Rede:
ID0505716800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Herr: 2
    2. Abgeordneter,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Frage?: 1
    7. —: 1
    8. Bitte,: 1
    9. Abgeordneter: 1
    10. Berkhan!: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen V/921, V/919) Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) und Abg. Dr. Kreutzmann: Betriebseinstellung auf Bundesbahnstrecken im Zonenrandgebiet Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2798 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2798 D Dr. Kreutzmann (SPD-Gast) . . . . 2800 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . 2800 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 2800 D Börner (SPD) 2800 D Frage des Abg. Dröscher: Suche nach neuen Uranerzlagern Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 2801 B Dröscher (SPD) 2801 B Fragen des Abg. Lemper: Entwicklung im rheinischen Braunkohlenrevier Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2802 A Lemper (SPD) 2802 A Fragen des Abg. Mattick: Bekanntgabe von Bemühungen der Interzonentreuhandstelle betr. den Berlin-Verkehr Dr. Langer, Staatssekretär . . . 2803 B Mattick (SPD) 2803 C Borm (FDP) 2804 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Einfuhr von Granit aus Portugal Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 2804 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 2804 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 2804 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Rechtsstellung der bei den alliierten Stationierungsstreitkräften beschäftigten Personen 2805 B Fragen des Abg. Müller (Berlin) : Erklärungen der polnischen Exdiplomaten Tykocinski — Entscheidung wesentlicher Berlin-Fragen durch die Sowjetunion Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2805 C Frage des Abg. Dr. Mommer: Gegenseitigkeit beim Verzicht auf den Visumzwang und bei der Gebührenfreiheit für Besuchsvisen 2805 D Fragen des Abg. Kubitza: Anschläge von Exilorganisationen auf Vertreter Jugoslawiens in Deutschland Lücke, Bundesminister 2806 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2806 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 2807 A Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Öffnung der Grenze zur CSSR bei Bayerisch Eisenstein Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Benachteiligung der ehemaligen Berufsunteroffiziere Lücke, Bundesminister 2807 B Frage des Abg. Wagner: Mittel des Bundes für kommunale Vorhaben — Änderung der Bewilligungsbestimmungen Grund, Staatssekretär 2808 A Fragen des Abg. Dröscher: Verlegung des US-Kurierflugplatzes in Bad Kreuznach Grund, Staatssekretär 2808 C Dröscher (SPD) 2808 D Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Rücklagenbildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 2809 B Frage der Abg. Frau Eilers: Bekanntgabe des Ergebnisses der Frauenenquete von Hase, Staatssekretär 2809 C Frau Eilers (SPD) 2810 A Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Antrag betr. Bericht über die Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium (SPD) (Drucksache V/914) Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . . 2810 C von Hassel, Bundesminister 2812 A, 2833 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 2819 B Strauß (CDU/CSU) 2833 B Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 2847 B Wehner (SPD) . . . . . . . 2852 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 2855 B Genscher (FDP) 2859 C Dr. Schäfer (SPD) 2861 B Antrag betr. Ersuchen an den Bundeskanzler auf Entlassung des Bundesverteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel (SPD) (Drucksache V/915) 2861 C Nächste Sitzung 2863 D Anlagen 2865 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 2797 57. Sitzung Bonn, den 21. September 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 56. Sitzung, Seite 2717 A, Zeile 3 statt Wehrdienstgesetzes: Wehrdienstrechts; Seite 2763 B, Zeile 14 statt wenn ich es für richtig halte: wenn ich es nicht für richtig halte; Seite 2787 B, Zeile 21 statt Instrumentarismus: Instrumentariums. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Abelein 4. 10. Dr. Adenauer 5. 10. Dr. Althammer 23. 9. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 23. 9. Berendsen 24. 9. Blachstein 10. 10. Blumenfeld 23. 9. Frau Brauksiepe 30. 9. Busse (Herford) 26. 9. Dr. Dittrich *) 24. 9. Eisenmann 24. 9. Frau Dr. Elsner *) 22. 9. Dr. Eppler 7. 10. Erler 30. 9. Ertl 23. 9. Fellermaier 23. 9. Franke (Hannover) 21. 9. Frehsee 30. 9. Frau Funcke 23. 9. Dr. Götz 26. 9. Graaff 22. 9. Dr. Dr. Heinemann 28. 9. Dr. Huys 5. 10. Iven 26. 9. Dr. Jaeger 23. 9. Dr. h. c. Jaksch 22. 9. Dr. Jungmann 24. 9. Kahn-Ackermann 6. 10. Dr. Kempfler 23. 9. Frau Klee 23. 9. Dr. Kopf 4. 10. Frau Korspeter 30. 9. Krammig 23. 9. Dr. Kübler 30. 9. Lenz (Trassingen) 30. 9. Logemann 21. 9. Dr. Löhr *) 24. 9. Dr. Martin 6. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 29. 