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ID0505714400

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    Deutscher Bundestag 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen V/921, V/919) Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) und Abg. Dr. Kreutzmann: Betriebseinstellung auf Bundesbahnstrecken im Zonenrandgebiet Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2798 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2798 D Dr. Kreutzmann (SPD-Gast) . . . . 2800 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . 2800 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 2800 D Börner (SPD) 2800 D Frage des Abg. Dröscher: Suche nach neuen Uranerzlagern Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 2801 B Dröscher (SPD) 2801 B Fragen des Abg. Lemper: Entwicklung im rheinischen Braunkohlenrevier Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2802 A Lemper (SPD) 2802 A Fragen des Abg. Mattick: Bekanntgabe von Bemühungen der Interzonentreuhandstelle betr. den Berlin-Verkehr Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2803 B Mattick (SPD) 2803 C Borm (FDP) 2804 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Einfuhr von Granit aus Portugal Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 2804 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 2804 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2804 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Rechtsstellung der bei den alliierten Stationierungsstreitkräften beschäftigten Personen 2805 B Fragen des Abg. Müller (Berlin) : Erklärungen der polnischen Exdiplomaten Tykocinski — Entscheidung wesentlicher Berlin-Fragen durch die Sowjetunion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2805 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Gegenseitigkeit beim Verzicht auf den Visumzwang und bei der Gebührenfreiheit für Besuchsvisen 2805 D Fragen des Abg. Kubitza: Anschläge von Exilorganisationen auf Vertreter Jugoslawiens in Deutschland Lücke, Bundesminister 2806 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2806 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 2807 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Öffnung der Grenze zur CSSR bei Bayerisch Eisenstein Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Benachteiligung der ehemaligen Berufsunteroffiziere Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Wagner: Mittel des Bundes für kommunale Vorhaben — Änderung der Bewilligungsbestimmungen Grund, Staatssekretär 2808 A Fragen des Abg. Dröscher: Verlegung des US-Kurierflugplatzes in Bad Kreuznach Grund, Staatssekretär 2808 C Dröscher (SPD) 2808 D Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Rücklagenbildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 2809 B Frage der Abg. Frau Eilers: Bekanntgabe des Ergebnisses der Frauenenquete von Hase, Staatssekretär 2809 C Frau Eilers (SPD) 2810 A Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Antrag betr. Bericht über die Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium (SPD) (Drucksache V/914) Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . . 2810 C von Hassel, Bundesminister 2812 A, 2833 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2819 B Strauß (CDU/CSU) 2833 B Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 2847 B Wehner (SPD) . . . . . . . 2852 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 2855 B Genscher (FDP) 2859 C Dr. Schäfer (SPD) 2861 B Antrag betr. Ersuchen an den Bundeskanzler auf Entlassung des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (SPD) (Drucksache V/915) 2861 C Nächste Sitzung 2863 D Anlagen 2865 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2797 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 56. Sitzung, Seite 2717 A, Zeile 3 statt Wehrdienstgesetzes: Wehrdienstrechts; Seite 2763 B, Zeile 14 statt wenn ich es für richtig halte: wenn ich es nicht für richtig halte; Seite 2787 B, Zeile 21 statt Instrumentarismus: Instrumentariums. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Abelein 4. 10. Dr. Adenauer 5. 10. Dr. Althammer 23. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 23. 9. Berendsen 24. 9. Blachstein 10. 10. Blumenfeld 23. 9. Frau Brauksiepe 30. 9. Busse (Herford) 26. 9. Dr. Dittrich *) 24. 9. Eisenmann 24. 9. Frau Dr. Elsner *) 22. 9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30. 9. Ertl 23. 9. Fellermaier 23. 9. Franke (Hannover) 21. 9. Frehsee 30. 9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Götz 26. 9. Graaff 22. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Dr. Huys 5. 10. Iven 26. 9. Dr. Jaeger 23. 9. Dr. h. c. Jaksch 22. 9. Dr. Jungmann 24. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Dr. Kempfler 23. 9. Frau Klee 23. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Krammig 23. 9. Dr. Kübler 30. 9. Lenz (Trassingen) 30. 9. Logemann 21. 9. Dr. Löhr *) 24. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Michels 30. 9. Dr. Müller (München) 23. 9. Dr. Müller-Hermann 23. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Raffert 6. 10. Rehs 21. 9. Rock 2. 10. Saam 7. 10. Sander 23. 9. Dr. Schulz (Berlin) 21. 9. Dr. Süsterhenn 23. 9. Steinhoff 25. 9. Stingl 25. 9. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter(r) beurlaubt bis einschließlich Unertl 23. 9. Dr. Verbeek 23. 9. Weimer 5. 10. Windelen 23. 9. Dr. Wörner 30. 9. Zerbe 23. 9. Dr. Zimmermann 23. 9. b) Urlaubsanträge Dr. Artzinger 5. 10. Berlin 20. 10. Schlee 5. 10. Wächter 8. 10. Baron von Wrangel 15. 10. Anlage 2 Umdruck 91 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966 Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die seit längerer Zeit im Bundesministerium der Verteidigung sichtbar gewordenen Schwierigkeiten haben sich durch die Vorgänge der letzten Wochen zu einer Führungskrise der Bundeswehr ausgeweitet. Für die gesamte Öffentlichkeit ist klar geworden, daß Herr von Hassel als Bundesminister der Verteidigung und damit als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt den schwierigen Aufgaben der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Führung der Bundeswehr nicht gewachsen ist. Die bereits jetzt erkennbaren Auswirkungen dieser noch keineswegs überwundenen Führungskrise auf die Bundeswehr erlauben kein weiteres Verschleppen der dringend notwendigen personellen Entscheidung, unverzüglich einen neuen Verteidigungsminister zu berufen. 2. Das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte parlamentarische System legt dem Deutschen Bundestag die Verpflichtung auf, den Bundeskanzler, die Bundesregierung als Ganzes und die Minister in der Erfüllung der ihnen aufgetragenen Verantwortung für ihre Ressorts zu kontrollieren. Diese Kontrollaufgabe erstreckt sich ebenso auf die Ministerien und die nachgeordneten Behörden. Der Deutsche Bundestag wird sich bei der Ausübung seiner Kontrollbefugnisse über die Exekutive, ohne Ansehen der Person, weder gegenüber den Staatsdienern in Uniform noch gegenüber denen in Zivil zu irgendwelcher Parteilichkeit verleiten lassen. 3. Der Deutsche Bundestag spricht erneut den Angehörigen der Bundeswehr, gleichgültig an welcher Stelle sie stehen, Soldaten, Beamten, Ange- 2866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 stellten und Arbeitern sein Vertrauen aus, dankt ihnen für ihre Pflichterfüllung und für ihre unter schwierigen Verhältnissen vollbrachten Leistungen. Der Deutsche Bundestag ist gewiß, daß die Bundeswehr — Truppe und Verwaltung, Stäbe und Ministerium — weiterhin in Treue und Gehorsam gegenüber Staat und Grundgesetz, die ihr vom Bundestag und Bundesregierung gestellten Aufgaben erfüllen wird, unbeschadet der Konsequenz, die Bundestag und Bundeskanzler aus den Vorgängen der letzten Wochen im Bundesministerium der Verteidigung ziehen müssen. Bonn, den 21. September 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 92 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966. Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag dankt den Angehörigen der Bundeswehr, an welcher Stelle sie immer stehen — Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeitern —, für ihre Leistung, die sie in den zehn Jahren des Aufbaues vollbracht haben. Die Bundeswehr hat ihren staatspolitischen Auftrag verfassungsgetreu und zielstrebig erfüllt, ohne sich durch Mißtrauen und Schwierigkeiten vielfältiger Art beirren zu lassen. Das verdient uneingeschränkte Anerkennung. Der Deutsche Bundestag ist überzeugt, daß sie auch weiterhin im Dienste an Volk und Staat ihr bestes leisten wird. Bonn, den 21. September 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sie hatten mich schon aufgerufen, Herr Präsident.

