Protokoll:
17131

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 131

  • date_rangeDatum: 30. September 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:11 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/131 Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- ten Katrin Göring-Eckardt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Altersarmut in Deutsch- land (Drucksachen 17/3139, 17/6317) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Ände- rung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Drucksachen 17/5894, 17/7170) . . . . . . . . . . Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 15508 C 15509 D 15510 C 15511 B 15512 D 15514 A 15530 C 15531 D 15533 A 15534 C 15535 C 15537 B 15537 C Deutscher B Stenografisch 131. Sitz Berlin, Freitag, den 30 I n h a l Tagesordnungspunkt 28: Vereinbarte Debatte: 50 Jahre deutsche Ent- wicklungszusammenarbeit – 50 Jahre ver- lässliche Entwicklungspartnerschaften . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . P A D M D A P D 15495 A 15495 B 15496 C 15499 C 15501 B 15502 D 15504 A 15505 B 15507 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15514 B undestag er Bericht ung . September 2011 t : eter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . nette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . atthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . 15515 B 15515 D 15517 C 15519 A 15520 B 15521 D 15522 A 15523 C 15526 A 15527 D 15529 A Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 15539 D 15542 A II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. September 2011 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Andrej Hunko, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Bedeutung von Whistleblowing für die Gesellschaft anerkennen – Hinweisgeberin- nen und Hinweisgeber schützen (Drucksache 17/6492) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatzversorgungs- Verbesserungsgesetz – EinsatzVVerbG) (Drucksache 17/7143) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15543 A 15543 D 15545 B 15547 A 15548 B 15549 C 15550 C 15551 D 15552 A 15553 A 15553 C 15559 D 15560 A 15561 A 15562 A 15563 A 15563 C 15564 A 15565 A 15566 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A L A A 15554 C 15556 B 15557 C 15558 D nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15567 A 15567 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. September 2011 15495 (A) ) )(B) 131. Sitz Berlin, Freitag, den 30 Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. September 2011 15567 (A) ) )(B) Nord, Thomas DIE LINKE 30.09.2011 EU-Visakodex tik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimG) – Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur An- passung nationaler Rechtsvorschriften an den Menzner, Dorothee DIE LINKE 30.09.2011 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 30.09.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte A te z s – Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 30.09.2011 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 30.09.2011 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 30.09.2011 Burchardt, Ulla SPD 30.09.2011 Buschmann, Marco FDP 30.09.2011 Dr. Geisen, Edmund Peter FDP 30.09.2011 Gottschalck, Ulrike SPD 30.09.2011 Hempelmann, Rolf SPD 30.09.2011 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2011 Jelpke, Ulla DIE LINKE 30.09.2011 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 30.09.2011 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2011 Kelber, Ulrich SPD 30.09.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 30.09.2011 Korte, Jan DIE LINKE 30.09.2011 Krellmann, Jutta DIE LINKE 30.09.2011 Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 30.09.2011 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 30.09.2011 Lühmann, Kirsten SPD 30.09.2011 Meierhofer, Horst FDP 30.09.2011 O D P D D S S D S D S W W W W W Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 886. Sitzung am 23. Sep- mber 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen uzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- atz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnos- rtel, Holger SPD 30.09.2011 r. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2011 loetz, Yvonne DIE LINKE 30.09.2011 r. Priesmeier, Wilhelm SPD 30.09.2011 r. Ramsauer, Peter CDU/CSU 30.09.2011 charfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2011 cheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2011 r. Schwanholz, Martin SPD 30.09.2011 enger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 30.09.2011 r. Stinner, Rainer FDP 30.09.2011 üßmair, Alexander DIE LINKE 30.09.2011 erner, Katrin DIE LINKE 30.09.2011 icklein, Andrea SPD 30.09.2011 öhrl, Dagmar G. CDU/CSU 30.09.2011 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 30.09.2011 underlich, Jörn DIE LINKE 30.09.2011 immermann, Sabine DIE LINKE 30.09.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 15568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. September 2011 (A) ) )(B) – Gesetz zur Übertragung ehebezogener Regelun- gen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspart- nerschaften – Neunundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes – Einführung eines Ord- nungsgeldes – Gesetz zur Umsetzung der Europäischen Dienst- leistungsrichtlinie im Gesetz zum Schutz der Teil- nehmer am Fernunterricht (Fernunterrichts- schutzgesetz) – Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozess- ordnung – … Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 und zur Anpassung der Chemikali- engesetzes und andere Gesetze im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon Der Bundesrat hat ferner beschlossen, die folgende Entschließung zu fassen: Zu Artikel 1 Nummer 49 Buchstabe c (§ 28 Absatz 12 ChemG) Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Bundes- regierung entgegen dem Bundesratsvotum (Ziff. 2 der BR-Drucksache 215/11 – Beschluss –) bei einigen der neu unter die Meldepflicht fallenden Gemische statt ei- ner Mitteilung nach §16e ChemG an das Bundesinstitut für Risikobewertung an der übergangsweisen Übermitt- lung von Sicherheitsdatenblättern an eine externe Daten- bank festhält. Der Informationsgehalt in den Sicherheits- datenblättern ist jedoch vielfach nicht ausreichend, um eine adäquate Beratung in Vergiftungsfällen zu ermögli- chen. Der Standard eines Sicherheitsdatenblattes darf da- her nicht als ausreichend bei der noch zu erfolgenden Festlegung eines einheitlichen Formats nach Artikel 45 Absatz 4 der CLP-Verordnung (EG) 1272/2008 angese- hen werden. Die Bundesregierung wird somit insbesondere gebe- ten, sich bei den Verhandlungen zur vorgesehenen EU- Harmonisierung der Mitteilungspflichten dafür einzuset- zen, dass der Umfang dieser Mitteilungen bei allen Pro- dukten die vollständige Zusammensetzung (Rezeptur) unter Angabe der konkreten Konzentrationen der In- haltsstoffe umfasst, damit im Vergiftungsfall geeignete Informationen schnell zur Verfügung stehen. – Gesetz zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rah- menrichtlinie sowie zur Änderung des Bundes- wasserstraßengesetzes und des Kreislaufwirt- schafts- und Abfallgesetzes – Gesetz zu dem Abkommen vom 9. März 2010 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Östlich des Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkür- zung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen – – – – – – – – – – te G n (C (D Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Juni 2010 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Turks- und Caicosinseln über den steuerlichen Informations- austausch Gesetz zu dem Abkommen vom 21. Juni 2010 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik San Marino über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informa- tionsaustausch Gesetz zu dem Abkommen vom 5. Oktober 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Britischen Jungferninseln über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaus- tausch Gesetz zu dem Abkommen vom 28. Februar 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 5. April 2011 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien über den Sitz des IRENA-Innovations- und Technologiezentrums Gesetz zur Vierten, Fünften und Sechsten Ände- rung des Europäischen Übereinkommens vom 1. Juli 1970 über die Arbeit des im internationa- len Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonal (AETR) Gesetz zur Änderung des Übereinkommens vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilatera- len Investitions-Garantie-Agentur Zweites Gesetz zur Änderung des Übereinkom- mens vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank Gesetz zur Änderung des Übereinkommens vom 29. November 1972 über die Errichtung des Afri- kanischen Entwicklungsfonds Steuervereinfachungsgesetz 2011 Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mitge- ilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der eschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den achstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaus- haltsordnung über die Einwilligung in eine außerplan- mäßige Ausgabe im Einzelplan 05 Kapitel 05 02 Titel 866 01 – Darlehen an den Nationalen Übergangsrat zur Sicherung der demokratischen Entwicklung in Libyen in Höhe von 100 Mio. Euro – Drucksachen 17/6739, 17/6961 Nr. 1.6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. September 2011 15569 (A) (C) (D)(B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 03 Titel 687 70 – Leistungen für die Europäischen Forschungseinrichtungen CERN, ESO, ESRF und ILL – bis zur Höhe von 10 Mio. Euro – Drucksachen 17/6740, 17/6961 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2011 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 25 Titel 671 02 – Außergerichtli- cher Vergleich mit der Luftverkehrsindustrie zu streiti- gen Luftsicherheitsgebühren seit der Gebührenperiode 2000/2001 – bis zur Höhe von 77 Mio. Euro – Drucksachen 17/6786, 17/6961 Nr. 1.11 – Der Bundesrat hat in seiner 887. Sitzung am 30. Sep- tember 2011 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundge- setzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Über- nahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabi- lisierungmechanismusgesetz – StabMechG) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/136 Nr. A.10 Ratsdokument 13130/09 Drucksache 17/6176 Nr. A.2 EP P7_TA-PROV(2009)0097 Drucksache 17/6176 Nr. A.3 EP P7_TA-PROV(2011)0227 Drucksache 17/6176 Nr. A.4 EP P7_TA-PROV(2011)0228 Drucksache 17/6407 Nr. A.2 Ratsdokument 10794/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.4 EuB-BReg 174/2011 Finanzausschuss Drucksache 17/6985 Nr. A.16 Ratsdokument 11813/11 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 17/6985 Nr. A.53 Ratsdokument 13074/11 131. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. September 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713100000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich. Heute Morgen kann ich nicht mit
zusätzlichen Mitteilungen dienen, weder zu Umbeset-
zungen von Gremien noch zu Änderungen der Tages-
ordnung, sodass wir gleich zu unserem Tagesordnungs-
punkt 28 kommen:

Vereinbarte Debatte

50 Jahre deutsche Entwicklungszusammen-
arbeit – 50 Jahre verlässliche Entwicklungs-
partnerschaften

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. Gibt es dage-
gen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann können
wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Harald Leibrecht für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Harald Leibrecht (FDP):
Rede ID: ID1713100100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

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Redet
Herren! Seit mittlerweile 50 Jahren gibt es das Bundes-
entwicklungsministerium, und die deutsche Entwick-
lungspolitik hat viel erreicht. Ich bewundere Walter
Scheel, den Gründer des BMZ, der schon in den Kinder-
jahren deutscher Entwicklungspolitik die zukünftigen
Herausforderungen erkannt hat. So sagte er bereits 1964
– ich zitiere –:

Deutschlands Zusammenarbeit mit den Entwick-
lungsländern geht jeden von uns an. … Wir können
diese Herausforderung nur dann zu einer geschicht-
lichen Chance gestalten, wenn alle Bürger unserer
res publica bereit sind, diese Herausforderung an-
zunehmen, und ihr im Geist menschlicher Solidari-
tät zu begegnen.

Walter Scheel ist es wesentlich zu verdanken
wicklungspolitik in Deutschland von Anfang

(C (D ung . September 2011 0 Uhr em überparteilichen Konsens fußt, dass sie breite Akeptanz in der Bevölkerung genießt. 50 Jahre BMZ und deutsche Entwicklungszusammenrbeit bedeuten jedoch nicht 50 Jahre dieselbe Politik. wölf Minister haben seit 1961 die Entwicklungspolitik itgestaltet und sie an die Herausforderungen der Zeit ngepasst. Leider kann ich in der kurzen Zeit nicht alle ngemessen würdigen. Die erste Frau in diesem Amt war Entwicklungsinisterin Marie Schlei. Sie erkannte in den 1970er-Jahn das Potenzial der Frauen für die Entwicklung ihrer änder. Carl-Dieter Spranger baute nach der Wiederverinigung eine gesamtdeutsche EZ auf und unterstützte ie Transformationsprozesse in den ehemaligen Ostlockstaaten. Heidemarie Wieczorek-Zeul hat sich auch wirtschaftlich schwierigen Zeiten für eine starke EZ ingesetzt. Unter Bundesminister Niebel erfährt die ooperation mit der Wirtschaft und mit der Zivilgesell chaft eine stärkere Akzentuierung. ur wenn Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an eiem Strang ziehen, kann nachhaltige Entwicklungspolik und Entwicklung gelingen. ext (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Zuruf von der SPD: Aber keine Akzeptanz!)


Ich begrüße außerdem, dass das Thema „Effektivität
der Hilfe und effizienter Mitteleinsatz“ in Zeiten knap-
per öffentlicher Kassen wieder ganz oben auf der
Agenda steht. Hilfe zur Selbsthilfe war, ist und bleibt die
Leitlinie deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Denn
wir können ein Land letztendlich nicht entwickeln; das
kann ein Land nur aus eigener Kraft selber schaffen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir können aber die notwendigen Werkzeuge bereit-
Linie sicherlich Geld, aber auch Exper-
how, um diese Entwicklung zu ermögli-
usforderungen sind gestern wie heute

mer leben Millionen Menschen in Ent-

, dass Ent-
an auf ei-

stellen, in erster
ten und Know-
chen. Die Hera
groß. Noch im





Harald Leibrecht


(A) )


)(B)

wicklungs- und Schwellenländern in extremer Armut,
sterben Mütter und Kinder an vermeidbaren Krankheiten
und bleibt Millionen Menschen der Zugang zu Gesund-
heitsvorsorge, Nahrung und sauberem Trinkwasser ver-
wehrt.

Auch nach 50 Jahren werden das BMZ und die deut-
sche Entwicklungszusammenarbeit dringend benötigt.
Als eine der weltweit wichtigsten Wirtschaftsnationen
trägt Deutschland eine besondere Verantwortung, die
Schwächsten der Welt auf ihrem Weg aus der Armut zu
unterstützen.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dabei sollten wir nicht vergessen, dass Deutschland
nach dem Zweiten Weltkrieg selbst Empfängerland in-
ternationaler Entwicklungshilfe war. Die Hilfen der
USA in Form des Marshallplans waren eine wichtige
Voraussetzung für die rasante Wirtschaftsentwicklung
und die Festigung der parlamentarischen Demokratie im
Nachkriegsdeutschland. Die Deutschen haben in ihrer
Geschichte selber erlebt, was internationale Hilfe und
Zusammenarbeit bewirken können.

Kritikern möchte ich an dieser Stelle sagen, dass Ent-
wicklungszusammenarbeit keine Einbahnstraße ist.
Auch die Geberländer profitieren von der Entwicklungs-
zusammenarbeit. Sie ist ein wichtiges Instrument zur
Förderung von Sicherheit und Frieden in der Welt. Wenn
wir unseren Wohlstand in Deutschland sichern und aus-
bauen möchten, müssen wir auch dafür sorgen, dass die
Menschen in den Entwicklungsländern eine bessere Zu-
kunft haben. Deutschland hat dank der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit weltweit einen hervorragen-
den Ruf als verlässlicher Partner.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Arbeit
der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusam-
menarbeit sowie der KfW Entwicklungsbank würdigen.
Mit ihrem Know-how leisten sie einen wesentlichen Bei-
trag zur Entwicklung der Partnerländer und erfahren da-
für weltweit Lob und Anerkennung. Dank gilt auch den
deutschen Entwicklungshelfern, die in vielen Ländern
der Erde unter oft schwierigsten Bedingungen eine wun-
derbare Arbeit leisten.


(Beifall der Abg. Helga Daub [FDP])


In fünf Jahrzehnten haben die Bürger unseres Landes
mit ihren Steuergeldern und ihrem Engagement einen
großen Beitrag dazu geleistet, dass Hunger und Elend in
der Welt bekämpft wurden. Ein Minister oder ein Minis-
terium alleine kann niemals all das leisten, was wir als
bürgerschaftliches Engagement bezeichnen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es sind nicht nur die großen Hilfsorganisationen, die
seit vielen Jahren ganz hervorragende Arbeit leisten,
sondern auch die vielen namenlosen Initiativen einzelner
Menschen, von Schulen, Städten und Kommunen. Dies
macht mich als Parlamentarier, der in diesem Bereich tä-
tig ist, sehr stolz auf meine Landsleute. Das BMZ wirbt

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(C (D uf seiner Homepage mit dem Slogan „Wir machen Zuunft. Machen Sie mit“. Dazu möchte auch ich an dieser telle aufrufen. 50 Jahre Entwicklungszusammenarbeit aben gezeigt: Es lohnt sich. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713100200

Nachdem der Kollege Leibrecht schon eine Reihe der

edeutenden Entwicklungspolitiker – aber natürlich bei
eitem nicht alle – namentlich genannt hat, freue ich
ich besonders, dass ich auf der Besuchertribüne
rhard Eppler und Egon Bahr begrüßen darf,


(Beifall)


ie dieses Thema und das dafür verantwortliche Ministe-
um über viele Jahre geprägt und begleitet haben. Seien
ie herzlich willkommen im Deutschen Bundestag und
erzlich bedankt für den Beitrag, den Sie zu diesem
ichtigen Thema geleistet haben.


(Beifall)


Ich erteile das Wort nun der Kollegin Heidemarie
ieczorek-Zeul für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1713100300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

rinnere an diesem Tag an den ersten Minister, der dieses
inisterium ab 1961 leitete: Walter Scheel. Er hat da-
als gesagt – ich zitiere –:

Es geht darum, die Kluft zwischen reichen und ar-
men Völkern zu beseitigen, … die Spannungen auf
der Welt abzubauen, damit wir in Frieden leben
können.

as ist heute noch aktuell. Diese Position war umso
ichtiger, als im Zeichen der Ost-West-Konfrontation
ie Spaltung auch durch die sogenannte Dritte Welt und
urch Afrika verlief.

Unter der Amtsführung von Hans-Jürgen
ischnewski ab 1966 gelang es schrittweise, das Minis-
rium von der Orientierung an der Hallstein-Doktrin
nd von der Außenwirtschaftsbindung durch das Wirt-
chaftsministerium zu lösen. Erhard Eppler ist schon be-
rüßt worden. Ich sage an dieser Stelle: Er hat eine Vor-
iterrolle eingenommen. Er hat die Grundbedürfnisse

er Menschen in den Mittelpunkt gestellt, die Aspekte
es Klima- und Umweltschutzes integriert und mehr
ompetenzen im Entwicklungsministerium gebündelt.
eine Arbeit war wegweisend für unsere moderne Ent-
icklungspolitik. Ich danke ihm – ich denke, auch in Ih-
m Namen – für sein ganz besonderes Engagement.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Egon Bahr hat von 1974 an das Entwicklungsministe-
um geleitet und seinen außenpolitischen Grundsatz
Wandel durch Zusammenarbeit“ auf die Suche nach ei-





Heidemarie Wieczorek-Zeul


(A) )


)(B)

ner Lösung im sich zuspitzenden Nord-Süd-Konflikt
übertragen. Auch ihn grüßen wir und danken ihm für
sein Engagement.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Marie Schlei, die so früh starb, hat 1976 als erste Frau
die Leitung des BMZ übernommen und dabei vor allen
Dingen den heute noch aktuellen Grundsatz verankert,
dass nämlich Entwicklungsprozesse ohne das Engage-
ment von Frauen keine Effizienz und keine Wirksamkeit
haben. Wir danken ihr dafür sehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Die Entwicklungsminister, die folgten, Jürgen
Warnke von 1982 an und Hans Klein von 1987 bis 1989,
hatten mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise und dem
Anwachsen des Marktradikalismus von Weltbank und
Internationalem Währungsfonds auch in der Entwick-
lungspolitik zu kämpfen, und sie haben sich dem oft
auch entgegengestellt.

Von 1991 bis 1998 vertrat Carl-Dieter Spranger


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Guter Mann!)


die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Er hat die
Entwicklungszusammenarbeit den Ost-West-Beziehun-
gen und den Veränderungen nach dem Wegfall der
Blockkonfrontation angepasst. Obwohl wir aus unter-
schiedlichen Parteien stammen – er aus der CSU, ich bin
Sozialdemokratin –, haben wir auch nach seinem Aus-
scheiden aus dem BMZ eine sehr gute Zusammenarbeit
praktiziert. Ich danke ihm ausdrücklich dafür.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin dankbar, dass ich selbst von 1998 bis 2009,
also für elf Jahre, dieses Ministerium leiten durfte. Ich
habe immer auch parteiübergreifende Kooperationen er-
lebt. Übrigens kam in der Zeit der rot-grünen Koalition
eine Staatssekretärin im Entwicklungsministerium vom
Bündnis 90/Die Grünen.

Dieses Ministerium ist durch all diese Minister und
Ministerinnen gestaltet worden. Die Entwicklungszu-
sammenarbeit hat sich als ein lernendes System erwie-
sen. Wenn Fehler gemacht worden sind, dann sind sie er-
kannt und auch überwunden worden. Jeder und jede
dieser Minister und Ministerinnen hat eigene Akzente
gesetzt. Ich danke Ihnen allen und vor allen Dingen den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des deutschen Ent-
wicklungsministeriums sowie all denen – Gewerkschaf-
ten, Kirchen –, die sich in diesem Bereich engagieren.
Ein herzliches Dankeschön. Sie haben sich für die Ge-
rechtigkeit in der Welt engagiert.


(Beifall im ganzen Hause)


Dieses Ministerium ist ein kostbares Gut, das es im
Sinne des Erhalts von Soft Power entschlossen zu vertei-

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(C (D igen gilt. Deshalb haben wir es bewusst als eigenständies Ministerium erhalten wollen. Ich bin im Übrigen ankbar, dass die Leitung in über 30 von diesen 50 Jahn in den Händen von Sozialdemokratinnen und Sozial emokraten lag und die Entwicklungszusammenarbeit on diesen gestaltet werden konnte. Keiner dieser Minisr und keine dieser Ministerinnen hat es verdient, dass as BMZ der Jahre zuvor vom jetzt amtierenden Enticklungsminister als „Almosenministerium“ diffaiert wird. as ist eine Diffamierung gegenüber den Beschäftigten nd all denen, die sich engagieren. Herr Niebel, ich darf auch das sagen: Wenn Sie Ihre igene Erfahrung aus den letzten zwei Jahren ehrlich inräumen würden, dann müssten Sie öffentlich eingetehen, dass es ein dem Populismus geschuldeter Fehler ar, dass die FDP das Entwicklungsministerium auflö en wollte. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])


eder, der genauer hinsieht, stellt fest: Sie, der Sie mich
ls Linke Heidemarie Wieczorek-Zeul bezeichnet haben,
aben viel mehr meiner Prägung des Entwicklungsmi-
isteriums beibehalten, als Sie es offen eingestehen wol-
n. Das zeigt sich gerade in den letzten Strategiepapie-
n zu den Menschenrechten und zur ländlichen
ntwicklung.

Ich will aber auch sagen: Es gibt falsche Weichenstel-
ngen, die an diesem Tag auch angesprochen werden
üssen.

Die erste dieser falschen Weichenstellungen ist eine
orm der Renationalisierung von Entwicklungspolitik.
ie strikte Bindung von zwei Dritteln der deutschen
ittel für bilaterale Projekte stellt deutsche Außenwirt-

chaftsinteressen in den Vordergrund. Das aber ist eine
ufgabe anderer Ressorts, unter anderem des Wirt-

chaftsministeriums. Wer das tut, entleert die Bedeutung
es Entwicklungsministeriums.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der zweite Punkt. In manchen Bereichen drohen die
renzen zwischen Militär- und ziviler Entwicklungs-
olitik verwischt zu werden.

Dritter Punkt. Als Rainer Offergeld – bis 1982 – noch
inister war, betrug der Anteil der Mittel für die deut-

che Entwicklungspolitik 0,48 Prozent. Wir waren also
em 0,7-Prozent-Ziel schon relativ nahe. Herr Ruck, der
ach mir spricht, und Sie alle wissen: Ich habe immer
nd immer wieder dafür gekämpft und bin jedem Fi-
anzminister – um es höflich auszudrücken – nahege-
ckt, dass die Mittel in diesem Bereich aufgestockt wer-

en sollten. Und wir haben bis zum Ende der Großen
oalition im Jahr 2009 eine Steigerung von 0,26 Prozent
Jahr 1998 auf 0,35 Prozent geschafft.





Heidemarie Wieczorek-Zeul


(A) )


)(B)

Herr Niebel, ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie
die Vorlage von über 300 Mitgliedern dieses Hauses aus
allen Fraktionen – diese haben sehr, sehr deutlich gesagt:
Stocken Sie die Mittel im Haushalt deutlich auf – in kei-
ner Weise aufgenommen haben. Stattdessen stagnieren
die Mittel des Entwicklungshaushalts. Das ist unakzep-
tabel, wir dürfen das auch nicht zulassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft – ich
freue mich, dass auch die Vertreter der Kirchen hier sind –,
mit den Nichtregierungsorganisationen und mit Gewerk-
schaften hat für mich immer einen ganz besonderen Stel-
lenwert gehabt. Mit ihnen sowie mit fortschrittlichen Re-
gierungen zusammen haben wir wichtige Erfolge im
Hinblick auf die Millenniumsentwicklungsziele erreicht.
Dass in Afrika heute über 34 Millionen Kinder mehr in
die Schule gehen können, ist ein Erfolg der multilatera-
len Entschuldung im Umfang von 125 Milliarden
US-Dollar. Sie wurden zur Bekämpfung von Armut und
Aids eingesetzt. Des Weiteren wurden sie mit eingesetzt
zur Bekämpfung von Hunger in dieser Welt. Das sind
wichtige Investitionen. Dass 7 Millionen Menschen vor
dem Aids-Tod gerettet werden konnten, zeigt: Entwick-
lung, die auf Partnerschaft setzt, wirkt. Sie muss fortge-
setzt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang sind übrigens die wirklich
verheerenden Strukturanpassungsprogramme des IWF
überwunden worden. Wir haben die Weltbank umorien-
tiert: weg vom Marktradikalismus der 80er- und 90er-
Jahre.

Die Millenniumsentwicklungsziele – dass Armut be-
kämpft werden muss und dass Frauen gestärkt werden
müssen – beinhalten acht Regeln für eine im sozialen,
wirtschaftlichen und ökologischen Sinn gerechte Gestal-
tung der Globalisierung. Aufgaben sind die Bekämpfung
von HIV/Aids durch die Unterstützung des entsprechen-
den globalen Fonds, die Verankerung der Kernarbeits-
normen der Internationalen Arbeitsorganisation, keine
Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, die Förderung freier
Gewerkschaften und die Stärkung der Frauen. Das sind
die Aufgaben der Zukunft, an denen wir festhalten müs-
sen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich freue mich im Übrigen, dass es gelungen ist,
„weltwärts“ als entwicklungspolitischen Freiwilligen-
dienst in Gang zu setzen. Über 10 000 Jugendliche sind
„weltwärts“ gegangen und haben einen Beitrag zum Ler-
nen, zum Helfen und auch für interkulturelle Zusam-
menarbeit geleistet. Ich danke den Jugendlichen, die
diese Aufgabe immer wieder übernehmen, ganz beson-
ders.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte im letzten Teil meiner Ausführungen sie-
en Herausforderungen nennen, vor denen deutsche Ent-
icklungszusammenarbeit in den nächsten Jahren und

ahrzehnten stehen wird.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713100400

Ihnen ist bewusst, Frau Kollegin, dass dafür nur noch

ine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung steht?


Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1713100500

Ich weiß, aber mein Kollege Sascha Raabe hat ein ge-

isses Maß an Verständnis gezeigt, mir einen Teil seiner
edezeit zu überlassen, wenn es recht ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713100600

Grandios.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)



Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1713100700

Entschuldigung. Er blickt ganz verständnisvoll. Ich

abe also eine Minute mehr Redezeit. Liebe Kolleginnen
nd Kollegen, ich komme zu den sieben Herausforde-
ngen der Entwicklungszusammenarbeit – das ist wirk-

ch sehr ernst zu nehmen –:

Erstens. Die Schwellenländer, zum Beispiel China,
ewinnen ökonomisch und natürlich auch vom Anteil
er Bevölkerung her an Bedeutung. Deshalb ist es so
ichtig, dass es in der Entwicklungspolitik zu keinen na-
onalen Alleingängen kommt, sondern dass man sich
uropäisch organisiert und einen Beitrag dazu leistet,
ass es in der Welt – das ist wichtig – ein Gegengewicht
it sozialen und ökologischen Regeln gibt. Deshalb
üssen wir die Europäische Union einbeziehen.


(Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie haben ja elf Jahre Zeit gehabt!)


Zweitens. Der Kontinent, dem wir in enger Partner-
chaft weiterhin eng verbunden bleiben müssen, ist
frika. Die Bedeutung des großen Potenzials der Men-

chen, aber auch des ökonomischen Potenzials muss im
ahmen der Zusammenarbeit stärker hervorgehoben
erden.

Drittens. Der Demokratisierungsprozess in Nord-
frika zeigt allen angeblichen Realpolitikern überdeut-
ch: Auf Dauer ist eine Gesellschaft nur dann stabil,
enn die Menschen die Chancen haben, ihr Leben selbst

u bestimmen. Diesen positiven Ansteckungseffekt muss
ie Entwicklungspolitik unterstützen und voranbringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Viertens. Trotz der Zusagen der Industrieländer, mehr
ittel für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzu-

tellen, sind hier Haushaltskürzungen geplant. Die Mittel
üssen aber aufgestockt werden.





Heidemarie Wieczorek-Zeul


(A) )


)(B)

Es gibt jetzt einen ersten Einstieg in die Finanztrans-
aktionsteuer. Ich werbe dafür, dass die Einnahmen aus
dieser Steuer für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Kli-
mawandel und Armut in der Welt eingesetzt werden. Das
ist wichtig, damit in diesem Bereich Fortschritte erreicht
werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Fünftens. Es gilt, die wachsenden Ungleichheiten in
allen Gesellschaften zu bekämpfen, denn sie drohen das
Band der Solidarität zu zerreißen. Die Millenniumsent-
wicklungsziele und die Klimaschutzziele müssen über
das Jahr 2015 hinaus aktiv vorangebracht werden.

Global Governance wird immer notwendiger, um die
Finanzmärkte zu regulieren und die Globalisierung nicht
dem Selbstlauf der Ungerechtigkeit zu überlassen.
11,4 Billionen US-Dollar hat die Welt zur Stabilisierung
in der Finanzkrise 2008 und 2009 mobilisiert. Wir müs-
sen uns gemeinsam dafür engagieren, dass die interna-
tionale Gemeinschaft Mittel mobilisiert – das kann auch
weniger sein –, um extreme Armut, Hunger, Klimawan-
del und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das ist dringend
notwendig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Siebtens.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Ist das die neue Zeitrechnung?)


– Danke für den Hinweis: Sechstens war der Punkt Glo-
bal Governance.

Siebtens. Gerade deshalb ist die Forderung nach ei-
nem „UN-Sicherheitsrat für soziale, wirtschaftliche und
ökologische Fragen“ besonders aktuell. Wir dürfen den
Lauf der Welt nicht der ungebremsten Ökonomie und
der Gewalt der Finanzmärkte überlassen.

Ich zitiere: Die Aufgabe besteht darin, die Menschheit
von Abhängigkeit und Unterdrückung sowie von Hunger
und Not zu befreien. Neue Bande müssen geknüpft wer-
den, welche die Aussichten auf Frieden, Gerechtigkeit
und Solidarität für alle entscheidend verbessern. – Das
hat Willy Brandt in seinem Nord-Süd-Bericht 1980 for-
muliert. Das ist auch für uns für die Zukunft Auftrag.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713100800

Ich bin ganz beruhigt, dass sich das zugesagte Einver-

ständnis des Kollegen Raabe mit dem sprichwörtlichen
Wohlwollen des amtierenden Präsidenten aufs Schönste
zusammenfügen lässt. – Ich erteile nun dem Kollegen
Christian Ruck für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 0 Jahre deutsche Entwicklungszusammenarbeit – 50 Jah verlässliche Entwicklungspartnerschaften: Das ist in er Tat ein Grund zum Feiern und Dank sagen. Ich öchte mich den Dankesworten meiner Vorredner aufchtig anschließen und richte den Dank an die Zigtausenen von staatlichen und privaten Entwicklungshelfern bei nseren Durchführungsorganisationen der TZ und FZ, ei unseren Kirchen, Stiftungen und den vielen engagiern Nichtregierungsorganisationen, die mit Kompetenz nd Leidenschaft und auch oft unter lebensgefährlichen edingungen einen hervorragenden Job leisten und im esten Sinne des Wortes auch gute Botschafter und Symathieträger Deutschlands sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1713100900

Ich möchte auch den Millionen von Deutschen dan-
en, die mit ihren Spenden die Entwicklungszusammen-
rbeit über all die Jahrzehnte unterstützt haben wie kein
nderes Volk der Welt. Ich möchte auch den Kollegen
us der Politik, den engagierten Ministern und Staats-
ekretären, danken. Ich freue mich, dass sie bereits alle
amentlich breit gewürdigt wurden, auch diejenigen aus
einer Partei, der CSU.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Sie haben es ja über viele Jahre gemacht!)


Genau. Sie haben das über viele Jahre gemacht und die
ntwicklungszusammenarbeit geprägt.

Aber ich möchte Sie, Frau Kollegin Wieczorek-Zeul,
einem Punkt korrigieren: Es wäre nicht nötig gewe-

en, den Kollegen Niebel ob der einen oder anderen Äu-
erung zu kritisieren.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Richtig! – Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Die Aussprüche waren nicht notwendig!)


enn ich finde, dass er den Koalitionsvertrag hervorra-
end umsetzt,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


er sich übrigens nicht fundamental von dem unterschei-
et, was wir damals verhandelt haben. Ich hatte die Ehre,
eide Koalitionsverträge mitverhandeln zu dürfen und
ann mich daran erinnern, dass wir damals in Ausfüh-
ng des Koalitionsvertrages wesentlich mehr gestritten

aben, als es bei der christlich-liberalen Koalition der
all war. So viel zur Wahrheit.

Ich möchte mich auch ganz herzlich für die Arbeit der
eamten, vor allem des BMZ, bedanken. Auch Ihnen
anke ich für eine hervorragende und engagierte Arbeit.

Ich möchte mich nicht zuletzt bei meinen Bundes-
gskollegen, sowohl den aktuellen als auch den ehema-
gen, bedanken. Ich bin seit 20 Jahren Mitglied des Aus-
chusses und habe viele Kollegen erlebt. Manchmal
urde der Verdacht geäußert, dass manchen Kollegen
ie Entwicklungspolitik wichtiger war als ihre Parteikar-
ere. Viele sind in dieser Aufgabe aufgegangen, und





Dr. Christian Ruck


(A) )


)
manche sind auch leider, wenn ich an meinen Freund
Werner Schuster denke, untergegangen. Auch allen Kol-
legen ein herzliches Dankeschön für ihr engagiertes Auf-
treten und ihren engagierten Kampf für die gemeinsame
Sache!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Entwicklungszusammenarbeit hat damals ein hu-
manitär deklariertes politisches Mauerblümchendasein
geführt. Die Länderauswahl war vom Ost-West-Konflikt
geprägt. Die Probleme der Entwicklungsländer waren
weit weg.

Das hat sich in den letzten Jahrzehnten fundamental
geändert. Die Entwicklungen und Fehlentwicklungen in
Asien, Lateinamerika und Afrika berühren uns in Europa
und Deutschland inzwischen unmittelbar, sowohl positiv
als auch negativ: unsere Wirtschaft, unsere Sicherheit
und unsere gemeinsamen natürlichen Lebensgrundlagen.
Deswegen ist Entwicklungszusammenarbeit inzwischen
nicht mehr nur eine humanitäre Angelegenheit, sondern
auch die notwendige politische Einflussnahme zur Ab-
wendung von Gefahren und zum Nutzen von Chancen
für unser Land.

Ich kann mich noch gut an die dramatischen Stunden
und Tage nach dem 11. September 2001 erinnern, als die
Entwicklungszusammenarbeit plötzlich in einen ganz
anderen Fokus geriet, nach dem Motto: Ihr müsst es jetzt
richten; ihr müsst das ganz anders angehen, um die Ursa-
chen von Terrorismus und Gewalt zu beseitigen. Damit
müssen wir umgehen. Es lastet ein viel größerer Erfolgs-
druck auf der Entwicklungspolitik. Wir müssen uns der
gewachsenen Verantwortung stellen.

Ich möchte ein paar Punkte nennen, die ich für die
großen Herausforderungen unserer Entwicklungszusam-
menarbeit in den nächsten Jahren halte.

Erstens. Wir müssen uns – das hat der Kollege
Leibrecht schon genannt – zu einer realistischen Selbst-
einschätzung durchringen. Wir können Prozesse unterstüt-
zen. Aber wir können nicht für schlüsselfertige Länder und
Kontinente sorgen. Das dürfen wir auch niemandem vor-
gaukeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das wäre kontraproduktiv, weil das jede Eigeninitiative
der betreffenden Länder – Eigeninitiative ist der eigentli-
che Kern von Entwicklung – töten würde. Wir können
Chancenfenster vorbereiten und nutzen. Aber es handelt
sich immer um langfristige Prozesse, die unseres gedul-
digen Engagements bedürfen.

Zweitens. Angesichts des Elends, der wachsenden
Ungleichgewichte und der Umweltzerstörung ist es un-
strittig, dass wir weitere Ressourcen mobilisieren müs-
sen. Wir haben – auch unstrittig – einen großen finan-
ziellen Bedarf. Aber ich bin verwundert, wie man aus
denselben statistisch abgesicherten Zeitreihen unter-
schiedliche Erbsenzählereien veranstalten kann. Ich

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(C (D öchte es auf den Punkt bringen: Seit Bundeskanzlerin ngela Merkel am Ruder ist, hat sich das Volumen des ntwicklungshaushalts um mehr als 50 Prozent erhöht. as ist ein gigantischer Sprung. afür bin ich dankbar, auch dem Finanzminister. Wir haben die ODA-Quote nicht erfüllt. Wir müssen aran arbeiten, zumindest tendenziell in die richtige ichtung zu marschieren. Das ist doch etwas, das uns lle verbindet. Wir haben hier inzwischen die Sympathie es gesamten Hauses. Wir müssen Methoden und Wege nden, mit denen wir uns dem Ziel nähern. Das ist doch nsporn genug. Daran sollten wir arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Drittens. Es ist richtig, dass wir effizienter mit den
essourcen umgehen müssen; auch das ist klar. Meiner
nsicht nach gibt es hier wichtige Schritte in die richtige
ichtung. Wir werden die Evaluierungsinstrumente ver-
essern. Wir sind einen großen Schritt vorangekommen,
enn es darum geht, die Kräfte in unserem Land – Stich-
ort TZ – zu bündeln. Aber eine Verbesserung der
rbeitsteilung auf nationaler und mehr noch auf interna-
onaler Ebene ist eine Daueraufgabe, damit die Entwick-
ngszusammenarbeit insgesamt schlagkräftiger wird.

Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren bei der stra-
gischen Auswahl der Länderliste und der Schwer-
unkte unter dem Aspekt, was wirklich zu mehr Ent-
icklung führt, einen guten Schritt weitergekommen

ind. Auch hier geht es um das Bündeln, eine bessere
rbeitsteilung und die Fokussierung auf die Schwer-
unkte. Wir haben die Schwerpunkte definiert, die mei-
er Ansicht nach entscheidend für Entwicklung sind.
as ist nichts Neues. Daran haben wir jahrelang gearbei-
t. Dabei geht es um die Bildung, die ländliche Ent-
icklung, den Schutz der Umwelt, Gesundheit und wirt-

chaftliches Wachstum, aber vor allem auch um – das ist
er Schlüsselsektor – Good Governance. Ohne den poli-
schen Willen zu guter Regierungsführung gibt es in
einem Land eine erfolgreiche Entwicklung.

Viertens. Entwicklungspolitik muss daher politischer
erden. Das ist nicht nur eine Aufgabe des BMZ, son-
ern auch eine Aufgabe von Kohärenz in Europa. Wenn
h sehe, dass Europa zum Teil noch immer auf kleinka-
erte Weise mit dem arabischen Frühling umgeht und
ass vor allem unsere südlichen Nachbarn in Europa
um Beispiel beim Export von landwirtschaftlichen Gü-
rn nach Europa auf ihren Vorteil bedacht sind, dann
uss ich sagen, dass wir in Europa unbedingt auf mehr
ohärenz drängen müssen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


m schneller und flexibler auf positive Entwicklungen in
er Welt – nicht nur in arabischen Ländern, sondern zum
eispiel auch an der Elfenbeinküste – einwirken zu kön-
en.

