes. Sie sind nichts weniger als ein Wendepunkt in der deutschen Militärpolitik. Die Entscheidungen fielen — von allen Beteiligten anerkannt — auf dem Boden unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Es gab keinen Augenblick den geringsten Zweifel an der Verfassungstreue, noch wurde von irgend jemandem der Primat der Politik in Zweifel gezogen.Ich stelle mit allem Nachdruck fest, daß all die seinerzeit verbreiteten wilden Gerüchte vom Machtstreben der Generale jeder Sachgrundlage entbehren. Ich glaube, gerade diese Feststellung den Betroffenen, der Generalität der Bundeswehr und dem Offizierskorps unserer jungen Streitkräfte schuldig zu sein.
Die Bundeswehr hat ihren Aufbau noch nicht vollendet. Das ihr von der Nation und von der NATO gesetzte Ziel wird sie bis 1970 zu erreichen trachten. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, zahlreiche Lücken geschlossen. sie hat sich innerlich festigen können. Sie hat die Skepsis des Anfangs widerlegt. Sie erwartet, daß das anerkannt wird.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine Stunde, lang den Herrn Bundeskanzler und auch den Herrn Bundesverteidigungsminister über vielerlei Dinge sprechen hören, die im Zusammenhang mit der Bundeswehr standen. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Tagesordnung davon spricht, daß über die Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium berichtet werden solle.
Es stehen diese Vorgänge zur Debatte, ihre Ursachen, ihre Auswirkungen, und es steht zur Debatte, welche Konsequenzen zu ziehen sind.Um auf die Vorgänge zurückzukommen, darf ich diesem Hause drei Sätze vorlesen, die der General Trettner an die Spitze seiner Ausführungen vor dem Verteidigungsausschuß gestellt hat. Trettner sagte:Ich habe als Soldat gelernt, einen Auftrag zurückzugeben oder ihn als undurchführbar zu melden, wenn die Mittel zu seiner Ausführung nicht ausreichen.Der General sagte weiter:Was mich zu meinem Rücktritt bewogen hat, sind nicht persönliche Kränkungen oder Versehen, die immer einmal passieren können. Es war vielmehr die klare Erkenntnis, daß ich unter den im Bundesministerium der Verteidigung bestehenden Verhältnissen die Verantwortung nicht mehr tragen konnte, die mir mein Amt auferlegte.
Der General Trettner sagte drittens:
Ich würde es aber grundsätzlich für unwürdig halten, wenn Männer, die jahrelang zusammengearbeitet haben, ihre Entlastung in der Beschuldigung anderer suchen wollten.Nach diesen Worten an der Spitze folgt das, was der General zur Sache zu sagen hat.Ich möchte für die Grundhaltung, die in diesen drei Sätzen am Anfang zum Ausdruck kommt, für meine Person dem General Trettner Respekt und Hochachtung ausdrücken. Es bedeutet keine Einschränkung, wenn ich hinzufügen muß, daß sowohl meine Fraktion als auch ich in mindestens einer der mehreren wichtigen Sachfragen, die zwischen dem General und dem Minister im Streit waren, nicht mit dem General Trettner übereinstimmen.
Der General Panitzki hat sich im Ausschuß unter Darlegung vieler Einzelheiten ebenfalls über die Verhältnisse im Bundesverteidigungsministerium beklagt. Alle die Vorschläge, die er zur Behebung der Starfighter-Krise gemacht hat, sind dilatorisch behandelt, teils sehr verspätet angenommen, teils abgelehnt worden. Den Bericht, den er diesem Hause auf dessen Anforderung über die Lage auf dem Starfighter-Sektor erarbeitet hatte, ist z. B., wie wir inzwischen alle wissen, auf 25 % gekürzt und in wesentlichen Passagen verändert worden.Der General Panitzki hat im Ausschuß für einen Zeitraum zwischen dem 27. April 1965 und dem5. Oktober 1965 — es handelt sich also um den Sommer des vorigen Jahres — davon gesprochen, daß er und daß die Luftwaffenführung damals die Entwicklung der Flugunfälle als „besorgniserregend" angesehen haben; so wörtlich, so auch belegt von
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Schmidt
ihm aus dem damaligen Papier. Drei Monate nach dem Oktober des vorigen Jahres hat der Verteidigungsausschuß einen schriftlichen, zugleich auch mündlich vorgetragenen Bericht des Verteidigungsministeriums zum Thema Starfighter bekommen. Dort war das Stichwort „besorgniserregende Entwicklung" getilgt, und nach Redigierung durch Staatssekretär Gumbel enthält dieser Bericht, der am 10. Januar dieses Jahres dem Verteidigungsausschuß vorgelegt worden ist, im ersten Satz die verfälschende Feststellung — ich zitiere wörtlich —Die derzeitige Unruhe in der Öffentlichkeitüber die häufigen Unfälle ist nicht begründet.
Gestatten Sie eine Frage?
Einen Moment bitte! — „Ist nicht begründet". Das heißt: Intern sagt der Chef der Luftwaffe drei Monate früher: die Sache ist besorgniserregend, und nach außen wird — durch den Staatssekretär oder den Minister veranlaßt — gesagt: Unruhe ist nicht begründet. Und so geht es durch das ganze Starfighter-Thema mit vielen, vielen Einzelheiten hindurch.
General Panitzki hat im Ausschuß erklärt, er sei drei Wochen darauf zum Bundeskanzler zum Vortrag über das Starfighter-Thema befohlen worden. Er habe sich aber in Anwesenheit seines Staatssekretärs an seine Weisungen gebunden gefühlt und — wörtlich — aus Loyalität dem Bundeskanzler nichts anderes vortragen können.
— Entschuldigung. Er habe aus Loyalität gegenüber der Leitung seines eigenen Hauses dem Bundeskanzler dienstlich nicht das vortragen können, was nach seiner sachlichen und fachlichen Einsicht notwendig gewesen wäre.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, wir haben den Herrn von Hassel auch nicht unterbrochen. Schönen Dank, Herr Rommerskirchen.
Ich möchte gern den Versuch machen, dieses Thema in Sorgfalt abzuhandeln.
Der Verteidigungsminister und der Staatssekretär haben im Ausschuß keinen Versuch gemacht, darzulegen, daß Herr Panitzki in diesem Punkte geirrt habe, und keinen Versuch gemacht, zu bestreiten,daß er dem Bundeskanzler nicht das hat vortragen können, was er auf dem Herzen hatte. Dies ist ein Punkt, der es, wie ich meine, auch für jeden militärischen Laien einsichtig macht,
daß die Verhältnisse in dem Bundesverteidigungsministerium so gelagert sind, daß nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch der deutsche Bundeskanzler, also der oberste Dienstherr dieser Soldaten, nicht in dem Maße und nicht wahrheitsgemäß unterrichtet werden, wie es notwendig ist, um sachgemäße politische Entscheidungen treffen zu können.
Der Rücktritt des Generals Panitzki war ebenfalls wohlbegründet.Ich möchte an dieser Stelle eine bewertende Bemerkung zum Rücktritt beider Generale machen. Ganz im Gegensatz zu einigen sehr ungeschützten Bemerkungen, die der Bundeskanzler in Oslo gemacht hat, sind wir von Anfang an der Meinung gewesen und haben es klar betont: Es handelt sich nicht um einen Aufstand oder eine Revolte des Militärs gegen die politische Gewalt, sondern darum, daß zwei an hoher Stelle stehende wichtige Diener des Staates glaubten, persönliche Mitverantwortung für Tun oder für Unterlassen nicht länger tragen zu sollen.Man kann den Rücktritt dieser Generale weder wegen der Sache, um derentwillen sie zurücktraten, noch wegen der Form, in der dies geschah, kritisieren. Ganz im Gegenteil! Wir haben in Deutschland in vielen Bereichen ein etwas zu kleines Maß an ziviler Courage. Ich kann nur sagen: Respekt vor einem, der in schwierigen Situationen die Konsequenz zieht und seinen Zylinder nimmt!
Wir möchten aber nicht den Eindruck zulassen, daß etwa eine vollständige Meinungsübereinstimmung in allen Punkten, um die es sachlich ging, zwischen meiner Fraktion und den beiden Generalen besteht. Ich komme darauf noch zurück.Ich will auch in einem Punkt eine kritische Bemerkung hinsichtlich des Verfahrens nicht unterdrücken. Wir sind der Meinung, solange jemand als Beamter, als Soldat, als General im Dienst ist, hat er nicht das Recht, in Zeitungsinterviews seinen Minister öffentlich anzugreifen oder zu kritisieren.
Ich glaube auch nicht, daß er sich dieses Recht nehmen darf. Insofern war das Verfahren des Generals Trettner völlig korrekt. Er trat zurück, und nachdem sein Rücktritt angenommen war, bat er darum, nun allerdings auch seine Meinung sagen zu dürfen. Herr General Panitzki hat sich in seiner psychologischen Bedrängnis zu früh zu öffentlichen Äußerungen bewegen lassen. Da aber sein Rücktritt inzwischen angenommen worden ist, wäre es wohl wenig sinnvoll, auf diesem Punkt noch herumzureiten. Sein Konto ist sicherlich völlig ausgeglichen. Allerdings will ich nicht verschweigen, daß mir per-
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sönlich der Rücktritt der beiden Generale nach all dem, was wir an Einzelheiten aus den Anhörungen im Verteidigungsausschuß wissen, keineswegs verfrüht erscheint.Nun haben wir in den letzten Wochen erlebt, daß Mitglieder dieses Hauses — auch der Minister ist eben auf das Thema eingegangen — den Versuch gemacht haben, den Rücktritt der beiden Generale in den Versuch eines politischen Pronunziamentos umzufälschen. Damit wird versucht, auf antiquierte und, was die heutige Situation angeht, ungerechtfertigte Ressentiments anzuspielen, die es hier und da immer noch gibt.Ich erkenne an, daß der Bundesverteidigungsminister vorgestern in München — er hat es heute zitiert — erklärt hat, er habe keinen Augenblick den geringsten Zweifel an der Verfassungstreue der Generale gehabt, und angesichts der derzeit verbreiteten wilden Gerüchte vom Machtstreben der Generale sei er diese Feststellung den Betroffenen und der Bundeswehr schuldig. Verehrter Herr von Hassel, Sie waren diese Erklärung der Bundeswehr und der Generalität gegenüber schon vier Wochen lang schuldig geblieben.
Ich will nicht im einzelnen belegen, von wem und aus welchen Häusern alles in der ersten Woche Bemerkungen darüber gemacht worden sind, daß es sich hier in Wirklichkeit eben doch um den Versuch handle, die Regierung politisch zu überspielen. Vier Wochen sind für eine solche Ehrenerklärung eine sehr lange Zeit. Außerdem gibt es andere Ehrenerklärungen, die Sie jetzt noch schuldig sind, Herr von Hassel.Im Verteidigungsministerium hat es Machtkämpfe gegeben, nicht zwischen den obersten militärischen Spitzen und der Regierung, wohl aber zwischen einigen Personen der militärischen Spitzen und einigen Personen der zivilen beamteten Spitzen. Diese Machtkämpfe dauern an, und sie werden auch nicht durch Erklärungen aus der Welt geschafft, wie wir sie heute morgen gehört haben.Die konkreten personellen, materiellen und die psychologischen Auswirkungen des Andauerns dieser Kämpfe reichen tief hinein bis ins letzte Bataillon des Heeres, bis in das einzelne StarfighterGeschwader, bis in das einzelne U-Boot-Geschwader der Marine, bis in jede Einheit aller drei Teilstreitkräfte. Hier in diesem Hause sitzen viele Kollegen aus allen drei Fraktionen, die im Sommer ihre Reserveübungen wiederholt haben. Keiner von ihnen wird aufstehen und sagen, ich hätte in diesem Punkt unrecht.Wenn man in Zukunft diese Auseinandersetzungen vermeiden will, muß man die Ursachen beseitigen. Es ist notwendig, sich der geschichtlichen Entwicklung dieser Ursachen bewußt zu werden.Vor 10 Jahren fing es damit an, daß der damalige Bundeskanzler Adenauer und sein Staatssekretär Globke von der Vorstellung ausgingen, in dem neu entstehenden Verteidigungsministerium müsse man die Kontrolle über die bewaffnete Macht durchBeamte ausüben. Der ehemalige Bundeskanzler Adenauer hat sich damals der Verfassungsänderung, die die politische Kontrolle durch das Parlament herbeiführte, widersetzt. Die Verfassungsänderung vom März 1956 ging nicht auf eine Vorlage der Bundesregierung, sondern auf ein gemeinsames Zusammenwirken der drei Fraktionen dieses Hauses zurück. Die damals in der Verfassung geschaffenen Einrichtungen sind Institutionen, die das Parlament aus eigener Initiative geschaffen hat.Die damalige Bundesregierung glaubte durch Beamte die notwendige Kontrolle ausüben zu können. Insbesondere Herr Globke hat damals gemeint, dieser Aufgabe durch die Entsendung einer Reihe von Beamten in das Verteidigungsministerium, die bisher im Bundeskanzleramt gedient hatten, zu genügen. — Der Gedanke, der der damaligen Konzeption des Bundeskanzleramtes zugrunde lag - ich zitiere wörtlich — war „die Idee von dem Gleichgewicht zwischen militärischen und zivilen Führungskräften". Das wurde dann von interessierter Seite noch dahin ausgeweitet, daß eigentlich die Zahl der zivilen Abteilungen viel größer sein müsse als die Zahl der militärischen, damit auch die Demokratie gebührend gesichert sei.Diese Gleichgewichtstheorie ging natürlich am Kern der Dinge vorbei und hat mit Teilen ihrer Motivation schon damals unter dem Mantel einer angeblichen Sicherung der Demokratie der Kompetenzerweiterung der jeweiligen Träger der Ämter gedient.
— Ich zitiere nicht einen Ihrer Kollegen, sondern ich zitiere eine Denkschrift der Bundesregierung.
Heute gibt es nun hier im Bundestag einige Kollegen, die öffentlich die Behauptung aufstellen, der Bundestag selber habe Schuld an der Entwicklung des Kompetenzstreits zwischen einigen Spitzenbeamten und einigen Spitzenmilitärs. Der Bundestag selber habe 1956 Gesetze gemacht — so habe ich einen unserer Kollegen reden hören —, die aus „abgrundtiefem Mißtrauen gegen das Militär geboren" seien.Ich habe das wörtlich zitiert. Der Verteidigungsminister hat diese Auffassung soeben scharf zurückgewiesen. Ich pflichte ihm in diesem Punkt bei und ich darf mich an all diejenigen wenden, die schon damals, vor 10 Jahren, genauso wie ich im Rechts-und Verfassungsausschuß und im damaligen Sicherheitsausschuß des Bundestages an der Verfassungsergänzung des Jahres 1956 und an den ersten Wehrgesetzen mitgearbeitet haben. Natürlich hat es damals auf allen Seiten, auch außerhalb des Parlaments, die Sorge gegeben, wohin denn dieses Wagnis der Wiederbewaffnung Deutschlands in einer ungewissen äußeren Situation und in einer darauf nicht vorbereiteten inneren Situation führen könne. Es hat auch die Sorge gegeben, wohin dieses Experiment verfassungspolitisch führen könne.
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2822 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Schmidt
Ich darf die sozialdemokratische Haltung von damals in einem einzigen Zitat in Erinnerung rufen. Unmittelbar nach der Verfassungsergänzung vom März 1956 gibt es einen Beschluß der Führungskörperschaften meiner Partei, in dem es heißt:Die von der Sozialdemokratie geforderten und nunmehr vom Bundestag beschlossenen Änderungen des Grundgesetzes haben zum erstenmal in der deutschen Geschichte die Möglichkeit geschaffen, jede Form einer Armee der politischen Leitung durch die Regierung und der Kontrolle durch das Parlament zu unterwerfen.Hier ist ganz klar von „Kontrolle durch das Parlament" und von „politischer Leitung durch die Regierung" und nicht von „Kontrolle durch Beamte" oder „politischer Leitung durch Beamte" die Rede. Damals waren sich alle Seiten des Hauses über dieses Prinzip einig, und wenn ich es richtig sehe, sind sie sich auch heute darüber einig. Wir haben damals die Gliederung des Verteidigungsministeriums von der Funktion her gesehen. Schon damals habe beispielsweise ich in einer Parlamentsrede ausgeführt: Es wäre richtig, wenn der eigentliche Vertreter des Ministers ein parlamentarischer Staatssekretär wäre. Sie können in Dokumenten von damals nachlesen, daß wir z. B. vor 10 Jahren u. a. den Gliederungsvorschlag machten, wonach der parlamentarische, der politische Staatssekretär die eigentlich kontrollierenden Abteilungen des Hauses unter sich haben sollte. Man dachte damals an die Personalabteilung, die Finanzkontrollabteilung und die Rechtsabteilung. Das übrige sollte in den Händen der Berufsbeamten und der Berufsmilitärs liegen. Diese Vorstellungen sind im einzelnen sicherlich durch die Erfahrungen überholt. Ich sage das nur, um darzutun, wie sehr man sich damals auf allen Seiten des Hauses für die politische Kontrolle und keineswegs für die Kontrolle durch beamtete Staatssekretäre eingesetzt hat.Meine Damen und Herren, das Verhältnis zwischen militärischer Spitze und politisch verantwortlicher Regierung, zwischen militärischer Kommandogewalt und Regierung ist in den letzten 100 Jahren deutscher Verfassungsgeschichte, deutscher politischer Geschichte überhaupt, nicht nur ein interessantes Problem, sondern in gewissen Epochen ein kardinales Problem gewesen. Gerade in den letzten Wochen sind hier in Deutschland zwei sehr interessante neue Bücher erschienen, die sich damit beschäftigen; eines — ein dickes Werk — dankenswerterweise von einem Oberstleutnant der Bundeswehr geschrieben, Dr. Carl Hans Hermann, der bei der Führungsakademie in Hamburg tätig ist — „Deutsche Militärgeschichte" —, und eines — etwas schmaler — von Jürgen Schmädeke über „Kommandogewalt und parlamentarische Demokratie". Es ist ungeheuer interessant und reizvoll, zu lesen, wie in der Weimarer Zeit, wie in der Wilhelminischen Zeit, wie in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zur Zeit des preußischen Verfassungskonflikts die gleichen Probleme in immer anderer Gestalt wiederkehren, wie sie auch uns 1956 bewegt haben. Ich glaube, daß wir sie gut gelöst haben.Der Art. 65 a, der die ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt in die Hände des Verteidigungsministers legt, ist der Schlußstein einer sehr vielfältigen, häufig von schlimmen Fehlern unterbrochenen Entwicklung zu einem guten Ende hin. Es waren die schmerzlichen Erfahrungen der Weimarer Zeit, die alle Seiten des Hauses dazu gebracht haben, das so in die Verfassung hineinzuschreiben, nämlich die Teilung zwischen Befehlsgewalt einerseits, Kommandogewalt andererseits und die Ausschaltung der parlamentarisch verantwortlichen Regierung von der Ausübung der Kommandogewalt ein für allemal zu beseitigen.Wir haben damals gemeinsam erstens diese ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt beim Minister geschaffen. Wir haben gemeinsam die Bestimmung geschaffen, daß der Verteidigungsausschuß dieses Parlaments ein Verfassungsorgan mit Untersuchungsbefugnis wurde, und wir haben drittens den Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Parlaments bei der Ausübung seiner Kontrollaufgaben geschaffen. Ich glaube, daß, alle diese drei grundlegenden Einrichtungen, um die es hier geht und die wir vor 10 Jahren gemeinsam miteinander geschaffen haben, richtig sind, daß sie notwendig sind und auch in Zukunft notwendig bleiben werden. Ich sehe darin nichts zu revidieren. Wenn einige CDU-Kollegen in öffentlichen Reden meinen, es sei etwas zu revidieren, so würde ich darum bitten, daß die CDU-Fraktion sich zunächst untereinander zusammensetzt, um zu prüfen, ob sie wirklich der Meinung ist, daß daran etwas revidiert werden sollte.
Es gibt einen Punkt, über den auch eben der Minister sprach, bei dem ich einräumen will, daß eine sehr einseitige Auslegung der Verfassung zu unerfreulichen Konsequenzen beigetragen hat; das ist der Art. 87 b. Die Ursache für diesen Verfassungsartikel war, daß die Einrichtungen der Bundeswehr hinsichtlich aller Verwaltungsvorgänge sonst automatisch Sache der Länderverwaltungen geworden wären. Das Grundgesetz schreibt vor, daß die Länder die Gesetze ausführen und die Verwaltung innehaben. Wenn man das nicht wollte — und das konnte man nicht wollen —, so mußte man einen Ausnahmeartikel in das Grundgesetz schreiben, der die Bundeswehrverwaltung zu einer Bundessache machte. Das war der Zweck und der Sinn des Art. 87 b. Niemals, Herr Minister von Hassel, hat dieser Artikel den Sinn gehabt, daß Beamte an der Spitze einiger Abteilungen Ihres Ministeriums Kontrolle über Soldaten ausüben und über die dienende Funktion hinausgehen, die ausdrücklich im Grundgesetz drinsteht. Niemals hat er gewollt: Kontrolle ausüben über andere. Der Art. 87 b sagt noch nicht einmal, daß die Bundeswehrverwaltung mit Beamten besetzt sein muß. Man kann sie durchaus mit Generalen besetzen, wenn man das wollte. Auch das wäre grundgesetzkonform. Ich sage das nur, damit die Herren Ministerialdirektoren im Verteidigungsministerium mal ein bißchen über ihre Interpretation nachdenken und damit sich der Herr Bundesverteidigungsminister endlich von der Bevormundung durch ganz bestimmte Personen in seinem Hause löst.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2823
Schmidt
Die Spitzengliederung der Verwaltung wie auch die Spitzengliederung der militärischen Seite ist im Grundgesetz überhaupt nicht vorgeschrieben. Da es bisher kein Organisationsgesetz gibt, obliegt die Spitzengliederung und die Gliederung des Hauses ausschließlich der Organisationsgewalt der Bundesregierung und der Organisationsgewalt des Ministers. Das ist der gegenwärtige gesetzliche Zustand. Insofern hat auch der Minister persönlich die Verantwortung für den Zustand seiner Organisation. Er macht von seiner Organisationsgewalt einen unzureichenden Gebrauch. Wenn es notwendig wäre, wenn sich herausstellte, daß gewisse Beamte im Ministerium recht haben mit ihrer Interpretation dieses Art. 87 b, wir würden mit uns darüber reden lassen, wenn Sie, meine Herren von der Rechten, darüber reden wollen. Aber ich nehme an, auch Sie kommen zu dem Ergebnis, daß an und für sich die Verfassung in Ordnung ist, nicht aber die Auslegung der Verfassung in jenem Hause.Es kommt nicht sosehr darauf an, wie nun im Ministerium senkrecht nebeneinander die militärischen und die zivilen Abteilungen gegliedert sind. Darüber kann man streiten. Wir haben dazu sehr dezidierte Meinungen geäußert in dieser in der ganzen Bundeswehr bekannten Entschließung unserer Partei in Karlsruhe vor zwei Jahren. Herr von Hassel meinte immer, es komme nicht darauf an, ob wir vier Abteilungen haben wollten und er bloß drei oder fünf. Das kann man wirklich mit einem gewissen Recht sagen. Darauf kommt es nicht sosehr an. Worauf es ankommt, ist, daß man weiß, wer innerhalb eines Hauses für eine bestimmte Aufgabe zuständig ist und, wenn etwas schief geht, wen man greifen kann, weil er die Verantwortung dafür trug.
Das ist in jenem Hause heute nicht möglich. Für kein einziges Vorkommnis in der ganzen StarfighterTragödie — und ich fürchte, in Zukunft auch in der noch zu untersuchenden U-Boot-Tragödie — werden Sie einen Verantwortlichen finden, nicht für ein kleines Gerät, nicht für ein großes Gerät, nicht für einen Ausbildungsbefehl. Überall wirken viele Leute aus verschiedenen Abteilungen zusammen. Das läßt sich nicht vermeiden. Das ist in jedem Ministerium so. Es ist in keinem Ministerium so schlecht wie in diesem, und in keinem Ministerium ist es so wie in diesem, daß, wenn in verschiedenen Säulen verschiedene Auffassungen bestehen, die Entscheidung ganz nach oben auf die Ebene des Staatssekretärs oder des Ministers getragen werden muß. Diese beiden Personen sind der Flaschenhals des ganzen Hauses.
Ich will in diesem Zusammenhang von der Person des gegenwärtigen Staatssekretärs nicht allzuviel sprechen. Es läßt sich aber nicht ganz vermeiden, meine Damen und Herren. Deswegen will ich zu seiner Person vorwegschicken: Ich persönlich habe keinen Zweifel, daß es sich bei ihm um einen pflichtbewußten Beamten handelt,
der im Rahmen seines Urteilsvermögens bestrebt ist, für das allgemeine Wohl das Beste zu wirken. Daß er in der Behandlung seiner Dienstgeschäfte eine geschickte Hand hätte, wird allerdings kein Mitglied des Verteidigungsausschusses und kein Soldat der ganzen Bundeswehr und auch die Masse seiner Beamten im Ministerium nicht behaupten wollen.
— Ich habe mich noch sehr milde ausgedrückt.
Wenn ich Ihnen zitieren sollte, was die Offiziere auf der Hardthöhe und was auch Beamte von der Hardthöhe in deren Sprache zur gleichen Person sagen, würde es unerfreulich.
Der Staatssekretär hat in seinem Ministerium eine verfassungswidrige Position erlangt. Die Verfassung hat geschrieben, daß die Befehls- und Kommandogewalt bei dem Bundesverteidigungsminister liegen soll. Da hat sie zu Zeiten seines Amtsvorgängers auch immer gelegen. Es war erstmalig der Verteidigungsminister, der heute amtiert, der es für möglich und offenbar für nützlich befunden hat, in Fällen seiner Abwesenheit die Befehls- und Kommandogewalt vollständig und ungeteilt auf seinen Staatssekretär zu übertragen — zeitweise, gewiß.Der Staatssekretär ist nach der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung sicherlich in jedem Hause der interne Vertreter des Ministers, aber niemals, meine Damen und Herren — das sage ich zur Regierungsbank —, kann die Geschäftsordnung der Bundesregierung der Verfassung vorgehen. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung ist nicht einmal ein Gesetz.Tatsächlich ist es so, daß die Weisungsbefugnis der Befehls- und Kommandogewalt, die ein Institut der Verfassung ist, weit hinausgeht über die normale Weisungsbefugnis, die ein Minister an der Spitze seines Ressorts hat. Das ist eine Gewalt sui generis, und der Art. 65 a begründet eine ausschließliche Kompetenz. Die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte kann nur von dem dafür bestellten Bundesminister ausgeübt werden; und wenn er nicht da ist, muß sie auf einen anderen Minister übergehen, der zu seinem Vertreter bestellt ist. Es kann ja auch nicht der Staatssekretär im Bundeskanzleramt die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzler ausüben, die auch eine Gewalt sui generis ist und nicht dem internen Vertreter in die Hand gegeben werden darf.Die Bundeswehr ist keine oberste Bundesbehörde, sie ist auch kein Ministerium; und die Vorstellung, daß der Staatssekretär bei Verhinderung des Ministers den Oberbefehl ausübte, ist barer Unsinn. Wenn diese Vorstellung richtig wäre, dann könnte man ja die Kommandogewalt auch auf andere Personen delegieren. Das kann man nicht. Genau das hat die Verfassung nicht gewollt. Aus der Weimarer Erfahrung heraus hat sie gewollt, daß diese Gewalt ungeteilt bei der Person des politisch verantwortlichen Ministers liegen soll. Ich will nicht sagen,
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2824 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
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daß in diesem Falle bei dem gegenwärtig amtierenden Minister Verfassungsungehorsam vorliegt. Ich will nur sagen, im Gegensatz zur Situation vorher und im Gegensatz zur Situation unter Herrn Blank hat sich dieser Minister von seinem Staatssekretär in diesem Punkt — nicht nur in diesem Punkt — überfahren lassen.
Das hat dann gleichzeitig dazu geführt, daß die ganze Personalpolitik innerhalb der Bundeswehr von Herrn Staatssekretär Gumbel ausgeübt wird. Das ist nicht gut. Wenn der Minister im Gegensatz zu dem, was er heute hier ausführt, im Verteidigungsausschuß zugeben muß, daß bei Streitigkeiten zwischen Personalabteilung — sprich: Staatssekretär — und militärischer Seite die Personalabteilung letztlich entscheidet, dann darf es das doch wohl nicht geben. Wenn der Inspekteur der Luftwaffe oder der Generalinspekteur eine bestimmte Entscheidung will und der Personalchef oder der Staatssekretär sie nicht will, dann kann doch wohl nur der Minister entscheiden. Aber in jenem Hause ist es üblich, daß der Staatssekretär entscheidet.
Und nun muß ich auf zwei Vorkommnisse kommen, die bei der Krise im Ministerium eine große Rolle spielen. Ich meine zunächst die beiden Gewerkschaftserlasse. Die Sozialdemokratische Partei
sieht mit Sympathie
auf die Bemühungen beider, sowohl des Bundeswehrverbandes als der ÖTV,
— mit gleicher Sympathie, Herr Strauß. Es gibt, nehme ich an, überhaupt keinen Streit darüber, daß das Grundgesetz die Frage des Koalitionsrechts einwandfrei und abschließend geregelt hat und auch hat regeln wollen. Darüber haben wir ja 1956 miteinander gesprochen. Ich verstehe, daß man unter militärischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten da Hemmungen haben mag. Der eine oder andere mag da anderer Meinung sein, aber ich bin da nicht der Meinung des Generals Trettner, weiß Gott nicht. Die Verfassung hat das entschieden. Materiell ist diese Frage seit zehn Jahren geregelt. Materiell ist General Trettner im Unrecht. Formell und was das Verfahren bei diesen Erlassen angeht, ist General Trettner im Recht.Meine Damen und Herren, mir ist unverständlich, wieso ein Erlaß, der verfassungswidrig war — wie der Minister selber sagte und weiß —, vom Frühjahr vorigen Jahres eineinviertel Jahr in der Welt bleiben konnte, ohne geändert zu werden. Das ist mir völlig unverständlich. 17 Monate hat dieser Minister gezögert und geschwankt zwischen Gehorsam gegenüber dem Grundgesetz einerseits und seiner konservativen Grundhaltung andererseits.
Am 1. August dieses Jahres hat er schließlich Hals über Kopf dem Grundgesetz Gehorsam gezollt und einen neuen Erlaß unterschrieben, der den ersten Erlaß aufhob.Der Bundesminister hat im Ausschuß glaubhaft dargetan, daß er bei Unterschrift der Meinung gewesen sei, der Generalinspekteur und seine Berater seien vorher gehört worden und hätten zugestimmt — oder auch nicht zugestimmt; das letztere wurde nicht klar. Er hat glaubhaft dargetan, er sei der Meinung gewesen, der Generalinspekteur sei befaßt worden. Er hat glaubhaft dargetan, er erinnere sich deswegen besonders daran, weil auf dem Erlaßschriftstück, das ihm vorgelegt worden sei, ein Aktenzeichen der Abteilung Streitkräfte gestanden habe. Nun, wir wissen inzwischen, daß das ein Erinnerungsirrtum des Ministers ist; denn in Wirklichkeit kam der Erlaß nicht von der Abteilung Streitkräfte — die hatte ihn vorher gar nicht gesehen —, sondern der Erlaß kam aus der Verwaltung. Aber der Minister konnte gar nicht wissen, von wem der Erlaß wirklich kam. Es steht fest, daß der Minister einen Erlaß unterschrieben hat, der von niemandem abgezeichnet war. Es steht fest, daß derjenige, der ihn dem Staatssekretär vorlegte, die Absicht hatte, ihn nicht abzuzeichnen. So hat er vor dem Ausschuß ausgesagt. Er hat ausgesagt, er habe ihn absichtlich nicht abgezeichnet, weil es sich um geistiges Eigentum des Staatssekretärs gehandelt habe.