    (Zurufe von der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich bin zwar sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, aber zunächst hat der Herr Bundesverteidigungsminister das Wort.

(Unruhe bei der SPD.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Kai-Uwe von Hassel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 14. September hat unsere Bundesmarine den Verlust des U-Bootes „Hai" erlitten. Wir alle sind von diesem Ereignis tief betroffen und trauern mit den Hinterbliebenen. Das Hohe Haus hat am 15. September der Toten gedacht und den Hinterbliebenen sein Mitempfinden bekundet. Ich darf den Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Namen der Bundeswehr für diesen Ausdruck der Verbundenheit danken, und ich darf in diesen Dank an dieser Stelle zugleich die zahlreichen Beileidsbekundungen aus dem In- und Ausland einschließen.
    Die Unfalluntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Dem Verteidigungsausschuß wird morgen das bisherige Ergebnis berichtet werden.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist aufgefordert, dem Bundestag heute über Vorgänge im Bundesministerium der Verteidigung zu berichten, die in den letzten Wochen die Öffentlichkeit beschäftigt haben. Der Ausgangspunkt war: drei Generale der Bundeswehr haben um ihre Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten, Generalleutnant Panitzki am 12. August, General Trettner am 13. August, Generalmajor Pape am 14. August. Den Gesuchen der beiden erstgenannten Generale wurde, wie Sie wissen, durch den Herrn Bundespräsidenten stattgegeben; über das letztgenannte Gesuch ist noch nicht entschieden.
    Obwohl die Entlassungsgesuche des Generalinspekteurs und des Inspekteurs der Luftwaffe in keinem sachlichen Zusammenhang standen, reagierte die Öffentlichkeit mit Schlagworten wie „Aufstand der Generale", „Die Generale proben den Aufstand" und „Führungskrise in der Bundeswehr".
    Das war die Meinung des Tages. Einer solchen Auffassung vermag heute niemand mehr zuzustimmen, der das Ergebnis der bisherigen Erörterungen des Verteidigungsausschusses kennt.
    Lassen Sie mich zunächst dieses erklären: ich stehe nicht an, hier festzustellen, daß die persönliche Haltung der Generale Trettner und Panitzki von mir respektiert wird. Diese Generale haben ihre großen Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr, die auch durch Umstände und Ereignisse dieser fünf Wochen nicht geschmälert wurden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die heftige Reaktion der Öffentlichkeit auf die Rücktrittsgesuche wird besonders verständlich vor dem Hintergrund zweier Komplexe, die seit einem Jahr diskutiert werden.
    Der erste: im Herbst und Winter 1965/66 die Diskussion um das Thema Starfighter. Die Leitung des Ministeriums und der Inspekteur der Luftwaffe haben diesem Problem absoluten Vorrang eingeräumt. Am 15. Oktober werde ich dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages einen ausführlichen Bericht über die Entwicklung des letzten halben Jahres auf diesem Gebiete vorlegen. Ich beschränke mich heute auf die Feststellung, daß ein Großteil der dem Hohen Hause bekannten Maßnahmen angelaufen ist. Die ersten Auswirkungen sind erkennbar. Ich beurteile jedoch die Lage genauso ernst, wie sie General Steinhoff dem Verteidigungsausschuß vorgetragen hat.
    Der zweite Komplex betrifft Pauschalurteile zu den in diesem Frühjahr im Verteidigungsministerium aufgedeckten Korruptionsfällen. Der Umfang der Verfehlungen ist inzwischen bekanntgeworden. Es handelt sich um eine begrenzte Zahl von Fällen, die zum Teil viele Jahre zurückliegen. Die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß ich Einzelheiten nicht vortragen darf.
    Angesichts einer zum Teil sehr gezielten Dramatisierung wird verständlich, daß die Vorgänge um den Rücktritt der Generale in der Öffentlichkeit nach der Art der Darstellung, etwa der Interpretation des ÖTV-Erlasses der Bundeswehr, als krisenhafte Erscheinungen gewertet wurden. Der inzwischen gewonnene zeitliche Abstand von den Entlassungsgesuchen und die unverzüglich folgende Neubesetzung der militärischen Führungsspitze lassen die Ereignisse jedoch in einem anderen Licht erschienen. Es steht heute fest: es gab keinen Augenblick den geringsten Zweifel an der Verfassungstreue, noch wurde von irgend jemandem am Primat der Politik gerüttelt; vom Machtstreben der Generale kann keine Rede sein. Die sogenannnte Krise der Bundeswehrführung ist ein legitimer Vorgang in unserem demokratischen Staatswesen. Dieser Vorgang berührt weder unsere Sicherheitspolitik noch unsere Bündnisverpflichtungen noch unsere feste, loyale Haltung in der NATO noch unseren Willen, mit allen Kräften die Sicherheit und den Frieden milltärisch durch die Abschreckung des Gegners zu verbürgen. Aus der Rückschau erscheinen sie heute



    Bundesminister von Hassel
    weit weniger dramatisch, als es damals der Fall zu sein schien.
