Rede:
ID0505716500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 14
    1. Herr: 1
    2. Kollege: 1
    3. Strauß,: 1
    4. Sie: 1
    5. sagten:: 1
    6. Bundeswehr: 1
    7. und: 1
    8. Arbeiterbewegung.: 1
    9. Müßte: 1
    10. das: 1
    11. nicht: 1
    12. heißen:: 1
    13. sozialistische: 1
    14. Arbeiterbewegung?\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen V/921, V/919) Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) und Abg. Dr. Kreutzmann: Betriebseinstellung auf Bundesbahnstrecken im Zonenrandgebiet Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2798 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2798 D Dr. Kreutzmann (SPD-Gast) . . . . 2800 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . 2800 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 2800 D Börner (SPD) 2800 D Frage des Abg. Dröscher: Suche nach neuen Uranerzlagern Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 2801 B Dröscher (SPD) 2801 B Fragen des Abg. Lemper: Entwicklung im rheinischen Braunkohlenrevier Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2802 A Lemper (SPD) 2802 A Fragen des Abg. Mattick: Bekanntgabe von Bemühungen der Interzonentreuhandstelle betr. den Berlin-Verkehr Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2803 B Mattick (SPD) 2803 C Borm (FDP) 2804 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Einfuhr von Granit aus Portugal Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 2804 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 2804 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2804 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Rechtsstellung der bei den alliierten Stationierungsstreitkräften beschäftigten Personen 2805 B Fragen des Abg. Müller (Berlin) : Erklärungen der polnischen Exdiplomaten Tykocinski — Entscheidung wesentlicher Berlin-Fragen durch die Sowjetunion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2805 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Gegenseitigkeit beim Verzicht auf den Visumzwang und bei der Gebührenfreiheit für Besuchsvisen 2805 D Fragen des Abg. Kubitza: Anschläge von Exilorganisationen auf Vertreter Jugoslawiens in Deutschland Lücke, Bundesminister 2806 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2806 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 2807 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Öffnung der Grenze zur CSSR bei Bayerisch Eisenstein Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Benachteiligung der ehemaligen Berufsunteroffiziere Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Wagner: Mittel des Bundes für kommunale Vorhaben — Änderung der Bewilligungsbestimmungen Grund, Staatssekretär 2808 A Fragen des Abg. Dröscher: Verlegung des US-Kurierflugplatzes in Bad Kreuznach Grund, Staatssekretär 2808 C Dröscher (SPD) 2808 D Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Rücklagenbildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 2809 B Frage der Abg. Frau Eilers: Bekanntgabe des Ergebnisses der Frauenenquete von Hase, Staatssekretär 2809 C Frau Eilers (SPD) 2810 A Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Antrag betr. Bericht über die Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium (SPD) (Drucksache V/914) Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . . 2810 C von Hassel, Bundesminister 2812 A, 2833 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2819 B Strauß (CDU/CSU) 2833 B Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 2847 B Wehner (SPD) . . . . . . . 2852 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 2855 B Genscher (FDP) 2859 C Dr. Schäfer (SPD) 2861 B Antrag betr. Ersuchen an den Bundeskanzler auf Entlassung des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (SPD) (Drucksache V/915) 2861 C Nächste Sitzung 2863 D Anlagen 2865 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2797 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 56. Sitzung, Seite 2717 A, Zeile 3 statt Wehrdienstgesetzes: Wehrdienstrechts; Seite 2763 B, Zeile 14 statt wenn ich es für richtig halte: wenn ich es nicht für richtig halte; Seite 2787 B, Zeile 21 statt Instrumentarismus: Instrumentariums. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Abelein 4. 10. Dr. Adenauer 5. 10. Dr. Althammer 23. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 23. 9. Berendsen 24. 9. Blachstein 10. 10. Blumenfeld 23. 9. Frau Brauksiepe 30. 9. Busse (Herford) 26. 9. Dr. Dittrich *) 24. 9. Eisenmann 24. 9. Frau Dr. Elsner *) 22. 9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30. 9. Ertl 23. 9. Fellermaier 23. 9. Franke (Hannover) 21. 9. Frehsee 30. 9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Götz 26. 9. Graaff 22. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Dr. Huys 5. 10. Iven 26. 9. Dr. Jaeger 23. 9. Dr. h. c. Jaksch 22. 9. Dr. Jungmann 24. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Dr. Kempfler 23. 9. Frau Klee 23. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Krammig 23. 9. Dr. Kübler 30. 9. Lenz (Trassingen) 30. 9. Logemann 21. 9. Dr. Löhr *) 24. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Michels 30. 9. Dr. Müller (München) 23. 9. Dr. Müller-Hermann 23. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Raffert 6. 10. Rehs 21. 9. Rock 2. 10. Saam 7. 10. Sander 23. 9. Dr. Schulz (Berlin) 21. 9. Dr. Süsterhenn 23. 9. Steinhoff 25. 9. Stingl 25. 9. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter(r) beurlaubt bis einschließlich Unertl 23. 9. Dr. Verbeek 23. 9. Weimer 5. 10. Windelen 23. 9. Dr. Wörner 30. 9. Zerbe 23. 9. Dr. Zimmermann 23. 9. b) Urlaubsanträge Dr. Artzinger 5. 10. Berlin 20. 10. Schlee 5. 10. Wächter 8. 10. Baron von Wrangel 15. 10. Anlage 2 Umdruck 91 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966 Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die seit längerer Zeit im Bundesministerium der Verteidigung sichtbar gewordenen Schwierigkeiten haben sich durch die Vorgänge der letzten Wochen zu einer Führungskrise der Bundeswehr ausgeweitet. Für die gesamte Öffentlichkeit ist klar geworden, daß Herr von Hassel als Bundesminister der Verteidigung und damit als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt den schwierigen Aufgaben der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Führung der Bundeswehr nicht gewachsen ist. Die bereits jetzt erkennbaren Auswirkungen dieser noch keineswegs überwundenen Führungskrise auf die Bundeswehr erlauben kein weiteres Verschleppen der dringend notwendigen personellen Entscheidung, unverzüglich einen neuen Verteidigungsminister zu berufen. 2. Das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte parlamentarische System legt dem Deutschen Bundestag die Verpflichtung auf, den Bundeskanzler, die Bundesregierung als Ganzes und die Minister in der Erfüllung der ihnen aufgetragenen Verantwortung für ihre Ressorts zu kontrollieren. Diese Kontrollaufgabe erstreckt sich ebenso auf die Ministerien und die nachgeordneten Behörden. Der Deutsche Bundestag wird sich bei der Ausübung seiner Kontrollbefugnisse über die Exekutive, ohne Ansehen der Person, weder gegenüber den Staatsdienern in Uniform noch gegenüber denen in Zivil zu irgendwelcher Parteilichkeit verleiten lassen. 3. Der Deutsche Bundestag spricht erneut den Angehörigen der Bundeswehr, gleichgültig an welcher Stelle sie stehen, Soldaten, Beamten, Ange- 2866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 stellten und Arbeitern sein Vertrauen aus, dankt ihnen für ihre Pflichterfüllung und für ihre unter schwierigen Verhältnissen vollbrachten Leistungen. Der Deutsche Bundestag ist gewiß, daß die Bundeswehr — Truppe und Verwaltung, Stäbe und Ministerium — weiterhin in Treue und Gehorsam gegenüber Staat und Grundgesetz, die ihr vom Bundestag und Bundesregierung gestellten Aufgaben erfüllen wird, unbeschadet der Konsequenz, die Bundestag und Bundeskanzler aus den Vorgängen der letzten Wochen im Bundesministerium der Verteidigung ziehen müssen. Bonn, den 21. September 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 92 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966. Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag dankt den Angehörigen der Bundeswehr, an welcher Stelle sie immer stehen — Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeitern —, für ihre Leistung, die sie in den zehn Jahren des Aufbaues vollbracht haben. Die Bundeswehr hat ihren staatspolitischen Auftrag verfassungsgetreu und zielstrebig erfüllt, ohne sich durch Mißtrauen und Schwierigkeiten vielfältiger Art beirren zu lassen. Das verdient uneingeschränkte Anerkennung. Der Deutsche Bundestag ist überzeugt, daß sie auch weiterhin im Dienste an Volk und Staat ihr bestes leisten wird. Bonn, den 21. September 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Rede des Kollegen Helmut Schmidt konnte man sich mit Recht die schon vorher im Zusammenhang mit Geschäftsordnungsfragen gestellte Frage noch einmal stellen, ob es wirklich richtig und zweckmäßig war, vor dem Abschluß der Ausschußberatungen diese Debatte sozusagen zu erzwingen und jetzt durchzuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich vertrete damit nicht die Auffassung, daß etwa eine Reihe von Vorgängen, die breiteste Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit des Inlandes und Auslandes gefunden haben, nur hinter den verschlossenen Türen einer Ausschußsitzung behandelt werden kann. Ein solcher Vorgang muß vor das berufene Forum, in diesem Falle vor den Deutschen Bundestag. Aber gerade die Darstellung des Berichts von General Panitzki und widersprechende Darstellungen von anderer Seite haben nach meinen Informationen aus dem Ausschuß zu dem Antrag geführt, dem auch die SPD zugestimmt hat, die hier aufgetretenen Widersprüche zu klären und dann in dem Ausschußbericht ein Gesamtergebnis zu bieten. Ich mache darauf deshalb aufmerksam, weil eine sozusagen auf halbem Wege gegebene Darstellung, die sicherlich große Verbreitung und Publizität findet, erst die Hälfte sein kann und ein abschließendes, abgewogenes Ergebnis erst nach Abschluß der Ausschußberatungen möglich ist. Ich hoffe — und das wünschen wir alle, glaube ich —, daß dann jedes Mitglied des Hauses und die Öffentlichkeit einen zusammenfassenden Bericht erhält.
    Her Kollege Schmidt hat heute hier eine Rede gehalten, von der ich nicht sagen will, daß sie etwa zu rein taktischen Zwecken gehalten worden ist. Ich weiß, daß bei ihm sicherlich auch sehr stark ein militärisches Herz schlägt; ob bei allen Ihren Fraktionsmitgliedern in der Opposition genauso ein militärisches Herz schlägt, ist eine andere Frage.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dabei möchte ich nicht etwa die Phonstärke des Beifalls hier in diesem Hause als zuverlässiges Kriterium zu Ihren Gunsten nehmen.

    (Abg. Eschmann: Geben Sie eine Garantie für Ihre eigene Partei?)