(B)







(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713101000

Herr Kollege, schauen Sie bitte auf die Uhr.


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1713101100

Ja, ich versuche den Sinkflug einzuleiten.

Ich beschränke mich auf wenige Schlagworte. Ich
halte zum Beispiel das Konzept der vernetzten Sicher-
heit für ein wichtiges Konzept, innerhalb dessen die
Ausbildung der Armee und der Polizei äußerst wichtig
für die Entwicklungsstrategie ist. Sicherheit ist für mich
ein Schlüssel zur Entwicklung. Das sieht man vor allem
in Afghanistan.

Auch ich bin der Meinung, dass man die Schwellen-
länder stärker einbinden muss. Schließlich müssen wir
den Mut haben, neue Konzeptionen für offene Probleme
zu erarbeiten. Ich denke an Entwicklungen in Afrika, be-
sonders in Nigeria und Angola, die wir nicht tolerieren
können. Reichste Länder schaffen es nicht, trotz ihres
Reichtums eine Entwicklung des Landes herbeizufüh-
ren. Da müssen wir konzeptionell weiterdenken.

Alles in allem können wir sagen: In diesen 50 Jahren
ist in der Entwicklungszusammenarbeit unendlich viel
geleistet worden. Aber die Probleme sind gewachsen,
und sie wachsen weiter. Deswegen sind Entwicklungs-
politik und Entwicklungszusammenarbeit nötiger denn
je.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713101200

Heike Hänsel ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713101300

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Man merkt: Viele drängt es, viel zu sagen. Daher finde
ich es schade, dass ausgerechnet der Herr Minister heute
nichts zu 50 Jahren Entwicklungsministerium zu sagen
hat und hier nicht spricht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Harald Leibrecht [FDP]: Das ist die Stunde des Parlaments! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Er lässt uns den Vortritt!)


Ein Tag wie heute ist ein Auftrag, nicht nur zu feiern,
sondern auch eine kritische Bilanz zu ziehen, insbeson-
dere wenn wir sehen, dass 1 Milliarde Menschen hungert
und von Armut betroffen ist.

Die Entwicklungspolitik in den 60er-Jahren war von
der beginnenden Entkolonialisierung und der Ost-West-
Konfrontation in Zeiten des Kalten Krieges geprägt. Da-
durch war auch die deutsche Entwicklungspolitik – bes-
ser gesagt: die wirtschaftliche Zusammenarbeit – auf
westdeutsche Interessenpolitik in den Ländern der Drit-
ten Welt festgelegt. Man erkaufte sich die ideologische

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(C (D ündnistreue der Eliten des Südens und förderte gleicheitig die eigene Exportindustrie. Der Kolonialisierung lgte also eine zweite Entmündigung in Afrika, Asien nd Lateinamerika. Wirtschaftliche und politische Abängigkeiten wurden weiter vertieft. Nach dem Ende des Kalten Krieges hofften viele auf ie sogenannte Friedensdividende, die auch eine Enticklungsdividende sein sollte. Stattdessen dominierten ber die in den 70er-Jahren begonnenen Strukturanpasungsprogramme der Weltbank und des Internationalen ährungsfonds mit ihren neoliberalen Rezepten – die ommen Ihnen wahrscheinlich bekannt vor – Privatisieng, Deregulierung und Liberalisierung. Die Folgen ieser verheerenden Politik sind bis heute spürbar. Diese olitik war der Beginn eines weltweit entfesselten Kapilismus, der sogenannten neoliberalen Globalisierung. ittlerweile haben Verfechter dieser Dogmen, zum Bei piel Joseph Stiglitz, der ehemalige Chefökonom der eltbank, diese widerrufen. Er stellt fest – ich zitiere –: Das politische Regelwerk, das wir im Ausland vorangetrieben haben, half unseren Unternehmen, erfolgreich zu sein. Aber es gab zweifellos auch immer wieder fortschrittche und auf Entwicklung ausgerichtete Ansätze. Ich öchte in diesem Zusammenhang – das wurde schon erähnt – den Nord-Süd-Bericht Willy Brandts in den 0er-Jahren und die Forderung der blockfreien Staaten ach einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die auf Gechtigkeit und souveräner Gleichheit der Staaten beru en sollte, nennen. Welch moderne Idee! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Die Vision Willy Brandts, dass Entwicklungspolitik
ie beste Friedenspolitik ist, ist bis heute eine große He-
usforderung. Mit der Beteiligung am Afghanistan-
rieg – das kann ich der SPD nicht ersparen – hat sich
ider auch die SPD von dieser Vision weit entfernt.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ach so!)


Es gibt interessante Zitate des ersten Entwicklungs-
inisters Walter Scheel – auf ihn berufen auch Sie sich

erne, Herr Niebel –, der unter anderem mit dem Spruch
ich zitiere – „Entwicklungspolitik ist eine Art Sozial-
olitik im weltweiten Ausmaß“ doch andere Vorstellun-
en als Sie verdeutlicht hat, Herr Niebel, und der in mei-
en Augen weiter war als Sie, weil Sie einmal recht
espektierlich gesagt haben, das Entwicklungsministe-
um sei nicht das Weltsozialamt.


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: So ist es!)


Auch in den 90er-Jahren gab es interessante Entwick-
ngen mit dem Rio-Prozess und dem Versuch, Entwick-
ngs- und Umweltfragen auf die Kommunen herunterzu-

rechen sowie eine breite Beteiligung der Bevölkerung
Rahmen von Entwicklungspolitik zu organisieren, und

war in den sogenannten Lokale-Agenda-Prozessen. Dies





Heike Hänsel


(A) )


)(B)

war der Versuch, zu zeigen, dass die Lebensbedingungen
der Menschen in den Ländern des Südens direkt mit den
Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern des
Nordens zusammenhängen und dass wir deshalb eine
Verantwortung haben, Strukturen sowie den Energie- und
Ressourcenverbrauch massiv zu verändern, wenn wir
wirklich Entwicklung wollen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten und der SPD)


Heute, im Jahr 2011, in Zeiten des sogenannten Krie-
ges gegen den Terror, der bereits seit zehn Jahren geführt
wird und an dem sich auch Deutschland durch Auslands-
einsätze der Bundeswehr beteiligt,


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


wird Entwicklungspolitik im Rahmen der sogenannten
vernetzten Sicherheit Teil der Sicherheitspolitik und da-
durch eben missbraucht. Mit der Vision Willy Brandts
„Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik“, die eigentlich
dazu beitragen sollte, Konfliktursachen zu bekämpfen,
hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Entwicklungs-
politik wird Teil einer Kriegsstrategie, wie wir es in Af-
ghanistan erleben. Genau deshalb sind wir gegen diese
Form der zivil-militärischen Zusammenarbeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Die neoliberale Globalisierung und die Entfesselung
der Finanzmärkte sind mittlerweile auch für die entwi-
ckelten Staaten zu einer existenziellen Bedrohung ge-
worden und haben die Spielräume von Entwicklungspo-
litik erst recht massiv eingeschränkt. Das erleben wir
zurzeit. So trägt zum Beispiel die Spekulation mit Nah-
rungsmitteln zu Hungerkatastrophen bei und zerstört viel
von dem, was wir durch Entwicklungszusammenarbeit
erreicht haben. Die Regierungen schauen nur hilflos zu.
Deshalb ist die Forderung nach einer strengen Regulie-
rung der Finanzmärkte ganz zentral. Wir fordern das seit
Jahren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die neoliberale Globalisierung hat aber auch weltweit
– das ist der Hoffnungsträger – soziale Bewegungen auf
den Plan gerufen und linke Regierungen hervorgebracht
– zum Beispiel in Lateinamerika –, die sich gegen Aus-
beutung, Abhängigkeit und Bevormundung zur Wehr
setzen und sich für neue alternative Entwicklungsmo-
delle, eine solidarische Weltwirtschaft sowie eine breite
demokratische Beteiligung der Bevölkerung an Ent-
scheidungen einsetzen. So sind zum Beispiel die Verfas-
sungen von Venezuela, Bolivien und Ecuador wirklich
zukunftsweisend. Genau da könnte deutsche Entwick-
lungspolitik ansetzen und solche Prozesse der selbstbe-
stimmten Entwicklung stärken.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])


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(C (D ir müssen uns nämlich davon verabschieden, dass die estlichen Industriestaaten den Süden entwickeln woln. Vielmehr geht es darum, sich auf Augenhöhe zu beegnen, eine eigenständige Entwicklung zu respektieren nd voneinander zu lernen. Das müsste die Bilanz aus 0 Jahren Entwicklungszusammenarbeit sein. Stattdesen werden solche Entwicklungen bekämpft. Für den ugang zu Rohstoffen und Märkten wird eine knallharte teressenspolitik durchgesetzt. Es zeigt sich, dass sich ie staatliche Entwicklungspolitik nie von kolonialem enken befreit hat. Nun soll also die deutsche Wirtschaft im FDP-geführn Entwicklungsministerium Partner für Entwicklung ein. Frau Hänsel! Ich komme zum Schluss. Aber das kann ich Herrn iebel nicht ersparen. – Die deutsche Wirtschaft soll artner für Entwicklung und für eine unternehmerische ntwicklungspolitik sein und nebenbei vielleicht noch ie niedrige ODA-Quote erhöhen. Das, Herr Niebel, ist ichts anderes als Entwicklungshilfe für die deutsche irtschaft. Dieses Entwicklungsmodell ist ein Auslaufodell, genauso wie die FDP. Ute Koczy ist die nächste Rednerin für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir feiern heute 50 Jahre deutsche Entwickngspolitik. Das sind fünf Jahrzehnte wirtschaftliche usammenarbeit mit den meisten Ländern dieser Welt. iese Politik ist heute Teil der Identität der Bundesrepulik Deutschland. Wir Grüne gratulieren und freuen uns, dass wir dem eburtstagskind, dem Ministerium für wirtschaftliche usammenarbeit und Entwicklung, die besten Wünsche r eine weltweit nachhaltig ökologische, sozial gerechte owie genderund friedensorientierte Politik übermitteln önnen. Für uns Grüne ist die Entwicklungszusammenrbeit eines der besten internationalen Instrumente der olitik, die wir haben und die wir behalten wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713101400
Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713101500

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713101600
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713101700

Es ist natürlich nicht nur eine Ironie des Schicksals,
ass ein FDP-Minister diesem Ministerium heute Be-
tand und Stärke verleihen will. Herr Minister, Sie sto-
en auf unser absolutes Unverständnis, dass Sie heute
ngesichts 50 Jahre BMZ nicht die Gelegenheit nutzen,





Ute Koczy


(A) )


)(B)

an diesem Tag das Wort zu ergreifen und zu uns zu spre-
chen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ich frage mich, warum das der Fall ist. Liegt es vielleicht
daran, dass ein Erfolg der EZ ausmacht, dass sie auf die
sogenannten weichen und zivilen Themen setzt? Denn
die Entwicklungszusammenarbeit tritt für internationa-
len Ausgleich und Fairness ein. Sie trägt so zum Erhalt
des Friedens bei. Das ist eine Stärke. Demokratie und
Rechtstaatlichkeit lassen sich nur so entwickeln, auf dass
eigenständiges und eigenverantwortliches Handeln mög-
lich wird.

Lassen wir Wolfgang Gieler sprechen, der das BMZ
von 1971 wie folgt beschreibt:

Erfolg kann nur eine Entwicklungspolitik haben,
die in Zusammenarbeit mit den Entwicklungslän-
dern, den anderen Geberländern sowie internationa-
len Institutionen und Organisationen den ständigen
Ausgleich der Interessen aller Beteiligten anstrebt.
Sie taugt nicht als Instrument kurzfristiger außen-
politischer Erwägungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die EZ arbeitet mit den Menschen vor Ort zusammen.
Sie orientiert sich an deren Bedürfnissen und organisiert,
wenn es richtig läuft, praktische wirtschaftliche und da-
mit handfeste Chancen für die Menschen in diesen Län-
dern. Das geschieht zum Beispiel beim Aufbau der Was-
serversorgung, bei der Stärkung der Frauenrechte, bei der
Bildung, bei der Landwirtschaft oder aktuell bei erneuer-
baren Energien. Nicht immer gelingt dies. Es braucht
dazu vor allem eines: Zeit.

Viele verschiedene Ansätze sind in den letzten
50 Jahren erprobt worden. Die deutsche EZ ist mit ihren
Durchführungsorganisationen, allen voran den beiden
großen Organisationen GIZ und KfW, und auch nicht zu-
letzt dank einer großartigen und vielfältigen Zivilgesell-
schaft professionell geworden. Vielleicht muss sich die
EZ deswegen immer wieder neu hinterfragen. Ange-
sichts der krassen Veränderungen in unserer Welt sind
kritische Fragen und Analysen äußerst dringend notwen-
dig. Wir Grüne wollen, dass sich die EZ erfolgreich und
konstruktiv den heutigen globalen Herausforderungen
und Problemen stellt. Da lohnt es sich schon, die An-
fänge des Ministeriums einmal genauer unter die Lupe
zu nehmen, bevor ich meine Anliegen für die Zukunft
äußere.

Was führte damals zur Entscheidung für ein solches
Ministerium? Deutschland lag nach dem Krieg in Trüm-
mern. Die Erfahrungen der Kriege waren traumatisch,
die ökonomischen Zerstörungen immens. Damals war
Deutschland selbst ein Entwicklungsland. Wir bekamen
Hilfe. Der Marschallplan war das Rettungsseil, an dem
man sich heraushangelte. Somit wuchs in Deutschland
das Gefühl für Verantwortung, für Unterstützung und für
internationale Zusammenhänge. Aber bitte keine Schön-
färberei: Auch damals galt, dass man die eigenen außen-,

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(C (D irtschaftsund rohstoffpolitischen Interessen nicht aus en Augen verlieren wollte. Ein weiterer Anschub kam von außen. Die Vollverammlung der Vereinten Nationen rief 1960 die erste ntwicklungsdekade aus. Deutschland reagierte 1961 it der Gründung eines neuen Ministeriums unter der eitung von Walter Scheel. Viele Ministerinnen und inister folgten. Ich will, weil viele Namen schon genannt wurden, an ieser Stelle auf Heidemarie Wieczorek-Zeul eingehen. ie hat nicht nur für Frauenthemen gekämpft, sie hat ich auch erfolgreich darin engagiert, Deutschland in inrnationalen Zusammenhängen zum Vorreiter für eine erechte und faire Politik zu machen. Ich danke ihr dar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, 50 Jahre EZ sind
ein Selbstläufer und schon gar keine Selbstverständ-
chkeit. Deutschland hat sich aus historischen und guten
ründen und mit besonderem Einsatz diesem Politikfeld
ewidmet. Auch deshalb ist die EZ Teil der Identität der
undesrepublik Deutschland geworden. Doch die Welt
at sich gewandelt. Andere Länder treten erstarkend auf
ie Weltbühne. Das alte Europa verliert an Einfluss, die
SA ebenso. Die Machtverhältnisse haben sich längst
ichtung Süden verschoben. Das muss doch Anlass zu
ragen sein. Wissen wir genau, was das bedeutet? Sind
nsere Reaktionen darauf angemessen? Heute findet
och eher ein Rückzug auf nationale, auf bilaterale Ver-
ältnisse statt. Das ist gewiss der falsche Weg. Mit der
inie „Bilateral vor multilateral“ landen wir in der Sack-
asse. Ich fürchte, dass sich Deutschland so zum Außen-
eiter macht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn Entwicklungspolitik Teil der Zukunft sein will,
o muss sie sich an der Gestaltung – ach was, an der Lö-
ung der Probleme beteiligen. Klimawandel, Finanz-
nd Ernährungskrise, fragile Staatlichkeit, ungerechte
elthandelsordnungen und die globale Armut fordern

ns heraus. Doch die Institutionenwelt, die wir kennen,
t nicht auf die Bearbeitung dieser Krisen und Themen
usgerichtet. Das internationale System ist zerklüftet, in-
ffizient und rückwärtsgewandt. Also dürfen wir nicht
o weitermachen wie bisher. Die Entwicklungspolitik
uss sich hier konstruktiv einmischen. Ziel muss sein,

ie weltweite Armut zu bekämpfen, den Klimawandel
u stoppen und die Probleme der wachsenden Mensch-
eit beim Ressourcenmangel effizient, fair und konflikt-
ermeidend zu lösen. Die Entwicklungsdefizite in den
ntwicklungsländern müssen auf den Tisch. Kritik an
nserem Lebensstil muss zu Veränderung führen und
arf nicht nur diskutiert werden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ganz klar: Wir müssen uns wirksam damit auseinan-
ersetzen, wie wir die aufklappende soziale Schere inner-





Ute Koczy


(A) )


)(B)

halb von Entwicklungs-, Schwellen- und Industrielän-
dern wieder schließen können. Dafür braucht es soziale
Sicherungssysteme, eine intensive Zusammenarbeit mit
der Zivilgesellschaft und Konzepte abseits der Ebene von
zweijährigen Regierungsverhandlungen. Letztlich braucht
es eine neuartige globale Entwicklungsarchitektur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 50 Jahre EZ, darin
steckt für viele Menschen viel Herzblut, egal ob im posi-
tiven oder im negativen Sinne. Ich will all denjenigen, die
sich der Aufgabe der Entwicklungspolitik und dem Ziel
verschrieben haben, für bessere Verhältnisse zu sorgen,
herzlich danken. Wir brauchen die zukunftsfähige deut-
sche Entwicklungszusammenarbeit. Die Entwicklungs-
zusammenarbeit ist und bleibt ein sinnvoller Bestandteil
deutscher Identität.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Harald Leibrecht [FDP])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713101800

Das Wort erhält nun die Kollegin Sibylle Pfeiffer für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1713101900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag, BMZ,
möchte man fast sagen; aber im Vorfeld des 14. Novem-
ber, des Gründungsdatums, zu gratulieren, bringt Un-
glück. Ich möchte dem BMZ eigentlich wünschen, viele
weitere Jahrzehnte als selbstständiges Ministerium, als
der Kanal für die Entwicklungszusammenarbeit, als er-
folgreicher Kämpfer gegen Armut, Hunger und Not in
dieser Welt zu wirken. Deshalb sage ich nicht „Herzli-
chen Glückwunsch!“, sondern: Viel Erfolg!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als 1961 dieses Ministerium gegründet wurde, gab es
dafür viele gute Argumente. Man wollte die entwick-
lungspolitischen Aktivitäten bündeln. Man stellte fest,
dass sich das Außenministerium mit Entwicklungspoli-
tik beschäftigte, das Innenministerium usw. Das ist heute
immer noch oder wieder so, liebe Freunde, auch wenn
manches anders ist. Darauf möchte ich gleich zurück-
kommen. Es gibt sehr viele Parallelen zwischen der Ge-
genwart und 1961 und auch 1962, als im Februar oder
März, wenn ich mich recht erinnere, der Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ge-
gründet wurde. Damals ging es um Themen wie: Wer in
welchem Ministerium hat eigentlich die Federführung
bei entwicklungspolitischen Fragen? Wie wird das
Ganze finanziert? Wie grenzt man sich von anderen Res-
sorts ab? Freunde, da hat sich nicht viel geändert. Darum
geht es heute auch noch. Insofern gibt es sehr wohl Par-
allelen. Es stellt sich die Frage, ob wir in diesen 50 Jah-

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(C (D n nicht nur älter, sondern auch weiser geworden sind, as wir also dazugelernt haben. Zahlreiche Abgeordnete haben hier bereits Lob gependet. Diesen Bogen möchte ich nicht weiter spannen. ir müssen feststellen, dass dieses Ministerium im Hinlick auf die Bekämpfung von Not und Armut, Frieden nd Sicherheit in der Welt, also auch in Europa und in eutschland, unglaublich wichtig ist. Die Beiträge zur Krisenprävention sind sehr wichtig. enn wir diese Beiträge nicht leisten, können wir die otwendige Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf ugenhöhe nicht sicherstellen. Dabei stellen sich ledigch die Fragen: Wie wollen wir Entwicklungszusamenarbeit gestalten? Welche Bedürfnisse gibt es? Wel he Fragen stellen sich? Wie können beide Seiten von ntwicklungszusammenarbeit profitieren? Schauen wir uns einmal die Themen an, die in den ergangenen 50 Jahren eine Rolle gespielt haben. Urprünglich war von Entwicklungshilfe die Rede. Dieses ort ist zum Glück völlig aus unserem Wortschatz ge trichen worden. Das war in den Anfängen, in den 60erahren. Damals diskutierte man schon über das Thema irtschaftswachstum, das meines Erachtens eines der ichtigsten Themen überhaupt ist; denn nur über die elbstversorgung, über eigene Wertschöpfung und über igenes kreatives Handeln schaffen wir Stabilität, Frieen und Sicherheit in der Welt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In den 70er-Jahren wurde dem Thema Frauen eine
ehr große Bedeutung beigemessen. Dieses Thema ha-
en hier zumindest die weiblichen Redner angespro-
hen. Wer weiß besser als Deutschland, dass die Ent-
icklung eines Landes ohne Frauen nicht passieren
ann?

Deshalb ist es richtig, dass wir Frauen in den Ent-
icklungsländern unterstützen, aber nicht nur in ihrem

igenen Selbstverständnis und nicht nur über das Thema
mpowerment, sondern vor allen Dingen über das einfa-
he, aber wirksame Mittel der Klein- und Kleinstkredite.
abei haben wir mit den Frauen die allerbesten Ergeb-
isse erzielt, weil Frauen die Gelder, die man ihnen zur
erfügung stellt, zielorientiert einsetzen. Sie gehen sorg-
ltig mit diesen Geldern um und zahlen diese zu fast

00 Prozent wieder zurück. Gleichzeitig haben sie Werte
eschaffen. Sie haben sich Kühe und Ziegen gekauft,
rodukte auf den Markt gebracht und damit einen gro-
en Beitrag zum Einkommen der eigenen Familie geleis-
t.

Die 80er- und 90er-Jahre waren geprägt durch die
hemen HIV/Aids, Umwelt, Drogen und Ähnliches.

Ich will jetzt nicht zu lange in der Vergangenheit kra-
en, weil es ein Zukunftsthema gibt, das mich sehr be-

chäftigt, nämlich das Weltbevölkerungswachstum. Be-
its 1972 hat der Club of Rome in einem Bericht auf die
renzen des Wachstums hingewiesen und vor unkon-
olliertem Bevölkerungswachstum gewarnt. In den Jah-





Sibylle Pfeiffer


(A) )


)(B)

ren 1974, 1984 und 1994 fanden Weltbevölkerungskon-
ferenzen statt.

Liebe Freunde, wir haben nicht hingehört. Vielleicht
haben wir doch hingehört, aber keine politischen Konse-
quenzen daraus gezogen. Wenn wir heute wissen, dass
im Oktober der siebenmilliardenste Mensch geboren
wird, wenn wir heute wissen, dass die Weltbevölkerung
im Jahr 2050 auf bis zu 13 Milliarden Menschen ange-
wachsen sein wird, wenn es nicht gelingt, die Geburten-
rate signifikant zu senken, dann müssen wir heute darauf
reagieren, auch im Sinne unserer Kinder und Kindeskin-
der. Wir müssen Wege finden, die Geburtenrate zu sen-
ken.

Wir müssen uns fragen: Welche Konsequenzen hat
dieses Bevölkerungswachstum eigentlich für die Ernäh-
rungssituation der Menschen in den Entwicklungslän-
dern, dort, wo das Bevölkerungswachstum stattfindet?
Was bedeutet es für uns in Deutschland? Wir haben eine
sinkende Bevölkerungszahl und eine alternde Gesell-
schaft. Das gilt im Übrigen auch für die Schwellenlän-
der. Was bedeutet das für die Nutzung von Ressourcen?
Was bedeutet das für die Wasserversorgung, aber auch
für die Entsorgung?

Megacities und Slums und die damit verbundenen ge-
sellschaftlichen Probleme sind die Folgen. Die jüngsten
Entwicklungen im Norden Afrikas, in Tunesien, in
Ägypten und in Algerien, haben auch etwas damit zu
tun, dass es dort sehr viele junge Menschen gibt, die teil-
weise sehr gut ausgebildet sind. Dass sich daraus soziale
Spannungsfelder ergeben, ist doch völlig klar.

Wenn ich einmal das Bevölkerungswachstum bis zum
Jahre 2050 hochrechne, dann weiß ich, vor welchen Pro-
blemen meine Enkeltochter im Jahr 2050 stehen wird.
Deshalb müssen wir jetzt schon einige Probleme ange-
hen. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe und vor allen Din-
gen unsere Pflicht, darüber nachzudenken, was wir ent-
wicklungspolitisch jetzt schon tun können – oder auch
„erst“; denn wenn man bedenkt, dass schon im Jahr 1972
darüber diskutiert worden ist, dann kann man von „erst“
reden –, um mit den Problemen fertig zu werden, die auf
uns, auf die internationale Gemeinschaft zukommen.
Wir können die Entwicklungsländer damit nicht alleine
lassen, weil das Problem auch uns direkt betrifft. Des-
halb, liebe Freunde: Lasst uns in Zukunft auch über die-
ses Problem und eventuelle Lösungen reden. Das wäre
mein Wunsch für die Zukunft, auch für das Ministerium.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713102000

Nun erhält der Kollege Sascha Raabe das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1713102100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Wir feiern heute ein Jubiläum – 50 Jahre BMZ –, das
es nach dem Willen des aktuellen Ministers eigentlich
gar nicht gegeben hätte; denn dann würden wir nur

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(C (D 8 Jahre BMZ erlebt haben. Ich denke, das ist auch der rund, warum der Herr Minister heute zu Recht nicht pricht – er kann ja nicht etwas feiern, was er gar nicht o gewollt hat. Deswegen gilt mein Dank all den politisch Verantwortchen, all den Ministerinnen und Ministern, die dieses inisterium zu dem gemacht haben, was es heute ist. Auf ie großen Verdienste von Erhard Eppler, Egon Bahr und atürlich auch Heidemarie Wieczorek-Zeul wurde bereits ingewiesen. Diesen Würdigungen möchte ich mich anchließen. Vor allem aber gilt mein Dank sowie der Dank er SPD-Fraktion allen Helferinnen und Helfern, die fast 0 Jahre lang – oft unter Einsatz ihres Lebens und unter chwierigsten Bedingungen – ihre Arbeit für die ärmsten enschen geleistet haben. Ich glaube, das ist unser aller nerkennung wert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ich selbst bin seit knapp zehn Jahren in diesem Be-
ich tätig und habe auf vielen Reisen Menschen ken-

engelernt, die beispielsweise in Gebieten, in denen frü-
er Bürgerkrieg herrschte, versuchen, Täter und Opfer
usammenzubringen. Daher weiß ich, wie schwer es ist,
ine solche Arbeit zu verrichten. Das ist auch emotional
chwierig; denn man trifft dort auf Menschen, deren Fa-
ilien ausgelöscht wurden, deren Geschwister verge-
altigt wurden und die in einer sehr schwierigen Situa-
on leben müssen.

Insofern weiß ich, dass wir manchmal auch Instru-
ente einsetzen müssen, die eher im psychologischen
ereich wirken. Hier leistet der Zivile Friedensdienst
ine ganz hervorragende Arbeit,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU])


dem er mit Psychologen oder zum Teil auf spielerische
rt, zum Beispiel mit Theatertherapie oder anderen Pro-
kten, versucht, den Menschen zu helfen. Herr Minister
iebel, Sie haben ja heute schon zu „50 Jahre BMZ“ ge-
det, indem Sie Phoenix kurz vor dieser Debatte ein In-
rview gegeben haben. In diesem Interview haben Sie
esagt: Ehe ich Tanztherapeuten irgendwohin in die Welt
iegen lasse, sorge ich lieber dafür, dass in Unternehmen
vestiert wird.

Das liegt auf der gleichen Linie wie das Spiegel-Inter-
iew, in dem Sie gesagt haben: Die Entwicklungshelfer
it ihren Alpaka-Pullovern machen da immer nur so ein
edöns; es geht vielmehr darum, den Menschen mit
irtschaft und noch mal Wirtschaft zu helfen. – Ich
sse es nicht zu, dass Sie diejenigen, die im Zivilen
riedensdienst ihre Arbeit verrichten und dabei trauma-
sch verängstigten Menschen helfen – auch mit Mitteln,
ie Ihnen nicht gleich einleuchten –, verächtlich machen.
iese Menschen leisten eine sehr wichtige Arbeit.





Dr. Sascha Raabe


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen zurückweisen, wie Sie über Entwicklungs-
helferinnen und Entwicklungshelfer reden.

Ihr Credo, dass „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“
das Allheilmittel in der Entwicklungszusammenarbeit ist,
können wir so nicht teilen. Natürlich hat es wirtschaftli-
che Hilfe auch schon unter Heidemarie Wieczorek-Zeul
gegeben, die übrigens das Programm Public-Private-Part-
nership eingeführt hat, mit dem wir zusammen mit der
Privatwirtschaft entwicklungsfördernde Projekte vor Ort
unterstützen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war leider ein großer Fehler!)


Aber Wirtschaft alleine kann nicht für Entwicklung sor-
gen; denn es kommt immer darauf an, welche Rahmen-
bedingungen die Wirtschaft hat und wie sie sozialverant-
wortlich abgesichert ist. Deswegen war es so wichtig,
dass Heidemarie Wieczorek-Zeul das Ministerium zu ei-
nem Ministerium für globale Strukturpolitik gemacht
hat.

Wir erleben doch gerade jetzt wieder, was passiert:
Ein Unternehmen wie Nokia wandert erst aus Deutsch-
land nach Rumänien ab, weil die Sozialstandards dort
niedriger sind und es die Arbeitnehmer dort ausbeuten
kann, und dann, wenn diese Standards in Rumänien et-
was gestiegen sind, wird die Produktion nach Indien und
China verlagert. Insofern ist das Hohelied auf die Wirt-
schaft nicht allein das, was den Menschen nützt.


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Wer sagt das denn?)


Wir müssen endlich dafür sorgen, dass die Gewinne der
Globalisierung den Menschen zugutekommen, die sie
erarbeitet haben. Deswegen brauchen wir dort Regeln,
Herr Minister.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wird unsere Aufgabe in den nächsten Jahren im
Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sein, vor al-
lem dafür zu sorgen, dass soziale Standards wie die ILO-
Kernarbeitsnormen, selbstverständlich die Menschen-
rechte, aber auch gewisse soziale Sicherungssysteme,
Mindestlöhne und Umweltstandards auch in Entwick-
lungsländern durchgesetzt werden. Das muss man über
das scharfe Schwert der Freihandelsabkommen der Eu-
ropäischen Union machen. Es ist ganz wichtig, dass wir
da sagen: Nur Länder, die sich diesen Spielregeln unter-
werfen, die sich verpflichten, dafür zu sorgen, dass keine
Kinderarbeit und keine Sklavenarbeit stattfinden und
Koalitionsfreiheit herrscht, dürfen mit Europa Handel
betreiben. Das wird unsere große Aufgabe sein. Wir
brauchen hier nicht Liberalisierung, sondern endlich Re-
geln für die Menschen, die hart arbeiten und unsere Soli-
darität und Unterstützung brauchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme gehört es atürlich dazu, dass diese finanziert werden müssen. Wir rleben gerade bei der furchtbaren Dürrekatastrophe in stafrika, dass wir in einigen Teilbereichen aufgrund der limatischen Veränderungen nicht mehr mit den traditioellen Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit Menchen retten können; denn wenn es fünf Jahre nicht reget, nützt einem Bauern auch ein Bewässerungssystem ichts, auch nicht die besten Werkzeuge und das beste now-how. Wir müssen schauen: Wie kann man die Menschen or Hunger und Armut retten? Deshalb müssen wir eien stärkeren Fokus darauf richten, dafür zu sorgen, dass ie Menschen ein existenzsicherndes Mindesteinkomen erhalten. Auch ein Menschenrecht auf Nahrung und esundheit sowie die Errichtung von Gesundheitssysteen sind dort wichtig. Das kann natürlich nur dann geährleistet werden, wenn wir den Ländern, die noch icht genug Möglichkeiten haben, das mit dem eigenen teueraufkommen zu erreichen, zum Teil über Mittel ie die Budgethilfe eine Chance geben, solche Systeme u errichten. Es gehört natürlich auch dazu, dass vor Ort ehr Steuern erhoben werden. Für alle diese Maßnahmen brauchen wir Geld. Insorn, Herr Minister Niebel, ist die ODA-Quote, das Ziel, ass die Industriestaaten im Jahr 2015 einen Anteil von ,7 Prozent am Bruttonationaleinkommen für Entwickngszusammenarbeit ausgeben, nicht irgendetwas Absaktes; es ist konkret dafür da, Menschenleben zu retten. enn Sie einen Aufruf von 365 Abgeordneten hierzu in iner Art und Weise ignorieren, wie sich dies im Hausalt widerspiegelt, dann ist das nicht nur Ignoranz geenüber dem Parlament und den Abgeordneten der eigeen Fraktion, sondern auch eine Schande für die vielen enschen, die in Hunger und Armut leben; Sie tragen azu bei, dass diese Menschen hungern. Deswegen, Herr inister: Steuern Sie um und sorgen Sie endlich dafür, ass den ärmsten Menschen das Geld zur Verfügung teht, das wir ihnen seit Jahren versprechen! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß, dass es in vergangenen Jahren auch für so-
ialdemokratische Entwicklungsminister nicht immer
icht war, eine ODA-Quote von 0,7 Prozent zu errei-

hen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ja, es war schwierig, es zu erreichen. – Erhard Eppler
t damals sogar zurückgetreten, weil ihm der Mittelauf-
uchs nicht ausreichte. Wir hatten mit Heidemarie
ieczorek-Zeul immer eine Ministerin, die gekämpft

at wie eine Löwin. Sie hat gesagt: Ich brauche 1 Mil-
arde Euro. – Dann waren es am Ende vielleicht nur
00 Millionen Euro.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713102200

Lieber Herr Kollege.






(A) )


)(B)


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1713102300

Aber was machen Sie, Herr Minister? Sie kämpfen

nicht einmal.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Obwohl es 365 Abgeordnete gibt, die für die Aufsto-
ckung Ihres Haushalts sind, kommen Sie hier mit einem
Haushalt, der einen lächerlichen Aufwuchs zu verzeich-
nen hat. Sie versuchen auch noch, das schönzurechnen.
Sie sagen: In der Finanzplanung hatten wir eine Kürzung
um Hunderte Millionen Euro vorgesehen. Deshalb gebe
es im Haushalt angeblich einen Aufwuchs um 750 Mil-
lionen Euro.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713102400

Lieber Herr Kollege.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1713102500

Tricksen, Täuschen: Das ist, was Sie können, Herr

Minister Niebel. Sie vernebeln, aber Sie helfen den
ärmsten Menschen nicht.

In diesem Sinne hoffe ich für die nächsten 50 Jahre
Entwicklungszusammenarbeit, dass sie spätestens 2013
wieder in verantwortungsvollen Händen liegt, am besten
in sozialdemokratischen Händen.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das ist ja peinlich!)


Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713102600

Das Wort hat nun der Kollege Joachim Günther für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1713102700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Vorredner haben bereits deut-
lich dargelegt, dass es in den vergangenen 50 Jahren eine
kontinuierliche Verbesserung in der Entwicklungszu-
sammenarbeit Deutschlands gegeben hat. Herr Raabe,
bisher waren alle Beiträge relativ sachlich gehalten. Ich
weiß nicht, was Ihre letzten Darlegungen sollten.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Peinlich war das!)


Ich glaube, wir sollten gemeinsam nach vorne schauen
und uns nicht mit solchen Dingen beschäftigen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/ CSU]: Ja! Das sehe ich auch so!)


Ich bin der Überzeugung, dass es vor 50 Jahren sehr
vorausschauend war, ein solches Ministerium zu etablie-
ren. Die Initiative ging damals vom Parlament aus. Des-

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(C (D alb ist das heute aus meiner Sicht die Stunde des Parlaents und nicht die Stunde von Ministern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Entwicklungspolitik ist heute meines Erachtens glo-
ale Zukunftspolitik. Sie trägt im Endeffekt dazu bei, die
nappen Ressourcen gerechter zu verteilen und unsere
mwelt für die nächsten Generationen zu bewahren.
urch Entwicklungspolitik sollen wir Krisen und Kon-
ikte friedlich bewältigen und die Armut weltweit be-
ämpfen. Darüber sind wir uns über die Parteigrenzen
inweg eigentlich alle einig. Entwicklungspolitik kann
ur dann erfolgreich sein, wenn die Wirtschaft, die Zivil-
esellschaft und die Politik sich gemeinsam engagieren;
enn nur gemeinsam können wir diesen globalen Heraus-
rderungen begegnen. Die unterschiedlichsten Kräfte

nserer Gesellschaft sollten wir dabei integrieren. Dies-
ezüglich gebe ich Ihnen recht; das ist ein großes Zu-
unftsfeld.

Deshalb ist es in der Gegenwart wichtig, dass wir uns
uf Schlüsselpositionen konzentrieren und dort unsere
räfte bündeln, wo wir am schnellsten zu Erfolgen kom-
en können. Ich vertrete die Überzeugung, dass bei der
ntwicklungspolitik auch unsere Werte und unsere Inte-
ssen eine Rolle spielen sollen. Der Mensch steht im
ittelpunkt der Zusammenarbeit. Das heißt, wir müssen

or allem bei der Bildung ansetzen; denn Wissen ist der
chlüssel zur Überwindung von Armut, und ohne Wis-
en ist Armut nicht zu überwinden. Erst die Bildung er-
ffnet den Menschen Chancen, ihr Leben mitzubestim-
en und es frei von Not zu gestalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ns geht es darum, dass wir unsere Innovationskompe-
nzen in andere Länder befördern; denn nicht nur wir in
eutschland, sondern auch unsere Partnerländer müssen
ngfristig denken und planen, um die Zukunft sichern

u können.

Ich möchte deshalb einige Schlüsselbereiche neben
er Bildung ansprechen. Frau Wieczorek-Zeul, Sie ha-
en Afrika erwähnt. Afrika ist für uns der Kontinent der
hancen und Herausforderungen. Er liegt vor unserer
ür. Wir müssen durch kluge Zusammenarbeit die Ar-
ut senken, das Gesundheitswesen ausbauen und Pro-

uktionsmöglichkeiten vor Ort schaffen; denn damit ge-
en wir den Menschen in ihren Heimatländern eine
hance, ihre Zukunft zu gestalten und ihre Existenz zu

ichern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir müssen in den Entwicklungsländern vor allem
ukunftsfähige Möglichkeiten zur Energiegewinnung
ntwickeln und ausbauen; denn erst dadurch wird es
öglich, in den Regionen, in denen keine Energieversor-

ung vorhanden ist, die Lebensumstände zu verbessern.
as ist der Kreislauf „Energie – sauberes Trinkwasser –
esundheit“. Das ist für viele Regionen dieser Welt ganz
ichtig und eine große Chance für uns.

Die Innovationspotenziale Deutschlands sollten wir
r den Klimaschutz insgesamt nutzen. Das könnte das





Joachim Günther (Plauen)



(A) )


)(B)

Weltklima beeinflussen. Das nenne ich nur als Stich-
wort.

Herr Raabe, es ist anders, als Sie es gesagt haben: Wir
engagieren uns nicht nur im wirtschaftlichen Bereich,
sondern auch in den fragilen Ländern; denn nur wenn
wir investieren, wenn wir in die Meinungsbildungs- und
die Demokratisierungsprozesse einsteigen, haben wir die
Chance, den weltweiten Frieden praktisch zu sichern.