Es steht auch fest, daß der Staatssekretär nicht abgezeichnet hat. Der Staatssekretär behauptet — und das ist ihm nicht zu widerlegen —, er habe geglaubt, der Ministerialdirektor — der in der Kette daruntersteht — habe die Militärseite befaßt. Der Ministerialdirektor, befragt, sagt: Nein, ich habe sie nicht befaßt, ich wollte sie auch nicht befassen;
alle Leute im Hause wußten doch, daß es keinenZweck hat, mit denen noch einmal darüber zu reden.
„Alle Leute" heißt also: auch der Staatssekretär; heißt also: auch der Minister.Die Sache geht noch weiter. Nachdem der Verteidigungsminister seine Unterschrift geleistet hatte — nur auf die Empfehlung des Staatssekretärs hin; er wußte nicht, von wem der Entwurf stammte, er wußte nicht, mit wem er beraten war, er wußte nur: es kommt vom Gumbel, also ist es gut —,
ist der Erlaß nachträglich — das steht für den Ausschuß fest — von nicht autorisierten Personen noch geändert worden. Es ist noch ein Absatz eingefügt. Was sind das für Verhältnisse, meine Damen und Herren?Nachdem dieser nach Unterschrift noch geänderte Erlaß fertig war, hat ihn irgendein Beamter — es steht nicht fest, wer — per Führungsfernschreiben an sämtliche Tausende von Kompanien, Batterien, Bataillonen, Divisionen, Brigaden der Bundeswehr ge-
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schickt — über Nacht! Weswegen wohl, meine Damen und Herren? — Damit die militärische Seite, wenn sie merkte, was hier los war, nicht Gelegenheit haben sollte, nachträglich noch etwas zu ändern oder zu revidieren. Das ist ganz klar. General Trettner ist völlig glaubwürdig und überzeugend, wenn er sagt, daß er hier bewußt umgangen worden ist.Und ein Verwaltungsbeamter hat vorgetragen, er habe geprüft, ob es richtig sei, diesen Erlaß der Truppe ohne Erläuterung zu schicken. Die hätte ja weiß Gott eine Erläuterung erwarten können; denn eineinviertel Jahre lang hatte sie genau das Gegenteil von oben gesagt gekriegt, hatte sie gesagt gekriegt: die Gewerkschaften sollen nicht in die Kasernen. Noch 14 Tage vorher hatte der Bundeskanzler, wie es scheinen mußte, das Gegenteil in einer Rede vor dem Bundeswehrverband gesagt. Und nun kommt über Nacht ein Führungsfernschreiben: Alles zurück, marsch, marsch!Jener Verwaltungsbeamte hat gesagt: ja, sicher, in seiner Abteilung sei das geschehen. Er habe sich nicht darum gekümmert, auf welche Weise der Erlaß zur Truppe zu bringen sei. Er habe überlegt und gefunden, es sei richtig, wenn er sofort und ohne Erläuterung herausgehe.Bei dieser Gelegenheit haben wir festgestellt, daß allein in der Hauptabteilung dieses einen Beamten 60 zivile Beamte das Recht haben, Führungsfernschreiben an sämtliche Kompanien, Batterien, sämtliche Einheiten der ganzen Bundeswehr zu richten. Allein 60 in einer einzigen zivilen Abteilung!
Das wird, wenn Sie die anderen Abteilungen dazu zählen und wenn Sie die militärischen Abteilungen dazu zählen, ungefähr dazu führen, daß 120 oder 150 verschiedene Personen in diesem Ministerium gegenwärtig das Recht haben, unmittelbar bis in die letzte Einheit der Truppe hineinzuregieren. Wie soll denn die Truppe damit überhaupt fertig werden?
Das ist ein Schlaglicht auf einen Zustand des Kompetenzwirrwarrs in diesem Ministerium, der deutlich macht, warum, von den Starfightern angefangen bis zu den wollenen Decken unten, das alles nicht funktionieren kann. Wie können Sie einen militärischen Verband in Ordnung halten, wenn 100 verschiedene Personen außerhalb des militärischen Befehlsstranges hineinregieren können bis unten auf die Ebene des Bataillons oder der Kompanie?
Hier sitzen genug alte Soldaten im Saal — ich nehme an, weit mehr als die Hälfte der Männer hier sind Soldat gewesen —, die sich vorstellen können, daß das ein unerträglicher Zustand ist und daß, wenn so etwas nicht geändert wird, alle guten Vorsätze, die Herr von Hassel hier öffentlich vorträgt, nichts ändern können.So wie das Umgehen des Generalinspekteurs der Grund für den Rücktritt Trettners war, so war die Behandlung der Starfigther-Affäre der Grund für den Rücktritt Panitzkis. Es kann gegenwärtig im Ministerium für keinen der vielen Fehler und Versäumnisse in der Starfighter-Frage ein Verantwortlicher gefunden werden. Das hatte man in der Luftwaffe schon früher erkannt. Panitzki hat verlangt, man solle ein Systemmanagement einführen. Herr von Hassel hat heute davon gesprochen. Herr Gumbel hat im Frühjahr vor dem Ausschuß gesagt, das sei nichts für uns, das sei etwas Amerikanisches. Im März oder April, als wir hier die Starfighter-Debatte hatten, hat Herr von Hassel gesagt, er sei dafür. Jetzt hat er vor dem Ausschuß gesagt, er habe sich mehrfach dafür eingesetzt, aber die Luftwaffe habe das nicht gemacht. Jedenfalls ist es bisher nicht zustande gekommen. Heute sagte der Minister: Nun kommt es zustande; ich habe jetzt einen neuen Luftwaffenchef, nun kommt es zustande.Wir haben den neuen Luftwaffenchef vor acht Tagen vor dem Verteidigungsausschuß gehört. Er hat einen Vortrag über seine Aufgaben und seine Absichten gehalten. In ihm kam dieser Punkt vor. Als er fertig war, erhob sich der Minister und erklärte, das sei nun die Vorstellung der militärischen Seite; ehe man zur Entscheidung kommen könne, so gab er zu verstehen, müsse man demnächst im Ausschuß auch noch die zivile Seite hören. Genau gesagt, es hatte den deutlichen Anschein, als ob der General Steinhoff nach langer Bedenkzeit im Vertrauen auf Zusicherungen des Ministers sein Amt übernommen hat und in dieser Ausschußsitzung erleben mußte, daß die Zusicherungen nur die Hälfte wert sind.Herr Minister, Sie haben am 26. März in diesem Bundestag einen Bericht des Kollegen Draeger in der Starfighter-Debatte entgegengenommen. Da steht — und das ganze Parlament hat dem zugestimmt —: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag alsbald Vorlagen vorzulegen; und dann kommen eine Reihe von Vorlagen. „Alsbald" ! Bis zum heutigen Tage hat keine dieser Vorlagen das Parlament erreicht. Das ist ein halbes Jahr her. Wie eilig ist eigentlich die Starfighter-Sache?
Wenn wir von Ihrer Verantwortlichkeit sprechen, Herr von Hassel, dann meinen wir nicht die formale Tatsache, daß Sie dem Parlament zu antworten haben auf Fragen, wie wir sie stellen. Wir meinen auch nicht die formale Verantwortlichkeit etwa in dem Sinne, wie sie in England früher üblich war, wo ein Minister schon wegen einer strafbaren Handlung eines seiner Untergebenen zurückzutreten pflegte. Ich meine auch nicht etwa eine strafrechtliche Verantwortlichkeit — um den anderen Pol der Möglichkeiten auszuschalten —, sondern ich meine die Tatsache, daß der gegenwärtige Verteidigungsminister in seiner Person die Ursache ist für eine große Zahl von Fehlentscheidungen, für eine noch größere Zahl von Entscheidungsunterlassungen.Erstens. Herr von Hassel ist in seiner Person die Ursache dafür, daß im Ministerium Verhältnisse geherrscht haben, die es dem Inspekteur der Luftwaffe unmöglich machten, den Bundeskanzler umfassend und sachgerecht über das Starfighter-Problem zu unterrichten.
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Zweitens. Herr von Hassel ist in seiner Person Ursache dafür, daß Verhältnisse geherrscht haben, die infolge unklarer Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten zwischen einzelnen Stellen seines Hauses in zunehmendem Maße Intrigen und bürokratischen Stellungskrieg zwischen den verschiedenen Abteilungen und insbesondere zwischen verschiedenen Leitungspersonen zugelassen haben.Drittens. Der Minister ist in seiner Person die Ursache dafür, daß bei einer längeren Reihe wesentlicher, für die Truppe belangvoller Entscheidungen die militärische Führung planmäßig umspielt, um nicht zu sagen, überspielt worden ist. General Trettner, der im Ausschuß in mehreren Einzelfällen dargelegt hat, daß er bewußt umgangen worden sei, hat bei der Darlegung dieser Einzelfälle sehr viel mehr Glaubwürdigkeit für sich als sein Kontrahent, der Staatssekretär, der in mehreren Fällen sagt, er kann sich daran nicht erinnern.Viertens. Der Minister ist persönlich die Ursache dafür, daß die Unklarheit der Abgrenzung der Befugnisse in seinem Hause eine große Zahl von Entscheidungen über das Waffensystem „Starfighter" nicht hat rechtzeitig treffen lassen. Er ist persönlich verantwortlich dafür, daß Entscheidungen, die der Bundestag vor einem halben Jahr verlangt hat, heute ihm noch nicht einmal in Form eines Entwurfs auf dem Tisch liegen.Fünftens. Der Minister ist die persönliche Ursache dafür, daß ein von seinem Staatssekretär und von ihm selber eindeutig als verfassungswidrig erkannter Erlaß gleichwohl über ein Jahr lang in Kraft blieb, weil er sich nicht entscheiden konnte. Er ist persönlich verantwortlich dafür, daß die Truppe, als schließlich ein neuer Erlaß kam, aus allen Wolken fallen mußte.Sechstens. Er ist persönlich die Ursache dafür, daß eine andere Person in seinem Hause eine zum Teil selbstherrliche Offiziersbeförderungs- und Stellenbesetzungspolitik getrieben hat. Er ist persönlich verantwortlich dafür, neben sich in der Leitung des Hauses Männer geduldet zu haben, von denen er wußte, daß sie miteinander lange Zeit, lange Jahre in tiefem persönlichem Streit lagen.Siebtens. Der Minister ist insbesondere verantwortlich dafür, daß er selber der Truppe und den Vorgesetzten in der Truppe ein schlechtes Vorbild darin gab, indem er im Fernsehen und vor der Presse seine bisherigen Mitarbeiter und Untergebenen öffentlich bloßstellte und die insgesamt vorliegenden Fehler und Versäumnisse einseitig auf deren Schulter abzuwälzen versuchte.
Der Minister hat damit das ungute Gefühl vieler Truppenführer verstärkt, die schon nach dem IllerUnglück und nach den Vorfällen von Nagold den Eindruck gewonnen hatten, daß man die Kleinen hänge, die Großen aber unbehelligt lasse.
— Es kann doch kein Zweifel sein, daß der wirklichSchuldige z. B. für die Vorfälle in Nagold derjenigeist, der unreife, junge, noch nicht zur Verantwortung berufene Offiziere gleichwohl schon zu Kompaniechefs macht, meine Damen und Herren. Daß das nicht der Bataillonskommandeur ist, der die Schuld trägt, sondern derjenige, der insgesamt eine Aufstellungsplanung durchsetzt, die mit dem vorhandenen Personal nicht bewältigt werden kann, daß also die Schuld eigentlich oben zu suchen ist und nicht bei dem kleinen Oberleutnant Schallwig, das ist, glaube ich, sehr deutlich.
Achter Punkt. Der Minister ist persönlich die Ursache dafür — und er hat es soeben in seiner Rede noch einmal ausgeführt —, daß selbst nach der Entlassung der Generale Trettner und Panitzki und nach dem Dienstantritt der neuen Inspekteure die Kompetenzverteilung innerhalb seines Hauses sich keineswegs geändert hat. Er ließ die drei neuernannten Inspekteure ihre Vorstellungen vortragen und machte hinterher deutlich, daß man sich das noch überlegen müsse. Hier hat der Minister soeben zitiert aus einem Briefwechsel, den er mit dem General de Maizière hatte. Wir haben ja offiziell diesen Briefwechsel in Fotokopie bekommen. Es sind nicht zwei Briefe, sondern vier. Es ist offensichtlich, daß der General de Maizière es bei Dienstantritt für notwendig gehalten hat, die ihm gemachten Zusagen des Ministers schriftlich zu fixieren. Es ist aus dem Briefwechsel offensichtlich, daß der Minister versucht hat, bei der Bestätigung des Briefes des Generals de Maizière den General auf Dinge festzulegen, die nicht zwischen beiden besprochen waren. Der General hat darauf einen dritten Brief geschrieben, in dem er sich dagegen wehrt, und der Minister läßt viertens durch seinen persönlichen Referenten einen Brief schreiben, in dem er bestätigen muß: Jawohl, so war es nicht gemeint.Der Minister von Hassel ist persönlich verantwortlich dafür, daß auch heute in sein Ministerium keineswegs Ruhe eingezogen ist, sondern daß im Augenblick die Unruhe in jenem Hause tiefer ist als jemals zuvor.Neuntens. Der Minister ist persönlich verantwortlich dafür, daß die Rücktritte der Generale Trettner und Panitzki — höchster Soldaten in unserem Staat —, die am 12. und 13. August eingegangen sind, am 21. August erstmalig dem Bundeskanzler bekannt gemacht worden sind. Er führt sein Amt selbstherrlich.
— Sie haben ganz recht, wenn Sie mir dazwischenrufen. Eigentlich ist es nicht er selbst, sondern ist es sein Staatssekretär, der dieses Ministerium selbstherrlich führt.
Minister von Hassel ist zehntens persönlich verantwortlich dafür, daß er Briefe des Generalinspekteurs, an ihn selbst gerichtet, nicht beantwortet, daß er das Versprechen, sie zu beantworten, nicht eingehalten hat. Er ist persönlich verantwort-
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lich dafür, daß .der Generalinspekteur Schwierigkeiten hatte, ihm persönlich vortragen zu können. Er ist persönlich die Ursache dafür, daß der neue Generalinspekteur schriftlich bei Amtsantritt den Minister ersucht hat oder darum hat bitten müssen, jederzeit direkten Vortrag beim Minister halten zu dürfen. Der Minister ist persönlich verantwortlich dafür, daß Zustände geherrscht haben, die den General de Maizière bei Amtsantritt bewogen haben, schriftlich darum zu bitten, daß Vorlagen des Generalinspekteurs an die Leitung des Hauses den Minister in einer angemessenen Zeit erreichen, auch wenn der Vertreter des Minister dem Inhalt der Vorlage nicht zustimmen sollte.
Was müssen das eigentlich für Verhältnisse sein, die einen Viersternegeneral bei Amtsantritt dazu zwingen, einen solchen Brief zu schreiben!
Es ist schwer zu begreifen, meine Herren von der Rechten, wie ein Mann, der in seiner Person— nicht, weil er schlechten Willens war — —
— Für mich sitzt die CDU immer noch rechts, und ich fürchte, sie wird da noch ziemlich lange bleiben. — Es ist schwer zu begreifen, wie Sie von der Rechten immer noch meinen können, daß ein Mann, der in seiner Person die Ursache für alle diese Entwicklungen war, befähigt sei, gemeinsam mit seinem Staatssekretär diesen Wust bisheriger Fehlentwicklungen zu beseitigen, neue Entwicklungen einzuleiten und endlich jenen guten Führungsstil zu entwickeln, der bisher dort vermißt worden ist. Wie soll ein Mann, der eben noch die angemaßte Rolle des Staatssekretärs für zweckmäßig hielt, heute in der Lage sein, sie zu beschneiden? Man kann sich das schwer vorstellen, und ich weiß, auch Sie stellen sich das nicht vor.An dieser Stelle ist ein Wort an den Herrn Bundeskanzler zu richten. Herr Bundeskanzler, Sie übernehmen von dem Zeitpunkt dieser Debatte an —
Herr Bundeskanzler, Sie übernehmen von dem Zeitpunkt dieser Debatte an eine besondere und, wenn das noch möglich ist, eine erhöhte Verantwortung für den Zustand im Verteidigungsministerium und für die Zustände in unserer Truppe, eine erhöhte Verantwortung für die psychologische Lage und für die materielle und personelle Einsatzbereitschaft. Denn es ist für jeden klar — für Sie, für die Öffentlichkeit und auch für die Soldaten —, daß die Starfighter-Unglücke, die Sorgen der Marine und all die Schwierigkeiten letztlich auf Schwierigkeiten im Kopf der Bundeswehr zurückgehen und daß eine durchgreifende Besserung der Verhältnisse insgesamt nur möglich ist, wenn vom Kopfe her für Reform gesorgt wird. Sie haben, Herr Bundeskanzler, leider in den letzten Wochen wenig Einfühlungsvermögen in die Situation, wenig Einfühlungsvermögen in die Sorgen der Bundeswehr gehabt. Sie haben am 1. September in Oslo erklärt — ich zitiere —, die Auffassungsunterschiede zwischen Herrn von Hassel und Teilen der deutschen Generalität seien „hektisch übertrieben", die Atmosphäre habe sich inzwischen wieder beruhigt. So haben Sie, für jeden Soldaten erkennbar, gezeigt, daß Sie die Lage nicht kennen. Wenn Sie in Oslo weiter gesagt haben, die Bundesregierung habe durch sofortiges Handeln demonstrieren wollen, daß sie eine „Herrschaft der Generale über die politische Führung nicht tolerieren wird", so haben Sie gezeigt, daß Sie die Gesamtsituation überhaupt nicht verstanden haben.
Dadurch haben Sie, noch dazu im Ausland, vor ausländischen Journalisten, der ganzen Krise eine Deutung gegeben, die nicht nur dem Ansehen der Bundeswehr Schaden zufügt, sondern die das Vertrauen schädigt, das daß Ausland in die Zuverlässigkeit der deutschen Demokratie setzt.
Und Sie können Ihre damaligen Erklärungen nicht durch das, was Sie heute morgen gesagt haben, wieder ausradieren.In Wirklichkeit ist es doch so — wie Sie inzwischen gemerkt haben —, daß nirgendwo in der Bundeswehr der Primat der Politik bestritten wird. In Wirklichkeit ist es doch so, daß die Bundeswehr sich fragt: Was ist eigentlich der Inhalt dieses Primats der Politik, was machen eigentlich diejenigen, die die Politik bestimmen, wohin führen sie uns eigentlich?Die Truppe weiß, daß z. B. der politische Auftrag, den der Minister vor Jahren gegeben hat: in eine Phase der Konsolidierung einzutreten, in Wirklichkeit eine Selbsttäuschung war, und die Truppe bezeichnet die Sache sehr viel zutreffender im Landserjargon mit „Phrase" der Konsolidierung. Die Truppe weiß, daß sie an vielen Stellen psychologisch, personell, materiell und ausbildungsmäßig überfordert ist, und sie leidet unter dieser Überforderung.Die Truppe bringt den gegenwärtig zurückgetretenen Generalen einen besonderen Respekt entgegen, und sie macht sich die Hoffnung, durch die Rücktritte werde eine Besserung in der Führungsspitze erzielt, nämlich was die Organisation angeht. Die bisherigen Anordnungen und die Ankündigungen von heute morgen rechtfertigen diese Hoffnung nicht. Und die Hoffnungen, die die Truppe auf die neuen Generale setzt, können schnell enttäuscht werden, wenn man nicht den sachgerechten Vorschlägen, die diese Herren machen, auch entgegenkommt.Es ist entsetzlich, was heute aus dem Verteidigungsministerium auf die einzelnen Batterie- und Kompaniechefs, auf die einzelnen Bataillonskommandeure an Befehlen und an Weisungen einströmt. Es ist für einen Bataillonskommandeur heute schon völlig unmöglich, alle die Weisungen auch nur zu lesen, die von oben an sein Bataillon ergehen. Es ist ihm wirklich unmöglich, sie überhaupt noch zu lesen, ge-
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schweige denn für ihre Ausführung selber zu sorgen oder diese Ausführung zu kontrollieren. Es ist in der Bundeswehr der teilweise gefährliche Zustand eingetreten, daß man unter ,der Vielzahl von Weisungen und Befehlen, die man als Bataillonskommandeur und als Kompaniechef erhält, sich, weil man sie nicht alle gleichzeitig ausführen kann, diejenigen aussucht, die man mag, und diese zuerst ausführt. Ich kann diese Chefs deswegen nicht schelten. Ich muß aber die anderen schelten, die ihre Akribie darauf verwenden, nicht nur periodisch und turnusmäßig Belehrungen über alles mögliche anzuordnen, sondern außerdem noch Kontrollen der Belehrungen und auch noch schriftliche Nachweisungen der Kontrollen der Belehrungen verlangen.Es ist ein schreckliches System, was sich hier breitgemacht hat, ein System, in dem — oben — jeder den Eindruck macht, er wolle sich nur nach unten abdecken, er habe ja alles angeordnet. Und die armen Schweine in der Truppe baden das aus!
Jeder Vorgesetzte — sei es ganz oben, sei es in der Mitte, sei es ein Bataillonskommandeur —, der die Truppe überfordert, weil er ihr Befehle gibt, die sie nicht ausführen kann, ist als Vorgesetzter nicht geeignet, denn er erzwingt den Ungehorsam seiner Untergebenen. Wer in der Truppe oder auch in einem hohen Stab solche Befehle, die man nicht ausführen kann, entgegennimmt, ohne daß er Gegenvorstellungen erhebt, ist gleicherweise nicht geeignet. Der Soldat darf nicht nur zum Gehorsam erzogen werden, er muß auch zur Zivilcourage in Uniform und zur selbständigen Entscheidung erzogen werden.Ein Minister, der laut erklärt, er werde öffentliche Äußerungen der Generale in Zukunft nicht mehr hinnehmen — so der Wortlaut des Herrn von Hassel —, ist fehl am Platze. Unter der Herrschaft eines solchen Ministers und einer solchen Maxime hätte beispielsweise der damalige aktive Oberstleutnant de Gaulle sicherlich nicht jenes revolutionierende Buch schreiben können, das 1934 schonungslos die Situation der damaligen französischen Armee offenlegte; der wäre geschaßt worden, wenn er in der deutschen Bundeswehr unter Hassel Oberstleutnant gewesen wäre.
Es muß dabei bleiben, daß ein General wie jeder Soldat und wie jeder Beamte und wie jeder Staatsbürger das Recht hat, seine eigene Meinung auch öffentlich zu sagen, soweit eine Sache nicht in seinen dienstlichen Bereich fällt und soweit es sich nicht um Kritik an seinen Vorgesetzten handelt; die darf er nicht öffentlich sagen. Die Soldaten müssen im Gegenteil dazu erzogen werden, sich eigene Meinungen zu bilden und sie auch auszusprechen.Ich habe hier eine Untersuchung des Wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU — Herr Strauß — liegen. Wenn ich vorlesen würde, was Ihr Arbeitskreis — zusammengesetzt aus Politikern und Soldaten Ihrer Partei — an klugen Einsichten in den gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr erarbeitet hat und wie er erarbeitet hat, woran es oben an der Spitze liegt, dann würden Sie vielleicht sagen: Es ist eigentlich unfair, ein solches internes Dokument meiner Partei zu zitieren. Aber Sie wissen ganz genau, daß das noch sehr viel schärfer dort kritisiert wird, als ich es hier andeute.
— In der Süddeutschen Zeitung waren Teile daraus abgedruckt, daher habe ich es auch erfahren und habe mir das Original besorgt.
Herr von Hassel hat davon gesprochen — und das ist richtig —, daß den Soldaten der eigentliche Auftrag der Bundeswehr in letzter Zeit undeutlich geworden ist, ja nicht nur den Soldaten, sondern auch uns. Ich finde es nicht sehr angemessen, wenn der Verteidigungsminister in München vor irgendeiner Gesellschaft die Strategie der Bundesregierung erläutert — —
— Wie bitte? — Vor irgendeiner Gesellschaft! Die Gesellschaft, vor der das zunächst zu erörtern wäre, ist dieser Deutsche Bundestag, meine Damen und Herren.
Ich habe Herrn von Hassel hier lange Zeit nicht über strategische Fragen reden hören. Ich lese nur seine Interviews, die er nach NATO-Rats-Tagungen gibt. Da steht meistens, er sei sehr befriedigt gewesen.
Die Bundesregierung sollte es als eine Aufgabe ansehen, nicht nur dem Parlament, auch der Öffentlichkeit, auch den Soldaten alljährlich in einer schriftlich fixierten Form, sagen wir, in Form eines Verteidigungs-Weißbuches ihre strategischen Vorstellungen darzulegen,
auch übrigens ihre verteidigungspolitischen Ziele für das jeweils laufende Jahr, damit man endlich Grund unter die Füße bekommt. So wie es heulte ist, breiten sich in der Bundeswehr Resignation und Bitterkeit aus. Ich brauche gar nicht die CSU-Denkschrift zu zitieren. Ich wage die Vorhersage, daß die Resignation innerhalb der Bundeswehr in vielen ihrer Verbände noch nicht den Tiefpunkt ganz erreicht hat. Weshalb nicht? Weil völlig klar ist, daß auch ein neuer Verteidigungsminister mit frischer Kraft und mit neuen Konzepten für lange Zeit noch konfrontiert ist mit den Auswirkungen der bisher aufgelaufenen Fehlentscheidungen. Es ist nun einmal nicht mehr zu ändern, daß wir doppelt soviel Starfighter in der Bundeswehr zur Verfügung haben, als wir personell, materiell und technisch ver-
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dauen können. Das kann auch ein neuer Minister nicht mehr ungeschehen machen.
Es ist nun einmal nichts zu ändern, solange es Systembeauftragte, Herr von Hassel, nur für den Starfighter — im Ansatz — gibt und nicht auch für die Raketensysteme Hawk und Nike, für das Flugzeug Fiat G 91 — fragen Sie einmal die Fachleute, wie es damit aussieht — oder für das neue TransallFlugzeug. Solange das alles so ist, ist nicht zu ändern, daß die Schwierigkeiten mit diesen Waffensystemen sich fortsetzen müssen. Unsere Luftwaffe liegt, im Durchschnitt, bei allen diesen Waffensystemen unter dem Leistungsstand der übrigen NATO-Länder, die die gleichen Waffensysteme in ihren Luftwaffen haben.Das muß nicht so sein. Aber das kann weder ein neuer General Steinhoff noch ein neuer Verteidigungsminister von heute auf morgen ändern, denn das ist das Ergebnis einer langfristigen Entwicklung, die zu diesem Stand geführt hat. Das gilt ähnlich -das wissen Sie — für die Marine, und es gilt ähnlich für das Heer, wo allerdings insofern Glück besteht, daß Heeresfahrzeuge weder abstürzen noch untergehen können; infolgedessen merkt man es beim Heer nicht so deutlich. Das Versagen gewisser Waffensysteme im Heer ist für die Öffentlichkeit nicht so spektakulär sichtbar wie bei einem Flugzeugabsturz oder bei einem Schiff, das verunglückt. Aber in Wirklichkeit sieht es im Heer nicht anders aus als bei Marine und Luftwaffe.Die psychologische Lage bei unseren Soldaten wird erst dann durchgreifend besser, wenn diese Truppen und Verbände selbst von sich wissen, daß sie wirklich voll einsatzbereit sind und gut konkurrieren können mit ihren Verbündeten aus Belgien und Holland und denselben Leistungsdurchschnitt erreichen wie diese. Sie wissen ja genau — wir haben viele Vergleichsmöglichkeiten —, daß wir ihn heute noch nicht erreicht haben. Die Resignation, die es in der Truppe gibt, schließt die Gefahr ein, daß man sich an die Krise als an eine Normallage gewöhnt. Hier ist ein unschätzbares Kapital an Idealismus, Pflichttreue und Opfersinn, das langsam, aber sicher angeknabbert und aufgezehrt wird.Es gibt viele Soldaten, die einem sagen: Eigentlich wissen wir nicht genau, ob der Kampf- und Einsatzwert der Bundeswehr wirklich die 20 Milliarden wert ist, die jedes Jahr dafür ausgegeben werden. Eigentlich wissen wir doch — so sagt einem jeder Soldat —, daß hier Geld umsonst und dort verfehlt ausgegeben wird. Das ist leider nicht völlig zu ändern, das wird immer so sein. Aber das Gefühl, nicht ganz das darzustellen, was man eigentlich sein könnte und eigentlich sein müßte, das frißt in den Seelen der Soldaten.Die Gesamtsituation hat dazu geführt, daß die Armee stärker, als es gesund wäre, sich mit ihrer eigenen inneren Situation beschäftigt, eine psychologisch unglückliche Situation, die zu sehr auf Analyse und Erforschung des eigenen Selbst geworfen ist. Das führt dann zu einer Einschränkung der psychologischen Einsatzbereitschaft; es führt dazu, daßdie Anziehungskraft der Armee auf junge Leute, die Feldwebel oder Leutnant werden sollen, beeinträchtigt wird.Der General de Maizière hat vor dem Verteidigungsausschuß seine drei Hauptaufgaben vorgetragen, die er als erstes anpacken will. Darunter hat er als wichtigste Aufgabe genannt, das Unbehagen in der Bundeswehr zu beseitigen. Das ist eine wichtige Sache, wenn ein neu ernannter Generalissimus sagt: Das allererste, was ich zu tun habe, ist, das Unbehagen in meiner Armee zu beseitigen.
Die Frage ist — und das hat de Maizière nicht näher ausgeführt —, was er im einzelnen mit dem Begriff des „Unbehagens" meinte. Wahrscheinlich ist es ein Unbehagen, das aus vielerlei Faktoren zusammengesetzt ist, ein Mosaik aus vielerlei Steinchen.An manchen Stellen haben die Soldaten das Gefühl, ihr soziales Ansehen, ihr Prestige habe gelitten. Manche fühlen sich als eine ungeliebte Armee, ungeliebt vom Volk.
Einige junge Soldaten, Frau Kalinke, bilden sich ein, die Gesellschaft lehne den Soldaten und die Bundeswehr ab.
Einige junge Soldaten haben das Gefühl, daß man sich infolgedessen in diese Gesellschaft nicht voll integrieren könne. Man muß das gerade bei jüngeren Offizieren beobachten. Ich will hier in aller Deutlichkeit sagen, daß die zu Seeckt's Zeiten gepflegten inneren Vorbehalte gegen den parlamentarischen Staat und gegen die ihn tragenden Parteien — —
— Wissen Sie, Frau Kalinke, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, auf Zwischenrufe nicht zu antworten. Ich will es auch Ihnen gegenüber nicht tun.
Ich darf noch einmal zu dem Satz ansetzen, in dem ich unterbrochen wurde: Die zu Seeckt's Zeiten sehr gepflegten inneren Vorbehalte gegen den parlamentarischen Staat und gegen die ihn tragenden Parteien finden heute bei einem kleinen Teil der ganz jungen Offiziere wieder ein bißchen Boden und Gewicht.Wir sehen das sicher alle mit gleicher Sorge. Die Frage ist: Wie kommt das, was kann man dagegen tun? Sicherlich wird man dem nicht dadurch begegnen, daß man hier etwa einen parteilich nicht gebundenen Fachminister beruft, wie das jüngst ein konservativer Geist — eigentlich mehr ein reaktionärer — vorgeschlagen hat. Wir in diesem Hause wissen gemeinsam und sind uns einig, daß die Aufgabe nur ein Minister ausfüllen kann, der das politische Vertrauen der Mehrheit, entweder dieser
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2830 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
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oder in Zukunft jener Mehrheit des Hauses, hinter sich hat.