    Die Bundesregierung begrüßt deshalb die hier gebotene Gelegenheit zur Diskussion, auch wenn sie glaubt, daß es besser gewesen wäre, wenn diese Debatte erst nach Abschluß der Erörterungen der Einzelheiten im Verteidigungsausschuß stattgefunden hätte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Fragt man nach den eigentlichen Ursachen dieser Ereignisse, räumt man all die vielen Mißverständnisse und Vorurteile beiseite, so gelangt man zu der Erkenntnis, daß sich ein langer Evolutionsprozeß plötzlich entladen hat. Der neue Generalinspekteur hat zutreffend vor dem Verteidigungsausschuß dieses Faktum als „Unbehagen" bezeichnet. Die Abgeordneten aller drei Fraktionen haben dieses Wort aufgenommen. Ich meine, es ist an der Zeit, daß wir alle dazu gelangen, leidenschaftslos und systematisch die sachlichen Hintergründe dieses Unbehagen zu analysieren. Mit hochgehenden Emotionen wird der Bundeswehr nicht genützt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Soldat denkt im übrigen viel zu klar und zu nüchtern, als daß er sich durch den Überschwang der Gefühle angesprochen fühlte. Nicht mehr gelegentliches Lob hilft unseren Soldaten weiter; dazu ist der Soldat bereits zu selbstverständlich mit unserem Staatswesen und mit dem Alltag der Bürger verwachsen; gibt es doch heute nach 10 Jahren Bundeswehr kaum noch eine Familie, in der nicht Sohn, Bruder oder ein anderer Verwandter „Staatsbürger in Uniform" war oder ist!
    Die Armee bedarf heute der Anerkennung in einer anderen Weise. Sie muß spüren, daß auch die Politiker die Wandlung des Selbstverständnisses des Soldaten erkennen. Die Armee muß spüren, daß die Eigenständigkeit des Soldatenberufs dort anerkannt wird, wo dies berechtigt ist. Es müssen Lösungen gefunden werden, die gemessen sind an den Besonderheiten des militärischen Auftrages, an den soldatischen Notwendigkeiten, an den Konsequenzen der fortschreitenden Wehrtechnik. Ich kann Behauptungen nicht beipflichten, am Anfang unserer Wehrverfassung habe eine „große Unehrlichkeit" gestanden.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich halte dies nicht nur für eine Legende, sondern für ein Unrecht gegenüber diesem Hohen Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was aber heute tatsächlich abgebaut werden muß, ist die aus unserem nationalen Schicksal verständliche, aber überholte Skepsis gegenüber dem Instrument Bundeswehr. Es ist etwas anderes, wenn wir — wie jede Demokratie zu Recht — eine Machtposition wachsam beobachten, als wenn wir dieser Armee auf die Dauer mit Skepsis begegnen, mit einer Skepsis, .die als Hypothek aus den ersten Jahren des Aufbaus unseres Verteidigungsbeitrags stammt. Staat und Gesellschaft müssen klar zu erkennen geben: Die Bundeswehr hat durch ihr Verhalten den Skeptikern den Boden entzogen. Sie hat
    daher Anspruch darauf, daß nach elf Jahren endlich die Hypothek gelöscht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dies muß in vertrauensvoller Zusammenarbeit aller Beteiligten geschehen. Denn der Stellung des Soldaten im Staat, wie sie sich auch aus dem Wandlungsprozeß des letzten Dezenniums ergeben hat, sind in den Augen der Militärs manche Politiker nicht gerecht geworden. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß auch Soldaten gelegentlich den vorgezeichneten Integrationsprozeß verkannt oder ihre eigene Bedeutung überbetont haben.
    Lassen Sie mich hierzu, meine Damen und Herren, einige Überlegungen vortragen. Der Soldatenberuf ist von jeher gekennzeichnet durch seine dreifache Aufgabe: zu führen, zu erziehen, auszubilden. Dieses Berufsbild trifft auch noch heute für diejenigen Unteroffiziere und Offiziere zu, die im Truppendienst verantwortlich die Ausbildung leiten. Daneben gibt es aber eine große Gruppe von Soldaten in technischen und anderen Sonderfunktionen sowohl im Truppenbereich wie in den Stäben, die eine umfangreiche, zusätzliche Spezialausbildung benötigen. Die hochtechnisierte Bundeswehr ist einem modernen technischen Großbetrieb vergleichbar und darum im gleichen Maße auf Fachkräfte angewiesen, wie es das Prinzip der Arbeitsteilung nun einmal erfordert.
    Hier ergeben sich Schwierigkeiten. Denn der Soldat ist von altersher gewohnt, hierarchisch zu denken. Heute aber begegnet er dem Zwang zur Teamarbeit und zur Diskussion, einem Zwang, den die komplizierten und komplexen, insbesondere technischen Sachverhalte ausüben. Das scheint in ursprünglichem Widerspruch zum Prinzip des Befehls zu stehen. Solche Probleme der modernen Menschenführung machen es verständlich, daß der dafür notwendige Umdenkungsprozeß nicht immer reibungslos in ein und derselben Generation vor sich gehen mag,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    das um so mehr, als man berücksichtigen muß, daß wir kein homogenes Offizierskorps haben, sondern eines, das in seiner personellen Struktur infolge der unterschiedlichen militärischen Ausbildung und der beruflichen Herkunft im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg sehr differenziert ist. Die Anpassung an den von der Sache her gebotenen neuen Führungsstil führt daher gelegentlich zu Friktionen. Die Bundeswehr erlebt damit Wandlungserscheinungen, wie man sie auch in anderen Führungsbereichen unserer Gesellschaft, z. B. in der Industrie beobachten kann. Mit dem Leitbild der Inneren Führung, dem „Staatsbürger in Uniform" wird den Besonderheiten der modernen Menschenführung Rechnung getragen.
    In Zusammenhang damit steht ein weiterer Aspekt. Der Soldat ist zur Verantwortung erzogen. Zugleich aber sieht er sich heute dem Widerspruch ausgesetzt, den er zwischen dem militärischen Prinzip der Unteilbarkeit der Verantwortung einerseits und der immer deutlicher werdenden zwingenden Aufteilung der Verantwortung in Aufgabenbereiche,



    Bundesminister von Hassel
    in Mitwirkungs- und Einflußmöglichkeiten Dritter auf der anderen Seite als Folge dieser zwingenden Arbeitsteilung erkennt. Schon rein äußerlich neuartig ist also die zunehmende Abhängigkeit der Soldaten von Spezialisten, die nicht den gleichen Rock tragen. Beide, die Spezialisten im zivilen Rock und die Soldaten, müssen daher lernen, höher als diese äußeren Unterschiede die Gemeinsamkeit im Ethos des Dienens zu werten. Dann wird es dem Soldaten leichter fallen, Rivalitätsvorstellungen aufzugeben und ständig nach Vergleichen in der Vergangenheit zu suchen. Es wird dann das Gefühl des Kontrolliertseins, er wird den Argwohn verlieren, daß er über Gebühr kritisiert, bevormundet, kontrolliert oder gar bewußt umgangen wird. Projiziert man diese Grundsätze auf die oberste Führung, so wird man sagen müssen, daß auch hier der Prozeß zur optimalen Zusammenarbeit noch im Gange ist. Die Erörterungen im Verteidigungsausschuß haben gezeigt, daß noch Spannungen vorhanden sind. Sie zu leugnen, wäre falsch. Aber es muß an dieser Stelle deutlich gesagt werden, daß die in unserer Wehrverfassung festgelegte zivile Struktur der Bundeswehrverwaltung und ihre Gleichordnung gegenüber den Streitkräften weder auf Mißtrauen gegen die Soldaten noch gar auf dem Bestreben beruht, die Soldaten durch die Verwaltung konrollieren zu wollen. Sollte ein Angehöriger der Verwaltung seine Aufgabe so sehen, so wäre er fehl am Platze. Civil control bedeutet nicht — wie oft ist das gesagt worden! —, daß er als Zivilist den uniformierten Soldaten zu kontrollieren hätte. Civil control ist 1 neben dem Parlament allein dem Minister als der politisch verantwortlichen Spitze vorbehalten. Er hat sie gegenüber dem Beamten gleichermaßen auszuüben wie gegenüber dem Soldaten.