(Beifall des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP])


Diese Schlüsselbereiche wählen wir, weil wir in die-
sen Bereichen unseren Werten entsprechend arbeiten
können. Das sind Bereiche, die auch in unserem eigenen
Interesse sind; denn wachsender Wohlstand in den Part-
nerländern gewährleistet internationale Stabilität. Als
Exportnation brauchen wir die Globalisierung dieser
Stabilität; denn sie schafft für alle Menschen die Chance,
friedlich miteinander auszukommen und im Austausch
zu arbeiten. Wenn es aber zum Konflikt zwischen Wer-
ten und Interessen kommt – auch das möchte ich deut-
lich sagen –, dann stehen die Werte an erster Stelle.
Menschenrechte dürfen nicht zur Disposition stehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Nichtregierungsorganisationen, die Unternehmer
und die Privatleute haben viele gute Ideen und eine hohe
Bereitschaft, sich für eine bessere Welt zu engagieren.
Das merken wir tagtäglich auf vielen Veranstaltungen.
Ich bin der Überzeugung, dass das BMZ eine Bühne da-
für werden sollte. Diese vielfältigen gesellschaftlichen
Engagements sollten besser koordiniert und gelenkt wer-
den. Aus diesem Grunde finde ich es absolut positiv,
dass es endlich gelungen ist, die Vorfeldorganisationen
neu zu sortieren und somit ein besseres und einheitliches
Erscheinungsbild in der Welt herzustellen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Moderne Entwicklungsarbeit ist nicht nur, wie man so
sagt, das Abspeisen von Armen. Wir haben es in der Re-
gel mit intelligenten Menschen zu tun, die das Recht ha-
ben, für sich selbst zu sorgen. Unsere Aufgabe ist es, ih-
nen die Möglichkeit einzuräumen, durch Bildung und
den Aufbau ihrer Strukturen zu diesem Recht zu kom-
men.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Bei dieser Gesamtbetrachtung dürfen wir den Klima-
wandel nicht aus den Augen verlieren. In diesem Zusam-
menhang möchte ich die gegenwärtige Hungersnot nach
der Dürreperiode am Horn von Afrika nennen. Das BMZ
sollte mit unseren Partnern innovative, effiziente und
flexible Lösungen für diese Probleme entwickeln und
auch andere Zukunftsfragen einbeziehen. Es gilt also,
unsere Partner in den Regierungen, der Wirtschaft und
der Gesellschaft davon zu überzeugen, dass dies die
Weichenstellung für die Zukunft sein muss.

Auf folgende drei Bereiche müssen wir uns konzen-
trieren: Chancen auf Arbeitsplätze und damit Einkom-
men in den Entwicklungsländern, Chancen auf verläss-

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(C (D che Rahmenbedingungen für unternehmerische andlungen, damit in diesen Ländern überhaupt geareitet werden kann, und Chancen für neue Märkte mit ffizienten und klimaverträglichen Produkten. Ich wäre froh – darin besteht der Unterschied –, wenn iele dieser Initiativen das Siegel „Made in Germany“ agen würden. Denn dieses Zusammenspiel ist effektive ntwicklungspolitik im Interesse der Geberund der ehmerländer. Das wird die Zukunft sichern. Herzlichen Dank. Das Wort hat nun der Kollege Movassat für die Frak on Die Linke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bertolt recht schrieb einmal: Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich. Brecht wusste schon vor über 50 Jahren, dass herrchende Politik kein Interesse daran hat, Strukturen zu erändern. Genau das denke ich auch, wenn ich auf 0 Jahre deutsche Entwicklungszusammenarbeit zurücklicke. Die Wahrheit ist doch: Der Bundesregierung fehlt der olitische Wille, Armut und Hunger von der Weltkarte u tilgen. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist, dass ie von der Regierung das internationale Versprechen ebrochen haben, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkomens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. bwohl dieses Versprechen 40 Jahre alt ist, sind wir von iesen 0,7 Prozent meilenweit entfernt. Wir erreichen eute gerade einmal 0,38 Prozent. Mittlerweile ist der achholbedarf so groß, dass fast 2 Milliarden Euro raufgesattelt werden müssten. Das Pech der Entwickngsländer ist aber, dass sie keine kriselnden, systemrevanten Banken sind. Ansonsten hätten alle anderen raktionen längst das Zehnfache draufgesattelt. Das ist er eigentliche politische Skandal. Doch es ist keine reine Geldfrage. Es sind strukturelle ründe, die Armut in der Welt schaffen. Die Bundesreierung setzt auf falsche Politikrezepte, und zwar wider esseres Wissen. Zwei Beispiele: Herr Niebel fordert gerne Hilfe zur Selbsthilfe. Das t nicht neu, sondern eine Idee aus den 70er-Jahren. Daals wurden den Entwicklungsländern Aktionspro ramme wie „Gesundheit für alle“, „Arbeit für alle“ oder Nahrung für alle“ aufgedrängt. Gelder zur Veränderung er Rahmenbedingungen fehlten allerdings. Die Lehre Niema Movassat )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713102800

(Beifall bei der LINKEN)

Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713102900

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )

daraus war: Hilfe zur Selbsthilfe ist richtig, funktioniert
aber nur, wenn die Entwicklungsländer Mittel an die
Hand bekommen, um die Strukturen für Bildung, Ge-
sundheit und Ernährung selbst aufzubauen. Das interes-
siert diese Regierung aber nicht. Sie hat die Budgethilfe
– die einzigen Mittel, über die die Entwicklungsländer
relativ eigenständig verfügen können – zusammengestri-
chen.


(Harald Leibrecht [FDP]: Aus guten Gründen!)


Ich sage Ihnen, Herr Niebel: Zwingen Sie den Partner-
ländern nicht länger Ihre Programme auf. Bauen Sie
stattdessen die Budgethilfeprogramme aus. Schenken
Sie den Entwicklungsländern – Ihren Partnern auf Au-
genhöhe, wie Sie immer so schön sagen – Vertrauen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mein zweites Beispiel betrifft die Marktöffnungspoli-
tik, die diese Bundesregierung betreibt. Das ist auch
nichts Neues, sondern bekannt aus den 80er-Jahren unter
dem Titel „Strukturanpassungsmaßnahmen“. Diese hat-
ten katastrophale Folgen. Die Entwicklungsländer wur-
den zur Öffnung ihrer Märkte gezwungen. Sie mussten
Subventionen für Lebensmittel streichen, Ausgaben für
Bildung und Gesundheit kürzen, und sie mussten privati-
sieren. In der Folge vervierfachte sich die Arbeitslosig-
keit in Afrika. Der Reallohn fiel um ein Drittel. Die
Lehre daraus war: Marktöffnung und Privatisierung sind
der falsche Weg.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen, Herr Niebel: Hören Sie auf, die Aus-
zahlung von Entwicklungsgeldern an den Abschluss von
Freihandelsabkommen, also an Marktöffnungen, zu kop-
peln. Das ist Erpressung.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Tragen Sie stattdessen dazu bei, dass die Entwicklungs-
länder ihre Märkte durch Zölle schützen. Nur durch zu-
sätzliche Zolleinnahmen können die Entwicklungsländer
Schulen und Krankenhäuser aufbauen.

Entwicklungspolitik muss umfassend sein. Das Han-
deln aller Ministerien muss auf die Erreichung entwick-
lungspolitischer Ziele ausgerichtet sein.

Nehmen wir das Finanzministerium: Das wäre zu-
ständig für die Verhinderung von Nahrungsmittelspeku-
lationen. Schauen Sie nach Ostafrika. Da sehen Sie, wel-
ches Elend hohe Nahrungsmittelpreise verursachen. Die
Zockerei mit Weizen und Mais treibt die Preise hoch.
Nahrungsmittelspekulationen müssen endlich verboten
werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Auch das Landwirtschaftsministerium ist gefragt. Es uss die Agrarexportsubventionen bekämpfen. Schauen ie nach Ghana. Da werden Sie sehen, wie deutsche ähnchenschenkel die lokalen Märkte zerstören, weil ie dank Subventionen billiger sind als die Ware der örtchen Bauern. Auch Agrarexportsubventionen gehören eshalb endlich verboten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Kanzlerin ist gefragt. Statt deutsche Pa-
ouillenboote an Angola zu verkaufen, sollte sie sich für
ivile Aufbauhilfe einsetzen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s gibt in Afrika keinen einzigen Konflikt, bei dem deut-
che Waffen fehlen. Deutsche Waffen morden mit in al-
r Welt. Nichts verhindert Entwicklung mehr als Krieg.
eshalb brauchen wir das Ende von Waffenexporten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung sollte den heutigen Tag, näm-
ch 50 Jahre deutsche Entwicklungszusammenarbeit,
r eine Änderung ihres entwicklungspolitischen Kurses

utzen; denn sonst werden die schrecklichen Bilder aus
omalia, aus Kenia nicht die letzten ihrer Art sein. Geht
s weiter wie bisher, wird weiter alle sechs Sekunden ein
ind an Unterernährung sterben. Geht es weiter wie bis-
er, wird Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderbericht-
rstatter für das Recht auf Nahrung, mit seinem Satz:
Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet“, recht
ehalten. Es ist an Ihnen, Herr Niebel, endlich einen Bei-
ag zu leisten, dieses Morden zu beenden.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713103000

Das Wort hat nun der Kollege Hartwig Fischer.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1713103100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Movassat, Sie können sich gern meine Homepage
nschauen: www.30000-kinder-sterben-taeglich.de. Das
t ein Thema, das alle hier im Hause beschäftigt. Ich

age Ihnen: Nicht mit ideologischen Schlagworten
chaffen wir Ernährungssicherung,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ondern durch Schwerpunktprogramme wie das Pro-
ramm für ländliche Entwicklung, Wasser und Energie.
icht mit ideologischen Schlagworten schaffen wir





Hartwig Fischer (Göttingen)



(A) )


)(B)

Selbstverantwortlichkeit und Eigenverantwortlichkeit,
sondern durch Schwerpunktprogramme für Bildung und
berufliche Bildung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nicht mit ideologischen Schlagworten schaffen wir
Selbstständigkeit und den Aufbau von kleinen und mitt-
leren Unternehmen, sondern durch Schwerpunktpro-
gramme zum Beispiel im Bereich der Mikrofinanzen
und durch Wirtschaftspartnerschaften. Nicht mit ideolo-
gischen Schlagworten schaffen wir eine an den Men-
schen orientierte Entwicklungszusammenarbeit. Diese
christlich-liberale Koalition hat die Zusammenarbeit
entwicklungspolitisch konditioniert, indem wir einen
Menschenrechts-TÜV eingeführt haben und gute
Regierungsführung zur Grundlage von entwicklungs-
politischer Zusammenarbeit machen. Dabei haben wir
auch die Korruptionsbekämpfung im Blick. Nicht mit
ideologischen Schlagworten, Frau Hänsel und Herr
Movassat,


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Vielleicht mal einen neuen Satzanfang?)


schaffen wir in Bürgerkriegsgebieten und in Kriegsge-
bieten Frieden für die Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nicht mit ideologischen Schlagworten schaffen wir es,
dass das Morden, das Vergewaltigen und das Sterben
von Kindern beendet werden, sondern durch militärische
und polizeiliche Stabilisierung im Rahmen von UN-
Mandaten.

Lieber Herr Raabe, mit ideologischen Schlagworten
machen wir auch keine Haushaltspolitik. Ich erinnere
daran – Frau Wieczorek-Zeul hat das sehr selektiv deut-
lich gemacht –: Wir haben in der Zeit der rot-grünen Re-
gierung Stabilität in den Haushaltsansätzen gehabt. Ja,
Sie haben entschuldet, aber wir haben in der Zeit, nach-
dem Angela Merkel die Verantwortung als Kanzlerin
übernommen hat, den Haushalt von 3,9 Milliarden Euro
um über 50 Prozent auf 6,0 Milliarden Euro gesteigert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das sollten Sie einmal anerkennen; denn Sie selbst wa-
ren in der Großen Koalition daran beteiligt.


(Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Es ist doch vollkommen klar, dass es nicht das Geld
allein ist, auch wenn es wichtig ist. – Herr Präsident, ich
lasse jetzt keine Zwischenfragen zu. – Vielmehr geht es
darum – das ist der entscheidende Punkt –, die Effizienz
der Entwicklungszusammenarbeit zu steigern. Wir ha-
ben in dieser Koalition geschafft, was wir in der Großen
Koalition mit Ihnen, Frau Wieczorek-Zeul, nicht hinbe-
kommen haben: die Durchführungsorganisationen zu-
sammenzuführen und damit eine stärkere Effektivität in
die Entwicklungszusammenarbeit zu bringen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])


Wenn ich das alles zusammenzähle, komme ich zu
em Ergebnis, dass es jetzt eine positive Ausrichtung
ibt, mit der wir optimistisch in die nächsten 50 Jahre
ehen können. Ich sage Ihnen: Zum ersten Mal seit zwei
ahren haben wir die Situation, in der der Begriff „wirt-
chaftliche Zusammenarbeit“ einen Namen hat: Vielen
ank, Dirk Niebel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713103200

Das Wort erhält nun der Kollege Thilo Hoppe für die

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713103300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

elchen Stellenwert, welches Image, welche Akzeptanz
der Bevölkerung Entwicklungszusammenarbeit hat,

as hängt – zum Glück nicht allein, aber auch – vom
tellenwert des Ministeriums und vom Image des Ent-
icklungsministers ab. Wir haben im Laufe der Jahre
anz unterschiedliche Charaktere und Typen erlebt. Ich
öchte jetzt nicht alle aufzählen, aber aus der langen
eschichte des BMZ eine Geschichte herausgreifen, ei-
en Konflikt zwischen Erhard Eppler und Helmut
chmidt.

Bei einem Streit am Kabinettstisch soll Eppler den
anzler eindringlich auf negative Auswirkungen eines
eplanten Bundestagsbeschlusses auf die Ärmsten der
rmen in den Entwicklungsländern hingewiesen haben.
araufhin soll der Kanzler Eppler an seinen Amtseid er-
nert haben: Du hast doch geschworen, deine Kraft dem
ohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen

u mehren und Schaden von ihm abzuwenden. – Eppler
eß sich davon nicht beeindrucken. Er verstand sich be-
its als Weltinnenpolitiker, als Anwalt der globalen Ge-
chtigkeit, auch als Fürsprecher derjenigen, die unter

ngerechten Verhältnissen massiv leiden. In gewisser
eise war er ein Exot am Kabinettstisch, ein Außensei-
r, ein Mahner, aber eine Stimme, die – ohne eigenstän-
iges BMZ, ohne einen eigenständigen Entwicklungsmi-
ister mit Kabinettsrang – am Kabinettstisch gefehlt
ätte.

Entwicklungsministerinnen und Entwicklungsminis-
r der Sorte Eppler gelten als unbequem und streitbar,

ls Weltverbesserer, was die einen als positiv ansehen,
ie anderen als naiv. Sie geben der Entwicklungszusam-
enarbeit insgesamt das Image: Hier geht es um eine

ute Sache, um Hilfe zur Selbsthilfe, um gelebte Solida-
tät.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Man kann manchmal den Eindruck bekommen, dass
er jetzige Entwicklungsminister ein solches Image gar
icht haben möchte, dass es ihm im Kreise von führen-
en FDP-Politikern sogar peinlich wäre, als Helfer und





Thilo Hoppe


(A) )


)(B)

Rächer der Enterbten zu gelten und einem Gutmen-
schen- und Gedönsministerium vorzustehen. Deshalb
bemüht er sich, immer wieder klarzustellen, dass das
BMZ nicht so etwas wie ein Weltsozialamt sei. Er betont
die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die zu Win-win-Si-
t
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1713103400
Pro Euro, den wir in den Entwicklungsländern
investieren, fließen 1,80 Euro in unsere Wirtschaft zu-
rück.

So gewinnt man Akzeptanz in weiten Teilen der FDP
und beim BDI, aber nicht in der breiten Bevölkerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Denn sie erwartet gar nicht, dass wir an den Entwick-
lungsländern auch noch verdienen; mehrere Umfragen
haben dies klar bestätigt. Verstehen Sie mich bitte nicht
falsch, auch dieser Entwicklungsminister hat einiges
richtig gemacht – Stichwort GIZ –,


(Beifall der Abg. Helga Daub [FDP])


und er betont nicht nur das Business, sondern auch das
Humanitäre und die Menschenrechte. Insgesamt aber
verschiebt die neue Führung die Ziel- und Schwerpunkt-
setzung so sehr in Richtung Wirtschaftsförderung, dass
man eher von einer interessengeleiteten als von einer
wertegeleiteten Entwicklungspolitik sprechen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich. Denn wenn
es in diese Richtung weitergeht, dann könnte man auf
die Idee kommen, zu fragen: Wozu noch ein BMZ? Das
kann auch gleich die Exportförderabteilung des Wirt-
schaftsministeriums erledigen.


(Beifall des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] – Zuruf von der FDP: Das haben wir doch geklärt!)


Doch so weit wird es hoffentlich nicht kommen. Viele
gute Leute im BMZ und fraktionsübergreifend auch
viele gute Leute im Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung werden sich dem entge-
genstellen. Außerdem finden in zwei Jahren – spätestens
in zwei Jahren – wieder Bundestagswahlen statt.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713103500

Nächster Redner ist der Kollege Helmut Heiderich für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1713103600

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! In den

letzten 50 Jahren, über die wir heute Morgen schon eine

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(C (D anze Menge gehört haben, haben die Industriestaaten ehr als 2 000 Milliarden für die Förderung der Enticklung in Afrika gezahlt. 2009 hat die G 8 in L’Aquila eschlossen, 22 Milliarden Dollar zur Förderung der Erährungssicherung bereitzustellen. Der Bundeshaushalt 012 wird eine – wenn auch nur bescheidene – Steigeng der ODA-Quote ausweisen. Wer Entwicklungspoli k nur nach ausgegebenen Beträgen und finanziellen uoten beurteilt, könnte sich jetzt also voller Stolz zucklehnen. Einige solcher Bemerkungen haben wir im aufe des Vormittags schon gehört. Nur: Es gibt ein paar andere Gesichtspunkte, die uns achdenklich machen müssen. Da ist beispielsweise die ben angesprochene Hungersnot. Sie ist die größte, die ir in Nordafrika seit den 70er-Jahren erlebt haben. Wir üssen uns mit dem Gedanken abfinden – darauf hat die räsidentin der Welthungerhilfe, als sie in der letzten oche bei uns war, hingewiesen –, dass wir wohl über ahre hinweg Millionen von Menschen von außen weren ernähren müssen. Ich denke, es genügt nicht – auch icht an einem Tag wie heute, Frau Wieczorek-Zeul –, enn wir die Millenniumsziele nur aufzählen. Vielmehr ollten wir uns auch die Frage stellen: Was ist daraus georden? (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ja, genau!)


Als Beispiel nenne ich das Thema „Ernährung und
ampf gegen den Hunger“, das zu meinem Aufgabenbe-
ich gehört. Im Jahre 2000 haben wir beschlossen: Wir
ollen die Zahl derjenigen, die von Hunger betroffen

ind, von 900 Millionen auf 450 Millionen zurückführen.
enn Sie dieser Tage aktuelle Berichte lesen, dann stel-
n Sie fest, dass es mittlerweile 1 Milliarde Menschen

ind. Es gibt heute also mehr Betroffene als damals. Wir
aben, was die Erreichung dieses Ziels betrifft, keinen
chritt nach vorn gemacht. Wir haben nichts erreicht.
uch das muss man erwähnen; man sollte nicht einfach
ur ablesen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin der
uffassung, dass Entwicklungspolitik nicht nur nach
em Motto „Viel Geld, viel Ehr’ und viel Fortschritt“
nktioniert,


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das hat hier doch keiner gesagt!)


ondern dass man sich bei allem Rosarot auch ein wenig
it den Inhalten beschäftigen muss.


(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Sie haben es nicht verstanden!)


m Rupert Neudeck zu zitieren:

Die Dürrekatastrophen sind ja keine biblischen Pla-
gen. Man kann sie bewältigen.


(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Ja, super! Wie denn?)


as muss man angehen.

Ich will ein aktuelles Beispiel nennen. Die Israelis ha-
en in Kenia von 1995 bis 2000 genau das gemacht, was





Helmut Heiderich


(A) )


)(B)

man heute bräuchte: Sie haben in einem Trockengebiet
eine Musterfarm mit einer Größe von 5 000 Hektar auf-
gebaut. Dort haben sie mit modernsten Methoden und
mit eigens gezüchtetem Saatgut versucht, den Dürren,
die es zeitweise gab, zu begegnen und die Ernährungssi-
cherung zu gewährleisten. Sie haben das Projekt im
Jahre 2000 der Universität von Nairobi übergeben. Ein
halbes Jahr später war die Vorzeigefarm zugrunde ge-
wirtschaftet. Alles, was beweglich war, war verschwun-
den und in Privateigentum überführt.


(Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Was Sie da wieder erzählen! Das ist doch absurd!)


Ganz aktuell – deswegen habe ich dieses Beispiel ge-
wählt – ist die Regierung von Kenia dabei, dieses Vorha-
ben wiederzubeleben und mit neuen Investitionen genau
das zu machen, was damals leider schiefgegangen ist.

Ein Mitarbeiter der Caritas in Uganda hat geschrie-
ben: Das Land ist fruchtbar, aber es fehlt eine Strategie.
Es fehlt die Investition in eine leistungsfähige Landwirt-
schaft. – Einige von uns haben gehört, was der Präsident
des IFAD vor zwei Tagen im Ausschuss gesagt hat. Er
hat deutlich gemacht: Wir – nicht nur wir, die Deut-
schen, sondern wir als Industriegesellschaft – haben an
dieser Stelle in den letzten Jahren gemeinsam versagt.
Wir müssen mehr in die Kleinbauern, die weltweit etwa
70 Prozent der Landwirte ausmachen, investieren. Aber
diese Investitionen sind nicht im Sinne der Lebenserhal-
tung oder in Richtung Subsistenzlandwirtschaft zu täti-
gen. Vielmehr müssen wir den Kleinbauern ermögli-
chen, für den Markt produktiv zu werden. Wir müssen
ihnen die Möglichkeit verschaffen, dass sie ihre eigenen
Produkte verkaufen können, dass sie Geld verdienen
können, dass Entwicklung im ländlichen Raum und Ar-
beitsplätze entstehen, sodass wir auf diesem Weg aus
dem Dilemma herauskommen, in dem wir noch immer
stecken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt eine Vielfalt von Argumenten. Aber ob Sie
beim Committee for World Food Security nachfragen,
ob Sie die Ergebnisse der L’Aquila-Konferenz zitieren
oder ob Sie die FAO fragen – überall wird dasselbe Ar-
gument angeführt: Wir haben diesen Bereich über Jahr-
zehnte hinweg sträflich vernachlässigt, und wir müssen
hier dringend einen anderen Weg einschlagen, und zwar
einen Weg nach vorne. Deshalb ist es richtig – das sage
ich noch einmal ausdrücklich in Bezug auf die Debatte
über die Bundesregierung und Herrn Niebel –, dass die
Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag einen Kurs-
wechsel eingeleitet hat, um das Thema „Ländliche Ent-
wicklung“ wieder zu einer Priorität der Politik zu ma-
chen.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Haben wir schon gemacht!)


Ich hoffe, dass Sie alle dies unterstützen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Argumenten
sagen. Es geht um die Frage, wie wir verfahren sollen.

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(C (D h bin der Auffassung, wir sollten dem alten römischen rinzip „Do ut des“ wieder etwas mehr Stellenwert beiessen. Was meine ich damit? Wir sollten vor allem dort rojekte durchführen und investieren, wo wir nachprüfare Verbesserungen für die Bevölkerung erwarten könen. Das heißt aus meiner Sicht eben gerade nicht, dass ir große Beträge bereitstellen nach dem Motto „Ihr erdet das schon richtig machen“, sondern dass wir mit en Partnern vorher vereinbaren, was wir Schritt für chritt erreichen wollen, (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das haben wir gemacht!)


ass wir die einzelnen Schritte überprüfen und dass wir
ort, wo wir erfolgreich sind, diese Schritte fortsetzen,
ber dort, wo wir nicht erfolgreich sind, prüfen, warum
ir nicht erfolgreich waren und ob wir einen anderen
eg gehen können. Das heißt aber auch, Frau
ieczorek-Zeul, dass wir, wenn wir zu keinem gemein-

amen Ergebnis kommen, sagen müssen: Hier müssen
ir unsere Beteiligung beenden.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das haben wir schon gemacht!)


ir müssen in diesem Hause dann auch den Mut haben,
ies gemeinsam zu vertreten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713103700

Herr Kollege!


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1713103800

Meine Redezeit ist beendet.

Ich glaube, wir bewegen uns auch in der Entwick-
ngspolitik auf eine Neuausrichtung zu. Wir sollten

ach den vergangenen 50 Jahren die Gelegenheit nutzen,
ie Neuausrichtung für die nächsten zehn Jahre einzulei-
n. Ich hoffe hierbei auch auf Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713103900

Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist

ie Kollegin Sabine Weiss für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1713104000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel ist heute und
ier über die Geschichte der Entwicklungszusammenar-
eit, über Geld und über Effizienz gesprochen worden.
as sind sicherlich wichtige Themen, über die wir dis-
utieren müssen. Ich aber möchte die Gelegenheit, dass
ir uns in einer Kernzeitdebatte befinden, nutzen, um
ie Entwicklungszusammenarbeit von abstrakten Begrif-
n wie multi- oder bilateral herunterzubrechen auf die
eschichte eines Lebens. Ich möchte von dem kurzen
eben von Emanuel erzählen.





Sabine Weiss (Wesel I)



(A) )


)(B)

Emanuel wurde am 7. August 2011 mit einer Lippen-
Kiefer-Gaumenspalte geboren, sodass er nicht richtig
Nahrung aufnehmen konnte. Emanuels Pech war, dass er
mit dieser Behinderung nicht in Deutschland geboren
wurde, sondern in einem philippinischen Dorf am Rande
des Dschungels. So hat Emanuel auch nur bis zum
12. September 2011 gelebt. In Deutschland wäre Ema-
nuel aufgrund der medizinischen Möglichkeiten noch
am Leben.

Jeden Tag – das wissen wir Entwicklungspolitiker –
sterben 21 000 Kinder an vermeidbaren oder behandel-
baren Krankheiten, zum Beispiel an Durchfall oder Lun-
genentzündung. Das sind immerhin mehr als 7,5 Millio-
nen Kinder im Jahr. Viele sterben, weil sie eben nicht in
München oder Düsseldorf, sondern in Mogadischu oder
Addis Abeba geboren wurden.

Ich habe Emanuel persönlich kennengelernt. Damit
hat das ansonsten häufig namenlose Leiden von millio-
nenfach vermeidbarem Sterben für mich plötzlich ein
konkretes Gesicht und einen Namen bekommen. Wir
alle sind uns einig: Es ist ein Skandal, dass sich der ver-
meidbare und millionenfache Tod von Kindern und Er-
wachsenen in den armen Ländern jeden Tag still und
leise vollzieht, ohne dass es hier zu einem Aufschrei der
Empörung kommt. Daher möchte ich an dieser Stelle
ausnahmsweise nicht nur um mehr Geld für die Entwick-
lungszusammenarbeit werben, sondern auch um mehr
Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es reicht eben nicht, wenn wir höchstens einmal vor ho-
hen Feiertagen oder aktuell bei großen Katastrophen an
die Armen dieser Welt und ihr Leid denken und dann
einfach wieder zur Tagesordnung übergehen; denn so
werden wir den Menschen nicht gerecht. Daher mein
Appell heute an Sie und auch an die Zuschauer draußen:
Helfen Sie mit, denen, die wenig Stimme besitzen und
deren Leiden sich still und leise vollzieht, Gehör zu ver-
schaffen. Es braucht viel mehr Aufmerksamkeit und Be-
wusstsein dafür, zu erkennen, dass es in vielen Teilen
dieser Erde um die Lebensbedingungen vieler Menschen
nicht gut bestellt ist.

Das Parlament ist immer ein Spiegel der Gesellschaft.
Öffentliches Bewusstsein und Empörung erhöhen auch
den Handlungsdruck auf uns Politiker. Das ist dann so-
zusagen der Rückenwind aus der Bevölkerung für uns
Entwicklungspolitiker, damit neben all den anderen
wichtigen Themen auch die Themen der Entwicklungs-
politik den Stellenwert erhalten, den sie angesichts der
massiven Herausforderungen auch verdienen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Aufmerksamkeit ist die eine Seite der Medaille, mehr
Geld ist die andere. Ja, wir brauchen mehr Koordination
zwischen Geberländern und den NGOs. Wir brauchen
mehr Effizienz, aber wir brauchen eben auch mehr Geld.

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(C (D (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: So ist es!)


ber unser Haushalt für wirtschaftliche Zusammenarbeit
nd Entwicklung ist mit 6,33 Milliarden Euro im Ent-
urf – das können wir nicht übersehen – wieder einmal

in Rekordhaushalt.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Er stagniert!)


or dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage,
der wir uns befinden, der Euro-Krise und der Schul-

enbremse ist das zunächst ein Erfolg. Ich bin sicher, die
eisten Kolleginnen und Kollegen würden liebend

erne noch mehr Geld für die Entwicklungszusammen-
rbeit geben.


(Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Herr Raabe, lassen Sie mich einfach meinen Gedanken
eiterführen; dadurch wird Ihre Frage wahrscheinlich
eantwortet werden.

365 Abgeordnete, also mehr als die Hälfte, haben den
ntwicklungspolitischen Konsens unterschrieben, und
as sicherlich nicht leichtfertig, sondern aus Überzeu-
ung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


ir alle wissen, dass derzeit nicht die Zeit der anwach-
enden Haushalte ist.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Muss es aber sein!)


ass der Entwurf für den Entwicklungsetat zunächst
ieder – im Gegensatz zu fast allen anderen Bereichen –

ine Steigerung vorsieht, zeigt doch, welchen Stellen-
ert die erfolgreiche deutsche Zusammenarbeit genießt.

Wir haben in den letzten 50 Jahren viel erreicht. Den-
och wünscht sich mein entwicklungspolitisches Herz,
nserem Versprechen schnell und fühlbar näher zu kom-
en


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)


nd es vielleicht im Jahr 2015 tatsächlich zu erfüllen. Ich
eiß, es ist nie genug Geld für alles Erstrebenswerte und
otwendige da; aber Geld in der Entwicklungszusam-
enarbeit trägt eben auch dazu bei, viel, viel Leid zu lin-

ern.

Mein Fazit: Ich wünsche mir eine breitere Unterstüt-
ung und noch größere finanzielle Anstrengungen, um
ll die unglaublichen Ungerechtigkeiten noch tatkräfti-
er und entschlossener an der Wurzel packen zu können.
esteigertes Bewusstsein erhöht den Handlungsdruck in
en Ländern weltweit und hier bei uns. Mehr Aufmerk-
amkeit erhöht die Zahl der Mitkämpfer. Empörung
hrt zu mehr Tatendrang. Von all dem brauchen wir





Sabine Weiss (Wesel I)



(A) )


)(B)

möglichst reichlich, damit der Skandal des millionen-
fach vermeidbaren Sterbens endlich ein Ende hat.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713104100

Ich schließe die Aussprache.

Beschlüsse oder Überweisungen sind dazu nicht vor-
gesehen, sodass wir gleich zum nächsten Tagesord-
nungspunkt kommen können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Altersarmut in Deutschland

– Drucksachen 17/3139, 17/6317 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind auch
für diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Das ist
offenkundig nicht umstritten und damit so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Kollegin Katrin Göring-Eckardt für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Nachdem kurz vor den Haushaltsberatungen hektisch ein
Rentendialog geschaffen worden ist, debattieren wir
heute die ausführliche Große Anfrage von Bündnis 90/
Die Grünen und die Antwort der Bundesregierung.

Unsere zweite Frage an die Bundesregierung lautet:

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Al-
tersarmut in den nächsten Jahren zu einem Problem
wird bzw. ein Problem bleibt?

Darauf antwortet die Bundesregierung:

Es gibt bisher keine seriöse Studie, die die zukünf-
tige Entwicklung von Personen, deren Gesamtalters-
einkommen unterhalb der Grundsicherung liegt,
zahlenmäßig verlässlich vorhersagt.

Auf die Frage: „Hat die Bundesregierung die Absicht,
Studien … in Auftrag zu geben?“ antwortet die Bundes-
regierung:

Nein, die Bundesregierung hat nicht die Absicht,
Studien zum Thema „Entwicklung der Altersar-
mut“ in Auftrag zu geben.

Wenn dieses „Nein, die Bundesregierung hat nicht die
Absicht“ ein Nein von Walter Ulbricht wäre, könnten
wir uns Hoffnungen machen. Das ist es aber nicht. Daher
müssen wir wahrscheinlich annehmen, dass sich die
Bundesregierung mit diesem Thema überhaupt nicht be-
schäftigen will.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt genügend Leute, die zu diesem Thema forschen!)


Diese Art von Vogel-Strauß-Politik ist gefährlich. Sie
noriert nicht nur, dass mittlerweile jeder achte Rentner,
de achte Rentnerin in Deutschland armutsgefährdet ist;
or allem verstreicht wertvolle Zeit, die wir bräuchten,
m dem Problem zu begegnen und entsprechend vorzu-
eugen. Wer das heute ignoriert, der agiert gegen den ge-
unden Menschenverstand und gleichzeitig bewusst ge-
en die Realität, frei nach dem Motto: Die alten Armen
erden schon nicht auf die Straße gehen. – Frau von der
eyen, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Altersar-
ut bekämpft man nicht mit Minimallösungen im Ren-
nsystem, die nicht einmal mit dem Finanzminister ab-
estimmt sind, und auch nicht mit ein paar Interviews
nd in Talkshows.

Armut im Alter ist deswegen besonders schwerwie-
end, weil sich die Armen im Alter nicht mehr aus dieser
ituation befreien, die Armut nicht aus eigener Kraft
berwinden können. Wer im Alter arm ist, wird es ver-
utlich bis zum Lebensende bleiben. Das war übrigens

iner der Gründe für die Einführung der Riester-Rente,
ie gerade bei Beziehern kleiner und mittlerer Einkom-
en Wirkung zeigt. Aber das reicht eben nicht aus.

Natürlich ist Altersarmut in erster Linie auf einen Man-
el an Einkommen zurückzuführen. Aber diese eindimen-
ionale Betrachtungsweise, die auch in der Handlungs-
eise der Bundesregierung zum Ausdruck kommt,
noriert die vielfältigen zusätzlichen Benachteiligungen

er Alten. Die Folgen sind häufig Vereinsamung, schlechte
ohnsituation, mangelhafte medizinische Versorgung,
eschränkung bei Ernährung, Kleidung und Mobilität,
lso dem Aktionsradius. Inzwischen wissen wir aus Stu-
ien: Es gibt die gefühlte und wohl auch reale Machtlo-
igkeit, die eigene Situation zu verändern, Rechte durch-
usetzen, auch politisch einzufordern, und nicht zuletzt
as Gefühl, Bürgerin oder Bürger zweiter Klasse zu sein.
lte, die sich gar nicht mehr trauen, ihre Ansprüche gel-
nd zu machen, sie laut auszusprechen, befinden sich in
er Situation der verdeckten Armut. Das ist ein zusätzli-
her Skandal; das ist Folge einer solchen Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die OECD hat bescheinigt: Deutschland gehört inter-
ational zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung
on Geringverdienern.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Traurig! Traurig!)


ür 6,5 Millionen Menschen aus dem Niedriglohnbereich
t die Altersarmut schon heute vorprogrammiert. Unter
iesen 6,5 Millionen Menschen sind vor allem Frauen;
enn 69 Prozent der Niedriglöhner sind Frauen.

Herbert Rische, der Präsident der Deutschen Renten-
ersicherung, stellte diese Woche fest:

Klar ist: Wenn jemand sein Leben lang zu geringen
Löhnen arbeitet, wird er vermutlich auch im Alter
keine auskömmliche Rente haben.





Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

So weit, so klar. Er macht aber zusätzlich darauf auf-
merksam:

Zu den Risikogruppen gehören auch Minijobber
und Selbstständige, die nicht vorsorgen.

Ich füge hinzu: die nicht vorsorgen können.

Die Bundesregierung hat keine Idee, wie man bei den
Selbstständigen vorbeugen könnte. Ein Mindestlohn
reicht als Vorsorge natürlich nicht aus, aber er wäre zu-
mindest ein nicht unwesentlicher Schritt.

Es gibt aber vor allem keine Lösungsvorschläge für
die von Altersarmut bedrohten Langzeitarbeitslosen.
Das erste Sparpaket der Bundesregierung hat die Mög-
lichkeit genommen, Rentenanwartschaften aufzubauen.
Jetzt nimmt die Bundesregierung in der aktiven Arbeits-
marktpolitik für die Langzeitarbeitslosen erneut drasti-
sche Kürzungen vor: 7,8 Milliarden Euro sollen bei den
Langzeitarbeitslosen gespart werden. Das hat nicht nur
aktuell Auswirkungen, die schon drastisch genug sind,
sondern es hat auch Auswirkungen, wenn die betroffe-
nen Menschen ins Rentenalter kommen und dann von
Armut bedroht sind.

Dass die Bundesregierung zu den verschiedenen
Gruppen, von denen wir heute schon wissen, dass sie be-
sonders betroffen sein werden, keinerlei Vorschläge
macht, muss einen beunruhigen. Obwohl sie aufgrund
ihrer lebenslang schlechten Einkommenssituation vom
Risiko der Altersarmut besonders betroffen sind, kom-
men Menschen mit Behinderung in den Überlegungen
der Bundesregierung nicht vor. Ihr Anteil ist in den letz-
ten Jahren um 11 Prozent gestiegen. Es gibt auch keine
Vorschläge für Migrantinnen und Migranten. Geht die
Bundesregierung davon aus, dass sie das schon inner-
halb ihres Familienverbundes regeln werden? Auch für
die Ostdeutschen gibt es keine Vorschläge. Sie alle wer-
den von der Bundesregierung ignoriert.

Einen Lösungsvorschlag hat sie, und zwar die Mehr-
generationenhäuser. Sie sollen, was die Wohnsituation,
Vereinsamung etc. angeht, den armen Alten helfen. Man
muss aber dazusagen: 157 Mehrfamilienhäuser stehen in
diesem Herbst vor dem Aus, weil die Förderung aus-
läuft. Die einzige Lösungsmöglichkeit, die die Bundes-
regierung sieht, steht vor dem Aus. Das nenne ich Vogel-
Strauß-Politik. Das nenne ich gefährlich. Diese Politik
ist alles andere als sozial.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713104200

Das Wort erhält der Kollege Peter Weiß für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1713104300

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wer ein Leben lang gearbeitet und für das Alter vorge-
sorgt hat, der soll sich darauf verlassen können, dass er

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(C (D Alter von seiner Rente und dem, was er für das Alter orgesorgt hat, leben kann und nicht auf zusätzliche taatliche Unterstützung angewiesen ist. as ist Legitimation und Grundlage unseres deutschen entenversicherungssystems. Dass es uns gelungen ist, ltersarmut durch Rente und ein auskömmliches Alters uskommen zu vermeiden, ist die größte Erfolgsstory es deutschen Sozialversicherungssystems. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Von welchem Land reden Sie?)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nur 1,8 Prozent derer, die eine volle Rente beziehen,
üssen zurzeit staatliche Unterstützung in Form von
rundsicherung im Alter in Anspruch nehmen. Das ist

in sagenhaft niedriger Wert. Von denjenigen in unserem
and, die über 65 Jahre alt sind, müssen 2,4 Prozent
rundsicherung im Alter beantragen. Interessant ist al-
rdings: Über die Hälfte derer, die Grundsicherung im
lter beantragen, hat nie in eine Rentenversicherung

ingezahlt. Das zeigt: Rente schützt vor Altersarmut.
eswegen müssen wir die gesetzliche Rentenversiche-
ng stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Leider wird das Gegenteil gemacht!)