— Nicht der Wunsch, sondern die feste Überzeugung!
Das Amt kann nur ein Minister ausüben, der in diesem Hause politisch fest verankert ist und der eine stabile Mehrheit in diesem Hause hinter sich weiß. Daß Herr von Hassel keine stabile Mehrheit hinter sich weiß, das wissen Sie, meine Damen und Herren, und wir wissen es auch.
Ich will noch eines hinzufügen. Wir sind uns in diesem Hause einig oder sollten uns einig sein, daß es für einen Minister absolut unzulässig wäre, die Bundeswehr im Sinne einer bestimmten politischen Partei zu politisieren. Mich läßt es aufhorchen, wenn der General de Maizière bei Amtsantritt Ausführungen macht, er wünsche, er hoffe und bitte darum, in einer Stellung belassen zu bleiben, die es ihm ermögliche, nicht in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Mich hat das aufhorchen lassen. Er muß Anlaß gehabt haben, solches zu sagen.Wenn ich in jenem Aufsatz in der „Süddeutschen Zeitung" lese, daß die CSU tief bedauert — das ist wörtlich, das ist das Original, Herr Strauß —, daß die Bundeswehr keine CDU-Armee mehr sei, dann habe ich zwar eine Erklärung für diesen Gesinnungswandel in der Bundeswehr. Aber was ich eigentlich nicht akzeptieren kann, ist, daß Politiker, ganz egal, welcher Partei sie angehören, bedauern können, daß die Armee nicht einer einzigen Partei zugeneigt ist.
Das Papier aus Ihrer Partei tut dar, daß die Bundeswehrangehörigen bei den letzten Wahlen mehr oder minder alle Parteien gewählt haben, und zwar etwa im selben Verhältnis wie die sonstige, zivile Wählerschaft auch. Es ist doch wunderbar, daß auf diese Weise deutlich ,wird: Weiß Gott, die Armee steht genauso, wie das deutsche Volk dasteht.
Ich möchte nicht, daß alle Offiziere die eine Partei wählen oder ihr zuneigen und alle Feldwebel die andere Partei wählen. Um Gottes willen, wir müssen doch froh sein, wenn wir eine Armee haben, die sich politisch genauso vielfältig orientiert wie unsere Bürgerschaft in Deutschland auch. Das kann man doch nicht bedauern.In diesem Papier ist aber eben auch die Rede — und die Leute, die das verfaßt haben, haben recht— von gewissen Tendenzen in jüngeren Teileneiniger Offizierskorps zu extrem rechter Orientierung. Wissen Sie, ich frage mich manchmal, ob man bei der Überlassung der obersten Personalpolitik an andere Personen nicht eigentlich doch schwere Fehlentwicklungen in Kauf genommen hat. Wenn ich Leserbriefe von Offizieren lese, die gestern noch aktive Offiziere der Bundeswehr waren und heute als Oberst oder General a. D. an die National- und Soldatenzeitung schreiben — —
— Ich habe diese schreckliche Zeitung abonniert, Herr Strauß. Ich lese die Leserbriefe darin fast jede Woche. Ich möchte aber keine Namen nennen.
— Ja, es ist offen. Aber ich möchte keine Personen hereinziehen; es sind eine ganze Menge. Das bringt mich zu der Frage, ob die Leute, als sie noch im Dienst waren, eine andere Auffassung hatten und nun, wo sie pensioniert sind, zu dieser Auffassung übergehen. Oder was ist da eigentlich los?
— Das ist kein Globalurteil. „Ich frage mich", habe ich gesagt.Ich will es deutlich sagen: Kein Soldat, kein Kommandeur und kein General hat angesichts der scharfen Kritik, die an dem gegenwärtigen Bundesverteidigungsminister hier und in der Öffentlichkeit geübt wird, das Recht, auch nur eine Sekunde lang daran zu zweifeln, daß er jede Weisung und jeden Befehl, den dieser Mann, solange er im Amt ist, gibt, sofort und peinlich und minutiös auszuführen hat.
Da muß man den Anfängen wehren.Der neuernannte Generalinspekteur hat um Vertrauen an den Bundestag appelliert. Wir alle haben diesen Appell gehört, und wir wissen, daß die Angehörigen der Bundeswehr, Soldaten und Beamte, Angestellte und Arbeiter, gleichgültig an welcher Stelle sie stehen, in Pflichttreue ihrer Arbeit nachgehen.
Sie sprechen schon 70 Minuten.
Der Bundeskanzler hat gesagt, er vertraue ihnen. Nicht Sie allein, Herr Bundeskanzler, dieses ganze Haus vertraut diesen Soldaten, diesen Arbeitern und diesen Angestellten. Das Parlament ist gewiß, daß die Truppe und die Verwaltung, daß die Stäbe und das Ministerium unbeschadet der heute notwendigen Konsequenzen auch weiterhin in Gehorsam und in Treue gegenüber dem Staat und dem Gesetz ihre Aufgaben tun werden.Zweitens. Auch bisher hat es — das sage ich an die Adresse der führenden Soldaten — in diesem Parlament keineswegs an Vertrauen gefehlt. Es hat auch keineswegs gefehlt an dem Bemühen dieses Parlaments, die konkreten Sorgen und Nöte der Bundeswehr kennenzulernen. Hier sind Abgeord-
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nete aller drei Fraktionen, die durch eine Unzahl von Truppenbesuchen, durch viele, viele persönliche Gespräche und durch eigene Reserveübungen immer wieder versucht haben, ihr eigenes Bild von der Lage zu verbessern und hier das Parlament zu Konsequenzen aus erkannten Sorgen zu bewegen.Drittens. Wir wissen, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt die Soldaten eine besondere Hoffnung auf den Bundestag und seinen Verteidigungsausschuß setzen. Wir wissen, daß die Soldaten dem Verteidigungsausschuß gegenwärtig einen besonderen Respekt und sogar auch Dank entgegenbringen, weil er dafür gesorgt hat, daß nicht nur der Minister, sondern auch die zurückgetretenen Generale zu Wort kamen.Mit einer gewissen Sorge sehe ich, daß manche Soldaten die Entscheidungsmöglichkeiten des Parlaments und seiner Ausschüsse überschätzen. Das Parlament kann nicht die Regierung sein wollen. Ausschüsse des Bundestages können nicht alle Fehlhandlungen oder Fehlentscheidungen der Exekutive wieder ausgleichen wollen. Wir wissen auch, daß die Soldaten ein Organisationsgesetz erwarten, von dem sie sich durchgreifende Besserungen erhoffen. Wir haben dazu häufig genug unsere Vorschläge gemacht. Wir brauchen das hier nicht wieder auszubreiten.Wenn General de Maizière in seiner Antrittsrede gesagt hat,
die militärische Führung sei konkret und personal, und ministerielle Verwaltung sei abstrakt und anonym, so halte ich das für ein wenig überspitzt in der Formulierung; aber ich meine, daß im Grunde ein richtiger Kern drinsteckt. Wir müssen dafür sorgen, daß militärische Stäbe so arbeiten können, wie sie es gewohnt sind und wie sie es gelernt haben. Wir können nicht die Soldaten zwingen, im Laufe ihres Lebens auch noch zusätzlich den Beruf der Verwaltung zu erlernen.Dafür wollen wir sorgen. Der neue Minister muß wissen — —
— Der neue Minister, der an die Stelle des Herrn von Hassel tritt. Sie sind doch wohl entschlossen, demnächst einen neuen Verteidigungsminister zu kreieren, oder wie lange wollen Sie diesen noch behalten?
Es pfeifen doch die Spatzen von den Dächern und die Kollegen Guttenberg und Draeger und andere bis hin zum bayerischen „Merkur"
— „Bayern-Kurier" meinte ich — haben doch alle gesagt, ,daß der gegenwärtige Minister nicht zu halten sei, daß er zurücktreten müsse. Ganz Deutschland weiß, daß Sie Herrn von Hassel ablösen wollen — nur noch nicht jetzt, sondern bald.
Ganz Deutschland weiß, daß es Ihnen schwerfällt, zu begründen, warum er jetzt noch völlig in der Lage ist, sein Amt auszuüben, und sechs Wochenspäter doch abgelöst werden muß.
Das zu begründen fällt Ihnen sehr schwer. Ganz Deutschland weiß, daß Sie nicht die Wahrheit aussprechen, wenn Sie sich heute hinter ihn stellen und sagen, er sei ein zureichender Minister.
Ich fürchte, daß unter den fähigen Personen Ihrer Regierung und Ihrer Fraktion manch einer ist, der hofft, der Kelch möge an ihm vorübergehen und er möge nicht gefragt werden.
Dieses Ministerium ist ein Ministerium, das in besonderer Weise die Fehler, die jeder Mensch hat und die jeder Minister hat, exponiert. Das ist ein mörderisches Amt, und es kann nicht einer allein dieses Amt ausüben. Es muß endlich ein politischer Staatssekretär oder ein Staatsminister — mindestens einer — daher. Wenn der Bundeskanzler einen zweiten Bundesminister in seinem Palais Schaumburg brauchte, — der Verteidigungsminister braucht ihn ganz gewiß, egal wie er heißt. Es ist unverständlich, daß das Postministerium zwei Staatssekretäre und das Verteidigungsministerium nur einen hat.
Das ist eine völlig unmögliche Entwicklung.
Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit schon um eine Viertelstunde überzogen.
Herr Präsident, ich bitte um Ihre Nachsicht. Ich habe gehört, daß nach mir der Kollege Strauß sprechen wird. Ich habe in diesem Jahr zweimal erlebt, daß er vor mir sprach und anderthalb bzw. eindreiviertel Stunden gesprochen hat.
Gewähren Sie mir bitte ausnahmsweise dieselbe Freizügigkeit, wie Sie sie damals dem Kollegen Strauß gewährt haben.
Was den neuen Verteidigungsminister angeht, meine Damen und Herren, so können die Koalitionsfraktionen darauf rechnen, daß meine Fraktion diesem neuen Verteidigungsminister ebenso eine Anlaufzeit einräumen wird,
Schmidt
wie wir es gegenüber dem Herrn von Hassel vor drei Jahren getan haben. Wir fühlen uns nämlich für die Konsolidierung der Verhältnisse in der Armee verdammt mitverantwortlich.
— Ja, es geht uns unter die Haut, was da los ist. Es geht ja auch einigen bei Ihnen unter die Haut; ich brauche die Kollegen hier vorne nur anzusehen. Es muß einem ja auch unter die Haut gehen, wenn man. sieht, was da los ist. Wir meinen, daß der Deutsche Bundestag allerdings der Ort ist, an dem das ausgesprochen werden mußte, an dem ausgesprochen werden muß, wie es wirklich im Ministerium aussieht und wie es in der Truppe aussieht. Ohne auszusprechen, was ist, kann man keine Erneuerung finden
Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, als ob meine Fraktion die Lage der Bundeswehr und die Lage des Ministeriums schwärzer sehe und schwärzer male, als es sein muß. Es gilt vielmehr, zu erkennen, daß die Situation der Bundeswehr nur die allgemeine Situation unserer Gesellschaft widerspiegelt und daß die Situation des Bundesverteidigungsministeriums nur die allgemeine Situation der gegenwärtigen Bundesregierung widerspiegelt.
Es soll keiner behaupten, daß etwa im deutschen Hochschulwesen oder bei den Polizeien der Länder oder in der Justiz alles sehr viel besser stünde als in der Bundeswehr. Das wäre nicht richtig. Die Bundeswehr ist allerdings in der besonderen Kalamität, daß das Aufbautempo und das Ausmaß des Aufbaus sie seit Jahren überfordert haben. Deswegen dürfen aber die Angehörigen dieser Armee nicht resignieren. Wir müssen ihnen wieder Mut machen; wir müssen ihnen zeigen, daß etwas Neues anfängt. Was meinen Sie, wieviel Mut es ihnen machen würde, wenn dieses Parlament - so wie wir es beantragen
— beschlösse: Jawohl, Bundeskanzler, gehe Du hin, tue Du Deine Sache und sorge für einen neuen Verteidigungsminister! Was das in der Armee für Mut machen würde!
— Wer da lacht, hat sich lange um die Truppe nicht gekümmert.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ich werde zum Schluß kommen, Herr Präsident.
Den Stolz darauf, daß diese Armee — von den Wehrpflichtigen bis zu den Längerdienenden, von den Unteroffizieren bis zu den Generälen — unsere Gesellschaft so widerspiegelt, wie sie ist, in all ihrer Vielfalt, in ihrem Pluralismus, wie man heute sagt, diesen Stolz können wir alle miteinander teilen. Das haben wir uns ja 1956 so vorgestellt. Die-
ser Wunsch des Parlaments ist in erstaunlichem Maße. verwirklicht worden.
— Wissen Sie, Frau Kalinke, als Sie hier im Bundestag vor acht Jahren noch Zwischenrufe machten, haben ich und viele anderer aus meiner Fraktion unsere Reserveübungen gemacht,
um der Bundeswehr zu zeigen, wie wir öffentlich zu ihr stehen.
— Ich füge hinzu, damit Sie — —
— Ja, wissen Sie, ich weiß zwar, daß die Frau Kollegin weiblichen Geschlechts ist. Aber man vergißt das manchmal, wenn man ihr zuhört.
Herr Abgeordneter, diese Bemerkung war unziemlich.
Ich möchte am Schluß eine Bemerkung zu der Erklärung machen, die der Herr Bundeskanzler abgegeben hat. Der Herr Bundeskanzler hat von den Opfern gesprochen, die die Soldaten bringen, und davon, daß sie ihr eigenes Leben riskieren. Das war gut gemeint, aber nicht ganz treffsicher. Wir müssen den Soldaten durchaus sagen, daß in einem theoretisch möglichen Kriege — mit der Ausnahme z. B. von Starfighter-Piloten oder von anderen besonders exponierten Kämpfern — die Masse der Soldaten dem Risiko des Krieges nicht stärker ausgesetzt ist als die Masse z. B. der Einwohner meiner Heimatstadt Hamburg oder die Masse der Einwohner von Frankfurt oder Braunschweig. Man sollte der Bundeswehr nicht das Gefühl anerziehen, daß ihr Risiko höher sei als das der anderen. Wir stünden hier alle in demselben Risiko, wenn es zu einer solchen Lage käme. Es führte nur zu Irrtümern über die eigene Aufgabe, wenn man der Bundeswehr anerzöge und einimpfte, sie stünde in einem besonderen Risiko. Wir stehen alle in demselben Risiko. Aber wir brauchen diese Soldaten, weil sie unser gemeinsames Existenzrisiko kleiner werden lassen, als es wäre, wenn wir sie nicht hätten. Wir brauchen sie. Wenn der Bundeskanzler gesagt hat, die Bundeswehr brauche ihrerseits eine reformwillige Aufmerksamkeit und sie brauche Klarheit des Urteils, dann kann ich nur hinzufügen — und damit spreche ich die Meinung meiner Fraktion aus, Herr Bundeskanzler, und die Meinung des weit überwiegenden Teils der Öffentlichkeit —: Sie braucht auch endlich einen neuen Minister.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2833
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion im weiteren Verlauf des Tages wird Gelegenheit geben, zu den Ausführungen des Abgeordneten Schmidt auch von mir aus Stellung zu nehmen. Jetzt möchte ich nur zu einer einzigen Frage das Wort nehmen, das ist die Frage des Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium.
Der Herr Kollege Schmidt hat ihm vorgeworfen, daß er Verfassungskompetenzen für sich in Anspruch nehme, die ihm nicht gebührten. Er hat von ihm gesprochen, daß er ein Mann sei, der selbstherrlich regiere; er hat von ihm gesprochen, daß er sich selber eine Rolle angemaßt habe, die ihm nicht zukomme; er hat davon gesprochen, daß der Staatssekretär am Minister vorbei entscheide — er ist vielleicht auch der Meinung gewesen: gegen den Minister — und daß im Grunde genommen er, der Staatssekretär, der eigentlich starke Mann im Verteidigungsministerium sei.
Ich darf erklären, daß sich im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung die Vorwürfe nicht gegen den Staatssekretär Gumbel zu wenden haben, sondern allein gegen den Minister, der die Verantwortung trägt.
Ich meine, die Auseinandersetzungen in diesem Hohen Hause sollten mit dem Minister geführt werden und nicht mit einem Beamten, dem niemand bestreiten wird, daß er sich in einer hohen Verantwortungsbereitschaft
in seinem Amte bemühte, sich bewährte und es nicht verdient, von Ihnen hier als negative Symbolfigur für den Soldaten gezeichnet zu werden.
Wir sind mit dem Zeitplan ein wenig durcheinandergekommen. Ich schlage vor, daß wir nunmehr abbrechen, die Mittagspause bis 14.30 Uhr machen und dann mit der Worterteilung an den Herrn Abgeordneten Strauß fortfahren.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Debatte über Punkt 2 a und b fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strauß.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Rede des Kollegen Helmut Schmidt konnte man sich mit Recht die schon vorher im Zusammenhang mit Geschäftsordnungsfragen gestellte Frage noch einmal stellen, ob es wirklich richtig und zweckmäßig war, vor dem Abschluß der Ausschußberatungen diese Debatte sozusagen zu erzwingen und jetzt durchzuführen.
Ich vertrete damit nicht die Auffassung, daß etwa eine Reihe von Vorgängen, die breiteste Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit des Inlandes und Auslandes gefunden haben, nur hinter den verschlossenen Türen einer Ausschußsitzung behandelt werden kann. Ein solcher Vorgang muß vor das berufene Forum, in diesem Falle vor den Deutschen Bundestag. Aber gerade die Darstellung des Berichts von General Panitzki und widersprechende Darstellungen von anderer Seite haben nach meinen Informationen aus dem Ausschuß zu dem Antrag geführt, dem auch die SPD zugestimmt hat, die hier aufgetretenen Widersprüche zu klären und dann in dem Ausschußbericht ein Gesamtergebnis zu bieten. Ich mache darauf deshalb aufmerksam, weil eine sozusagen auf halbem Wege gegebene Darstellung, die sicherlich große Verbreitung und Publizität findet, erst die Hälfte sein kann und ein abschließendes, abgewogenes Ergebnis erst nach Abschluß der Ausschußberatungen möglich ist. Ich hoffe — und das wünschen wir alle, glaube ich —, daß dann jedes Mitglied des Hauses und die Öffentlichkeit einen zusammenfassenden Bericht erhält.Her Kollege Schmidt hat heute hier eine Rede gehalten, von der ich nicht sagen will, daß sie etwa zu rein taktischen Zwecken gehalten worden ist. Ich weiß, daß bei ihm sicherlich auch sehr stark ein militärisches Herz schlägt; ob bei allen Ihren Fraktionsmitgliedern in der Opposition genauso ein militärisches Herz schlägt, ist eine andere Frage.
Dabei möchte ich nicht etwa die Phonstärke des Beifalls hier in diesem Hause als zuverlässiges Kriterium zu Ihren Gunsten nehmen.
— Ich komme darauf schon noch zu sprechen.Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß Herr Kollege Schmidt hier in dem Bewußtsein, daß der größte Teil der Bundeswehr heute eine besondere Stunde staatspolitischen Unterrichts nimmt und diese Debatte verfolgt, seiner Rede gerade hinsichtlich bestimmter kritischer Punkte — Soldaten und Beamte — besondere Lichter aufgesetzt hat. Wenn Herr Kollege Schmidt sich hier mit besonderer Wärme der Truppe angenommen hat — und ich sage hier, daß bei ihm objektive Aussage und subjektive Überzeugung sicherlich übereinstimmen —, dann hat er sicher auch für diejenigen gesprochen, die hier ein gewisses Nachholbedürfnis haben.
Herr Kollege Schmidt hat mit Recht festgestellt, daß zwischen den Generalen und der SPD nicht in allen Punkten Übereinstimmung besteht. Erlauben Sie mir, meine Befriedigung darüber auszudrücken,
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2834 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Straußdaß jetzt wenigstens in einigen Punkten Übereinstimmung besteht.
Aber ich muß hier etwas richtigstellen, Herr Kollege Schmidt. Sie haben von einem „Papier", von einer Untersuchung des Wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU gesprochen, und Sie haben meinen Zwischenruf bestätigt, daß dieses Memorandum oder diese Studie in der „Süddeutschen Zeitung" veröffentlicht worden ist. Was ich hier sage, ist nur die Wiedergabe einer inzwischen, kurz nach der Veröffentlichung, von uns bekanntgegebenen Tatsache, mit der ich mich von dem Inhalt dieser Studie im ganzen nicht etwa distanzieren möchte, mit der ich ,aber einfach die Dinge richtigstellen will.Diese Studie ist verfaßt von dem stellvertretenden Leiter des Wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU, einem aktiven Oberst, genauso wie höhere Offiziere auch in Ihren Reihen mitarbeiten. Sie ist seine persönliche Arbeit. Sie ist nicht vom Wehrpolitischen Arbeitskreis der CSU, weder von seinem ersten Vorsitzenden noch vom Landesvorsitzenden der CSU oder vom Arbeitskreis der CSU jemals behandelt worden. Sie ist seine Arbeit, drückt seine Überzeugung aus. Man soll vor dieser Überzeugung den Respekt haben wie vor jeder Überzeugung. Aber ich habe selbstverständlich nie daran gedacht, diese Studie, so wie Sie es heute hier getan haben, zu einem „Papier der CSU" zu erheben. Stellen Sie sich einmal vor, daß alles, was dieses oder jenes Mitglied aus Ihren Reihen jemals veröffentlicht hat, als offizielles Papier der SPD gewertet werden würde!
Sie würden sich das mit Recht verbitten. Ich rede gar nicht so hart und scharf. Ich sage nur, Sie haben die Dinge insofern nicht richtig dargestellt.
— In der „Süddeutschen Zeitung". Wir haben anschließend, am nächsten Tag, in einer öffentlichen Erklärung das bekanntgegeben, was ich jetzt hier etwas ausführlicher dargestellt habe. Wenn dem so wäre, daß es vom Arbeitskreis verabschiedet worden wäre, würde ich es hier auch sagen, allerdings mich in einigen Punkten von diesem Papier distanzieren. Das will ich jetzt auch an Hand eines ganz konkreten Beispiels tun, nämlich an Hand dieser etwas eigenartigen Feststellung: Die Bundeswehr ist keine CDU-Armee mehr. Sie haben daraufhin angefügt, die Denkweise, die Bundeswehr müsse eine CDU-Armee sein — — Ich war leider in meinem Leben noch nie Mitglied der CDU.
Der Gedanke, die Bundeswehr müsse eine CDU-Armee sein, würde von mir genauso wie von Ihnen zurückgewiesen werden, müßte zurückgewiesen werden. Denn die Bundeswehr kann weder eine CDU- noch eine CSU- noch eine SPD- noch eine FDP-Armee sein. Sonst wäre sie von vornherein schon inder ganzen Orientierung und ihrer Aufstellung fehl am Platz.
Ohne zu wissen, daß eine wehrpolitische Debatte kommen würde, ohne zu wissen, daß ich die Aufgabe haben würde, in dieser Debatte zu sprechen, habe ich vor etwa drei Wochen in einer größeren ausländischen Massenzeitung — „Blick", Schweiz — ein Interview gegeben, das zu meiner großen Überraschung in vollem Umfange in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben abgedruckt wurde. Darin habe ich eine Frage beantwortet; ich komme deshalb darauf zu sprechen, weil diese Frage genau auf das eingeht, was Sie, Herr Kollege Schmidt, heute morgen hier dargestellt haben. Mir ist nämlich die Frage gestellt worden, ob ich es nicht für bedenklich hielte — so der Schweizer Interviewer —, daß der neuernannte Generalinspekteur de Maiziere offensichtlich eine sehr SPD-freundliche Einstellung habe. Ich habe daraufhin wörtlich folgendes erwidert:Ich glaube nicht, daß man von einem Berufsoffizier von der Art des Generals de Maizière sagen kann, er sei SPD-, CDU- oder FDP-freundlich. Ich habe mich eigentlich gar nie darum gekümmert, was die Generäle wählen; es ist auch ihr gutes Recht, das Wahlgeheimnis für sich in Anspruch zu nehmen.Ich habe weiter gesagt:De Maizière ist ein Mann mit einer sehr gründlichen Allgemeinbildung, ein Mann mit einem hohen geistigen Niveau, ein Mann mit einem umfassenden militärischen Wissen, ein Mann von hohen Qualitäten, er gehört zur Gruppe der Reformer. Und eines begrüße ich, auch wenn ich auf der anderen Seite, auf seiten der Regierungsmehrheit gegenüber der Opposition stehe: daß heute zwischen Sozialdemokratie und Bundeswehr nicht mehr das Verhältnis besteht, wie es zwischen Armee und Sozialdemokratie vor dem ersten Weltkrieg der Fall war oder zum Teil leider auch zwischen Reichswehr. und Sozialdemokratie in der Zeit der Weimarer Republik.
Wenn de Maizière die SPD als eine demokratische, koalitionsfähige Partei betrachtet und in diesem Sinne sich auch objektiv korrekt und unparteiisch gegenüber der SPD verhält, ist das vom Staatsinteresse, von der Staatsräson aus nur zu begrüßen.Dann habe ich gesagt:Meine Ansicht geht nicht dahin, daß wir Generäle haben sollten, die Sozialistenfresser sind. Soweit Sozialisten eine Politik betreiben, die mit der Sicherheit des Landes nicht vereinbar ist, wie es damals im großen Kampf der fünfziger Jahre der Fall war — das war meine Meinung, ist es auch heute —, müssen wir politisch dagegen kämpfen. Ich hätte niemals Verständnis gehabt, wenn ein Bundeswehrgeneral damals für die Politik der SPD eingetreten wäre zur gleichen Zeit, wo die SPD
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Straußdie Entstehung der Bundeswehr bekämpft hat.Das wäre eine Unmöglichkeit in sich gewesen.
Ich habe abgeschlossen mit folgender Bemerkung:Auch die SPD ist eine starke, die andere große Partei. Es dienen unzählige Wähler der SPD in der Bundeswehr als Freiwillige, in der Hauptsache als Wehrpflichtige. Gerade bei einer modernen technisierten Armee, die mehr denn je den Arbeiter und Facharbeiter braucht, nicht irgendeinen sturen Kommißkopf, wäre eine a priori gegebene SPD-Abneigung des Offizierskorps — was nicht heißt, daß es so oder so zu wählen hat —, ein grundsätzliches Ressentiment gegen die demokratischen Sozialisten eine Belastung für die Armee.So vor einer Reihe von Wochen gesprochen, ohne jeden Zusammenhang mit dieser Debatte, nur um darzustellen, daß die Auffassung eines Mitarbeiters von uns, der höherer aktiver Offizier der Bundeswehr ist und der dieses Wort von der „CDU- oder Nicht-CDU-Armee" gebraucht hat, von uns aus den übergeordneten Gesichtspunkten, die auch aus diesen Zeilen sprechen, nicht geteilt wird. Ich wollte das hier nur ausdrücklich richtiggestellt haben, ohne damit eine scharfe Note etwa in die Debatte hineinzubringen.Erlauben Sie mir, bevor ich auf einige andere Punkte eingehe, noch drei Worte von Ihnen aufzugreifen, die mir innerlich gegen den Strich gegangen sind. Nicht deshalb, weil ich persönlich davon betroffen oder noch betroffen bin; aber ich glaube, man sollte im Zusammenhang mit falscher oder richtiger Organisation, im Zusammenhang mit den heute gestellten Themen nicht wieder das Iller-Unglück erwähnen. Unglücke dieser Art sind auch bei der bestorganisierten Armee — siehe früher die Reichswehr, das große Fährunglück, siehe in der amerikanischen Armee, siehe anderswo -leider immer wieder eine Unvermeidbarkeit; eine Unvermeidbarkeit, die sicherlich zum Teil auf diesem oder jenem menschlichen Fehler beruht. Aber auch die großen Eisenbahn-, Flugzeug- oder Omnibusunglücke beruhen ja immer wieder auch auf menschlichen Fehlern. Man versucht sie zu bekämpfen, einzudämmen, unmöglich zu machen, aber eine absolute Maßnahme dagegen gibt es nicht. Aber diese Schatten zu beschwören, sollte in dieser Debatte nicht angewandt werden.
Das zweite, was ich in diesem Zusammenhang erwähne — das ist nur der polemische Teil meiner Rede, er ist sehr vorsichtig formuliert —, ist Ihre etwas eigenartige Darstellung der Schuldverhältnisse im Zusammenhang mit Vorkommnissen wie Nagold. Sie sagen, Schuld habe nicht der Kompaniechef, nicht der Bataillonskommandeur, und dann kommt der Sprung nach oben: nein, die Schuld liegt ganz oben — in diesem Falle müßte sie dann wohl bei Minister von Hassel, Staatssekretär Gumbel, dem damaligen Generalinspekteur oder dem damaligen Heeresinspekteur liegen —, und zwar deshalb,weil — ich komme auf das Thema heute noch zu sprechen — die Bundeswehr überfordert war und als Ergebnis einer politisch falschen Zielsetzung und damit einer ambitiösen militärischen Planung solche Zwischenfälle wie Nagold gewissermaßen unvermeidlich waren, die keiner in diesem Hause in Schutz nimmt und deren Untersuchung und disziplinarische oder strafrechtliche Verfolgung absolut notwendig war. Wenn Sie dann noch sagen, Herr Kollege Schmidt, daß wir zu junge Kompaniechefs hätten — nun, wir haben lange Zeit zu alte gehabt, und wir haben heute Kompaniechefs in einem durchschnittlich dem Ausland vergleichbaren Alter. Ich glaube, Sie waren im zweiten Weltkrieg auch Öffizier. Wenn man Ihnen damals gesagt hätte, Sie seien zu jung, um die Verantwortung zu übernehmen, dann hätten Sie mit Recht gerade wegen Ihrer unbestreitbaren Fähigkeiten das als ein sehr überhebliches Urteil eines Älteren über einen sehr jungen Offizier empfunden.
Nein, Nagold war ein Zusammentreffen erstens bestimmter menschlicher Instinkte, zweitens mangelnder Dienstaufsicht und drittens eines falsch verstandenen Sonderkorpsgeistes bestimmter Einheiten. Diese drei Dinge zusammengenommen haben in unglückseliger Verkettung diese Zwischenfälle ergeben. Ich werde in anderem Zusammenhang aber auf Zwischenfälle und ihre Verallgemeinerung noch zu sprechen kommen.Und sicherlich nicht nur für die Anwesenden hier, auch die anwesenden Männer, die Sie heute genannt haben, sondern auch für die Männer, die heute in Uniform oder in Zivil uns zuhören oder zuschauen, war ihre Bemerkung bestimmt, daß zu der gleichen Zeit, als Frau Kalinke mit ihrer sehr wohlklingenden hellen Stimme hier ihre Zwischenrufe machte, Sie als treuer Soldat in der Bundeswehr Ihre Reserveübung abgeleistet hätten. Ich freue mich darüber, daß Sie es getan haben, daß Sie die Zeit dafür aufgebracht haben. Eigentlich müßte ich mich tadeln. Ich hätte es eigentlich nach meinem Ausscheiden als Minister auch tun sollen; aber ich habe die Zeit dafür nicht aufgebracht. Es wäre einmal durchaus interessant gewesen. Aber Ihre Berufung auf Ihre Reserveübung scheint mir ein bißchen Kompensationsprogramm zu Reserveübungen mancher Ihrer Freunde zu sein — wenn ich an die Namen Iven, Kaffka oder Menzel von früher denke.