9. Michels 30. 9. Dr. Müller (München) 23. 9. Dr. Müller-Hermann 23. 9. Frau Pitz-Savelsberg 30. 9. Raffert 6. 10. Rehs 21. 9. Rock 2. 10. Saam 7. 10. Sander 23. 9. Dr. Schulz (Berlin) 21. 9. Dr. Süsterhenn 23. 9. Steinhoff 25. 9. Stingl 25. 9. Teriete 20. 10. Dr. Dr. h. c. Toussaint 25. 9. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter(r) beurlaubt bis einschließlich Unertl 23. 9. Dr. Verbeek 23. 9. Weimer 5. 10. Windelen 23. 9. Dr. Wörner 30. 9. Zerbe 23. 9. Dr. Zimmermann 23. 9. b) Urlaubsanträge Dr. Artzinger 5. 10. Berlin 20. 10. Schlee 5. 10. Wächter 8. 10. Baron von Wrangel 15. 10. Anlage 2 Umdruck 91 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966 Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die seit längerer Zeit im Bundesministerium der Verteidigung sichtbar gewordenen Schwierigkeiten haben sich durch die Vorgänge der letzten Wochen zu einer Führungskrise der Bundeswehr ausgeweitet. Für die gesamte Öffentlichkeit ist klar geworden, daß Herr von Hassel als Bundesminister der Verteidigung und damit als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt den schwierigen Aufgaben der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung und der Führung der Bundeswehr nicht gewachsen ist. Die bereits jetzt erkennbaren Auswirkungen dieser noch keineswegs überwundenen Führungskrise auf die Bundeswehr erlauben kein weiteres Verschleppen der dringend notwendigen personellen Entscheidung, unverzüglich einen neuen Verteidigungsminister zu berufen. 2. Das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte parlamentarische System legt dem Deutschen Bundestag die Verpflichtung auf, den Bundeskanzler, die Bundesregierung als Ganzes und die Minister in der Erfüllung der ihnen aufgetragenen Verantwortung für ihre Ressorts zu kontrollieren. Diese Kontrollaufgabe erstreckt sich ebenso auf die Ministerien und die nachgeordneten Behörden. Der Deutsche Bundestag wird sich bei der Ausübung seiner Kontrollbefugnisse über die Exekutive, ohne Ansehen der Person, weder gegenüber den Staatsdienern in Uniform noch gegenüber denen in Zivil zu irgendwelcher Parteilichkeit verleiten lassen. 3. Der Deutsche Bundestag spricht erneut den Angehörigen der Bundeswehr, gleichgültig an welcher Stelle sie stehen, Soldaten, Beamten, Ange- 2866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 57. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 21. September 1966 stellten und Arbeitern sein Vertrauen aus, dankt ihnen für ihre Pflichterfüllung und für ihre unter schwierigen Verhältnissen vollbrachten Leistungen. Der Deutsche Bundestag ist gewiß, daß die Bundeswehr — Truppe und Verwaltung, Stäbe und Ministerium — weiterhin in Treue und Gehorsam gegenüber Staat und Grundgesetz, die ihr vom Bundestag und Bundesregierung gestellten Aufgaben erfüllen wird, unbeschadet der Konsequenz, die Bundestag und Bundeskanzler aus den Vorgängen der letzten Wochen im Bundesministerium der Verteidigung ziehen müssen. Bonn, den 21. September 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 92 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 21. September 1966. Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag dankt den Angehörigen der Bundeswehr, an welcher Stelle sie immer stehen — Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeitern —, für ihre Leistung, die sie in den zehn Jahren des Aufbaues vollbracht haben. Die Bundeswehr hat ihren staatspolitischen Auftrag verfassungsgetreu und zielstrebig erfüllt, ohne sich durch Mißtrauen und Schwierigkeiten vielfältiger Art beirren zu lassen. Das verdient uneingeschränkte Anerkennung. Der Deutsche Bundestag ist überzeugt, daß sie auch weiterhin im Dienste an Volk und Staat ihr bestes leisten wird. Bonn, den 21. September 1966 Dr. Barzel und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das Wort hat der Abgeordnete Schultz (Gau-Bischofsheim).
    Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen die Gedanken der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei zu dem vorliegenden Problem vorzutragen und möchte damit beginnen, daß ich das aufnehme, was Herr Kollege Strauß am Anfang seiner Rede gesagt hat. Auch wir sind der Meinung, daß diese Debatte heute zur Unzeit stattfindet, und zwar aus folgenden Gründen.
    Der Verteidigungsausschuß hat sich als Ausschuß dieses Bundestages, der nach der Verfassung besondere Rechte und Pflichten gegenüber der Bundeswehr hat, mit den Fragen, die heute hier zur Debatte stehen, schon seit dem 1. September befaßt. Wir haben uns mit den Problemen auseinandergesetzt und haben eine Reihe von Berichten des Bundesverteidigungsministers und der zurückgetretenen Generale gehört. Wir sind dann dazu gekommen, das auszuwerten, was uns gesagt worden ist.
    Der linken Seite dieses Hauses ging das anscheinend zu langsam. Man hat von dort aus gesagt, der Verteidigungsausschuß würde nach der Art von Kriminalobersekretären mit diesen sehr wichtigen Problemen umgehen.