Frau Göring-Eckardt, Sie haben die anderen 50 Pro-
ent angesprochen, die keinen Anspruch gegenüber der
entenversicherung haben. Wir wollen gemeinsam mit
er FDP in dem Rentendialog, den die Bundesministerin
rsula von der Leyen in diesem Herbst eingeleitet hat,

uch darüber sprechen, wie wir die sogenannten Solo-
elbstständigen besser davor schützen können, dass sie
ichts für das Alter tun. Wir müssen sie in die Pflicht
ehmen, damit auch sie, die als Selbstständige ihre Al-
rsvorsorge selber planen können, das in ausreichendem
aße tun, um im Alter nicht auf Grundsicherung ange-
iesen zu sein.


(Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Herr Präsident, ich wollte eigentlich zum nächsten
unkt übergehen, aber Herr Strengmann-Kuhn hat offen-
ichtlich eine Frage zu dem bisher Gesagten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1713104400

Offenkundig scheint das Interesse an der Beantwor-

ng der Frage mindestens so ausgeprägt zu sein wie an
er Frage selbst. Dann will ich dem nicht im Wege ste-
en. – Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Die Selbstständigen und insbesondere die Soloselbst-

tändigen sind ein wichtiges Thema. Sie haben eben ge-
agt, man müsse die gesetzliche Rente stärken. Gilt das
uch für die Selbstständigen? Was meinen Sie dazu, und
as meint insbesondere Ihr Koalitionspartner dazu?





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Fragen Sie mich das nachher bitte auch!)


Wenn die gesetzliche Rente gestärkt werden soll, dann
müssten auch die Selbstständigen in die gesetzliche Ren-
tenversicherung einbezogen werden. Gibt es darüber Ei-
nigkeit zwischen CDU/CSU und FDP?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1713104500

Herr Kollege Strengmann-Kuhn, wir stehen am An-

fang des Rentendialogs.


(Elke Ferner [SPD]: Frau von der Leyen steht eher auf Monologe!)


Als Experte wissen Sie, welche Vorschläge es gibt. Als
Vorbild für alle Selbstständigen könnte die traditionell
sehr gute Lösung bei den Handwerkerinnen und Hand-
werkern dienen. Diese müssen 18 Jahre in der gesetzli-
chen Rentenversicherung bleiben, nachdem sie sich
selbstständig gemacht haben. Die entscheidende Frage
ist: Schaffen wir es, jeden dazu zu verpflichten, für das
Alter vorzusorgen? Niemand darf sich darauf verlassen,
notfalls durch die staatliche Grundsicherung aufgefangen
zu werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Abschluss
des Rentendialogs im Frühjahr kommenden Jahres ein
Lösungskonzept haben, bei dem auch die Selbstständigen
mitmachen; darauf kommt es mir an.

Obwohl die Grundaussage „Rente schützt vor Alters-
armut“ stimmt, stellen sich die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer die bange Frage: Wird das auch in Zu-
kunft so sein? – Es ist bekannt, dass das Rentenniveau
insgesamt sinkt


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!)


und dass es immer mehr Menschen gibt, die Unterbre-
chungen in ihrer Erwerbsbiografie haben, längere Pha-
sen der Arbeitslosigkeit leider erleben mussten oder über
lange Zeit im sogenannten Niedriglohnsektor beschäftigt
waren. Deshalb brauchen wir in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung einen zusätzlichen Mechanismus, der
vor Altersarmut schützt.

In rot-grüner Regierungsverantwortung sind all die
Rentenreformen beschlossen worden, die in den kom-
menden Jahren zu einer deutlichen Absenkung des Ren-
tenniveaus führen.


(Elke Ferner [SPD]: Wenn Ihnen das nicht gefällt, dann ändern Sie es doch!)


Aber eine untere Auffanglinie für Rentnerinnen und
Rentner ist von Rot-Grün nie in Erwägung gezogen und
im Gesetz verankert worden. Ich freue mich über die
Große Anfrage der Grünen. Aber sie hätten längst zur
Kenntnis nehmen können, dass es diese Koalition aus
CDU/CSU und FDP ist, die in ihre Koalitionsvereinba-
rung klar hineingeschrieben hat: Wir wollen eine zusätz-
liche Sicherung,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie aber nicht!)


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(C (D ie dazu führt, dass derjenige, der ein Leben lang Volleit gearbeitet und vorgesorgt hat, ein Alterseinkommen berhalb der Grundsicherung erhält und nicht der Gefahr on Altersarmut ausgesetzt ist. Das ist eines der großen eformvorhaben dieser Koalition, das wir aktuell angeen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bedanke mich bei Frau Bundesministerin Ursula
on der Leyen, dass sie den Rentendialog mit einem kon-
reten Vorschlag eingeleitet hat; über diesen haben wir
u diskutieren. Ihr Vorschlag sieht vor, dass derjenige,
er sich keine auskömmliche Rente in seinem Leben er-
rbeiten konnte, ab dem Jahr 2013 eine Zuschussrente
eantragen kann, die eine monatliche Rentenzahlung in
öhe von 850 Euro garantiert.

Es zeigt sich wieder einmal: Während sich die Oppo-
ition noch mit dem Was und dem Wie befasst und bean-
agt, dass die Bundesregierung zusätzliche Untersu-
hungen in Auftrag geben soll, sind wir als Koalition
ereits einen Schritt weiter und legen konkrete Vor-
chläge auf den Tisch,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Vorschlag ist viel älter! – Elke Ferner [SPD]: Welche Drucksachennummer ist das noch mal?)


us denen hervorgeht, wie in Zukunft zusätzlicher
chutz vor Altersarmut geschaffen werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin mir sicher, dass wir über einzelne Rahmenbe-
ingungen der Vorschläge von Frau Bundesministerin
rsula von der Leyen im Rentendialog offen diskutieren
erden. Sicherlich sind Alternativen denkbar. Eine Al-
rnative ist allerdings für mich nicht denkbar. In der öf-
ntlichen Diskussion wird immer wieder die Forderung

rhoben, auch denjenigen, die weniger als 30 Beitrags-
hre vorweisen können, eine Grundrente zu garantieren.

Wer alle Unterschiede im Rentenversicherungssystem
inebnet und gleiche Rente für alle fordert, ob sie gear-
eitet oder nicht gearbeitet haben, ob sie einbezahlt oder
icht einbezahlt haben, der festigt nicht das System der
esetzlichen Rentenversicherung, sondern er zerstört es
Wahrheit. Deswegen werden wir das nicht mitma-

hen.


(Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


enn die Rente nichts mehr mit Arbeits- und Beitrags-
istung zu tun hat, dann wird einerseits das Arbeiten

ntwertet – der Wert der Arbeit wird nicht gestärkt, son-
ern sie wird entwertet –, andererseits ist die Rente keine
nerkennung mehr für die Lebensleistung. Warum soll

ich jemand ein Leben lang anstrengen, wenn im Alter
lle gleichbehandelt werden? Der Vorschlag von Frau
on der Leyen hat den großen Charme, dass damit zu
echt diejenigen, die gearbeitet und sich bei der eigenen
lterssicherung angestrengt haben, aber trotzdem nur
eringe Ansprüche erworben haben, für die lebenslange





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

Arbeitsleistung und Vorsorgeleistung wirklich belohnt
werden. Darauf kommt es an.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wer leider nie arbeiten konnte, für den hat die Ren-
tenversicherung heute nichts bereit, und sie wird auch in
Zukunft nichts auszahlen können, weil keine Beiträge
geflossen sind. Aber dafür gibt es die staatliche Grund-
sicherung. Frau Kollegin Göring-Eckardt hat die Ar-
beitslosengeld-II-Bezieher angesprochen.


(Elke Ferner [SPD]: In dem jetzigen Modell sind die gar nicht drin!)


In dem Modell, das jetzt vorgelegt worden ist, ist es da-
durch, dass Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II
Anrechnungszeiten in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung sind, auch für die, die langzeitarbeitslos waren,
möglich, die 850-Euro-Rente zu bekommen.


(Elke Ferner [SPD]: Was ist mit denen, die keines haben?)


Das ist deutlich mehr als der Betrag, den der Staat früher
für eine Altersrente ausgezahlt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Auch die Debatte über Mindestlöhne – Frau Göring-
Eckardt, ich danke Ihnen, dass Sie darauf hingewiesen
haben – hilft uns in diesem Zusammenhang nicht. Selbst
ein Mindestlohn von mehr als 9 Euro würde nicht zu ei-
ner Rente von 850 Euro führen. Das zeigt: Man muss
zwar die Mindestlohndebatte führen, sie ist aber nicht
dazu geeignet, im Zusammenhang mit dem auskömmli-
chen Alterseinkommen weiterzuhelfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein ganz besonderes Augenmerk sollte den Erwerbs-
minderungsrentnern gelten, weil mittlerweile 9 Prozent
dieser Personengruppe ergänzend auf Grundsicherung
– sprich: staatliche Hilfe – angewiesen sind. Deswegen
ist es richtig, dass Frau von der Leyen vorschlägt, die so-
genannte Hinzurechnungszeit um zwei Jahre zu verlän-
gern, was insgesamt zu höheren Ansprüchen von Er-
werbsminderungsrentnern führen wird. Sicherlich
werden wir im Rentendialog auch über weitere Maßnah-
men diskutieren.

Es geht bei der Debatte über Altersarmut und im Ren-
tendialog in der Tat um Grundsätzliches. Bleibt die
Rente Anerkennung für Lebensleistung, oder werden
alle unabhängig von ihrer Arbeitsleistung gleichgestellt?
Der Sozialstaat, auf den wir stolz sind, wird nicht sozia-
ler, sondern unsozial, wenn immer mehr Menschen
unabhängig von ihrer eigenen Leistungsfähigkeit zu
staatlichen Fürsorgeempfängern gemacht werden. Der
Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme bleiben
dann sozial und finanzierbar, wenn sie die Leistungsfä-
higkeit und Leistungsbereitschaft des Einzelnen fördern
und erhalten. Darum geht es uns.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Frak on. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wenn wir heute über Altersarmut in Deutschnd reden, ist der Anlass sicherlich die Antwort der undesregierung auf eine Große Anfrage der Grünen; ber das eigentliche Thema – da sind wir uns sicherlich inig – ist natürlich der Regierungsdialog Rente, der von er Bundesregierung jetzt gestartet worden ist. Herr Weiß, wir haben von Ihnen viele blumige Vorchläge gehört, aber konkrete Antworten konnten Sie ns leider nicht geben. Die ersten Vorschläge aus dem aus der Bundesministerin lassen vielmehr vermuten, ass die zuständige Bundesministerin von der Leyen die ntwort ihres Hauses auf die Große Anfrage gar nicht ennt. Würde sie sie kennen, würde sie sicherlich andere orschläge unterbreiten. Wenn wir uns jetzt einmal anschauen, was in der Antort auf die Große Anfrage herausgestellt wird, dann uss man feststellen, dass das im Großen und Ganzen ekannt ist. Wir wissen, es gibt vier zentrale Risiken, die u Altersarmut führen. Das ist einerseits die Niedrighnbeschäftigung. Das sind andererseits lange Phasen er Arbeitslosigkeit. Das ist des Weiteren die Erwerbsnfähigkeit, die Erwerbsminderung, und das ist die fehnde Absicherung bei Selbstständigen. Wenn wir uns as noch genauer anschauen, dann sehen wir, dass die rsten beiden Kriterien sehr viel mit dem Arbeitsmarkt u tun haben. Damit ist der logische Ansatzpunkt, um ltersarmut zu bekämpfen, der Arbeitsmarkt. Niedriglohnbeschäftigung kann ich dadurch verhinern oder reduzieren, wenn ich in der Bundesrepublik eutschland endlich die dringend geforderten Mindesthne einführe. as wir in der Bundesrepublik Deutschland brauchen, t ein allgemeiner, genereller Mindestlohn. Aber nicht inmal beim Thema Leiharbeit ist die Bundesregierung onsequent. Wir haben die Situation, dass der Mindesthn in der Leiharbeit zwar seit langem angekündigt ist. ber bis heute existiert hierzu keine Regelung in ab chließender Form, die tatsächlich weiter geht. Wenn die undesministerin sagt, sie hoffe, dass über kurz oder ng ein Mindestlohn in allen Branchen existiere, dann ann ich die von-der-Leyen’sche Terminologie nur als rohung verstehen. Übersetzt heißt das nämlich letztch: Über kurz oder lang wird nichts erfolgen. Das anze heißt: in weiter Ferne, konkret: am Sankt-Nimerleins-Tag. Ich komme zum zweiten Thema, nämlich der Sicheng des Lebensunterhalts von Langzeitarbeitslosen. uch das ist ein Thema, das sehr eng mit dem Arbeitsarkt zusammenhängt. Es wäre logisch, etwas gegen Anette Kramme )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713104600

(Beifall bei der SPD)

Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1713104700

(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)





(A) )

Langzeitarbeitslosigkeit zu tun. Aber wenn wir uns hier
die konkrete Politik der Bundesregierung anschauen,
dann stellen wir fest, dass auch da nichts passiert. Einer-
seits geschieht im Rentenversicherungssystem nichts.
Da haben wir vielmehr die Situation, dass die Beiträge
zur Rentenversicherung für SGB-II-Empfänger abge-
schafft worden sind. Wir haben andererseits die Situa-
tion, dass die gesamte Arbeitsmarktpolitik für Langzeit-
arbeitslose kaputtgemacht worden ist. In den nächsten
Jahren werden im Zusammenhang mit der Arbeitsmarkt-
politik 26,5 Milliarden Euro eingespart. Wir haben den
Sachverhalt, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abge-
schafft werden und dass der Beschäftigungszuschuss
schon in der Vergangenheit niedergemacht worden ist.
Statt Arbeitsgelegenheiten in intensiverer Weise zu nut-
zen, passiert auch hier das Gegenteil. Integrationsfirmen
beispielsweise würden vielen Langzeitarbeitslosen hel-
fen. Aber von diesen konkreten innovativen Vorschlägen
ist in der Arbeitsmarktpolitik nichts zu hören.


(Beifall bei der SPD)


Dass die SPD gegen prekäre Beschäftigung etwas
macht, haben wir demonstriert. Wir haben zahlreiche
Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht. Zuletzt
am gestrigen Tag haben wir über die Streichung der
sachgrundlosen Befristung geredet. Wir haben Gesetz-
entwürfe zum Mindestlohn und auch zur Leiharbeit ein-
gebracht. Auch werden wir noch Gesetzentwürfe zu der
erzwungenen Teilzeitarbeit vorlegen. Dies ist in der gan-
zen Debatte ebenfalls ein wichtiges Thema.

Wir wissen natürlich, dass wir rentenrechtlich an die
Thematik herangehen müssen. Deshalb wollen wir ei-
nerseits bei Langzeitarbeitslosigkeit Anrechnungszeiten
mit Durchschnittswerten schaffen, die eine verbesserte
Situation für Langzeitarbeitslose bieten. Andererseits
wollen wir die Rente nach Mindesteinkommen.

Meine Damen und Herren der Koalition, da Ihre
Ministerin es bislang nicht für nötig hielt, die Bundes-
tagsfraktionen zum Regierungsdialog einzuladen, könn-
ten Sie vielleicht zumindest noch den CDU-Fraktions-
vorsitzenden in NRW, Karl-Josef Laumann, und die
bayerische Sozialministerin Haderthauer einladen. Beide
könnten Ihnen unseren Ansatz nicht nur erklären, son-
dern auch anpreisen. Sie unterstützen ihn nämlich.

Nun zum dritten Risikofaktor: Dass Erwerbsminde-
rung immer häufiger zu Altersarmut führt, ist mittler-
weile unumstritten. Umstritten ist der Lösungsvorschlag
von Schwarz-Gelb. Statt grundlegend etwas am Problem
zu ändern, soll die Zurechnungszeit um zwei Jahre ver-
längert werden, aber nur parallel zur Anhebung der Re-
gelaltersgrenze, also pro Jahr ein Monat.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weiße Salbe!)


Das ist sehr dünn.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben doch gar nichts gemacht, als Ihr Minister damals die Regelaltersgrenze hochgesetzt hat! Was war denn Ihr Vorschlag? – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Das w li S F m n ru W h s s d h s e s h fa W g s v Z ri D M v s w o u n Z R d m fl E w s a v (C (D wollte doch die CDU nicht! Ihr Koalitionspartner wollte das nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben doch den Minister gestellt!)


Ich komme zum letzten Grund, warum nach dem Er-
erbsleben das Risiko von Altersarmut hoch ist, näm-
ch zur fehlenden obligatorischen Absicherung von
elbstständigen. Wir erfahren aus der Antwort auf
rage 25, dass bei älteren Soloselbstständigen das Ar-
utsrisiko mit 27 Prozent am höchsten ist – viel höher

och als bei Arbeitslosen. Vorschläge der Bundesregie-
ng hierzu: Fehlanzeige. Es gibt nur einige blumige
orte von Herrn Weiß. Sehen Sie denn nicht, was Sie

ier tun müssen? Die einzige vernehmbare Lösung
tammt im Übrigen von der FDP. Selbstständige sollen
ich verpflichtend privat absichern. Das heißt aber nur,
ass sie eine Lebensversicherung oder etwas Ähnliches
aben müssen. Das ist aber eben keine echte Rentenver-
icherung. Das sind wieder einmal Sonderrechte für die
igene Klientel. Die SPD will eine Erwerbstätigenver-
icherung, eine moderne Sozialversicherung, die unab-
ängig von der Art der Arbeit alle Erwerbstätigen um-
sst, damit Übergänge einfacher möglich sind.

Noch eine kurze Bemerkung zum Regierungsdialog.
enn man sich anschaut, was in dem Wolkigen und Un-

efähren der Ministerin zum Vorschein kommt, dann
tellt man fest: Es ist das Festschreiben eines konservati-
en Frauen- und Familienbildes. Was ist geplant? Eine
uschussrente, die bedeutet, dass sie aktuell den langjäh-
g tätigen Vollzeitbeschäftigten überhaupt nichts nutzt.
en maximalen Vorteil haben diejenigen, die einen
inijob ausüben, auf die Sozialversicherungsfreiheit

erzichten und für fünf Jahre einen Riester-Vertrag ab-
chließen. Wir müssen uns aber überlegen, welche Aus-
irkungen das für Menschen hat, die eine Rente knapp
berhalb der Grundsicherung beziehen. Wenn man das
mrechnet, bedeutet dies, dass ein Durchschnittsverdie-
er knapp 35 Jahre Beiträge entrichten muss, um diesen
uschuss zu erhalten. Viele Menschen werden sich zu
echt fragen, warum sie sich krummlegen sollen, wenn
er Rest ihnen vom Staat geschenkt wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713104800

Liebe Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom-

en.


Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1713104900

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Arbeitnehmer-

ügel der CDU/CSU, ich glaube nicht, dass Sie diese
ntwicklung wollen. Sie ergibt sich aber zwangsläufig,
enn die Rentenpolitik nicht mehr auf die Mitte der Ge-

ellschaft ausgerichtet ist. In diesem Sinne appelliere ich
n Sie: Machen Sie sich in Ihrer Fraktion bemerkbar und
erhindern Sie solche Regelungen!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])







(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713105000

Das Wort hat nun Heinrich Kolb für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1713105100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Kramme, bei Ihrer Rede fällt mir spontan
Wilhelm Busch ein: „Wer durch des Argwohns Brille
schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut.“


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich will hier einmal sehr deutlich sagen: Über das
Thema Altersarmut diskutieren wir nicht erst seit heute,
es ist nicht erst seit heute auf der Agenda. Mit Ausnahme
der Linken haben alle Parteien im Deutschen Bundestag
schon einmal Verantwortung getragen, seitdem über die-
ses Thema diskutiert wird.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Regierungsverantwortung! Verantwortung tragen wir auch!)


Deswegen nutzt es nichts, Frau Kollegin Göring-
Eckardt, hier zu behaupten, es gebe keine Forschungs-
aufträge der Bundesregierung. Das mag zwar sein, aber
es ist nicht so, dass zu diesem Thema nicht geforscht
würde. Nehmen Sie die DIW-Armutsstudie, an der Herr
Grabka mitgearbeitet hat.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Regierung sagt, es gibt nichts!)


– Die Regierung erteilt zwar keine Aufträge, aber es
wird doch auf diesem Gebiet geforscht. In der wissen-
schaftlichen Landschaft besteht großes Interesse an die-
ser Frage. Wer will, kann auch sehen. Das will ich hier
sehr deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal Frau von der Leyen!)


Da hier ein Mangel an Konzepten beklagt wird, muss
ich sagen: Die FDP-Bundestagsfraktion hat in der letzten
Legislaturperiode bereits umfassende Antworten vorge-
legt, übrigens nicht nur den einen Antrag, der jetzt hier
in Rede stand. Wir haben gesagt, wie die Bekämpfung
der Altersarmut zielgruppengerecht und nach der Betrof-
fenheit erfolgen kann. Wir haben das sehr sauber durch-
dekliniert. Ich empfehle Ihnen, das einmal nachzulesen.

Es ist hier zu Recht gesagt worden: Im Alter ist es für
eigene Anstrengungen zu spät. – Ich unterstreiche das.
Deswegen geht die FDP-Bundestagsfraktion von einem
präventiven Ansatz aus. Wenn wir nachsorgend kompen-
sieren wollen, dann muss der Staat mit Steuermitteln ran.
Wir müssen die Menschen ermuntern, mit eigener priva-
ter oder betrieblicher Vorsorge


(Widerspruch bei der LINKEN)


für ein ausreichendes Gesamtalterseinkommen zu sor-
gen. – Da schüttelt die Kollegin Ferner den Kopf.

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(C (D as war denn die Politik Ihrer Bundesregierung? Herr iester hat einen Gesetzentwurf eingebracht und verab chieden lassen, in dem eine deutliche Absenkung des ersorgungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicheng vorgesehen war. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Leider! Leider!)


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


r hat gesagt, das sei deswegen vertretbar, weil gleich-
eitig für private und betriebliche Altersversorgung ver-
tärkt geworben werde. Die Einführung der Riester-
ente war doch die Reaktion Ihrer Partei darauf. Es ist

icherlich nur recht und billig, darauf hinzuweisen, dass
s darum geht, alle drei Säulen zu stärken: die gesetzli-
he Rente – ich sehe sie unverändert als die wichtigste
äule an; das will ich hier gar nicht bestreiten –, aber
uch die private und die betriebliche Rente.

Das, was die Bundesregierung jetzt in den Dialog ein-
ebracht hat, sind Ansätze, die zielführend sind. Ich will
ier zur Frage der Selbstständigkeit deutlich Stellung be-
iehen: Die Selbstständigen sind eine der Gruppen, bei
enen wirklich Handlungsbedarf besteht. Ja, wir sind der
einung: Es braucht keine Pflichtversicherung, sondern

s genügt eine Versicherungspflicht. Jeder Selbststän-
ige muss in jedem Jahr seiner Erwerbstätigkeit einen
eitrag zu seiner Altersvorsorge leisten, mit dem Ergeb-
is, im Alter ein Versorgungsniveau oberhalb der Grund-
icherung, zumindest oberhalb der Armutsgrenze zu er-
ichen.


(Elke Ferner [SPD]: Mit oder ohne Risikoprüfung?)


Das hängt davon ab, wo eine Versicherung abgeschlos-
en wird.


(Elke Ferner [SPD]: Die Schlechten ins Kröpfchen und die Guten in die Rentenversicherung!)


ie haben vorhin gesagt: Da sind private Lebensversi-
herungen vollkommen fehl am Platz. Das kann durch-
us auch in der gesetzlichen Rentenversicherung erfol-
en, in die Selbstständige freiwillig Beiträge einzahlen
önnen.

Herr Strengmann-Kuhn hat leider nicht gefragt, ob es
ine Stärkung oder eine Schwächung der gesetzlichen
entenversicherung nach sich ziehen würde, wenn man
ie Selbstständigen einbeziehen würde. Ich warne da
irklich vor einfachen Antworten. Wenn Sie sich das

inmal im Detail anschauen, Herr Kollege Strengmann-
uhn – ich schätze, Sie haben das schon getan –, dann

ehen Sie natürlich, dass zum Beispiel Beiträge in der
flichtversicherung der Handwerker – sie müssen
8 Jahre lang einzahlen – verpflichtend nur im Verhält-
is zu einem durchschnittlichen Verdienst zu entrichten
ind; man kann freiwillig mehr zahlen. Wenn Sie das än-
ern wollen, nach dem Motto „Alle Selbstständigen in
ie Rentenversicherung“, wobei sich die Beitragshöhen
n der Pflichtversicherung der Handwerker ausrichten
ollen, dann stellt sich für die vielen anderen Versicher-
n die Frage: Warum müssen wir eigentlich verpflich-





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

tend bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge entrich-
ten? Der Teufel steckt also im Detail. Ich warne davor,
allzu früh „halleluja!“ zu rufen.

Mindestlöhne sind definitiv keine Lösung.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist mir klar! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe!)


– Frau Ferner, Sie kennen doch die Rentenformel. Man
kommt zu diesem Ergebnis, wenn man die entsprechen-
den Werte in die Rentenformel einsetzt. Dafür muss man
kein Mathematiker sein; Adam Riese zu bemühen, reicht
völlig aus.


(Elke Ferner [SPD]: Da kann man schon sehen, wes Geistes Kind Sie sind!)


Man stellt fest: Mindestlöhne – und schon gar nicht der
allgemeine flächendeckende Mindestlohn, der nach aller
Voraussicht nicht bei 12 oder 15 Euro, sondern deutlich
darunter liegen würde – führen nicht zum Ziel.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 10 Euro wären aber ein Anfang!)


Auch ich bin dafür, dass wir Voraussetzungen für eine
gute eigene Altersvorsorge schaffen, nämlich dadurch,
dass möglichst viele Arbeitsplätze in Deutschland beste-
hen. Da sind wir, die schwarz-gelbe Bundesregierung,
sehr erfolgreich.


(Elke Ferner [SPD]: Erfolg trotz der Regierung!)


Erwerbsarbeit führt zu eigenen Altersvorsorgebeiträgen
und ist allemal besser, Frau Ferner, als wenn Menschen
arbeitslos oder gar langzeitarbeitslos sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: „Sozial ist, was Arbeit schafft!“)


Das sind erste Beiträge zu dieser Diskussion, die wir
gerne mit Ihnen führen, weil gerade die FDP-Bundes-
tagsfraktion auf dem Gebiet der Altersarmut intensiv
vorgearbeitet hat. Sie braucht keine Diskussion mit ir-
gendjemandem in diesem Hause zu scheuen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713105200

Das Wort hat nun Matthias W. Birkwald für die Frak-

tion der Linken.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713105300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Anfang September hatte die Berli-
ner B.Z. über Gerd Legler berichtet. Vorgestern ist er mir
auf meinem Weg vom Reichstagsgebäude ins Büro auch
begegnet. Gerd Legler ist 69 Jahre alt. Er ist Rentner,
und er tourt als Berlins erste mobile Pfandflaschensta-
tion mit seinem Rollstuhl jeden Tag acht Stunden durchs
Regierungsviertel, um seine Rente aufzustocken.


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(C (D (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte ich auch als Aufhänger nehmen!)


Pfandflaschen gesucht“, hat er auf ein Schild geschrie-
en. Rund 18 Euro am Tag nimmt er mit dem Sammeln
on circa 100 Pfandflaschen ein.

Gerd Legler ist studierter Maschinenbauer. Er hat
nge Jahre als Ingenieur gearbeitet und erhält dennoch
ur 760 Euro Rente. Dies reiche hinten und vorne nicht,
agt er, und seinen Kindern wolle er nicht zur Last fal-
n. Wie heißt es doch in Art. 1 des Grundgesetzes: „Die
ürde des Menschen ist unantastbar.“ Eine Rentenpoli-

k, die dafür verantwortlich ist, dass sich alte Menschen
um Wühlen in Mülleimern und Flaschencontainern ge-
ötigt sehen, verstößt gegen das Gebot der Achtung der
enschenwürde. Eine solche Politik nenne ich erbärm-

ch.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Linken wollen,
ass jede und jeder in Würde leben kann. Das muss für
lle Menschen gelten, für die, die arbeiten, und auch für
ie, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder
icht mehr arbeiten.


(Beifall bei der LINKEN)


An diesem Würdeprinzip muss sich auch eine gute
entenpolitik messen lassen. Doch vor zehn Jahren ha-
en SPD und Grüne das Rentenniveau drastisch gesenkt
nd dafür gesorgt, dass es auch in Zukunft sinken wird.
ie haben die private Riester-Rente und ungerechte Ab-
chläge bei der Erwerbsminderungsrente eingeführt und
en Niedriglohnsektor massiv ausgedehnt. Das alles war
lsch, ist falsch und bleibt eine falsche Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
agen in der Vorbemerkung zu Ihrer Großen Anfrage:

Vergangene Rentenreformen haben die Ansprüche
der Rentnerinnen und Rentner reduziert, die Real-
löhne haben sich schwach entwickelt, die Anzahl
der prekären Beschäftigungsverhältnisse und die
Spreizung der Erwerbseinkommen haben zugenom-
men.

Das ist alles wahr. Zur Wahrheit gehört aber auch,
ass Grüne und SPD mit diesem Unsinn begonnen ha-
en, CDU und SPD mit der Rente erst ab 67 die renten-
olitische Demontage und diese falsche Politik nahtlos
rtgesetzt haben und Schwarz-Gelb diesen Weg unbe-
rt weitergeht.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Folge: Die Rente sichert den einmal erreichten
ebensstandard schon längst nicht mehr. Und: Die Rente
chützt nicht einmal mehr vor Altersarmut. Damit wer-
en viele Alte an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
as alles war und ist politisch gewollt. Wir Linken sagen
nen: Das ist ein völlig unhaltbarer Zustand.


(Beifall bei der LINKEN)






Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

Wer heute in Rente geht, erhält eine immer niedrigere
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung – die
Herr Weiß stärken will –, als dies früher üblich war. Das
kann bis zu 100 Euro im Monat ausmachen. Aktuell er-
halten westdeutsche Neurentner nur noch 808 Euro
Rente im Durchschnitt.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das sagt gar nichts!)


Bei den Frauen zwischen Aachen und Helmstedt sind es
mickrige 494 Euro. Bei den ostdeutschen Neurentnern
sind es 785 Euro bei den Männern und nur 666 Euro bei
den Frauen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind
Renten, die deutlich unterhalb der Armutsrisikogrenze
liegen. Diese beträgt derzeit 929 Euro für Alleinste-
hende. Schauen Sie einmal auf Seite 6 der Antwort der
Bundesregierung auf die Große Anfrage. Dort finden Sie
diese Zahl, die sogar von zwei Instituten bestätigt wor-
den ist.

Meine Damen und Herren von der christlichen Partei,
da können Sie auch nachlesen, dass schon heute 15 Pro-
zent der Menschen jenseits der 65 von Armut bedroht
sind. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis, und hören
Sie endlich auf, zu behaupten, Altersarmut sei heute kein
Problem, weil nur 2,4 Prozent der älteren Menschen die
sogenannte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
minderung in Anspruch nehmen! Diese Art der Schön-
färberei ist schlicht und einfach unerhört, Herr Weiß.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Zahl 2,4 stimmt doch!)


Herr Weiß, Sie haben eben gesagt, die Rente würde
heute schon vor Altersarmut schützen. Dazu sage ich Ih-
nen jetzt einmal eine Zahl. Zwischen 2003 und 2010 ist
bei den Grundsicherungsempfängern, bei denen eine Al-
tersrente angerechnet wird, eine Steigerung von
71,7 Prozent zu verzeichnen gewesen. Das sind
113 480 Menschen mehr, bei denen die Rente nicht mehr
zum Leben reicht. So sieht es aus.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie wissen doch gar nicht, was sie sonst noch an Einkommen haben!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen feststel-
len, dass die Altersarmut wieder in der Mitte der Gesell-
schaft angekommen ist, vor allem bei den Ostdeutschen
und bei den Frauen. Im Jahr 2003, Herr Weiß, waren
knapp 260 000 Betroffene auf die Grundsicherung im
Alter angewiesen. Ende 2009 waren es schon fast
400 000.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Zwischen 2007 und 2009 ist der Anteil gesunken!)


Zwei Drittel davon sind Frauen. Zudem müssen immer
mehr Alte einen Minijob annehmen, um überhaupt ir-
gendwie über die Runden zu kommen. Schon heute ge-
hen mehr als 740 000 Menschen im Rentenalter einem
Minijob nach. Auch hier sind zwei Drittel davon Frauen.

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(C (D Die meisten machen das sicher nicht nur aus Spaß an er Freude, wie eine Sprecherin der Bundesarbeitsminisrin kürzlich behauptete. Die Bundesarbeitsministerin ehe ich da hinten sitzen. Seniorinnen und Senioren, die achts Taxi fahren, im Morgengrauen Büros putzen oder bends als Klofrau jobben, machen das nicht, weil sie ich langweilen, sondern weil die Rente schlicht nicht um Leben reicht. Meinen Sie denn ernsthaft, dass die roße Mehrheit der 108 000 Minijobberinnen und Minibber jenseits der 75 Jahre – auch diese gibt es – das um Vergnügen machen? Wer das glaubt, der glaubt uch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Etwas drastisch zusammengefasst: Ruhestand war estern, Malochen bis zum Tode droht als Schicksal. Das uss unbedingt verhindert werden. Sehr geehrte Frau von der Leyen, ich wäre Ihnen sehr ankbar, wenn Sie mir Ihr Ohr liehen. Sie haben nämlich inen „Regierungsdialog Rente“ ins Leben gerufen, och die bisher von Ihnen in diesem Rahmen vorgelegn Vorschläge sind wirkungslos und zum Teil kontraroduktiv. Warum? – Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, enn Sie mir einmal zuhörten, Frau Ministerin. Immerin ist Ihre Politik das Thema meiner Rede, und ich öchte sie kritisieren. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der ollegin Enkelmann? Aber selbstverständlich gerne. Bitte schön. Herr Birkwald, wir reden hier über ein gravierendes roblem, wir reden über Altersarmut in Deutschland. aben Sie den Eindruck, dass die Regierung, dass insbe ondere die zuständige Ministerin Interesse an diesem hema hat? (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist doch ungeheuerlich!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713105400
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713105500
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713105600
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713105700


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713105800

Nein, diesen Eindruck habe ich nicht. Ich danke Ihnen

r die Frage, Frau Kollegin. Ich habe die Ministerin
ben zweimal freundlich gebeten, zuzuhören. Das ist
icht erfolgt. Bei dem „Regierungsdialog Rente“ sind
ie Oppositionsparteien bisher gar nicht eingeladen. Das
eißt, unsere Meinung scheint die Regierung leider über-
aupt nicht zu interessieren. Ich hoffe, das wird noch an-
ers.






(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713105900

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

frage von unserem FDP-Kollegen Kober?


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713106000

Bitte schön.


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1713106100

Lieber Kollege Birkwald, sind Sie bereit, anzuerken-

nen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Sozia-
les an diesem heutigen Tag während dieser Debatte mit
zwei Vertreterinnen bzw. Vertretern anwesend ist,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber nur körperlich!)


dem Staatssekretär Hans Joachim Fuchtel und der Bun-
desministerin Dr. Ursula von der Leyen, die weite Teile
der Debatte gemeinsam verfolgen, und dass das eine
Ausnahme ist, womit das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales unterstreicht, wie wichtig dieses Thema
ist?


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713106200

Lieber Herr Kollege Kober, ich bin gerne bereit, Ih-

nen zu bestätigen, dass der Herr Kollege Staatssekretär
aufmerksam zugehört hat. Wenn aber die Leiterin des
Hauses, die Ministerin selbst, anwesend ist, dann ist es
auch ein Gebot der Höflichkeit, den Oppositionspolitike-
rinnen und Oppositionspolitikern zuzuhören. Das aber
ist auch auf zweimalige freundliche Aufforderung hin
nicht erfolgt. Deswegen kann ich Ihnen dies, was die
Ministerin anbelangt, leider nicht bestätigen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Also noch einmal: Sehr geehrte Frau von der Leyen,
Sie haben einen „Regierungsdialog Rente“ ins Leben ge-
rufen. Ich sage Ihnen: Die bisher von Ihnen vorgelegten
Vorschläge dazu sind wirkungslos und zum Teil sogar
kontraproduktiv. Warum? Sie sind wirkungslos, weil Sie
die Erwerbsminderungsrente nur an die unsägliche
Rente ab 67 anpassen, aber kein bisschen verbessern
wollen. Gerade die, die geschuftet haben, bis sie krank
wurden, brauchen unsere Unterstützung und dürfen nicht
mit Almosen abgespeist oder gar mit Abschlägen be-
straft werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihr Vorschlag, die Hinzuverdienstgrenzen für vorzei-
tig in Rente gegangene Ältere zu erweitern, ist kontra-
produktiv; denn mit Ihrer Kombirente werden prekäre
Beschäftigungen als eine zentrale Ursache der Alters-
armut eben nicht bekämpft. Im Gegenteil – Minijobs
würden noch weiter hoffähig gemacht. Damit treiben Sie
den Kombilöhner in die Kombirente und rufen den ar-
men Alten zu: Geht doch arbeiten!


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist wirklich dummes Zeug!)


Das ist die zynische Logik, die wir bereits von Hartz IV
kennen. Wollen Sie allen Ernstes – wie in den USA –,

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(C (D ass die 70-Jährigen den 40-Jährigen im Supermarkt die üten packen und dass die 75-Jährigen den 55-Jährigen en Sprit in den Tank füllen? (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie reden dummes Zeug!)


as kann doch wohl nicht wahr sein! Würdevolles Al-
rn geht anders, Frau Ministerin.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Rentner wollen doch, dass die Grenzen wegkommen! Schämen Sie sich für den Unsinn, den Sie reden! – Zuruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


Herr Lindner, Ihre Beiträge sprechen immer für sich.
ber Sie rede ich besser kein Wort, das geht nur zu Ihren
ngunsten aus.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Frau Ministerin, die von Ihnen vorgeschlagene Zu-
chussrente ist ungerecht. Sie würde nur einem Bruchteil
er von Altersarmut Betroffenen zugutekommen.
0 Versicherungsjahre und 35 Beitragsjahre und 5 Jahre
rivate Vorsorge, das ist für die, die die Zuschussrente
rauchen, fast unmöglich. Ihre Zuschussrente geht in die
lsche Richtung.

Lassen Sie mich Ihnen das an einem Beispiel erläu-
rn: Wer heute aus einem Minijob kleine Rentenansprü-

he erwerben will, muss aus eigener Tasche die pauschal
om Arbeitgeber abgeführten Rentenbeiträge aufsto-
ken. Mit Aussicht auf die Zuschussrente könnten die
enigen Minijobberinnen und Minijobber, die das heute

chon machen, bald mehr werden. Das wäre aber eine
chlechte Entwicklung. Denn von den Minijobs kann
an weder leben noch anständige Rentenansprüche auf-

auen.