Denn da sind „Reserveübungen" in allen möglichen Organisationen — am Rande der Ostermaschierer, „Kampf dem Atomtod", „Jahrgang 22" — geleistet worden. Darum ist es ganz gut, daß auch Ihre Reserveübung heute hier zitiert worden ist, damit das ausgewogene Bild der wehrfreudigen SPD
nicht darunter leidet.Nehmen Sie mir auch ein weiteres offenes Wort nicht übel: Ich nenne jetzt keinen Namen; aber Sie wissen, was ich meine. Ich bin nicht davon über-
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Straußzeugt, daß alle Kriegsorden, vor allem auch alle hohen Kriegsorden etwa nur die Belohnung für besondere persönliche Tapferkeit waren. In den meisten Fällen ja. Es gab auch Fälle, wo sie für Führungsleistungen gegeben wurden. Es gab auch Fälle — ich habe sie im Felde kennnengelernt —, wo sie mit dem Blut der Untergebenen bezahlt oder erworben wurden. Aber tun Sie das Ihre — ich möchte das in dieser Debatte, nachdem es ja Gegenstand öffentlicher Darstellung geworden ist, doch sagen, aber nicht etwa in gehässiger Form vorbringen —, daß die Darbietung von hohen Orden, getragen von jungen Leuten prominenter Politiker, und das in dem Falle in Danzig bei der Verfilmung eines Stückes von Günter Graß, entweder überhaupt nicht erfolgt oder nicht veröffentlicht wird. Sie wissen, was ich meine.
Wie Herr Kollege Schmidt heute mit Recht festgestellt hat, heißt das Thema ja nicht nur: Vorgänge innerhalb des Verteidigungsministeriums. Die Dinge haben einen größeren Rahmen angenommen, sie heißen „Krise in der Bundeswehr". Ob das Wort Krise in dem Zusammenhang berechtigt oder nicht berechtigt ist, spielt gegenüber dem Umfang, den Optik und Akustik angenommen haben, fast keine Rolle mehr. Wir haben etwas Ähnliches neulich schon im Zusammenhang mit der Wirtschaftsdebatte gehabt: Es kann glaubhaft das Wort Krise umgehen, ohne daß in der Substanz dafür ein echter Ansatz da ist. Es können oft große Krisen ablaufen, ohne daß sie einer Minderheit auch nur zum Bewußtsein kommen.Aber — und ich beziehe mich hier auf eine dpa-Meldung —:Die Krise in der Führungsspitze der Bundeswehr war in den letzten Wochen für 60 % der Bevölkerung das wichtigste Ereignis in der Bundesrepublik. Von den Auseinandersetzungen haben, wie eine Repräsentativerhebung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaften — IFAS — in Bad Godesberg ergab, 88 % gehört. Konkret werden darunter StarfighterAffaire, Rücktritt der Generäle Panitzki und Trettner und die Kontroverse über den Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel verstanden.Dann kommen weitere Wertungen. — Wir müssen also davon ausgehen, daß das eine „cause celèbre" ist, eine Angelegenheit, die im Inland wie im Ausland tiefe Wurzeln geschlagen hat.Um so angenehmer schien mir eine Stimme zu sein, die Stimme eines Mannes, der in hoher diplomatischer Position das deutsche Volk in seinen guten, in seinen arroganten, in seinen verzweifelten, in seinen schlechten und auch wieder in seinen besseren Tagen kennengelernt hat, nämlich die Stimme von André François-Poncet im „Figaro" vor einigen Tagen unter der Überschrift „Die Affäre der Generale". Er schreibt dort:Es ist Minister von Hassel, der sich hier— ich sage das bewußt, um wörtlich zu zitieren und nichts auszulassen —am wenigsten gut aus der Angelegenheit herausgezogen hat. Es ist nach ihm Kanzler Erhard, der in seiner Autorität und seinem bereits schwankenden Prestige getroffen wurde. Das Ende der Affäre ist noch nicht abzusehen. Auf alle Fälle wird der Zwischenfall nicht die Aufgabe der Prinzips der Vormachtstellung der zivilen Gewalt zur Folge haben. Das ist für die Bundesrepublik ein Dogma, an dem sie entschlossen festhält. Es ist nicht weniger wahr, daß im Anschluß an die Demission der Generäle die Dringlichkeit und Unerläßlichkeit der militärischen Reform der Bonner Republik klar wurde. Es ist auch klar, daß- die Mehrheit der Parlamentarier die Erneuerer — Offiziere wie de Maizière, Baudissin, Kielmannsegg — billigten. Die Episode läßt nicht den Schluß zu, daß der Wert der Bundeswehr geschwächt wurde. Trotz der Meinungsverschiedenheiten, die im Offizierskorps auftreten können, bleibt sie weiterhin ein Werkzeug ersten Ranges. Mit Ausnahme Sowjetrußlands ist sie die stärkste und solideste Armee Europas. Um zu einer gerechten Einschätzung der Affäre der Generale zu verhelfen, kann es nützlich sein, daran zu erinnern, daß in Frankreich die Dritte Republik Schwierigkeiten der gleichen Art gekannt hat.Ich zitiere das nicht aus irgendeinem Grunde, sondern um hier wieder die richtige Dimension herzustellen, daß nämlich in einem Land, wie z. B. Frankreich, dessen demokratische Substanz schon von der Struktur und von der Bevölkerung her niemand bestreiten wird, die Frage des Konflikts zwischen politischer Gewalt und militärischer Gewalt damals, bei der Regierungsübernahme de Gaulles, und später bei der Revolte gegen de Gaulle ganz andere Dimensionen hatte als etwa das, was hier zur Diskussion seht.
Es ist nicht meine Absicht — ,das ist das gute Recht der Opposition —, nach Schuldigen zu fragen, in tiefgründige Untersuchungen einzutreten: Minister, Staatssekretär, Generale, Beamte usw. Aber Kollege Schmidt hat recht, wenn er heute sagte, man müsse die Dinge im Zusammenhang darstellen und dürfe nicht nur punktuell ein Problem herausgreifen. Man muß sie sowohl im zeitlichen wie im sachlichen Zusammenhang darstellen, und hier ist es gut, wenn in Zukunft vermieden wird — das gilt auch für das Echo auf Ausschußberatungen —, daß die Wiedergabe unerfreulicher Szenen der Öffentlichkeit in größter Länge und Breite dargestellt und damit eine sozusagen potenzierte Wirkung hervorgerufen wird. Es ist nicht gut, wenn die Bundeswehr oder — man kann es allgemein für jeden Staat sagen — wenn die Armee im Mittelpunkt kontroverser Debatten steht. Es ist nicht gut, wenn Parteien etwa gegen die Bundeswehr auftreten. Es wäre auch nicht gut, wenn Parteien, sei
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Straußes aus diesem oder jenem Grund, zu Füßen der Bundeswehr lägen. Beides wäre gleich falsch.
Die große Aufmerksamkeit aber, die diese Angelegenheit gefunden hat, und zwar im Inland wie im Ausland, beweist doch folgendes: einmal, daß in unserem Volk ein starkes Bedürfnis nicht nur nach wirtschaftlich-sozialer Sicherung, sondern auch nach außenpolitisch-militärischer Sicherheit besteht, daß beide Dinge eng zusammenhängen. Damit ist auch im Ausland — ich weiß es konkret aus den Vereinigten Staaten von Amerika die Frage nach dem Wert oder Unwert der Bundeswehr im Bündnis aufgeworfen worden. Das hat der Kollege Schmidt, glaube ich, ebenfalls angesprochen. Dabei billige ich dem Redner der Opposition hier einen größeren Bonus zu, als ein Redner der Regierung mit gelegentlich oppositionellen Instinkten für sich in Anspruch nehmen kann. Ich bedauere es, wenn Sie sagen, daß an der Spitze Schwäche oder Unzulänglichkeit und Fehlorganisation herrschten. „Der Kopf ist an allem schuld", hieß es heute etwa. Das sei der Grund, warum vom Starfighter bis zu den wollenen Decken alles nicht funktionieren könne. Und dann heißt es „Die Flugzeuge fallen herunter, die Schiffe gehen unter, und die Autos können weder herunterfallen noch untergehen, darum bleiben sie noch am Boden stehen." — Das ist nicht die Wiedergabe der Wirklichkeit in der Bundeswehr.
Damit ist auch ein Komplex angeschnitten. Ich habe vorher Quellen der USA erwähnt, die ich nicht namentlich nennen kann. Sie haben auch keine offenen Leserbriefe geschrieben, sonst würde ich sie erwähnen. Jene Quellen sagen: Es darf in der Bundesrepublik nicht so weitergehen, daß die öffentliche Erörterung zwischen Regierung und Opposition um die Bundeswehr herum allmählich auch Gesamtinteressen des Bündnisses berührt, weil nämlich die Bundeswehr eben doch einer der militärischen Eckpfeiler im europäischen Teil des atlantischen Gefüge s ist.
Es ist einfach nicht wahr, Herr Kollege Schmidt, wenn Sie sagen, daß bei uns — Sie haben es nicht in bezug auf Luftwaffe und Marine gesagt, sondern in bezug auch auf die technische Ausstattung des Heeres — eben alles unendlich schlechter sei als in vergleichbaren Armeen unserer verbündeten Partner.
— Sie sagten, daß das schlechter sei, unzulänglich sei, nicht vergleichbar sei mit dem. Ich konnte es nicht genau stenographisch mitschreiben, und ich habe das Protokoll nicht bekommen. Aber dem Sinne nach glaube ich es richtig wiedergegeben zu haben. Ich würde mich nicht scheuen, das zu korrigieren, wenn ich das dem Sinne nach gegenteilig oder erheblich falsch dargestellt hätte. — Das entspricht nicht der Wirklichkeit in der Bundeswehr, und das entspricht noch weniger dem Zustand, in dem sich die Teilstreitkräfte in den Armeen anderer Länder befinden. Wenn Sie sehen, mit welchentechnischen Schwierigkeiten auch hochindustrialisierte Staaten wie Belgien, Holland ringen — betrachten Sie die Ausstattung der französischen Armee, die Ausstattung der italienischen Armee, auch die Ausstattung der britischen Armee —, dann werden Sie zwar nicht zu dem euphorischen Schluß kommen, bei uns sei alles in Ordnung; aber die technische Ausstattung der Bundeswehr erweist sich — abgesehen von einigen in sehr früher Zeit getroffenen fragwürdigen Entscheidungen — im Vergleich mit den anderen Streitkräften als vorzüglich und, ich möchte aus eigenem Urteil sagen, abgesehen von einigen Schwächepunkten im Durchschnitt mit den Vereinigten Staaten von Amerika mindestens vergleichbar, um keine höhergehende Aussage zu machen; ich würde sogar noch ein etwas positiveres Urteil fällen.In der Zone hat man natürlich mit Aufmerksamkeit verfolgt, ob sich Krisenansätze in der Bundeswehr ergeben, ob nach der Wirtschaftskrise auch die Militärkrise komme, weil das eben der unvermeidliche Ablauf der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sei. Ich weiß, daß man sich in der Sowjetunion ungefähr die Frage stellt: Läßt sich aus der ganzen Angelegenheit im Interesse der strategischen Zielsetzung Moskaus etwas herausschlagen? Ich weiß, daß man in Polen fragte: Ist das, was jetzt in der Bundeswehr vor sich geht, etwa wieder so ein Anklang an die Ära Seeckt oder an die Ara Schleicher? Diese beiden Namen werden von polnischer Seite aus — und hier nicht mit Unrecht — unter ganz bestimmten negativen Aspekten gesehen. Ich denke hier an die Denkschrift Seeckts nach dem ersten Weltkrieg und an die Haltung Schleichers. Wir können hier gerade auch im Interesse einer Normalisierung unseres Verhältnisses zu einem unserer östlichen — wenn auch noch nicht durch gemeinsame Grenzen mit uns verbundenen - Nachbarn sagen, daß diese Dinge mit Gedankengängen à la Seeckt oder auch à la Schleicher überhaupt nichts zu tun haben. Wir können das nicht deutlich genug aussprechen.
Man kann auch die ganze Vorgeschichte und Frühgeschichte der Bundeswehr, wie das auch Kollege Schmidt heute vormittag dargestellt hat, nicht wegschieben; man muß den Aufbau der Bundeswehr im Zusammenhang mit geschichtlichen Ereignissen und politischen Entwicklungen sehen. Hier muß man einmal sagen — obwohl es nicht neu ist —, daß wir im Vergleich zu anderen Nationen eine unglücklichere Geschichte haben.
Im Gegensatz zu den anderen, die eine ununterbrochene Tradition und eine Kontinuität haben, haben wir mindestens zwei Traditionsbrüche, und zwar Traditionsbrüche, die nicht Folgen der Sünden oder Verbrechen der Militärs waren, sondern Traditionsbrüche, die unvermeidliche Konsequenzen politischer Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen waren.
Mit dieser Diskontinuität und ihren Folgen haben wir uns heute auch noch abzumühen.
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2838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
StraußIch möchte es nur in Stichworten sagen: Damals die Umstellung von der großen Armee des ersten Weltkrieges auf die Reichswehr, Dinge, die gerade in der Geschichte Ihrer Partei, der SPD, doch eine besondere Rolle gespielt haben. Ich habe gerade vor wenigen Tagen bei der Vorbereitung — nicht nur auf Geschäftsordnung oder auf Grundgesetz oder Bundeswehrorganisation — das Buch Noskes „Aufstieg und Niederlage der deutschen Sozialdemokratie" wieder gelesen. Ich will auch dazu noch ein kurzes Wort sagen. Eine Stelle aus diesem Buch ist mir so bemerkenswert erschienen, daß ich sie festgehalten habe. Sie möchte ich hier zitieren:In der Arbeiterschaft wurde ein verstiegener Antimilitarismus propagiert. Die Zeitschrift „Freie Jugend" war eine Ablagerungsstätte für Hetzereien gegen die Truppe und ein Sammelsurium von Notizen überstiegensten Pazifismus. Der Herausgeber begeiferte in einem Artikel „Weg mit dem neuen Heer" am 15. Juli 1919 die Truppe als die Zuflucht arbeitsscheuer Faulenzer aus den besseren Gesellschaftskreisen, ein Feld für Rohlinge aller Art und fragwürdiges Gesindel aller Bevölkerungsschichten.Leider haben wir vor und in den ersten Jahren der Aufstellung der Bundeswehr ähnliche Töne gehört.
Diese Töne haben ohne Zweifel die richtige Einordnung der Bundeswehr in unsere gesellschaftliche und staatliche Ordnung, die von ihr gewünscht worden ist, gelinde gesagt: nicht gerade erleichtert.
Ich behaupte nicht, daß Töne dieser Art jemals von dieser Stelle aus angeklungen sind; das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber wir haben sie draußen in schriftlicher und mündlicher Form kennengelernt bis zu der eigenartigen Formulierung, daß die Ausbildung in der Bundeswehr eine Art Schule für Berufsverbrecher sei.
Wir müssen hier einen gemeinsamen Weg gehen, um eine gemeinsam tragende Basis für die Bundeswehr unseres gemeinsamen Staates zu haben.
Ich würde mich gegen Töne exessiver Art von der anderen Seite mit zum Teil unglaublichen Diffamierungsmethoden, von rechtsradikaler Seite, die darauf angewandt worden sind, genauso leidenschaftlich zur Wehr setzen; ich habe es auch getan.Ich darf diesen Überblick mit ein paar Sätzen abschließen.Auch die Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik ist nicht nur während der Weimarar Zeit, sondern auch nach dem Zusammenbruch 1945 von manchem zum Teil aus einem eigenen inneren Schuldbekenntnis heraus, das man nicht zugeben wollte, falsch dargestellt worden. Sicherlich bin ichals Zeuge weniger glaubwürdig, als es jemand anders ist. Ich empfehle Ihnen z. B. den Aufsatz von Golo Mann nachzulesen, den er im Jahre 1956 über das Thema „Macht und Ohnmacht der Generale" geschrieben hat. Mit diesem meinem Wort ist keine Absolution verbunden, aber auch die Feststellung, daß man den Generalen nicht mehr vorwerfen kann, als daß sie damals der jeweils für legitim gehaltenen Macht trotz gewisser Bedenken von dieser oder jener Seite ihre pflichtgemäße Unterstützung gegeben haben. Jedoch kamen die Fehler und Fehlentwicklungen von politischer Seite.
Das Urteil, das Golo Mann hier abgibt, kann ich, weil die Zeit nicht reicht, nicht im einzelnen ausführen. Es ist eine Abrechnung mit Wheeler-Bennett: „Nemesis of Power". Er hat festgestellt, daß Herr Seeckt, der für mich sicherlich nicht zu den liebenswürdigen, sympathischsten Figuren der Weimarer Republik gehört, in seiner Gesamtbedeutung maßlos überschätzt worden ist, daß er in der Zeit, in der er einmal die volle vollziehende Gewalt hatte, den ihm von der Politik gegebenen Auftrag ausführte und dann gehorsam gegenüber dem Gesetz die Macht wieder abtrat. Alles andere darzulegen würde zu sehr in die Details führen.Bei uns gab es die bedingungslose Kapitulation. Nach 1918 hieß es verständlicherweise mit Recht: Nie wieder Krieg! Nach 1945 hieß es: Nie wieder Militär! Reeducation — reorientation! Das war ohne Zweifel eine einseitige Darstellung des deutschen Geschichtsbildes im Gesamtzusammenhang der Dinge, auch eine einseitige Verteilung der Gewichte der Schuld gegen den deutschen Soldaten.Niemand hat etwa versucht, eine Theorie aufzustellen, wonach ohne das Funktionieren der Reichswehr der zweite Weltkrieg nicht möglich gewesen wäre. Ich weiß, daß auch die Funktion der Reichsbahn anders war als die der waffentragenden Macht. Aber die Konzentration des nationalen Unglücks und auch der unter deutschem Namen begangenen Verbrechen auf die bewaffnete Macht hat sehr dazu beigetragen, daß das unter geschichtlichen Notwendigkeiten begründete Wiederentstehen einer bewaffneten Macht unter politisch-psychologischen Belastungen stand, deren Beseitigung heute teilweise gelungen ist, aber von allen Kräften dieses Hauses noch in vollem Umfang bewältigt werden muß, um das zu erreichen, was wir gemeinsam wollen.
Man kam dann sehr rasch zu der Erkenntnis, daß der NATO-Grenzbereich — das ist die Bundesrepublik in Europa-Mitte — ohne den deutschen Willen zur Selbstverteidigung und ohne den konkreten Ausdruck dieses Willens nicht verteidigt werden kann.Kollege Schmidt und ich hatten vor wenigen Tagen eine Fernsehdebatte, bei der sich eine aus der Sache heraus kommende weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen ergab, auch die gemeinsame Überzeugung, daß eine Aufgabe deutschen Gebietes - etwa zurück bis zur Weser, zurück bis
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Straußzum Rhein, zurück bis zum Atlantik — von keinem von uns gebilligt werden kann — sonst wäre die Bundeswehr und wäre der gesamte Bündnisapparat wirklich fehl am Platze —, daß der Begriff „Vorwärtsverteidigung" oder „Vorwärtsstrategie" von der Propaganda der anderen Seite vielleicht falsch dargelegt wird, daß wir beide aber darunter dasselbe verstehen, eben Verteidigung ganz weit vorn an der Demarkationslinie, wenn es, was Gott verhüten möge, zum Verteidigungsfall kommen sollte. Wenn aber das Urteil des militärischen Sachverstands, der heute hier in der Rede des Kollegen Schmidt sehr groß geschrieben worden ist, allseits so ernst genommen werden muß, wie es hier heute geschehen ist, dann darf man das Urteil der militärischen NATO-Stäbe und ihrer Befehlshaber nicht in den Wind schreiben, wonach eine Gesamtzahl von 30 Divisionen die Aufrechterhaltung eines flexiblen Arsenals und damit die Erreichung des Verteidigungszieles Nr. 1, nämlich den Ausbruch eines Krieges in jeder Form zu verhindern, glaubhaft gewährleistet. Wenn man damit die Wirklichkeit vergleicht — es ist ja kein Geheimnis, daß es bei wohlwollender Berechnung 24 sind und daß 12 davon deutsche Divisionen sind —, muß man heute fragen: Wer hätte sie denn unter den damals gegebenen oder den in der Zwischenzeit eingetretenen Umständen gestellt, wenn sie notwendig sind?
Man muß auch sagen, daß der damalige Entschluß, so umstritten er in diesem Hause über Jahre hinweg war, richtig war. Wenn er damals nicht gefaßt worden wäre, — heute, 20 Jahre nach dem Kriege, könnte dieser Entschluß nicht mehr oder wahrscheinlich nur unter ungleich größeren Schwierigkeiten gefaßt werden. Heute bläst uns ja der Wind ins Gesicht. Das sei hier nur zum Ablauf der Ereignisse dargestellt. Wenn aber das militärische Urteil, nicht auf das Alles-oder-Nichts, auf die sogenannte massive retaliation, auf die totale Vergeltung, auf den Schlag mit den großen Atomwaffen abzustellen, eine absolut zwingende Überzeugungskraft hat, wenn die Wandlung der NATO-Strategie zur flexible response, die ein größeres Arsenal militärischer Möglichkeiten erfordert, richtig ist und wenn das militärische Urteil der Kommandierenden Generale im Verteidigungsministerium von der Opposition so ernst genommen wird, wie das heute morgen geschehen ist, dann nehmen Sie bitte auch das Urteil der verantwortlichen amerikanischen, englischen, französischen, deutschen und anderen NATO-Befehlshaber genauso ernst und erkennen Sie an, daß eine Verteidigung der Bundesrepublik ohne den rechtzeitigen Aufbau der Bundeswehr — unter Inkaufnahme mancher Schwächen und Fehler — jedenfalls im Sinne eines beweglichen militärischen Instruments und damit im Sinne der Vermeidung einer sehr niedrigen Atomschwelle nicht möglich gewesen wäre!
Der Aufbau vollzog sich — das muß ich betonen — unter ungewöhnlichen außen- und innenpolitischen Umständen: Deutschland geteilt, Europa gespalten, latente Aufrüstung der Zone. Die Bundeswehr stand ja von vornherein unter der Belastung: Sind wir eine Bürgerkriegsarmee? Das war doch das Thema, mit dem man sich hier und anderswo zu beschäftigen hatte. Hinzu kam der schärfste Druck Moskaus gegen die deutsche Aufrüstung; dazu das gefährliche Wort „Remilitarisierung"; denn „Remilitarisierung" heißt eigentlich Wiederherstellung militaristischer Gesinnungen und Zustände. Was wir getan haben, war die Herstellung eines Minimums an militärischer Verteidigungsfähigkeit und damit Bündnisfähigkeit, aber nicht ein Akt der Remilitarisierung.Dann sollten wir nicht sofort in die NATO aufgenommen werden, weil wir noch nicht wieder freigesprochen waren, noch nicht die Absolution erhalten hatten. Dann scheiterte die EVG. Als Ersatz dafür sind wir gleich in die NATO aufgenommen worden. Ich darf daran erinnern, was sich damals in Koblenz befand. Da lagen nebeneinander zwei Dienststellen: die eine hatte für den Vollzug der totalen Abrüstung zu sorgen, und die andere hatte zu gleicher Zeit schon die nötigen Vorkehrungen für den baldigen Beginn der Wiederaufrüstung zu treffen. In diesem geistigen, psychologischen und politischen Klima vollzog sich damals der Aufbau der Bundeswehr. Und dann kommen die großen Forderungen der politischen und militärischen NATO-Stäbe und der Bundesgenossen an die Bundesrepublik.Herr Kollege Schmidt, an dieser Stelle muß ich mich mit Ihnen über einen Punkt auseinandersetzen. Sie haben heute im Zusammenhang mit Nagold — das sei jetzt vorbei — und in Zusammenhang mit dem Starfighter davon gesprochen: Ja, doppelt so viel, als wir überhaupt hätten verkraften können; der ganze Aufbau ,der Bundeswehr zu groß; zu ehrgeizige Planung, zu weit gesteckte Ziele usw. Hier muß ich wirklich einmal fragen: Was ist denn angesichts unserer Bevölkerungszahl, unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit — sie sei niedrig, aber noch objektiv angesetzt —, angesichts unserer finanziellen Ertragskraft unter Einrechnung der sozialen Kriegsfolgelasten ein dem Bundesgenossen zumutbares und für die Deutschen erträgliches Maß? Ich wende hier wahrlich nicht den Maßstab wie die Vereinigten Staaten von Amerika an, die nach einer vorübergehenden Phase weitgehender Abrüstung — aber bei 180 Millionen Einwohnern — immer Streitkräfte in Stärke von rund 3 Millionen Mann — manchmal sind sie auch auf 2,8 Millionen Mann heruntergegangen — unterhalten haben; dazu 1 Million Zivilisten. Heute sind sie wieder bei 3,7 bis 3,8 Millionen Mann und 1,2 Millionen Zivilisten, einem Gesamtapparat von 5 Millionen Mann. Wir hoffen, daß diese Dinge nach dem von jedem schon aus humanitären Gründen zu wünschenden Abschluß des Vietnam-Krieges wieder auf ein geringeres Maß zurückgehen werden.Aber selbst bei der Normallage, lange vor dem Vietnam-Krieg, haben die Amerikaner etwa 1,5 % ihrer Bevölkerung unter Waffen gehabt. Dabei sind auf 3 Millionen Soldaten etwa 1 Million Zivilisten gekommen. Ich verhehle nicht, daß es in manchen
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2840 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
StraußBesprechungen im kleinsten Kreise harte Auseinandersetzungen darüber gegeben hat, wenn ich den Standpunkt vertreten habe, daß für uns ein gleicher Schlüssel nicht anwendbar sei. Es gab schon harte Auseinandersetzungen wegen des Zurückschraubens unserer Forderungen, wegen des Zurüdcschraubens unserer Zusagen, nämlich von 500 000 Mann in drei Jahren auf 350 000 Mann in fünf Jahren, mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 50 000 bis 55 000 Mann nach dem ersten Jahr, einer Zuwachsrate, die aber immerhin noch so groß war, daß man manche Schwächen und Nachteile in Kauf nehmen mußte.Wenn ich Sie aber jetzt richtig verstehe, meinen Sie, daß die Luftwaffe etwa halb so groß und das Heer halb so groß sein sollten. Ich weiß nicht, wieviele Schiffe die Marine haben darf, Schiffe, die natürlich untergangssicher sein sollen. Ich jedenfalls glaube nicht, daß das, was dabei herauskommt, eine im internationalen Maßstab vorzeigbare und nach fairen Vergleichsmaßstäben mit den anderen erträgliche Leistung ist. Ich glaube, daß wir durchaus in der Lage sind, bei einer Bevölkerung von 55, 56 Millionen Menschen 0,9 % der deutschen Bevölkerung im Dienste der militärischen Verteidigung als Uniformträger zu haben, und daß auch der damit verbundene Anteil, sei es des Sozialprodukts, sei es des Steueraufkommens — nach den USA, Großbritannien und Frankreich stehen wir etwa an vierter Stelle — die deutsche Leistungsfähigkeit nicht übersteigt. Man muß ja auch einfach der Wahrheit halber sagen, daß wir schon von uns aus gegenüber der uns vorgeschlagenen NATO-Planung von vornherein den Umfang der Luftwaffe in unserer Zusage um ein Drittel vermindert haben. Sollte unsere Leistungsfähigkeit, Kollege Schmidt, so gering sein, daß wir eine Bundeswehr von 450 000 Mann, mit 700 Flugzeugen einer modernen Hochleistungsluftwaffe, technisch, finanziell, leistungs- oder ausbildungsmäßig nicht verkraften könnten? Ich weigere mich, das zu glauben, ohne daß ich hier ambitiöse Gedankengänge oder ehrgeizige Ziele verträte. Wir sind sowieso an der unteren Grenze gewesen.Ich möchte hier nicht die Polemik, die kritischen Worte von vorhin, wieder aufgreifen. Ich habe es einmal bei der Starfighter-Debatte anklingen lassen. Sie wissen doch ganz genau — und die deutsche Öffentlichkeit weiß es auch noch —, unter welcher Belastung wegen der Kontroverse zwischen den großen staatstragenden Parteien die erste Phase des Aufbaus der Bundeswehr stand. Ich darf Sie nur an etwas erinnern, was mich damals getroffen hat; ich habe es einmal nachgeschlagen und gestern wieder bestätigt gefunden. Es war nicht irgendein Ortsverband — Buxtehude, irgendwo —, sondern es war der Parteivorstand Ihrer Partei — —
— Nehmen wir statt Buxtehude Apfelhausen oder so etwas.
— Nein, Vockenhausen nicht, Kollege; „Carlo" ist ja auch kein Ort.Damals wurde ein Plakat vertrieben — ich sage es nur wegen der Frage der Eingliederung der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft —: links der Kopf von Ulbricht, rechts der Kopf von Adenauer, darunter der gleiche Appell: „Volk ans Gewehr!" Das mußte doch viele Leute, die Ihnen politisch nahestanden, davon abhalten, ihre Person, ihr Können und ihre Leistungsfähigkeit der neu im Aufbau begriffenen Armee zur Verfügung zu stellen, oder in Gewissenskonflikte bringen.
Ich zitiere jetzt aus einem Aufsatz des Jahres 1965 in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" : Erschwerung der Wiedervereinigung, Gefahr der Entwicklung einer aggressiven Außenpolitik, Gefährdung des sozialen Standards der Arbeitnehmerschaft, falsche Verwendung erheblicher finanzieller Mittel, Gefahr des Militarismus im weitesten Sinne, Gefahr der Entwicklung der Bundeswehr zum Staat im Staate, Angst vor einem Einsatz der Bundeswehr im innenpolitischen Bereich gegen die Gewerkschaften. Das sind die Themen gewesen, unter denen damals die Bundeswehr gewissermaßen wie unter Vorbelastungen stand, und ich behaupte nicht, daß die Furcht von damals etwa völlig unbegründet und maliziös war, sozusagen nur aus demagogischen Gründen vom Himmel heruntergeholt war. Sie hat viele objektive oder auch nur subjektive Begründungen in gewissen Vorgängen der früheren Jahrzehnte gehabt.Ich sage das nur, um zu beweisen, wie schwer es diese Bundeswehr trotz bestem Willen der Offiziere und der Unteroffiziere, der Berufssoldaten und der Freiwilligen von damals vom ersten Augenblick an hatte, ihren richtigen Standort zu gewinnen. Was die Frage des Verhältnisses zwischen Bundeswehr und Sozialismus, demokratischem Sozialismus, Bundeswehr und Arbeiterbewegung angeht, begehe ich keine unobjektive Feststellung, wenn ich sage, daß von seiten der Soldaten die Arme eher und weiter geöffnet waren als von seiten der anderen. Wir hätten gewünscht, daß beides gleich gewesen wäre.
Herr Kollege Mick!
Herr Kollege Strauß, Sie sagten: Bundeswehr und Arbeiterbewegung. Müßte das nicht heißen: sozialistische Arbeiterbewegung?
Ich wollte damit sagen, lieber Herr Kollege Mick, daß es in der Geschichte des Verhältnisses zwischen Arbeiterschaft und Armee vor dem ersten Weltkrieg hauptsächlich in der sozialistischen Arbeiterbewegung — aber nicht nur — gewisse Vorbehalte und Vorbelastungen gab. Wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, daß Arbeiterbewegung nicht identisch ist mit sozialistischer Arbeiterbewegung, dann darf ich in diesem Fall als
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StraußParteiredner auch sagen, daß unser Anteil an dieser Bewegung so erheblich ist, daß wir ohne sie die bisherigen Mehrheiten nicht hätten erzielen können.