    — Ich komme darauf schon noch zu sprechen.
    Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß Herr Kollege Schmidt hier in dem Bewußtsein, daß der größte Teil der Bundeswehr heute eine besondere Stunde staatspolitischen Unterrichts nimmt und diese Debatte verfolgt, seiner Rede gerade hinsichtlich bestimmter kritischer Punkte — Soldaten und Beamte — besondere Lichter aufgesetzt hat. Wenn Herr Kollege Schmidt sich hier mit besonderer Wärme der Truppe angenommen hat — und ich sage hier, daß bei ihm objektive Aussage und subjektive Überzeugung sicherlich übereinstimmen —, dann hat er sicher auch für diejenigen gesprochen, die hier ein gewisses Nachholbedürfnis haben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Schmidt hat mit Recht festgestellt, daß zwischen den Generalen und der SPD nicht in allen Punkten Übereinstimmung besteht. Erlauben Sie mir, meine Befriedigung darüber auszudrücken,



    Strauß
    daß jetzt wenigstens in einigen Punkten Übereinstimmung besteht.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Aber ich muß hier etwas richtigstellen, Herr Kollege Schmidt. Sie haben von einem „Papier", von einer Untersuchung des Wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU gesprochen, und Sie haben meinen Zwischenruf bestätigt, daß dieses Memorandum oder diese Studie in der „Süddeutschen Zeitung" veröffentlicht worden ist. Was ich hier sage, ist nur die Wiedergabe einer inzwischen, kurz nach der Veröffentlichung, von uns bekanntgegebenen Tatsache, mit der ich mich von dem Inhalt dieser Studie im ganzen nicht etwa distanzieren möchte, mit der ich ,aber einfach die Dinge richtigstellen will.
    Diese Studie ist verfaßt von dem stellvertretenden Leiter des Wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU, einem aktiven Oberst, genauso wie höhere Offiziere auch in Ihren Reihen mitarbeiten. Sie ist seine persönliche Arbeit. Sie ist nicht vom Wehrpolitischen Arbeitskreis der CSU, weder von seinem ersten Vorsitzenden noch vom Landesvorsitzenden der CSU oder vom Arbeitskreis der CSU jemals behandelt worden. Sie ist seine Arbeit, drückt seine Überzeugung aus. Man soll vor dieser Überzeugung den Respekt haben wie vor jeder Überzeugung. Aber ich habe selbstverständlich nie daran gedacht, diese Studie, so wie Sie es heute hier getan haben, zu einem „Papier der CSU" zu erheben. Stellen Sie sich einmal vor, daß alles, was dieses oder jenes Mitglied aus Ihren Reihen jemals veröffentlicht hat, als offizielles Papier der SPD gewertet werden würde!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie würden sich das mit Recht verbitten. Ich rede gar nicht so hart und scharf. Ich sage nur, Sie haben die Dinge insofern nicht richtig dargestellt.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Es stand in der Zeitung!)

    — In der „Süddeutschen Zeitung". Wir haben anschließend, am nächsten Tag, in einer öffentlichen Erklärung das bekanntgegeben, was ich jetzt hier etwas ausführlicher dargestellt habe. Wenn dem so wäre, daß es vom Arbeitskreis verabschiedet worden wäre, würde ich es hier auch sagen, allerdings mich in einigen Punkten von diesem Papier distanzieren. Das will ich jetzt auch an Hand eines ganz konkreten Beispiels tun, nämlich an Hand dieser etwas eigenartigen Feststellung: Die Bundeswehr ist keine CDU-Armee mehr. Sie haben daraufhin angefügt, die Denkweise, die Bundeswehr müsse eine CDU-Armee sein — — Ich war leider in meinem Leben noch nie Mitglied der CDU.

    (Heiterkeit.)

    Der Gedanke, die Bundeswehr müsse eine CDU-Armee sein, würde von mir genauso wie von Ihnen zurückgewiesen werden, müßte zurückgewiesen werden. Denn die Bundeswehr kann weder eine CDU- noch eine CSU- noch eine SPD- noch eine FDP-Armee sein. Sonst wäre sie von vornherein schon in
    der ganzen Orientierung und ihrer Aufstellung fehl am Platz.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ohne zu wissen, daß eine wehrpolitische Debatte kommen würde, ohne zu wissen, daß ich die Aufgabe haben würde, in dieser Debatte zu sprechen, habe ich vor etwa drei Wochen in einer größeren ausländischen Massenzeitung — „Blick", Schweiz — ein Interview gegeben, das zu meiner großen Überraschung in vollem Umfange in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben abgedruckt wurde. Darin habe ich eine Frage beantwortet; ich komme deshalb darauf zu sprechen, weil diese Frage genau auf das eingeht, was Sie, Herr Kollege Schmidt, heute morgen hier dargestellt haben. Mir ist nämlich die Frage gestellt worden, ob ich es nicht für bedenklich hielte — so der Schweizer Interviewer —, daß der neuernannte Generalinspekteur de Maiziere offensichtlich eine sehr SPD-freundliche Einstellung habe. Ich habe daraufhin wörtlich folgendes erwidert:
    Ich glaube nicht, daß man von einem Berufsoffizier von der Art des Generals de Maizière sagen kann, er sei SPD-, CDU- oder FDP-freundlich. Ich habe mich eigentlich gar nie darum gekümmert, was die Generäle wählen; es ist auch ihr gutes Recht, das Wahlgeheimnis für sich in Anspruch zu nehmen.
    Ich habe weiter gesagt:
    De Maizière ist ein Mann mit einer sehr gründlichen Allgemeinbildung, ein Mann mit einem hohen geistigen Niveau, ein Mann mit einem umfassenden militärischen Wissen, ein Mann von hohen Qualitäten, er gehört zur Gruppe der Reformer. Und eines begrüße ich, auch wenn ich auf der anderen Seite, auf seiten der Regierungsmehrheit gegenüber der Opposition stehe: daß heute zwischen Sozialdemokratie und Bundeswehr nicht mehr das Verhältnis besteht, wie es zwischen Armee und Sozialdemokratie vor dem ersten Weltkrieg der Fall war oder zum Teil leider auch zwischen Reichswehr. und Sozialdemokratie in der Zeit der Weimarer Republik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn de Maizière die SPD als eine demokratische, koalitionsfähige Partei betrachtet und in diesem Sinne sich auch objektiv korrekt und unparteiisch gegenüber der SPD verhält, ist das vom Staatsinteresse, von der Staatsräson aus nur zu begrüßen.
    Dann habe ich gesagt:
    Meine Ansicht geht nicht dahin, daß wir Generäle haben sollten, die Sozialistenfresser sind. Soweit Sozialisten eine Politik betreiben, die mit der Sicherheit des Landes nicht vereinbar ist, wie es damals im großen Kampf der fünfziger Jahre der Fall war — das war meine Meinung, ist es auch heute —, müssen wir politisch dagegen kämpfen. Ich hätte niemals Verständnis gehabt, wenn ein Bundeswehrgeneral damals für die Politik der SPD eingetreten wäre zur gleichen Zeit, wo die SPD



    Strauß
    die Entstehung der Bundeswehr bekämpft hat.
    Das wäre eine Unmöglichkeit in sich gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU:)

    Ich habe abgeschlossen mit folgender Bemerkung:
    Auch die SPD ist eine starke, die andere große Partei. Es dienen unzählige Wähler der SPD in der Bundeswehr als Freiwillige, in der Hauptsache als Wehrpflichtige. Gerade bei einer modernen technisierten Armee, die mehr denn je den Arbeiter und Facharbeiter braucht, nicht irgendeinen sturen Kommißkopf, wäre eine a priori gegebene SPD-Abneigung des Offizierskorps — was nicht heißt, daß es so oder so zu wählen hat —, ein grundsätzliches Ressentiment gegen die demokratischen Sozialisten eine Belastung für die Armee.
    So vor einer Reihe von Wochen gesprochen, ohne jeden Zusammenhang mit dieser Debatte, nur um darzustellen, daß die Auffassung eines Mitarbeiters von uns, der höherer aktiver Offizier der Bundeswehr ist und der dieses Wort von der „CDU- oder Nicht-CDU-Armee" gebraucht hat, von uns aus den übergeordneten Gesichtspunkten, die auch aus diesen Zeilen sprechen, nicht geteilt wird. Ich wollte das hier nur ausdrücklich richtiggestellt haben, ohne damit eine scharfe Note etwa in die Debatte hineinzubringen.
    Erlauben Sie mir, bevor ich auf einige andere Punkte eingehe, noch drei Worte von Ihnen aufzugreifen, die mir innerlich gegen den Strich gegangen sind. Nicht deshalb, weil ich persönlich davon betroffen oder noch betroffen bin; aber ich glaube, man sollte im Zusammenhang mit falscher oder richtiger Organisation, im Zusammenhang mit den heute gestellten Themen nicht wieder das Iller-Unglück erwähnen. Unglücke dieser Art sind auch bei der bestorganisierten Armee — siehe früher die Reichswehr, das große Fährunglück, siehe in der amerikanischen Armee, siehe anderswo -
    leider immer wieder eine Unvermeidbarkeit; eine Unvermeidbarkeit, die sicherlich zum Teil auf diesem oder jenem menschlichen Fehler beruht. Aber auch die großen Eisenbahn-, Flugzeug- oder Omnibusunglücke beruhen ja immer wieder auch auf menschlichen Fehlern. Man versucht sie zu bekämpfen, einzudämmen, unmöglich zu machen, aber eine absolute Maßnahme dagegen gibt es nicht. Aber diese Schatten zu beschwören, sollte in dieser Debatte nicht angewandt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das zweite, was ich in diesem Zusammenhang erwähne — das ist nur der polemische Teil meiner Rede, er ist sehr vorsichtig formuliert —, ist Ihre etwas eigenartige Darstellung der Schuldverhältnisse im Zusammenhang mit Vorkommnissen wie Nagold. Sie sagen, Schuld habe nicht der Kompaniechef, nicht der Bataillonskommandeur, und dann kommt der Sprung nach oben: nein, die Schuld liegt ganz oben — in diesem Falle müßte sie dann wohl bei Minister von Hassel, Staatssekretär Gumbel, dem damaligen Generalinspekteur oder dem damaligen Heeresinspekteur liegen —, und zwar deshalb,
    weil — ich komme auf das Thema heute noch zu sprechen — die Bundeswehr überfordert war und als Ergebnis einer politisch falschen Zielsetzung und damit einer ambitiösen militärischen Planung solche Zwischenfälle wie Nagold gewissermaßen unvermeidlich waren, die keiner in diesem Hause in Schutz nimmt und deren Untersuchung und disziplinarische oder strafrechtliche Verfolgung absolut notwendig war. Wenn Sie dann noch sagen, Herr Kollege Schmidt, daß wir zu junge Kompaniechefs hätten — nun, wir haben lange Zeit zu alte gehabt, und wir haben heute Kompaniechefs in einem durchschnittlich dem Ausland vergleichbaren Alter. Ich glaube, Sie waren im zweiten Weltkrieg auch Öffizier. Wenn man Ihnen damals gesagt hätte, Sie seien zu jung, um die Verantwortung zu übernehmen, dann hätten Sie mit Recht gerade wegen Ihrer unbestreitbaren Fähigkeiten das als ein sehr überhebliches Urteil eines Älteren über einen sehr jungen Offizier empfunden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nein, Nagold war ein Zusammentreffen erstens bestimmter menschlicher Instinkte, zweitens mangelnder Dienstaufsicht und drittens eines falsch verstandenen Sonderkorpsgeistes bestimmter Einheiten. Diese drei Dinge zusammengenommen haben in unglückseliger Verkettung diese Zwischenfälle ergeben. Ich werde in anderem Zusammenhang aber auf Zwischenfälle und ihre Verallgemeinerung noch zu sprechen kommen.
    Und sicherlich nicht nur für die Anwesenden hier, auch die anwesenden Männer, die Sie heute genannt haben, sondern auch für die Männer, die heute in Uniform oder in Zivil uns zuhören oder zuschauen, war ihre Bemerkung bestimmt, daß zu der gleichen Zeit, als Frau Kalinke mit ihrer sehr wohlklingenden hellen Stimme hier ihre Zwischenrufe machte, Sie als treuer Soldat in der Bundeswehr Ihre Reserveübung abgeleistet hätten. Ich freue mich darüber, daß Sie es getan haben, daß Sie die Zeit dafür aufgebracht haben. Eigentlich müßte ich mich tadeln. Ich hätte es eigentlich nach meinem Ausscheiden als Minister auch tun sollen; aber ich habe die Zeit dafür nicht aufgebracht. Es wäre einmal durchaus interessant gewesen. Aber Ihre Berufung auf Ihre Reserveübung scheint mir ein bißchen Kompensationsprogramm zu Reserveübungen mancher Ihrer Freunde zu sein — wenn ich an die Namen Iven, Kaffka oder Menzel von früher denke.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn da sind „Reserveübungen" in allen möglichen Organisationen — am Rande der Ostermaschierer, „Kampf dem Atomtod", „Jahrgang 22" — geleistet worden. Darum ist es ganz gut, daß auch Ihre Reserveübung heute hier zitiert worden ist, damit das ausgewogene Bild der wehrfreudigen SPD