    Die Verwaltung hat diese Kontrolle weder angestrebt noch ist sie dazu nach der geltenden Organisation in der Lage. Richtig ist allein, daß in Art. 87 b des Grundgesetzes die verfassungsrechtliche Struktur der Bundeswehrverwaltung im Interesse der Streitkräfte so festgelegt wurde, daß diese von allgemeinen Verwaltungsaufgaben entlastet werden.
    Die bewußte Abkehr von der früheren Wehrmachtsregelung, nach der die Militärbeamten als Uniformträger einen Mischstatus hatten, wobei die oberste Sachleitung bei Soldaten lag, war nicht zuletzt auch deshalb zu begrüßen, weil diese damalige Regelung weder bei den Soldaten noch bei den Beamten ungeteilte Zustimmung gefunden hat. Dazu muß man sich auch der Tatsache bewußt sein, daß keine Verwaltung — so auch nicht die Bundeswehrverwaltung — besser arbeiten wird, wenn man sie — abweichend von allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen — der Befehlsbefugnis von Nichtfachleuten unterwirft.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Diese zivile Bundeswehrverwaltung hat keinen Selbstzweck. Sie muß sich ihrer dienenden Funktion bewußt sein und sich stets darum bemühen, die Truppe im Rahmen der gegebenen, auch für die Bundeswehrverwaltung nicht überschreitbaren Grenzen finanzieller, wirtschaftlicher und personeller Art bestmöglich zu versorgen.
    Im übrigen ist die Verwaltung gehalten, die in unserem komplizierten Staatsgebilde nun einmal nicht einfache Gesetzgebung anzuwenden, und sie wird dann zuweilen in die Situation kommen — auf Grund von Gesetzen, von Verordnungen und Durchführungsvorschriften —, militärischen Anforderungen auch einmal ein Nein entgegenzusetzen. Es ist aber falsch, ein solches Verhalten als „Kontrolle" zu bezeichnen. Viele Kommandeure der Bundeswehr bestätigen im übrigen die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehrverwaltung. Daß es auch Ausnahmen gibt, sei nicht geleugnet. Unsubstantiierte Leserbriefe mit allgemeinen, unbewiesenen Vorwürfen haben demgegenüber kein Gewicht. Im übrigen ist es von alters her ein beliebtes Thema, über die Verwaltung zu klagen. Das ist nicht nur gegenüber der Bundeswehrverwaltung so, sondern in allen Armeen der Welt, und dieses Hohe Haus weiß sehr wohl, daß leider der Beamte seit eh und je Ziel vielfältiger Angriffe gewesen ist. Ich halte diese Art der Konfrontation der Öffentlichkeit gegen die Verwaltung schlechthin für sehr bedauerlich.

    (Beifall in der Mitte und bei Abgeordneten der FDP.)

    Die verfassungsrechtliche Struktur der Bundeswehrverwaltung, ihre Aufgabenstellung und ihr Verhältnis zu den Streitkräften bedürfen nach allgemeiner Auffassung keiner grundsätzlichen Änderung. Notwendig ist aber, daß sich alle Beteiligten, Soldaten und Beamte, mit der Regelung, die ihnen die Verfassung gegeben hat, so lange bescheiden, wie das Hohe Haus nicht zu anderen Regelungen kommen sollte, und in gemeinsamer Arbeit dem Wohle der Truppe dienen, anstatt sich laufend am Verfassungsbefehl zu reiben.
    Meine Damen und Herren, in der Diskussion dieser fünf Wochen wurde dieses Thema — Soldat und Verwaltung — sehr stark in den Mittelpunkt gestellt und der Öffentlichkeit so dargelegt, wie ich es Ihnen eben geschildert habe. Es wird gesagt, eine andere Organisation müsse her, einen beamteten Staatssekretär dürfe es nicht geben, es sei unerträglich, daß Ingenieure, Volkswirte, Juristen und andere Verwaltungsfachleute neben und nicht unter dem Soldaten stünden; die Soldaten müßten selbständig auch über Haushaltsmittel, über Personal, über Technik, über Infrastruktur verfügen können, dann würde das Unbehagen weichen.
    Wer die Dinge einmal unvoreingenommen untersucht hat, weiß, daß dieses Verreißen der Organisation des Verteidigungsressorts zum Teil deshalb geschieht, weil es immer publikumswirksam ist, auf Organisation in der Assoziation mit „Instanzenweg", mit „Amtsschimmel", mit Beamten, überhaupt mit öffentlichen Bediensteten, zu schimpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß die zivilen Kräfte in der Bundeswehr diese ungerechtfertigte Kritik mit Gelassenheit hinnehmen. Ich sehe aber eine Gefahr darin, daß diese Kritik dem Prozeß der Integration zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich in



    Bundesminister von Hassel
    der Bundeswehr, dem Sich-finden-Müssen, in der Sache abträglich ist.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der andere Grund, warum sich die öffentliche Diskussion so eingehend mit Fragen der Organisation befaßt, ist eine Überschätzung dessen, was eine gute oder eine schlechte Organisation bewirken kann. Organisatorische Maßnahmen sind kein Allheilmittel, kein Selbstzweck und schon gar nicht ein Mittel, etwa Machtpositionen aufzubauen oder zu verteidigen. Wichtiger als die Struktur einer Organisation ist ihre Handhabung, ist der Geist, der sie belebt. Zu dieser Handhabung, zu diesem Geist gehört aber fraglos, daß man sich auf allen Ebenen, vom Standort unten über den Wehrbereich in der Mitte bis zur Spitze des Ministeriums und im Ministerium vom Sachbearbeiter über den Hilfsreferenten und den Referenten bis zum Abteilungsleiter verständigt und schon dort gemeinsame Lösungen zum Nutzen der Truppe erarbeitet. Hier ist fraglos noch manches im argen, und das sei nicht beschönigt.