Wenn wir dabei bedenken – Sie ahnen es schon –, dass
wei Drittel all derer, die ausschließlich einen Minijob ha-
en, Frauen sind, dann müssen wir eines klar feststellen:
ie Zuschussrente wäre nichts weiter als eine Minijobprä-
ie für Frauen. Sie würde nämlich das althergebrachte
amilienmodell vom männlichen Familienernährer und
einer hinzuverdienenden Ehefrau belohnen. Diese rück-
ärtsgewandte Politik gilt es zu verhindern.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Union und FDP,
h fordere Sie auf: Nehmen Sie wenigstens den von der
undesregierung im Juni dieses Jahres veröffentlichten
rsten Gleichstellungsbericht ernst. Dort wird klipp und
lar festgestellt, dass sich Minijobs für Frauen „langfris-
g … häufig als biografische Sackgasse“ erweisen. Dort
ird eindeutig gefordert, „alle Erwerbsverhältnisse so-

ialversicherungspflichtig zu machen“. Es muss also
ünftig jede Stunde Erwerbsarbeit sozialversicherungs-
flichtig werden, vom ersten Euro an. Das wäre ein gro-
er Schritt in die richtige Richtung.





Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Sie schon nicht auf die Linke hören und den
Gleichstellungsbericht Ihres Ministeriums ignorieren,
dann hören Sie wenigstens auf den Deutschen Frauenrat,
der genau das auch fordert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rente muss vor
Armut schützen. Aber eine gute Rentenpolitik ist deut-
lich mehr als eine reine Armutsvermeidungspolitik. Eine
Rentenpolitik ist nur dann gut, wenn sie dafür sorgt, dass
die Menschen ihren einmal erarbeiteten Lebensstandard
auch im Alter halten können. Gute Arbeit – unbefristet,
am besten in Vollzeit, keine Leiharbeit, mit guten Löh-
nen, von denen man leben kann – ist das Fundament ei-
ner guten Rente; das will die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen, dass künftig alle, die ihren Lebensunter-
halt, in welcher Form auch immer, mit Arbeit verdienen,
in die Rentenkasse einzahlen, also zum Beispiel Ange-
stellte, Beamte und Beamtinnen, Freiberuflerinnen und
Freiberufler, natürlich auch Selbstständige, Abgeordnete
und, ja, auch das, Ministerinnen und Minister – alle! Das
wäre solidarisch.


(Beifall bei der LINKEN)


Damit die Rente das einmal im Leben durch gute Ar-
beit Erreichte sichert, müssen alle Kürzungsfaktoren aus
der Rentenformel gestrichen und die Rente erst ab 67 un-
bedingt zurückgenommen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen brauchen wir dringend einen flächendecken-
den gesetzlichen Mindestlohn, natürlich im Osten und
Westen in derselben Höhe von 10 Euro in der Stunde.
Denn nur wer mindestens 9,98 Euro in der Stunde ver-
dient, schafft es, nach 45 Jahren eine Rente oberhalb der
heutigen Grundsicherung zu erhalten.


(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Falsch gerechnet!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
Schluss. Um Altersarmut wirkungsvoll einzudämmen,
muss auch der Solidarausgleich in der Rente gestärkt wer-
den. Deshalb müssen erstens die Abschläge bei der Er-
werbsminderungsrente zurückgenommen werden, zwei-
tens Langzeiterwerbslose in der Rentenversicherung
deutlich besser abgesichert werden, und drittens muss
eine solidarische Mindestrente eingeführt werden, die
Frauen und Männer in Ost und West wirksam vor Alters-
armut schützt, damit auch Herr Legler in Zukunft keine
Pfandflaschen mehr sammeln muss. Denn die Linke ist
der Überzeugung: Die Würde des Menschen ist unantast-
bar, auch im Alter.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Wort hat nun Peter Tauber für die CDU/CSU raktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir ber das Thema Altersarmut streiten, kann man sich anchmal fragen, ob man die Qualität der Reden an der ahl der Zuhörer bemessen sollte. Ich schaue in Ihre eihen: Sie sind nicht so sehr gefüllt, wie es der Bedeung des Themas, die Sie in Ihrem Redebeitrag suggeert haben, entspricht. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Die Qualität hat für sich gesprochen! Das kann man eindeutig sagen!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713106300

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1713106400

anchmal lohnt sich das Zuhören vielleicht auch nicht;
s gibt andere wichtige Dinge, die man in der Zeit be-
prechen kann.

Grundsätzlich richte ich zunächst einmal einen herzli-
hen Dank an die Bundesregierung, nicht nur für die
räsenz heute hier, sondern auch für die ausführliche Be-
ntwortung der Großen Anfrage. Damit ist sicherlich
ine gute Grundlage für die weitere Diskussion gegeben.
arauf, dass die Ministerin sogar über den Schritt der
eantwortung der Fragen hinausgegangen ist, indem sie
igene Vorschläge gemacht hat, werde ich später einge-
en.


(Elke Ferner [SPD]: Drucksachennummern interessieren uns hier!)


Beim Thema „Rente und Alterssicherung“ haben wir
on der Union immer die Leistungen der älteren Genera-
on vor Augen. Von dieser Debatte sollte daher das Si-
nal ausgehen, dass wir den Rentnerinnen und Rentnern
ank für ihre Lebensleistung, ihren aufopferungsvollen
insatz für ihr Land und ihre Familie sagen. Das gilt
anz besonders auch deshalb – dessen bin ich mir als ein
her jüngerer Kollege natürlich bewusst –, weil die
nge Generation in diesem Land bis heute von dieser
ebensleistung profitiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das habe ich von der Jungen Union schon anders gehört!)


Wenn wir über das Thema Altersarmut sprechen,
ann sprechen wir zum einen über die Situation heute
nd zum anderen über das, was in der Zukunft sein wird.
etzteres hängt ja davon ab, welche politischen Kon-
epte zum Tragen kommen.

Lassen Sie uns zunächst einmal über das Thema „Al-
rsarmut heute“ sprechen. Natürlich ist es richtig, dass

s um jeden, der von Altersarmut betroffen ist, schade
t. Dahinter stecken oft tragische Schicksale, auf jeden
all aber immer individuelle Biografien. Manchmal
hnt es sich, genau hinzuschauen, wie es dazu kommen

onnte, dass ein Mensch durch das sehr dicht gewebte
oziale Netz, auch der Rentenversicherung, gefallen ist.





Dr. Peter Tauber


(A) )


)(B)

Der Kollege Weiß hat schon darauf hingewiesen, dass
die Hälfte derjenigen, die auf Grundsicherung im Alter
angewiesen sind, überhaupt nicht in die Rentenversiche-
rung eingezahlt hat.

Wir wissen also, dass es Menschen gibt, die tragische
Schicksale erlitten haben und im Alter nicht die entspre-
chende soziale Sicherheit vorfinden. Aber – auch das ge-
hört zur Wahrheit – das ist die Ausnahme. Der gegen-
wärtigen Rentnergeneration, also denjenigen, die heute
über 65 Jahre sind, geht es so gut wie nie. Das ist die
reichste Rentnergeneration, die dieses Land je gesehen
hat. Auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen.
Das liegt an der individuellen Lebensleistung, das liegt
aber auch daran, dass wir in der Bundesrepublik ein gu-
tes Rentensystem entwickelt haben. Wir dürfen also
nicht vergessen, auf welchem Niveau wir diese Debatte
führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ändert sich nur!)


Auch Im internationalen Vergleich ist Deutschland
hinsichtlich des Rentenniveaus gut aufgestellt. Schauen
Sie sich einmal das durchschnittliche Renteneinkommen
an.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden hier aber nicht über Durchschnitte, sondern wir reden über Armut! Da hat die OECD eine ganz andere Bewertung des deutschen Rentensystems!)


Kaufkraftbereinigt liegen wir in der EU an der Spitze.
Österreich, Frankreich, die Niederlande und selbst
Wohlfahrtsstaaten wie Schweden liegen deutlich hinter
uns. Man kann auch einmal den Vergleich zu unserem
Nachbarland Polen ziehen. Dort liegt die Rentenhöhe
kaufkraftbereinigt bei nur 40 Prozent des deutschen Ren-
tenniveaus. Auch das gehört zur Wahrheit, darauf hinzu-
weisen und sich solche Zahlen einmal anzuschauen.

Der Kollege Weiß hat dankenswerterweise schon da-
rauf hingewiesen, dass in Deutschland 2,4 Prozent der
über 65-Jährigen Leistungen der Grundsicherung im Al-
ter beziehen. Die Zahl ist seit 2007 sogar gesunken. Be-
trachten Sie daneben einmal die Zahl der Kinder in die-
sem Land, die in Armut leben. Das ist die entscheidende
Zahl, wenn wir über die Vermeidung von Altersarmut in
der Zukunft reden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum kommt denn das Wort Kinderarmut so oft im Koalitionsvertrag vor? – Mechthild Rawert [SPD]: Deshalb waren Sie bei den Regelsätzen auch so großzügig! – Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht darum, die Armut zu beseitigen!)


Wir müssen uns fragen: Welche Perspektiven geben wir
Kindern und Jugendlichen in diesem Land? Diesbezüg-
lich hat diese Ministerin mit dem Bildungs- und Teilha-
bepaket viel auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Damit sind wir beim Ausblick auf die Zukunft. Ich tehe nicht in Verdacht, regelmäßig bei den hier ansteenden Debatten Rot-Grün in Schutz zu nehmen. Wir önnten einmal darüber reden, dass sie Griechenland in ie Euro-Zone aufgenommen haben, oder darüber, dass ie die Maastricht-Kriterien als erste gebrochen haben. ber im Zusammenhang mit der Demografie zu behaupn – ich sage das an die Adresse der Linken –, dass Rotrün Veränderungen im Rentensystem gemacht hat, um ie Rentnerinnen und Rentner zu ärgern, ist schon ein tarkes Stück. Das ist arg an den Haaren herbeigezogen. iese Nebenbemerkung kann ich mir nicht verkneifen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Die Neujustierung des Rentensystems – beginnend
ei den Entscheidungen von Rot-Grün bis zu dem, was
ir in der Großen Koalition auf den Weg gebracht haben –
t eine logische Folge des demografischen Wandels.
enn es immer mehr ältere Menschen und immer weni-

er jüngere Menschen gibt, dann können wir die Sozial-
ysteme nicht einfach so fortführen wie bisher. Das ist
uch unter dem Aspekt Generationengerechtigkeit ein
anz wichtiger Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713106500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Birkwald?


Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1713106600

Nein.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Der Kollege Birkwald hat vorhin schon ausgiebig von
einem Recht, dazwischenzurufen, Gebrauch gemacht.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das geht jetzt alles von Ihrer Redezeit ab!)


h habe mir schon den „Schweigefuchs“ verkniffen, den
an in der Kinder- und Jugendarbeit immer zeigt, wenn
mand nicht aufmerksam zuhört, sondern dazwischen-
ft. Die Zwischenrufe habe ich gehört. Deswegen

raucht er jetzt keine Zwischenfrage zu stellen.


(Zuruf von der LINKEN: Sagen Sie das einmal Herrn Weiß!)


Ich habe Ihnen in Demut zugehört.


(Marco Buschmann [FDP]: Das können die nicht!)


as ist der feine Unterschied. Ich habe in der heutigen
ebatte kein einziges Mal dazwischengerufen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer nichts zu sagen hat! – Elke Ferner [SPD]: Phantasielos! – Weitere Zurufe von der LINKEN!)


ie rufen ständig dazwischen. Wenn Sie nicht dazwi-
chenrufen, sondern aufmerksam zuhören würden, dann





Dr. Peter Tauber


(A) )


)(B)

bräuchten Sie keine Frage zu stellen. So einfach ist das
manchmal.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der Linken)


Deshalb der Schweigefuchs, extra für Sie.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713106700

Es gibt noch eine Anfrage.


Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1713106800

Nein, ich lasse auch keine Zwischenfrage der Kolle-

gin Dittrich zu.

Wenn wir über die Zukunft reden, lautet die entschei-
dende Frage: Was können wir tun, damit Altersarmut in
dieser Gesellschaft künftig kein Thema mehr ist? Damit
sind wir an einem entscheidenden Punkt: Natürlich müs-
sen wir denjenigen, die heute arbeiten, und vor allem den
Kindern und Jugendlichen eine Perspektive geben: Ihnen
müssen Angebote gemacht werden, damit sie eine gute
Schulbildung genießen, eine gute Ausbildung machen
und eine möglichst ungebrochene Erwerbsbiografie hin-
legen können. Das bedeutet nicht, dass wir uns wün-
schen, dass jeder in dem Beruf, in dem er in das Er-
werbsleben eingestiegen ist, auch aus dem Erwerbsleben
ausscheidet. Es geht vielmehr um die Anschlussfähig-
keit. Die Phasen der Arbeitslosigkeit müssen möglichst
kurz sein,


(Elke Ferner [SPD]: Deshalb streichen Sie hier alles zusammen!)


damit eine nahezu vollständige Erwerbsbiografie mög-
lich ist und möglichst lang in die Sozialversicherungs-
systeme eingezahlt werden kann. Das ist ganz wichtig.
Auch das ist ein Beitrag zum Kampf gegen die Altersar-
mut.

Dafür schaffen wir die Voraussetzungen, indem wir
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern; das
Elterngeld und der Ausbau der Krippenplätze tragen ih-
ren Teil dazu bei.


(Elke Ferner [SPD]: Sie mussten beim Krippenausbau ja zum Jagen getragen werden!)


Am Ende ist das ein wichtiges Signal an die jungen
Menschen in diesem Land.

Die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland
– auch das gehört dazu – ist im Vergleich zu anderen
Ländern in Europa schon heute ein ganz maßgeblicher
Beitrag zum Kampf gegen die Altersarmut. Wer heute
Arbeit hat, der wird morgen nicht in gleichem Maße von
Altersarmut bedroht sein. Das ist ein ganz wichtiges Si-
gnal.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur wenn man mindestens 10 Euro die Stunde verdient! Sonst wird das nichts!)


– Auf diesen Zwischenruf möchte ich gerne eingehen:
Der Kollege Lehrieder wird Ihnen das mit dem Mindest-
lohn und der Grundsicherung noch einmal in Ruhe

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(C (D urchrechnen und Ihnen aufzeigen, warum Ihre Rechung falsch ist und nicht stimmt. Das überlasse ich aber em Kollegen Lehrieder; denn mit Blick auf meine Reezeit muss ich die verbleibende Minute ein bisschen aners nutzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die zunehmend hohe rwerbsquote von Frauen. Diese sind ja überproportional ft von Altersarmut betroffen. Initiativen wie der Ausbau er Kinderbetreuung, Ganztagsschulprogramme, Initiatien zu familienbewussten Arbeitszeiten, die Schaffung on Perspektiven zum Wiedereinstieg und der Einsatz für ine geschlechtergerechtere Lohnstruktur – all das sind ichtige Beiträge, um Frauen künftig vor Altersarmut zu ewahren. Es kommt ein weiterer wichtiger Punkt hinzu, über en man einmal eine Minute nachdenken sollte: Es geht m die Frage, in welchen gesellschaftlichen Strukturen ltersarmut vorkommt. Die Zahlen belegen sehr einrucksvoll, dass diejenigen, die sich für eine Familie entcheiden, also eine Ehe oder eine feste Lebenspartnerchaft eingehen, proportional weniger von Altersarmut etroffen sind. Denn in der Regel ist es so, dass besser r die soziale Sicherheit gesorgt ist, wenn Menschen erantwortung füreinander übernehmen, als wenn sie ich allein auf den Staat verlassen. Bei einem Zweiperonenhaushalt liegt die Armutsgefährdungsquote nämch bei nur 11 Prozent. Bei alleinstehenden Männern egt sie hingegen bei 18 Prozent und bei alleinstehenden rauen sogar bei 24 Prozent. (Elke Ferner [SPD]: Was sagt das den alleinstehenden Frauen? Sollen sie nun gut heiraten, oder was?)


iese Zahlen zeigen aus meiner Sicht eindrucksvoll,
ass die Familie, der Familienverbund eine Form des
usammenlebens und eine solidarische Partnerschaft ist,
ie vor Altersarmut schützt. Das entspricht auch unse-
m Gesellschafts- und Familienmodell und bestätigt

ieses aus meiner Sicht eindrucksvoll.


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Elke Ferner [SPD]: Das ist peinlich, was Sie da erzählen!)


Im Rahmen des „Regierungsdialog Rente“ ist die
undesministerin zudem auf die Rentenversicherungen,
ie Wohlfahrtsverbände, die Gewerkschaften, die Fach-
olitiker und die Arbeitgeber zugegangen. Auch das war
in Schritt in die richtige Richtung. Während die Oppo-
ition noch ausladend fragt, liefert die Ministerin bereits
ntworten. So soll das sein. So erwarten wir das von un-

erer Regierung. Vielleicht hören Sie nächstes Mal zu.
ielleicht beteiligen Sie sich an der Diskussion.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn wir mal eingeladen würden, würden wir das gerne tun! Sorgen Sie für die Einladung!)


arüber würden wir uns freuen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713106900

Das Wort hat nun Angelika Krüger-Leißner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1713107000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Warnungen vor Altersarmut kommen von
allen Seiten. Sie sind unüberhörbar in Deutschland. Zu-
letzt kamen sie Anfang des Monats vonseiten der
OECD. Diese hat bescheinigt, dass Deutschland im in-
ternationalen Vergleich im Hinblick auf die Alterssiche-
rung von Geringverdienern zu den Schlusslichtern zählt.
Ich sage Ihnen: Das ist eine Schande!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das bedeutet nämlich, dass auch für Menschen, die ihr
Leben lang gearbeitet, aber nur ein geringes Einkommen
bezogen haben, das Risiko der Altersarmut besteht.
Denn sie erhalten nur eine Minirente, die ein menschen-
würdiges Leben im Alter nicht sichert.

Auch nach der Auswertung der Antworten der Bun-
desregierung zur Großen Anfrage komme ich zu dem
Schluss: Das sind keine guten Aussichten für den Ruhe-
stand der Menschen. Das gilt nicht nur für Einzelne. Das
gilt gleichermaßen für Ost und West. Es gilt gleicherma-
ßen für Männer und Frauen, für Jugendliche ebenso wie
für die heute 40- bis 50-Jährigen, für Menschen, die zu
Niedriglöhnen beschäftigt sind, für Menschen, die aus
unterschiedlichsten Gründen Brüche in ihrer Erwerbs-
biografie zu verzeichnen haben, aber genauso auch für
Selbstständige, die nicht in der Lage sind, ausreichend
für das Alter Vorsorge zu tragen, für Menschen, die aus
gesundheitlichen Gründen in ihrer Erwerbsfähigkeit ge-
mindert und eingeschränkt sind, und für Alleinerzie-
hende. Heute Morgen haben mir Künstler in einer Runde
gesagt, dass das auch für den Bereich der Kreativen gilt.

Viele Menschen in Deutschland sind in Sorge. Sie fra-
gen sich: Wie komme ich im Alter über die Runden?
Werde ich staatliche Hilfe brauchen oder wird meine
Rente reichen? – Diese Fragen, Frau Ministerin von der
Leyen, beschäftigen die Menschen in Deutschland. Al-
tersarmut ist ein zentrales Thema in unserer Gesell-
schaft. Die Menschen fürchten sich vor der Zukunft. Sie
haben Angst. Sie erwarten von Ihnen eine Rentenreform,
die Lösungsvorschläge bezüglich der Frage bietet, wie
wir der Zunahme von Altersarmut entgegentreten kön-
nen, und zwar wirksam.

Aber leider ist das, was ich von der Bundesregierung
bisher gehört habe, auch im Rahmen der Beantwortung
der Großen Anfrage, höchst unbefriedigend. Dazu
möchte ich gern zwei Beispiele nennen.

Erstens. Auf die Frage, ob Altersarmut gegenwärtig
ein Problem ist, antwortet die Bundesregierung – ich zi-
tiere –:

Nein, Altersarmut ist heute kein verbreitetes Phäno-
men. Wer im Alter bedürftig ist, dem sichert die
Grundsicherung im Alter den Lebensunterhalt.

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(C (D it anderen Worten, liebe Kolleginnen und Kollegen: er Hinweis auf die Grundsicherung im Alter zeigt, dass ie schwarz-gelbe Bundesregierung weder jetzt noch in ukunft beabsichtigt, das Thema Altersarmut ernst zu ehmen. abei liegen die Fakten auf dem Tisch. Nach Angaben es Statistischen Bundesamtes bezogen Ende 2009 rund 64 000 Personen in Deutschland Leistungen aus der rundsicherung, darunter mindestens 400 000 Personen Rentenalter. Herr Weiß, Sie haben versucht, das gering zu reden, (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein!)


(Frank Heinrich [CDU/CSU]: Quatsch!)


dem Sie gesagt haben: 1,8 Prozent, was ist denn das
chon? – Das sind 400 000 Menschen, die ein schweres
chicksal haben,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ie in der Regel ein Leben lang gearbeitet haben und
ennoch nur eine Minirente beziehen.

Dabei will ich eines sagen: Es ist gut, dass wir die
rundsicherung in Deutschland überhaupt haben;

chließlich habe ich daran mitgearbeitet, dass wir sie
ingeführt haben.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ach! – Elke Ferner [SPD]: Wollte die CDU nämlich nicht haben!)


s ist ebenfalls gut, dass die Kommunen dafür auch das
ötige Geld haben. Aber wir dürfen uns darauf doch
icht ausruhen;


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Tun wir auch nicht!)


ir müssen handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass der
este Schutz vor Altersarmut stabile Erwerbsbiografien
ind. Das wissen wir auf allen Seiten im Hause.


(Elke Ferner [SPD]: Nein, dass wissen die von der Koalition nicht! Wir schon!)


us diesem Grunde kommen wir nicht darum herum, die
ituation für die Menschen, die im Niedriglohnbereich
rbeiten, zu verbessern. Dafür gibt es nur einen Weg,
nd zwar die Einführung eines Mindestlohns. Sie kom-
en nicht darum herum.

Genau diese Voraussetzungen, die gegeben sein müs-
en, damit Altersarmut nicht entsteht, sind seit langem
icht mehr erfüllt. Die Versicherungsverläufe im Westen
ind schon seit den 70er-Jahren nicht mehr stabil, weil
ich die Arbeitsmarktlage in Richtung Langzeitarbeitslo-
igkeit zu verändern begonnen hatte. Nach der Wieder-
ereinigung und dem Zusammenbruch der Wirtschaft im
sten gab es eine Arbeitsmarktkrise ungeahnten Ausma-
es mit letztendlich gravierenden Auswirkungen auf die
lterssicherung der Menschen. Beides, die Entwicklung





Angelika Krüger-Leißner


(A) )


)(B)

im Westen wie die Entwicklung im Osten, hat starke
Spuren in den Erwerbsbiografien hinterlassen. Die Aus-
wirkungen des demografischen Wandels kommen noch
dazu; leider habe ich zu wenig Zeit, darüber zu reden.
Alles spricht aber dafür, dass bei den Problemen, die wir
lösen müssen, Altersarmut zukünftig eine immer größere
Rolle spielen wird.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist so!)


Hier vermisse ich Ihre Konzepte.

Wenn ich gerade von Konzepten spreche, möchte ich
als zweites Beispiel die kürzlich von Ihnen, Frau von der
Leyen, entwickelte Idee einer Zuschussrente ansprechen.
Ich habe gehofft, dass die Bundesregierung endlich auf-
wacht und mit dem „Regierungsdialog Rente“ eine
grundlegende Reform beginnt, um Altersarmut entge-
genzuwirken. Aber vielleicht war das gerade schon der
kleine Regierungsdialog, den wir hier gerade beobachtet
haben.

Ich habe mich getäuscht. Nach Ihren Vorstellungen,
Frau von der Leyen, soll unter bestimmten Vorausset-
zungen eine Aufstockung von kleinen Renten auf
850 Euro erfolgen. Lücken sollen also geschlossen wer-
den. Was bei Ihnen so schön klingt, ist leider nicht zu
Ende gedacht; denn viele Bedürftige werden außen vor
gelassen. Diese Ankündigung erinnert mich fatal an die
Ankündigung der Bildungs-Chipkarte. Diese Idee ist
zerplatzt wie eine Seifenblase.


(Beifall bei der SPD)


Ich fürchte, so wird es auch mit der von Ihnen angespro-
chenen Zuschussrente sein.

Ich will Ihnen das gerne begründen: Mit Ihrem eige-
nen Koalitionspartner, der FDP, war Ihr Vorgehen offen-
bar überhaupt nicht abgestimmt. Die Kolleginnen und
Kollegen der FDP fielen im wahrsten Sinne des Wortes
aus allen Wolken, als sie morgens die Zeitung aufschlu-
gen. Als Beleg dafür möchte ich die Aussagen einer Kol-
legin zitieren. Frau Dr. Winterstein hat unmittelbar nach
dem Bekanntwerden der Idee einer Zuschussrente am
8. September 2011 hier im Plenum erklärt – ich zitiere –:

Ich denke, man muss über die entsprechenden Vor-
schläge noch ausführlich diskutieren und die De-
tails klären. …


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ist ja auch gut so!)


– Jetzt kommt der wichtigste Satz!

Bei alldem muss man natürlich im Auge haben,
dass Verbesserungen bei Sozialleistungen immer
das Problem mit sich bringen, dass sie Geld kosten.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)


Das ist doch fast eine klare Absage von Ihrer Haushälte-
rin.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)


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(C (D ehr Geld für die von Armut im Alter bedrohten Menchen – das ist wohl kaum mit der FDP zu machen. iese Menschen sind ja auch nicht die Zielgruppe, für ie sie arbeitet. (Pascal Kober [FDP]: Wir arbeiten für dieses Land und für alle!)


afür haben wir genügend Beispiele erfahren. Die Aus-
irkungen dieser Idee auf den Haushalt sind ja noch
icht einmal durchgerechnet, geschweige denn, dass ihre
msetzung ab dem Jahr 2013 finanziert wäre.

Ich kann nur sagen: Das ist – wie auch an anderen
tellen – purer Aktionismus und sozial unverantwort-
ch. Deshalb fordere ich Sie auf: Beenden Sie dieses
lanlose Agieren, nehmen Sie die Warnung der OECD
rnst, packen Sie das Thema „Altersarmut in Deutsch-
nd“ endlich an, hören Sie auf die Gewerkschaften, die
ozialverbände und die Kirchen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107100

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Höchste Zeit!)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1713107200

Legen Sie ein grundlegendes Konzept vor. Das, was

ie bisher zeigen, ist ein sozialpolitisches Armutszeug-
is.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107300

Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1713107400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

laube, wenn wir uns als Politik mit dem Thema Alters-
rmut beschäftigen, dann tun wir das in einer dreifachen
erantwortung. Zunächst einmal, lieber Matthias
irkwald – das ist überhaupt gar keine Frage –, haben
ir eine Verantwortung gegenüber denjenigen Men-

chen, die geringe Einkünfte im Alter haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!)


ber wir alle hier haben in unseren Reden betont, dass
as höchste Risiko für Altersarmut unterbrochene Er-
erbsbiografien sind.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt für die Zuschussrente nicht?)


h bitte Sie, anzuerkennen, dass diese Bundesregierung
nd die sie tragende Regierungskoalition vor allen Din-
en einen präventiven Ansatz wählen, weil das Problem
er Altersarmut mit Blick auf die Zukunft gelöst werden
uss. Ich bitte Sie, anzuerkennen, dass seit langer Zeit





Pascal Kober


(A) )


)(B)

keine Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik so er-
folgreich war wie diese Bundesregierung.


(Elke Ferner [SPD]: Die Erfolge kommen trotz der Regierung, nicht wegen der Regierung!)


28,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeits-
plätze – das kann sich sehen lassen.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Erfolg der Arbeitsmarktpolitik!)


Wir haben jetzt beispielsweise auch eine Pflegere-
form in Angriff genommen


(Elke Ferner [SPD]: Was? Sie haben noch nicht einmal Eckpunkte, Herr Kollege! „In Angriff genommen“! – Gegenruf von der FDP: Das ist mehr, als Sie geschafft haben, Frau Kollegin!)


– Sie können mir ja eine Zwischenfrage stellen –; denn
wir wissen, dass Pflegezeiten auch eine Ursache für un-
terbrochene Erwerbsbiografien sind.

Ich bin meinem jüngeren Kollegen Tauber durchaus
dankbar, dass er an die zweite Verantwortung, die wir
haben, erinnert hat: die Verantwortung gegenüber künfti-
gen Generationen. Ich denke, allen hier im Saal – bis auf
den Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei – ist
klar, dass wir nicht ewig an der Sozialversicherungs-
schraube drehen können, weil höhere Sozialversiche-
rungsbeiträge wie zum Beispiel höhere Rentenversiche-
rungsbeiträge langfristig zu einer Verschärfung des
Problems der Altersarmut führen würden; denn sie
brächten zwangsläufig Arbeitsplatzabbau und damit un-
terbrochene Erwerbsbiografien mit sich.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch! – Elke Ferner [SPD]: Aha! Deshalb das Mövenpick-Geschenk!)


Wir können auch nicht ewig an der Steuerschraube dre-
hen oder die Zuschüsse an die Rentenversicherung erhö-
hen; denn auch das belastet künftige Generationen und
nimmt ihnen die Chancen.


(Elke Ferner [SPD]: Aber die MövenpickSteuersenkung belastet niemanden!)


Ich möchte auch an die dritte Verantwortung, die wir
bei so einem sensiblen Thema wie der Altersarmut ha-
ben, erinnern: die Verantwortung gegenüber der Wahr-
haftigkeit, der Ernsthaftigkeit und der Glaubwürdigkeit
von Politik.


(Elke Ferner [SPD]: Neuland! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Jetzt sind wir gespannt!)


Ich glaube, das sehe ich nicht allein so.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das können wir nur hoffen!)


Wir alle sollten zugeben, dass es auf diese Frage keine
einfachen Antworten gibt. Ich habe mit Freude vernom-
men, dass der von Ihnen propagierte Mindestlohn von
8,50 Euro, Frau Göring-Eckardt, auf den Sie heute hin-

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(C (D ewiesen haben, nicht alle Rentenprobleme lösen wird, uch nicht das Problem der Altersarmut. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir auch nicht behauptet! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 8,50 Euro reichen dafür nicht!)


h bitte Sie, wenigstens so ehrlich zu sein, dass Sie Ih-
r eigenen Fraktion im Deutschen Bundestag und den
enschen, die dieser Debatte folgen, einmal vorrech-

en, wie viel für die Menschen bei einem Mindestlohn
on 8,50 Euro, effektiv zur Verhinderung von Altersar-
ut herauskommt.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir doch im Ausschuss und auch sonst alles schon mehrere Male gemacht!)


as lassen Sie ganz gezielt verschleiert und im Halbdun-
eln.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr! Das ist nicht ehrlich!)


h rufe Sie dazu auf: Beziffern Sie, was Sie mit einem
indestlohn von 8,50 Euro erreichen wollen! Kollege
irkwald hat Ihnen ja vorgerechnet, dass man mindes-
ns einen Stundenlohn von 10 Euro bräuchte, um das
iveau der Grundsicherung zu erreichen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Rechnen kann er, der Kollege Birkwald! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was ist denn Ihr Vorschlag?)


Frau Göring-Eckardt, Sie haben in der heutigen De-
atte wie auch in der Debatte zur Einbringung des Haus-
alts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
ine Fülle von Fragestellungen benannt, von der Wohn-
ituation von Älteren bis zur Situation von Älteren mit

igrationshintergrund. Sie haben Fragen gestellt und
uggeriert, die Bundesregierung würde sich um diese
hemen nicht ausreichend kümmern.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es auch!)


ber Sie haben null Komma null Antworten und Lösun-
en skizziert. Nichts haben Sie zur Lösung dieser Pro-
leme beigetragen.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie doch mal in unsere Große Anfrage! Da sagt die Bundesregierung zu allen Fragen, die wir gestellt haben: Wir haben keine Antwort! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh doch, das tun wir! Machen Sie sich da mal keine Sorgen! – Elke Ferner [SPD]: Sie doch auch nicht! – Diana Golze [DIE LINKE]: Wo sind denn die FDP-Vorschläge?)


Jetzt beginnt der Rentendialog. Eigentlich sollten Sie
ich konstruktiv daran beteiligen und Ihre Vorschläge
ortragen. Dass Sie einfach nur kritisieren, ist mir, ge-
de als Vertreter der jüngeren Generation, zu wenig.





Pascal Kober


(A) )


)(B)

Das möchte ich im Hinblick auf die Verantwortung und
die Glaubwürdigkeit der Politik betonen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Was haben Sie denn jetzt gerade gesagt? Was war denn Ihr Vorschlag? – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Haben wir Ihren Vorschlag überhört?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107500

Das Wort hat nun Wolfgang Strengmann-Kuhn für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz kurz zu Herrn Kober. Wir haben in unserer Großen
Anfrage unter anderem nach zielgruppenspezifischen
Maßnahmen gefragt. Wir wollten wissen, ob die Bun-
desregierung Antworten auf diese Fragen hat.


(Pascal Kober [FDP]: Wir wollen ja Ihre Antworten hören! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Ja, wer regiert denn?)


Von der Bundesregierung, die auch beim Regierungsdia-
log gefordert ist, kam immer nur die Antwort: Nein, wir
planen keine speziellen Maßnahmen für spezielle Grup-
pen.


(Pascal Kober [FDP]: Ihre Antworten! – Gegenruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie regieren ja auch nicht!)


Das ist daneben. Wir brauchen neben den allgemeinen
Maßnahmen auch zielgruppenspezifische Maßnahmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Es geht
bei diesem Thema nicht nur um Altersarmut. Das Pro-
blem ist weitaus größer. Es geht um die Akzeptanz der
Rentenversicherung insgesamt; der Kollege Weiß hat
das schon angedeutet. Der Beitragssatz zur Rentenversi-
cherung beträgt etwa 20 Prozent. Wegen der Riester-
Rente kommen für viele Menschen weitere 4 Prozent
obendrauf. Das heißt, ein Viertel des Einkommens vieler
Menschen fließt in die Rentenkasse. Wenn es uns nicht
gelingt, dafür zu sorgen, dass die Rente vor Armut
schützt, dann haben wir ein großes Problem: Die Men-
schen stellen die gesetzliche Rentenversicherung in-
frage. Auf diese Herausforderungen müssen wir drin-
gendst reagieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wenn der Kollege Kolb sagt: „Wir brauchen einen
präventiven Ansatz“, dann ist das völlig richtig.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr gut!)


Wir brauchen auch eine präventive Rentenpolitik. Wir
wollen hier in Richtung einer Bürgerversicherung gehen,
weil wir mittelfristig eine Rentenversicherung brauchen,

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(C (D die alle Beiträge auf alle Einkommen zahlen, unabängig vom Erwerbsstatus. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auf alle Einkommen?)


adurch würden Lücken in den Versicherungsbiografien
tsächlich geschlossen.

Es müssen auch deshalb Beiträge auf alle Einkommen
ezahlt werden, damit wir eine nachhaltige Finanzierung
er Rentenversicherung gewährleisten können. Das ist
icht von heute auf morgen zu erreichen. Außerdem hat
iese Maßnahme nur langfristige Wirkungen. Präventive
aßnahmen wirken ja insgesamt nur langfristig; das ist

ber auch gut so. Dafür muss man, wie gesagt, unbedingt
orgen. Hierfür sind die Vorschläge der Bundesregierung
llerdings zu schwach.

Wir brauchen aber auch kurzfristige Lösungen. Ich
in dem Kollegen Matthias Birkwald sehr dankbar, dass
r an einem Einzelbeispiel, aber auch an den Zahlen, die
der Großen Anfrage zu finden sind, deutlich gemacht

at: Es gibt heute schon Altersarmut. Davon betroffen
ind nicht nur die 440 000 Menschen, die in der Grund-
icherung sind. Wenn man sich die Zahlen zum Altersar-
utsrisiko ansieht, dann stellt man fest, dass in Deutsch-
nd 2,4 Millionen Menschen leben, die ein Einkommen
eziehen, das unterhalb der Altersarmutsrisikogrenze
egt. Diese Grenze ist nicht sehr hoch. Sie liegt für einen
lleinstehenden bei 929 Euro, für einen Paarhaushalt bei
ur 1 400 Euro, das heißt bei 700 Euro pro Person. Da-
on müssen in Paarhaushalten 1 Million Menschen in
eutschland leben, Herr Tauber, und allein 1 Million al-
instehende Frauen bekommen weniger als 929 Euro
ro Monat.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und das in dieser reichen Gesellschaft!)


ieser Betrag ist nicht sehr weit von den 850 Euro, die
ie Ministerin gefordert hat, entfernt.

Nun freue ich mich, dass sich alle Parteien, was die
urzfristigen Maßnahmen betrifft, unserer Forderung
ach einer Garantierente langsam annähern, wenn auch
ur schrittweise.


(Pascal Kober [FDP]: Was? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Haben wir etwas verpasst?)


ie Linke fordert mittlerweile eine bedürftigkeitsorien-
erte Mindestrente; diese ist allerdings eher ein besseres
artz IV.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na, na, na! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/ CSU]: Die Linke hätte sowieso am liebsten alle Menschen in Hartz IV!)


Herr Gabriel hat in der Sommerpause öfter mal von
iner Sockelrente geredet. Dazu habe ich von der SPD
berhaupt noch nichts gehört. Sie sind hier sehr vage.

Bisher gibt es die Forderung der Linken und der SPD,
ie Rente nach Mindesteinkommen wieder einzuführen.


(Elke Ferner [SPD]: Richtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist vernünftig!)






Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

Das halten wir für falsch, weil sie in der Tat nicht sehr
zielgenau ist. Hier teilen wir die Position der Bundes-
regierung. Ein Experte hat in der Ausschussanhörung
gesagt, das sei vergleichbar mit einer Schrotflinte, also
nicht zielgenau.

Im Gegensatz dazu ist die Zuschussrente, die die
Ministerin vorgeschlagen hat, vergleichbar mit einer
Wasserpistole, weil damit fast niemand erreicht wird.


(Elke Ferner [SPD]: Wasserpistole ohne Wasser, bitte! Da ist kein Wasser drin!)


Sie sprechen von 15 000 Menschen im Jahre 2013. Die
Zahl soll dann langsam ansteigen. Aber wer erreicht
heutzutage noch 45 Versicherungsjahre? Wenn es die
Diagnose ist, dass es vor allem um die Menschen mit ei-
ner unterbrochenen Erwerbsbiografie geht, dann darf
man die Hürde für eine Zuschuss- oder Mindestrente
nicht zu hoch setzen.

Wir fordern mit der Garantierente, dass Menschen mit
30 Versicherungsjahren eine Rente bekommen, die über
dem Grundsicherungsniveau liegt. Das wäre wirklich
eine armutsfeste Sicherung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wichtig ist – das ist auch noch einmal zu betonen –:
Für die Akzeptanz der Rentenversicherung müssen wir
gewährleisten, dass derjenige, der mehr einzahlt, auch
eine höhere Rente erhält. Auch hier ist die Zuschussrente
wieder die falsche Lösung; denn es wird zwar gefordert,
dass man 45 Jahre lang in die Rentenversicherung einge-
zahlt und am Ende 35 Jahre lang geriestert hat, aber wel-
che eigenen Beiträge geleistet wurden, um einen An-
spruch zu haben, ist egal. Das Geld wird komplett
wieder einkassiert. Völlig unabhängig davon, ob jemand
100 Euro, 500 Euro oder 800 Euro im Monat selbst vor-
gesorgt hat, wird die Rente immer auf 850 Euro aufge-
stockt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107600

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch dadurch wird die Akzeptanz der Rentenversi-
cherung gefährdet.

Ich fasse zusammen: Die Regierung hat sich zwar be-
müht, aber es ist nur ein mickriges Reförmchen mit un-
erwünschten Nebenwirkungen herausgekommen. Hier
muss dringend nachgebessert werden, um zu einer ech-
ten Garantierente zu kommen, bei der sich die Menschen
darauf verlassen können, dass nach langer Beitragszah-
lung eine Rente herauskommt, die sie wirklich vor Ar-
mut schützt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107700

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen!