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    nicht darunter leidet.
    Nehmen Sie mir auch ein weiteres offenes Wort nicht übel: Ich nenne jetzt keinen Namen; aber Sie wissen, was ich meine. Ich bin nicht davon über-



    Strauß
    zeugt, daß alle Kriegsorden, vor allem auch alle hohen Kriegsorden etwa nur die Belohnung für besondere persönliche Tapferkeit waren. In den meisten Fällen ja. Es gab auch Fälle, wo sie für Führungsleistungen gegeben wurden. Es gab auch Fälle — ich habe sie im Felde kennnengelernt —, wo sie mit dem Blut der Untergebenen bezahlt oder erworben wurden. Aber tun Sie das Ihre — ich möchte das in dieser Debatte, nachdem es ja Gegenstand öffentlicher Darstellung geworden ist, doch sagen, aber nicht etwa in gehässiger Form vorbringen —, daß die Darbietung von hohen Orden, getragen von jungen Leuten prominenter Politiker, und das in dem Falle in Danzig bei der Verfilmung eines Stückes von Günter Graß, entweder überhaupt nicht erfolgt oder nicht veröffentlicht wird. Sie wissen, was ich meine.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie Herr Kollege Schmidt heute mit Recht festgestellt hat, heißt das Thema ja nicht nur: Vorgänge innerhalb des Verteidigungsministeriums. Die Dinge haben einen größeren Rahmen angenommen, sie heißen „Krise in der Bundeswehr". Ob das Wort Krise in dem Zusammenhang berechtigt oder nicht berechtigt ist, spielt gegenüber dem Umfang, den Optik und Akustik angenommen haben, fast keine Rolle mehr. Wir haben etwas Ähnliches neulich schon im Zusammenhang mit der Wirtschaftsdebatte gehabt: Es kann glaubhaft das Wort Krise umgehen, ohne daß in der Substanz dafür ein echter Ansatz da ist. Es können oft große Krisen ablaufen, ohne daß sie einer Minderheit auch nur zum Bewußtsein kommen.
    Aber — und ich beziehe mich hier auf eine dpa-Meldung —:
    Die Krise in der Führungsspitze der Bundeswehr war in den letzten Wochen für 60 % der Bevölkerung das wichtigste Ereignis in der Bundesrepublik. Von den Auseinandersetzungen haben, wie eine Repräsentativerhebung des Instituts für angewandte Sozialwissenschaften — IFAS — in Bad Godesberg ergab, 88 % gehört. Konkret werden darunter StarfighterAffaire, Rücktritt der Generäle Panitzki und Trettner und die Kontroverse über den Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel verstanden.
    Dann kommen weitere Wertungen. — Wir müssen also davon ausgehen, daß das eine „cause celèbre" ist, eine Angelegenheit, die im Inland wie im Ausland tiefe Wurzeln geschlagen hat.
    Um so angenehmer schien mir eine Stimme zu sein, die Stimme eines Mannes, der in hoher diplomatischer Position das deutsche Volk in seinen guten, in seinen arroganten, in seinen verzweifelten, in seinen schlechten und auch wieder in seinen besseren Tagen kennengelernt hat, nämlich die Stimme von André François-Poncet im „Figaro" vor einigen Tagen unter der Überschrift „Die Affäre der Generale". Er schreibt dort:
    Es ist Minister von Hassel, der sich hier
    — ich sage das bewußt, um wörtlich zu zitieren und nichts auszulassen —
    am wenigsten gut aus der Angelegenheit herausgezogen hat. Es ist nach ihm Kanzler Erhard, der in seiner Autorität und seinem bereits schwankenden Prestige getroffen wurde. Das Ende der Affäre ist noch nicht abzusehen. Auf alle Fälle wird der Zwischenfall nicht die Aufgabe der Prinzips der Vormachtstellung der zivilen Gewalt zur Folge haben. Das ist für die Bundesrepublik ein Dogma, an dem sie entschlossen festhält. Es ist nicht weniger wahr, daß im Anschluß an die Demission der Generäle die Dringlichkeit und Unerläßlichkeit der militärischen Reform der Bonner Republik klar wurde. Es ist auch klar, daß- die Mehrheit der Parlamentarier die Erneuerer — Offiziere wie de Maizière, Baudissin, Kielmannsegg — billigten. Die Episode läßt nicht den Schluß zu, daß der Wert der Bundeswehr geschwächt wurde. Trotz der Meinungsverschiedenheiten, die im Offizierskorps auftreten können, bleibt sie weiterhin ein Werkzeug ersten Ranges. Mit Ausnahme Sowjetrußlands ist sie die stärkste und solideste Armee Europas. Um zu einer gerechten Einschätzung der Affäre der Generale zu verhelfen, kann es nützlich sein, daran zu erinnern, daß in Frankreich die Dritte Republik Schwierigkeiten der gleichen Art gekannt hat.
    Ich zitiere das nicht aus irgendeinem Grunde, sondern um hier wieder die richtige Dimension herzustellen, daß nämlich in einem Land, wie z. B. Frankreich, dessen demokratische Substanz schon von der Struktur und von der Bevölkerung her niemand bestreiten wird, die Frage des Konflikts zwischen politischer Gewalt und militärischer Gewalt damals, bei der Regierungsübernahme de Gaulles, und später bei der Revolte gegen de Gaulle ganz andere Dimensionen hatte als etwa das, was hier zur Diskussion seht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht meine Absicht — ,das ist das gute Recht der Opposition —, nach Schuldigen zu fragen, in tiefgründige Untersuchungen einzutreten: Minister, Staatssekretär, Generale, Beamte usw. Aber Kollege Schmidt hat recht, wenn er heute sagte, man müsse die Dinge im Zusammenhang darstellen und dürfe nicht nur punktuell ein Problem herausgreifen. Man muß sie sowohl im zeitlichen wie im sachlichen Zusammenhang darstellen, und hier ist es gut, wenn in Zukunft vermieden wird — das gilt auch für das Echo auf Ausschußberatungen —, daß die Wiedergabe unerfreulicher Szenen der Öffentlichkeit in größter Länge und Breite dargestellt und damit eine sozusagen potenzierte Wirkung hervorgerufen wird. Es ist nicht gut, wenn die Bundeswehr oder — man kann es allgemein für jeden Staat sagen — wenn die Armee im Mittelpunkt kontroverser Debatten steht. Es ist nicht gut, wenn Parteien etwa gegen die Bundeswehr auftreten. Es wäre auch nicht gut, wenn Parteien, sei



    Strauß
    es aus diesem oder jenem Grund, zu Füßen der Bundeswehr lägen. Beides wäre gleich falsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die große Aufmerksamkeit aber, die diese Angelegenheit gefunden hat, und zwar im Inland wie im Ausland, beweist doch folgendes: einmal, daß in unserem Volk ein starkes Bedürfnis nicht nur nach wirtschaftlich-sozialer Sicherung, sondern auch nach außenpolitisch-militärischer Sicherheit besteht, daß beide Dinge eng zusammenhängen. Damit ist auch im Ausland — ich weiß es konkret aus den Vereinigten Staaten von Amerika die Frage nach dem Wert oder Unwert der Bundeswehr im Bündnis aufgeworfen worden. Das hat der Kollege Schmidt, glaube ich, ebenfalls angesprochen. Dabei billige ich dem Redner der Opposition hier einen größeren Bonus zu, als ein Redner der Regierung mit gelegentlich oppositionellen Instinkten für sich in Anspruch nehmen kann. Ich bedauere es, wenn Sie sagen, daß an der Spitze Schwäche oder Unzulänglichkeit und Fehlorganisation herrschten. „Der Kopf ist an allem schuld", hieß es heute etwa. Das sei der Grund, warum vom Starfighter bis zu den wollenen Decken alles nicht funktionieren könne. Und dann heißt es „Die Flugzeuge fallen herunter, die Schiffe gehen unter, und die Autos können weder herunterfallen noch untergehen, darum bleiben sie noch am Boden stehen." — Das ist nicht die Wiedergabe der Wirklichkeit in der Bundeswehr.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Damit ist auch ein Komplex angeschnitten. Ich habe vorher Quellen der USA erwähnt, die ich nicht namentlich nennen kann. Sie haben auch keine offenen Leserbriefe geschrieben, sonst würde ich sie erwähnen. Jene Quellen sagen: Es darf in der Bundesrepublik nicht so weitergehen, daß die öffentliche Erörterung zwischen Regierung und Opposition um die Bundeswehr herum allmählich auch Gesamtinteressen des Bündnisses berührt, weil nämlich die Bundeswehr eben doch einer der militärischen Eckpfeiler im europäischen Teil des atlantischen Gefüge s ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist einfach nicht wahr, Herr Kollege Schmidt, wenn Sie sagen, daß bei uns — Sie haben es nicht in bezug auf Luftwaffe und Marine gesagt, sondern in bezug auch auf die technische Ausstattung des Heeres — eben alles unendlich schlechter sei als in vergleichbaren Armeen unserer verbündeten Partner.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD.)

    — Sie sagten, daß das schlechter sei, unzulänglich sei, nicht vergleichbar sei mit dem. Ich konnte es nicht genau stenographisch mitschreiben, und ich habe das Protokoll nicht bekommen. Aber dem Sinne nach glaube ich es richtig wiedergegeben zu haben. Ich würde mich nicht scheuen, das zu korrigieren, wenn ich das dem Sinne nach gegenteilig oder erheblich falsch dargestellt hätte. — Das entspricht nicht der Wirklichkeit in der Bundeswehr, und das entspricht noch weniger dem Zustand, in dem sich die Teilstreitkräfte in den Armeen anderer Länder befinden. Wenn Sie sehen, mit welchen
    technischen Schwierigkeiten auch hochindustrialisierte Staaten wie Belgien, Holland ringen — betrachten Sie die Ausstattung der französischen Armee, die Ausstattung der italienischen Armee, auch die Ausstattung der britischen Armee —, dann werden Sie zwar nicht zu dem euphorischen Schluß kommen, bei uns sei alles in Ordnung; aber die technische Ausstattung der Bundeswehr erweist sich — abgesehen von einigen in sehr früher Zeit getroffenen fragwürdigen Entscheidungen — im Vergleich mit den anderen Streitkräften als vorzüglich und, ich möchte aus eigenem Urteil sagen, abgesehen von einigen Schwächepunkten im Durchschnitt mit den Vereinigten Staaten von Amerika mindestens vergleichbar, um keine höhergehende Aussage zu machen; ich würde sogar noch ein etwas positiveres Urteil fällen.
    In der Zone hat man natürlich mit Aufmerksamkeit verfolgt, ob sich Krisenansätze in der Bundeswehr ergeben, ob nach der Wirtschaftskrise auch die Militärkrise komme, weil das eben der unvermeidliche Ablauf der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sei. Ich weiß, daß man sich in der Sowjetunion ungefähr die Frage stellt: Läßt sich aus der ganzen Angelegenheit im Interesse der strategischen Zielsetzung Moskaus etwas herausschlagen? Ich weiß, daß man in Polen fragte: Ist das, was jetzt in der Bundeswehr vor sich geht, etwa wieder so ein Anklang an die Ära Seeckt oder an die Ara Schleicher? Diese beiden Namen werden von polnischer Seite aus — und hier nicht mit Unrecht — unter ganz bestimmten negativen Aspekten gesehen. Ich denke hier an die Denkschrift Seeckts nach dem ersten Weltkrieg und an die Haltung Schleichers. Wir können hier gerade auch im Interesse einer Normalisierung unseres Verhältnisses zu einem unserer östlichen — wenn auch noch nicht durch gemeinsame Grenzen mit uns verbundenen - Nachbarn sagen, daß diese Dinge mit Gedankengängen à la Seeckt oder auch à la Schleicher überhaupt nichts zu tun haben. Wir können das nicht deutlich genug aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann auch die ganze Vorgeschichte und Frühgeschichte der Bundeswehr, wie das auch Kollege Schmidt heute vormittag dargestellt hat, nicht wegschieben; man muß den Aufbau der Bundeswehr im Zusammenhang mit geschichtlichen Ereignissen und politischen Entwicklungen sehen. Hier muß man einmal sagen — obwohl es nicht neu ist —, daß wir im Vergleich zu anderen Nationen eine unglücklichere Geschichte haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Im Gegensatz zu den anderen, die eine ununterbrochene Tradition und eine Kontinuität haben, haben wir mindestens zwei Traditionsbrüche, und zwar Traditionsbrüche, die nicht Folgen der Sünden oder Verbrechen der Militärs waren, sondern Traditionsbrüche, die unvermeidliche Konsequenzen politischer Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit dieser Diskontinuität und ihren Folgen haben wir uns heute auch noch abzumühen.