Kollege Schmidt sagte heute morgen, man dürfe der Bundeswehr und den Generälen keinen Maulkorb umhängen außer in den Fragen ihres eigenen dienstlichen Bereichs oder in Urteilen über ihre Vorgesetzten. Ich freue mich über diese Erkenntnis. Als aber vor sechs Jahren führende Offiziere der Bundeswehr auf Grund eines ganz bestimmten Vorgangs, nämlich einer parteipolitischen Propaganda in den Kasernen gegen unsere Verteidigungskonzeption eine Denkschrift machten, da lautete es ganz, ganz anders.
Die Denkschrift ist nicht, wie man vermutete, auf meinen Befehl hin entstanden, aber mit meinem Wissen und mit folgender Vorgeschichte. Es wurde in den Kasernen an unsere Freunde in der Bundeswehr eine Denkschrift verbreitet, in der es dem Sinn nach hieß: NATO-Politik, Wehrpflicht, Atomwaffenpolitik, — das ist nicht eine Forderung der Fachleute, sondern das ist nichts anderes als . der Ausdruck der ehrgeizigen, von den Fachleuten nicht gebilligten Wehrpolitik der Bundesregierung. Daraufhin wollten wir wissen, wie die Fachleute denken. Heute sind Sie auch alle Fachleute geworden. Darum denken wir als Fachleute alle gemeinsam. Es gibt in dem Fall nur mehr Experten.
Denn wenn man heute ja sagt zur NATO, dann ist man beinahe ein Opportunist. Wenn man manche Kritik an der NATO äußert, gerät man schon in Gefahr, ein riskanter Rennfahrer zu werden.
Aber damals lagen die Verhältnisse genau umgekehrt. Sie werden auch heute noch kaum einen Fachmann oder einen militärischen Führer der Bundeswehr finden, der nein zur Wehrpflicht sagen würde.Man kann sehr wohl wegen der kommenden technischen Anforderungen der Meinung sein — ich drücke mich ganz vorsichtig aus —, daß wir vom Jahr 1970 oder 1972 an an eine grundsätzliche Reform unserer gesamten Wehrverfassung herangehen müssen. Ob die Jahreszahlen genau stimmen oder nicht, weiß ich nicht. Aber um diese Zeit herum könnte der Zeitpunkt liegen, an dem man zwei ganz verschiedene Elemente der Verteidigung aufbauen muß, und damit erheben sich auch gewisse Fragen. Aber daß wir ohne Wehrpflicht niemals hätten das aufbauen können — vom Psychologischen bis zum Pragmatischen —, was aufgebaut worden ist, steht außer jedem Zweifel.Das Dritte war das Vorhandensein taktischer Atomwaffen für das Gefechtsfeld, ein sehr umstrittenes Thema. Aber es geht ja jetzt nicht um die Frage „Kontrolle", es geht nicht um die Frage „amerikanisches oder französisches, europäisches oder atlantisches Bündnis" und schon gar nicht um die Frage „national". Daß das Vorhandensein dieser Waffen erforderlich ist, um ihre Nichtanwendungvon der anderen Seite zu erzwingen, gehört heute auch schon zum allgemeinen Überzeugungsgut. Aber als damals alle Inspekteure, Generäle und Admiräle diesen Gedanken zum Ausdruck brachten, da war es der Vorgänger des Herrn Wienand, der damals sagte, das sei der erste massive Eingriff der Generäle in die Politik gewesen.
Und ich glaube nicht, daß es dann, wenn die Generäle etwas sagen, was mit dem damaligen Konzept von Ihnen nicht übereinstimmte, eine unverschämte Einmischung in die Politik ist, daß diese Generäle aber dann, wenn sie am jeweiligen Verteidigungsminister Kritik üben, die Helden der Demokratie sind, denen man keinen Maulkorb umhängen darf.
Man soll Einzelerscheinungen nicht verallgemeinern. Das gilt für uns, das gilt für Sie, das gilt auch für die Bundeswehr. Beispielsweise las man im Mitteilungsblatt einer Industriegewerkschaft — es bandelt sich um die IG Metall —, also in den IG-MetallMitteilungen in Stuttgart vor einiger Zeit, das beste wäre, man würde mit dem ganzen Unsinn, genannt Bundeswehr, überhaupt aufräumen.
Wenn der Vorsitzende der IG Metall in einem Aufsatz oder in einer Rede zum Ausdruck brachte: unter keinen Umständen darf die Tradition der Reichswehr wieder aufleben, niemals darf die Bundeswehr zum Staat im Staate werden — so billige ich diese Auffassung, aber es bestand im Jahre 1965 nicht der leiseste Anlaß mehr, eine solche Meinung auszudrücken, eine solche Warnung zu veröffentlichen.
Ich könnte noch mehr Beispiele dieser Art bieten; es hat keinen Sinn.
Aber Sie wissen, was ich damit zum Ausdruck bringen will, und das ist ja gerade der profilierte Wunsch, die Bundeswehr nicht für eine bestimmte parteipolitische Richtung, gewissermaßen als Ausdruck, als Organ ihres Willens oder ihrer politischen Willensbildung, zu reservieren,
sondern die Bundeswehr auf eine Basis zu stellen, die mit gleicher Liebe — Herr Helmut Schmidt hat das Wort gebraucht — und mit gleicher Achtung von allen Parteien getragen wird, und sie damit aus dem Streit der politischen Richtungen herauszuhalten.
Heute haben sich mit Recht alle Redner gegen diese törichten Worte vom „Aufstand der Generäle" und ähnliche Dinge gewandt. Ich kann aus eigener Überzeugung sagen, daß ich weder in meiner Amtszeit noch nachher einen einzigen General kennengelernt habe, der, sei es offen — was er vielleicht
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2842 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Straußnicht getan hätte — oder versteckt, das, was man „Primat der Politik" nennt, jemals in Zweifel gezogen hätte. Darum sind Äußerungen, daß man den „Primat der Politik" hätte wiederherstellen müssen, absolut deplaciert. Alle reißerischen Überschriften oder tiefsinnigen Erklärungen dieser Art gehen am Kern vorbei. Der Vorrang der politischen Führung, die Anerkennung des Primats der Politik stand nicht und steht nicht zur Diskussion und wird nicht zur Diskussion stehen, solange dieses Haus und diese Demokratie funktionsfähig sind.Herr Kollege Schmidt hat davon gesprochen, in der Bundeswehr werfe man die Frage auf: Haben denn nicht Ehre und Ansehen der Soldaten gelitten? Hat nicht unser soziales Prestige darunter gelitten? Sind wir eine ungeliebte Armee? Lehnt die Gesellschaft uns denn nicht ab? — Wir können für uns ruhig in Anspruch nehmen, daß Ehre und Ansehen der Bundeswehr und des anständigen deutschen Soldaten für uns nie ein Gegenstand des Zweifels gewesen sind.
Wir haben das Ja zu dieser Bundeswehr auch nicht gegeben und wir haben sie nicht durchgesetzt, um sie dann zur ungeliebten Armee zu erklären oder um sie als ein unwillkommenes Element unserer Gesellschaftsordnung zu betrachten. Kollege Helmut Schmidt, mit wem haben Sie sich denn hier auseinandergesetzt?
— Wenn Sie sagen, bei diesen Äußerungen hätten Sie sich mit dem Bundeskanzler auseinandergesetzt, so ist das doch eine Betrachtungsweise, die nicht ganz glaubwürdig ist.
Daß der Bundeskanzler nicht alle Elemente militärischen Denkens und Fühlens in sich verkörpert, möchte ich Ihnen ausdrücklich bestätigen.
Daß der Bundeskanzler ein anderes Verhältnis, ein— so darf ich vielleicht sagen — etwas niedrigerprozentiges Verhältnis zur militärischen Macht hat, als Sie es an seiner Stelle haben würden, Herr Kollege Schmidt, möchte ich Ihnen persönlich auch noch bestätigen. Mit Ihnen könnte ich kaum konkurrieren — trotz allem, was über mich alles gesagt worden ist.
Die Anführung der Fragen „Ehre und Ansehen",„soziales Prestige", „ungeliebte Armee", „Gesellschaft lehnt uns ab", Herr Kollege Schmidt, das war— ich erkenne das sehr an, aber bitte, halten Sie das auch durch — eine Abrechnung mit ganz gewissen Gruppen und Kreisen, die mehr in Ihren Reihen als in der Umgebung des Bundeskanzlers zu suchen sind.
Und weil heute die Rede von einem Gewerkschaftserlaß war, wo Sie ohne Zweifel materiell recht haben: es gibt keine Einschränkung der Koalitionsfreiheit für den Soldaten. Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten, nämlich entweder keinen Verband innerhalb der Kasernen werben und organisieren zu lassen oder alle mit dem gleichen Recht zu behandeln. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ob man sich besser für das eine oder für das andere entschieden hätte, darüber will ich jetzt nicht urteilen. In der bayerischen Bereitschaftspolizei hat man sämtliche Verbände aus den Kasernen und auf die umliegenden Installationen verwiesen.Aber warum sage ich Ihnen das, Herr Kollege Schmidt? — Nach meiner Kenntnis der Dinge gibt es heute von seiten der Bundeswehr keine grundsätzlichen Vorbehalte oder inneren Ressentiments mehr gegen die organisierte Arbeiterbewegung. Das mag bei der Reichswehr der Fall gewesen sein; das mag beim Offizierskorps der Großen Armee vor dem Ersten Weltkrieg der Fall gewesen sein. Heute ist es aber nicht mehr der Fall. Gerade deshalb wünschen wir, daß die organisierte Arbeiterbewegung — sozialistisch oder nicht sozialistisch — ein solches Verhältnis zu dieser Bundeswehr hat, daß diese sich getragen und geborgen fühlen kann und sich nicht einmal umworben und ein anderes Mal dann wieder getreten vorkommen muß; denn damit erzeugt man dann Verklemmungen und Ressentiments, die sich dann staatspolitisch absolut falsch auswirken würden.
Ich sage Ihnen, worum es geht. Es geht um die Stellung des Soldaten in Gesellschaft und Staat, und zwar gegenüber allen soziologischen Elementen dieses Staates und unserer Nation, es geht um ein zweckmäßiges und sachgerechtes Verhältnis von Zielsetzung, Auftrag, Mittel und Vollmacht, und es geht um eine glaubhafte, überzeugende strategische Verteidigungskonzeption. Wir leben in einem Zeitalter der großen technologischen und soziologischen Veränderungen. Wesen und Auftrag des militärischen Elements sind davon stark berührt. Der Soldat ist kein Übermensch. Von Preußens Gloria bis zur Atombombe ist ein weiter Weg. Die Zeit, als der Leutnant hoffähig war, der normale Universitätsprofessor aber nicht, gehört endgültig der Vergangenheit an.
Der Soldat darf aber auch nicht als ein potentieller Untermensch angesehen werden.
Und je mehr das von Leuten geschieht, — —
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Strauß— Ich sage: der Soldat ist kein Übermensch und darf nicht als potentieller Untermensch angesehen werden; und am wenigsten darf das von seiten derer geschehen, die als freiwillige Mitglieder des für sich mit Alleinpacht in Anspruch genommenen Klubs des Geistes eine besondere Verantwortung für Staat und Gemeinschaft zu haben behaupten.
Die Bundeswehr braucht nicht Lieblingskind der Nation zu sein. Sie darf aber auch nicht Stiefkind und Fürsorgezögling sein. Die Bundeswehr ist ein natürlicher und normaler Bestandteil unserer demokratischen Ordnung in Staat und Gesellschaft. Könnten wir uns deshalb nicht vornehmen — und ich schaue Sie an, Herr Kollege Wienand —, in unserem Sprachschatz ein Wort zu streichen, nämlich: Wir dürfen die Bundeswehr nicht überfordern, wir müssen der Bundeswehr helfen, wir müssen mehr Verständnis für die Bundeswehr aufbringen. Man gebe ihr die Stellung in Staat und Gesellschaft, die sie braucht, man gebe ihr ein zweckmäßiges und sachgerechtes Verhältnis von Zielsetzung, Auftrag und Mittel, man verhänge über sie eine scharfe politische Kontrolle, man gebe ihr aber auch das Vertrauen, damit sie in Ruhe und ohne dauernde Exhibition der letzten Einzelheiten ihrem Auftrag gerecht werden kann!
Es war ein bitterer Weg, und ich darf erinnern,was immer das Echo war, wenn man anfing, der Bundeswehr inneres Selbstbewußtsein und äußerlich das Minimum an Selbstdarstellung zu geben, das sie braucht. Ich möchte gerade hier an einen Namen mit Dankbarkeit erinnern, nämlich an Ihren Namen, Herr Kollege Carlo Schmid, weil Sie, gleichgültig, wie die Zeitläufte waren und wie die Meinungen um Sie herum waren, immer, was Tradition oder äußere Rangabzeichen angeht, eine Haltung eingenommen haben, die auch mich ermutigt hat, gewisse Dinge, vielleicht mit etwas weniger Glanz, als Sie es sich vorgestellt ,haben, zu verfolgen. Aber wenn ich daran denke, welche Uniform man dieser Bundeswehr am Anfang gegeben hat, damit sie einen „demokratischen Mustersack" trägt!
Wenn ich daran denke, welches Spektakel sich erhoben hat, als man alsolut unmögliches Schuhwerk durch normale Stiefel ersetzte! Da marschierte schon wieder der Knobelbecher kreuz und quer durch Europa. Wenn ich daran denke, was da immer von Glanz, Gold und Sternen die Rede war, wenn man nur halbwegs normale Rangabzeichen statt unvollendeter germanischer Runen verliehen hat!Dazu gehört auch, daß Vorfälle in der Bundeswehr nicht verallgemeinert werden dürfen. Wenn ein Bundeswehrsoldat einmal etwas ausfrißt, dann war das noch lange nicht die Bundeswehr. Jeder andere Berufsstand würde sich das verbitten.
Und warum denn Belehrung, Kontrollen, schriftliche Absicherung, Herr Kollege Schmidt? Sie wissen doch ganz genau, warum: weil, wenn irgendwo etwas passiert, unter dem Druck einer geradezu terroristischen Aufmerksamkeit und Konzentration auf diesen Vorgang von der Presse bis zum Abgeordneten, vom Wehrbeauftragten bis zum Parlament, vom Staatsanwalt bis zu Sonderorganen dann alles mobilisiert wird, weil damit eine innere Lähmung, Resignation, geradezu eine Paralyse der Entschlußfähigkeit erzeugt wird, die dann zu diesen Erscheinungen führt.
Vieles läßt sich vermeiden durch ein Mehr an Dienstaufsicht und durch eine Überwachung der Einhaltung der Dienstaufsicht der vorgesetzten Vorgesetzten gegenüber den untergebenen Vorgesetzten, wenn ich mich so ausdrücken darf. Aber hier erlebt man ja heute manchmal Dinge! Sie sind zum Glück nicht mehr so allgemein, wie sie zu werden schienen. Man setzt z. B. Baden nicht etwa als Dienst an. Wenn nämlich Baden auf dem Dienstplan steht und etwas passiert, dann kommt die Sache vor den Staatsanwalt. Darum gibt man zweieinhalb Stunden dienstfrei, stellt einen Lastwagen zur Verfügung und stellt anheim, zum Baden zu gehen. Wenn dann einmal etwas passiert, dann ist keine Dienstaufsicht gegeben, damit keine dienstaufsichtliche Verantwortung gegeben, und damit sind Presse, Parlament, Wehrbeauftragter und Staatsanwalt zunächst einmal heraus.
Das führt dann auch dazu, daß hohe Generale, Divisionskommandeure, Kommandierende Generale sich schriftlich bestätigen lassen, daß die Anregungen, die Belehrungen, die von oben nach unten rieseln, auch tatsächlich weitergegeben werden, damit der Segen der Verfolgung dann vor ihrer Türe haltmacht und bis in ihre Türe eindringt. Auch das wissen wir.Der Soldat ist auch nicht — und wir müssen das Bild einmal korrigieren — Bürger in Uniform schlechthin. Ich bitte, das Wort nicht falsch zu verstehen. Ein Bürger in Uniform ist z. B. ein Eisenbahner oder ein Postbeamter. Das sind sehr ehrenwerte Berufe. Aber der Soldat ist immerhin ein Bürger in Uniform sui generis, ohne jeden Zweifel, und der militärische Dienst, etwa des F-104-Piloten, ist eben — ohne Werturteil gesprochen — anderer Art als z. B. der Dienst eines in unserer Gesellschaftsordnung auch unbedingt notwendigen Omnibusfahrers. Damit geht Hand in Hand die Erarbeitung und Vertretung eines wahrhaftsgemäßen Geschichtsbildes: weder idealistische Schönfärberei noch präfabriziertes Vorurteil.Und jetzt wage ich etwas zu sagen, was über das hinausgeht, was der Kollege Helmut Schmidt gesagt hat; aber wollen wir uns doch gegenseitig nichts vormachen. Verfassungsänderungen und Wehrgesetzgebung jener Jahre, der Jahre, von denen heute die Rede war, standen nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer von Vorbelastungen
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Straußfreien, von geschichtlichen Reminiszenzen und von Kontrastprogrammidealen entblößten, einem sozusagen wertfrei gemachten Gesichtspunkt der zweckmäßigsten und sachgerechtesten Verteidigungskonzeption allein. Es war nicht nur eine Militärkonzeption, es war bis zu einem gewissen Grade auch, von der Vergangenheit her und ohne Erfahrung mit der Bundeswehr der Zukunft gesprochen, eine Vorsichtskonzeption; ich möchte nicht sagen, eine „Antimilitärkonzeption", aber: eine Vorsichtskonzeption. Aber nach zehn Jahren, nach dem, was heute Herr Kollege Schmidt gesagt hat, nach dieser großartigen Laudatio auf die Meinungen und die Zuverlässigkeit der Generale — die ich teile —, können wir ruhig an eine Überprüfung der Elemente unserer Wehrgesetzgebung und Wehrverfassung herangehen,
die nach zehnjähriger Erfahrung ohne das leiseste politische Risiko unternommen werden kann. Und dann hoffen wir, daß der überzeugenden Kraft Ihres Vortrages von heute morgen, Herr Kollege Helmut Schmidt, die Einstimmigkeit Ihrer Fraktion bei den praktischen Entscheidungen als andere Seite der Medaille entsprechen wird.
Zudem gibt es eben eine Reihe von organisatorischen und technischen Problemen. Wir werden bei uns um die Anwendung der Methoden der Unternehmensforschung nicht mehr länger herumkommen; sie müssen zur Lösung einer Reihe von Problemen angewandt werden.Frage der Stellvertretung im Oberbefehl! Herr Kollege Helmut Schmidt hat das Thema heute angesprochen. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, weil ich mich dazu verpflichtet fühle — gerade auch nach dem, was Herr von Hassel sagte —, daß ich den heutigen Staatssekretär Gumbel, den ich als Leiter der Personalabteilung übernommen habe, immer als einen pflichtbewußten, hochqualifizierten, anständigen und tüchtigen Beamten kennen- und schätzengelernt habe.
Ich mache aus meiner unabhängigen Meinung keinen Hehl. Ich habe einmal den Streit gehabt in der Zeit des Generalinspekteurs Heusinger und des Staatssekretärs Hopf, und ich muß beiden das ehrenvolle Zeugnis ausstellen, daß sie sich bei der Erledigung dieses Gegensatzes vorbildlich benommen haben, als ich zum Ausdruck brachte, daß nicht eine Rechtsquelle so niedriger Art — ich meine: eine Rechtsquelle so geringfügiger Art, wie es die Geschäftsordnung der Bundesregierung gegenüber der Verfassung ist — schon automatisch die Stellvertretung in allen Funktionen begründet, und habe zu unterscheiden versucht zwischen der Funktion des Inhabers der Kommandogewalt, des Oberbefehlshabers der Bundeswehr, und der Funktion des Ministers in den Routineangelegenheiten des Ministeriums, weitgehend auch mit sachlichen Entscheidungen, die unter Umständen sehr großen Umfang annehmen können. Aber wenn diese Sacheexpressis verbis geregelt, wenn sie kodifiziert wird, muß die Stellvertretung im Oberbefehl in politischen Händen liegen; in welcher Form, das ist dann eine Frage, die ich nicht etwa durch meine Meinung hier präjudizieren möchte.Natürlich gibt es einen Gegensatz Soldaten und Beamte. Aber, lieber Herr Kollege Schmidt, wenn Sie davon sprechen, daß Intrigen, bürokratische Stellungskämpfe usw. im Ministerium stattfänden: sagen Sie mir eine menschliche Institution, sagen Sie mir eine politische Partei — und behaupten Sie es ja nicht von der Ihren —, sagen Sie mir eine Vereinigung, sagen Sie mir eine wirtschaftliche Gemeinschaft, in der es nicht Menschliches und Allzumenschliches gibt,
in der nicht gekungelt, in der nicht gerungen wird.— Aber es ist ja gar nicht so wie seinerzeit an derSüdtirolfront am Col di Lana, daß in unterirdischenMinenstellungen da die Beamten und dort die Soldaten liegen. — Das gleiche gibt es auch zwischen den Beamten und zwischen den Soldaten.
Sie sind doch Innensenator gewesen. Wenn das in Ihrer Verwaltung nicht der Fall war, dann wird Ihre Verwaltung nachträglich zu einer Genossenschaft von Engeln erklärt.
Ich habe noch keine solche Verwaltung gesehen.Es ist auch nicht die Frage der demokratischen Zuverlässigkeit zur Diskussion gestellt, weder bei den Soldaten noch bei den Beamten. Man kann ruhig sagen, die alten Offiziere haben umgelernt, und die neuen sind mit diesem Staat und seiner soziologischen, politischen, psychologischen Wirklichkeit aufgewachsen.Was ist denn das Problem? Sie haben es ja heute angesprochen. Vielleicht kann ich es noch eine Nuance deutlicher sagen: Das Problem ist, daß Verantwortung und Vollmachten sich entsprechen müssen — das ist das eine — und daß die hohe Kunst der in Amerika, aber auch in England und anderswo entwickelten Teamarbeit bei uns mit unseren ganz anderen traditionellen, geistigen und geschichtlichen Grundlagen leider noch nicht in dem notwendigen Maße erlernt wurde.
Also Verantwortung und Vollmachten, klare Befehlsstränge, aber auch die Zusammenarbeit!Ich scheue mich nicht, zu sagen, daß sich auch die Militärs von überkommenen Vorstellungen lösen müssen. Dazu gehört, daß die Technik mindestens gleichrangig gegenüber der Taktik in Ausführung des strategischen Auftrages beherrscht und in ihren Möglichkeiten und Grenzen bewältigt werden muß. Es ist nicht mehr die Höhe 305, von deren Einnahme oder deren Verteidigung heute etwa die Erfüllung eines operativen oder strategischen Auftrages abhängt; es ist die Leistungsfähigkeit des technischen Apparates, seine sachgemäße Behandlung, die
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StraußKenntnis seiner Grenzen, damit seine zweckmäßige Verwendung, entsprechende Instandhaltung, Instandsetzung und Versorgung.Und wenn hier die Bundeswehrverwaltung angesprochen worden ist, der Beamte in der Truppe: nun, ich teile hier nicht in vollem Umfange die Auffassung, die heute vom Bundesminister der Verteidigung eingenommen wurde. Aber darüber kann man sich unterhalten, darüber kann man sehr verschiedene Meinungen vertreten. Man kann seine Meinung auch ändern, ohne deshalb charakterlos zu sein. Aber, Herr Kollege Schmidt, nur die Kürze der Zeit erlaubt es mir nicht mehr, hier im Wortlaut das zu verlesen, was früher von Herrn Erler und von Ihnen
im Zusammenhang mit der Schaffung von Vollmachten gegen die Soldaten und für eine extensive zivile Besetzung sowohl der Bundeswehrverwaltung wie überhaupt der gesamten Verteidigungszuständigkeit gesagt worden ist.
— Am 4. Mai 1956 Helmut Schmidt:Wir halten es für gut, daß man der Versuchung widerstanden hat, einen militärischen Spitzenmann innerhalb des Ministeriums zu schaffen, eben gerade wegen der Erfahrungen mit Seeckt und wegen der Erfahrungen mit der Reichswehr.
Hier konzediere ich Ihnen sehr wohl, daß das damals eine Haltung war, die man nicht heute nachträglich schlechthin verdammen kann. Aber wenn Sie heute anderer Meinung sind, Herr Kollege Schmidt, dann ist jedenfalls bis jetzt von Ihrer Seite aus — ich meine „Ihrer" nicht im Singular, sondern im Plural — noch nicht die geringste Hilfestellung geleistet worden, wenn man versucht hat, gewisse Dinge zu ändern. Im Gegenteil, die alten Vorbehalte tauchen immer wieder auf: Herrschaft der Generale, Herrschaft der Militärs. Ich gebe zu, daß sich auch bei Ihnen der eine oder andere in exponierter Position befindet; aber Sie können damit noch lange nicht behaupten, daß die Dinge schon so weit gediehen seien, wie Sie es hier gern darstellen würden.Ich zitiere den Kollegen Erler vom 15. Juni 1955: Er beklagt nicht nur, daß in der Bundeswehr die Soldaten zuviel Vollmachten bekommen; er beklagt, daß es zu viele zivile Bundeswehrdienststellen gibt, und fordert, daß mehr Verteidigungskompetenzen bei zivilen Dienststellen außerhalb des Verteidigungsapparates liegen müßten, z. B. das ganze Wehrerfassungs- und Wehrersatzwesen.Beim Verwaltungsaufbau, — sagt er —der in dieser Vorlage plötzlich in manchen Einzelheiten geschildert wird, weicht man doch erheblich von allem ab, was bisher darüber von der Regierung verlautete. Bisher hat es doch geheißen: möglichst wenig Wehrmachtsdienststellen, möglichst viel im Bereich des Zivilen. Jetzt müssen wir dem Wortlaut des Anforderungsplans beim Nachtragshaushalt entnehmen, daß eine umfassende Bundeswehrverwaltung geplant ist. Es ist die Rede von Wehrbereichsverwaltungen, Bereichsgebührnisstellen, Standortverwaltungen und Wehrersatzämtern für Bereiche, Bezirke, Kreise, Aufstellungsgruppen, Annahmestellen, einem technischen, einem zentralen Beschaffungsamt. Das Letztere ist weniger schlimm. Aber dann ist zur Abwechslung wieder einmal die Rede von militärischen Bischofsämtern. Das nur zur Vervollständigung der Skala. Was die Länder, Bundesrat und uns besonders unruhig gemacht hat, das ist diese ganze Skala von Wehrersatzämtern, von den Kreisen bis hinauf zur Zentrale,womit klar wird, daß dieser ganze Bereich praktisch in die militärische und nicht in die zivile Ordnung einbezogen wird, auch wenn die Beteiligten Zivilisten sind.
Also selbst der zivile Beamte innerhalb des Bundeswehrapparats darf nicht zuviele Vollmachten kriegen, geschweige denn der Soldat!Und dann, Herr Kollege Schmidt, haben Sie sich bei Ihrer gründlichen Kenntnis der amerikanischen Literatur dazu geäußert; das war am 4. Mai 1956:Es wird wahrscheinlich noch Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit geben. Ein großer Teil der früheren wie der heutigen Offiziere und Soldaten möchte gern in Anlehnung an alte Traditionen und Vorstellungen so eine Art Oberbefehlshaber haben. Sie brauchen eben einen Ersatz für den früheren Obersten Kriegsherrn in Uniform. Es mag in bezug auf diese Tendenzen, die durchaus virulent sind und die man bei allen Gesprächen ständig spürt, gerechtfertigt sein, die Stimme eines früheren amerikanischen Heeresminister zu zitieren, Mr. Gordon Gray,— jetzt kommt ein Zitat —daß ein Minister, der seine Befehlsgewalt auf den Stabschef überträgt, die politischen Kontrollen verletzt.Dann fahren Sie fort:Das ist genau die Situation der Weimarer Konstruktion, genau das Urteil, dem wir uns heute, glaube ich, anschließen würden. Die Schaffung eines militärischen Oberbefehlshabers innerhalb des Ministeriums, sei es selbst in der formalen Stellung eines Stabschefs der Bundeswehr, mit bloß vom Minister abgeleiteten Weisungsbefugnissen an die übrigen militärischen Abteilungsleiter, könnte bedenklich nahe an das herankommen, was man im Ausland die passive Auffassung von der zivilen Leitung der Wehrmacht nennt.
Und dann reiten Sie eine glühende Attacke für eineaktive Auffassung von der zivilen Leitung der Wehrmacht, bei der eben der zivile Minister — und nicht
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2846 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Straußirgendein Soldat — und mit dem Minister naturgemäß seine auch zivile Apparatur einen großen Teilder Befugnisse und Vollmachten in ihrer Hand haben.Aber ich will damit durchaus eines einschließen und am Schluß meiner Ausführungen etwas zur Stellung des Beamten in der heutigen Verwaltung und vor allen Dingen in seiner Konfrontation mit dem Soldaten und dem Techniker sagen. Ich glaube, daß es hierzu eine Äußerung gibt, deren Zitierung sogar besser ist als eine Selbstproduktion auf diesem Gebiet. Das ist eine Äußerung, die ein ausgeschiedener hoher Beamter eines Bundesministeriums vor einigen Jahren in der Zeitschrift „Öffentliche Verwaltung" geschrieben hat. Er spricht dort davon, daß sich die heutigen technischen Aufgaben, die sich in der Verwaltung ergeben, mit den bisherigen Bildungsgrundlagen und Ausbildungsmethoden der meisten Verwaltungsbeamten nicht mehr lösen lassen. Eine der Hauptursachen für diese gefährliche Diskrepanz sieht dieser Beamte darin, daß die formaljuristische Dogmatik mit der modernen Lebensentwicklung nicht Schritt hält. Nur Böswillige sagten, wir könnten den Wert juristischer Ordnungsmaßstäbe unterschätzen, die juristisch vorgebildete Verwaltungsbeamte für die Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten mitbringen.Wörtliches Zitat:Dort kann es eintreten, daß die vorrangigen, lebenswichtigen Aufgaben im Bewußtsein der Träger dieser Verwaltung nicht immer dem primären Staatszweck dienen.Und Staatszweck ist hier mutatis mutandis auch der Aufbau und der Unterhalt der Bundeswehr.Die eigene, mit der Staatsverwaltung als identisch angesehene Existenz wird wichtiger als die Aufgabe. Hierdurch kann es geschehen, daß das Examen, das zur Bekleidung öffentlicher Ämter berechtigt, verabsolutiert wird und dieses Bewußtsein eines gesicherten Standes, das zum Ethos eines Berufs wird, zu einer Umkehrung des Verwaltungszwecks führt. Nicht die zu meisternden Aufgaben bestimmen dann die Qualifikation, sondern in der vorgeschriebenen Ausbildung als solcher wird die Gewährleistung für das Amt gesehen, — als ob die Verwaltungsprobleme, also die Lebensprobleme in öffentlicher Sicht, sich in einer Art automatischer Perzeption von selbst lösen. Zwar spricht die Güte der Ausbildung zum Gerichts- oder Regierungsassessor für sich selbst. Hierdurch wird ein Höchstmaß an Kontinuität in der inneren Verwaltungsführung gesichert. Ob aber die Denkordnung des Juristen in der modernen industriellen Gesellschaft das alleingültige Maß— so heißt es hier —für die Bewertung der Lebensprobleme, soweit diese einer öffentlichen Regulation bedürfen, ist, kann nicht ohne weiteres bejaht werden, nämlich dann nicht, wenn die der objektivenRechtsetzung innewohnende Statik das Denken hier weitgehend bestimmt.Diese Gedankengänge, die nichts mit irgendwelchen Vorbehalten, Ressentiments oder abergläubischen Vorstellungen zu tun haben, sollte man für die Umgestaltung der gesamten öffentlichen Verwaltung und gerade auch für die Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Beamten ernst nehmen.