    (Zuruf von der Mitte: Das macht der Herr Schmid!)

    Ich weiß nicht, ob das eine Abwertung der Kriminalobersekretäre oder der Mitglieder des Verteidigungsausschusses sein soll. Daraus ist zu erkennen, daß vielleicht nicht allein die Probleme, die im Raume stehen, angepackt werden sollen, sondern daß mit dieser Debatte auch andere Ziele verfolgt werden.
    Die Debatte findet auch deswegen zur Unzeit statt, weil die neuernannten Inspekteure und der Generalinspekteur ihre Arbeit erst vor kurzem aufgenommen haben. Schließlich zeichnen sich organisatorische Änderungen im Ministerium für Verteidigung ab, deren Wirkung sich allerdings noch nicht zeigen kann.
    Es wird sich auch erweisen, ob die Äußerungen, die Herr Kollege Schmidt heute bezüglich des Berichtes getan hat, den Herr Panitzki im Ausschuß gegeben hat, unter allen Umständen aufrechterhalten werden können. Wir haben uns ja mit diesem Problemkreis bisher im Ausschuß noch gar nicht beschäftigt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich habe durchaus Verständnis für das Bemühen der Opposition, die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Ich darf aber gleichzeitig um das Verständnis der Opposition bitten, daß wir einem Antrag, wie er hier gestellt worden ist, unsere Zustimmung aus den soeben geäußerten Gründen nicht werden geben können.
    Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob das Objekt, das Thema Verteidigungspolitik schlechthin, für eine solche Debatte mit einer solchen Zielrichtung geeignet ist. Die Probleme sind, wie beide Redner vor mir gesagt haben, nur gemeinsam zu lösen.
    Wir müssen alle beklagen, daß der Aufbau der Bundeswehr unter den sehr harten Auseinandersetzungen — insbesondere der Christlichen Demokraten und der Sozialdemokraten — stattgefunden hat. Wie schwierig die Probleme sind, ergibt sich daraus, wie lange Zeit die Wehrgesetzgebung benötigt hat, die von manchen hier im Hause und auch von uns als überholungsbedürftig bezeichnet wird. Ein wesentliches Element dieses Gesetzeswerkes, nämlich das Organisationsgesetz, das nach § 66 des Soldatengesetzes vorzulegen ist, hat damals in der Tat gar nicht mehr verabschiedet werden können. Daß man sich über die Probleme, die in einem solchen Gesetz stehen, nicht rechtzeitig unterhalten hat, scheint mir auch ein Grund für die Schwierigkeiten der Bundeswehr und für die Schwierigkeiten, in denen auch wir als Parlament uns befinden, zu sein.
    In diesen Dingen ist kein Parforceritt möglich, weil ja nicht nur materielle Fragen im Spiele sind, sondern weil hier Fragen geklärt und entschieden werden müssen, die weit in die persönliche Sphäre



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    des einzelnen eingreifen. Es dreht sich um die Bezahlung der Soldaten; es dreht sich um die Einordnung der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft — darüber ist eben genügend gesagt worden es dreht sich um die Einschränkung der Grundrechte; es dreht sich aber wiederum auch um den Schutz der den Soldaten verbliebenen Rechte; und es dreht sich letzten Endes um die Form, wie Lob und Tadel in der Bundeswehr zur Aufrechterhaltung der Disziplin ausgesprochen werden sollten.
    Wir sind der Auffassung, daß der Rücktritt der Generäle blitzartig die internen Schwierigkeiten aufgezeigt hat, in der das Aufbauwerk — genannt „Bundeswehr" — steht und gestanden hat. Ich möchte ganz ehrlich sagen — wir wollen uns doch nichts vormachen —: mancher auch unter uns, der bisher nur wenig von den Dingen gehört hat und der gesagt hat, es werde schon alles so richtig sein, hat erkennen müssen, daß das Parlament hier eine Kontrollaufgabe hat und daß sich alle mit diesen Problemen beschäftigen müssen.

    (Abg. Liehr: Und keine Konsequenzen ziehen?!)

    Ich glaube, man sollte das Wort „Krise in der Bundeswehr" nicht überbewerten, was das Wort „Krise" betrifft. Es ist wohl nur ein vereinfachter Sprachgebrauch, um einen Zustand darzustellen. Die Art, wie der Ablauf der Beratungen und die Neuernennung der Inspekteure bisher vor sich gegangen sind, hat gezeigt, daß sich diese Krise in der Tat nur in der oberen Spitze abspielt, daß aber die Truppe und auch die Verwaltung im mittleren und unteren Bereich davon unberührt geblieben sind.
    Auf der anderen Seite meine ich, daß der erste Eindruck, den die Abgeordneten des Verteidigungsausschusses am 1. September gewonnen haben und der draußen so kommentiert wurde, die Abgeordneten hätten sich erschreckt und bestürzt gezeigt, natürlich auch heute noch vorhanden ist. Daraus ergibt sich aber die besondere Verpflichtung, die notwendigen Konsequenzen so bald und so schnell wie möglich zu ziehen.