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(C (D Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Wir haben unser Konzept einer Garantierente vorge-

gt, die besser ist als eine Zuschussrente, weil sie vor
ltersarmut schützt und die Akzeptanz der Rentenversi-

herung wiederherstellt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713107800

Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1713107900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Herr Kollege Strengmann-Kuhn, ich
nge da an, wo Sie aufgehört haben. Sie haben ausge-
hrt, Sie könnten nicht nachvollziehen, dass 45 Bei-
agsjahre erreicht werden können. Sie haben schlicht
berhört bzw. eben nicht zur Kenntnis nehmen wollen,
ass in die Anrechnungszeit auch Zeiten der Arbeitslo-
igkeit, Zeiten der Kindererziehung und sonstige Zeiten
er Beitragsfreistellung einfließen. Das heißt, die Hür-
en bei der Erreichung dieser 45 Jahre werden abge-
enkt. Das wollte ich gleich zu Beginn korrigieren, damit
ich da kein falscher Eindruck verfestigt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])


Ich muss auch noch etwas zum Aufschlag der hoch-
eschätzten Frau Kollegin Göring-Eckardt sagen. Frau
ollegin Göring-Eckardt, Sie haben ausgeführt, die
iester-Rente sei wirksam. Das unterstreiche ich voll
nd ganz. Ich glaube, wir haben mit der gestrigen Ent-
cheidung zur Euro-Stabilität einen wichtigen Schritt in
ezug darauf getan, dass durch einen stabilen Euro die
Riester-Verträgen angelegten Gelder auch in Zukunft

ur Verfügung stehen. Das alles hängt zusammen.

Frau Göring-Eckardt, mit Ihrem großen Lamento, wir
ätten im Sparpaket Kürzungen bei der vernünftigen Al-
rssicherung für Langzeitarbeitslose vorgenommen, lie-
en Sie falsch.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über 7 Milliarden Euro Streichung!)


einem Jahr der Langzeitarbeitslosigkeit entsteht eine
entenanwartschaft in Höhe von 2,06 Euro. Das heißt,
ach 40 Jahren Langzeitarbeitslosigkeit hat man eine
entenanwartschaft in Höhe von über 80 Euro erwor-
en. Wenn Frau Ministerin von der Leyen jetzt eine Zu-
chussrente von 850 Euro auf den Weg bringt, dann ist
as mehr als zehnmal so viel, wie Langzeitarbeitslose
zw. Hartz-IV-Empfänger über Beiträge zur Arbeitslo-
enversicherung als Anwartschaft erreichen können. Das
uss man auch einmal richtigstellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP] – Katrin Paul Lehrieder )





(A) )

Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Nur dass die Leute nicht mehr aus der
Langzeitarbeitslosigkeit herauskommen!)

Jetzt komme ich zum Mindestlohn. Kollege Tauber
hat die Spannung bereits aufgebaut. Herr Kollege
Birkwald, in der letzten Ausschusssitzung haben Sie die
Frau Ministerin gefragt – sie hat Ihnen ganz ergriffen zu-
gehört –, wie hoch der Verdienst sein müsse, um eine
auskömmliche Rente in der Größenordnung der von uns
geplanten Zuschussrente zu erreichen. Die Frau Ministe-
rin hat Ihnen geantwortet: 12 Euro. Jetzt haben Sie die
Chuzpe, hier abermals 10 Euro pro Stunde zu verlangen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Als Einstieg! Da sehen Sie mal, was wir für eine realistische Politik machen!)


Damit erreichen Sie doch keine Alterssicherung! Hier
sind wir doch schon zwei Schritte weiter als die Links-
partei.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Als Einstieg, Herr Kollege!)


Es ist richtig: Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger
können von einem funktionierenden Staat erwarten, dass
er sich darum kümmert, dass nach mehreren Jahrzehnten
Arbeit eine auskömmliche Rente zur Verfügung steht. Es
ist auch richtig – ich glaube, Frau Kollegin Krüger-
Leißner hat bereits darauf hingewiesen –, dass die Sorge
um ein gewisses Auskommen bzw. einen gewissen Le-
bensstandard im Alter sehr viele Menschen, auch junge,
umtreibt. Ich bin froh, dass sehr viele junge Menschen
auf der Tribüne sind, die von den Entscheidungen, die
wir heute treffen, in Zukunft betroffen sein werden. Die
Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf uns, und dieser
Verpflichtung müssen wir nachkommen. Wir werden ihr
auch nachkommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen.

Über die Fragen, die durch die Bundesregierung be-
antwortet wurden, wurde bereits am 7. September dieses
Jahres – die Frau Ministerin machte den Aufschlag zum
„Regierungsdialog Rente“ – hier an diesem Mikrofon in-
tensiv diskutiert. Der Regierungsdialog ist ein offener
Diskussionsprozess. Im Übrigen stehen wir hier am An-
fang. Das heißt also, Ihre Anregungen und Ideen sowie
Ihre geschätzte Kritik, Herr Kollege Strengmann-Kuhn,
werden wir natürlich im Rahmen dieses Dialogs sehr
gern aufnehmen. Wir hören aufeinander. Natürlich kön-
nen wir auch von den Grünen das eine oder andere ler-
nen; das will ich nicht verhehlen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Es handelt sich um einen offenen Diskussionsprozess, an
dem die Rentenversicherung, die Fachpolitiker, die
Wohlfahrtsverbände, die Gewerkschaften, die Arbeitge-
ber sowie weitere Institutionen und Akteure mit dem
Ziel beteiligt sind, mögliche Änderungen im Renten-
recht daraufhin zu prüfen, ob sie die Lebensleistung ge-
recht belohnen und den Bedürftigkeitsrisiken wirksam
entgegenwirken.

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(C (D Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich zitieren, was nsere Bundesministerin zur Eröffnung des „Regiengsdialog Rente“ sagte: Die Renten selbst sind demo rafiefest und sicher. – Sie hat recht, wie immer. (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich denke, unfehlbar ist bei euch nur der Papst!)


h bitte den Herrn Staatssekretär, es der Ministerin ent-
prechend mitzuteilen.

Unsere Renten sind heute in den allermeisten Fällen
usreichend. Heute ist die gesetzliche Rente noch die
ichtigste Form der Altersvorsorge. Sie macht 65 Pro-

ent aller Alterseinkommen in Deutschland aus. 68 Pro-
ent der Rentner leben allein von der gesetzlichen Rente
ls Alterseinkommen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Im Osten sind es über 90 Prozent, Kollege Lehrieder!)


Herr Kollege Birkwald, ich muss Ihnen schon wieder
ine kleine Richtigstellung zumuten. Sie haben vorhin
usgeführt, die Frau im Westen habe eine Durchschnitts-
nte von 494 Euro, die im Osten eine von 666 Euro.
an muss fairerweise – das hat bereits Winston
hurchill erkannt – sagen: Ich glaube keiner Statistik,
ie ich nicht selber gefälscht habe. – Dies sind Durch-
chnittsrenten; das ist richtig.


(Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Herr Kollege Birkwald, warten Sie mit Ihrer Frage, bis
h Ihnen das erklärt habe. – Es sind aber auch Anwart-

chaften dabei, die nicht für ein auskömmliches Leben
Alter gedacht sind. Wenn ich mir als Rechtsanwalt im

ahmen einer Zusatzbeschäftigung als abhängig Be-
chäftigter eine Rentenanwartschaft von 4,50 Euro er-
erbe, wird diese in das Gesamtpaket der Durchschnitts-
nten mit eingerechnet. Die Zahlen beziehen sich also

icht nur auf die Menschen, die von dieser gesetzlichen
ente im Alter leben, sondern auch auf solche, die ihr
aupteinkommen von berufsständischen Altersversor-
ungswerken beziehen.

Der Kollege Birkwald will etwas fragen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713108000

Herr Kollege Birkwald, Sie haben das Wort.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713108100

Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, Herr

ollege, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Kollege
ehrieder, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass
ie Rentnerinnen und Rentner im Osten zu über 90 Pro-
ent ausschließlich von der gesetzlichen Rente leben und
ie gar keine Chance hatten, privat vorzusorgen oder
ich eine betriebliche Altersvorsorge aufzubauen?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine Systemfrage! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist aber so!)







(A) )


)(B)


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1713108200

Herr Kollege Birkwald, ich danke Ihnen ausdrücklich

für die Frage. Wir können nichts dafür, dass in früheren
Zeiten der damalige Staat auf dem Gebiet der heutigen
neuen Länder für seine Menschen nicht mehr an Alters-
vorsorge erwirtschaften konnte. Die Fehler der SED
bzw. Ihrer Vorgänger uns in die Schuhe zu schieben,
geht natürlich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das zeigt Ihre Ignoranz und Arroganz!)


Es ist richtig, dass das unterschiedliche Rentenniveau
auch daher rührt,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir haben ein anderes Rentensystem! Das ist eine Tatsache!)


dass es im Osten keine Pensionen, keine Beamtenversor-
gung etc. gegeben hat, die in das Rentensystem einflie-
ßen konnten. – Herr Birkwald, ich bin noch nicht fertig;
ich möchte noch zwei Sätze sagen. Bleiben Sie noch ein
bisschen stehen, dann passt es schon. – Wir müssen aber
aufpassen, dass für diejenigen, die heute im Berufsleben
stehen, eine auskömmliche Sicherung im Alter möglich
ist.

Ich komme – der Kollege Weiß hat es eben bereits
ausgeführt – zu den Zahlen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das kenne ich jetzt aber schon! Das ist keine Antwort mehr auf meine Frage!)


– Ja, aber das zu wissen, hilft Ihnen sicherlich weiter. –
2,4 Prozent der Menschen auf dem Gebiet Deutschlands
leben derzeit von ergänzenden Transferleistungen im Al-
ter. Das ist – bezogen auf den gesamten Schnitt der Be-
völkerung – unterdurchschnittlich wenig. Dies ist gut. Es
wurde darauf hingewiesen, dass es der heutigen Rentner-
generation so gut geht wie sicherlich wenigen Rentner-
generationen in Deutschland, und das gilt auch für die
Zukunft. Wir müssen ebenfalls darauf hinweisen, dass
– das ist auch ein Appell an die Jugend – rechtzeitig vor-
gesorgt werden muss, weil die gesetzliche Rente allein
möglicherweise in vielen Bereichen nicht mehr aus-
reicht.

Auch der Präsident der Rentenversicherung, Herr
Rische, hat bestätigt, dass die Altersarmut heute kein – ich
möchte ausdrücklich sagen: noch kein – Thema ist. Wir
müssen dafür sorgen, dass es auch kein großes Thema
wird. Heute haben 97,6 Prozent aller Menschen über
65 Jahre eine ausreichende Versorgung. Von rund
20 Millionen Seniorinnen und Senioren sind heute rund
400 000 – das sind natürlich 400 000 zu viel – oder
2,4 Prozent auf Leistungen aus der Grundsicherung an-
gewiesen. Es ist richtig – der Kollege Weiß hat bereits
darauf hingewiesen –, dass die Hälfte von diesen auf
Grundsicherung angewiesenen Seniorinnen und Senio-
ren in unserer Gesellschaft nie in die Rentenversiche-
rung eingezahlt haben. Das muss man fairerweise dazu-
sagen.


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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Der Kollege Weiß hat auch immer recht!)


Der hat auch immer recht. – Dank zahlreicher Refor-
en basiert unser Rentensystem auf drei Säulen und

onnte deswegen unbeschadet die Wirtschaftskrise über-
tehen. Diese Säulen sind erstens die gesetzliche Rente,
weitens die betriebliche Altersvorsorge und drittens die
usätzliche Vorsorge. Unsere Aufgabe ist es nun, Anpas-
ungen vorzunehmen, die weiterhin eine gerechte Vertei-
ng garantieren. Renten müssen ein Spiegel der Er-
erbsphase bleiben.

Wir haben gestern Abend in erster Lesung den Ent-
urf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzkraft der
ommunen beschlossen. Das ist ein richtiger Weg, weil
ie Kommunen dadurch entlastet werden. Der eine oder
ndere hat dabei im Vermittlungsausschuss mitgewirkt;
uch das will ich nicht verhehlen. Ich sage das, weil die
rundsicherung im Alter, die der Bund in den nächsten

ahren komplett übernehmen wird, selbstverständlich
eiterhin als steuerfinanzierte Fürsorgeleistung erhalten
leiben soll, um all denjenigen, denen keine ausreichen-
en Mittel zur Verfügung stehen, auszuhelfen.

Zusätzlich müssen allerdings gesellschaftlich rele-
ante Leistungen wie Kindererziehung und die Pflege
on Angehörigen entsprechend berücksichtigt werden.
as wird bei den Beitragsbemessungszeiten der Zu-

atzrente in dem neuen Rentenmodell erfolgen. Insbe-
ondere Frauen erfahren im bisherigen Modell Be-
achteiligungen. Außerdem sollen Niedrigverdiener
der Menschen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachge-
en und privat vorgesorgt haben, besser gestellt werden
ls die, die wenig gearbeitet und nicht vorgesorgt haben.


(Elke Ferner [SPD]: Oder Vollzeit gearbeitet und nicht vorgesorgt haben!)


Frau Ferner, Sie sprechen doch gleich.


(Elke Ferner [SPD]: Ich stimme mich schon mal ein!)


rivate und betriebliche Vorsorge muss sich auch für Ge-
ngverdiener lohnen. Hier gilt es, existierende Fehl-
nreize auszuhebeln.

Wie genau diese Probleme zu lösen sind, wird der
Regierungsdialog Rente“ bis Ende des Jahres erarbei-
n. Es ist wichtig, die Ergebnisse gemeinsam mit Exper-
n und Verbänden zu entwickeln. Die Zuschussrente,
ie unsere Bundesministerin 2013 einführen möchte,
erspricht einen guten Lösungsansatz. Damit sollen die-
nigen ein monatliches Nettoeinkommen von 850 Euro
nd damit deutlich mehr als in der Grundsicherung er-
alten, die „jahrzehntelang gearbeitet und eingezahlt …,
rzogen und gepflegt und dabei zusätzlich privat vorge-
orgt“ haben, um unsere Ministerin zu zitieren. Das ist
er richtige Weg.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte
ie, auch die Kolleginnen und Kollegen in der Opposi-
on, im Interesse unserer Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmer konstruktiv an diesem Dialog mitzuwirken.





Paul Lehrieder


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Eine kluge Rede! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind immer konstruktiv! – Gegenruf des Abg. Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Ich habe es nur der Vollständigkeit halber hinzugefügt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713108300

Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1713108400

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!

Herr Lehrieder, Sie haben eben von Dialog gesprochen.
Ich glaube, man kann hier nicht von einem Regierungs-
dialog sprechen, sondern das ist eher ein Von-der-Leyen-
Monolog, zumindest so, wie es bisher angelegt war.


(Pascal Kober [FDP]: Mit mir hat sie heute gesprochen!)


Diese Zuschussrente ist die übliche Methode von
Frau von der Leyen: viel Wind, aber fast keine Wirkung;
mehr Schein als Sein. Außerdem hilft es nur wenigen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das trifft nicht zu! – Pascal Kober [FDP]: Das erinnert mich an Herrn Steinbrück! Reden Sie von Herrn Steinbrück?)


Vor allen Dingen ändert es nichts an den Ursachen, Herr
Kober. Die Gründe für Altersarmut kennen wir alle.
Menschen mit Erwerbsminderung haben im Alter ein
hohes Armutsrisiko. Langzeitarbeitslosigkeit ist ein gro-
ßes Armutsrisiko. Das Gleiche gilt für Menschen mit
niedrigen Löhnen und mit Minijobs. Das trifft auch auf
Selbstständige zu, zumindest dann, wenn die Tätigkeit
nicht wirklich erfolgreich ist und sie nicht entsprechend
vorsorgen können. Ein Grund ist auch eine schlechte
Qualifikation, weil diese zu einem geringen Einkommen
führt. Diese Gruppe ist häufiger von Arbeitslosigkeit be-
droht.

Dass Herr Tauber eben sagte, dass Menschen, die zu
zweit zusammenleben, ein höheres Einkommen und da-
mit ein niedrigeres Armutsrisiko haben, ergibt sich von
alleine. Aber das Partnerschaftsmodell als Mittel zur Be-
kämpfung von Altersarmut darzustellen, ist schon ein
bisschen skurril; das muss ich ehrlich sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Denn viele suchen es sich nicht selber aus, allein alt zu
werden. Ich finde: Egal, ob ein Mann oder eine Frau
alleine alt wird, ihre Rente sollte zumindest so aus-
kömmlich sein, dass sie nach langjähriger Arbeit und Er-
werbstätigkeit nicht zum Sozialamt oder zur Grundsi-
cherungsstelle gehen müssen.


(Beifall bei der SPD)


Wenn man die Ursachen kennt, dann muss man auch
fragen: Was tut Schwarz-Gelb, um die Ursachen zu be-
kämpfen? Nichts tun Sie.

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(C (D (Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gehen wir mal einen Schritt zurück! Was hat denn die SPD gemacht?)


ie würden am liebsten den Niedriglohnsektor und den
ombilohnbereich ausweiten.


(Pascal Kober [FDP]: Den haben Sie doch geschaffen!)


ie weigern sich ständig, über Mindestlöhne zu diskutie-
n oder sie gar einzuführen. Dass 8,50 Euro, ein Leben
ng verdient, nicht ausreichen, um eine altersarmuts-
ste Rente zu bekommen, ist wohl wahr.

Die Frage ist aber auch, welches Menschenbild man
at, nämlich ob man davon ausgeht, dass jemand sein
eben lang im Mindestlohnbereich bleibt, oder ob man
avon ausgeht, dass Menschen durch Leistung aufstei-
en können.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Daran glauben wir!)


etzteres ist unser Menschenbild.


(Beifall bei der SPD)


ie scheinen eher dem Menschenbild verhaftet zu sein,
ass jemand, der einmal Mindestlohn bezieht, immer im
indestlohn bleibt. Das ist der Unterschied zwischen Ih-

en und uns.


(Pascal Kober [FDP]: Sie wollen den Einstieg der Leute in den Arbeitsmarkt verhindern!)


Von Mindestlöhnen würden im Übrigen gerade
rauen profitieren. Denn über 70 Prozent der im Nie-
riglohnsektor Beschäftigten sind Frauen. Was aber tun
ie? Sie tun nichts. Auch Frau von der Leyen, obwohl es
ls Arbeitsministerin ihre originäre Aufgabe wäre, tut
ichts, um die Entgeltungleichheit zu beseitigen.

Wo bleibt denn die Initiative der Regierung, was die
eiharbeit, aber auch die Entgeltungleichheit zwischen
ännern und Frauen betrifft? Ich habe bisher noch

ichts dazu gesehen.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Das passt nicht zu ihrem Weltbild!)


Das passt nicht zum Weltbild. Das ist wohl wahr.

Es gibt auch kaum Initiativen zur Verbesserung der
ereinbarkeit von Familie und Beruf. Den Rechtsan-
pruch auf Kinderbetreuung ab 2013 haben wir in der
roßen Koalition durchgesetzt. Das ist aber immer noch
ein Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Auch das
at negative Auswirkungen auf die Möglichkeiten von
rauen, vollzeiterwerbstätig zu sein. Viele, die zurzeit
ilzeitbeschäftigt sind, würden lieber mehr Stunden ar-
eiten als bisher. Teilzeitbeschäftigung ist eine der Ursa-
hen von Altersarmut.

Eine andere Ursache ist, wie gesagt, die geringe Qua-
fizierung. Gerade in Zeiten, in denen es wirtschaftlich
esser läuft und mehr Menschen einer sozialversiche-
ngspflichtigen Beschäftigung nachgehen, sollte man

ich eigentlich mehr um diejenigen kümmern, die noch





Elke Ferner


(A) )


)(B)

keinen Anschluss am Arbeitsmarkt gefunden haben. Was
aber macht diese Regierung? Sie machen einen Kahl-
schlag in der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Sie haben zu verantworten, dass im nächsten und
übernächsten Jahr reihenweise Bildungsträger, die sehr
gute Arbeit für benachteiligte Menschen leisten, über die
Wupper gehen werden und dann, wenn sie dringend ge-
braucht werden, nicht mehr zur Verfügung stehen. Damit
haben Sie auch zu verantworten, dass insbesondere die-
jenigen, die Nachteile am Arbeitsmarkt haben, es dann
noch schwerer haben werden, wieder Anschluss zu fin-
den, und damit auch ein höheres Altersarmutsrisiko ha-
ben. Das haben Sie zu verantworten.


(Beifall bei der SPD)


Wenn man sich genauer mit der Zuschussrente be-
fasst, dann zeigt sich: Das ist ein Placebo. Es ist nichts
anderes als die Verlängerung des Kombilohns in die
Rente. Es ist nicht mehr als eine Kombirente.

Die Anreize gehen nicht unbedingt in die Richtung,
möglichst lückenlos und in Vollzeit einer existenzsi-
chernden Erwerbsarbeit nachzugehen; es wird vielmehr
der Anreiz gesetzt, Teilzeit zu arbeiten. Man kann sich
ausrechnen, ob man mit Minijobs unter Verzicht auf die
Versicherungsfreiheit und mit 5 Euro Riester-Rente im
Monat zu derselben Rente kommt wie eine Verkäuferin,
die Tag für Tag sechs Tage die Woche im Laden steht
und ihr Leben lang vollzeiterwerbstätig ist.

Sie riskieren damit auch ein Stück weit die Beitrags-
bezogenheit der Rente. Das ist dem Rentensystem insge-
samt mit Sicherheit nicht zuträglich.

Sie versuchen, möglichst wenige in den Genuss Ihrer
Zuschussrente kommen zu lassen. Das haben Sie vorges-
tern in Ihrer Antwort auf meine Frage auch zugegeben,
Herr Staatssekretär. Ich hatte gefragt, wie sich die Zu-
schussrente bei denjenigen bemisst, die unter Inkauf-
nahme von Abschlägen Rente beziehen. Dazu sagt die
Bundesregierung:

Die „Zuschussrente“ wird dann geleistet, wenn die
vollen Ansprüche aus der eigenen Alterssicherung
nicht ausreichen. Wer wegen der vorzeitigen Inan-
spruchnahme eine Rente mit Abschlägen bezieht,
kann ab dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine
„Zuschussrente“ erhalten, wenn er die Vorausset-
zungen erfüllt. Durch die „Zuschussrente“ sollen
allerdings die Abschläge nicht kompensiert werden.

Alles klar: Wer unter Inkaufnahme von Abschlägen
vorzeitig in Rente geht – warum auch immer –, be-
kommt natürlich keine Zuschussrente in Höhe von
850 Euro. Ihnen geht es gar nicht darum, möglichst viele
Menschen in den Genuss der Zuschussrente kommen zu
lassen. Vielmehr geht es Ihnen darum, etwas vorzugau-
keln, was es gar nicht gibt.


(Beifall bei der SPD)


Ihre Vorschläge sind wie immer mehr Schein als Sein.
Wir werden die Vorschläge aus unserem letzten Regie-
rungsprogramm noch einmal in den Bundestag einbrin-
gen. Wir werden auf unserem Parteitag im kommenden

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(C (D ezember über das Thema Rente ausführlich diskutieren nd entsprechende Maßnahmen beschließen. Dann weren Sie Gelegenheit haben, hier im Plenum darüber zu iskutieren. Ich hoffe, dass Sie sich bis dahin auf konrete Vorschläge einigen können. Entsprechende Druckachen liegen uns bislang nicht vor. Schönen Dank. Das Wort hat nun Nicole Bracht-Bendt für die FDP raktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ente ist ein Spiegelbild des Arbeitslebens. Den meisten entnern geht es heute gut. Altersarmut ist also aktuell ein verbreitetes Phänomen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713108500

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nicole Bracht-Bendt (FDP):
Rede ID: ID1713108600

er Anteil der Menschen im Alter von 65 Jahren und da-
ber, die auf Leistungen der Grundsicherung im Alter

nd bei Erwerbsminderung angewiesen sind, liegt nach
tzten Untersuchungen bei rund 2 Prozent der Alters-
ruppe. Zudem hat sich die Einkommenssituation der
lteren in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbes-

ert. Das bleibt aber wohl kaum so. Viele Jüngere haben
is zum gesetzlichen Ruhestand noch eine schwierige
egstrecke vor sich. Immer mehr Erwerbsbiografien

nthalten Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Selbstständig-
eit mit nur geringem Verdienst.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Große An-
age der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lässt Fragen
ur Altersarmut von morgen offen. Genaue Zahlen und
rognosen helfen allerdings auch nicht weiter, wenn wir
icht die Ursachen an den Wurzeln packen. Statt zu la-
entieren, müssen wir die Voraussetzungen verbessern,

m Altersarmut möglichst zu verhindern. Männer und
rauen müssen in der Lage sein, durch eigene Beitrags-
istungen ihr Auskommen im Alter zu sichern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eshalb setzt die FDP-Fraktion darauf, die betreffenden
enschen schnell wieder in Beschäftigung zu bringen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das gelingt uns sehr gut!)


as macht den Unterschied zwischen der christlich-libe-
len Koalition und den Oppositionsfraktionen aus.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Deshalb kürzen Sie die Arbeitsmarktmittel!)


Hören Sie gut zu! – Wir setzen auf Vorsorge, Sie auf
achsorge.





Nicole Bracht-Bendt


(A) )


)(B)


(Elke Ferner [SPD]: Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr habt schon brutto und netto verwechselt! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Ich nicht, Herr Kolb!)


Frauen sind von Altersarmut überproportional betrof-
fen. Durch familienbedingte Unterbrechungen, aber
auch durch Teilzeitarbeit – das wurde schon mehrfach
angesprochen – ist die Rente von Frauen häufig niedri-
ger als die von Männern.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, deutlich!)


Die FDP-Fraktion setzt hier auf bessere Aufklärung.
Frauen sollten sich nicht auf die Altersabsicherung durch
den Mann verlassen.


(Elke Ferner [SPD]: Richtig!)


Das Modell der Versorgerehe in einer Zeit, in der jede
zweite Ehe geschieden wird, ist ein Auslaufmodell.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und der LINKEN)


Ich halte es für unverzichtbar, schon in der Schule den
jungen Menschen dies klarzumachen. Sie müssen wis-
sen, dass sie schon in frühen Jahren an später denken
müssen. Gerade bei Frauen ist auch die Berufswahl ent-
scheidend. Klassische Frauenberufe führen bei Einkom-
men und Weiterbildung häufig in die Sackgasse.


(Elke Ferner [SPD]: Vielleicht liegt es an der Bezahlung!)


Lehrer und Eltern müssen jungen Frauen deutlich ma-
chen, dass Teilzeitarbeit über einen längeren Zeitraum
Abschläge in der Rente bedeutet.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In der Schule muss es losgehen!)


Altersarmut muss keine tickende Zeitbombe sein. Un-
ser Ziel muss sein, die Voraussetzungen zu schaffen,
dass alle im Alter weiter gut leben können, ohne junge
Generationen über Gebühr zu belasten. Die FDP hat da-
für klare Konzepte. Wer will, soll neben der Rente unbe-
grenzt hinzuverdienen dürfen. Zusammen mit unserem
Koalitionspartner haben wir die Hinzuverdienstgrenzen
deutlich ausgeweitet. Private Altersvorsorge muss sich
lohnen. Deshalb hat die Koalition hier schon gehandelt,
indem sie das Schonvermögen für die private Altersvor-
sorge von ALG-II-Beziehern verdreifacht hat; das ist
teilweise schon vergessen. Auf diesem Weg werden wir
weitergehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die FDP-Fraktion setzt daneben auf die Eigenverant-
wortung der Bürgerinnen und Bürger. Danach wird der-
jenige, der arbeitet und vorsorgt, immer besser gestellt
sein als derjenige, der nicht arbeitet und keine Vorsorge
trifft. Freiwillige Altersvorsorge muss sich auszahlen.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Als letztem Redner zu diesem Debattenpunkt erteile h Kollegen Frank Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion as Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713108700


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1713108800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Am Ende einer solchen Debatte sind wir doch
icht am Ende der Debatte, wie wir wissen; denn wir tre-
n in einen Dialog. Ich unterstütze das, was mein Kol-
ge Lehrieder gesagt hat, nämlich dass wir den Diskurs
ber dieses Thema pflegen wollen. Heute hatten wir eine
useinandersetzung, die teilweise scharf geführt wurde,
deren Verlauf aber doch Argumente auf den Tisch ka-
en, die in die Diskussion einzubeziehen sind.

Ich möchte, auch in Rückschau auf diese Debatte, ei-
ige Argumente, die mir wichtig sind, zusammentragen.
ir reden über die Antwort der Bundesregierung auf die
roße Anfrage der Grünen, die 278 Fragen umfasst. Das
t kein Thema, das uns, wie Sie vielleicht denken, nicht
ichtig wäre.


(Pascal Kober [FDP]: So ist es nämlich!)


ir wollen es aber auf eine andere Weise als Sie ange-
en. Ich habe sehr viel aus den Antworten der Bundesre-
ierung gelernt, ich habe aber auch aus den noch nicht
eantworteten Fragen – das haben Sie, Herr Strengmann-
uhn zu Recht angesprochen – gelernt. Wir werden die
ntworten auf diese Fragen suchen. Diese Fragen jetzt in
en Mittelpunkt zu stellen und sie dann quasi zu zer-
chießen, würde aber keinen Sinn ergeben.


(Elke Ferner [SPD]: Was heißt das denn?)


Zu Anfang der Debatte sagte mein Kollege Weiß: Es
uss in diesem Rentensystem eine auskömmliche Rente
r denjenigen geben, der einen Großteil seiner Lebens-

eit gearbeitet hat. – Das Thema der Rente darf aber
icht dazu missbraucht werden, Ängste zu schüren. Die
ngst, keine auskömmliche Rente zu erhalten, ist für
eute, die in den nächsten ein, zwei oder drei Jahren in
en Ruhestand gehen, unbegründet. Die Ängste werden
ielmehr unnötigerweise angeheizt.


(Beifall des Abg. Karl Schiewerling [CDU/ CSU])


Allerdings sehen wir, dass eine bedenkliche Entwick-
ng am Horizont auftaucht. Sie haben vorhin Zahlen ge-

annt und unterstellt, die Altersarmut sei jetzt schon
xistent. Wir leugnen die Zahlen – 1,8 Prozent in den
euen Bundesländern


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ist das Armutsrisiko bei 15 Prozent!)


nd 2,8 Prozent im Westen – nicht. Gleichwohl wird die
ngst geschürt und so getan, als ob Altersarmut schon
orhanden sei. Gestern habe ich einen Artikel in einer
ächsischen Zeitung gelesen, in dem dieses Thema be-
andelt wurde. So hieß es, Sachsens Senioren würden ir-
endwann unbezahlbar werden. Der Bericht als solcher





Frank Heinrich


(A) )


)(B)

war dann doch sehr konstruktiv, und es wurde gut argu-
mentiert; es dient aber dem Thema nicht, wenn solche
plakativen Äußerungen in den Mittelpunkt gestellt wer-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das dient der Erhöhung der Auflage der Zeitung!)


Lassen Sie uns also vorsichtig mit der Angst der Leute
umgehen. Wir wollen das Thema fair diskutieren und
dem Problem gerecht werden.

Lassen Sie mich auf die Definition der Armut einge-
hen, über die wir im Ausschuss schon verschiedentlich
diskutiert haben. Die Bundesregierung stützt sich bei der
Messung von Armut sehr stark auf die EU-Kriterien,
nimmt aber auch auf andere Indikatoren Bezug. Die Welt-
gesundheitsorganisation definiert denjenigen als arm, der
weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkom-
mens bezieht. Nach einer anderen Definition ist derjenige
arm, der weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens
hat. Lassen Sie uns bei solchen Definitionen vorsichtig
sein. Wir haben im Ausschuss schon öfter darüber gere-
det. Wenn jeder Bürger Deutschlands jetzt 1 Million Euro
erhalten würde, dann lebten einige Millionäre gemäß die-
sen Definitionen unterhalb der Armutsgrenze. Das muss
man also differenziert betrachten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ein Denkfehler!)


Die Ursachen einer möglichen Armutsgefährdung ha-
ben wir deutlich genannt. Da sind wir uns einig. Die
Hauptursache sind die Brüche in der Erwerbsbiografie.
Diese können mit geringen Einkommen oder Arbeitslo-
sigkeit einhergehen. Sie, Frau Krüger-Leißner, haben da-
rauf hingewiesen. Die Sorge, dass Niedriglöhne zu nied-
rigen Renten führen, ist berechtigt. Ich möchte aber noch
auf eine andere Sorge hinweisen. Gestern sprach ich mit
einem Herrn, der sagte, dass er es als Gipfel der Unge-
rechtigkeit empfinde, dass derjenige, der 35 oder 40 Jahre
gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt habe,
genauso viel Rente erhalte wie jemand, der nie einen Tag
gearbeitet habe, aus welchen Gründen auch immer. Man
darf also bei der Diskussion nicht nur eine Personen-
gruppe der Gesellschaft unter die Lupe nehmen.

Prognosen, wie sich Bedürftigkeit im Alter entwi-
ckeln wird – einige Fragen, die Sie an die Bundesregie-
rung gestellt haben, betrafen dieses Thema –, lassen sich
heute noch nicht seriös abgeben, obwohl wir diese be-
drohliche Entwicklung am Horizont sehr wohl ernst neh-
men. Dies hängt von der Beschäftigungs- und Einkom-
mensentwicklung ab und hat mit dem Erwerbs- und
Vorsorgeverhalten der Bürger zu tun. Da rechnen wir als
christlich-liberale Koalition mit Eigenverantwortung.
Uns ist wichtig, zu betonen, dass die Bürger zunächst
selbst verantwortlich sind und erst dann auf die Solidari-
tät der Gesellschaft zählen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Selbst dran schuld, wenn sie nicht genug haben, oder wie?)


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(C (D Eine Folgerung aus der Krise ist zum Beispiel, dass ie kapitalgedeckten Zusatzrentenversicherungssysteme ehr stabil geblieben sind. Sie haben die Wirtschaftskrise ehr gut überstanden. Bei uns wurden die Zusatzrenten anders als in anderen Staaten – nicht gekürzt. (Elke Ferner [SPD]: Dazu fällt einem nichts mehr ein, oder?)


Ein Thema, das in den Fragen, die Sie gestellt haben,
ehr stark zum Vorschein kam, ist die verdeckte Armut.
h habe versucht, mich zu erinnern: Sehr viele Leute

aben mir aus persönlicher Betroffenheit erzählt, dass
ie sich nicht trauen, zum Sozialamt zu gehen und Unter-
tützung zu beantragen. Ich habe verdeckte Armut oft
emerkt, aber zum letzten Mal vor 10 oder 15 Jahren,
inschließlich der Armut im eigenen Familienumfeld.
h höre davon in den letzten Jahren je länger umso we-

iger, weil Altersarmut inzwischen – das wird in einigen
ntworten zum Ausdruck gebracht – nicht mehr in dem
aße wahrgenommen wird.


(Elke Ferner [SPD]: Auf welchem Planeten leben Sie denn eigentlich?)


Hinsichtlich der Vermeidung von Altersarmut – da
preche ich nicht nur die Antworten der Bundesregie-
ng an, sondern auch die Pläne, die wir an der Stelle ha-

en – geht es sehr stark um Prävention und den Arbeits-
arkt, um die Stärkung und die Taten, die wir dort

ineingeben. Denn die Integration in den Arbeitsmarkt
hrt dazu, dass auf der einen Seite die Rentenkassen

tabiler werden und dass auf der anderen Seite am Ende
eit weniger Leute mit Brüchen in ihrer Erwerbsbiogra-
e zu tun haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as hat auch etwas – Sie haben es bereits gesagt – mit
er Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. Aber in
iesem Bereich sind schon Sachen auf den Weg gebracht
orden.

Was tut die Bundesregierung


(Elke Ferner [SPD]: Das fragen wir uns schon länger!)


r soziale Integration? Ich habe in meinem Wahlkreis
icht nur geförderte Projekte der Bundesregierung, son-
ern Projekte aus verschiedensten Bereichen der Gesell-
chaft. Ich halte das Problem der Altersarmut nicht nur
r ein bundespolitisches Thema; vielmehr hat die ganze
esellschaft darauf zu reagieren.

Als eine Forschungsmaßnahme möchte ich auf den
odularen Alterssimulationsanzug MAX zu sprechen

ommen. Man kann diesen Anzug anziehen, bekommt
och eine Brille und fühlt sich dann zehn Jahre älter.
ann darf man damit in Geschäfte gehen und das alles

us der Sicht eines älteren Menschen betrachten. Es wer-
en Möglichkeiten entwickelt, das Leben im Alter und
ie Schwierigkeiten, die damit einhergehen, schon jetzt
orherzusehen. In dieses Projekt fließen Fördermittel.
in weiteres Beispiel: Es soll ein Lehrstuhl für Demo-
rafie entstehen.





Frank Heinrich


(A) )


)(B)

Sie sehen: Wir forschen auf verschiedensten Gebieten
unserer Gesellschaft, um dem Thema Altersarmut so-
wohl finanziell als auch in vielen anderen Bereichen ge-
recht zu werden.

Zum Schluss noch etwas zum „Regierungsdialog
Rente“: Wir sind – das wissen wir aus den Statistiken –
der Staat Europas mit der ältesten Bevölkerung. Sach-
sen, woher ich komme, hat in Bezug auf den Alters-
durchschnitt die älteste Bevölkerung in Deutschland.
Man unkt, dass Chemnitz in 20 Jahren die Stadt mit der
ältesten Bevölkerung Europas sein wird. Aber das eröff-
net uns doch eine Chance, nämlich vor allen anderen et-
was zu entwickeln – samt der Sozialsysteme –, woran
sich andere dann messen können.

In Bezug auf das Thema Altersarmut sind wir jetzt so-
gar schneller, als wir am Anfang gedacht haben; denn
erst wollten wir eine Kommission einsetzen. Ich meine,
dass wir – um ein Bild vom Golfen zu bemühen –, mög-
licherweise schon beim Putten sind, während Sie gerade
erst zum Abschlag gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verstehe ich nicht! Ich spiele kein Golf!)


Ich glaube, dass wir schneller sind, als wir am Anfang
gesagt haben, und dies aus gutem Grund. Wir haben
nämlich begriffen, was unser Auftrag ist. Wir haben den
Regierungsdialog gestartet, werden ihn ernst nehmen
und gehen damit in konkrete Planungen.

Schlusswort. Die Vermeidung von Altersarmut ist
eine elementare Aufgabe staatlicher Sozialpolitik; wir
und auch die Regierung zeigen dies. Die Risiken, die im
Alter zu Armut führen können, sind bekannt. Deshalb
muss dieses Problem mit verlässlicher Arbeit und den
von den beiden liberalen Rednern genannten vorsorgli-
chen Maßnahmen angegangen werden. Es hat mit fairen
Löhnen und mit zusätzlicher privater Vorsorge zu tun.
Das sind unsere erklärten Baustellen bei diesem Thema.