Es gibt auch, ich muß es sagen, eine Militärbürokratie. Es ist auch nicht so, daß die Soldaten etwa alle einer Meinung sind und sie geschlossen gegenüber den Beamten vertreten. Audi hier gab es zahlreiche Verzögerungen, zum Teil auch Fehlentscheidungen, die von militärischer Seite her bestimmt worden sind.
- Tagesordnungspunkt 2 betrifft die Vorgänge im Verteidigungsministerium, und ich bin der Meinung, daß nicht eine punktuelle Betrachtung einer einzelnen Äußerung, sondern der Zusammenhang der Dinge der Würde dieses Hauses und einer angemessenen Wehrdebatte entspricht.
Ich hoffe, daß Herr von Hassel die Organisation auch unter dem Gesichtspunkt überprüfen wird, ob sie nicht zu groß ist für das, was an Truppe vorhanden ist. Zum Beispiel müssen junge Hauptleute nicht nach der Generalstabslaufbahn schielen. Sie sollen in der Truppe bleiben und trotzdem Aufstiegsmöglichkeiten haben. Aber das Problem der Generalstabsoffiziere überhaupt spielt eine Rolle. Ich meine die Frage, ob wir die Verhältnisse in Deutschland nicht den Verhältnissen in allen anderen ausländischen, zumindest NATO-Armeen angleichen sollen. Höhere Offiziere mit Generalstabsausbildung und all den anderen Kursen, Stabsakademien usw. haben ja heute insgesamt eine fast achtjährige Schulausbildungszeit und werden während der Zeit dem Truppendienst und der Truppenpraxis entzogen. Die Ausbildung geht dann zu Lasten der Truppe. Wichtig wäre allerdings, alle Offiziere und gerade die höheren und höchsten Offiziere in Führungsstellen einem Kursus zu unterziehen, in dem sie wenigstens ein modernes technisches Hochleistungssystem bis zur völligen Beherrschung kennenlernen sollen.
Hier ist auch eine Überprüfung der GGO notwendig. Hier sollen auch mal Regierung und Parlament Farbe bekennen, ob man bereit ist, für den Einsatzfall, ich sage: in Schaffung der notwendigen Instanzen der Gerichtsbarkeit, frei von überkommenen Vorstellungen und Belastungen das zu tun, was in allen Ländern der Welt da ist, aber bei uns gerade wegen dieser Vorbehalte bisher immer wieder in Anläufen gescheitert ist.
Ein letztes Wort dazu! Wir brauchen für die Bewältigung moderner Hochleistungssysteme horizontale Zuständigkeitssysteme, weil wir mit den verti-
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Straußkalen nicht mehr auskommen. Die vertikalen Zuständigkeitssysteme in der reinen Linienführung von oben nach unten und in der freiwilligen oder auch nicht freiwilligen Koordinierung von einer Stelle zur anderen ermöglichen es heute nicht mehr, in so kurzer Zeit Instandhaltung, Instandsetzung, volle Betriebssicherheit und Versorgung zu gewährleisten. Deshalb müssen horizontale Systeme, mit strenger Koordinierung allerdings, damit nicht divergierende Entwicklungen daraufhin eintreten, geschaffen werden. Diese Entscheidungen müssen rasch getroffen werden.Schließlich wird auch der Soldat — neben der Stellung in Staat und Gesellschaft, neben dem Gleichklang von Vollmachten und Verantwortung — immer nach einem fragen, nach dem strategischen Auftrag, dem Ziel, dem er dient. Das ist nicht mehr Aufgabe dieser Debatte. Das wird zum großen Teil Aufgabe der Debatte des nächsten Freitag sein, in der im Zusammenhang Sicherheit und Abrüstung gleichzeitig behandelt werden. Aber hüten wir uns davor, das Problem Soldat und Nation, Nation und Bündnis, Bündnis und Strategie, Strategie und atomare Waffen unterzubewerten! Ein Soldat muß wissen, daß er mit seiner Pflichterfüllung seiner Nation dient, auch wenn sie europäisch-atlantisch eingeordnet ist. Er muß wissen, daß das Bündnis dieser Nation dient. Er muß wissen, daß die Strategie des Bündnisses den Aufgaben und Lebenssicherheiten und -notwendigkeiten seiner Nation gerecht wird. Und er muß wissen, daß sein Auftrag einen Sinn hat. Wenn wir das gemeinsam erarbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Hause, im Verteidigungsausschuß, mit möglichst wenig Lärm nach außen, mit möglichst viel Geschlossenheit und Zielbezogenheit nach innen, dann war diese Debatte heute eine der großen Stunden dieses Parlaments.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz .Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen die Gedanken der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei zu dem vorliegenden Problem vorzutragen und möchte damit beginnen, daß ich das aufnehme, was Herr Kollege Strauß am Anfang seiner Rede gesagt hat. Auch wir sind der Meinung, daß diese Debatte heute zur Unzeit stattfindet, und zwar aus folgenden Gründen.Der Verteidigungsausschuß hat sich als Ausschuß dieses Bundestages, der nach der Verfassung besondere Rechte und Pflichten gegenüber der Bundeswehr hat, mit den Fragen, die heute hier zur Debatte stehen, schon seit dem 1. September befaßt. Wir haben uns mit den Problemen auseinandergesetzt und haben eine Reihe von Berichten des Bundesverteidigungsministers und der zurückgetretenen Generale gehört. Wir sind dann dazu gekommen, das auszuwerten, was uns gesagt worden ist.Der linken Seite dieses Hauses ging das anscheinend zu langsam. Man hat von dort aus gesagt, der Verteidigungsausschuß würde nach der Art von Kriminalobersekretären mit diesen sehr wichtigen Problemen umgehen.
Ich weiß nicht, ob das eine Abwertung der Kriminalobersekretäre oder der Mitglieder des Verteidigungsausschusses sein soll. Daraus ist zu erkennen, daß vielleicht nicht allein die Probleme, die im Raume stehen, angepackt werden sollen, sondern daß mit dieser Debatte auch andere Ziele verfolgt werden.Die Debatte findet auch deswegen zur Unzeit statt, weil die neuernannten Inspekteure und der Generalinspekteur ihre Arbeit erst vor kurzem aufgenommen haben. Schließlich zeichnen sich organisatorische Änderungen im Ministerium für Verteidigung ab, deren Wirkung sich allerdings noch nicht zeigen kann.Es wird sich auch erweisen, ob die Äußerungen, die Herr Kollege Schmidt heute bezüglich des Berichtes getan hat, den Herr Panitzki im Ausschuß gegeben hat, unter allen Umständen aufrechterhalten werden können. Wir haben uns ja mit diesem Problemkreis bisher im Ausschuß noch gar nicht beschäftigt.
Ich habe durchaus Verständnis für das Bemühen der Opposition, die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Ich darf aber gleichzeitig um das Verständnis der Opposition bitten, daß wir einem Antrag, wie er hier gestellt worden ist, unsere Zustimmung aus den soeben geäußerten Gründen nicht werden geben können.Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob das Objekt, das Thema Verteidigungspolitik schlechthin, für eine solche Debatte mit einer solchen Zielrichtung geeignet ist. Die Probleme sind, wie beide Redner vor mir gesagt haben, nur gemeinsam zu lösen.Wir müssen alle beklagen, daß der Aufbau der Bundeswehr unter den sehr harten Auseinandersetzungen — insbesondere der Christlichen Demokraten und der Sozialdemokraten — stattgefunden hat. Wie schwierig die Probleme sind, ergibt sich daraus, wie lange Zeit die Wehrgesetzgebung benötigt hat, die von manchen hier im Hause und auch von uns als überholungsbedürftig bezeichnet wird. Ein wesentliches Element dieses Gesetzeswerkes, nämlich das Organisationsgesetz, das nach § 66 des Soldatengesetzes vorzulegen ist, hat damals in der Tat gar nicht mehr verabschiedet werden können. Daß man sich über die Probleme, die in einem solchen Gesetz stehen, nicht rechtzeitig unterhalten hat, scheint mir auch ein Grund für die Schwierigkeiten der Bundeswehr und für die Schwierigkeiten, in denen auch wir als Parlament uns befinden, zu sein.In diesen Dingen ist kein Parforceritt möglich, weil ja nicht nur materielle Fragen im Spiele sind, sondern weil hier Fragen geklärt und entschieden werden müssen, die weit in die persönliche Sphäre
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Schultz
des einzelnen eingreifen. Es dreht sich um die Bezahlung der Soldaten; es dreht sich um die Einordnung der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft — darüber ist eben genügend gesagt worden es dreht sich um die Einschränkung der Grundrechte; es dreht sich aber wiederum auch um den Schutz der den Soldaten verbliebenen Rechte; und es dreht sich letzten Endes um die Form, wie Lob und Tadel in der Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der Disziplin ausgesprochen werden sollten.Wir sind der Auffassung, daß der Rücktritt der Generäle blitzartig die internen Schwierigkeiten aufgezeigt hat, in der das Aufbauwerk — genannt „Bundeswehr" — steht und gestanden hat. Ich möchte ganz ehrlich sagen — wir wollen uns doch nichts vormachen —: mancher auch unter uns, der bisher nur wenig von den Dingen gehört hat und der gesagt hat, es werde schon alles so richtig sein, hat erkennen müssen, daß das Parlament hier eine Kontrollaufgabe hat und daß sich alle mit diesen Problemen beschäftigen müssen.
Ich glaube, man sollte das Wort „Krise in der Bundeswehr" nicht überbewerten, was das Wort „Krise" betrifft. Es ist wohl nur ein vereinfachter Sprachgebrauch, um einen Zustand darzustellen. Die Art, wie der Ablauf der Beratungen und die Neuernennung der Inspekteure bisher vor sich gegangen sind, hat gezeigt, daß sich diese Krise in der Tat nur in der oberen Spitze abspielt, daß aber die Truppe und auch die Verwaltung im mittleren und unteren Bereich davon unberührt geblieben sind.Auf der anderen Seite meine ich, daß der erste Eindruck, den die Abgeordneten des Verteidigungsausschusses am 1. September gewonnen haben und der draußen so kommentiert wurde, die Abgeordneten hätten sich erschreckt und bestürzt gezeigt, natürlich auch heute noch vorhanden ist. Daraus ergibt sich aber die besondere Verpflichtung, die notwendigen Konsequenzen so bald und so schnell wie möglich zu ziehen.
— Darüber, lieber Herr Kollege Berkhan werden wir noch zu gegebener Zeit die entsprechenden Ausführungen machen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? — Bitte, Herr Abgeordneter Berkhan!
Herr Kollege Schultz, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht mehr der Meinung sind, der Minister Mende solle das Verteidigungsministerium übernehmen?Schultz (FDP) : Darüber jetzt hier zu sprechen, lieber Kollege Berkhan, würde den Rahmen des Themas, das wir abzuhandeln haben, weit sprengen. Im übrigen habe ich dazu schon in meinen Einleitungsworten quasi eine Antwort gegeben.Ich glaube, daß die Ursache der zutage getretenen Spannungen nicht rein persönliche Rivalitäten innerhalb der Spitze des Hauses, innerhalb der oberen Ministerial- oder Militärbürokratie gewesen sind, sondern daß sich hier auch das Ringen um die beste Durchführung des Auftrags ausdrückt, wo natürlich jeder seine Position und seine Ansichten entsprechend verteidigt. Vielleicht ist dabei zu sehr in juristischen Kategorien gedacht und zu wenig die sachliche Notwendigkeit erkannt worden. Insofern bringt natürlich das Postulat, das Minister von Hassel heute aufgestellt hat, etwas Neues. Er hat gesagt: Wer Verantwortung für die Einsatzbereitschaft hochgezüchteter Waffensysteme tragt, muß auch Entscheidungsbefugnisse haben, die der Verantwortung entsprechen. Das ist natürlich eine neue Erkenntnis, die bisher zumindest im Verteidigungsministerium nicht zu finden war.
Ich sage ganz offen, daß ich Zweifel habe, ob es ohne den demonstrativen Schritt des Rücktritts zweier Generale zu dieser Erkenntnis gekommen wäre,
und zwar nicht nur im Ministerium, sondern auch in diesem Hohen Hause. Im Hohen Hause gibt es weite Kreise, die meinen, man sollte der militärischen Führung nicht allzu viel Macht einräumen. Ich will nicht wiederholen, was vorhin dazu gesagt worden ist.Es ist auch zu berücksichtigen, daß der amtierende Verteidigungsminister eine schwere Erbschaft übernommen hat.
Wir Freien Demokraten sind immer der Meinung gewesen, daß der Aufbau der Bundeswehr zu schnell erfolgt ist. Wir haben, auch hier im Hohen Hause, immer gewarnt, allerdings ohne Gehör zu finden.Das Personalfehl, unter dem die Bundeswehr leidet, war schon ab 1960 erkennbar, und Maßnahmen, das zu beheben, sind erst spät eingeleitet worden, erst Ende 1964 und im Jahre 1965. Ich nenne in diesem Zusammenhang z. B. die Einrichtung von Unteroffizierschulen; ich nenne schließlich auch die berühmte Weiterverpflichtungsprämie. Natürlich kann eine Armee nur schlagkräftig sein, wenn das Kapital in die Ausbildung der Ausbilder gesteckt wird. Leider ist in der vergangenen Zeit gerade diese Forderung immer zurückgewiesen worden mit dem Argument, man habe dafür keine Menschen.Hinzu kommt, daß sich das Parlament eigentlich erstmals 1964 mit der internen Situation in der Bundeswehr befaßt hat. Ausgelöst wurde diese Diskussion einmal durch den Bericht des damaligen Wehrbeauftragten Heye und zum anderen durch den Antrag meiner Fraktion zur dritten Lesung des Einzelplans 14 im Haushalt 1964. Insofern ist wohl das Parlament nicht ganz unschuldig an dem, was wir heute feststellen müssen. Wir haben uns zu spät mit den Menschen in der Bundeswehr, gleichgültig, ob Soldat oder Verwaltungsangehöriger, beschäftigt. Wir haben uns zu spät damit beschäftigt, unterSchultz
A) welchen Voraussetzungen eine solche Armee nur arbeiten kann, unter welcher Voraussetzung sie geführt werden kann. Wir haben zuviel und vielleicht zu lange über große Strategie gesprochen. Wir sind uns darüber im klaren — und Kollege Strauß hat das des längeren ausgeführt —, daß der Aufbau der Streitkräfte nach der totalen Umerziehung außerordentlichen Schwierigkeiten begegnet ist. Es hat sich dabei mal wieder das Wort bewahrheitet, daß man in der Politik eben niemals „niemals" sagen sollte. Wir erinnern uns natürlich noch sehr gut daran — und viele der jungen Soldaten erinnern sich auch heute noch daran, weil sie es von ihren Vätern erzählt bekommen haben —, daß Politiker der Bundesrepublik auch den Satz gebraucht haben: „Die Hand soll verdorren, die noch einmal ein Gewehr nimmt" oder ähnliche Dinge.
Da diese Schwierigkeiten bekannt gewesen sind, wäre eine Beschränkung in der Zeitenfolge des Aufbaus notwendig gewesen. Weiter wäre ein gleichmäßiger Aufbau aller zur Verteidigung gehörenden Teile der kämpfenden Truppe und der Versorgung notwendig gewesen.Kollege Strauß hat vorhin darauf hingewiesen, daß eine Forderung der NATO bestanden habe und es sehr schwierig gewesen sei, die Forderung der NATO — erstens was den Zeitbedarf und zweitens, was auch Umfang und Zahl betraf — zurückzuschrauben. Auf der anderen Seite glaube ich aber, darauf) hinweisen zu müssen, daß bei der NATO Militärs die militärischen Forderungen ausgearbeitet haben und daß doch eigentlich mit ihnen hätte geredet werden können, geredet werden müssen; denn gerade Militärs müssen ja wissen, wie lange es dauert, Streitkräfte aufzubauen, wenn vorher nichts da war. Ich meine auch, daß — ganz abgesehen von den Forderungen, die die NATO gestellt hat — die eigene Politik ein Wort hätte sagen müssen. Ich meine nämlich, daß sich der politische Auftrag an die Streitkräfte nicht nach der abstrakten politischen Forderung richten darf, sondern daß sich dieser Auftrag nach den militärischen Möglichkeiten richten muß. Ich kann also nur das verlangen, was durchzuführen ist. Ich möchte sagen: hier gilt ein bißchen auch das Prinzip der Inneren Führung bei der Politik. Der Soldat soll ja auch nur von seinen Untergebenen das verlangen, was dieser in der Lage ist durchzuführen. Das gilt insbesondere auch für die Arbeit im Ministerium.Da ich gerade bei der Inneren Führung bin: Herr Minister von Hassel hat heute früh gesagt, daß über zwei Rücktrittsgesuche entschieden sei — das wissen wir ja —, daß aber über das Entlassungsgesuch von General Pape noch nicht entschieden sei. Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum das bisher noch nicht geschah. Ich möchte aber fragen: Ist es nicht für einen Mann unerträglich, so lange zu warten, bis etwas entschieden wird? Ist es nicht gerade auch notwendig, in diesem Bereich eine Entscheidung zu treffen, um damit auch zu einer Verbesserung des Betriebsklimas beizutragen?Weiter kommt dazu die Frage: Wieso kam es eigentlich zu diesen Spannungen? War das persönliche Gespräch nicht möglich oder hat man von seiten des militärischen Teils der Bundeswehr nicht rechtzeitig den Mund aufgemacht? Verschiedentlich ist darauf hingewiesen worden, daß gerade auch von einem militärischen Führer Zivilcourage verlangt werden muß. Das ist eine harte Forderung, die im Raume steht. Ich glaube, so wie jeder von uns sie im täglichen Leben erfüllen muß, muß sie auch der Soldat erfüllen, vielleicht sogar noch mehr als wir. Es ist zu begrüßen, daß Minister von Hassel die Leistung der Generäle Trettner und Panitzki für den Aufbau der Bundeswehr heute gebührend hervorgehoben und gewürdigt hat. Denn man darf trotz aller Divergenzen, die sich ergeben können, einen Vorgang nie allein sehen, sondern muß ihn im Zusammenhang mit all dem sehen, was vorher gewesen ist. Ich glaube, daß hier in der Tat zu sagen ist, daß beide ihr gerütteltes Maß an Mitarbeit und an guten Gedanken zu dem Gesamtproblem gegeben haben, und daß das hervorzuheben ist.Es wurde in der Öffentlichkeit der Rücktritt der Generäle kritisiert, und die Frage wurde gestellt: „Dürfen die das überhaupt?" Es wurde gesagt: „Die haben doch zu gehorchen", und: „die setzen die Politiker unter Druck." Es lohnt vielleicht, einen Moment auf diese Problematik einzugehen.Ich glaube, die Generäle haben das getan, was der Politiker eigentlich von ihnen verlangt. Sie haben bewiesen, daß der Soldat mitdenken muß, daß er mit Verantwortung tragen muß und daß er, wenn er glaubt, die Verantwortung nicht mehr tragen zu können, auch die Konsequenzen zu ziehen hat. Es ist nicht möglich, Verantwortungsgefühl von anderen zu fordern, wenn man es nicht selber praktiziert. Ich glaube, daß gerade der Rücktritt aus hohen Stellungen, gleichgültig ob in der Bundeswehr oder woanders, ein legitimes Mittel in der Demokratie ist, um klarzustellen, daß man mit dem, was getan wird, nicht einverstanden ist, daß man eine Änderung wünscht.Der Politiker bedarf des fachlichen Urteils des Soldaten, und daraus kommt die Mitverantwortung, die dem Soldaten eigen ist. Er muß die militärischen Notwendigkeiten nüchtern und realistisch vertreten. Allerdings liegt dann die Entscheidung, was zu tun ist, beim Politiker. Es wäre ganz verkehrt — ich sage das nur deswegen, weil das heute oft durcheinandergebracht wird —, die Meinungsäußerung von Soldaten in irgendwelchen Aufgabenbereichen oder in irgendwelchen Richtungen schon als einen Griff nach der politischen Macht zu verstehen. Der Politiker muß Verständnis dafür haben, daß sich der Soldat dafür verantwortlich fühlen muß, daß das militärische Instrument die Schlagkraft besitzt, die es überhaupt erst als Instrument wertvoll macht und die dem Politiker die Möglichkeit gibt, in sein politisches Handeln, in sein politisches Kalkül dieses Instrument auch einzusetzen, d. h., gestützt auf es, bestimmte Dinge zu tun, die notwendig sind.Der Soldat hat also, meine ich, das Recht, Forderungen zu stellen. Man sollte gar nicht so pingelig
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sein und auch das Wort „militärische Forderung" gebrauchen und im Raum stehen lassen. Man kaun das selbstverständlich verbrämen und das „Wünsche", „Bitten", „Überlegungen" oder sonstwie nennen. Aber es ist natürlich eine militärische Forderung, wenn der Soldat bestimmte Wünsche äußert, deren Erfüllung er für notwendig hält, um seine Aufgabe des Führens, des Erziehens und des Ausbildens durchführen zu können. Ich muß Ihnen sagen, mir wären Soldaten, die keine militärischen Forderungen stellen, eigentlich etwas unheimlich. Denn ich würde mir sagen, sie sind nicht in der Lage, ihren Auftrag durchzuführen.So ist selbstverständlich die Forderung nach dem durchgehenden Befehlsstrang vom Generalinspekteur bis zum letzten Soldaten, die General de Maizière in seinem Brief gestellt hat, eine militärische Forderung. Auch die Forderung nach einer personalen und konkreten Führung, anstatt einer anonymen und abstrakten, und letzten Endes auch die Forderung nach stärkerer personeller Mitbestimmung, die Steinhoff zum Ausdruck gebracht hat, sind selbstverständlich militärische Forderungen. Das Primat der Politik wird dadurch nicht angetastet, denn der Politiker muß letzten Endes den Maßstab setzen, was und wie es zu erfüllen ist.Herr Kollege Schmidt hat sich des längeren über die ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt des Ministers ausgesprochen. Das wäre sicher weiter zu vertiefen, es wäre nämlich zu fragen: Wann und wo kann die ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt delegiert werden, ohne daß das politisch schädlich ist? Ich meine nämlich, daß der Soldat in die Lage gesetzt werden muß, verantwortlich zu führen, und daß er das nicht kann, wenn er — wie es bei der jetzigen Konstruktion ist — nicht mehr die Mittel dazu in der Hand hat, wenn er wegen aller Dinge, die in die Technik, in die Wirtschaft, in den Haushalt hineingehen, erst die Mitzeichnung haben muß.Ich habe mich über das Problem als solches in einem Artikel in der „Welt" geäußert und gesagt, daß man sich darüber klar sein muß, daß das Ministerium eine spezielle Aufgabe hat, nämlich die Planung zu erarbeiten und die Weisungen zu geben, daß es aber dann schon bei den Teilstreitkräften beginnt, diese Weisungen und die Planungen in die Tat umzusetzen und daß ihnen deswegen die Möglichkeiten dazu gegeben werden müssen. Der durchgehende Befehlsstrang z. B. ist eine dieser Möglichkeiten. Es ließe sich darüber allerdings noch sehr viel mehr sagen. Insofern, meine ich, war — das ging auch aus den Zitaten hervor, die Kollege Strauß am Ende seiner Rede brachte — natürlich doch eine gewisse Unehrlichkeit am Anfang des Aufbaus der Bundeswehr gestanden. Nicht das praktische Erfordernis war das oberste Ziel der Gesetzgebung, sondern die Einengung des Spielraums der militärischen Seite spielte auch eine wesentliche Rolle. Die Slogans oder Schlagworte aus der damaligen Zeit sollte man ja auch nicht vergessen. Man sollte auch daraus lernen. Ein Schlagwort war ja z. B. auch: „die Generäle sollen nicht über den Zaun grasen können".Lassen Sie mich etwas zu der von Minister von Hassel heute vorgeschlagenen Erweiterung der Befugnisse sagen. Ein personal board bei dem Luftwaffeninspekteur hat nach meiner Auffassung nur dann Sinn, wenn der Inspekteur der Teilstreitkraft seine Auffassung gegenüber der Personalabteilung durchsetzen kann bzw. wenn die Entscheidung über strittige Fälle bei dem Minister und nicht bei der Personalabteilung liegt.Wenn man aber schon so weit geht, wird man sich auch überlegen müssen, ob dann die personale Bewirtschaftung, direkt dem Minister unterstellt, überhaupt noch einen Sinn hat, ob nicht die personale Bewirtschaftung in die Hände der Teilstreitkräfte oder des Bundeswehrführungsstabes gegeben werden muß.
Die eigene Titelverwaltung, die der Luftwaffeninspekteur gefordert hat, bringt natürlich das gleiche Problem. Wenn z. B. die Luftwaffe eine bestimmte Fanganlage haben will, die sie für erprobt und für in Ordnung befindet, und die Abteilung Wirtschaft und Technik sagt: nein: wir wollen noch die eine oder andere erproben — was geschieht dann, wer entscheidet dann? Hier muß man sich mit dem Problem auseinandersetzen, und ich meine, daß die Entscheidung weiter nach unten verlagert werden kann, als sie es augenblicklich ist.Das, was über den Systembeauftragten gesagt worden ist, ist für meine Begriffe ein Kompromiß zwischen den Wünschen des Luftwaffeninspekteurs und der bisherigen Übung der Sonderbeauftragten. Das kann meiner Ansicht nach nur bei einem sehr hohen Maß an Einsicht der Beteiligten funktionieren. Ich hoffe, wie das Kollege Strauß vorhin schon gesagt hat, daß wir an alle Knotenpunkte nur Männer mit einem weiten, umfassenden Überblick und mit einem sehr hohen Maß an Bereitschaft zur Kooperation bekommen.Zunächst einmal möchte ich aber auf Grund der Erfahrung der Vergangenheit hier etwas Skepsis anmelden. Die Ausstattung der Sonderbeauftragten mit besonderen Vollmachten, von der Minister von Hassel gesprochen hat und die in der Abteilungsleitersitzung am 19. November 1965 zugesagt wurde, ist nämlich nie erfolgt. Wenn man solche Ziele setzt, muß man natürlich auch dafür sorgen, daß sie im Hause durchgeführt werden. Man darf dabei auch die Etatisierung nicht vergessen.Es ist sicher richtig, daß nicht die Organisation, sondern der Geist der Zusammenarbeit Leistung und Erfolg bestimmt. Lassen Sie mich deshalb ein Wort zu der allgemeinen Kritik sagen. Es ist gar keine Rede davon, daß die Kritik am - ich möchte sagen — Geist im Verteidigungsministerium umgemünzt werden kann in eine Kritik an der Arbeit der mittleren oder unteren Bundeswehrverwaltung, wie das manchmal dargestellt wird. Wir sind weit entfernt davon — und das gilt nicht nur für uns Freie Demokraten, sondern, wie ich glaube, für alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses und dieses Parlaments —, die Leistung der Beamten, Angestellten und Arbeiter in dem Aufbau der Bundeswehr schmä-
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lern zu wollen. Sie ist sicher ebenso hoch zu bewerten wie die der Soldaten. Es wird anerkannt, daß sich die Arbeit der Verwaltung nur im Rahmen der Gesetze und Verordnungen vollziehen kann. Wo sich diese aber auf der anderen Seite als unpraktisch erweisen, müssen sie geändert werden. Diese Änderung muß nicht unbedingt immer nur vom Parlament forciert werden; wir sind sehr glücklich, wenn wir dazu auch von der Regierung Änderungsvorschläge bekommen.
Es ist sicher, daß zivile Referenten in dem Ministerium genauso wie Behördenleiter militärischer Prägung errungene Rechte hartnäckig gegen jede Minderung verteidigen, und sie haben sicher keine unlauteren Motive dabei, sondern sind von der Notwendigkeit dessen, was sie vertreten, durchaus überzeugt. Die politische Führung muß, so meine ich, hier das richtige Maß setzen. Das gilt zunächst einmal für die politische Führung im Ministerium, selbstverständlich aber auch für die politische Kontrolle durch dieses Parlament. Ich glaube, daß das Parlament bereit ist, hier neue Wege zu gehen.Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Wort zu dem dritten Komplex des Unbehagens sagen, den der Minister angesprochen hat, nämlich zu der Frage: Wie muß der Auftrag für die Bundeswehr lauten? Die Situation der NATO ist durch das Ausscheiden Frankreichs aus der Integration verändert. Eine Verminderung der Rhein-Armee ist möglich. Man muß sich ebenso mit dem Gedanken vertraut machen, daß eine Verminderung der Stärke der US-Truppen möglich ist. Ich meine, daß diese Veränderungen bei der langfristigen Planung, die, wie wir hören, im Bundesverteidigungsministerium seit einiger Zeit angelaufen ist, auch ihre Berücksichtigung finden müssen. Man wird sich überlegen müssen, ob und welche neuen Aufgaben dadurch eventuell auf uns zukommen, ob und wie die Bundeswehr anders gegliedert werden muß und welche finanziellen und wirtschaftlichen Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden.Mir scheint also, daß der geistige deutsche Beitrag zur Konzeption der NATO wichtiger als je ist und daß wir die Zurückhaltung, die wir lange Jahre in dieser Richtung betrieben haben, heute werden aufgeben müssen, da sie nicht mehr angebracht ist, wenn sie je angebracht war.Mir scheint, daß der Schwerpunkt für den Beitrag der Bundesrepublik zum Bündnis bei der konventionellen Rüstung liegen muß, daß innerhalb der Streitkräfte wiederum der Schwerpunkt beim Heer liegt und daß Luftwaffe und Marine wichtige Unterstützungswaffen für das Heer sind.Ich meine auch, daß die Territorialverteidigung eine Bedeutung über ihren bisherigen Auftrag weit hinaus bekommt, der ja nur lautete, die Operationsfreiheit der Streitkräfte sicherzustellen. Ich meine, sie muß einen Kampfauftrag erhalten und damit entsprechend ausgebildet und gegliedert werden; sie muß Aufgaben übernehmen, die jetzt noch den der NATO assignierten, ständigen Truppen aufgebürdet sind. Ich meine, daß diese Überlegungen angestellt werden müssen und daß Umgliederungen, wenn sie notwendig werden, auch im Rahmen des bestehenden Gefüges durchgeführt werden können und daß dafür keine zusätzlichen Geldmittel benötigt werden.Lassen Sie mich dabei auch ein Wort zur Frage der allgemeinen Wehrpflicht sagen. Ich bin bis heute noch der Meinung, daß die allgemeine Wehrpflicht in unserer Situation, in unserer geographischen Lage, in dem Grad, in dem wir einer möglichen Konfrontation ausgesetzt sind, notwendig ist und daß wir nicht das Beispiel Großbritanniens nachahmen können. Ich möchte also der These, die Herr Minister von Hassel in seiner Rede heute früh dazu gebracht hat, ausdrücklich zustimmen. Gerade die Unwahrscheinlichkeit eines Überraschungsangriffs oder eines plötzlichen großen Krieges kann die größere Wahrscheinlichkeit kleinerer Konflikte bringen. Wir müssen uns also auf Spannungszeiten einrichten und müssen die Möglichkeit haben, Spannungszeiten auch auszunutzen. Wir werden also, wenn man überhaupt an die Auseinandersetzung denkt, Reserven mobilisieren müssen. Eine Reservenbildung ist aber nur bei einer allgemeinen Wehrpflicht möglich. Ich glaube, ein reines Berufsheer, wie es z. B. auch der frühere Wehrbeauftragte Heye gefordert hat, engt den Spielraum, in dem Krisen gemeistert werden können, sehr ein, und mir scheint nicht, daß das politisch erwünscht sein kann.Es ist eine ganz andere Frage, ob die Bundeswehr ihre geplante Endstärke von 500 000 Mann ständig unter Waffen haben muß. Uns ist das Fehl an Offizieren und Unteroffizieren bekannt. Die bisherigen Maßnahmen reichen zur Milderung dieses Fehls nicht aus. Ich möchte also die Frage stellen, was wir tun wollen, um dieses Fehl zu mildern. Ich möchte wiederum fragen, was wir schon 1964 gefragt haben: Ist es nicht notwendig, Verbände zusammenzulegen, um damit eine bessere Ausbildung und eine Hebung der Kampfkraft zu gewährleisten und gleichzeitig die notwendigen längerdienenden Spezialisten zu gewinnen? Unser Antrag von 1964 ist in dieser Richtung nicht berücksichtigt worden. Aber ich meine, er hat an Aktualität nicht verloren. Wir wünschen jedenfalls, daß die Planung für die Zukunft auf das Fehl an Personal Rücksicht nimmt und vermeidet, daß Ziele angesteuert werden, die beim besten Willen nicht erreicht werden können, die möglicherweise später, wenn das Fehl einmal überwunden sein sollte, angesteuert werden können, wenn es notwendig wäre. Ich glaube allerdings, daß dieses Problem des Auftrages der Bundeswehr hier heute nur angerissen werden konnte und seine Vertiefung in den Ausschüssen notwendig ist. Dabei meine ich nicht nur den Verteidigungsausschuß, sondern insbesondere auch den Außenpolitischen Ausschuß. Ich meine, daß unsere Verteidigungspolitik sowohl nach innen wie nach außen unter dem übergeordneten Ziel stehen muß, die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten, sie zu wahren, aber die Entwicklung freizuhalten für ein ganzes Deutschland.