    (Abg. Berkhan: Welche sind denn nun notwendig?)

    — Darüber, lieber Herr Kollege Berkhan werden wir noch zu gegebener Zeit die entsprechenden Ausführungen machen.


Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? — Bitte, Herr Abgeordneter Berkhan!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Wilhelm Berkhan


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Schultz, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie nicht mehr der Meinung sind, der Minister Mende solle das Verteidigungsministerium übernehmen?
    Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) : Darüber jetzt hier zu sprechen, lieber Kollege Berkhan, würde den Rahmen des Themas, das wir abzuhandeln haben, weit sprengen. Im übrigen habe ich dazu schon in meinen Einleitungsworten quasi eine Antwort gegeben.
    Ich glaube, daß die Ursache der zutage getretenen Spannungen nicht rein persönliche Rivalitäten innerhalb der Spitze des Hauses, innerhalb der oberen Ministerial- oder Militärbürokratie gewesen sind, sondern daß sich hier auch das Ringen um die beste Durchführung des Auftrags ausdrückt, wo natürlich jeder seine Position und seine Ansichten entsprechend verteidigt. Vielleicht ist dabei zu sehr in juristischen Kategorien gedacht und zu wenig die sachliche Notwendigkeit erkannt worden. Insofern bringt natürlich das Postulat, das Minister von Hassel heute aufgestellt hat, etwas Neues. Er hat gesagt: Wer Verantwortung für die Einsatzbereitschaft hochgezüchteter Waffensysteme tragt, muß auch Entscheidungsbefugnisse haben, die der Verantwortung entsprechen. Das ist natürlich eine neue Erkenntnis, die bisher zumindest im Verteidigungsministerium nicht zu finden war.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich sage ganz offen, daß ich Zweifel habe, ob es ohne den demonstrativen Schritt des Rücktritts zweier Generale zu dieser Erkenntnis gekommen wäre,

    (Sehr gut! rechts)

    und zwar nicht nur im Ministerium, sondern auch in diesem Hohen Hause. Im Hohen Hause gibt es weite Kreise, die meinen, man sollte der militärischen Führung nicht allzu viel Macht einräumen. Ich will nicht wiederholen, was vorhin dazu gesagt worden ist.
    Es ist auch zu berücksichtigen, daß der amtierende Verteidigungsminister eine schwere Erbschaft übernommen hat.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Wir Freien Demokraten sind immer der Meinung gewesen, daß der Aufbau der Bundeswehr zu schnell erfolgt ist. Wir haben, auch hier im Hohen Hause, immer gewarnt, allerdings ohne Gehör zu finden.
    Das Personalfehl, unter dem die Bundeswehr leidet, war schon ab 1960 erkennbar, und Maßnahmen, das zu beheben, sind erst spät eingeleitet worden, erst Ende 1964 und im Jahre 1965. Ich nenne in diesem Zusammenhang z. B. die Einrichtung von Unteroffizierschulen; ich nenne schließlich auch die berühmte Weiterverpflichtungsprämie. Natürlich kann eine Armee nur schlagkräftig sein, wenn das Kapital in die Ausbildung der Ausbilder gesteckt wird. Leider ist in der vergangenen Zeit gerade diese Forderung immer zurückgewiesen worden mit dem Argument, man habe dafür keine Menschen.
    Hinzu kommt, daß sich das Parlament eigentlich erstmals 1964 mit der internen Situation in der Bundeswehr befaßt hat. Ausgelöst wurde diese Diskussion einmal durch den Bericht des damaligen Wehrbeauftragten Heye und zum anderen durch den Antrag meiner Fraktion zur dritten Lesung des Einzelplans 14 im Haushalt 1964. Insofern ist wohl das Parlament nicht ganz unschuldig an dem, was wir heute feststellen müssen. Wir haben uns zu spät mit den Menschen in der Bundeswehr, gleichgültig, ob Soldat oder Verwaltungsangehöriger, beschäftigt. Wir haben uns zu spät damit beschäftigt, unter

    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    A) welchen Voraussetzungen eine solche Armee nur arbeiten kann, unter welcher Voraussetzung sie geführt werden kann. Wir haben zuviel und vielleicht zu lange über große Strategie gesprochen. Wir sind uns darüber im klaren — und Kollege Strauß hat das des längeren ausgeführt —, daß der Aufbau der Streitkräfte nach der totalen Umerziehung außerordentlichen Schwierigkeiten begegnet ist. Es hat sich dabei mal wieder das Wort bewahrheitet, daß man in der Politik eben niemals „niemals" sagen sollte. Wir erinnern uns natürlich noch sehr gut daran — und viele der jungen Soldaten erinnern sich auch heute noch daran, weil sie es von ihren Vätern erzählt bekommen haben —, daß Politiker der Bundesrepublik auch den Satz gebraucht haben: „Die Hand soll verdorren, die noch einmal ein Gewehr nimmt" oder ähnliche Dinge.