Es ist uns wichtig, dass wir trotz der Tatsache, dass
die Erstellung von Studien eine lange Zeit, über ein Jahr,
in Anspruch nehmen kann, schnell unterwegs sind, ob
Ihnen das nun zu schnell geht oder nicht. Es wird also
eine Kommission arbeiten; das könnte langwierig sein.
Wir treten jetzt in einen Dialog ein, und wir werden ein
Ergebnis vorlegen. Die Umsetzung werden wir mithilfe
konkreter Maßnahmen machen. Dazu bedarf es aber
noch Antworten der Bundesregierung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713108900

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes

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(C (D – Drucksache 17/5894 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien – Drucksache 17/7170 – Berichterstattung: Abgeordnete Beatrix Philipp Dr. h. c. Wolfgang Thierse Reiner Deutschmann Dr. Rosemarie Hein Wolfgang Wieland Hierzu liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der raktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen or. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es dagegen iderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es so be chlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red erin der Kollegin Beatrix Philipp von der CDU/CSUraktion das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß icht genau, was Sie heute empfunden haben, als Sie in iner großen Berliner Tageszeitung lesen konnten – ich itiere –: … setzte er gemeint ist Roland Jahn – eine befremdliche Tradition fort: jetzt kommt es – Die Bürgerrechtler an der Spitze der Behörde scheren sich wenig um Bürgerrechte und nutzen ihr Amt, um politisch Missliebige ins Abseits zu stellen. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Abenteuerlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1713109000

h finde das empörend.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist eine Sauerei!)


s ist eigentlich eine Beleidigung aller Bürgerrechtler.

Jetzt O-Ton von Roland Jahn:

Wer einen Schlussstrich will, hat nicht begriffen,
dass Aufarbeitung nicht Aufrechnung ist. Aufarbei-
tung ist eine Investition in die Zukunft unserer De-
mokratie.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Damit hat er recht!)

o schreibt Roland Jahn in der evangelischen Wochen-
eitschrift Die Kirche unter der Überschrift „Der lange
chatten der Mauer“.


(Christoph Poland [CDU/CSU]: Genau so!)






Beatrix Philipp


(A) )


)(B)

Wir wollen keinen Schlussstrich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir novellieren heute zum achten Mal das Stasi-Un-
terlagen-Gesetz. Wer sich mit der Entwicklung des Stasi-
Unterlagen-Gesetzes beschäftigt hat, der wird erkennen,
dass dieses Gesetz ein herausragendes Beispiel für le-
bendige Demokratie ist. Es ist gewachsen und verän-
derte sich, sozusagen wie alles im richtigen Leben. Im-
mer wieder wurde das StUG an die Rechtsprechung und
an die Erfahrungen aus der Verwaltungspraxis ange-
passt. Es wurde aber eben auch an Erfordernisse angegli-
chen, wie sie sich aus der öffentlichen Wahrnehmung
und den Vorkommnissen ergaben, die ich beispielhaft
bei der ersten Beratung am 26. Mai dieses Jahres er-
wähnt habe.

Der vorliegende Gesetzentwurf steht also in der Kon-
tinuität der notwendigen Veränderungen. Was sind nun
diese Veränderungen und diese Neuerungen? Zum einen
verlängern wir die Dauer der Überprüfungsmöglichkei-
ten um weitere acht Jahre bis 2019. Denn: Immer wieder
zeigen neue Stasienthüllungen wie zum Beispiel in
Brandenburg und steigende Zahlen von Antragstellun-
gen, dass das Thema Aufarbeitung noch immer aktuell
ist.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: So ist es!)


Wie ich eingangs erwähnte, ist es auch anscheinend des-
wegen nötig, weil einige immer noch nicht wissen, wo-
rum es geht.

Zum anderen erweitern wir den überprüfbaren Perso-
nenkreis. So sollen Beschäftigte des öffentlichen Diens-
tes ab der Besoldungsgruppe A 9 bzw. ab der Entgelt-
grupe E 9, die eine leitende Funktion ausüben, von nun
an auf eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Stasi-
tätigkeit überprüft werden können. Außerdem werden
alle Beschäftigten unabhängig von ihrer Vergütungs-
gruppe dann überprüft, wenn – so das Gesetz – „Tatsa-
chen den Verdacht einer hauptamtlichen oder inoffiziel-
len Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der
ehemaligen DDR rechtfertigen“, Zitatende.

Dazu nenne ich ein aktuelles Beispiel. Nachdem An-
fang dieses Jahres bei der Brandenburger Polizei drei
neue Stasifälle ans Licht kamen, wollte der brandenbur-
gische Innenminister Dietmar Woidke, SPD, immerhin
Schutzbereichs- und Wachenleiter der Polizei auf eine
frühere Stasitätigkeit überprüfen. Das derzeitige StUG
ließ eine solche umfassende Überprüfung allerdings
nicht zu. Das heißt, der Innenminister wollte, aber er
durfte nicht. Deswegen ändern wir das jetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei den Schutzbereichsleitern stimmt das auch nicht! Die wurden überprüft!)


Nächstes Beispiel. Beim brandenburgischen Justiz-
minister Volkmar Schöneburg, immerhin Mitglied der
Linkspartei – das diskutieren wir jetzt nicht –, war die
Sachlage anders: Das StUG gab ihm die Möglichkeit,

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(C (D ichter und Richterinnen zu überprüfen; aber er lehnte ies ab, obwohl es in der Justiz neue und auch empönde Stasifälle gab, wie ich letztens schon einmal aus eführt habe. (Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Das können Sie nachlesen, wenn Sie es nicht wissen.
s ist sehr erstaunlich, dass Sie es nicht wissen.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wieso? Wir wissen das!)


uch das korrigieren wir.

Zurück zum Gesetzentwurf. Mit der neuen Regelung
orgen wir für Transparenz, für Integrität und für Ver-
auen in die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, so
ie Ulrike Poppe dies in der Anhörung ins Gedächtnis
ef. Ich zitiere: „Die Intention des ersten StUG war
icht, die Stasimitarbeiter und -spitzel zu bestrafen, son-
ern das Vertrauen in die demokratischen Institutionen
u ermöglichen“, Zitatende. Das ist richtig so, und es ist
uch so geblieben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren von der SPD und von
ündnis 90/Die Grünen, im Grundsatz war das ja wohl
uch Ihre Meinung. Ich zitiere aus der Begründung Ihres
nderungsantrages:

Vertrauen ist das Grundkapital unserer rechtsstaatli-
chen und demokratischen Ordnung. Solches Ver-
trauen kann erschüttert werden. Dann muss es die
Möglichkeit geben, angemessen zu reagieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christine Lambrecht [SPD]: Bei Anlass!)


ehr richtig. Das tun wir auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber Sie ziehen die falschen Schlüsse. Sie argumen-
eren, dass Wissenschaftler und Journalisten solche Sta-
ifälle schon aufdecken würden; alles andere wäre ein
eneralverdacht oder unverhältnismäßig. Wenn man
iesen Gedanken zu Ende denkt, heißt das, dass der
ienstherr auf mehr oder weniger zufällige Enthüllun-
en von Journalisten und Wissenschaftlern angewiesen
nd eben nicht mehr Herr des Verfahrens wäre.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nun nicht in dem Änderungsantrag!)


as halten wir einfach für überhaupt nicht akzeptabel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Reiner Deutschmann [FDP]: Denunziantentum!)


h denke, dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
urchaus zuzumuten ist, sich überprüfen zu lassen. Auf
ine Überprüfung kann eben noch nicht verzichtet wer-
en, wie wir gesehen haben.





Beatrix Philipp


(A) )


)(B)


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag! Bis alle Schnipsel zusammengesetzt sind!)


Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen und
Wochen wurde in den Medien eine geplante Änderung
im Stasi-Unterlagen-Gesetz besonders kontrovers disku-
tiert. Die christlich-liberale Koalition spricht sich mit
dem neuen § 37 a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ganz
klar gegen eine Beschäftigung von ehemaligen Stasimit-
arbeitern bei der Stasiunterlagenbehörde aus. Die Vor-
stellung, in der Stasiunterlagenbehörde früheren Peini-
gern begegnen zu können, ist den Opfern, aber auch der
Öffentlichkeit überhaupt nicht zu erklären.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Lambrecht [SPD]: Das hat schon mal anders ausgesehen!)


– Diese alte Debatte möchte ich hier eigentlich nicht
wieder aufwärmen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das glaube ich!)


Aufgrund der einzigartigen Funktion dieser Behörde,
nämlich der Aufarbeitung, halten wir es für richtig, Sta-
simitarbeiter woandershin zu versetzen, wenn ihnen dies
zuzumuten ist.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist Ihnen unangenehm! Schäuble war es, der hat die dahin geschoben!)


Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit wird auf die per-
sönlichen und familiären Umstände ausdrücklich Rück-
sicht genommen. Ich kenne niemanden, der nicht ver-
wundert ist, wenn er zum ersten Mal hört, dass in der
Aufarbeitungsbehörde, also in der Stasiunterlagenbe-
hörde, immer noch ehemalige Stasimitarbeiter tätig sind.
Mit der Novellierung bringen wir aber zum Ausdruck,
dass wir diese für Opfer unerträgliche Situation, natür-
lich unter rechtsstaatlichen Bedingungen, ändern wollen.
Wir setzen darauf, dass es zu einvernehmlichen Lösun-
gen kommt. Damit starten wir weder eine Hetzjagd, wie
gesagt wurde, noch sind wir von Rache geleitet, wie oft-
mals von verschiedenen Seiten behauptet wurde. Herr
Thierse, auch von Verfolgungsradikalismus kann eigent-
lich überhaupt keine Rede sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zum Vorwurf, es handele sich um eine Einzelfallrege-
lung: In Anbetracht von geschätzt 189 000 inoffiziellen
Mitarbeitern und fast 100 000 hauptamtlichen Mitarbei-
tern ist es völlig unzutreffend, hier von einer Einzelfall-
regelung zu reden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ja nur 45, um die es geht!)


Schließlich: Innen- und Justizministerium haben den
Gesetzentwurf geprüft und halten ihn für verfassungs-
konform.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das überrascht uns nun nicht!)


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(C (D h halte die Bedingungen, unter denen eine Versetzung rfolgen kann, wie sie in § 37 a des Stasi-Unterlagenesetzes formuliert sind, für absolut zumutbar. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713109100

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1713109200

Ich komme zum Schluss. Mehr Redezeit habe ich

icht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir die
onsequenzen aus der Anhörung im Kulturausschuss im

uni gezogen. Wir haben viele fraktionsübergreifende
emeinsamkeiten gefunden. Die beiden wesentlichen
nterschiede bleiben leider bestehen. Ich bedaure das

ehr. Vielleicht ist es aber doch noch möglich, zu einer
emeinsamen Aufarbeitung zu kommen und dafür ein
eichen zu setzen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selber nicht!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713109300

Für die SPD spricht nun der Kollege Dr. Wolfgang

hierse.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1713109400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

assen Sie mich ein wenig grundsätzlich und zugleich
ersönlich beginnen. Die Aufarbeitung der unseligen
rbschaft des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR
nd des SED-Staates insgesamt ist wesentlich für unser
emokratisches Selbstverständnis, so wie das auch für
ie Nazi-Erbschaft gilt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Diese Aufarbeitung ist seit 1990 gemeinsames Anlie-
en einer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestags.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Und soll es auch bleiben! – Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Dann darf man den Konsens nicht auflösen!)


Sie ist mir auch persönlich sehr wichtig. Ich war seit
990 an allen wichtigen Entscheidungen zu diesem
hema beteiligt. Ich habe mich 1990 in der Volkskam-
er für die Öffnung der Akten des Stasiministeriums

usgesprochen. Ich habe mich 1991 für die Errichtung
er Stasiunterlagenbehörde eingesetzt, und dafür, dass
iese Errungenschaft der friedlichen Revolution auch
eute noch existiert. Ich habe an allen Novellierungen
es Stasi-Unterlagen-Gesetzes mitgewirkt.





Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Das hat durchaus auch biografische Gründe. Ich
möchte zumindest einen Aspekt erwähnen. Ich bin auf-
gewachsen als Sohn eines Rechtsanwalts in der DDR.
Das heißt, ich bin aufgewachsen mit den Niederlagen
meines Vaters in politischen Verfahren. Ich will nur ein
Beispiel erzählen, das zu meinen frühesten politischen
Erinnerungen gehört.

Als im März 1953 Stalin gestorben war, rief ein Mann
im Suff auf dem Dorfplatz: Hurra, der größte Verbrecher
aller Zeiten ist gestorben. – Mein Vater hat diesen Mann
verteidigt. Er hat acht Jahre Zuchthaus bekommen. Ich
werde nie das Gesicht meines Vaters vergessen, als er
beim Abendessen mit Tränen in den Augen davon er-
zählte und sagte: Ich habe nichts für ihn tun können.

Wenn man so geprägt ist, wird man nie Kommunist.
Mein Vater hat Menschen verteidigt – wir haben in der
Nähe zur Grenze im Thüringischen gewohnt –, die ange-
klagt und verurteilt wurden wegen versuchter Republik-
flucht, wegen der Inanspruchnahme eines elementaren
Menschenrechts.

Ich erinnere daran, weil daher eine fast unstillbare
Sehnsucht rührt nach unbedingter Rechtsstaatlichkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Stasiunterla-
genbehörde das werden konnte, was sie heute ist, näm-
lich die zentrale Einrichtung zur Aufklärung von DDR-
Unrecht. Die nicht rechtsstaatlich zustande gekommenen
Stasiakten den Opfern, der Wissenschaft und der Öffent-
lichkeit zugänglich zu machen, dafür haben wir eine
rechtsstaatliche Ausnahmeregelung geschaffen. Mit ih-
ren drei Schwerpunkten, nämlich Aufarbeitung, For-
schung und Bildung über die Funktionsweise und Struk-
tur der SED-Herrschaft, erfüllt diese Behörde eine
unersetzliche Aufgabe. International ist sie zum Vorbild
für einen geordneten und zukunftsweisenden Umgang
mit einer diktatorischen Vergangenheit geworden.

Dass die SPD für Aufarbeitung steht, daran darf und
kann kein Zweifel bestehen. Wir sind gegen einen
Schlussstrich. Lieber Kollege Kurth, Sie sollten nicht
das Gegenteil öffentlich behaupten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch die erneute Novellierung des Stasi-Unterlagen-
Gesetzes unterstützen wir. Die Überprüfungsmöglich-
keiten bis 2019 zu verlängern, halten wir für genauso
richtig, wie wir der Mehrzahl der Veränderungen im Ge-
setzentwurf ausdrücklich zustimmen.

Konsens herrscht darüber, dass auch ehrenamtliche
Bürgermeister, Kommunalvertreter und Bewerber für
ein Wahlamt auf eine Stasimitarbeit hin überprüft wer-
den können. Sinnvoll ist eine Vereinfachung des Zu-
gangs zu den Unterlagen für Wissenschaftler und Jour-
nalisten. Richtig sind auch Regelungen, die klar
umrissenen Personengruppen die Einsichtnahme in Ak-
ten erleichtern, beispielsweise Angehörigen Vermisster
oder Verstorbener.

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(C (D Über all diese Punkte sind wir uns mit den Koalitionsaktionen rasch und problemlos einig geworden. Denoch wird die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetes erstmals ohne breite parlamentarische Mehrheit erabschiedet werden. Ich bedaure dies sehr. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!)


it zwei Vorschlägen nämlich sind die Koalitionsfrak-
onen so weit über das Ziel hinausgeschossen, dass we-
er SPD noch Bündnis 90/Die Grünen zustimmen kön-
en. Unser Änderungsantrag spiegelt dies wider.

Dissens herrscht zum Ersten über die Ausweitung des
berprüfbaren Personenkreises im öffentlichen Dienst,
ie Schwarz-Gelb das will. Eine Überprüfbarkeit ohne
ie Voraussetzung eines auf tatsächliche Anhaltspunkte
estützten Verdachts lehnen wir ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer ist diese Re-
elung schlicht unverhältnismäßig. Die vergangenen
wei Jahrzehnte müssen bei der Beurteilung einer Person
nd ihrer Tätigkeit genauso zählen wie das möglicher-
eise moralisch falsche Handeln in der DDR zuvor.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


eine Grundüberzeugung lautet – Kollegin Philipp hat
s ebenfalls zitiert –: Vertrauen ist eine wesentliche
rundlage rechtstaatlicher Demokratie – Vertrauen in
ie Veränderbarkeit von Menschen. Dieses Vertrauen
ann enttäuscht werden. Wenn dies geschieht und An-
altspunkte den Verdacht auf eine Tätigkeit für das MfS
ahelegen, dann – und nur dann – muss die Überprüfung
r alle Beamten und Angestellten im öffentlichen
ienst möglich sein.

Diese Überprüfung dient allen. Sie liegt im Interesse
er arbeitgebenden Behörde, der Öffentlichkeit und
icht zuletzt der verdächtigten Person selbst. Deshalb
aben wir vorgeschlagen, immer dann die Überprüfung
öglich zu machen, wenn ein begründeter Verdacht vor-
egt, unabhängig von Funktion und Entgeltgruppe des
etroffenen. Das war unser Vorschlag, auf den Sie leider
icht eingegangen sind.

Dissens herrscht zum Zweiten über die Einführung ei-
es de facto rückwirkenden Einzelfallgesetzes, mit des-
en Hilfe sich die Koalitionsfraktionen jener 47 ehemali-
en Stasimitarbeiter aus der Behörde entledigen wollen,
ie aber mittlerweile seit über zwei Jahrzehnten in dieser
ehörde arbeiten.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Schlimm genug!)


ie mögliche Begegnung mit früheren Tätern ist für Op-
r gewiss schwer erträglich. Wenn ehemalige Stasimit-

rbeiter in der Behörde Opfer von der Einsichtnahme
rer Akten abhalten, dann ist das ohne Zweifel ein gra-

ierendes Problem. Die ehemaligen Stasimitarbeiter sind





Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

aber unter Schäuble und Gauck eingestellt worden, weil
man sie damals zu brauchen meinte.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Erst mal befristet!)


Heute arbeiten diese Mitarbeiter seit über 20 Jahren in
der Behörde und haben sich nichts zuschulden kommen
lassen. Sie haben sich Vertrauensschutz in das Fortbeste-
hen ihrer Arbeitsverhältnisse erworben. Die Fürsorge-
pflicht der Behörde als Arbeitgeber gilt auch gegenüber
diesen Mitarbeitern.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Genau das beurteilen wir anders!)


Eine Lösung des Dilemmas kann es nur in rechtsstaat-
lich – also arbeits- und dienstrechtlich – einwandfreier
Weise geben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie muss gemeinsam mit den 47 Mitarbeitern gefunden
werden. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen da-
gegen schlägt einen verfassungsrechtlich wie rechtspoli-
tisch bedenklichen Weg ein. Wir lehnen ihn deshalb in
diesem Punkte entschieden ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
es ist übrigens eine Illusion, wenn man meint, möglichen
arbeitsrechtlichen Konflikten durch eine solche gesetzli-
che Regelung aus dem Weg gehen zu können.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Einvernehmlich! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann brauchen Sie es nicht in ein Gesetz zu schreiben!)


Wir lehnen diesen Gesetzentwurf auch in der Gewiss-
heit ab, dass eine andere Lösung des Problems möglich
ist. Dass die Bundesregierung in nachgeordneten Ein-
richtungen adäquate Arbeitsplätze für diese Mitarbeiter
anbietet, scheint mehr eine Frage des Wollens als des
Könnens zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dies entnehme ich der Antwort von Staatsminister
Neumann auf meine Anfrage von letzter Woche. Darin
hat er mitgeteilt, dass er jetzt bereit ist, 19 Stellen in
nachgeordneten Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.
Ganz ohne dieses Gesetz ist das möglich.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Dann stellen Sie doch einen ein! – Gegenruf der Abg. Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Jetzt sind Sie sprachlos!)


Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ist ein Kapitel
unserer Geschichte, das nicht abgeschlossen ist und auf
absehbare Zeit nicht abgeschlossen werden kann. Hier
bedarf es der nötigen Instrumente, gewiss, aber auch des
rechten Maßes. Angesichts der gegenwärtigen Diskus-
sionen und Einlassungen auch mancher Kollegen kann

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(C (D h mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Radikatät der Beurteilung der DDR-Geschichte mit der zeitlihen Distanz zustatt abnimmt. Nach meiner Überzeugung ist das notwendige Verauen in die Demokratie und ihre Institutionen nicht daurch zu gewinnen, dass ein latentes Misstrauen gegenber Mitbürgern ostdeutscher Herkunft in Gesetzen stgeschrieben wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ier entsteht über 20 Jahre nach dem Fall der Mauer
ine Schieflage; denn faktisch ist – auch wenn Sie ande-
s behaupten – nicht der 1958 in Mannheim Geborene

emeint, sondern der 1958 in Leipzig Geborene.


(Beifall bei der SPD – Iris Gleicke [SPD]: So ist das! Ganz genau! Das ist nämlich der Punkt! – Christoph Poland [CDU/CSU]: Nein! Das ist völliger Unsinn! Es geht um den Mannheimer! Eine öffentliche Falschmeldung!)


Um eine Formulierung aus dem Historikerstreit auf-
unehmen: Auch die DDR-Vergangenheit ist eine „Ver-
angenheit, die nicht vergeht“. Weitere Anstrengungen
leiben nötig, um diese Geschichte präzise und gründ-
ch zu erforschen und sichtbar zu machen. Akten müs-
en zugänglich bleiben. Die Aufklärungsarbeit und die
olitisch-historische Bildung bleiben wesentliche Auf-
aben der Zukunft. Aber, liebe Kolleginnen und Kolle-
en, dies alles sollte einer wichtigen Unterscheidung fol-
en, ohne die die historische und politisch-moralische
ufarbeitung schiefläuft: der Unterscheidung einerseits

wischen dem Urteil über das politische, wirtschaftliche,
eologische System, das falsch war und zu Recht ge-

cheitert und überwunden ist – dieses Urteil muss hart
nd entschieden sein –,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nd andererseits dem Urteil über die Menschen, die in
iesem System gelebt haben,


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Über die Täter, Herr Kollege, nicht über die Opfer!)


ie Biografien, die in diesem System gelebt worden sind,
ie nicht alle falsch waren und nicht alle gescheitert
ind. Dieses Urteil sollte sehr differenziert, behutsam
nd menschenfreundlich sein. Es geht um das rechte
aß.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb können wir dem Gesetzentwurf der Koalition
icht zustimmen. Ich lade Sie ein, dem ausgewogenen
nd maßvollen Änderungsantrag von SPD und Bünd-
is 90/Die Grünen zu folgen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713109500

Für die FDP hat jetzt das Wort der Kollege Reiner

Deutschmann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Reiner Deutschmann (FDP):
Rede ID: ID1713109600

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Lieber Roland Jahn, auch 21 Jahre
nach der deutschen Wiedervereinigung sind Opfer der
Stasi noch immer traumatisiert. Eine neue Langzeitstu-
die belegt, dass eine große Zahl der Opfer auch Jahr-
zehnte danach noch immer unter Angstzuständen und in-
nerer Unruhe litt und weiter leidet. Sie wurden durch
diesen Staat schikaniert, geprügelt und weggesperrt. Le-
bensläufe wurden zerstört, Karrieren verhindert und
Menschen gegeneinander aufgebracht.

Womit hatten die Opfer das verdient? Sie wollten
nichts anderes als ein Stück Freiheit im sogenannten Ar-
beiter- und Bauernstaat. Sie wollten sich nicht verbie-
gen; sie wollten ein selbstbestimmtes Leben. Das einfa-
che Verlangen nach Freiheit schien der Führung der
DDR und ihrem schärfsten Schwert, der Stasi, gefährli-
cher als der gemeine Schwerverbrecher. So wurden die
Opfer auch behandelt: wie Schwerstverbrecher. Dies ist
im ehemaligen Stasiuntersuchungsgefängnis in Berlin-
Hohenschönhausen zu sehen, wo die Opfer beispiels-
weise durch Dunkelhaft oder simuliertes Ertränken ge-
quält wurden.

Wenn wir uns dies klarmachen, wenn wir uns in die
Lage der Opfer versetzen, dann wissen wir, warum es in
Deutschland keinen Schlussstrich unter der Aufarbei-
tung des Stasiunrechts geben darf.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Neben der grundsätzlichen Verlängerung des Stasi-Un-
terlagen-Gesetzes bis 2019 verfolgt die christlich-libe-
rale Koalition zwei zentrale Anliegen:

Erstens wollen wir verhindern, dass die Täter von da-
mals Karriere im öffentlichen Dienst machen. Deswegen
haben wir die Überprüfungsmöglichkeit, und zwar auch
ohne Vorliegen eines Verdachts, auf die mittlere Lei-
tungsebene ausgeweitet. Der Vorschlag der Opposition,
nur bei einem konkreten Verdacht Überprüfungen zuzu-
lassen, ist aus unserer Sicht unangemessen. So hinge es
von Journalisten oder sogar von Denunzianten ab, ob zu-
fällig etwas über jemanden an die Öffentlichkeit gelangt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zweitens. Es darf nicht sein, dass Opfer der Stasi in
der für sie geschaffenen Behörde auf Täter von damals
treffen oder das Wissen haben, ihre Akten würden von
denen bearbeitet, die sie damals beschatteten. Ein Opfer
der Stasi sprach letzte Woche im ZDF-heute-journal da-
von, dass es ein Tritt in die Seele sei, zu wissen, dass
ehemalige MfS-Leute in dieser Behörde arbeiten. Des-
halb haben wir eine Regelung vorgesehen, die das unter-
sagt. Die dort verbliebenen Stasimitarbeiter sollen auf
gleichwertige Stellen in anderen Bundesbehörden ver-

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(C (D etzt werden. Dies ist unser ausdrücklicher politischer ille. (Zurufe von der CDU/CSU: Jawohl! – Genau!)


Zum ersten Punkt. Meine Damen und Herren von der
pposition, Sie werfen uns vor, mit der Ausweitung der
berprüfung würden Beamte und Mitarbeiter des öffent-
chen Dienstes unter einen Generalverdacht gestellt.
arum geht es nicht. Es geht vielmehr darum, eine Be-
ertung der Eignung für einen bestimmten Dienstposten
orzunehmen. Das ist eine Kannregelung, und diese gilt
owohl in den alten wie in den neuen Bundesländern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


erade in den alten Bundesländern besteht, denke ich,
iniger Handlungsbedarf.


(Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP])


Es geht um die Integrität des öffentlichen Dienstes.
azu kann zum Beispiel Brandenburgs Innenminister,
ietmar Woidke, zurzeit nur wenig beitragen; denn trotz
ieler Stasialtfälle im Land Brandenburg, beispielsweise
ei der Polizei, bliebe ein Überprüfungsantrag beim
StU nach geltendem Recht derzeit ohne Erfolg. Die
oalition sorgt dafür, dass dies ab dem 1. Januar 2012

nders ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!)


ir geben dem brandenburgischen Innenminister und
ielen anderen die Möglichkeit, den von Woidke so be-
eichneten Schatten des Verdachts von der Polizei zu
ehmen und das Vertrauen der Bürger wieder herzustel-
n.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der
PD, was ist los in Ihren Reihen? Ihr brandenburgischer
nenminister und die Landesbeauftragte, Ulrike Poppe,
ollen es. Sie stellen sich hier, im Bundestag, dagegen.

Nun zur zweiten Änderung der letzten Wochen. Uns
eht es bei der Umsetzung der stasibelasteten Mitarbei-
r nach dem neuen § 37 a Stasi-Unterlagen-Gesetz nicht
m Rache oder um Vergeltung. Es geht darum, einen
usgleich zwischen den Interessen der Opfer – die soll-
n wir vor allem im Blick haben – und der betroffenen
itarbeiter zu finden. Wir meinen: Kein Opfer sollte ei-

em ehemaligen Stasimitarbeiter in der Behörde des
StU gegenübertreten müssen oder das Gefühl haben,
ie Stasi säße immer noch in seinem Nacken, sei es im
rchiv oder auch nur an der Pforte. Dass Mitarbeiter bei
ollen Bezügen unter Wahrung aller Anwartschaften
ersetzt werden, gehört woanders zum normalen Behör-
enalltag. Das ist meiner Meinung nach auch von den
tasibelasteten Mitarbeitern beim BStU auszuhalten.


(Zurufe von der SPD)


Die Glaubwürdigkeit der Behörde ist angekratzt. Zur
ufarbeitung gehört, dass die Behörde einen respektvol-
n Umgang mit den Opfern pflegen kann. Das kann sie





Reiner Deutschmann


(A) )


)(B)

nur, wenn keine ehemaligen Mitarbeiter des MfS in die-
sem Haus tätig sind.


(Klaus Hagemann [SPD]: Und das fällt euch nach 20 Jahren ein?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713109700

Herr Kollege Deutschmann, erlauben Sie eine Zwi-

schenfrage?


Reiner Deutschmann (FDP):
Rede ID: ID1713109800

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713109900

Bitte schön.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713110000

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich stimme völlig mit Ih-

nen überein, dass es für die Opfer der Stasi, des SED-
Staates unzumutbar ist, in der Behörde, die diese Ange-
legenheiten untersuchen soll, ehemaligen Stasispitzeln
gegenüberzutreten. Darin stimmen wir völlig überein.
Sie wissen aber, wie lang die Einstellung dieser Perso-
nen schon zurückliegt, und Sie wissen, dass es Schuld
des Arbeitgebers und nicht der Betroffenen ist, dass sie
in dieser Behörde beschäftigt sind.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das macht es nicht besser!)


Der Arbeitgeber hätte doch längst, auf jeden Fall bis zur
Abfassung dieser Gesetzesnovelle, eine Lösung für die
Betroffenen finden können. Ich frage Sie nun: Wie
kommt es Ihrer Meinung nach an, wenn dieser Personen-
kreis jetzt kraft Ihres Gesetzes, dessen Verfassungsmä-
ßigkeit durchaus anzuzweifeln ist, in andere Bundesein-
richtungen versetzt wird? Wie stellen Sie sich das vor?
Welchem Stigma werden diese Personen ausgesetzt?
Halten Sie das für rechtsstaatlich vertretbar?


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist doch unglaublich! Jetzt sind wir auch noch für das Stigma verantwortlich!)



Reiner Deutschmann (FDP):
Rede ID: ID1713110100

Ich habe bereits gesagt, dass es unser politischer

Wille ist, dass dies geschieht, weil das den Opfern nicht
zuzumuten ist. Das ist unsere Sicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Hinsichtlich Ihrer Feststellung, dass dieses Problem ei-
gentlich schon 20 Jahre in diesem Land besteht, kann ich
Ihnen nur zustimmen. Man hätte in dieser Frage viel
eher handeln müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Höchste Zeit!)


Der Kollege Thierse hat angedeutet, dass man den
Weg der Freiwilligkeit hätte wählen müssen. Dazu sage
ich: Die Gespräche haben in den letzten Monaten statt-
gefunden. Es sind schon viel eher Angebote unterbreitet
worden. Es ist nur keiner darauf eingegangen. Gerade

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(C (D eshalb haben wir gesagt: Dann können wir nur diesen eg gehen. Jetzt muss es ins Gesetz. Wenn die freiwil ge Lösung nicht funktioniert, dann kommt unser politicher Wille so zum Ausdruck. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Also doch nicht freiwillig! – Burkhardt MüllerSönksen [FDP]: Im Geiste der Opfer! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wer hat denn vor 20 Jahren regiert? – Gegenruf des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Fragen Sie einmal Herrn Thierse!)


Sie glücklicherweise nicht mehr.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


err Thierse, Sie sprechen oft von gesellschaftlichem
usgleich und Versöhnung. Die Zeit mag die eine oder

ndere Wunde heilen. Aber aus unserer Sicht gibt es un-
r keinen Umständen eine Rechtfertigung dafür, dass in

inem Unrechtssystem Unrecht begangen wird.

Ich komme zum Ende meiner Rede. Wenn ich einen
unsch frei hätte, dann wünschte ich mir, dass mehr

tasitäter dazu bereit wären, sich ernsthaft und aufrichtig
ei den Opfern für die Dinge zu entschuldigen, die sie
nen angetan haben. Ohne eine solche Entschuldigung
erden ein Ausgleich und eine Versöhnung nur schwer-
ch möglich sein.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713110200

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Rosemarie Hein

r die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713110300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es

leich am Anfang zu sagen: Die weitere Auseinanderset-
ung mit der Geschichte ist für die Linke gerade wegen
rer eigenen Geschichte unverzichtbar.


(Beifall bei der LINKEN)


ie Aufarbeitung von Geschichte ist nicht nur wichtig
r die, die in der Zeit der DDR Nachteile erlitten und
nrecht erlebt haben und deshalb Genugtuung erwarten
nd zu Recht Rehabilitation einfordern, sie ist auch für
iejenigen wichtig, die in irgendeiner Weise Verantwor-
ng für erlittenes Unrecht tragen oder gar selbst Schuld

uf sich geladen haben. Wer nicht bereit und in der Lage
t, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, läuft Gefahr,

ie zu wiederholen. Das wollen wir nicht, und deshalb ist
ns an einer ehrlichen Aufarbeitung gelegen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke befürwortet eine tiefgreifende und differen-
ierte Aufarbeitung von DDR-Unrecht und die Anerken-
ung des durch dieses Unrecht zugefügten Leids und,
oweit das überhaupt möglich ist, eine Wiedergutma-





Dr. Rosemarie Hein


(A) )


)(B)

chung. Ich habe großen Respekt vor den Erfahrungen der
Menschen – Herr Thierse hat es eben angesprochen –, die
solche Sachen erlebt haben. Ich habe große Achtung vor
ihnen. Opfer der Staatssicherheit müssen darum – daran
führt kein Weg vorbei – dauerhaft ein Recht auf Akten-
einsicht haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Dennoch werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf
ablehnen, und ich möchte versuchen, Ihnen zu begrün-
den, warum.

Unsere Ablehnungsgründe werden durch mehrere
Gutachten von Sachverständigen gestützt, die im Bun-
destag angehört wurden.

Erstens. Mehrere Sachverständige kritisieren, dass
Sie die Geltungsdauer des Gesetzes nunmehr bis zum
Jahre 2019 ausweiten wollen. Dadurch wird die Über-
prüfungspraxis in Bezug auf Wahlämter und Mandate
sowie auf Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit allen
Folgen für die Betroffenen auf 30 Jahre nach der Wie-
dervereinigung ausgedehnt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Damit gehen Sie weit über die üblichen strafrechtlichen
Verjährungsfristen hinaus. Wir halten das für unange-
messen.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das ist kein Strafrecht! – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Einzelmeinung!)


– Das ist ja das Problem. Es ist nicht einmal Strafrecht,
es ist ein moralisches Recht,


(Reiner Deutschmann [FDP]: Genau! Das wirkt auch noch 20 Jahre danach!)


das Sie höher als Strafrecht werten.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir gehen davon aus – Sie offensichtlich nicht –, dass
auch Menschen, die Schuld auf sich geladen haben, zu-
gestanden werden muss, dass sie in den letzten 20 Jahren
dazugelernt haben, dass sie sich in der Demokratie ge-
wissermaßen bewährt haben. Ich finde, man sollte das
auch anerkennen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie wollen Ehrlichkeit, wir auch. Für mich wäre aber
wichtig, dass sich offizielle und inoffizielle Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter der Staatssicherheit heute ihrer
Verantwortung von damals stellen.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das tun Sie nicht! Lug und Trug! Das ist die Realität! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das machen sie aber nicht! – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Sie wollen eine Gesinnungsprüfung?)


Das aber erfahren sie nicht durch eine derartige Überprü-
fungspraxis. So werden der gesellschaftliche Dialog und

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(C (D ie notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzung it Unrecht nicht befördert, sondern eher behindert. Ein zweiter Grund. Sie erweitern den Personenkreis er Regelüberprüfung künftig auf alle leitenden Bechäftigten bis zur Entgeltgruppe A 9 bzw. E 9. Sie wein sie außerdem auf Wahlämter wie Ortsbürgermeister der Aufsichtsräte in öffentlichen Unternehmen aus. (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


r Gesetzentwurf sieht vor, dass alle diese Personen
ünftig ohne Anlass überprüft werden sollen. Auch das
önnen wir nicht nachvollziehen.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Natürlich können Sie das nicht nachvollziehen! Nestbeschmutzung? Wer will das schon machen! – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Ein Schelm, der Böses dabei denkt!)


Hören Sie mir einfach einmal zu. Ich habe Ihnen auch
ehr aufmerksam zugehört.

In einem Gutachten von Professor Weberling wird das
erechtigte Interesse betont, zu wissen, wen man wählt
nd wer für ein öffentliches Amt tauglich ist. Ich ver-
tehe das. Aber Regelüberprüfungen finden immer erst
ach der Wahl statt, und Mitarbeiter und Angestellte im
ffentlichen Dienst werden nicht gewählt. Ihr Ziel errei-
hen Sie über diesen Weg also nicht.

Auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sehen
ich viele leider immer noch nicht in der Lage, eine Ver-
trickung oder gar Schuld öffentlich zu bekennen, weil
ieses Bekenntnis auch heute noch zum Verlust des Ar-
eitsplatzes führen kann und damit eine existenzielle Be-
rohung bedeutet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das war auch für die anderen so!)


Eine offene und öffentliche Auseinandersetzung über
chuld und Verantwortung, ein gesellschaftlicher Dialog
arüber ist so nicht zu führen. Das bedarf einer anderen
esellschaftlichen Atmosphäre, und die schaffen Sie mit
ieser Gesetzesänderung nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein dritter Grund. Sie schaffen mit dem neuen § 37 a
es Stasi-Unterlagen-Gesetzes eine besondere rechtli-
he Regelung für eine sehr kleine Personengruppe.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Für eine große! Das ist nach vorn gerichtet!)


s geht um Personen, die seit 20 Jahren in der Stasiun-
rlagenbehörde arbeiten – und das offensichtlich zuver-
ssig; sonst hätte es ja andere arbeitsrechtliche Möglich-
eiten gegeben. Ihre frühere Mitarbeit im Ministerium
r Staatssicherheit war immer bekannt. Es gibt aus un-

erer Sicht auch heute keinen Grund, eine Versetzung in
ndere Behörden sozusagen per Gesetz zu verordnen.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Das ist gar nicht wahr!)






Dr. Rosemarie Hein


(A) )


)(B)

Wir halten das für verfassungsrechtlich höchst bedenk-
lich.


(Beifall bei der LINKEN – Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Falsche Information der Öffentlichkeit! Bewusst falsch!)


20 Jahre nach der Wiedervereinigung wäre es eigent-
lich an der Zeit, Frau Philipp, die Unterlagen des Minis-
teriums für Staatssicherheit in das Bundesarchiv einzu-
gliedern, so wie es ursprünglich beabsichtigt war.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und versenken dort!)


– Es geht eben gerade nicht darum, sie zu versenken,
Herr Wieland. Eine umfassende Aufarbeitung von Ge-
schichte bedarf nämlich nicht nur des Zugangs zu den
Unterlagen der Staatssicherheit, sondern auch des Zu-
gangs zu den Unterlagen der Parteien und Massenorga-
nisationen sowie des Staatsapparats. Die aber liegen
schon im Bundesarchiv.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine Zusammenführung der Archivbestände könnte
eine wissenschaftliche Aufarbeitung erleichtern, würde
sie gerade nicht erschweren. Schon jetzt steht im Gesetz,
dass der Zugriff auf diese Akten ermöglicht werden soll.
Den Zugang für die Opfer müsste man nicht erschweren.
Im Gegenteil: Man könnte sogar im Gesetz festschrei-
ben, dass es ein lebenslanges Recht gibt, in diese Unter-
lagen einzusehen.

Wir bitten Sie nachdrücklich, über eine Zusammen-
führung der Archivbestände in absehbarer Zukunft nach-
zudenken. Das würde den notwendigen gesellschaftli-
chen Dialog befördern, nicht verhindern; eine
Schlussstrich-Mentalität wäre das auch nicht.