    Im Zusammenhang mit den Fragen der Organisation findet man nun in der Öffentlichkeit die Behauptung, daß die neuen Inspekteure unter anderem auf organisatorischem Gebiet „Forderungen" gestellt hätten. Nun, die dem Verteidigungsausschuß angehörenden Mitglieder dieses Hohen Hauses wissen, daß das nicht stimmt. Ich will hier aber auch deutlich sagen: Es wäre ein Sturmzeichen dafür, daß die demokratische Ordnung, daß der vielzitierte Primat der Politik tatsächlich in Gefahr geriete, wenn Rücktrittsgesuche von Generalen einen Verteidigungsminister derart mattsetzen könnten, daß er den „Forderungen" der nachfolgenden Generale machtlos gegenüberstünde.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

    Die neuen Inspekteure haben als ebenso gute Soldaten wie Demokraten gar nicht daran gedacht, dem Bundesminister der Verteidigung „Forderungen" zu stellen. Sie haben, wie das bei der Übernahme derart verantwortlicher Posten zwingend ist, mir ihre Überlegungen, wie sie ihr Amt führen wollen, offengelegt, und ich kann nur sagen: meinen Respekt davor, wie diese Männer ihr Amt auffassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    General de Maizière, der neue Gneralinspekteur, hat auf meine Bitte das, was er mir am 24. August dieses Jahres mündlich vorgetragen hatte, am nächsten Tage schriftlich fixiert. Ich habe den Brief und meine Antwort dem Verteidigungsausschuß vorgetragen und übergeben, und es gab wohl niemanden, der sich dem Ethos dieser Gedankenführung entziehen konnte. Aber was wird in der öffentlichen Diskussion daraus gemacht? — Aus der Bitte des Generalinspekteurs de Maizière, mir offen und ungeschminkt jederzeit zu allen militärischen Fragen seine Auffassung sagen zu können, wird gemacht: der vorherige Generalinspekteur habe erst zurücktreten müssen, damit der neue Generalinspekteur
    ein unmittelbares Vortragsrecht — gewissermaßen am Staatssekretär vorbei — beim Minister erhält. In Wahrheit hat jeder Abteilungsleiter, jeder Inspekteur immer das Recht gehabt, dem Minister unmittelbar vorzutragen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Selbstverständlich gehört hierzu auch, daß bei allen anstehenden wichtigen Entscheidungen, die die Soldaten betreffen oder berühren, der Generalinspekteur beteiligt wird. Der lebendige Kontakt, die freie Aussprache, gibt eine sichere Grundlage für sachgerechte Entscheidungen.
    Dann wird behauptet, der neue Generalinspekteur habe dem Minister abgerungen, daß er der dritte Mann in der Bundeswehr — nach Minister und Staatssekretär — werde. Das ist einfach unwahr. General de Maizière hat mich lediglich gebeten, daß ich die Formulierung in dem Entwurf des Organisationsgesetzes für die militärische Landesverteidigung, die ich in Zusammenarbeit mit seinem Amtsvorgänger gefunden hatte, aufrechterhalte,
    wonach der Generalinspekteur als ranghöchster Soldat der Bundeswehr und durch die Erfüllung internationaler militärischer Aufgaben in den entsprechenden internationalen Gremien im Rahmen des Bundesministeriums der Verteidigung eine Stellung sui generis innehat.
    Es war für mich selbstverständlich, diese Bestimmung weiterhin zu vertreten. Es sind also auch insoweit keineswegs „Forderungen" gestellt worden.
    Generalleutnant Moll, der neue Inspekteur des Heeres, Nachfolger des Generals de Maizière in dessen bisheriger Position, ist ebenso wie die beiden anderen neu ernannten Generale oder Inspekteure ein prononcierter Vertreter eines modernen Führungsstils. Er brachte dies wie folgt zum Ausdruck:
    Ich werde scheinbar bewährte und unabdingbare, liebgewordene und bequeme Gewohnheiten und Einrichtungen nicht von heute auf morgen umstoßen. Aber ich werde mit Behutsamkeit, aber auch mit aller Beharrlichkeit dem Gedanken der Erziehung des Soldaten zu mitdenkender Eigenverantwortung gerade auch in den kleinen Verrichtungen des täglichen Dienstes zum Durchbruch verhelfen.
    Dazu ist es notwendig, daß die Führer aller Grade vorne sind bei der Truppe, an der Front. Dort müssen die Grundsätze der inneren Führung und der modernen Menschenführung von unseren jungen Vorgesetzten praktiziert werden. Sie müssen den Dienst sinnvoll, modern und rationell gestalten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich kann nur hinzufügen, daß ich mit den von Generalleutnant Moll mit großem Ernst formulierten Gedanken völlig übereinstimme.
    Generalleutnant Steinhoff, neuer Inspekteur der Luftwaffe, hat ein Amt übernommen, in dem er ungewöhnlichen Belastungen und Verantwortungen ausgesetzt ist. Ich habe es für richtig gehalten, daß



    Bundesminister von Hassel
    er sich vor der Übernahme dieser Verantwortung eine ausreichende Bedenkzeit ausbat und daß er mir in eingehenden Gesprächen seine Gedanken über die künftige Führung der Luftwaffe entwickelte.
    Generalleutnant Steinhoff hat mir vorgeschlagen, die Luftwaffenstäbe und das Luftwaffenamt umzustrukturieren. Dieser Vorschlag deckt sich mit meiner eigenen Auffassung und mit dem Auftrag, den ich am 23. Mai dieses Jahres bereits seinem Amtsvorgänger gegeben hatte.
    Der neue Inspekteur der Luftwaffe hat mir vorgeschlagen, daß er zu seiner Beratung ein Personal-board einrichten möchte, um die personellen Entscheidungen transparenter zu machen. Hierdurch werden dem Inspekteur der Luftwaffe nicht mehr Rechte gegeben, als sie jeder Inspekteur bereits durch den Erlaß vom 10. Juli 1957 hatte: Die Personalabteilung muß seitdem den Vorschlägen der Abteilungsleiter, der Inspekteure, folgen, wenn nicht „wichtige Gründe in der Person oder personalwirtschaftliche Erwägungen entgegenstehen". Wie der Inspekteur sich seine Meinung in Personalsachen bildet, ist ihm überlassen. Ich habe gegen die Einrichtung eines Personalboards beim Inspekteur der Luftwaffe daher keine Bedenken. Man wird Erfahrungen sammeln und erst dann prüfen, ob die Einrichtung sich bewährt hat und gegebenenfalls von den anderen Teilstreitkräften übernommen werden sollte.