    Strauß
    Ich möchte es nur in Stichworten sagen: Damals die Umstellung von der großen Armee des ersten Weltkrieges auf die Reichswehr, Dinge, die gerade in der Geschichte Ihrer Partei, der SPD, doch eine besondere Rolle gespielt haben. Ich habe gerade vor wenigen Tagen bei der Vorbereitung — nicht nur auf Geschäftsordnung oder auf Grundgesetz oder Bundeswehrorganisation — das Buch Noskes „Aufstieg und Niederlage der deutschen Sozialdemokratie" wieder gelesen. Ich will auch dazu noch ein kurzes Wort sagen. Eine Stelle aus diesem Buch ist mir so bemerkenswert erschienen, daß ich sie festgehalten habe. Sie möchte ich hier zitieren:
    In der Arbeiterschaft wurde ein verstiegener Antimilitarismus propagiert. Die Zeitschrift „Freie Jugend" war eine Ablagerungsstätte für Hetzereien gegen die Truppe und ein Sammelsurium von Notizen überstiegensten Pazifismus. Der Herausgeber begeiferte in einem Artikel „Weg mit dem neuen Heer" am 15. Juli 1919 die Truppe als die Zuflucht arbeitsscheuer Faulenzer aus den besseren Gesellschaftskreisen, ein Feld für Rohlinge aller Art und fragwürdiges Gesindel aller Bevölkerungsschichten.
    Leider haben wir vor und in den ersten Jahren der Aufstellung der Bundeswehr ähnliche Töne gehört.

    (Zuruf von der Mitte: Genau dieselben!)

    Diese Töne haben ohne Zweifel die richtige Einordnung der Bundeswehr in unsere gesellschaftliche und staatliche Ordnung, die von ihr gewünscht worden ist, gelinde gesagt: nicht gerade erleichtert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Ich behaupte nicht, daß Töne dieser Art jemals von dieser Stelle aus angeklungen sind; das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber wir haben sie draußen in schriftlicher und mündlicher Form kennengelernt bis zu der eigenartigen Formulierung, daß die Ausbildung in der Bundeswehr eine Art Schule für Berufsverbrecher sei.

    (Zuruf von der SPD: Und was waren die anderen? — Weiterer Zuruf: Das war aber Niemöller!)

    Wir müssen hier einen gemeinsamen Weg gehen, um eine gemeinsam tragende Basis für die Bundeswehr unseres gemeinsamen Staates zu haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich würde mich gegen Töne exessiver Art von der anderen Seite mit zum Teil unglaublichen Diffamierungsmethoden, von rechtsradikaler Seite, die darauf angewandt worden sind, genauso leidenschaftlich zur Wehr setzen; ich habe es auch getan.
    Ich darf diesen Überblick mit ein paar Sätzen abschließen.
    Auch die Rolle der Reichswehr in der Weimarer Republik ist nicht nur während der Weimarar Zeit, sondern auch nach dem Zusammenbruch 1945 von manchem zum Teil aus einem eigenen inneren Schuldbekenntnis heraus, das man nicht zugeben wollte, falsch dargestellt worden. Sicherlich bin ich
    als Zeuge weniger glaubwürdig, als es jemand anders ist. Ich empfehle Ihnen z. B. den Aufsatz von Golo Mann nachzulesen, den er im Jahre 1956 über das Thema „Macht und Ohnmacht der Generale" geschrieben hat. Mit diesem meinem Wort ist keine Absolution verbunden, aber auch die Feststellung, daß man den Generalen nicht mehr vorwerfen kann, als daß sie damals der jeweils für legitim gehaltenen Macht trotz gewisser Bedenken von dieser oder jener Seite ihre pflichtgemäße Unterstützung gegeben haben. Jedoch kamen die Fehler und Fehlentwicklungen von politischer Seite.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das Urteil, das Golo Mann hier abgibt, kann ich, weil die Zeit nicht reicht, nicht im einzelnen ausführen. Es ist eine Abrechnung mit Wheeler-Bennett: „Nemesis of Power". Er hat festgestellt, daß Herr Seeckt, der für mich sicherlich nicht zu den liebenswürdigen, sympathischsten Figuren der Weimarer Republik gehört, in seiner Gesamtbedeutung maßlos überschätzt worden ist, daß er in der Zeit, in der er einmal die volle vollziehende Gewalt hatte, den ihm von der Politik gegebenen Auftrag ausführte und dann gehorsam gegenüber dem Gesetz die Macht wieder abtrat. Alles andere darzulegen würde zu sehr in die Details führen.
    Bei uns gab es die bedingungslose Kapitulation. Nach 1918 hieß es verständlicherweise mit Recht: Nie wieder Krieg! Nach 1945 hieß es: Nie wieder Militär! Reeducation — reorientation! Das war ohne Zweifel eine einseitige Darstellung des deutschen Geschichtsbildes im Gesamtzusammenhang der Dinge, auch eine einseitige Verteilung der Gewichte der Schuld gegen den deutschen Soldaten.
    Niemand hat etwa versucht, eine Theorie aufzustellen, wonach ohne das Funktionieren der Reichswehr der zweite Weltkrieg nicht möglich gewesen wäre. Ich weiß, daß auch die Funktion der Reichsbahn anders war als die der waffentragenden Macht. Aber die Konzentration des nationalen Unglücks und auch der unter deutschem Namen begangenen Verbrechen auf die bewaffnete Macht hat sehr dazu beigetragen, daß das unter geschichtlichen Notwendigkeiten begründete Wiederentstehen einer bewaffneten Macht unter politisch-psychologischen Belastungen stand, deren Beseitigung heute teilweise gelungen ist, aber von allen Kräften dieses Hauses noch in vollem Umfang bewältigt werden muß, um das zu erreichen, was wir gemeinsam wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kam dann sehr rasch zu der Erkenntnis, daß der NATO-Grenzbereich — das ist die Bundesrepublik in Europa-Mitte — ohne den deutschen Willen zur Selbstverteidigung und ohne den konkreten Ausdruck dieses Willens nicht verteidigt werden kann.
    Kollege Schmidt und ich hatten vor wenigen Tagen eine Fernsehdebatte, bei der sich eine aus der Sache heraus kommende weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen ergab, auch die gemeinsame Überzeugung, daß eine Aufgabe deutschen Gebietes - etwa zurück bis zur Weser, zurück bis



    Strauß
    zum Rhein, zurück bis zum Atlantik — von keinem von uns gebilligt werden kann — sonst wäre die Bundeswehr und wäre der gesamte Bündnisapparat wirklich fehl am Platze —, daß der Begriff „Vorwärtsverteidigung" oder „Vorwärtsstrategie" von der Propaganda der anderen Seite vielleicht falsch dargelegt wird, daß wir beide aber darunter dasselbe verstehen, eben Verteidigung ganz weit vorn an der Demarkationslinie, wenn es, was Gott verhüten möge, zum Verteidigungsfall kommen sollte. Wenn aber das Urteil des militärischen Sachverstands, der heute hier in der Rede des Kollegen Schmidt sehr groß geschrieben worden ist, allseits so ernst genommen werden muß, wie es hier heute geschehen ist, dann darf man das Urteil der militärischen NATO-Stäbe und ihrer Befehlshaber nicht in den Wind schreiben, wonach eine Gesamtzahl von 30 Divisionen die Aufrechterhaltung eines flexiblen Arsenals und damit die Erreichung des Verteidigungszieles Nr. 1, nämlich den Ausbruch eines Krieges in jeder Form zu verhindern, glaubhaft gewährleistet. Wenn man damit die Wirklichkeit vergleicht — es ist ja kein Geheimnis, daß es bei wohlwollender Berechnung 24 sind und daß 12 davon deutsche Divisionen sind —, muß man heute fragen: Wer hätte sie denn unter den damals gegebenen oder den in der Zwischenzeit eingetretenen Umständen gestellt, wenn sie notwendig sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man muß auch sagen, daß der damalige Entschluß, so umstritten er in diesem Hause über Jahre hinweg war, richtig war. Wenn er damals nicht gefaßt worden wäre, — heute, 20 Jahre nach dem Kriege, könnte dieser Entschluß nicht mehr oder wahrscheinlich nur unter ungleich größeren Schwierigkeiten gefaßt werden. Heute bläst uns ja der Wind ins Gesicht. Das sei hier nur zum Ablauf der Ereignisse dargestellt. Wenn aber das militärische Urteil, nicht auf das Alles-oder-Nichts, auf die sogenannte massive retaliation, auf die totale Vergeltung, auf den Schlag mit den großen Atomwaffen abzustellen, eine absolut zwingende Überzeugungskraft hat, wenn die Wandlung der NATO-Strategie zur flexible response, die ein größeres Arsenal militärischer Möglichkeiten erfordert, richtig ist und wenn das militärische Urteil der Kommandierenden Generale im Verteidigungsministerium von der Opposition so ernst genommen wird, wie das heute morgen geschehen ist, dann nehmen Sie bitte auch das Urteil der verantwortlichen amerikanischen, englischen, französischen, deutschen und anderen NATO-Befehlshaber genauso ernst und erkennen Sie an, daß eine Verteidigung der Bundesrepublik ohne den rechtzeitigen Aufbau der Bundeswehr — unter Inkaufnahme mancher Schwächen und Fehler — jedenfalls im Sinne eines beweglichen militärischen Instruments und damit im Sinne der Vermeidung einer sehr niedrigen Atomschwelle nicht möglich gewesen wäre!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Aufbau vollzog sich — das muß ich betonen — unter ungewöhnlichen außen- und innenpolitischen Umständen: Deutschland geteilt, Europa gespalten, latente Aufrüstung der Zone. Die Bundeswehr stand ja von vornherein unter der Belastung: Sind wir eine Bürgerkriegsarmee? Das war doch das Thema, mit dem man sich hier und anderswo zu beschäftigen hatte. Hinzu kam der schärfste Druck Moskaus gegen die deutsche Aufrüstung; dazu das gefährliche Wort „Remilitarisierung"; denn „Remilitarisierung" heißt eigentlich Wiederherstellung militaristischer Gesinnungen und Zustände. Was wir getan haben, war die Herstellung eines Minimums an militärischer Verteidigungsfähigkeit und damit Bündnisfähigkeit, aber nicht ein Akt der Remilitarisierung.
    Dann sollten wir nicht sofort in die NATO aufgenommen werden, weil wir noch nicht wieder freigesprochen waren, noch nicht die Absolution erhalten hatten. Dann scheiterte die EVG. Als Ersatz dafür sind wir gleich in die NATO aufgenommen worden. Ich darf daran erinnern, was sich damals in Koblenz befand. Da lagen nebeneinander zwei Dienststellen: die eine hatte für den Vollzug der totalen Abrüstung zu sorgen, und die andere hatte zu gleicher Zeit schon die nötigen Vorkehrungen für den baldigen Beginn der Wiederaufrüstung zu treffen. In diesem geistigen, psychologischen und politischen Klima vollzog sich damals der Aufbau der Bundeswehr. Und dann kommen die großen Forderungen der politischen und militärischen NATO-Stäbe und der Bundesgenossen an die Bundesrepublik.
    Herr Kollege Schmidt, an dieser Stelle muß ich mich mit Ihnen über einen Punkt auseinandersetzen. Sie haben heute im Zusammenhang mit Nagold — das sei jetzt vorbei — und in Zusammenhang mit dem Starfighter davon gesprochen: Ja, doppelt so viel, als wir überhaupt hätten verkraften können; der ganze Aufbau ,der Bundeswehr zu groß; zu ehrgeizige Planung, zu weit gesteckte Ziele usw. Hier muß ich wirklich einmal fragen: Was ist denn angesichts unserer Bevölkerungszahl, unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit — sie sei niedrig, aber noch objektiv angesetzt —, angesichts unserer finanziellen Ertragskraft unter Einrechnung der sozialen Kriegsfolgelasten ein dem Bundesgenossen zumutbares und für die Deutschen erträgliches Maß? Ich wende hier wahrlich nicht den Maßstab wie die Vereinigten Staaten von Amerika an, die nach einer vorübergehenden Phase weitgehender Abrüstung — aber bei 180 Millionen Einwohnern — immer Streitkräfte in Stärke von rund 3 Millionen Mann — manchmal sind sie auch auf 2,8 Millionen Mann heruntergegangen — unterhalten haben; dazu 1 Million Zivilisten. Heute sind sie wieder bei 3,7 bis 3,8 Millionen Mann und 1,2 Millionen Zivilisten, einem Gesamtapparat von 5 Millionen Mann. Wir hoffen, daß diese Dinge nach dem von jedem schon aus humanitären Gründen zu wünschenden Abschluß des Vietnam-Krieges wieder auf ein geringeres Maß zurückgehen werden.
    Aber selbst bei der Normallage, lange vor dem Vietnam-Krieg, haben die Amerikaner etwa 1,5 % ihrer Bevölkerung unter Waffen gehabt. Dabei sind auf 3 Millionen Soldaten etwa 1 Million Zivilisten gekommen. Ich verhehle nicht, daß es in manchen