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
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2852 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zeitpunkt dieser Debatte, von der einer meiner verehrten Vorredner gesagt hat, ihr Verlauf habe gezeigt, daß sie besser erst nach Abschluß der Beratungen im Verteidigungsausschuß abgehalten worden wäre, ist von uns mit Bedacht gewählt worden. Nicht, weil wir damit die weitere Prüfung und Erörterung der Umstände, der Einzelheiten und der viel Sachkenntnis erfordernden Fragen, die im Verteidigungsausschuß stattfindet, unterbrechen oder abbrechen oder eine Bewertung dessen, was man dort gefunden hat, vornehmen wollten. Das alles wird weitergehen. Uns ging es und geht es bei dieser Debatte um den Kern der krisenhaften Vorgänge im Bundesministerium der Verteidigung. Insofern teile ich die Auffassung des Herrn Kollegen Strauß nicht, daß diese Debatte die Frage bestärkt habe, ob es richtig war, sie vor dem Abschluß jener Untersuchungen durchzuführen. Ich will mich gar nicht weiter darüber erhitzen, daß sich der Bundesminister der Verteidigung in allen möglichen Pressekonferenzen und in anderen Äußerungen und Vorträgen an dritter Stelle auf seine Weise zu den Dingen äußert; ein Grund mehr, die Sache hierher zu bringen.Die Art, wie diese Debatte bisher geführt worden ist — ich hoffe, so wird sie auch. weiter geführt, wenn sie weiter geführt werden muß —, zeigt doch wohl eines: daß man hier unterscheiden kann zwischen dem, was dieses Hauses Sache ist, und dem, was außerdem noch dazu und zunächst einmal speziell geprüft werden muß.Jedenfalls habe ich den Eindruck, daß der Herr Bundesminister der Verteidigung selber in seinen Ausführungen an diesem Kern vorbeigesprochen hat. Er hat eine Rede gehalten, bei der ich jedenfalls lange Passagen hindurch den Eindruck hatte, es handele sich eigentlich darum, hier Maximen zu verkünden und zu unterstreichen, und nicht um den Kern der Krise. Er hat — ich will das nicht vertiefen, hier ist schon wiederholt darauf eingegangen worden im Zusammenhang mit Briefwechseln, über die dann einiges hinterher von meinem Kollegen Schmidt hat gesagt werden müssen — doch wohl den Eindruck gemacht, jedenfalls auf unsere Seite, daß es eine Art Verteidigungsrede war und nicht die Rede des politisch verantwortlichen Verteidigungsministers. Wir wollten eine solche Rede des politisch verantwortlichen Verteidigungsministers hören. Dort, wo es sich um das handelt, was hier wiederholt und von verschiedenen Ausgangspunkten her über das Unbehagen in der Truppe gesagt worden ist — es ist ja genauer umschrieben worden, was man darunter versteht —, hatte ich den Eindruck, daß der Minister geredet hat wie ein Instrukteur, der sozusagen etwas einzubleuen hat. Aber er hätte ja zu erklär e n gehabt. Das wäre im Grunde viel einfacher gewesen, als hier wie ein Instrukteur zu reden. Aber das ist seine Sache; er muß wissen, wie er sich dem Hause bietet.Wenn hier bei der Rede des Sprechers meiner Fraktion, des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Schmidt, dazwischengerufen wurde, er lasse die Sorgfalt, die er fordere, selbst vermissen, dann mußich sagen: Wir sind bis jetzt ohne Antwort auf die doch wohl sehr präzisen Feststellungen geblieben, die Schmidt getroffen hat.
Aber davon abgesehen, die Regierung hat es ja noch in der Hand, sich ihrerseits dazu Punkt für Punkt zu äußern. Wenn sie klug wäre, täte sie es. Aber was weiß ich, was sie für klüger hält. Das ist schon ihre Sache, wir können ihr hier keine Vorschriften machen. Was uns betrifft, so handelt es sich dabei, gleichgültig, wie Sie es in der Sache und im einzelnen bewerten — und ich kann verstehen, daß Ihnen das alles sehr unangenehm ist —, um Recht und Pflicht der parlamentarischen Opposition, zu sagen, was offensichtlich andere entweder nicht sagen können oder nicht sagen wollen, vielleicht auch nicht sagen dürfen. Das ist also deren Sache; wir haben hier unsere Pflicht zu erfüllen und haben es versucht.Bei uns ist — das möchte ich doch noch einmal hervorheben — nicht von irgendeinem abstrakten Problem „politische Kontrolle und Leitung" gesprochen worden, sondern in der Rede des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion ist Ihnen konkret durchleuchtet worden, wie es um dieses Problem der politischen Kontrolle und Leitung in dem schwierigen Gelände der Verteidigung und alles dessen, was dazugehört, bestellt ist, was wir davon zu halten haben und weswegen wir in dieser Situation warnen. Hier sind zehn Feststellungen über Fehlentscheidungen getroffen worden, für die nach unserer Ansicht der Bundesverteidigungsminister in seiner Person die Ursache gewesen ist, und es ist noch die Chance gegeben, sich dazu zu äußern. Ich habe nichts zu wiederholen; ich habe nur zu sagen, daß diese Feststellungen präzis genug waren, um sich ihrer hier Punkt für Punkt anzunehmen.Ich habe abseits von diesen Feststellungen, auf die ich hier noch einmal hingewiesen habe, eine Bemerkung am Rande zu machen, weil sich mein Freund Helmut Schmidt einer Seite der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in Oslo gewidmet hat und weil Herr Strauß in dieser Sache seinerseits als der Opponent von Herrn Schmidt zu recht tiefgründigen Betrachtungen gekommen ist. Beides war ganz interessant. Ich glaube, die Erklärung ist viel einfacher, als beide angenommen haben. Der, um dessen Äußerungen es hier ging, hat auch in dieser Beziehung offenbar geglaubt, diese Gefälligkeit werde dort, wo er sie ausspricht, gut ankommen.
Das ist aber eine Sache, die den Stil unserer Politik betrifft und die also nicht von so tiefgründiger Bedeutung ist.Der Herr Bundesverteidigungsminister hat hier in einer sehr kurzen Replik gesagt, wenn ich ihn richtig verstanden habe — natürlich war er da ein wenig erregt, erregter als die, die es hören durften —, daß Vorwürfe, die hier gegen den Herrn Staatssekretär gerichtet worden seien, nicht gegen den Beamten gerichtet werden dürften und sollten, sondern daß er selbst es sei, an dessen Adresse sie zu richten gewesen seien. Mir scheint hier ein MißverständnisWehnervorzuliegen. Aber das ist vielleicht inzwischen aufgeklärt worden, indem sich der Herr Minister den Text hat geben lassen oder sich darauf hat hinweisen lassen. Genauso war es gesagt. Hier haben wir und hier hat auch unser Sprecher mit aller Distanz über die Rolle und über die Möglichkeiten eines hohen Beamten gesprochen und sogar — Sie werden das nachlesen können; ich muß es nicht wiederholen, weil das ermüdend wäre — deutlich gemacht, was er von ihm als einem gewissenhaften Beamten hält. Aber hier geht es doch darum, daß der Minister es hat geschehen lassen, daß dieser hohe und gewissenhafte Beamte in eine Situation geraten ist, zu der sich inzwischen der Herr Abgeordnete Strauß ja wohl — deutlich hörbar für alle — anders geäußert hat, als sich Herr von Hassel zu dem Problem geäußert hat. Nun gut, das müssen Sie unter sich ausmachen; wir haben hier keinen Pfeffer in die Wunden zu streuen, uns ist nicht danach zumute.Ich verstehe, daß das Ganze für Sie, meine Damen und Herren, schwer ist, politisch schwer und auch menschlich schwer. Politisch, weil Sie es sich selbst schwer machen, indem Sie meinen, es berühre die Ehre, wenn ein Minister von einem anderen abgelöst wird und abgelöst werden muß, und weil Sie, obwohl Sie wissen, daß die Verweigerung der fälligen Konsequenz heute — denn eines Tages tritt sie ja ein — nur ein Aufschieben bedeutet, den Eindruck machen möchten, Sie seien noch Herren der Situation. Das sind Sie aber nicht.
Ich möchte in Abwandlung des berühmt gewordenen Wortes des alten Herrn sagen: Diese Situation ist da.
Ich habe gesagt, Sie haben es auch menschlich schwer. Das ist deshalb so, weil Sie es offensichtlich sehr schwer haben, einer gegebenen Sachlage gerecht zu werden. Das kann man verstehen bei der Rolle, die Sie sich zugeschrieben haben. Sie werden jetzt — nehmen Sie das nicht als eine Prophezeihung, mir tut es sehr leid, daß wir erst dies noch durchmachen müssen — alle zusammen Opfer Ihrer eigenen Vorstellungen über Ihre unveränderliche Rolle im Staatsgefüge. Das steckt politisch dahinter.Weit entfernt davon, Sie darob zu verhöhnen oder verhöhnen zu wollen, frage ich Sie, wann Sie menschlich und politisch die Kraft aufbringen werden, den Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Und ich frage mich selber zweifelnd, in welcher Verfassung dann Sie selbst und unser gemeinsamer Staat sein werden. Das ist das, was uns in der Sache ziemlich plagt.Wenn wir heute den Antrag eingereicht haben, der auf der Tagesordnung steht und der zur Entlassung des Ministers führen soll, so handelt es sich dabei um die Erfüllung einer Pflicht der politischen Opposition. Diese will mit diesem Antrag allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages Gelegenheit zu einer Entscheidung über eine lebenswichtige Regelung geben, — wie lebenswichtig, das haben Sie heute aus den Reden zweier hochqualifizierter Opponenten hier hören können. So lebenswichtig sind die Sachen, wie und von welcher Seite man sie auch sieht. Wir möchten also allen Mitgliedern des Bundestages Gelegenheit zu einer Entscheidung geben. Ich sage dazu: Wir fürchten, daß sonst, wenn Sie dieser Entscheidung aus Gründen, die Sie politisch, vielleicht auch menschlich, für richtig halten mögen, ausweichen, das, was Sie meinen vor sich herschieben zu können, zu einer schleichenden Krise wird, die schließlich erdrückend werden kann. Das ist das, was wir politisch meinen, ohne daß wir Illusionen haben, daß wir Engelszungen hätten, die im Stande wären, Sie unmittelbar von unserer Auffassung zu überzeugen.Ich möchte noch einige Worte zum Plädoyer des Herrn Kollegen Strauß sagen. Ich habe aus ihm mit Interesse gehört, daß Herr Strauß eigentlich den Versuch unterlassen hat, auf Herrn Schmidts Angriffe in der Sache, nämlich auf den Kern der Sache selbst, einzugehen.
Ich will mich darüber nicht boshaft äußern. Es ist natürlich immer heikel, wenn Vorgänger über Nachgänger zu reden haben.
Aber nun zu Herrn Strauß' Bemerkungen selbst einiges. Man wird sie nicht nur mit Interesse gehört haben, sondern auch noch einmal nachlesen. Denn er hat ja eine ziemlich eindrucksvolle Zitatensammlung, von der sicher nur ein Teil hier hat zur Geltung kommen können, weil man sich ja vorher immer mehr vornimmt oder vornehmen läßt, als man nachher verbrauchen kann.
Ich hatte aus der kurzen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört — und das hatte sich bei mir sozusagen festgehakt; ich fand es in dem schriftlichen Text ungefähr so bestätigt —, daß man an die politischen Vorgänge erinnern müsse, die den Prozeß des Aufbaues der Bundeswehr begleitet hätten, daß es aber — das hat er kurz darauf gesagt; die Rede war selber ja nicht sehr lang, sie war bemerkenswert präzise
gar nicht so sehr darauf ankomme, die Vergangenheit zu analysieren, sondern daß es darum gehe, die gegenwärtige Lage richtig zu erkennen. Nun, damit werden Sie selbst fertig, was dann davon richtig ist! Die Frage stellt sich, ob der Herr Strauß die Spanne zwischen diesen beiden Dingen — man müsse die innenpolitischen Schwierigkeiten berücksichtigen, man solle aber nicht soviel analytische Betrachtung der Vergangenheit betreiben —, hat füllen wollen. Daß er sie hat füllen müssen, nun, bei dem Rang, den er sonst einnimmt, braucht man das gar nicht erst zu erwägen.Jedenfalls, Herr Strauß — was Sie sonst noch aus den Auseinandersetzungen im Kopf und auch im Herzen haben —, uns braucht man doch nicht aufzufordern, zu erkennen, daß alle bemüht sein müssen, nicht das zurückkehren zu lassen, was Herr Schmidt und Sie — jeder von seinem Ausgangs-
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2854 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Wehnerpunkt — in bezug auf das Stichwort Weimar angesprochen haben, in bezug auf das Verhältnis Militär und Staat, Militär im Staat, institutionell und sonst. Sie haben auch noch eine Auswahl krauser Stimmen gebracht, sozusagen nachfolgen lassen. In dem Zusammenhang, wenn ich mich nicht irre, haben Sie von der Paralysierung der Entschlußfähigkeit — ich habe es so verstanden — derer gesprochen, die als Soldaten tätig sind, wenn ich Sie nicht ganz falsch verstanden habe. Wir unsererseits sehen aber nicht durch solche Schriften, sondern aus anderen Gründen eine Art Paralysierung der Entschlußfähigkeit bei denen, die wir politisch für den Kern dieser Entwicklung und dieser Krise verantwortlich machen.
Darin unterscheiden wir uns von den übrigen.Bei manchen Ihrer Zitate kommt mir eben das Schmunzeln an, weil ich weiß, was für Ärger wir damit gehabt haben, und weil ich auch weiß, was man getan hat, — nicht um dann zitieren zu können, sondern um das zu überwinden, dessen Ausfluß das war und bei manchem auch noch ist. Da haben wir eben einen anderen „Job", als Sie ihn haben. Wir haben es da etwas schwerer. Um es lapidar zu sagen, habe ich „Job" gesagt. Manchmal ist es sehr schwer.Hier ist doch nicht eine Debatte abzuhalten oder abzuhalten gewesen, und auch im weiteren Verlauf ist es nicht das Thema der Debatte, sich darüber auszusprechen, wer die Bundeswehr mehr schätzt. Das waren harte, schwere politische Auseinandersetzungen, auf die zurückzukommen für mich nicht unmöglich wäre. Nur ändern sie an dem Thema des Tages heute weniger, als Sie, Herr Strauß, glauben, sozusagen annehmen — na, ich weiß nicht, ob Sie es wirklich annehmen —, jedenfalls: erkennbar machen lassen. Das ist durchaus ein Thema, aber es geht an diesem heutigen Thema vorbei.Ich habe noch auf folgendes hinzuweisen, weil Sie einige Zitate einiger heute nicht Anwesender gebracht haben, z. B. meines Freundes Erler, von dem Sie genau wissen, daß in bezug auf Verteidigung und auf die schwere Sache des Aufbaues wohl kaum jemand ernsthaft behaupten und die Behauptung aufrechterhalten möchte, daß er ein Hindernis hinsichtlich der Qualität des Aufbaues gewesen wäre oder ein Hindernis genannt werden könnte.
— Ach, ich bin froh, daß ich Sie mal wieder höre.
— Die Bemerkung war auch keine Frage, sondern eine Behauptung, eine Unterstellung. Sie wissen, daß Sie so Herrn Erler nicht kommen können und mir auch nicht; ganz klarer Fall!
Wir sind doch keine Gladiatoren. Wir haben unsere Schwierigkeiten, alle zusammen, jeder. Aber wir sind doch keine Gladiatoren. Das können Sie doch nicht so machen. Die Preislage stimmt nicht, HerrMajonica; das wissen Sie auch. Ich meine: Respekt vor Ihnen; ich unterstelle Ihnen das gar nicht.Aber nehmen Sie doch unsere Entschließung von 1964; ich will sie hier nicht interpretieren. Darin haben Sie das, was Sie, Herr Strauß, der Sie sie ja auch kennen, nehme ich an, glaubten sozusagen mit der Frage abtun zu können: Was denn, wenn sich inzwischen einiges geändert hätte — worauf ich jetzt nicht mehr eingehe —; warum denn nicht erkennbar geworden sei, was wir vorschlugen! In dieser 1964er Willenserklärung, die ich auch hier habe — wenn es notwendig wäre, könnte man daraus vorlesen —, werden Sie schon aus der Wortwahl und erst recht natürlich aus der thematischen Gliederung ersehen, daß wir uns nicht nur Gedanken gemacht haben, sondern daß das ein Konzept ist, das durchaus zur Lösung der Fragen beitragen kann, für deren Behandlung wir heute gesprochen haben und noch sprechen.
Im übrigen — aber das ist eine Sache, die Sie wieder unter sich selbst auszutragen haben —: Ich habe nur zweimal aus der so interessanten Rede des Herrn Kollegen Strauß gehört, daß er auf den Verteidigungsminister zu sprechen kam: das eine Mal als Bestandteil eines Zitates von François Poncet mit einer Bemerkung, die die von Herrn François Poncet war und die Herr Strauß selbstverständlich gleich absicherte, er komme hier nur damit, um das Zitat vollständig zu bringen.
Das war ja eine kritische Bemerkung.
— Nein. Ich bin ja zur Zeit ein bißchen überfordert, wie Sie wissen. Mir hätte es auch keiner zugetraut. So fleißige Zettelkastenverwalter haben wir leider nicht, wie Sie sie haben.
Ich will Sie nicht mit einer Frage beschweren, denn Sie wissen ja, was da eigentlich ist. Ich meine, wenn der Herr Kollege glaubt, Herrn von Hassel damit geholfen zu haben — er hat ihn ja dann noch einmal erwähnt im Zusammenhang mit jüngeren Hauptleuten, die nicht so, sondern so beschäftigt und befördert werden sollten —, so ist das eine andere Sache; oder vielleicht kam es ihm darauf gar nicht an.Was Ihre Schlußbemerkung über diese Debatte betrifft — wenn ich meinen Teil aussparen darf —, so möchte ich sagen, stimme ich mit Ihnen überein hinsichtlich der Deutlichkeit des Ansprechens der Probleme, leider auf verschiedenen Etagen, Herr Kollege. Sicher, Sie wissen den Kern dieser kritischen Vorgänge, und Sie haben nicht an ihm vorbeigeredet wie der gegenwärtige Bundesverteidigungsminister, sondern Sie haben bewußt und zielstrebig und ihn immer im Auge behaltend, um ihn herumgeredet.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2855
WehnerWir werden Ihnen, meine Damen und Herren, das alles durch einen Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, noch einmal in drei Punkten deutlich machen. Ich will Ihnen zu dieser Stunde ersparen, auf den Text Bezug zu nehmen. Uns kommt es auf das an, was uns beim Einbringen unserer Anträge bewegte.Wir möchten außerdem in aller Deutlichkeit — dagegen werden Sie wohl auch nichts einzuwenden haben — in diesem Zusammenhang allen Angehörigen der Bundeswehr, gleichgültig an welcher Stelle sie stehen, seien sie Soldaten, Beamte, Angestellte und Arbeiter, das Vertrauen ausgesprochen haben, ihnen für Ihre Pflichterfüllung und für ihre unter schwierigen Verhältnissen vollbrachten Leistungen danken und die Gewißheit ausdrücken, „daß die Bundeswehr ... weiterhin in Treue und Gehorsam gegenüber Staat und Grundgesetz die ihr von Bundestag und Bundesregierung gestellten Aufgaben erfüllen werde, unbeschadet der Konsequenz, die Bundestag und Bundeskanzler aus den Vorgängen der letzten Wochen im Bundesministerium der Verteidigung ziehen müssen". Daß sie sie ziehen müssen — wir haben sie mit den ersten beiden Punkten unseres Entschließungsentwurfs genannt —, ist klar, auch wenn Sie meinen, heute hätten Sie die große Aufgabe, sich vor oder neben oder hinter — je nach dem — den Herrn Bundesverteidigungsminister zu stellen.Ich danke für Ihre Geduld.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir von der CDU/CSU wissen, daß wir für unsere Bundeswehr eine besondere Verantwortung tragen. Wir alle tragen sie, aber wir tragen sie in besonderer Weise;
denn, meine Damen und Herren, zuerst haben wir, zusammen mit anderen, aus guten Gründen von unserem Volk die Wehrpflicht und alles, was damit zusammenhängt, gefordert. Wir sehen deshalb, wenn wir hiervon sprechen, auch immer den Weg bis hierher, und die besondere Verantwortung, die er uns auferlegt, nach wie vor vor uns. Wir sehen da nicht nur die Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeiter der Bundeswehr; wir sehen auch die Familien der Wehrpflichtigen; wir sehen unsere Sicherheit und unsere Stellung in der Welt.
Eben darum sind die Probleme, die wir hier heute erörtern, von einem ganz besonderen politischen Rang.Erlauben Sie mir, bevor ich mich zu dem politischen Teil der Reden der Kollegen Wehner und Schmidt äußere, etwas anderes vorweg zu sagen, und ich sage dies in aller Form für die Fraktion der CDU und der CSU.Herr Bundesverteidigungsminister von Hassel hat schnell und gut die personellen Probleme, die sich ergaben, gelöst.
— Meine Damen und Herren von der Opposition, ich nehme nicht an, daß Sie nach den Reden, die Sie hier gehalten haben, durch Ihre Mißfallenskundgebung etwa sagen wollen, daß sie jetzt gegen die personellen Entscheidungen sind, die Herr von Hassel getroffen hat.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang damit — jetzt kommt hier, glaube ich, von Ihnen, Herr Kollege, der Zuruf — sind zugleich auch Sachfragen sichtbar geworden. Wir erwarten hierzu zunächst den Bericht des Verteidigungsausschusses. Ja, wir warten darauf — und Sie, Herr Kollege Berkhan, werden sicherlich hervorragend daran mitwirken. Wir warten weiter auf die Vorlagen der Bundesregierung, die der Herr Bundeskanzler von Herrn von Hassel erbeten hat.Lassen Sie mich hier noch ein Wort sagen, nachdem Herr Kollege Wehner die Rede meines Kollegen Strauß offensichtlich nicht ganz - na, ich will mich vorsichtig ausdrücken — richtig verstanden hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich für unsere Fraktion dieses sagen:Das Amt des Bundesministers der Verteidigung ist eines der schwersten und entsagungsreichsten in unserem Lande überhaupt. Ihm zu helfen ist unser aller Pflicht; und eben dies werden wir auch künftig tun.
Ich bitte die Opposition in aller Form — vielleicht sind dafür, Herr Kollege Wehner, Zettelkästen ganz nützlich —, einmal zu prüfen, ob sie nicht gerade in ihrer Kritik am Bundesminister der Verteidigung seit langer Zeit über das Ziel hinausgeschossen ist.
Kritik muß sein, an jedermann, aber ich meine, daß gerade der Bundesminister der Verteidigung nicht eine besondere Zielscheibe sein sollte nach dem Motto „semper aliquid haeret" und nicht eine Fülle von unberechtigten, unsachlichen und aufgebauschten Behauptungen in die Welt gesetzt werden sollte. Das sollte man ganz sorgfältig prüfen, und ich glaube, das gehört in diese Debatte.Nun, Herr Kollege Wehner und Herr Kollege Schmidt, zu den politischen Punkten — nur zu denen kann ich mich hier äußern — Ihrer beiden Reden. Herr Kollege Wehner, ich habe zwei Punkte notiert. Zunächst haben Sie, wenn ich es recht notiert habe, dargelegt, Herr von Hassel habe nicht den Kern der Krise hier aufgeführt. Erlauben Sie mir, Ihnen dazu freimütig zu sagen: als ich Ihnen sorgsam zuhörte, habe ich vergebens darauf gewartet, Ihren Ausführungen den Kern dessen, was Sie „Krise" nennen, entnehmen zu können.
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2856 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Dr. BarzelZum zweiten, Herr Wehner, haben Sie gesagt, wir wichen einer Entscheidung aus. Nein, Herr Kollege Wehner, hier liegt heute Ihr Antrag vor, und genau darüber wird am Schluß dieser Debatte eine klare Entscheidung getroffen werden. Ich werde dazu am Schluß für die Koalitionsfraktionen noch etwas sagen.Herr Kollege Schmidt, Ihre Rede bedarf sicherlich in so manchen praktischen Punkten der näheren Prüfung. Diese Prüfung gehört in den Ausschuß. Aber ich habe Ihrer Rede kein Argument entnommen, das den hier vorgelegten Entlassungsantrag schlüssig begründen würde.
— Ich habe dem kein Argument entnommen, das diesen Antrag schlüssig begründen würde.
Zum zweiten scheint mir, Herr Kollege Schmidt, daß in Ihrer Rede die Beamten eigentlich ein bißchen zu schlecht weggekommen sind.
Sie werden mir jetzt sicher zustimmen, wenn ich sage: wir halten daran fest, daß in der Bundeswehr Soldaten, Beamten, Angestellte und Arbeiter für den Auftrag, den sie dort haben, miteinander wirken und daß sie alle, ob in Zivil oder in Uniform, unter der Führung und Verantwortung des parlamentarisch verantwortlichen Ministers stehen. So weit so gut, Herr Kollege Schmidt; aber die Beamten scheinen mir zu schlecht weggekommen zu sein.Der dritte Punkt. Sie haben lange Ausführungen zu Fragen gemacht, die im Ausschuß, soweit ich unterrichtet bin, noch nicht oder noch nicht abschließend geklärt sind..
Dies war — erlauben Sie mir, das zu sagen — aus unserer Sicht wenig sachdienlich.
Parlamentarische Kontrolle — ja, ja auch zu all dem, was Sie insoweit dazu gesagt haben, Herr Schmidt. Aber sie wird doch um so besser sein, je sachgerechter, je subtiler, je sorgfältiger sie ist, und eben dies kann doch nur im Ausschuß, der deshalb besondere Rechte bekommen hat, erfolgen. So finde ich, Herr Kollege Schmidt, daß Sie sich ein bißchen in unübersichtlichem Gelände bewegen. Ich finde es nach wie vor nicht gut — auch nach dem, was Kollege Wehner zur Begründung dieses Schritts gesagt hat —, daß das hier debattiert wird, bevor der Ausschuß seine Arbeit abgeschlossen hat. Wir haben erklärt — und das gilt —: alles wird sachgerecht aufgeklärt. Aber eben dies ist nicht aus der hohlen Hand möglich. Nach guter parlamentarischer Tradition gehört die Sache zunächst in den Ausschuß, und dann ist sie im Parlament zu erörtern. Es darf aber nicht das Ergebnis von Ausschüssen vorweggenommen werden. Ich finde, Herr Kollege Schmidt: flüchtige Ausführungen schaden dem Anliegen der parlamentarischen Kontrolle und dem Rang dieses Hauses.
Um darzutun, was eine etwas detailliertere Sicht ist, möchte ich doch Ihren Vorwurf hinsichtlich der Weisungsberechtigung gegenüber der Truppe aufgreifen. Es ist ganz klar: wie immer Sie eine große Behörde, ein Unternehmen, ein Ministerium gliedern, am Schluß gibt es ein paar Aufgliederungen in Referate. Anders ist das gar nicht zu machen, und wenn die Dinge besonders kompliziert sind, gibt es viele Referate. Wofür man sorgen muß so habe ich Sie verstanden, Herr Kollege Schmidt — ist doch, daß hier eine Zusammenordnung erfolgt. Sie haben so getan, als ob Dutzende von Referaten in die Truppe hineinregieren würden.
— Herr Kollege Eschmann, ich freue mich, daß Sie die Zahlen in Erinnerung haben, und ich hoffe, Sie haben sie auch gleich noch in Erinnerung, wenn ich das vortrage, was ich jetzt vorzutragen gedenke.Im Bundesverteidigungsministerium gibt es 196 militärisch besetzte und 147 zivil besetzte Referate. Sie bearbeiten alle in dem Ministerium zu behandelnden und zu lösenden Fachfragen unter Weisung des Ministers. In der Abteilung Unterkunft geben drei Referate Weisungen für die Verwaltung der Baulichkeiten und des Unterkunftsgeräts und für Angelegenheiten des Manöverrechts, die die Truppe kennen muß. Die Arbeit der übrigen 23 Referate endet mit dem Einzug der Soldaten in die Kaserne.Die Abteilung T forscht und entwickelt mit ihren Referaten. Die dort erarbeiteten technischen Grundlagen werden bei der Einführung von Gerät in militärischen Befehlen verwertet.Die Arbeit der Abteilung W führt zu den großen Beschaffungen für die Bundeswehr. Nur für kleine Ersatzteilbeschaffungen, die schon auf Kompanieoder Bataillonsebene möglich sind, erläßt auch sie Regeln, die die Truppe unmittelbar befolgen muß.In der Abteilung „Verwaltung und Recht" hat allein die Tätigkeit der Referate für Verpflegung, Bekleidung und Wehrersatzwesen unmittelbare Funktion gegenüber der Truppe. In den übrigen 30 Referaten wird die Fortentwicklung des Wehrrechts, des Völkerrechts, des Status-, des Besoldungsrechts usw. erarbeitet. Ich könnte hier fortfahren, meine Damen und Herren; nur dies dazu.Ein vierter Punkt aus Ihrer Rede, Herr Kollege Schmidt. Sie haben auf einige Ereignisse vor 10 Jahren hingewiesen. Mein Kollege Strauß hat schon mit Recht gesagt, daß Sie dabei vergessen haben, sich selbst zu zitieren. Es ist nicht nötig, das hier zu wiederholen, mit einer Ausnahme; ich will alle anderen _ Zettel jetzt gleich beiseite legen, Herr. Kollege Wehner, um die Debatte nicht aufzuhalten. Einen Satz, meine ich, sollten wir aber hier noch einmal hören, eine Erklärung des Kollegen Schmidt vom 22. März 1958 in diesem Hause. Er sagte in einer sicher heftigen Debatte mit uns, wenn ich recht sehe, insbesondere an die Adresse des Kollegen Dr. Jaeger:
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2857
Dr. Barzel... wenn Sie vom Abendland reden, meinen Sie die NATO, nichts als die NATO, nur die NATO ... Und wenn Sie von der Einigkeit der NATO reden, meinen Sie Atombomben für die Bundeswehr. Und wenn Sie von Atomwaffen für Ihre— und das ist der Punkt, Herr Kollege Schmidt; das muß man auf der Zunge zergehen lassen; nicht für d i e Bundeswehr, sondern für IhreBundeswehr sprechen,
meinen Sie die militärische Macht, nichts als die Macht und die Macht um ihrer selbst willen.