    Der neue Inspekteur strebt Maßnahmen an, die eine langfristige Verwendung aller Düsenflugzeugführer im fliegenden Verband ermöglichen. Diese „Forderung" steht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Verteidigungsausschusses und dieses Hohen Hauses selbst.
    Der neue Luftwaffeninspekteur hat unterstrichen, daß der Haushaltstitel für Flugzeugerhaltung eigenverantwortlich vom Führungsstab der Luftwaffe verwaltet werden muß. Ich teile diese Auffassung; sie entspricht im wesentlichen der seit langem geübten Praxis.
    Ein zentraler Vorschlag des neuen Inspekteurs der Luftwaffe geht dahin, einen Systembeauftragten „zunächst versuchsweise" für F 104, also für die Starfighter, mit Entscheidungsbefugnis beim Inspekteur der Luftwaffe einzurichten. Es kann hier oder im Verteidigungsausschuß im einzelnen dargelegt werden, daß ich schon 1963 kurz nach der Übernahme meines Amtes dem Inspekteur der Luftwaffe „grünes Licht" für die Einrichtung eines solchen Systembeauftragten F 104 gegeben hatte und daß ich zuletzt am 19. November 1965 den Inspekteur der Luftwaffe laut Protokoll ermächtigt hatte, nicht nur für die Starfighter, sondern auch für andere bedeutende Waffensysteme Sonderbeauftragte zu bestellen, die ich mit besonderen Vollmachten auszustatten ausdrücklich zugesagt hatte. Denn wer die Verantwortung für die Einsatzbereitschaft derartiger hochgezüchteter Waffensysteme trägt, muß auch Entscheidungsbefugnisse haben, die dieser Verantwortung entsprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der bisherige „Sonderbeauftragte F 104" unterstand der Leitung des Hauses unmittelbar. Er hatte das Recht und die Pflicht, befreit vom Dienstweg und ohne Zeitverlust die Entscheidung der Leitung des Hauses herbeizuführen. Er hat übrigens während seiner Amtszeit nie Veranlassung hierzu gesehen.
    Auf Vorschlag von General Steinhoff habe ich mit Erlaß vom 14. September 1966 das folgende geändert:
    Der Name „Sonderbeauftragter" wird ersetzt durch „Systembeauftragter", um damit auszudrücken, daß es sich um eine dauernde Einrichtung handelt.
    Der Systembeauftragte ist nicht mehr, wie der Sonderbeauftragte, der Leitung des Hauses unmittelbar, sondern dem Inspekteur der Luftwaffe unterstellt.
    Beides drückt aus, daß es sich bei der Institution künftig also nicht mehr um eine Sondermaßnahme handelt.
    Auf dem Arbeitsgebiet des Systembeauftragten hat der Inspekteur der Luftwaffe dann Entscheidungsbefugnisse, wenn entweder die bevollmächtigten Vertreter der beteiligten Abteilung zugestimmt haben, oder aber wenn der Inspekteur der Luftwaffe beim Fehlen der Zustimmung einer Abteilung diesen Abteilungsleiter zugleich ausdrücklich konsultiert hat.
    Im letzteren Fall kann der Inspekteur der Luftwaffe ebenso wie der beteiligte Abteilungsleiter die Entscheidung der Leitung des Hauses herbeiführen.
    Diese Regelung entspricht den Vorstellungen aller beteiligten Abteilungen des Hauses. Ich habe diesem Vorschlag deshalb ohne Zögern zugestimmt, insbesondere dem Vorschlag, den Sonderbeauftragten, jetzt Systembeauftragten, dem neuen Inspekteur der Luftwaffe und nicht mehr der Leitung des Hauses zu unterstellen.
    Es ist also unrichtig, wenn behauptet würde, der neue Inspekteur der Luftwaffe hätte den Verteidigungsminister zu Zusagen „gezwungen". Richtig ist, daß General Steinhoff für seine modernen Ideen bei allen Abteilungen des Hauses, und ich darf die Leitung des Hauses einschließen, ein offenes Ohr und viel Verständnis findet.
    Auch das Weapon System Management für neues Gerät bis zur Übernahme durch die Truppe ist im Sinne der Kooperation geordnet. Das Hohe Haus wird damit einverstanden sein, daß ich mich darauf beschränke, Einzelheiten dazu im Verteidigungsausschuß zu erläutern.
    Ich habe, meine Damen und Herren, ausgehend vom Thema Organisation, Ihnen diese Einzelheiten präzise darlegen müssen, um Legendenbildungen entgegenzutreten.
    Das Thema Organisation findet aber seinen Konzentrationspunkt unter den Angehörigen dieses Hohen Hauses, bei Militär und Verwaltung und in der politisch interessierten Öffentlichkeit in der



    Bundesminister von Hassel
    Gestaltung des Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung. Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß der Entwurf dieses Gesetzes 1965 zwar die 1. Lesung im Bundesrat erfuhr, im Bundestag aber wegen Zeitmangels nicht mehr beraten wurde. Dem vorigen Verteidigungsausschuß habe ich den damaligen Entwurf vorgetragen.
    Seit geraumer Zeit bin ich mit der Überprüfung des vorjährigen Entwurfes beschäftigt. Nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit den Erörterungen der letzten fünf Wochen habe ich mir meine Auffassung von der Ordnung der Spitze der Bundeswehr gebildet und werde sie zur gegebenen Zeit dem Kabinett in den drei wesentlichsten Punkten vortragen:
    Erstens. Der Entwurf 1965 ließ die Frage offen, wer den Verteidigungsminister in der Ausübung der ihm durch das Grundgesetz übertragenen Befehls-und Kommandogewalt bei längerer Abwesenheit, bei Krankheit oder dergleichen vertritt. Mein Vorschlag wird besagen:
    Ist der Bundesminister der Verteidigung verhindert, die Befehls- und Kommandogewalt auszuüben, so tritt das dazu bestimmte Kabinettsmitglied an seine Stelle. Die allgemeine Regelung der Vertretung der Bundesminister nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung bleibt unberührt.
    Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich persönlich zunächst einer anderen Lösung zuneigte und mich deshalb -mit General Trettner dahin verständigt hatte, daß ich die Lösung dieser Frage von einem unabhängigen Professorengutachten abhängig machen wollte.