    (Beifall bei der FDP. — Sehr wahr! bei der SPD.)

    Da diese Schwierigkeiten bekannt gewesen sind, wäre eine Beschränkung in der Zeitenfolge des Aufbaus notwendig gewesen. Weiter wäre ein gleichmäßiger Aufbau aller zur Verteidigung gehörenden Teile der kämpfenden Truppe und der Versorgung notwendig gewesen.
    Kollege Strauß hat vorhin darauf hingewiesen, daß eine Forderung der NATO bestanden habe und es sehr schwierig gewesen sei, die Forderung der NATO — erstens was den Zeitbedarf und zweitens, was auch Umfang und Zahl betraf — zurückzuschrauben. Auf der anderen Seite glaube ich aber, darauf
    ) hinweisen zu müssen, daß bei der NATO Militärs die militärischen Forderungen ausgearbeitet haben und daß doch eigentlich mit ihnen hätte geredet werden können, geredet werden müssen; denn gerade Militärs müssen ja wissen, wie lange es dauert, Streitkräfte aufzubauen, wenn vorher nichts da war. Ich meine auch, daß — ganz abgesehen von den Forderungen, die die NATO gestellt hat — die eigene Politik ein Wort hätte sagen müssen. Ich meine nämlich, daß sich der politische Auftrag an die Streitkräfte nicht nach der abstrakten politischen Forderung richten darf, sondern daß sich dieser Auftrag nach den militärischen Möglichkeiten richten muß. Ich kann also nur das verlangen, was durchzuführen ist. Ich möchte sagen: hier gilt ein bißchen auch das Prinzip der Inneren Führung bei der Politik. Der Soldat soll ja auch nur von seinen Untergebenen das verlangen, was dieser in der Lage ist durchzuführen. Das gilt insbesondere auch für die Arbeit im Ministerium.
    Da ich gerade bei der Inneren Führung bin: Herr Minister von Hassel hat heute früh gesagt, daß über zwei Rücktrittsgesuche entschieden sei — das wissen wir ja —, daß aber über das Entlassungsgesuch von General Pape noch nicht entschieden sei. Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum das bisher noch nicht geschah. Ich möchte aber fragen: Ist es nicht für einen Mann unerträglich, so lange zu warten, bis etwas entschieden wird? Ist es nicht gerade auch notwendig, in diesem Bereich eine Entscheidung zu treffen, um damit auch zu einer Verbesserung des Betriebsklimas beizutragen?
    Weiter kommt dazu die Frage: Wieso kam es eigentlich zu diesen Spannungen? War das persönliche Gespräch nicht möglich oder hat man von seiten des militärischen Teils der Bundeswehr nicht rechtzeitig den Mund aufgemacht? Verschiedentlich ist darauf hingewiesen worden, daß gerade auch von einem militärischen Führer Zivilcourage verlangt werden muß. Das ist eine harte Forderung, die im Raume steht. Ich glaube, so wie jeder von uns sie im täglichen Leben erfüllen muß, muß sie auch der Soldat erfüllen, vielleicht sogar noch mehr als wir. Es ist zu begrüßen, daß Minister von Hassel die Leistung der Generäle Trettner und Panitzki für den Aufbau der Bundeswehr heute gebührend hervorgehoben und gewürdigt hat. Denn man darf trotz aller Divergenzen, die sich ergeben können, einen Vorgang nie allein sehen, sondern muß ihn im Zusammenhang mit all dem sehen, was vorher gewesen ist. Ich glaube, daß hier in der Tat zu sagen ist, daß beide ihr gerütteltes Maß an Mitarbeit und an guten Gedanken zu dem Gesamtproblem gegeben haben, und daß das hervorzuheben ist.
    Es wurde in der Öffentlichkeit der Rücktritt der Generäle kritisiert, und die Frage wurde gestellt: „Dürfen die das überhaupt?" Es wurde gesagt: „Die haben doch zu gehorchen", und: „die setzen die Politiker unter Druck." Es lohnt vielleicht, einen Moment auf diese Problematik einzugehen.
    Ich glaube, die Generäle haben das getan, was der Politiker eigentlich von ihnen verlangt. Sie haben bewiesen, daß der Soldat mitdenken muß, daß er mit Verantwortung tragen muß und daß er, wenn er glaubt, die Verantwortung nicht mehr tragen zu können, auch die Konsequenzen zu ziehen hat. Es ist nicht möglich, Verantwortungsgefühl von anderen zu fordern, wenn man es nicht selber praktiziert. Ich glaube, daß gerade der Rücktritt aus hohen Stellungen, gleichgültig ob in der Bundeswehr oder woanders, ein legitimes Mittel in der Demokratie ist, um klarzustellen, daß man mit dem, was getan wird, nicht einverstanden ist, daß man eine Änderung wünscht.
    Der Politiker bedarf des fachlichen Urteils des Soldaten, und daraus kommt die Mitverantwortung, die dem Soldaten eigen ist. Er muß die militärischen Notwendigkeiten nüchtern und realistisch vertreten. Allerdings liegt dann die Entscheidung, was zu tun ist, beim Politiker. Es wäre ganz verkehrt — ich sage das nur deswegen, weil das heute oft durcheinandergebracht wird —, die Meinungsäußerung von Soldaten in irgendwelchen Aufgabenbereichen oder in irgendwelchen Richtungen schon als einen Griff nach der politischen Macht zu verstehen. Der Politiker muß Verständnis dafür haben, daß sich der Soldat dafür verantwortlich fühlen muß, daß das militärische Instrument die Schlagkraft besitzt, die es überhaupt erst als Instrument wertvoll macht und die dem Politiker die Möglichkeit gibt, in sein politisches Handeln, in sein politisches Kalkül dieses Instrument auch einzusetzen, d. h., gestützt auf es, bestimmte Dinge zu tun, die notwendig sind.
    Der Soldat hat also, meine ich, das Recht, Forderungen zu stellen. Man sollte gar nicht so pingelig