    Strauß
    Besprechungen im kleinsten Kreise harte Auseinandersetzungen darüber gegeben hat, wenn ich den Standpunkt vertreten habe, daß für uns ein gleicher Schlüssel nicht anwendbar sei. Es gab schon harte Auseinandersetzungen wegen des Zurückschraubens unserer Forderungen, wegen des Zurüdcschraubens unserer Zusagen, nämlich von 500 000 Mann in drei Jahren auf 350 000 Mann in fünf Jahren, mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 50 000 bis 55 000 Mann nach dem ersten Jahr, einer Zuwachsrate, die aber immerhin noch so groß war, daß man manche Schwächen und Nachteile in Kauf nehmen mußte.
    Wenn ich Sie aber jetzt richtig verstehe, meinen Sie, daß die Luftwaffe etwa halb so groß und das Heer halb so groß sein sollten. Ich weiß nicht, wieviele Schiffe die Marine haben darf, Schiffe, die natürlich untergangssicher sein sollen. Ich jedenfalls glaube nicht, daß das, was dabei herauskommt, eine im internationalen Maßstab vorzeigbare und nach fairen Vergleichsmaßstäben mit den anderen erträgliche Leistung ist. Ich glaube, daß wir durchaus in der Lage sind, bei einer Bevölkerung von 55, 56 Millionen Menschen 0,9 % der deutschen Bevölkerung im Dienste der militärischen Verteidigung als Uniformträger zu haben, und daß auch der damit verbundene Anteil, sei es des Sozialprodukts, sei es des Steueraufkommens — nach den USA, Großbritannien und Frankreich stehen wir etwa an vierter Stelle — die deutsche Leistungsfähigkeit nicht übersteigt. Man muß ja auch einfach der Wahrheit halber sagen, daß wir schon von uns aus gegenüber der uns vorgeschlagenen NATO-Planung von vornherein den Umfang der Luftwaffe in unserer Zusage um ein Drittel vermindert haben. Sollte unsere Leistungsfähigkeit, Kollege Schmidt, so gering sein, daß wir eine Bundeswehr von 450 000 Mann, mit 700 Flugzeugen einer modernen Hochleistungsluftwaffe, technisch, finanziell, leistungs- oder ausbildungsmäßig nicht verkraften könnten? Ich weigere mich, das zu glauben, ohne daß ich hier ambitiöse Gedankengänge oder ehrgeizige Ziele verträte. Wir sind sowieso an der unteren Grenze gewesen.
    Ich möchte hier nicht die Polemik, die kritischen Worte von vorhin, wieder aufgreifen. Ich habe es einmal bei der Starfighter-Debatte anklingen lassen. Sie wissen doch ganz genau — und die deutsche Öffentlichkeit weiß es auch noch —, unter welcher Belastung wegen der Kontroverse zwischen den großen staatstragenden Parteien die erste Phase des Aufbaus der Bundeswehr stand. Ich darf Sie nur an etwas erinnern, was mich damals getroffen hat; ich habe es einmal nachgeschlagen und gestern wieder bestätigt gefunden. Es war nicht irgendein Ortsverband — Buxtehude, irgendwo —, sondern es war der Parteivorstand Ihrer Partei — —

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Nehmen wir statt Buxtehude Apfelhausen oder so etwas.

    (Abg. Majonica: Vockenhausen! — Heiterkeit.)

    — Nein, Vockenhausen nicht, Kollege; „Carlo" ist ja auch kein Ort.
    Damals wurde ein Plakat vertrieben — ich sage es nur wegen der Frage der Eingliederung der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft —: links der Kopf von Ulbricht, rechts der Kopf von Adenauer, darunter der gleiche Appell: „Volk ans Gewehr!" Das mußte doch viele Leute, die Ihnen politisch nahestanden, davon abhalten, ihre Person, ihr Können und ihre Leistungsfähigkeit der neu im Aufbau begriffenen Armee zur Verfügung zu stellen, oder in Gewissenskonflikte bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Ich zitiere jetzt aus einem Aufsatz des Jahres 1965 in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" : Erschwerung der Wiedervereinigung, Gefahr der Entwicklung einer aggressiven Außenpolitik, Gefährdung des sozialen Standards der Arbeitnehmerschaft, falsche Verwendung erheblicher finanzieller Mittel, Gefahr des Militarismus im weitesten Sinne, Gefahr der Entwicklung der Bundeswehr zum Staat im Staate, Angst vor einem Einsatz der Bundeswehr im innenpolitischen Bereich gegen die Gewerkschaften. Das sind die Themen gewesen, unter denen damals die Bundeswehr gewissermaßen wie unter Vorbelastungen stand, und ich behaupte nicht, daß die Furcht von damals etwa völlig unbegründet und maliziös war, sozusagen nur aus demagogischen Gründen vom Himmel heruntergeholt war. Sie hat viele objektive oder auch nur subjektive Begründungen in gewissen Vorgängen der früheren Jahrzehnte gehabt.
    Ich sage das nur, um zu beweisen, wie schwer es diese Bundeswehr trotz bestem Willen der Offiziere und der Unteroffiziere, der Berufssoldaten und der Freiwilligen von damals vom ersten Augenblick an hatte, ihren richtigen Standort zu gewinnen. Was die Frage des Verhältnisses zwischen Bundeswehr und Sozialismus, demokratischem Sozialismus, Bundeswehr und Arbeiterbewegung angeht, begehe ich keine unobjektive Feststellung, wenn ich sage, daß von seiten der Soldaten die Arme eher und weiter geöffnet waren als von seiten der anderen. Wir hätten gewünscht, daß beides gleich gewesen wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Herr Kollege Mick!



Rede von Josef Mick
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Strauß, Sie sagten: Bundeswehr und Arbeiterbewegung. Müßte das nicht heißen: sozialistische Arbeiterbewegung?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich wollte damit sagen, lieber Herr Kollege Mick, daß es in der Geschichte des Verhältnisses zwischen Arbeiterschaft und Armee vor dem ersten Weltkrieg hauptsächlich in der sozialistischen Arbeiterbewegung — aber nicht nur — gewisse Vorbehalte und Vorbelastungen gab. Wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollen, daß Arbeiterbewegung nicht identisch ist mit sozialistischer Arbeiterbewegung, dann darf ich in diesem Fall als



    Strauß
    Parteiredner auch sagen, daß unser Anteil an dieser Bewegung so erheblich ist, daß wir ohne sie die bisherigen Mehrheiten nicht hätten erzielen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Kollege Schmidt sagte heute morgen, man dürfe der Bundeswehr und den Generälen keinen Maulkorb umhängen außer in den Fragen ihres eigenen dienstlichen Bereichs oder in Urteilen über ihre Vorgesetzten. Ich freue mich über diese Erkenntnis. Als aber vor sechs Jahren führende Offiziere der Bundeswehr auf Grund eines ganz bestimmten Vorgangs, nämlich einer parteipolitischen Propaganda in den Kasernen gegen unsere Verteidigungskonzeption eine Denkschrift machten, da lautete es ganz, ganz anders.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Denkschrift ist nicht, wie man vermutete, auf meinen Befehl hin entstanden, aber mit meinem Wissen und mit folgender Vorgeschichte. Es wurde in den Kasernen an unsere Freunde in der Bundeswehr eine Denkschrift verbreitet, in der es dem Sinn nach hieß: NATO-Politik, Wehrpflicht, Atomwaffenpolitik, — das ist nicht eine Forderung der Fachleute, sondern das ist nichts anderes als . der Ausdruck der ehrgeizigen, von den Fachleuten nicht gebilligten Wehrpolitik der Bundesregierung. Daraufhin wollten wir wissen, wie die Fachleute denken. Heute sind Sie auch alle Fachleute geworden. Darum denken wir als Fachleute alle gemeinsam. Es gibt in dem Fall nur mehr Experten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn wenn man heute ja sagt zur NATO, dann ist man beinahe ein Opportunist. Wenn man manche Kritik an der NATO äußert, gerät man schon in Gefahr, ein riskanter Rennfahrer zu werden.

    (Heiterkeit.)