    Zweitens. Nach dem Entwurf 1965 waren die Stellen der Hauptabteilungsleiter für Rüstung und für Administration eingerichtet worden. Diese beiden Posten wurden zunächst finanziell und damit protokollarisch ebenso bewertet wie die des Generalinspekteurs. Der neue Entwurf wird deutlich machen, daß der Generalinspekteur im Range unmittelbar dem Minister und dem Staatssekretär folgt. In der dem Hohen Hause inzwischen vorliegenden neuen Besoldungsordnung findet dies bereits seinen Niederschlag.
    Drittens. Der Entwurf des Organisationsgesetzes von 1965 sah für den Generalinspekteur truppendienstliche Befugnisse gegenüber der Territorialen Verteidigung und für die Inspekteure der Teilstreitkräfte truppendienstliche Befugnisse gegenüber ihren Teilstreitkräften vor.
    Demgegenüber ist eingewandt worden, daß auch diese neue Konstruktion nach wie vor eine militärische Spitze der Streitkräfte vermissen lasse. Mein neuer Vorschlag sieht deshalb vor, daß vom Kompaniechef über den Bataillonskommandeur usw., den Kommandierenden General, den Inspekteur der Teilstreitkräfte bis hinauf zum Generalinspekteur ein durchgehender Befehlsstrang geschaffen wird. Auch in dieser Konstruktion handelt der Generalinspekteur selbstverständlich im Auftrage des Ministers als des Inhabers der unteilbaren Befehls- und Kommandogewalt. Ich gebe zu, daß eine solche Regelung politisch und rechtlich eine Reihe von
    Problemen aufwirft. Ich meine jedoch, daß es stärkere Gründe gibt, die für die vorgeschlagene Regelung sprechen.
    Wir bemühen uns also, die Organisation als „geprägte Form, die lebend sich entwickelt" zu sehen und zu behandeln — um dieses bekannte Wort zu zitieren. Ich warne aber davor, daß man unter dem Eindruck der gegenwärtigen Diskussion zu Augenblickslösungen greift. Was man gestalten will, muß dauerhaft, praktikabel und in ernsten Situationen belastbar sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich wiederhole schließlich, daß nicht die Organisation, sondern der Geist der Zusammenarbeit Leistung und Erfolg bestimmt. Es kommt darauf an, Soldaten und zivile Fachkräfte in der gemeinsamen Aufgabe für die Bundeswehr zu integrieren, sie notfalls durch Integration zur Kooperation zu zwingen. Im übrigen bin ich überzeugt, daß die neue Führungsspitze der Bundeswehr die Garantie dafür bietet, daß diese Zusammenarbeit eng und fruchtbar sein wird.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, dem Hohen Hause die tieferen Ursachen, die Hintergründe für das Unbehagen in den Reihen der Bundeswehr zu analysieren und Ihnen darzustellen, was im Zusammenhang mit dem Wechsel in der Führungsspitze der Streitkräfte geschehen ist und welche Gedanken zur Organisation ich der Bundesregierung vorzuschlagen beabsichtige. In einer der letzten Sitzungen des Verteidigungsausschusses hat ein Mitglied des Hohen Hauses einen weiteren, fraglos außerordentlich wichtigen Komplex für das „Unbehagen" in den Reihen der Soldaten vorgetragen. Sie wüßten nämlich nicht, wie eigentlich ihr Auftrag aussehe, welche Strategie gültig sei, wie es eigentlich um die NATO bestellt sei. Da ich weiß, daß diese Fragezeichen in der Tat gesetzt werden, daß sie sich durch manchen gesprochenen und geschriebenen Kommentar noch größer abheben, halte ich es für erforderlich, zum Abschluß auch dieses Kapitel zu behandeln.
    Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist wesentlich bestimmt durch die fortdauernde Bedrohung, die Teilung Deutschlands, die strategisch wichtige und geographisch ungünstige Lage der Bundesrepublik einschließlich Berlins sowie die Eingliederung der Bundesrepublik in das auf dem Prinzip der Integration beruhende Bündnissystem der NATO. Das Ziel der Sicherheitspolitik ist, den Frieden zu bewahren und unsere Freiheit zu sichern, der ideologischen Herausforderung durch den Osten entgegenzuwirken und vor einer militärischen Aggression abzuschrecken und — falls die Abschrekkung versagen sollte — einen Angriff gemeinsam mit unseren Verbündeten abzuwehren.
    Welche Aufgabe hat im Rahmen dieser Politik nun die Bundeswehr zu erfüllen? In der Öffentlichkeit, vor allem aber in verschiedenen Organen der öffentlichen Meinungsbildung werden in der letzten Zeit der politische Zweck, der Auftrag, ja sogar die Daseinsberechtigung der Bundeswehr angezweifelt, mißdeutet oder überhaupt in Frage gestellt.



    Bundesminister von Hassel
    Nun werden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß sich aus der fortdauernden Bedrohung für uns ein elementares Bedürfnis der Sicherheit ergibt. Ohne die gegenwärtige sowjetische Friedensbereitschaft in Zweifel zu ziehen, kann man nicht übersehen, daß der Ostblock — die vorliegenden Erkenntnisse beweisen es — die Rüstung auf allen Sektoren ganz erheblich verstärkt und auf den Gebieten der Forschung, der Technik, der Wirtschaft und der Schwerindustrie ungeheure Anstrengungen macht, einen entscheidenden militärischen Vorsprung zu gewinnen. Angesichts dieser Tatsachen werden Sie ebenfalls mit mir darin übereinstimmen, daß die Regierung unserem Volke Rechenschaft darüber schuldig ist, ob alles geschieht, um unsere Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten, und daß wir uns bei dieser Verantwortung nicht damit begnügen können, auf die Sicherheitsvorkehrungen zu verweisen, die andere für uns getroffen haben. Die Aufstellung und Unterhaltung eigener Streitkräfte ist daher eine Frage der nationalen Existenz.
    Die Abhängigkeit der Verteidigung von einem großen Wirtschaftspotential sowie die Zahl, Wirkungskraft und Kosten moderner Waffen in Verbindung mit Raketen und hochentwickelten Führungssystemen schließen aber eine nationale Verteidigung für Staaten europäischer Größenordnung aus, weil die personelle, wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit einer einzelnen Nation nicht ausreicht. Hieraus ergibt sich für uns die natürliche Folge, an einem Verteidigungsbündnis teilzunehmen.
    Die Bundesrepublik kam mit dem Beitritt zur NATO zwei wichtigen Zielen ihrer Politik näher: der militärischen Sicherung ihrer erneuerten Staatsordnung und dem Abbau der politischen Isolierung zwischen den Blöcken. Für die Bundesrepublik gibt es, solange sich die Weltlage nicht wesentlich ändert, keine Alternativlösung, die Sicherheit und Freiheit mit annähernd gleicher Wirksamkeit verbürgen könnte.