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    sein und auch das Wort „militärische Forderung" gebrauchen und im Raum stehen lassen. Man kaun das selbstverständlich verbrämen und das „Wünsche", „Bitten", „Überlegungen" oder sonstwie nennen. Aber es ist natürlich eine militärische Forderung, wenn der Soldat bestimmte Wünsche äußert, deren Erfüllung er für notwendig hält, um seine Aufgabe des Führens, des Erziehens und des Ausbildens durchführen zu können. Ich muß Ihnen sagen, mir wären Soldaten, die keine militärischen Forderungen stellen, eigentlich etwas unheimlich. Denn ich würde mir sagen, sie sind nicht in der Lage, ihren Auftrag durchzuführen.
    So ist selbstverständlich die Forderung nach dem durchgehenden Befehlsstrang vom Generalinspekteur bis zum letzten Soldaten, die General de Maizière in seinem Brief gestellt hat, eine militärische Forderung. Auch die Forderung nach einer personalen und konkreten Führung, anstatt einer anonymen und abstrakten, und letzten Endes auch die Forderung nach stärkerer personeller Mitbestimmung, die Steinhoff zum Ausdruck gebracht hat, sind selbstverständlich militärische Forderungen. Das Primat der Politik wird dadurch nicht angetastet, denn der Politiker muß letzten Endes den Maßstab setzen, was und wie es zu erfüllen ist.
    Herr Kollege Schmidt hat sich des längeren über die ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt des Ministers ausgesprochen. Das wäre sicher weiter zu vertiefen, es wäre nämlich zu fragen: Wann und wo kann die ungeteilte Befehls- und Kommandogewalt delegiert werden, ohne daß das politisch schädlich ist? Ich meine nämlich, daß der Soldat in die Lage gesetzt werden muß, verantwortlich zu führen, und daß er das nicht kann, wenn er — wie es bei der jetzigen Konstruktion ist — nicht mehr die Mittel dazu in der Hand hat, wenn er wegen aller Dinge, die in die Technik, in die Wirtschaft, in den Haushalt hineingehen, erst die Mitzeichnung haben muß.
    Ich habe mich über das Problem als solches in einem Artikel in der „Welt" geäußert und gesagt, daß man sich darüber klar sein muß, daß das Ministerium eine spezielle Aufgabe hat, nämlich die Planung zu erarbeiten und die Weisungen zu geben, daß es aber dann schon bei den Teilstreitkräften beginnt, diese Weisungen und die Planungen in die Tat umzusetzen und daß ihnen deswegen die Möglichkeiten dazu gegeben werden müssen. Der durchgehende Befehlsstrang z. B. ist eine dieser Möglichkeiten. Es ließe sich darüber allerdings noch sehr viel mehr sagen. Insofern, meine ich, war — das ging auch aus den Zitaten hervor, die Kollege Strauß am Ende seiner Rede brachte — natürlich doch eine gewisse Unehrlichkeit am Anfang des Aufbaus der Bundeswehr gestanden. Nicht das praktische Erfordernis war das oberste Ziel der Gesetzgebung, sondern die Einengung des Spielraums der militärischen Seite spielte auch eine wesentliche Rolle. Die Slogans oder Schlagworte aus der damaligen Zeit sollte man ja auch nicht vergessen. Man sollte auch daraus lernen. Ein Schlagwort war ja z. B. auch: „die Generäle sollen nicht über den Zaun grasen können".
    Lassen Sie mich etwas zu der von Minister von Hassel heute vorgeschlagenen Erweiterung der Befugnisse sagen. Ein personal board bei dem Luftwaffeninspekteur hat nach meiner Auffassung nur dann Sinn, wenn der Inspekteur der Teilstreitkraft seine Auffassung gegenüber der Personalabteilung durchsetzen kann bzw. wenn die Entscheidung über strittige Fälle bei dem Minister und nicht bei der Personalabteilung liegt.
    Wenn man aber schon so weit geht, wird man sich auch überlegen müssen, ob dann die personale Bewirtschaftung, direkt dem Minister unterstellt, überhaupt noch einen Sinn hat, ob nicht die personale Bewirtschaftung in die Hände der Teilstreitkräfte oder des Bundeswehrführungsstabes gegeben werden muß.