    Aber damals lagen die Verhältnisse genau umgekehrt. Sie werden auch heute noch kaum einen Fachmann oder einen militärischen Führer der Bundeswehr finden, der nein zur Wehrpflicht sagen würde.
    Man kann sehr wohl wegen der kommenden technischen Anforderungen der Meinung sein — ich drücke mich ganz vorsichtig aus —, daß wir vom Jahr 1970 oder 1972 an an eine grundsätzliche Reform unserer gesamten Wehrverfassung herangehen müssen. Ob die Jahreszahlen genau stimmen oder nicht, weiß ich nicht. Aber um diese Zeit herum könnte der Zeitpunkt liegen, an dem man zwei ganz verschiedene Elemente der Verteidigung aufbauen muß, und damit erheben sich auch gewisse Fragen. Aber daß wir ohne Wehrpflicht niemals hätten das aufbauen können — vom Psychologischen bis zum Pragmatischen —, was aufgebaut worden ist, steht außer jedem Zweifel.
    Das Dritte war das Vorhandensein taktischer Atomwaffen für das Gefechtsfeld, ein sehr umstrittenes Thema. Aber es geht ja jetzt nicht um die Frage „Kontrolle", es geht nicht um die Frage „amerikanisches oder französisches, europäisches oder atlantisches Bündnis" und schon gar nicht um die Frage „national". Daß das Vorhandensein dieser Waffen erforderlich ist, um ihre Nichtanwendung
    von der anderen Seite zu erzwingen, gehört heute auch schon zum allgemeinen Überzeugungsgut. Aber als damals alle Inspekteure, Generäle und Admiräle diesen Gedanken zum Ausdruck brachten, da war es der Vorgänger des Herrn Wienand, der damals sagte, das sei der erste massive Eingriff der Generäle in die Politik gewesen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Und ich glaube nicht, daß es dann, wenn die Generäle etwas sagen, was mit dem damaligen Konzept von Ihnen nicht übereinstimmte, eine unverschämte Einmischung in die Politik ist, daß diese Generäle aber dann, wenn sie am jeweiligen Verteidigungsminister Kritik üben, die Helden der Demokratie sind, denen man keinen Maulkorb umhängen darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Man soll Einzelerscheinungen nicht verallgemeinern. Das gilt für uns, das gilt für Sie, das gilt auch für die Bundeswehr. Beispielsweise las man im Mitteilungsblatt einer Industriegewerkschaft — es bandelt sich um die IG Metall —, also in den IG-MetallMitteilungen in Stuttgart vor einiger Zeit, das beste wäre, man würde mit dem ganzen Unsinn, genannt Bundeswehr, überhaupt aufräumen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wenn der Vorsitzende der IG Metall in einem Aufsatz oder in einer Rede zum Ausdruck brachte: unter keinen Umständen darf die Tradition der Reichswehr wieder aufleben, niemals darf die Bundeswehr zum Staat im Staate werden — so billige ich diese Auffassung, aber es bestand im Jahre 1965 nicht der leiseste Anlaß mehr, eine solche Meinung auszudrücken, eine solche Warnung zu veröffentlichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Ich könnte noch mehr Beispiele dieser Art bieten; es hat keinen Sinn.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Aber Sie wissen, was ich damit zum Ausdruck bringen will, und das ist ja gerade der profilierte Wunsch, die Bundeswehr nicht für eine bestimmte parteipolitische Richtung, gewissermaßen als Ausdruck, als Organ ihres Willens oder ihrer politischen Willensbildung, zu reservieren,

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    sondern die Bundeswehr auf eine Basis zu stellen, die mit gleicher Liebe — Herr Helmut Schmidt hat das Wort gebraucht — und mit gleicher Achtung von allen Parteien getragen wird, und sie damit aus dem Streit der politischen Richtungen herauszuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute haben sich mit Recht alle Redner gegen diese törichten Worte vom „Aufstand der Generäle" und ähnliche Dinge gewandt. Ich kann aus eigener Überzeugung sagen, daß ich weder in meiner Amtszeit noch nachher einen einzigen General kennengelernt habe, der, sei es offen — was er vielleicht



    Strauß
    nicht getan hätte — oder versteckt, das, was man „Primat der Politik" nennt, jemals in Zweifel gezogen hätte. Darum sind Äußerungen, daß man den „Primat der Politik" hätte wiederherstellen müssen, absolut deplaciert. Alle reißerischen Überschriften oder tiefsinnigen Erklärungen dieser Art gehen am Kern vorbei. Der Vorrang der politischen Führung, die Anerkennung des Primats der Politik stand nicht und steht nicht zur Diskussion und wird nicht zur Diskussion stehen, solange dieses Haus und diese Demokratie funktionsfähig sind.
    Herr Kollege Schmidt hat davon gesprochen, in der Bundeswehr werfe man die Frage auf: Haben denn nicht Ehre und Ansehen der Soldaten gelitten? Hat nicht unser soziales Prestige darunter gelitten? Sind wir eine ungeliebte Armee? Lehnt die Gesellschaft uns denn nicht ab? — Wir können für uns ruhig in Anspruch nehmen, daß Ehre und Ansehen der Bundeswehr und des anständigen deutschen Soldaten für uns nie ein Gegenstand des Zweifels gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Wir haben das Ja zu dieser Bundeswehr auch nicht gegeben und wir haben sie nicht durchgesetzt, um sie dann zur ungeliebten Armee zu erklären oder um sie als ein unwillkommenes Element unserer Gesellschaftsordnung zu betrachten. Kollege Helmut Schmidt, mit wem haben Sie sich denn hier auseinandergesetzt?

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Mit Ihrem Bundeskanzler! — Gegenrufe von der CDU/ CSU: Mit Ihrer eigenen Vergangenheit!)

    — Wenn Sie sagen, bei diesen Äußerungen hätten Sie sich mit dem Bundeskanzler auseinandergesetzt, so ist das doch eine Betrachtungsweise, die nicht ganz glaubwürdig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daß der Bundeskanzler nicht alle Elemente militärischen Denkens und Fühlens in sich verkörpert, möchte ich Ihnen ausdrücklich bestätigen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

    Daß der Bundeskanzler ein anderes Verhältnis, ein
    — so darf ich vielleicht sagen — etwas niedrigerprozentiges Verhältnis zur militärischen Macht hat, als Sie es an seiner Stelle haben würden, Herr Kollege Schmidt, möchte ich Ihnen persönlich auch noch bestätigen. Mit Ihnen könnte ich kaum konkurrieren — trotz allem, was über mich alles gesagt worden ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Anführung der Fragen „Ehre und Ansehen",
    „soziales Prestige", „ungeliebte Armee", „Gesellschaft lehnt uns ab", Herr Kollege Schmidt, das war
    — ich erkenne das sehr an, aber bitte, halten Sie das auch durch — eine Abrechnung mit ganz gewissen Gruppen und Kreisen, die mehr in Ihren Reihen als in der Umgebung des Bundeskanzlers zu suchen sind.

    (Lebhafter anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und weil heute die Rede von einem Gewerkschaftserlaß war, wo Sie ohne Zweifel materiell recht haben: es gibt keine Einschränkung der Koalitionsfreiheit für den Soldaten. Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten, nämlich entweder keinen Verband innerhalb der Kasernen werben und organisieren zu lassen oder alle mit dem gleichen Recht zu behandeln. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Ob man sich besser für das eine oder für das andere entschieden hätte, darüber will ich jetzt nicht urteilen. In der bayerischen Bereitschaftspolizei hat man sämtliche Verbände aus den Kasernen und auf die umliegenden Installationen verwiesen.
    Aber warum sage ich Ihnen das, Herr Kollege Schmidt? — Nach meiner Kenntnis der Dinge gibt es heute von seiten der Bundeswehr keine grundsätzlichen Vorbehalte oder inneren Ressentiments mehr gegen die organisierte Arbeiterbewegung. Das mag bei der Reichswehr der Fall gewesen sein; das mag beim Offizierskorps der Großen Armee vor dem Ersten Weltkrieg der Fall gewesen sein. Heute ist es aber nicht mehr der Fall. Gerade deshalb wünschen wir, daß die organisierte Arbeiterbewegung — sozialistisch oder nicht sozialistisch — ein solches Verhältnis zu dieser Bundeswehr hat, daß diese sich getragen und geborgen fühlen kann und sich nicht einmal umworben und ein anderes Mal dann wieder getreten vorkommen muß; denn damit erzeugt man dann Verklemmungen und Ressentiments, die sich dann staatspolitisch absolut falsch auswirken würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich sage Ihnen, worum es geht. Es geht um die Stellung des Soldaten in Gesellschaft und Staat, und zwar gegenüber allen soziologischen Elementen dieses Staates und unserer Nation, es geht um ein zweckmäßiges und sachgerechtes Verhältnis von Zielsetzung, Auftrag, Mittel und Vollmacht, und es geht um eine glaubhafte, überzeugende strategische Verteidigungskonzeption. Wir leben in einem Zeitalter der großen technologischen und soziologischen Veränderungen. Wesen und Auftrag des militärischen Elements sind davon stark berührt. Der Soldat ist kein Übermensch. Von Preußens Gloria bis zur Atombombe ist ein weiter Weg. Die Zeit, als der Leutnant hoffähig war, der normale Universitätsprofessor aber nicht, gehört endgültig der Vergangenheit an.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Der Soldat darf aber auch nicht als ein potentieller Untermensch angesehen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und je mehr das von Leuten geschieht, — —

    (Zurufe von der SPD: Wem sagen Sie das? — Weitere Zurufe von der SPD.)




    Strauß
    — Ich sage: der Soldat ist kein Übermensch und darf nicht als potentieller Untermensch angesehen werden; und am wenigsten darf das von seiten derer geschehen, die als freiwillige Mitglieder des für sich mit Alleinpacht in Anspruch genommenen Klubs des Geistes eine besondere Verantwortung für Staat und Gemeinschaft zu haben behaupten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundeswehr braucht nicht Lieblingskind der Nation zu sein. Sie darf aber auch nicht Stiefkind und Fürsorgezögling sein. Die Bundeswehr ist ein natürlicher und normaler Bestandteil unserer demokratischen Ordnung in Staat und Gesellschaft. Könnten wir uns deshalb nicht vornehmen — und ich schaue Sie an, Herr Kollege Wienand —, in unserem Sprachschatz ein Wort zu streichen, nämlich: Wir dürfen die Bundeswehr nicht überfordern, wir müssen der Bundeswehr helfen, wir müssen mehr Verständnis für die Bundeswehr aufbringen. Man gebe ihr die Stellung in Staat und Gesellschaft, die sie braucht, man gebe ihr ein zweckmäßiges und sachgerechtes Verhältnis von Zielsetzung, Auftrag und Mittel, man verhänge über sie eine scharfe politische Kontrolle, man gebe ihr aber auch das Vertrauen, damit sie in Ruhe und ohne dauernde Exhibition der letzten Einzelheiten ihrem Auftrag gerecht werden kann!

    (Beifall bei dier CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Es war ein bitterer Weg, und ich darf erinnern,
    was immer das Echo war, wenn man anfing, der Bundeswehr inneres Selbstbewußtsein und äußerlich das Minimum an Selbstdarstellung zu geben, das sie braucht. Ich möchte gerade hier an einen Namen mit Dankbarkeit erinnern, nämlich an Ihren Namen, Herr Kollege Carlo Schmid, weil Sie, gleichgültig, wie die Zeitläufte waren und wie die Meinungen um Sie herum waren, immer, was Tradition oder äußere Rangabzeichen angeht, eine Haltung eingenommen haben, die auch mich ermutigt hat, gewisse Dinge, vielleicht mit etwas weniger Glanz, als Sie es sich vorgestellt ,haben, zu verfolgen. Aber wenn ich daran denke, welche Uniform man dieser Bundeswehr am Anfang gegeben hat, damit sie einen „demokratischen Mustersack" trägt!