    Der Auftrag der Bundeswehr leitet sich ab aus dem Grundgesetz, aus dem NATO-Vertrag und dem Vertrag der Westeuropäischen Union sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen. Er läßt sich wie folgt formulieren:
    Die Bundeswehr hat die Aufgabe, das Recht und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland gegen Angriffe von außen zu schützen.
    Die Bundeswehr hat nach Entscheidung des Bundestages und der Bundesregierung zur Wahrung und zur Sicherheit des nordatlantischen Raumes einen Beitrag zu leisten. Die Integrität des nordatlantischen Raumes gewährleistet zugleich die Integrität der Bundesrepublik Deutschland.
    Im Rahmen der nordatlantischen Allianz trägt die Bundeswehr gemeinsam mit den alliierten Streitkräften durch ihre Existenz, ihre ständige Einsatzbereitschaft und ihre Schlagkraft zur Abschreckung bei, um dadurch jede Art von Krieg zu verhindern.
    Versagt die Abschreckung, ist es Aufgabe der Bundeswehr, zusammen mit den alliierten Streitkräften den Raum und die Lebensordnung der Bundesrepublik Deutschland und der in der NATO zusammengeschlossenen Staaten zu verteidigen und ihre Integrität wiederherzustellen.
    Dieser Auftrag ist politisch nur vertretbar, wenn er militärisch durchgeführt werden kann.
    Im Auftrage SACEURs, der erst im vergangenen Jahr neu formuliert wurde, sind Abschreckung und Vorwärtsverteidigung als Prämissen unserer Verteidigungsüberlegungen aufgeführt. Dieser Auftrag ist vom Rat genehmigt und damit gültiger Ausgangspunkt aller Überlegungen für die Verteidigungsplanung in Europa. Es scheint mir auch das einzige Konzept zu sein, das die Unversehrtheit des Gebietes der Allianz sicherstellen kann. Es ist nach Auffassung der Bundesregierung aber nur mit Streitkräften durchzuführen, die bereits im Frieden integriert sind, und zwar unter einem Oberkommandierenden, der neben Streitkräften, die seinem Auftrag angemessen sind, die bisherigen Befugnisse für ihren Einsatz behält.
    Unsere Streitkräfte müssen, soll der politische Auftrag erfüllt werden, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft den militärischen Anforderungen, die sich aus dem Auftrag ergeben, entsprechen. Weitere Modernisierung, Rationalisierung, Leistungssteigerung und Standardisierung sind die Begriffe, die auf dem Wege über Planung, Programmierung und Einzeluntersuchungen militärisch ausgefüllt werden müssen. Hierzu gehören das optimale Verhältnis zwischen Kosten und Wirksamkeit unserer Streitkräfte und die systematische Erarbeitung von Alternativen zur Erfüllung dieses Auftrags.
    Grundsatz ist: mit geringstem finanziellen Aufwand den optimalen Effekt zu erzielen. Ziel ist: bis 1970 den Gesamtaufbau der Bundeswehr zu vollenden. Dieses Ziel setzt voraus:
    1. Die Beibehaltung der Wehrpflicht. Ohne sie ist die Erfüllung unserer im eigenen Sicherheitsinteresse eingegangenen Verpflichtung den Partnern gegenüber nicht zu erreichen. Eine Reduzierung unseres Beitrages würde mit Sicherheit Rückwirkungen bei den Partnern auf Kosten unserer Sicherheit auslösen. Das heutige Kriegsbild verlangt die sofortige Einsatzbereitschaft. Sie wäre in dem für die Abschreckung erforderlichen Ausmaß durch ein kleines, rasch überaltertes Berufsheer nicht gewährleistet. Und außerdem: Nur die Wehrpflicht schafft die für die Glaubhaftigkeit der Abschreckung notwendige Wechselbeziehung zwischen Volk und Armee, macht den Verteidigungswillen des ganzen Volkes sichtbar.
    2. Kein Nachlassen der Verteidigungsanstrengungen. Das wäre solange nicht gerechtfertigt, als nicht wirksame Rüstungskontrollmaßnahmen in Verbindung mit internationalem Sicherheitssystem und Sicherheitsgarantien geschaffen sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß sich die Spannungen in einigen Teilen der Welt vor allem deswegen vermindert haben, weil unser Verteidigungssystem kraftvoll und wirksam gewesen ist.



    Bundesminister von Hassel
    Ich fasse zusammen:
    1. Die deutsche Sicherheitspolitik läßt sich von unserem nationalen Interesse leiten. Es geht hier nicht um Prestige-, sondern um Existenzfragen, es geht weder um Mißtrauen noch um Macht.
    2. Die Bundeswehr hat ihren Auftrag im Rahmen des Gesamtkonzepts der NATO zu erfüllen.
    3. Der Aufbau der Bundeswehr aus dem Nichts, zumal in einer gesellschaftlichen Ordnung, die sich in der Wandlung befindet, fand nicht statt in Zeiten der Ruhe: Suez 1956, Berlin 1958, Berlin 1961, Kuba 1962 drückten von außen. Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Personalmangel und Budgetsorgen brachten Einschränkungen von innen. So sind Probleme der Streitkräfte, Spannungen mancherlei Art, die in diesen Wochen allen sichtbar geworden sind, nicht ausgeblieben.
    4. Zu den jüngst von mir vollzogenen personellen Veränderungen in der militärischen Führungsspitze erkläre ich — auch in Wiederholung dessen, was ich vorgestern in München vor einer großen Konferenz der gesamten Politiker der NATO erklärt habe — folgendes. Die Ursachen und die Anlässe, die zu den Entscheidungen geführt haben, entbehren jedes sensationellen Akzentes. Sie sind nichts weniger als ein Wendepunkt in der deutschen Militärpolitik. Die Entscheidungen fielen — von allen Beteiligten anerkannt — auf dem Boden unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Es gab keinen Augenblick den geringsten Zweifel an der Verfassungstreue, noch wurde von irgend jemandem der Primat der Politik in Zweifel gezogen.
    Ich stelle mit allem Nachdruck fest, daß all die seinerzeit verbreiteten wilden Gerüchte vom Machtstreben der Generale jeder Sachgrundlage entbehren. Ich glaube, gerade diese Feststellung den Betroffenen, der Generalität der Bundeswehr und dem Offizierskorps unserer jungen Streitkräfte schuldig zu sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundeswehr hat ihren Aufbau noch nicht vollendet. Das ihr von der Nation und von der NATO gesetzte Ziel wird sie bis 1970 zu erreichen trachten. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht, zahlreiche Lücken geschlossen. sie hat sich innerlich festigen können. Sie hat die Skepsis des Anfangs widerlegt. Sie erwartet, daß das anerkannt wird.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)