    (Zuruf von der SPD: Da gehört sie hin!)

    Die eigene Titelverwaltung, die der Luftwaffeninspekteur gefordert hat, bringt natürlich das gleiche Problem. Wenn z. B. die Luftwaffe eine bestimmte Fanganlage haben will, die sie für erprobt und für in Ordnung befindet, und die Abteilung Wirtschaft und Technik sagt: nein: wir wollen noch die eine oder andere erproben — was geschieht dann, wer entscheidet dann? Hier muß man sich mit dem Problem auseinandersetzen, und ich meine, daß die Entscheidung weiter nach unten verlagert werden kann, als sie es augenblicklich ist.
    Das, was über den Systembeauftragten gesagt worden ist, ist für meine Begriffe ein Kompromiß zwischen den Wünschen des Luftwaffeninspekteurs und der bisherigen Übung der Sonderbeauftragten. Das kann meiner Ansicht nach nur bei einem sehr hohen Maß an Einsicht der Beteiligten funktionieren. Ich hoffe, wie das Kollege Strauß vorhin schon gesagt hat, daß wir an alle Knotenpunkte nur Männer mit einem weiten, umfassenden Überblick und mit einem sehr hohen Maß an Bereitschaft zur Kooperation bekommen.
    Zunächst einmal möchte ich aber auf Grund der Erfahrung der Vergangenheit hier etwas Skepsis anmelden. Die Ausstattung der Sonderbeauftragten mit besonderen Vollmachten, von der Minister von Hassel gesprochen hat und die in der Abteilungsleitersitzung am 19. November 1965 zugesagt wurde, ist nämlich nie erfolgt. Wenn man solche Ziele setzt, muß man natürlich auch dafür sorgen, daß sie im Hause durchgeführt werden. Man darf dabei auch die Etatisierung nicht vergessen.
    Es ist sicher richtig, daß nicht die Organisation, sondern der Geist der Zusammenarbeit Leistung und Erfolg bestimmt. Lassen Sie mich deshalb ein Wort zu der allgemeinen Kritik sagen. Es ist gar keine Rede davon, daß die Kritik am - ich möchte sagen — Geist im Verteidigungsministerium umgemünzt werden kann in eine Kritik an der Arbeit der mittleren oder unteren Bundeswehrverwaltung, wie das manchmal dargestellt wird. Wir sind weit entfernt davon — und das gilt nicht nur für uns Freie Demokraten, sondern, wie ich glaube, für alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses und dieses Parlaments —, die Leistung der Beamten, Angestellten und Arbeiter in dem Aufbau der Bundeswehr schmä-



    Schultz (Gau-Bischofsheim)