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich daran denke, welches Spektakel sich erhoben hat, als man alsolut unmögliches Schuhwerk durch normale Stiefel ersetzte! Da marschierte schon wieder der Knobelbecher kreuz und quer durch Europa. Wenn ich daran denke, was da immer von Glanz, Gold und Sternen die Rede war, wenn man nur halbwegs normale Rangabzeichen statt unvollendeter germanischer Runen verliehen hat!
    Dazu gehört auch, daß Vorfälle in der Bundeswehr nicht verallgemeinert werden dürfen. Wenn ein Bundeswehrsoldat einmal etwas ausfrißt, dann war das noch lange nicht die Bundeswehr. Jeder andere Berufsstand würde sich das verbitten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und warum denn Belehrung, Kontrollen, schriftliche Absicherung, Herr Kollege Schmidt? Sie wissen doch ganz genau, warum: weil, wenn irgendwo etwas passiert, unter dem Druck einer geradezu terroristischen Aufmerksamkeit und Konzentration auf diesen Vorgang von der Presse bis zum Abgeordneten, vom Wehrbeauftragten bis zum Parlament, vom Staatsanwalt bis zu Sonderorganen dann alles mobilisiert wird, weil damit eine innere Lähmung, Resignation, geradezu eine Paralyse der Entschlußfähigkeit erzeugt wird, die dann zu diesen Erscheinungen führt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Vieles läßt sich vermeiden durch ein Mehr an Dienstaufsicht und durch eine Überwachung der Einhaltung der Dienstaufsicht der vorgesetzten Vorgesetzten gegenüber den untergebenen Vorgesetzten, wenn ich mich so ausdrücken darf. Aber hier erlebt man ja heute manchmal Dinge! Sie sind zum Glück nicht mehr so allgemein, wie sie zu werden schienen. Man setzt z. B. Baden nicht etwa als Dienst an. Wenn nämlich Baden auf dem Dienstplan steht und etwas passiert, dann kommt die Sache vor den Staatsanwalt. Darum gibt man zweieinhalb Stunden dienstfrei, stellt einen Lastwagen zur Verfügung und stellt anheim, zum Baden zu gehen. Wenn dann einmal etwas passiert, dann ist keine Dienstaufsicht gegeben, damit keine dienstaufsichtliche Verantwortung gegeben, und damit sind Presse, Parlament, Wehrbeauftragter und Staatsanwalt zunächst einmal heraus.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das führt dann auch dazu, daß hohe Generale, Divisionskommandeure, Kommandierende Generale sich schriftlich bestätigen lassen, daß die Anregungen, die Belehrungen, die von oben nach unten rieseln, auch tatsächlich weitergegeben werden, damit der Segen der Verfolgung dann vor ihrer Türe haltmacht und bis in ihre Türe eindringt. Auch das wissen wir.
    Der Soldat ist auch nicht — und wir müssen das Bild einmal korrigieren — Bürger in Uniform schlechthin. Ich bitte, das Wort nicht falsch zu verstehen. Ein Bürger in Uniform ist z. B. ein Eisenbahner oder ein Postbeamter. Das sind sehr ehrenwerte Berufe. Aber der Soldat ist immerhin ein Bürger in Uniform sui generis, ohne jeden Zweifel, und der militärische Dienst, etwa des F-104-Piloten, ist eben — ohne Werturteil gesprochen — anderer Art als z. B. der Dienst eines in unserer Gesellschaftsordnung auch unbedingt notwendigen Omnibusfahrers. Damit geht Hand in Hand die Erarbeitung und Vertretung eines wahrhaftsgemäßen Geschichtsbildes: weder idealistische Schönfärberei noch präfabriziertes Vorurteil.
    Und jetzt wage ich etwas zu sagen, was über das hinausgeht, was der Kollege Helmut Schmidt gesagt hat; aber wollen wir uns doch gegenseitig nichts vormachen. Verfassungsänderungen und Wehrgesetzgebung jener Jahre, der Jahre, von denen heute die Rede war, standen nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer von Vorbelastungen



    Strauß
    freien, von geschichtlichen Reminiszenzen und von Kontrastprogrammidealen entblößten, einem sozusagen wertfrei gemachten Gesichtspunkt der zweckmäßigsten und sachgerechtesten Verteidigungskonzeption allein. Es war nicht nur eine Militärkonzeption, es war bis zu einem gewissen Grade auch, von der Vergangenheit her und ohne Erfahrung mit der Bundeswehr der Zukunft gesprochen, eine Vorsichtskonzeption; ich möchte nicht sagen, eine „Antimilitärkonzeption", aber: eine Vorsichtskonzeption. Aber nach zehn Jahren, nach dem, was heute Herr Kollege Schmidt gesagt hat, nach dieser großartigen Laudatio auf die Meinungen und die Zuverlässigkeit der Generale — die ich teile —, können wir ruhig an eine Überprüfung der Elemente unserer Wehrgesetzgebung und Wehrverfassung herangehen,

    (lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    die nach zehnjähriger Erfahrung ohne das leiseste politische Risiko unternommen werden kann. Und dann hoffen wir, daß der überzeugenden Kraft Ihres Vortrages von heute morgen, Herr Kollege Helmut Schmidt, die Einstimmigkeit Ihrer Fraktion bei den praktischen Entscheidungen als andere Seite der Medaille entsprechen wird.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zudem gibt es eben eine Reihe von organisatorischen und technischen Problemen. Wir werden bei uns um die Anwendung der Methoden der Unternehmensforschung nicht mehr länger herumkommen; sie müssen zur Lösung einer Reihe von Problemen angewandt werden.
    Frage der Stellvertretung im Oberbefehl! Herr Kollege Helmut Schmidt hat das Thema heute angesprochen. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, weil ich mich dazu verpflichtet fühle — gerade auch nach dem, was Herr von Hassel sagte —, daß ich den heutigen Staatssekretär Gumbel, den ich als Leiter der Personalabteilung übernommen habe, immer als einen pflichtbewußten, hochqualifizierten, anständigen und tüchtigen Beamten kennen- und schätzengelernt habe.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich mache aus meiner unabhängigen Meinung keinen Hehl. Ich habe einmal den Streit gehabt in der Zeit des Generalinspekteurs Heusinger und des Staatssekretärs Hopf, und ich muß beiden das ehrenvolle Zeugnis ausstellen, daß sie sich bei der Erledigung dieses Gegensatzes vorbildlich benommen haben, als ich zum Ausdruck brachte, daß nicht eine Rechtsquelle so niedriger Art — ich meine: eine Rechtsquelle so geringfügiger Art, wie es die Geschäftsordnung der Bundesregierung gegenüber der Verfassung ist — schon automatisch die Stellvertretung in allen Funktionen begründet, und habe zu unterscheiden versucht zwischen der Funktion des Inhabers der Kommandogewalt, des Oberbefehlshabers der Bundeswehr, und der Funktion des Ministers in den Routineangelegenheiten des Ministeriums, weitgehend auch mit sachlichen Entscheidungen, die unter Umständen sehr großen Umfang annehmen können. Aber wenn diese Sache
    expressis verbis geregelt, wenn sie kodifiziert wird, muß die Stellvertretung im Oberbefehl in politischen Händen liegen; in welcher Form, das ist dann eine Frage, die ich nicht etwa durch meine Meinung hier präjudizieren möchte.
    Natürlich gibt es einen Gegensatz Soldaten und Beamte. Aber, lieber Herr Kollege Schmidt, wenn Sie davon sprechen, daß Intrigen, bürokratische Stellungskämpfe usw. im Ministerium stattfänden: sagen Sie mir eine menschliche Institution, sagen Sie mir eine politische Partei — und behaupten Sie es ja nicht von der Ihren —, sagen Sie mir eine Vereinigung, sagen Sie mir eine wirtschaftliche Gemeinschaft, in der es nicht Menschliches und Allzumenschliches gibt,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    in der nicht gekungelt, in der nicht gerungen wird.
    — Aber es ist ja gar nicht so wie seinerzeit an der
    Südtirolfront am Col di Lana, daß in unterirdischen
    Minenstellungen da die Beamten und dort die Soldaten liegen. — Das gleiche gibt es auch zwischen den Beamten und zwischen den Soldaten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Sie sind doch Innensenator gewesen. Wenn das in Ihrer Verwaltung nicht der Fall war, dann wird Ihre Verwaltung nachträglich zu einer Genossenschaft von Engeln erklärt.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe noch keine solche Verwaltung gesehen.
    Es ist auch nicht die Frage der demokratischen Zuverlässigkeit zur Diskussion gestellt, weder bei den Soldaten noch bei den Beamten. Man kann ruhig sagen, die alten Offiziere haben umgelernt, und die neuen sind mit diesem Staat und seiner soziologischen, politischen, psychologischen Wirklichkeit aufgewachsen.
    Was ist denn das Problem? Sie haben es ja heute angesprochen. Vielleicht kann ich es noch eine Nuance deutlicher sagen: Das Problem ist, daß Verantwortung und Vollmachten sich entsprechen müssen — das ist das eine — und daß die hohe Kunst der in Amerika, aber auch in England und anderswo entwickelten Teamarbeit bei uns mit unseren ganz anderen traditionellen, geistigen und geschichtlichen Grundlagen leider noch nicht in dem notwendigen Maße erlernt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Also Verantwortung und Vollmachten, klare Befehlsstränge, aber auch die Zusammenarbeit!
    Ich scheue mich nicht, zu sagen, daß sich auch die Militärs von überkommenen Vorstellungen lösen müssen. Dazu gehört, daß die Technik mindestens gleichrangig gegenüber der Taktik in Ausführung des strategischen Auftrages beherrscht und in ihren Möglichkeiten und Grenzen bewältigt werden muß. Es ist nicht mehr die Höhe 305, von deren Einnahme oder deren Verteidigung heute etwa die Erfüllung eines operativen oder strategischen Auftrages abhängt; es ist die Leistungsfähigkeit des technischen Apparates, seine sachgemäße Behandlung, die



    Strauß
    Kenntnis seiner Grenzen, damit seine zweckmäßige Verwendung, entsprechende Instandhaltung, Instandsetzung und Versorgung.
    Und wenn hier die Bundeswehrverwaltung angesprochen worden ist, der Beamte in der Truppe: nun, ich teile hier nicht in vollem Umfange die Auffassung, die heute vom Bundesminister der Verteidigung eingenommen wurde. Aber darüber kann man sich unterhalten, darüber kann man sehr verschiedene Meinungen vertreten. Man kann seine Meinung auch ändern, ohne deshalb charakterlos zu sein. Aber, Herr Kollege Schmidt, nur die Kürze der Zeit erlaubt es mir nicht mehr, hier im Wortlaut das zu verlesen, was früher von Herrn Erler und von Ihnen

    (Zurufe von der CDU/CSU: Vorlesen!)

    im Zusammenhang mit der Schaffung von Vollmachten gegen die Soldaten und für eine extensive zivile Besetzung sowohl der Bundeswehrverwaltung wie überhaupt der gesamten Verteidigungszuständigkeit gesagt worden ist.

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU: Vorlesen!)