Meine Damen und Herren, es geht 'hier nicht um Macht um ihrer selbst willen, es geht um Sicherheit für dieses Land, Herr Kollege Schmidt. Das allein ist der Sinn dieser Politik.
Ich will nun auf einen anderen Zettel verzichten, weil Herr Wehner, glaube ich, mit einem gewissen Recht darauf hingewiesen hat, daß man auch Zettel von nichtanwesenden Kollegen nicht verwerten sollte.
— Herr Kollege Wehner, dieser Punkt ist aber sehr interessant.
Herr Kollege Schmidt hat hier davon gesprochen, vor 10 Jahren seien wir alle für die politische Kontrolle gewesen. Ich glaube, dies ist richtig; aber gesagt worden ist damals von der Führung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, es ginge uns um die zivile Kontrolle über die Streitkräfte. Ich will dies aus dem Grund, den ich Ihnen eben nannte, nicht zitieren; aber es liegt hier, meine Damen und Herren.Ich meine zum fünften, Herr Kollege Schmidt, daß Sie gewisse globale und sehr negative Pauschalurteile über unsere Luftwaffe, unsere Marine und unser Heer gefällt haben. Ich fand, dies war weder substantiiert noch belegt und deshalb auch nicht nützlich. Ich finde, das war oberflächlich und mit leichter Hand gesagt, und so sollte man nicht die Pflichttreue und die Arbeit dieser Menschen draußen abqualifizieren.
— Nein, das sollte man nicht tun, Herr Wehner. Natürlich gibt es hier und da Pannen; die gibt es überall, wo Menschen tätig sind. Aber das ist die Ausnahme und nicht die Regel, und man sollte nicht so tun, als seien d i e Marine, d i e Luftwaffe, d a s Heer — es ist ja schon gesagt worden — in einer ganz besonders schwierigen Situation. Nein, meine Damen und Herren, das sind einzelne Dinge, wiees auch schon der Kollege Strauß aus konkretem Anlaß dargetan hat. -Nun noch ein paar Bemerkungen aus unserer Sicht; wenn Sie wollen: gegen Schluß dieser Debatte; aber das liegt nicht bei uns. In der Öffentlichkeit — und das wollen wir hier auch einmal ansprechen — sind vor dieser Debatte und außerhalb des Hauses einige Stimmen laut geworden, die nach dem Sinn der Bundeswehr heute fragen. Wir glauben, daß diese Fragestellung so unnanciert heute bedenklich ist. Der Sinn der Bundeswehr ist klar. Herr von Hassel hat ihn hier noch einmal formuliert: Durch glaubhafte Abschreckung im Bündnis Frieden und Freiheit zu sichern und notfalls erfolgreich zu kämpfen.Aber, meine Damen und Herren, wir würden der Aufgabe hier nicht gerecht, wenn wir nicht in dieser Debatte wenigstens andeuteten, daß doch unter uns alle, alle Staatsbürger und ganz besonders unter die, die Uniform tragen und Angehörige der Bundeswehr sind, einige Ungewißheiten getragen werden, Ungewißheiten über die künftige Wirksamkeit des Bündnisses, Ungewißheiten, die — meine Damen und Herren, lassen Sie mich das sehr vorsichtig andeuten — durch das Zugleich von Abschreckung und Entspannungspolitik entstehen, Ungewißheiten, die durch Debatten über die Art der Bewaffnung, die Enge der Zusammenarbeit und die Sichtbarkeit der Gemeinsamkeit auch der Truppen gerade in unserem Raum deutlich werden. Ich will dies nicht ausmalen. Aber ich denke, jeder versteht, was hier gemeint ist. Hier können wir nicht allein Gewißheit geben. Aber wir müssen uns hier darum bemühen, und ein Teil davon wird wahrscheinlich in der Debatte am Freitag erörtert werden.Ein anderer Punkt, um den es nach unserer Meinung hier geht, ist folgender. Gewiß, die optimale Organisation ist wichtig; sonst gibt es weder eine schlagkräftige Truppe, noch gibt es eine glaubhafte Abschreckung. Aber diese Organisation ist natürlich stetigem Wandel unterworfen. Ich glaube, hier ist am letzten der Platz etwa für Ideologen oder für Perfektionisten. Uns scheint aber, daß das wesentliche Problem bei aller Bedeutung der Organisation nicht oder mindestens nicht allein im Organisatorischen liegt. Es liegt im psychologischen, im gesellschaftlichen und auch im gesamtpolitischen Bereich. Hierzu noch einige Gedanken.Meine Damen und Herren, wir haben zum erstenmal in unserem Lande, zum erstenmal in der deutschen Geschichte überhaupt Wehrpflicht und Demokratie zugleich. Als wir dies vor zehn Jahren begannen, hatten wir insoweit keinerlei Erfahrungen. Aber nicht nur das; eine breite ,,Ohne-mich-Bewegung" war gegen den Wehrbeitrag, gegen die Verteidigung, die Wehrpflicht und das Bündnis.
Eine böse Erfahrung mit einem mörderischen Krieg war in unserem Volk lebendig, und manche Erinnerung an besondere Vorkommnisse zwischen bewaffneter Macht und politischer Führung in der Weimarer Zeit war wirkkräftig geblieben. So hatten wir also — und ich hoffe, daß man mir erlaubt, dies
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2858 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Dr. Barzelso objektiv zu sagen; der Zettelkasten steht natürlich auch zur Verfügung — nicht nur keine Erfahrung mit dem Zugleich von Wehrpflicht und Demokratie, sondern wir hatten auch mit der Voreingenommenheit zu tun.Dies alles war mehr oder weniger verständlich. Es war auf jeden Fall so. So kam es, daß an mancher Stelle der Vorbehalt zur Bundeswehr, ja, zum Soldaten überhaupt auch Niederschlag fand in Bestimmungen hier und da. Gerade wenn man versteht und einräumt, daß dies damals vielleicht eine nicht zu ändernde Tatsache und Ausgangslage war, muß man jetzt bereit sein, auf Grund der neuen Erfahrungen neue Antworten zu geben. Wir können die Fragen von morgen nur mit den Erfahrungen bis heute beantworten, mit den insgesamt guten Erfahrungen dieser zehn Jahre von zugleich Wehrpflicht und Demokratie. Ich meine, daß diese unsere Erfahrung uns erlaubt, dies festzustellen: Das Zugleich von Wehrpflicht und Demokratie in Deutschland ist geglückt. Niemand unter den Soldaten bestreitet die Demokratie, den freiheitlichen Rechtsstaat als die erwünschte politische Lebensform für alle Deutschen. Niemand unter den Soldaten bestreitet Vorrang, Pflicht und Verantwortung der vom Volk gewählten und vom Parlament kontrollierten politischen Führung. Dies bedeutet zunächst und vor allem die Vokabel vom politischen Primat. Ich sehe keine sachfremde, vor allen Dingen keine politische Ambition in der Bundeswehr.Nachdem dies so klar gesagt ist und offensichtlich am Schluß dieser Debatte von allen Seiten des Hauses so empfunden wird, sollten wir, die Politiker, un- ser volles Vertrauen zu den Soldaten und den Beamten der Bundeswehr auch dadurch unterstreichen, daß wir hier nicht nur Resolutionen fassen, sondern bereit sind, eventuelle Vorbehalte durch Entscheidungen dieses Hauses wegzunehmen, meine Damen und Herren!
Sollten wir wirklich — und dies bedarf natürlich genauer und konkreter Prüfung und weiterer Gespräche auch mit den Soldaten und auch mit den Beamten —, sollten wir wirklich, wie man meint, zur Bundeswehr damals aus den Gründen, die ich andeutete, „ja-aber" gesagt haben, dann wollen wir, meine Damen, meine Herren, dieses „aber" streichen. Unsere heutige Einsicht in die Probleme, unsere bisherige gute Erfahrung erlaubt uns, eben dies zu tun.Meine Damen und Herren, wir alle wissen doch, daß wir eine Bundeswehr neu aufbauen mußten nach einem verlorenen Kriege, in einem gespaltenen Lande und während einer Zeit hoher auswärtiger Spannungen. Wir mußten sie aufbauen bei einer nicht genügenden Unterstützung der Bundeswehr in der öffentlichen Meinung, bei einer nicht genügenden Unterstützung der Bundeswehr durch dieses ganze Haus. Und hier entstanden und entstehen Probleme, die uns zwingen, meine Damen und Herren, gestützt auf die jetzigen Erfahrungen, gestützt auf unser Vertrauen zu dieser Bundeswehr heute, in der unsere Freunde, unsere Brüder, unsere Väter tätig sind, gestützt auf dieses Vertrauen, „ja" zu sagen, denn das schlimmste ist hier „vielleicht".Meine Damen und Herren, ich komme damit — und ich mache es auch kurz, wie es der Kollege Wehner kurz gemacht hat — zu dem Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben. Herr Kollege Schmidt, die vorletzte Abteilung Ihrer Rede heute morgen machte deutlich, daß die Opposition hier nicht nur Herrn von Hassel meint und nicht nur jene technischen Dinge, die Herr Schmidt hier vorgetragen hat, sondern daß hier mehr gemeint ist, daß hier involviert sind der Kanzler und die ganze Bundesregierung. Das macht die vorletzte Abteilung Ihrer Rede völlig deutlich, Herr Kollege Schmidt.Und so möchte ich Ihnen zu Ihrem Antrag auf Drucksache V/915 mit dem Inhalt, der Bundeskanzler solle dem Bundespräsidenten die Entlassung des Herrn von Hassel vorschlagen, folgende Erklärung abgeben; und diese Erklärung, meine Damen und Herren, gebe ich ab für die Koalition insgesamt, für die CDU/CSU und die FDP gemeinsam.Ich darf folgendes ausführen: Die Fraktionen der Regierungskoalition haben der Aufnahme dieses Antrages auf die Tagesordnung zugestimmt, obwohl die verfassungsrechtliche Frage der Zulässigkeit eines solchen Antrages bisher nicht definitiv geklärt ist. Wir bitten Sie, in dieser Zustimmung zur Aufnahme auf die Tagesordnung deshalb nicht eine verfassungsrechtliche Vorentscheidung unserer Fraktionen zu dieser Frage zu sehen.Maßgebend für diese Zustimmung war eine politische Überlegung. Nach dem Stand der öffentlichen Diskussion und der parlamentarischen Debatte scheint es unumgänglich, hier und heute eine klare politische Entscheidung zu fällen. Der Antrag der SPD zielt in Wahrheit nicht auf den Bundesverteidigungsminister allein. Das beweist schon die Tatsache, daß die Beratungen im zuständigen Verteidigungsausschuß nicht abgewartet wurden.
Der Antrag zielt auf die Bundesregierung als Ganzes. Dieser Antrag wird am Vorabend einer bedeutenden Reise des deutschen Regierungschefs in die USA gestellt.
— Meine Damen und- Herren, halten Sie es nicht für bedeutend, wenn der Bundeskanzler dort zu verhandeln hat über Lebensfragen der Nation wie die Anwesenheit, wie das Offset-Abkommen, wie die atomaren Dinge, die Zukunft des Bündnisses und so fort?
— Also bleiben wir noch dabei, das hat Ihnen ja so gut gefallen, meine Damen und Herren.Dieser Antrag wird am Vorabend einer bedeutenden Reise des deutschen Regierungschefs in die USA gestellt, einer Reise, die über allen Parteien-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2859
Dr. Barzelstreit hinaus für unser ganzes Volk von ganz erheblicher Bedeutung ist.
Wir bedauern das; es ist dies auch mit manchen anderen sozialdemokratischen Aussagen zum Thema Gesamtverantwortung nicht zu vereinbaren.
Der Bundeskanzler hat dargelegt, welche Aufträge er dem Bundesminister der Verteidigung erteilt hat. Der Minister selbst hat dargelegt, woran in seinem Ministerium gearbeitet wird. Der Verteidigungsausschuß dieses Hauses ist mitten in der Arbeit, deren Dringlichkeit von niemandem bestritten wird. Setzen wir, das ganze Haus, diese Arbeit fort! Das ist es, was unser Volk zu Recht von uns erwartet.
Ich appelliere im Namen der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP nicht an die SPD-Fraktion, ihren Antrag zurückzuziehen, obwohl dies gewiß zulässig wäre und ganz gewiß einen Beitrag zur Versachlichung der notwendigen Arbeit leisten würde. Die Koalitionsfraktionen werden die gewünschte politische Entscheidung, genau die gewünschte, heute treffen, und sie werden den Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ablehnen.
Meine Damen und Herren, ich habe zugleich zur Vereinfachung des Ganges dieser Debatte die Ehre, Ihnen noch eine Entschließung, die die CDU/CSU und die FDP gemeinsam zur Annahme vorschlagen, vorzulesen, weil ich nicht ganz sicher bin, ob die Drucksache schon verteilt ist.
— Dann kann ich darauf verzichten.
— Herr Kollege Eschmann, da Sie sie haben, verzichte ich darauf. — Als ich hier heraufging, war die Drucksache noch nicht verteilt, ich wollte Ihnen helfen und sie vorlesen.
— Bleiben wir doch bei der Sachlichkeit, Herr Eschmann, die diesem Problem hier angemessen ist.Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag — und ich denke, darin sind wir uns alle einig — dankt den Angehörigen der Bundeswehr. Die Koalition wird den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Die Fragen, die hier sachlich entstanden sind, bleiben auf der Tagesordnung dieses Hauses. Sie alsbald und möglichst einmütig im Sinne von Sachgerechtigkeit zu lösen, ist die Pflicht aller Verantwortlichen in diesem Hause.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich würde hier nicht noch einmal darüber sprechen, ob diese Debatte am heutigen Tage berechtigt ist, wenn nicht der Herr Kollege Wehner den Versuch unternommen hätte, hier in seiner Rechtfertigungsrede für diese Debatte zum Kern der Probleme vorzudringen, von denen er sprach, ohne dieses Ziel wirklich zu erreichen.
Das konnten Sie nicht erreichen, Herr Kollege Wehner, das kann niemand erreichen, weil eben die Vorarbeiten, die dieses Haus in dem dafür zuständigen Verteidigungsausschuß leisten will, noch nicht abgeschlossen sind.
Sie haben in den vergangenen Tagen mit Bezug auf die Bundesregierung so oft von dem Respekt vor dem Parlament gesprochen. Nun beweisen auch Sie selbst Respekt vor dem Parlament und seinen Einrichtungen!
Der Herr Kollege Schmidt hat heute morgen eine Rede gehalten, in der er eine Art Zwischenbericht über die Arbeiten des Verteidigungsausschusses gegeben hat, aber nicht mehr. Herr Kollege Schmidt, Sie haben eine sehr geschickte Rede gehalten, sicher auch eine sehr wirkungsvolle, aber diese Rede war bei allem Ernst und allem Verantwortungsbewußtsein, das ich Ihnen nicht bestreiten will, auch ein grandioser Appell an die Vergeßlichkeit in unserem Volke.
Wer sich hier darum bemüht, die Probleme in der Bundeswehr, die Probleme im Verteidigungsministerium zu erörtern, der kann nicht heute anfangen, der kann nicht beim Beginn der Amtszeit dieses Ministers oder eines anderen Ministers anfangen, sondern der muß im Jahre 1945 anfangen.
Der schwere Weg, der manche Leute in unserem Lande verständlicherweise zunächst zu der Parole „ohne mich" verleitet hat, vor allem manchen jungen Menschen, resultiert doch daher, daß der Weg der deutschen Soldaten nach 1945 in mancher bitteren Erfahrung bestand: an den Toren und Türen der Arbeitsämter, Wohnungsämter und bei den Anmeldestellen der deutschen Universitäten.
Wir sollten nicht vergessen, daß diese Bundeswehr eine Reihe von Hypotheken zu tragen hat, die nicht allein in diesem Lande ihre Ursachen haben, sondern auch von anderer Seite kamen. Es ist eben kein schönes Gefühl, zu wissen, daß die Vollintegration unserer Bundeswehr in die NATO nicht nur das Ergebnis militärischer Erwägungen ist, sondern auch
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2860 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
GenscherErgebnis eines Mißtrauens von außen, das leider auch von innen genährt worden ist.
Wir bestreiten gar nicht, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition, daß im Verteidigungsbereich manches nicht so ist, wie es sein müßte, daß wir manche Verkrampfungen haben auch im Verhältnis von Beamten zu Soldaten, aber nicht persönlich, sondern institutionell. Aber ein Teil dieser Verkrampfungen beruht auf Entscheidungen in diesem Hohen Hause, bei denen gewisse Mehrheitsverhältnisse beachtet werden mußten. Wenn der Herr Kollege Schiller dem Deutschen Bundestag damals schon angehört hätte, würde ich sagen: Das waren eine Art Schiller-Essentials, die wir damals berücksichtigen mußten; Sie haben sie ja in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit den Stabilitätsfragen genannt.
— Nein, Herr Kollege Wehner, ich konnte noch nicht dabei sein.
Aber ich habe das sehr genau verfolgt, Herr Kollege Wehner.
— Herr Kollege, um das politische Geschehen in diesem Lande beurteilen zu können, muß man nicht immer Mitglied des Deutschen Bundestages gewesen sein.
— Herr Kollege Wehner, an den Fragen der deutschen Wiederbewaffnung und an der Herbeiführung parlamentarischer Mehrheiten, die diese Wiederbewaffnung möglich machten, waren alle Bürger in unserem Lande, die wahlberechtigt sind, beteiligt.
Vielleicht haben Ihnen damals die Mehrheitsverhältnisse nicht gefallen, Herr Kollege Wehner. Ich habe sie mitgebildet mit meiner Stimme.Meine Damen und Herren, mit Recht hat der neue Generalinspekteur der Bundeswehr bei seiner Vorstellung im Verteidigungsausschuß davon gesprochen, es sei jetzt die Stunde, den Vorbehalt des Vertrauens aller politischen Kräfte gegenüber der Bundeswehr abzubauen. Ich glaube, in diesem Zeitpunkt war niemand mehr als er berechtigt, diese Mahnung auszusprechen. Es ist in der deutschen Presse viel über den Rücktritt der Generale Trettner und Panitzki geschrieben worden. In der Öffentlichkeit und, wie ich meine, auch heute ist zuwenig gewürdigt worden, in welcher Situation sich dieser Staat und seine Bundeswehr in diesem Zeitpunkt befanden. Meine Damen und Herren, wissen wir eigentlich, daß der Rücktritt dieser Generale und die Notwendigkeit für den Bundesminister der Verteidigung, Nachfolger zu berufen, eine Stunde der Versuchung für die Bundeswehr hätte sein können? Daß sie es nicht gewesen ist, daß nicht einmal die Gefahr bestand, daß es so sei, war im Grunde die demokratische Bewährungsprobe für die Bundeswehr.
Hier sind Personalentscheidungen von hohem Rang getroffen worden, wie sie in dieser Stunde unter den gegebenen personellen Verhältnissen nicht besser hätten getroffen werden können. Das sollte hier anerkannt werden.
Ich sage Ihnen dazu: Daß diese Generale sich zur Verfügung gestellt haben, daß sie bereit waren, ihre Pflicht auch in neuer Position zu erfüllen, und nicht etwa in einem falsch verstandenen Solidaritätsgefühl oder Kameradschaftsgefühl abseits standen, das gibt ihnen die Legitimation, auch uns als Politikern etwas zu sagen für den Weg, der weiter nach vorn führt.
Mit der Meisterung dieser Situation gerade durch die Generale, Offiziere und Soldaten der Bundeswehr — damit, daß sie eben nicht in die Versuchung kamen, in die sie hätten kommen können — sollten wir alle gemeinsam ein Kapitel in der Geschichte der deutschen Soldaten zuschlagen, das leider durch Irrtümer, Mißverständnisse und Mißdeutungen überschattet war. Heute kann ein neuer Anfang sein. Mit Recht ist von den Rednern verschiedener Fraktionen darauf hingewiesen worden, daß die einheitliche Haltung aller Fraktionen zur Bundeswehr, die wir heute eindeutig feststellen können — das sage ich auch für die sozialdemokratische Opposition —, der Ausgangspunkt auch für die Inangriffnahme des Abbaues jener institutionellen Verzerrungen sein kann, die wir nun einmal heute noch zu beklagen haben. Heute sagen alle Fraktionen dieses Hauses ja zu der Erkenntnis, daß derjenige, der Sicherheit will, auch Soldaten wollen muß, und zwar nicht nur als notwendiges Übel, sondern als Bestandteil der staatlichen Ordnung und der Gesellschaftsordnung in unserem Land.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie in Diskussionen draußen mit Menschen aus allen Schichten unseres Volkes sprechen, so rufen Sie — Sie alle werden es erlebt haben — in einem Punkt immer Erstaunen hervor, nämlich dann, wenn Sie sagen, daß der ranghöchste Soldat der Bundeswehr, daß der Generalinspekteur der Bundeswehr heute noch nicht jene, wie der Bundesverteidigungsminister es nennt, „truppendienstlichen Befugnisse" bis zum letzten Soldaten herunter hat. Hier zeigt sich ein gesundes Gefühl in unserem Volke für das, was notwendig ist. Das Volk, die Bürger in unserem Land — und ich meine hier nicht diejenigen, die Soldaten sind, sondern die anderen — empfinden es als merkwürdig, daß er diese Befugnisse noch nicht hat. Ich glaube, es wird höchste Zeit, daß die Ankündigungen, die Sie, Herr Bundesminister, hier gegeben haben, sehr schnell in die Tat umgesetzt
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Genscherwerden. Das ist es, was wir gemeinsam aus dieser Sitzung mitnehmen wollen, was wir gemeinsam in Angriff nehmen müssen.Wenn die Fraktionen der Koalition heute nein sagen zum sozialdemokratischen Antrag, dann heißt dieses Nein: Auftrag an den Bundesminister der Verteidigung, das Notwendige, das sich aus der jetzigen Diskussion ergeben hat,
und das Notwendige, das sich aus den Beratungen des Verteidigungsausschusses noch ergeben wird, zu veranlassen.
Unser Nein zu diesem Antrag ist das Ja zu einem Auftrag; nicht mehr und nicht weniger.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, Abstimmungen über die Entschließungsanträge! Ich lasse, weil kein Mensch mit Sicherheit entscheiden kann, was nun weitergehend oder nicht weitergehend ist, nach der Reihenfolge des Eingangs abstimmen.
Da ist zunächst der Umdruck 91 *), Entschließungsantrag der Fraktion der SPD. Wer diesem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 91 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
— Meine Herren, meine Herren! Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, lassen Sie mich erst einmal das Ergebnis feststellen. — Also: dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt der Umdruck 92 **), Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP. — Zur Abstimmung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Koalitionsfraktionen soeben den Antrag Umdruck 91 abgelehnt haben, der im ganzen die politischen Konsequenzen aus der heute erörterten Situation zieht, da ferner der Antrag Umdruck 92, der von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde, inhaltlich mit der Nr. 3 unseres Antrags übereinstimmt und da die Koalitionsfraktionen — was wir besonders beachten — darauf verzichtet haben, über die Qualifikation des derzeitigen Verteidigungsministers in ihrem Entschließungsantrag etwas auszusagen, sind wir bereit, dem Antrag auf Umdruck 92 zuzustimmen.
Wir stimmen also über den Entschließungsantrag Umdruck 92 ab.
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser
Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Jetzt kommen wir zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ersuchen an den Bundeskanzler auf Entlassung des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel
— Drucksache V/915 —
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!
— Dann müssen Sie noch warten, wenn Sie das Wort nur zur Abstimmung wollen. Ich frage zunächst ausdrücklich: Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann gebe ich das Wort zur Abstimmung über diesen Antrag Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Fraktion der SPD beantrage ich, über den Antrag auf Drucksache V/915 betr. Ersuchen an den Bundeskanzler auf Entlassung des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel mit verdeckten Stimmzetteln abzustimmen.
Meine Damen und Herren, keine Geschäftsordnungsdebatte hierüber! Dieser Antrag ist dann zulässig, wenn das Haus mit Zweidrittelmehrheit beschließt, auf Grund von § 127 der Geschäftsordnung den Antrag zuzulassen. Wir haben sonst Abstimmungen mit verdeckten Stimmzetteln nur bei Wahlen, bei der Wahl des Bundestagspräsidiums und bei der Wahl des Bundeskanzlers. Wir können das nach § 127 der Geschäftsordnung natürlich auch sonst ausnahmsweise machen; aber dazu ist eine Zweidrittelmehrheit des Hauses erforderlich.Soll ich abstimmen lassen, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer?
Sie haben den Antrag gehört. Wer nach § 127 der Geschäftsordnung bereit ist — ich lasse zunächst nur darüber abstimmen —, über diesen Antrag mit verdeckten Stimmzetteln abzustimmen, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, der Antrag ist also insoweit hinfällig, als es sich um Abstimmung mit verdeckten Stimmzetteln handelt.Zur Abstimmung hat noch einmal das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
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2862 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966
Herr Präsident, nachdem das Haus unseren Antrag -auf Abstimmung mit verdeckten Stimmzetteln abgelehnt hat, beantrage ich namentliche Abstimmung.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist zulässig.Wir stimmen über den Antrag V/915 in namentlicher Abstimmung ab.Ja SPDAhrens
Frau AlbertzDr. ApelArendt AugeBading BalsDr. BardensBauer
BazilleDr. Bechert BehrendtBergmannBerkhan Beuster BiermannBlume BöhmBörnerBrück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet CorterierCramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersEschmannFaller Felder FellermaierFiggen Flämig Folger Franke
Dr. FredeFrehsee Frau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gerlach Gertzen GlombigGscheidleHaage
Haar
Haase HaehserHamacherHansing Hauck Hauffe Dr. HeinHellenbrockHerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold Hirsch Höhmann
Höhne
HöraufHörmann Hofmann (Kronach)Frau Dr. HubertHufnagelHussongDr. IlsJacobi
Jahn
Dr. h. c. JakschJaschke JürgensenJunghansJunker Kaffka Killat Dr. KochKoenen
Könen KohlbergerDr. Kreutzmann KriedemannFrau Dr. KripsKulawigKunze KurlbaumFrau Kurlbaum-Beyer LangeLangebeckLautenschlagerLeber Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. LohmarLotze MaibaumMarquardtMarx
MatthesMatthöferFrau MeermannDr. MeineckeMerten MetzgerDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerMüller
Dr. Müller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Dr. Müller-EmmertDr. MüthlingNeemannNellenNeumann
PaulPeters
Pöhler Porzner Dr. Rau Ravens Regling Dr. ReischlReitzFrau RengerRichterRiegel
Dr. Rinderspacher RohdeFrau RudollSänger SaxowskiDr. SchäferFrau Schanzenbach Frau SchimschokDr. Schmid SchlüterSchmidt Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)Dr. Schmidt Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchonhofenSchulte SchwabeSeibert Seidel Seifritz Seither Frau SeppiSeuffert SpilleckeDr. StammbergerStein
StephanFrau StrobelStrohmayrTallertDr. TambléTönjes VitWehnerWelke Welslau Wendt Frau WesselWestphalWiefel WienandWilhelmWischnewskiWolfWuwerZebischBerliner AbgeordneteDr. Arndt BartschFrau Berger-Heise BühlingFrau KrappeLiehrFrau LöscheMattickNeumann Dr. Schellenberg Dr. SchillerDr. Schulz Dr. SeumeUrbanWellmannNein CDU/CSUAdornoDr. AignerD. AlthammerDr. Arnold BaierDr.-Ing. Dr. h. c. Balke BalkenholDr. BarzelBauer BauknechtPrinz von BayernDr. Becher BeckerBerberich Dr. Besold Bewerunge BiecheleBlankBlöckerFrau Blohm BrandBremerDr. Brenck BreseBrück
BuddeBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterBurgerDr. Conring Dr. Czaja Dammvan Delden Deringer Dichgans DiebäckerDr. DollingerDraegervon Eckardt Dr. Eckardt EhnesDr. ElbrächterEnkFrau EnselingErhard Dr. ErhardErpenbeck Dr. Even ExnerFranke
Dr. Franz FranzenDr. FreiwaldDr. Frerichs Dr. FreyFrielerFritz
Dr. FurlerFrau GeisendörferDr. GeißlerD. Dr. Gerstenmaier GewandtGibbertGierenstein Dr. Giulini Dr. GleissnerGlüsing GotteslebenFrau GriesingerDr. h. c. GüdeFreiherr von und zu GuttenbergHaase
Dr. Häfele Hahn
Dr. Hammans
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2863
Hanz
Dr. Hauser Dr. HesbergHilbert HöcherlHörnemann HöslDr. Hofmann HolkenbrinkHorstmeierHortenDr. HudakIllerhausFrau Jacobi
Dr. Jahn JostenDr. JungmannFrau KalinkeKatzer KiepFrau KleeKleinDr. KlepschDr. Kliesing KlinkerKrammigDr. KraskeDr. KroneKrugFrau Dr. Kuchtner Kühn KuntscherLampersbachLeichtLenz
Dr. Lenz LeukertDr. LöhrDr. LudaLücke Lücker (München) MajonicaMaucherMeisMeister MemmelMengelkampDr. von MerkatzMickMissbachMüller Müller (Remscheid) MüserNiederaltDr. von Nordenskjöld OrgaßOttPetersenPicardDr. PohlePortenDr. PrasslerDr. PreißFrau Dr. Probst ProchazkaRasnerRaweDr. Reinhard RichartsRiedel
Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. RitzRöhnerRösingRollmann RommerskirchenRufRusse
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-HohensteinSchlagerDr. Schmid-Burgk SchmidhuberDr. Schmidt Schmitt (Lockweiler) SchmückerFrau Schroeder Schröder (Sellstedt) SchulhoffDr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. Schwörer Dr. Serres Dr. SinnSpringorum StahlbergDr. Stark
Dr. Stecker Stein
Dr. SteinmetzStillerDr. StoltenbergFrau StommelStooßStormStraußStruveStücklenTobabenVarelmannDr. Freiherr v. Vittinghoff-SchellDr. Vogel
Vogel
WagnerDr. Wahl WeiglWendelborn Wieninger Dr. WilhelmiWilperWinkelheide Frau Dr. WolfDr. Wuermeling Wullenhaupt ZieglerDr. ZimmermannZinkBerliner Abgeordnete CDU/CSUBendaDr. GradsFrau Dr. Maxsein Müller
FDPDr. DahlgrünDr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus DornDr. Effertz Dr. Emde Dr. FriderichsGeldnerGenscherDr. Haas Dr. Hellige JungKubitzaFreiherr von Kühlmann-StummDr. MendeDr. h. c. Menne MertesMoerschDr. MülhanOllesch OpitzPeters
Ramms ReichmannSchmidt
Schultz Dr. StaratzkeWalterWurbsBerliner Abgeordnete BormEnthaltenCDU/CSU von HasselMeine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja, d. h. für den Antrag ,der Fraktion der SPD, haben gestimmt 184 plus 15 Berliner Abgeordnete — die werden hier mitgezählt —, also 199 Abgeordnete. Dagegen haben gestimmt 236 Abgeordnete, und 1 Mitglied des Hauses hat sich enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.Meine Damen und Herren, damit sind wir für heute am Ende unserer Tagesordnung.
— Berliner sind mitgezählt. Aber wenn man die Berliner mitzählt, warum soll man dann noch eine Extramitteilung darüber bringen? Das widerspricht eigentlich dem Sinn des Gemeinsamen.
Ich wiederhole noch einmal: 199 Abgeordnete haben für den Antrag der SPD gestimmt, 236 haben ihn abgelehnt, und 1 Mitglied des Hauses hat sich enthalten. Damit ist- der Antrag abgelehnt.Wir sind für heute am Ende der Tagesordnung.Nächste Sitzung: Donnerstag, den 22. September, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.