    lern zu wollen. Sie ist sicher ebenso hoch zu bewerten wie die der Soldaten. Es wird anerkannt, daß sich die Arbeit der Verwaltung nur im Rahmen der Gesetze und Verordnungen vollziehen kann. Wo sich diese aber auf der anderen Seite als unpraktisch erweisen, müssen sie geändert werden. Diese Änderung muß nicht unbedingt immer nur vom Parlament forciert werden; wir sind sehr glücklich, wenn wir dazu auch von der Regierung Änderungsvorschläge bekommen.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Es ist sicher, daß zivile Referenten in dem Ministerium genauso wie Behördenleiter militärischer Prägung errungene Rechte hartnäckig gegen jede Minderung verteidigen, und sie haben sicher keine unlauteren Motive dabei, sondern sind von der Notwendigkeit dessen, was sie vertreten, durchaus überzeugt. Die politische Führung muß, so meine ich, hier das richtige Maß setzen. Das gilt zunächst einmal für die politische Führung im Ministerium, selbstverständlich aber auch für die politische Kontrolle durch dieses Parlament. Ich glaube, daß das Parlament bereit ist, hier neue Wege zu gehen.
    Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Wort zu dem dritten Komplex des Unbehagens sagen, den der Minister angesprochen hat, nämlich zu der Frage: Wie muß der Auftrag für die Bundeswehr lauten? Die Situation der NATO ist durch das Ausscheiden Frankreichs aus der Integration verändert. Eine Verminderung der Rhein-Armee ist möglich. Man muß sich ebenso mit dem Gedanken vertraut machen, daß eine Verminderung der Stärke der US-Truppen möglich ist. Ich meine, daß diese Veränderungen bei der langfristigen Planung, die, wie wir hören, im Bundesverteidigungsministerium seit einiger Zeit angelaufen ist, auch ihre Berücksichtigung finden müssen. Man wird sich überlegen müssen, ob und welche neuen Aufgaben dadurch eventuell auf uns zukommen, ob und wie die Bundeswehr anders gegliedert werden muß und welche finanziellen und wirtschaftlichen Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden.
    Mir scheint also, daß der geistige deutsche Beitrag zur Konzeption der NATO wichtiger als je ist und daß wir die Zurückhaltung, die wir lange Jahre in dieser Richtung betrieben haben, heute werden aufgeben müssen, da sie nicht mehr angebracht ist, wenn sie je angebracht war.
    Mir scheint, daß der Schwerpunkt für den Beitrag der Bundesrepublik zum Bündnis bei der konventionellen Rüstung liegen muß, daß innerhalb der Streitkräfte wiederum der Schwerpunkt beim Heer liegt und daß Luftwaffe und Marine wichtige Unterstützungswaffen für das Heer sind.
    Ich meine auch, daß die Territorialverteidigung eine Bedeutung über ihren bisherigen Auftrag weit hinaus bekommt, der ja nur lautete, die Operationsfreiheit der Streitkräfte sicherzustellen. Ich meine, sie muß einen Kampfauftrag erhalten und damit entsprechend ausgebildet und gegliedert werden; sie muß Aufgaben übernehmen, die jetzt noch den der NATO assignierten, ständigen Truppen aufgebürdet sind. Ich meine, daß diese Überlegungen angestellt werden müssen und daß Umgliederungen, wenn sie notwendig werden, auch im Rahmen des bestehenden Gefüges durchgeführt werden können und daß dafür keine zusätzlichen Geldmittel benötigt werden.
    Lassen Sie mich dabei auch ein Wort zur Frage der allgemeinen Wehrpflicht sagen. Ich bin bis heute noch der Meinung, daß die allgemeine Wehrpflicht in unserer Situation, in unserer geographischen Lage, in dem Grad, in dem wir einer möglichen Konfrontation ausgesetzt sind, notwendig ist und daß wir nicht das Beispiel Großbritanniens nachahmen können. Ich möchte also der These, die Herr Minister von Hassel in seiner Rede heute früh dazu gebracht hat, ausdrücklich zustimmen. Gerade die Unwahrscheinlichkeit eines Überraschungsangriffs oder eines plötzlichen großen Krieges kann die größere Wahrscheinlichkeit kleinerer Konflikte bringen. Wir müssen uns also auf Spannungszeiten einrichten und müssen die Möglichkeit haben, Spannungszeiten auch auszunutzen. Wir werden also, wenn man überhaupt an die Auseinandersetzung denkt, Reserven mobilisieren müssen. Eine Reservenbildung ist aber nur bei einer allgemeinen Wehrpflicht möglich. Ich glaube, ein reines Berufsheer, wie es z. B. auch der frühere Wehrbeauftragte Heye gefordert hat, engt den Spielraum, in dem Krisen gemeistert werden können, sehr ein, und mir scheint nicht, daß das politisch erwünscht sein kann.
    Es ist eine ganz andere Frage, ob die Bundeswehr ihre geplante Endstärke von 500 000 Mann ständig unter Waffen haben muß. Uns ist das Fehl an Offizieren und Unteroffizieren bekannt. Die bisherigen Maßnahmen reichen zur Milderung dieses Fehls nicht aus. Ich möchte also die Frage stellen, was wir tun wollen, um dieses Fehl zu mildern. Ich möchte wiederum fragen, was wir schon 1964 gefragt haben: Ist es nicht notwendig, Verbände zusammenzulegen, um damit eine bessere Ausbildung und eine Hebung der Kampfkraft zu gewährleisten und gleichzeitig die notwendigen längerdienenden Spezialisten zu gewinnen? Unser Antrag von 1964 ist in dieser Richtung nicht berücksichtigt worden. Aber ich meine, er hat an Aktualität nicht verloren. Wir wünschen jedenfalls, daß die Planung für die Zukunft auf das Fehl an Personal Rücksicht nimmt und vermeidet, daß Ziele angesteuert werden, die beim besten Willen nicht erreicht werden können, die möglicherweise später, wenn das Fehl einmal überwunden sein sollte, angesteuert werden können, wenn es notwendig wäre. Ich glaube allerdings, daß dieses Problem des Auftrages der Bundeswehr hier heute nur angerissen werden konnte und seine Vertiefung in den Ausschüssen notwendig ist. Dabei meine ich nicht nur den Verteidigungsausschuß, sondern insbesondere auch den Außenpolitischen Ausschuß. Ich meine, daß unsere Verteidigungspolitik sowohl nach innen wie nach außen unter dem übergeordneten Ziel stehen muß, die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten, sie zu wahren, aber die Entwicklung freizuhalten für ein ganzes Deutschland.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)