    — Am 4. Mai 1956 Helmut Schmidt:
    Wir halten es für gut, daß man der Versuchung widerstanden hat, einen militärischen Spitzenmann innerhalb des Ministeriums zu schaffen, eben gerade wegen der Erfahrungen mit Seeckt und wegen der Erfahrungen mit der Reichswehr.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Hier konzediere ich Ihnen sehr wohl, daß das damals eine Haltung war, die man nicht heute nachträglich schlechthin verdammen kann. Aber wenn Sie heute anderer Meinung sind, Herr Kollege Schmidt, dann ist jedenfalls bis jetzt von Ihrer Seite aus — ich meine „Ihrer" nicht im Singular, sondern im Plural — noch nicht die geringste Hilfestellung geleistet worden, wenn man versucht hat, gewisse Dinge zu ändern. Im Gegenteil, die alten Vorbehalte tauchen immer wieder auf: Herrschaft der Generale, Herrschaft der Militärs. Ich gebe zu, daß sich auch bei Ihnen der eine oder andere in exponierter Position befindet; aber Sie können damit noch lange nicht behaupten, daß die Dinge schon so weit gediehen seien, wie Sie es hier gern darstellen würden.
    Ich zitiere den Kollegen Erler vom 15. Juni 1955: Er beklagt nicht nur, daß in der Bundeswehr die Soldaten zuviel Vollmachten bekommen; er beklagt, daß es zu viele zivile Bundeswehrdienststellen gibt, und fordert, daß mehr Verteidigungskompetenzen bei zivilen Dienststellen außerhalb des Verteidigungsapparates liegen müßten, z. B. das ganze Wehrerfassungs- und Wehrersatzwesen.
    Beim Verwaltungsaufbau, — sagt er —
    der in dieser Vorlage plötzlich in manchen Einzelheiten geschildert wird, weicht man doch erheblich von allem ab, was bisher darüber von der Regierung verlautete. Bisher hat es doch geheißen: möglichst wenig Wehrmachtsdienststellen, möglichst viel im Bereich des Zivilen. Jetzt müssen wir dem Wortlaut des Anforderungsplans beim Nachtragshaushalt entnehmen, daß eine umfassende Bundeswehrverwaltung geplant ist. Es ist die Rede von Wehrbereichsverwaltungen, Bereichsgebührnisstellen, Standortverwaltungen und Wehrersatzämtern für Bereiche, Bezirke, Kreise, Aufstellungsgruppen, Annahmestellen, einem technischen, einem zentralen Beschaffungsamt. Das Letztere ist weniger schlimm. Aber dann ist zur Abwechslung wieder einmal die Rede von militärischen Bischofsämtern. Das nur zur Vervollständigung der Skala. Was die Länder, Bundesrat und uns besonders unruhig gemacht hat, das ist diese ganze Skala von Wehrersatzämtern, von den Kreisen bis hinauf zur Zentrale,womit klar wird, daß dieser ganze Bereich praktisch in die militärische und nicht in die zivile Ordnung einbezogen wird, auch wenn die Beteiligten Zivilisten sind.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Also selbst der zivile Beamte innerhalb des Bundeswehrapparats darf nicht zuviele Vollmachten kriegen, geschweige denn der Soldat!
    Und dann, Herr Kollege Schmidt, haben Sie sich bei Ihrer gründlichen Kenntnis der amerikanischen Literatur dazu geäußert; das war am 4. Mai 1956:
    Es wird wahrscheinlich noch Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit geben. Ein großer Teil der früheren wie der heutigen Offiziere und Soldaten möchte gern in Anlehnung an alte Traditionen und Vorstellungen so eine Art Oberbefehlshaber haben. Sie brauchen eben einen Ersatz für den früheren Obersten Kriegsherrn in Uniform. Es mag in bezug auf diese Tendenzen, die durchaus virulent sind und die man bei allen Gesprächen ständig spürt, gerechtfertigt sein, die Stimme eines früheren amerikanischen Heeresminister zu zitieren, Mr. Gordon Gray,
    — jetzt kommt ein Zitat —
    daß ein Minister, der seine Befehlsgewalt auf den Stabschef überträgt, die politischen Kontrollen verletzt.
    Dann fahren Sie fort:
    Das ist genau die Situation der Weimarer Konstruktion, genau das Urteil, dem wir uns heute, glaube ich, anschließen würden. Die Schaffung eines militärischen Oberbefehlshabers innerhalb des Ministeriums, sei es selbst in der formalen Stellung eines Stabschefs der Bundeswehr, mit bloß vom Minister abgeleiteten Weisungsbefugnissen an die übrigen militärischen Abteilungsleiter, könnte bedenklich nahe an das herankommen, was man im Ausland die passive Auffassung von der zivilen Leitung der Wehrmacht nennt.

    (Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Und dann reiten Sie eine glühende Attacke für eine
    aktive Auffassung von der zivilen Leitung der Wehrmacht, bei der eben der zivile Minister — und nicht



    Strauß
    irgendein Soldat — und mit dem Minister naturgemäß seine auch zivile Apparatur einen großen Teil
    der Befugnisse und Vollmachten in ihrer Hand haben.
    Aber ich will damit durchaus eines einschließen und am Schluß meiner Ausführungen etwas zur Stellung des Beamten in der heutigen Verwaltung und vor allen Dingen in seiner Konfrontation mit dem Soldaten und dem Techniker sagen. Ich glaube, daß es hierzu eine Äußerung gibt, deren Zitierung sogar besser ist als eine Selbstproduktion auf diesem Gebiet. Das ist eine Äußerung, die ein ausgeschiedener hoher Beamter eines Bundesministeriums vor einigen Jahren in der Zeitschrift „Öffentliche Verwaltung" geschrieben hat. Er spricht dort davon, daß sich die heutigen technischen Aufgaben, die sich in der Verwaltung ergeben, mit den bisherigen Bildungsgrundlagen und Ausbildungsmethoden der meisten Verwaltungsbeamten nicht mehr lösen lassen. Eine der Hauptursachen für diese gefährliche Diskrepanz sieht dieser Beamte darin, daß die formaljuristische Dogmatik mit der modernen Lebensentwicklung nicht Schritt hält. Nur Böswillige sagten, wir könnten den Wert juristischer Ordnungsmaßstäbe unterschätzen, die juristisch vorgebildete Verwaltungsbeamte für die Ordnung der öffentlichen Angelegenheiten mitbringen.
    Wörtliches Zitat:
    Dort kann es eintreten, daß die vorrangigen, lebenswichtigen Aufgaben im Bewußtsein der Träger dieser Verwaltung nicht immer dem primären Staatszweck dienen.
    Und Staatszweck ist hier mutatis mutandis auch der Aufbau und der Unterhalt der Bundeswehr.
    Die eigene, mit der Staatsverwaltung als identisch angesehene Existenz wird wichtiger als die Aufgabe. Hierdurch kann es geschehen, daß das Examen, das zur Bekleidung öffentlicher Ämter berechtigt, verabsolutiert wird und dieses Bewußtsein eines gesicherten Standes, das zum Ethos eines Berufs wird, zu einer Umkehrung des Verwaltungszwecks führt. Nicht die zu meisternden Aufgaben bestimmen dann die Qualifikation, sondern in der vorgeschriebenen Ausbildung als solcher wird die Gewährleistung für das Amt gesehen, — als ob die Verwaltungsprobleme, also die Lebensprobleme in öffentlicher Sicht, sich in einer Art automatischer Perzeption von selbst lösen. Zwar spricht die Güte der Ausbildung zum Gerichts- oder Regierungsassessor für sich selbst. Hierdurch wird ein Höchstmaß an Kontinuität in der inneren Verwaltungsführung gesichert. Ob aber die Denkordnung des Juristen in der modernen industriellen Gesellschaft das alleingültige Maß
    — so heißt es hier —
    für die Bewertung der Lebensprobleme, soweit diese einer öffentlichen Regulation bedürfen, ist, kann nicht ohne weiteres bejaht werden, nämlich dann nicht, wenn die der objektiven
    Rechtsetzung innewohnende Statik das Denken hier weitgehend bestimmt.
    Diese Gedankengänge, die nichts mit irgendwelchen Vorbehalten, Ressentiments oder abergläubischen Vorstellungen zu tun haben, sollte man für die Umgestaltung der gesamten öffentlichen Verwaltung und gerade auch für die Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Beamten ernst nehmen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es gibt auch, ich muß es sagen, eine Militärbürokratie. Es ist auch nicht so, daß die Soldaten etwa alle einer Meinung sind und sie geschlossen gegenüber den Beamten vertreten. Audi hier gab es zahlreiche Verzögerungen, zum Teil auch Fehlentscheidungen, die von militärischer Seite her bestimmt worden sind.

    (Zuruf von der SPD: Wann sprechen Sie mal zum Tagesordnungspunkt 2?)

    - Tagesordnungspunkt 2 betrifft die Vorgänge im Verteidigungsministerium, und ich bin der Meinung, daß nicht eine punktuelle Betrachtung einer einzelnen Äußerung, sondern der Zusammenhang der Dinge der Würde dieses Hauses und einer angemessenen Wehrdebatte entspricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hoffe, daß Herr von Hassel die Organisation auch unter dem Gesichtspunkt überprüfen wird, ob sie nicht zu groß ist für das, was an Truppe vorhanden ist. Zum Beispiel müssen junge Hauptleute nicht nach der Generalstabslaufbahn schielen. Sie sollen in der Truppe bleiben und trotzdem Aufstiegsmöglichkeiten haben. Aber das Problem der Generalstabsoffiziere überhaupt spielt eine Rolle. Ich meine die Frage, ob wir die Verhältnisse in Deutschland nicht den Verhältnissen in allen anderen ausländischen, zumindest NATO-Armeen angleichen sollen. Höhere Offiziere mit Generalstabsausbildung und all den anderen Kursen, Stabsakademien usw. haben ja heute insgesamt eine fast achtjährige Schulausbildungszeit und werden während der Zeit dem Truppendienst und der Truppenpraxis entzogen. Die Ausbildung geht dann zu Lasten der Truppe. Wichtig wäre allerdings, alle Offiziere und gerade die höheren und höchsten Offiziere in Führungsstellen einem Kursus zu unterziehen, in dem sie wenigstens ein modernes technisches Hochleistungssystem bis zur völligen Beherrschung kennenlernen sollen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Hier ist auch eine Überprüfung der GGO notwendig. Hier sollen auch mal Regierung und Parlament Farbe bekennen, ob man bereit ist, für den Einsatzfall, ich sage: in Schaffung der notwendigen Instanzen der Gerichtsbarkeit, frei von überkommenen Vorstellungen und Belastungen das zu tun, was in allen Ländern der Welt da ist, aber bei uns gerade wegen dieser Vorbehalte bisher immer wieder in Anläufen gescheitert ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ein letztes Wort dazu! Wir brauchen für die Bewältigung moderner Hochleistungssysteme horizontale Zuständigkeitssysteme, weil wir mit den verti-



    Strauß
    kalen nicht mehr auskommen. Die vertikalen Zuständigkeitssysteme in der reinen Linienführung von oben nach unten und in der freiwilligen oder auch nicht freiwilligen Koordinierung von einer Stelle zur anderen ermöglichen es heute nicht mehr, in so kurzer Zeit Instandhaltung, Instandsetzung, volle Betriebssicherheit und Versorgung zu gewährleisten. Deshalb müssen horizontale Systeme, mit strenger Koordinierung allerdings, damit nicht divergierende Entwicklungen daraufhin eintreten, geschaffen werden. Diese Entscheidungen müssen rasch getroffen werden.
    Schließlich wird auch der Soldat — neben der Stellung in Staat und Gesellschaft, neben dem Gleichklang von Vollmachten und Verantwortung — immer nach einem fragen, nach dem strategischen Auftrag, dem Ziel, dem er dient. Das ist nicht mehr Aufgabe dieser Debatte. Das wird zum großen Teil Aufgabe der Debatte des nächsten Freitag sein, in der im Zusammenhang Sicherheit und Abrüstung gleichzeitig behandelt werden. Aber hüten wir uns davor, das Problem Soldat und Nation, Nation und Bündnis, Bündnis und Strategie, Strategie und atomare Waffen unterzubewerten! Ein Soldat muß wissen, daß er mit seiner Pflichterfüllung seiner Nation dient, auch wenn sie europäisch-atlantisch eingeordnet ist. Er muß wissen, daß das Bündnis dieser Nation dient. Er muß wissen, daß die Strategie des Bündnisses den Aufgaben und Lebenssicherheiten und -notwendigkeiten seiner Nation gerecht wird. Und er muß wissen, daß sein Auftrag einen Sinn hat. Wenn wir das gemeinsam erarbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Hause, im Verteidigungsausschuß, mit möglichst wenig Lärm nach außen, mit möglichst viel Geschlossenheit und Zielbezogenheit nach innen, dann war diese Debatte heute eine der großen Stunden dieses Parlaments.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei Abgeordneten der FDP.)