Zum Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen
und SPD möchte ich noch sagen: Wir stimmen mit Ihnen
bezüglich der Streichung des neuen § 37 a überein. Wir
respektieren auch, dass Sie zumindest die Ausweitung
des Personenkreises im Zusammenhang mit der anlass-
losen Überprüfung zurücknehmen wollen. Wir würden
aber mit einer Zustimmung zu Ihrem Änderungsantrag
auch der Ausweitung der Fristen zustimmen, und das
können wir nicht. Deshalb wollen wir uns bei der Ab-
stimmung über den Änderungsantrag enthalten.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713110400

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege

Wolfgang Wieland das Wort.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713110500

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Frau Kollegin Hein, der Beitrag, den Sie hier ge-
leistet haben, war ein relativ maßvoller. Im Ausschuss
für Kultur und Medien haben Sie noch von Vergeltung
gesprochen. Hier haben Sie die Forderung „Man muss
doch endlich einmal alles aufarbeiten“ formuliert. Wenn
Sie dieser Meinung sind, dann sollte Ihre Partei einmal

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(C (D amit anfangen, und zwar bei den ganz grundsätzlichen ragen, wie es zum Beispiel mit dem Mauerbau war, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das tun wir auch!)


nd dann sollte Ihre Partei, die die Stasi als Schild und
chwert eingerichtet hat, sich einmal fragen, welchen
eitrag sie leistet,


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das wissen Sie doch viel besser!)


nd zwar täglich, zur Rehabilitierung der Spitzel und zu
eren gesellschaftlicher Aufwertung, indem sie sie in al-
n Etagen der Parlamente unterbringt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir können uns gern darüber unterhalten, was wir tun!)


Frau Enkelmann, es sind immer die Getroffenen, die so
chreien und so emotional sind. – Was Ihre jetzige Vor-
itzende, Frau Lötzsch, sagt, wenn sie zu den Alt-Tsche-
isten geht und über Rentenunrecht jammert, und was
re designierte Vorsitzende, Frau Wagenknecht, zur
DR zu sagen hat – der humanste Staat, den es in
eutschland je gab –, zu Walter Ulbricht und zu Erich
onecker, das sollten Sie einmal aufarbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: So funktioniert es nicht, Herr Wieland!)


Das Problem ist tatsächlich, dass es nach der friedli-
hen Revolution in der DDR – das ist wohl die einzige
evolution, von der man das sagen muss – ganz vielen
er Täter materiell besser geht als ganz vielen der Opfer.
as ist bitter; das weiß ich.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


as ist aber auch deswegen so, weil der Rechtsstaat Ra-
he und Vergeltung – darüber haben Sie noch in den
usschüssen geredet – nicht kennt. Er nimmt keine Ra-

he, er zahlt sogar Rente an die früheren Stasispitzel. Ja,
h weiß, dass das für viele Opfer sehr bitter ist. Ich sage
as ganz bewusst und erinnere an den folgenden Satz
on Bärbel Bohley: Wir haben Gerechtigkeit gewollt
nd den Rechtsstaat bekommen. – Dieser Satz ist von ei-
er sehr klugen und sehr mutigen Frau. Er hat mir aber
irklich noch nie gefallen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


enn wo soll sich Gerechtigkeit materialisieren, wenn
icht im Rechtsstaat? Nur dort geht es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)






Wolfgang Wieland


(A) )


)(B)

Nur dort haben wir die prozessualen und prozeduralen
Mittel.

Der Rechtsstaat sagt zum Beispiel auch, dass ein ver-
urteilter Mörder – Lebach-Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichtes – ein Recht darauf hat, dass die Zeitun-
gen ihn nicht mehr Mörder nennen. Der Rechtsstaat sagt
auch – das haben uns die großen alten Männer des Da-
tenschutzes Bull und Garstka in der Anhörung erklärt –,
dass er das Vergessen kennt und es beim Datenschutz
und an anderen Stellen sogar organisiert.

Wenn man das alles weiß, dann kann man nicht, je
länger der Untergang der DDR her ist, mit einem zuneh-
menden Furor – Heribert Prantl hat es so genannt – an
diese Fragen herangehen. Wir sind nicht mehr im Jahre
eins der deutschen Einheit, wir sind im Jahre 21 der
deutschen Einheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Kollegin Philipp, wenn Sie hier bedauern, dass
wir aus dem gemeinsamen Boot ausgestiegen sind, dann
muss ich Ihnen ganz deutlich sagen: Ausgestiegen sind
Sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Noch vor der Sommerpause haben Sie gesagt: Wir wer-
den das doch nicht mit der „Gruppe der 47“ belasten.
Nach der Sommerpause haben Sie es belastet. Dieses
Sondergesetz, sorry, halte ich in dieser Form für verfas-
sungswidrig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist ein Gesetz für 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter. Gleichzeitig nutzt es überhaupt nichts. Es schreibt
die geltende Rechtslage fest. Es macht die Arbeit nicht
einfacher.


(Zuruf von der FDP: Ist die geltende Rechtslage verfassungswidrig?)


Deswegen hat Wolfgang Thierse völlig recht, wenn er
sagt: Es geht nur im Einvernehmen, und es geht nur
dann, wenn die Bundesregierung andere Verwendungs-
möglichkeiten anbietet. Daran wird auch diese Formu-
lierung nichts ändern. Sie ist falsch und grundsätzlich
abzulehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum zweiten Streitpunkt. Wir sind Ihnen sehr weit
entgegengekommen; das muss ich einmal deutlich sa-
gen. Wir sind Ihnen in den vielen Verhandlungen, die
wir geführt haben, sehr entgegengekommen und haben
spontan den Vorschlag aufgegriffen, den Hubertus
Knabe als Sachverständiger in der Anhörung gemacht
hat. Dieser sieht vor, dass bei Verdacht jeder überprüft
werden kann, sogar ein Pförtner. Dadurch würde der Per-
sonenkreis also viel stärker ausgeweitet werden, als wir
es ursprünglich wollten. Das haben Sie abgelehnt; auch
das wollten Sie nicht machen.

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(C (D Nun sage ich ganz eindeutig: Auch Sie als CDU/CSU aben bei der Verlängerung im Jahre 2006 das Untersuhungsfeld auf Behördenleiter und entsprechende Funkonen eingeengt. Wenn Sie es jetzt so ausweiten, dann üssten Sie uns eine Begründung dafür liefern, warum as jetzt notwendig ist. tattdessen kommen falsche Beispiele aus Brandenburg. ie Schutzbereichsleiter in Brandenburg wurden nach em geltenden Gesetz überprüft. Woidke musste nur chtig vortragen, dann hat er die Akten bekommen. Anonsten könnte er in die Personalakten der Brandenburer Polizisten sehen, in denen das alles steht. Das hat um Beispiel auch den CDU-Innenminister Jörg chönbohm in Brandenburg nicht gehindert, diese Polieibeamten zu befördern – das nur einmal am Rande. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Zuruf von der FDP: Brandenburg!)


Wir haben Vertrauen in die integrative Wirkung des
echtsstaates. Wir sagen: Man muss auch eine 20-jäh-
ge unbeanstandete Tätigkeit, auch die von Polizeibe-
mtinnen und -beamten in Brandenburg, würdigen. Das
hlt mir bei Ihnen völlig. Sie beschäftigen sich nur mit
tasiverstrickungen. Diese dürfen nicht verniedlicht
erden. Aber es handelt sich hier um einen Abwägungs-
rozess. Sollte man eine zweijährige Ausbildung an ei-
er Stasihochschule, der keine berufliche Tätigkeit, son-
ern direkt eine Tätigkeit im Rechtsstaat folgte, so
ewerten, dass man sagt: Hier geht nichts mehr?

Roland Jahn hat, als er bei uns und im Ausschuss war,
eutlich gesagt, dass er zukünftig mehr die Abhängigkeit
er Stasi und das Verhältnis zwischen SED und Stasi in
en Vordergrund stellen möchte, um die Unwucht aus
ieser Debatte zu bekommen. Ich erinnere an Berghofer,
er deutlich gemacht hat, dass Modrow und Gysi seiner-
eit sagten: Wenn wir wollen, dass die Partei fortbesteht,
rauchen wir einen Schuldigen. Das ist die Stasi. Auf sie
üssen wir die Volkswut lenken. – Das ist ganz sicher so

ewesen. Aber wir alle sollten darauf achten, was der
und und was der Schwanz ist. So schlimm das, was die
tasi gemacht, auch war, sie hat es im Auftrag und mit
issen und Wollen – sie wurde dazu gegründet – Ihrer

artei getan.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Zum Schluss – ein ganz schlichter und einfacher Satz
ommt jetzt noch; er wird Ihnen nicht gefallen, aber er
t richtig –: Die Antwort auf die Stasi ist der Rechts-

taat. Oder, wie es Joachim Gauck ausgedrückt hat:
taatliche Verwaltung muss dem Recht gehorchen. We-
er Gutdünken noch Gutmeinen dürfen das Handeln lei-
n. – Das würde ich Roland Jahn gerne mit auf seinen
eiteren Weg geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das hat er gar nicht nötig!)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713110600

Das Wort hat jetzt der Kollege Marco Wanderwitz

von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1713110700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die jüngsten der verantwortlichen Täter der Jahre 1989
und davor sind heute Anfang/Mitte 40. Sie stehen also
noch richtig in Saft und Kraft. Sie werden uns im Rah-
men ihrer Berufsausübung noch die nächsten 20,
30 Jahre begleiten, möglicherweise in politischen Wahl-
ämtern, möglicherweise im öffentlichen Dienst. Genau
das ist der Grund, warum wir den Deckel nicht einfach
zumachen dürfen, sondern uns noch eine ganze Zeit lang
sehr genau damit befassen müssen, was damals passiert
ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nicht wenige dieser Täter – Kollege Deutschmann
hat es schon angesprochen – haben ganz konkret das Le-
ben von Menschen ruiniert, die Gesundheit von Men-
schen ruiniert, Familien kaputtgemacht und Berufschan-
cen kaputtgemacht. Diese Erfahrungen tragen die
Betroffenen ihr Leben lang mit sich herum. Sie haben sie
auch in den neuen Rechtsstaat hinübergerettet. Wenn
man beispielsweise kein Abitur machen oder nicht stu-
dieren konnte, dann hängt einem das ein Leben lang
nach. Der Täter von damals, der protegiert wurde und
aufgestiegen ist, profitiert sein Leben lang von dem, was
er damals für seine Tat bekommen hat.

Wir sagen zur Einzelfallprüfung absolut Ja. Natürlich
müssen wir genau hinsehen. Wir sind auch bereit, zu dif-
ferenzieren: zwischen den großen Tätern, denen, die
ganz vielen Menschen geschadet haben, und denen, die,
weil sie in einer Zwangslage waren, zwar mitmachen
mussten, aber keinem geschadet haben, die beispiels-
weise einen bestimmten Bericht geschrieben haben.

Aber: Trotz der Einzelfallprüfungen sind wir nicht be-
reit, kraft Zeitablauf so etwas wie eine Pauschalabsolu-
tion zu erteilen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Das will doch keiner! – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ja! Genau das ist nämlich die Absicht!)


– Herr Kollege Thierse, ich habe nicht in Ihre Richtung
geschaut, als ich das gesagt habe.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das will auch bei uns keiner! Das haben Sie bis heute nicht kapiert!)


– Das Problem an Ihrer Rede, Frau Kollegin, war: Der
erste Teil war die schöne Prosa. Aber ab der Mitte haben
Sie leider in jedem Satz das genaue Gegenteil davon ge-
sagt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist nicht wahr! Wir haben nur eine andere Auffassung von Geschichtsaufarbeitung!)



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(C (D Ich glaube, der Rest des Hauses hat das so wahrgeommen. Was leitet uns? Offenbar ist es uns nicht einmal anatzweise gelungen, alle Täter zu enttarnen. Die Aufareitung in der Behörde geht weiter. Es gibt beispielseise die sogenannte Schnipselmaschine, mit der es uns elingen wird, vernichtete, zerrissene Akten zu rekontruieren. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Auch das muss sein!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


s spricht ja eine ganze Menge dafür, dass in diesen Ta-
en einiges vielleicht planlos, anderes aber vielleicht
uch mit einem gewissen Plan vernichtet worden ist. Es
pricht auch einiges dafür, dass Handakten von aktiven
orgängen dabei waren und dass dort auch die Täter der
tzten Jahre – eben auch die jüngeren verantwortlichen
äter, die ich am Anfang meiner Rede beschrieben habe –
ermerkt waren. Genau deshalb, weil es neue Erkennt-
isse gibt, glauben wir, dass einiges dafür spricht, in ge-
issen Momenten, die sich anbieten – das kann zum
eispiel vor einer Beförderung auf einen noch verant-
ortlicheren Posten sein –, noch einmal hinzuschauen,
b da vielleicht doch mehr war.

Es geht nicht um die Privatwirtschaft, sondern es geht
m Klarheit bei Wahlämtern. Wenn im Angesicht einer
olchen Tat trotz alledem die Wahl stattfindet, dann muss
an das in der Demokratie akzeptieren. Wir wollen aber
larheit. Hinsichtlich des öffentlichen Dienstes steht da-
inter natürlich, wie Reiner Deutschmann schon gesagt
at, der politische Wille: Wir wollen dort keine Täter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nun will ich es einmal so sagen: Lieber Wolfgang
ieland, lieber Kollege Thierse, ich will der Versu-

hung, den Konflikt zu suchen, mit der ich vielleicht
ierhergekommen bin, widerstehen und einfach einmal
ersuchen, aufzuzeigen, wo die gedanklichen Unter-
chiede zwischen uns sind, weil ich glaube, dass wir den
uten Willen bei uns allen in diesem Hause sehen kön-
en.

Der erste Denkunterschied ist, dass Sie sagen, man
üsse die letzten 20 Jahre mit anschauen. Das verstehe
h. Wir reden aber zumindest vorrangig über Leute, die

ich 20 Jahre lang weggeduckt haben. Wir reden jetzt
icht über die 47, die noch immer in der Stasiunterlagen-
ehörde arbeiten, sondern über die, die unerkannt im öf-
ntlichen Dienst arbeiten, die bei der Einstellung gelo-

en haben und die wir bis jetzt noch nicht gefunden
aben.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: So ist das!)


ie haben sich 20 Jahre lang geduckt und werden jetzt
Vergleich zu denen, die nicht gelogen haben und da-

it nicht übernommen oder nicht eingestellt worden
ind, und denen, die wir gefunden haben, dafür belohnt,
ass sie weiter gelogen und sich weggeduckt haben. Das
ann ich nicht akzeptieren.





Marco Wanderwitz


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das darf nicht sein! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Sehr gut beschrieben!)


Der zweite Punkt, bei dem wir offensichtlich eine an-
dere Ansicht haben, ist der – ich nenne es einmal so –
Kollektivverdacht. Wenn ich in meinem Wahlkreis im
sächsischen Südwesten mit den Menschen über diese
Thematik rede, dann sagen mir die Opfer unisono: Gut,
dass ihr es so macht, dass ihr das noch einmal ausweitet,
dass ihr noch einmal genauer schaut und dass ihr nicht
aufhört. – Die, die nicht konkret betroffene Opfer, aber
eben auch nicht Täter waren, sagen: Ich fühle mich
durch diese Regelung in keinster Weise stigmatisiert;
denn sie dient der Findung der Täter. Das könnt ihr gerne
so machen.


(Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Es mag ja vielleicht sein, dass die Menschen bei mir
zu Hause anders ticken – ich weiß es nicht –, aber in
meinem Wahlkreis ist das jedenfalls die Meinung der
Menschen, und das leitet mich.

Widerstand in der Diktatur muss sich lohnen. Wir ha-
ben gesagt, wie schwer es ist, zumindest ein bisschen
von dem wiedergutzumachen. Norbert Röttgen spricht
hier und da ganz gerne davon, dass man Politik durch die
Brille der Kinder machen soll. Das gefällt mir grundsätz-
lich sehr gut. In dieser Debatte hier will ich das einmal
ein bisschen umformulieren: Wir versuchen – ich lade
noch einmal herzlich dazu ein, den Gedankengängen, die
ich geäußert habe, näherzutreten –, Politik durch die
Brille der Opfer und nicht durch die Brille der Täter zu
machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713110800

Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Kurth für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1713110900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kollegen von der Opposition, ich hatte mir
heute auch mit Blick auf die Rednerreihenfolge und die
Redezeit vorgenommen, nicht auf die inhaltlichen
Punkte einzugehen, sondern Sie noch einmal aufzufor-
dern, Ihre Fehlentscheidung – Sie begehen hier einen
Fehler – zu revidieren und zuzustimmen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Ein guter Einstieg!)


Ich habe mir vorgenommen, dass außer der Linken
alle anderen vier Fraktionen in diesem Haus gemeinsam
und geschlossen vorgehen und dass wir uns nicht wegen
der Details, die Sie vorgebracht haben, auseinanderdivi-
dieren lassen;


(Christine Lambrecht [SPD]: Der Rechtsstaat ist kein Detail!)


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(C (D enn man kann sie entkräften. Sie sind widerlegbar und idersprüchlich. Sie stehen unter einem Rechtfertigungsdruck. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Unsinn!)


ie müssen der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den
pfern erklären, warum Sie erstmals Ihre Zustimmung

u einer Änderung dieses wichtigen Gesetzes verwei-
ern und aus welchen Gründen Sie das machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Weil Sie es überfrachtet haben!)


ein Mensch versteht, warum Stasileute in der Stasi-
nterlagenbehörde arbeiten.


(Christine Lambrecht [SPD]: Warum wurden sie eingestellt?)


ie sollen – bei gleichem Arbeitsort, gleichem Gehalt
nd gleichen Rentenansprüchen – versetzt werden. Die
llermeisten Arbeitnehmer in diesem Land, die sich üb-
gens nichts zuschulden kommen ließen, können von
olchen Versetzungsgründen bzw. Versetzungsbedingun-
en nur träumen.


(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


ir bauen eine Luxusbrücke, über die man offensicht-
ch nicht bereit ist, zu gehen. Es wurden bereits Stellen
ngeboten. Soweit ich weiß, haben die Stasileute in der
tasiunterlagenbehörde abgelehnt.


(Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Daran ändert das Gesetz auch nichts!)


Freiwillig geht da keiner, Herr Thierse. Es ist auch ein
iderspruch, wenn Sie heute im Radio erklären, Sie

eien für die Versetzung der Mitarbeiter, und einen Satz
päter erklären, man müsse die letzten 20 Jahre berück-
ichtigen. Dann dürften Sie auch nicht für die Verset-
ung der Mitarbeiter sein. Das ist einer von vielen Wi-
ersprüchen.


(Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Nein!)


ie behaupten, es liege ein rückwirkender Gesetzentwurf
or. Das wird doch kein rückwirkendes Gesetz, sondern
ach vorne gerichtet. Das, was Sie sagen, ist falsch und
idersprüchlich. Wir wollen eine Sachlage klären, die in
ukunft so nicht mehr Anwendung finden wird. Sie,
err Thierse, spielen – das finde ich nicht in Ordnung –
st gegen West aus, obwohl Sie wissen, dass es sich hier
m ein gesamtdeutsches Gesetz handelt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


ie sagen – das hat Herr Wieland noch einmal wieder-
olt –, wir würden nur geltendes Recht wiederholen. An-
chließend erklären Sie, es sei verfassungswidrig. Das
eißt doch, dass die aktuelle Rechtslage verfassungswid-
g ist. Oder was? Auch das ist ein Widerspruch. Sie be-
aupten, es gehe um ein unzulässiges Einzelfallgesetz.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)






Patrick Kurth (Kyffhäuser)



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– Nein, es gilt für jeden. Wir legen endlich ausdrücklich
und allgemeingültig fest, dass es nicht sein kann, dass in
der Stasiunterlagenbehörde auch in Zukunft Exstasileute
arbeiten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind 45!)


Ich stimme da mit Ihrem Exparteifreund Otto Schily
überein, der sagte, dass dies unverständlich ist. Das ist es
ja auch. Unverständlich ist, warum ehemalige Stasimit-
arbeiter unbedingt in der Stasiunterlagenbehörde reso-
zialisiert werden müssen. Es gibt genügend andere zu-
mutbare Stellen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Auch in Bezug auf die Ausweitung der Überprüfung
gibt es nur Widersprüche. Sie fordern Nachsicht mit den
Stasileuten und Verjährung.


(Christine Lambrecht [SPD]: Wer fordert Verjährung?)


Aber Sie wollen – das geht nicht, wenn Sie diesen
Grundsatz wirklich konsequent weiterführen wollen –
trotzdem überprüfen lassen. Wenn Sie das konsequent zu
Ende denken würden, unter Berücksichtigung von Ver-
jährung usw., müssten Sie sagen: Schluss mit der Über-
prüfung. Wir vergeben und vergessen und nehmen keine
Überprüfung mehr vor.

Letztlich werfen Sie uns vor, wir hegten einen Gene-
ralverdacht. Dazu möchte ich Ihnen – den Begriff „Ver-
folgungsfuror“ haben Sie hier auch noch einmal erwähnt –
nur sagen: Sie geben jetzt praktisch das rechtsstaatliche
Instrument, dass der Rechtsstaat sich selber überprüfen
kann, in die Hände der Bürger bzw. der Presse. Das
heißt, wenn jemand einen Verdacht äußert, dann können
wir nach Ihren Vorstellungen auch überprüfen. Damit
fördern Sie ein Klima des Misstrauens. Sie fördern De-
nunziantentum.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


„Ich habe den Verdacht, dass mein Nachbar, der
schon immer an seinem Gartenzaun stand usw., mögli-
cherweise …“, diesen Verdacht spreche ich aus, setze
ihn in die Zeitung, und dann darf die Stasiunterlagenbe-
hörde untersuchen oder nicht untersuchen: Es kann nicht
im Sinne des Rechtsstaates sein, so etwas zuzulassen.
Deswegen bitte ich Sie noch einmal: Überdenken Sie, ob
Sie an der Stelle wirklich richtig liegen oder ob Sie nicht
doch zustimmen sollten. Ich kann Ihnen sagen, was an-
sonsten passieren wird: Wenn bei Unrechtsaufarbeitung
Verjährung einsetzt, hat man keine Nähe mehr zu dem
Thema. Dann ist man nicht mehr dran an den Themen,
es fehlt einem die Sensibilität. Dann schaltet man ir-
gendwann auch solche Anzeigen, in denen die Kanzlerin
– Deutschland 2011 – mit einem Satz von Walter
Ulbricht aus dem Jahr 1961 in Verbindung gebracht
wird: „Niemand hat die Absicht, …“ Ich bitte Sie: Kom-
men Sie davon weg und stimmen Sie heute zu.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Für die CDU/CSU hat jetzt der Kollege Stephan ayer das Wort. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! eine sehr geehrten Kollegen! Von der heutigen Debatte nd von der heutigen Abstimmung über das Stasi-Untergen-Gesetz geht wenige Tage vor dem Tag der Deut chen Einheit eine positive Botschaft aus: Es gibt weiterin keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung und ufklärung der schrecklichen und unmenschlichen Verrechen der Stasi in der DDR. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713111000

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1713111100

Das ist gut. Genauso gut ist, dass die Überprüfungs-
ist bis Ende 2019 verlängert wird und dass auch der
reis der überprüfbaren Personen auf die mittlere
ührungsebene erweitert wird, vor allem auch auf kom-
unale Wahlbeamte. Allein der Umstand, dass im ver-

angenen Jahr 89 000 Neuanträge an die Stasiunterla-
enbehörde gestellt wurden, zeigt, dass das Thema – ich
age: leider – nach wie vor hochaktuell ist und deshalb
eiterhin unsere Aufmerksamkeit benötigt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
er Opposition, Sie begehen in Ihrer Kritik an unserem
esetzentwurf meines Erachtens einen groben Fehler:
s geht hier nicht um strafrechtliche Aufarbeitung. Es
eht auch nicht um strafrechtliche Vergeltung. Es geht
m historische Aufarbeitung. Es geht um individuelle
nd moralische Verantwortung und Verantwortlichkeit.


(Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Moralische Verantwortung kann man nicht durch ein Gesetz regeln!)


Dafür darf und wird es auch kein Rückwirkungsver-
ot geben. Das ist der Grund, warum dieser Gesetzent-
urf beileibe nicht verfassungsrechtlich oder rechtspoli-
sch bedenklich ist, wie Sie, Herr Kollege Thierse,
ehaupten. Es ist eine neue Attitüde, bei jedem Gesetz
tereotyp zu behaupten, es sei verfassungswidrig und
an werde es in Karlsruhe überprüfen lassen. Ich for-

ere Sie auf: Machen Sie das! Lassen Sie das Gesetz in
arlsruhe überprüfen. Ich sage Ihnen ganz offen: Sie
erden Schiffbruch erleiden.

Herr Kollege Thierse, ich bin durchaus bei Ihnen,
enn Sie fordern: Man muss Vertrauen schaffen. Aber
an schafft Vertrauen nicht dadurch, dass man sich

lind stellt. Ich möchte hier mit Johannes 8, 32 sprechen:
nd ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit
ird euch frei machen. – Sonst sind Sie bei allen The-
en immer für größtmögliche Offenheit und größtmög-
che Transparenz. Transparency International ist Ihr
rößter Ratgeber und Befürworter. Warum sind Sie bei
iesem wichtigen Thema nicht für größtmögliche Offen-
eit und größtmögliche Transparenz?

Ich möchte ausdrücklich dem neuen Leiter der Stasi-
nterlagenbehörde, Roland Jahn, für seinen Mut und





Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)(B)

seine Tatkraft ganz herzlich danken. Er hat deutlich ge-
macht, dass es nicht angehen kann, dass weiterhin ehe-
malige Stasimitarbeiter in der Behörde arbeiten, die der
Aufarbeitung und der Aufklärung des Stasiunrechts
dient.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Herr Kollege Thierse, es ist, gelinde gesagt, euphe-
mistisch, wenn Sie erklären: Es ist für Opfer der Stasi
schwer erträglich, wenn sie ihren ehemaligen Tätern ins
Gesicht blicken müssen. – Ich muss Ihnen ganz ehrlich
sagen: Sie müssen sich einmal in die Situation dieser
Personen versetzen: Sie gehen in das Gebäude der Stasi-
unterlagenbehörde, und dort sitzen vorne freundlich lä-
chelnd als Pförtner diejenigen, die früher die Täter wa-
ren, die Sie ausspioniert, drangsaliert und schikaniert
haben, die Sie vielleicht sogar persönlich an Leib und
Leben erheblich bedroht und geschädigt haben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist Verleumdung!)


Das ist an Zynismus und Verhöhnung in keiner Weise zu
übertreffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen ist es vollkommen konsequent und richtig,
dass wir jetzt mit der gesetzlichen Änderung die Mög-
lichkeit zur Versetzung innerhalb der Bundesverwaltung
schaffen, um diesen unmöglichen Zustand, der derzeit
noch vorherrscht, zu beenden.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
Sie begehen meines Erachtens einen weiteren Fehler.
Mit der Fortschreibung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
ist kein Unwerturteil gegenüber den früheren Bewohne-
rinnen und Bewohnern der DDR verbunden. Auch wer-
den die ehemaligen Bürger der DDR nicht unter Gene-
ralverdacht gestellt, sondern es geht um die weiterhin
vorhandene und aus meiner Sicht dringend notwendige
Möglichkeit, dieses schreckliche Unrecht, das von Tau-
senden von Stasimitarbeitern in 40 Jahren verübt wurde,
aufzuarbeiten und aufzuklären.

Deshalb kann ich an Sie nur herzlich, aber umso drin-
gender appellieren: Steigen Sie wieder ins Boot ein!


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ausgestiegen!)


Noch haben Sie die Möglichkeit. Zeigen Sie Mut und
auch die Bereitschaft, an diesem gesamtgesellschaftli-
chen Thema weiterhin ernsthaft mitzuarbeiten. Dazu
möchte ich Sie kollegialerweise auffordern.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713111200

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

das Wort der Kollege Wolfgang Börnsen von der CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! m Ende dieser Debatte möchte ich für die Koalition ststellen: Einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung er DDR-Diktatur wird es mit uns nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit uns auch nicht!)

Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1713111300

ir stehen für eine Verlängerung der Arbeit der BStU
is 2019.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch! Das haben wir immer gesagt! – Christine Lambrecht [SPD]: Wir auch!)


90 000 Anträge jährlich beweisen: Es gibt einen gro-
en Bedarf an weiterer Aufklärung.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


underte von Bürgern wollen Woche für Woche wissen,
ie der Geheimdienst ihr Leben, ihren Beruf und ihre
amilie gewissenlos manipuliert hat.

In den vergangenen 20 Jahren hat es über 6,6 Millio-
en Anträge gegeben. Dahinter steckt millionenfaches
eid. Zu fast allen Vorschlägen, die heute beraten wer-
en, besteht zwischen vier Fraktionen fast Einigkeit. Nur
ie Linke will die brutale Vergangenheit der DDR ver-
essen lassen. Das ist typisch für die Linke.


(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist eine Unterstellung! Ich habe etwas anderes für die Fraktion gesagt!)


Bei unserer Anhörung über den Entwurf des neuen
tasi-Unterlagen-Gesetzes sprach sich die übergroße
ehrheit aller Experten für die Neufassung aus: für die

erlängerung der Frist der Überprüfung, für die Auswei-
ng des Personenkreises und für die Erweiterung der
ugangsrechte für Stasiopfer, Wissenschaftler und Jour-
alisten. Eine unterschiedliche Einschätzung gibt es nur
u den 47 Mitarbeitern, den Geheimagenten im Dienst
er DDR, die heute noch weiterhin im Behördendienst
tig sind. Wir lehnen eine weitere Beschäftigung dieser
itarbeiter mit Stasivergangenheit ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir als Gesetzgeber haben das Heft des Handelns in
er Hand. Die jetzt erzielte Lösung ist personal- und ver-
ssungsrechtlich geprüft. Das Gutachten von Weberling

estätigt diese Rechtsauffassung. Evelyn Finger hat in
rem Aufsatz in der Zeit noch einmal deutlich darauf

ufmerksam gemacht: Jetzt ist Zeit, zu handeln.

Die Rechtsstaatlichkeit wird gewährleistet. Die einsti-
en Mitarbeiter des MfS werden nicht entlassen, sondern
ersetzt. Roland Jahn hat vor seiner Wahl in allen Frak-
onen des Bundestages erklärt, worauf es ihm ankommt:
ie Behörde muss das Vertrauen der Bürger genießen.
ie muss in ihrer Arbeit glaubwürdig sein, und sie darf
ie die Leiden der Opfer vergessen.

Jetzt gilt es, Roland Jahn den Rücken zu stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Wolfgang Börnsen (Bönstrup)



(A) )


)(B)

Ihn erst im Parlament mit großer Mehrheit in sein Amt
zu wählen und ihn jetzt, wo es darauf ankommt, in dieser
entscheidenden Frage alleinzulassen, geht nicht.

Bereits die Einstellung von Stasispitzeln in eine Be-
hörde, die Stasivergehen aufdecken soll, war eine Fehl-
entscheidung.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihres Innenministers Schäuble!)


Sie war gewollt, weil man angeblich auf deren Fach-
kunde nicht verzichten konnte. Kritiker bezeichnen diese
Maßnahme zu Recht als naiv, leichtgläubig, folgen-
schwer und der Reputation dieser Behörde abträglich.

Jahrelang wurde der Sachverhalt unter der Decke ge-
halten. Erst Ende der 90er-Jahre erfuhr das Parlament
erstmalig von diesen Vorgängen. Man hatte nicht nur den
Bock zum Gärtner gemacht, sondern Brandstifter zum
Feuerlöschen eingesetzt. Das geht nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In die Arbeit der Behörde zog Misstrauen ein. Mit
diesem Misstrauen machen wir heute Schluss. Die BStU
muss von diesem Verdacht befreit werden. Die Umset-
zung erfolgt in fairer und gerechter Weise. Dem Einzel-
fall wird Rechnung getragen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht auch jetzt schon!)


Vergünstigungen wird es nicht geben. Das breite Ver-
trauen in die Behörde wird wiederhergestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir als Parlament waren zu lange zögerlich. Das gilt
für die Veröffentlichung der Rosenholz-Unterlagen über
die Auslandsspionage der Stasi ebenso wie für die Auf-
klärung über die zerrissenen Akten in 16 000 Säcken.
Auch hier ist Handeln geboten.

Die ganze Wahrheit muss auf den Tisch. Aufklärung
und Aufarbeitung dürfen kein Ende haben, wenn wir
eine Befriedung unserer Gesellschaft erreichen wollen.
Darum geht es, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Genau diese Zielsetzung leitet inzwischen 14 Partner-
organisationen der BStU weltweit. In 14 Ländern, in de-
nen es Militär- und Parteiendiktaturen gab, wird nach
dem Vorbild der BStU und mit großer Unterstützung aus
Berlin aufgeklärt und aufgearbeitet. Neu ist Ägypten
hinzugekommen. Insgesamt wird die BStU in ihrer Ar-
beit international anerkannt. Damit es so bleibt, hat das
Parlament, haben auch wir darauf zu achten, dass es kei-
nen Anlass zu Misstrauen gibt, dass unsere Behörde bei-
spielhaft arbeitet. Wir handeln auch im Sinne der Bür-
gerkomitees, die am 14. Februar 1991 als Erste einen
Entwurf für ein Stasi-Unterlagen-Gesetz vorgelegt und
gesagt haben: Es muss eine glaubwürdige Behörde sein,
die den Opfern gerecht wird.

Zeigen Sie heute Solidarität mit dieser Behörde! Zei-
gen Sie Solidarität mit den damaligen Bürgerkomitees!

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(C (D timmen Sie für eine kluge, weitsichtige und glaubwürige Vorlage der Koalition. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den raktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Enturf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unrlagen-Gesetzes. Der Ausschuss für Kultur und Meien empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf rucksache 17/7170, den Gesetzentwurf der Fraktionen er CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/5894 in der usschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änerungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnises 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7199 vor, über en wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsntrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der nderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Ko litionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke nd Zustimmung der SPD und der Grünen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt geennte Abstimmung über den Gesetzentwurf. Ich rufe zuerst Ziffer 4 Nr. 12 der Beschlussempfehng auf. Das betrifft die Einfügung eines § 37 a in das tasi-Unterlagen-Gesetz. Wer stimmt dafür? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Maßabe der Ziffer 4 Nr. 12 angenommen. Nun rufe ich die Maßgaben der Beschlussempfehlung nter den Ziffern 1 bis 3, Ziffer 4, soweit Nrn. 11 und 13 etroffen sind, und Ziffer 5 auf. Wer stimmt dafür? – Geenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls angeommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei nthaltung von SPD und Grünen und Gegenstimmen der inken. Schließlich rufe ich die übrigen von der Beschlussmpfehlung unverändert gelassenen Teile des Gesetzes uf. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Diese sind angenommen mit den Stimmen der oalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Linken und nthaltung von SPD und Grünen. Somit ist der Gesetzntwurf insgesamt in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf t mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angeommen. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 33 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Andrej Hunko, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Bedeutung von Whistleblowing für die Gesellschaft anerkennen – Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen – Drucksache 17/6492 – Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713111400




(A) )

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Rechtsausschuss
Petitionsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Kultur und Medien
Federführung strittig

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Kollegin Karin Binder von der Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713111500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Zivilcourage ist ein wichti-
ges Element unserer Demokratie und notwendig für eine
funktionierende Gesellschaft.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb hat die Linke einen Antrag zur Beratung mit
dem Titel „Die Bedeutung von Whistleblowing für die
Gesellschaft anerkennen – Hinweisgeberinnen und Hin-
weisgeber schützen“ vorgelegt. Noch gibt es keinen
wirklich zutreffenden deutschen Begriff für Whistleblo-
wing. Das Wort „Hinweisgeber“ trifft es nicht ganz.
Auch der Begriff „Informantenschutz“ ist nur eine unzu-
reichende Beschreibung. Deshalb reicht auch eine kleine
Änderung im BGB nicht aus, um das Thema zufrieden-
stellend zu behandeln. Wir meinen, dass Menschen, die
den Mut und die Courage haben, auf Missstände auf-
merksam zu machen, dafür nicht benachteiligt oder gar
bestraft werden dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Dies ist in unserer Gesellschaft aber fast die Regel.

Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen da-
mit rechnen, dass sie verleumdet werden, dass sie ge-
mobbt werden und dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren.
Dagegen können sie zwar klagen, aber unsere Arbeitsge-
richte versagen ihnen häufig den notwendigen Rückhalt
und Schutz.

Manche von diesen Hinweisgeberinnen und Hinweis-
gebern wurden für ihre Verdienste schon mit Medaillen
ausgezeichnet oder erhielten einen Preis, wie zum Bei-
spiel Miroslaw Strecker. Vielleicht erinnern Sie sich an
ihn: Ohne diesen Mann wäre der Gammelfleischskandal
vielleicht nie aufgeflogen. Als Lkw-Fahrer einer Spedi-
tion hat er beobachtet, wie seine Lieferung vom Empfän-

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(C (D er umetikettiert wurde, und so wurden aus Schlachtabllen plötzlich Dönerspieße. Ohne Herrn Streckers artnäckigkeit bei den Behörden wären vielleicht sogar enschen zu Schaden gekommen. Dazu kommt der ein eutige Betrug mit minderwertigen Lebensmitteln und er gravierende wirtschaftliche Schaden für viele unbeiligte Unternehmen. Auch Herr Strecker wurde danach Betrieb gemobbt und verlor seinen Arbeitsplatz. In wischen hat er glücklicherweise eine neue Stelle, und h wünsche ihm von hier aus alles Gute. Viele Arbeitgeber setzen sich ungern mit kritischen nd couragierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausinander. Sie versuchen, sie loszuwerden. Das macht ihen das deutsche Arbeitsund Beamtenrecht auch leicht. a wird schnell einmal ein gestörtes Vertrauensverhältis ins Feld geführt, und schon ist die Kündigung durch. o bezahlen viele Whistleblowerinnen und Whistlebloer für ihre Zivilcourage einen hohen Preis. Spricht sich as herum, brauchen wir uns über Duckmäusertum in nserer Gesellschaft nicht zu wundern. Aus aktuellem Anlass möchte ich diese Debatte auch utzen, um Sie auf das Schicksal eines jungen US-amekanischen Soldaten hinzuweisen: Bradley Manning. anning war im Irak stationiert. Er wurde im Mai 2010 nter dem Verdacht verhaftet, als Whistleblower der Inrnetseite WikiLeaks Videos zugespielt zu haben. Danter war jenes weltweit bekannt gewordene Video des S-Hubschrauberangriffs im Irak. Die Zuschauer mussn zusehen, wie die Besatzung gezielt auf Zivilisten choss und sie ermordete. Der junge Mann, dem dafür in Preis für Zivilcourage gebührt, sitzt stattdessen chon über ein Jahr in Haft, zeitweilig sogar in Isolaonshaft. Ihm wurde die Kleidung abgenommen. Er usste nackt auf dem Boden schlafen. Er soll vor ein ilitärgericht gestellt werden. Das kann für ihn die To esstrafe bedeuten. Ich bitte Sie dringend: Setzen Sie ich für das Leben dieses jungen Mannes ein. Er muss ntlassen und rehabilitiert werden. Ich bitte die Bundesregierung eindringlich, auf die S-Regierung und auf die Regierung Großbritanniens inzuwirken. Bradley Manning besitzt neben der amerianischen auch die britische Staatsangehörigkeit. radley Manning hat schlimmste Menschenrechtsverletungen an die Öffentlichkeit gebracht und erfährt sie nun elbst. Dieses Beispiel zeigt eindringlich, wie sehr es an er Zeit ist, Menschen mit Zivilcourage zu schützen. Die Linke will mit ihrem Antrag eine lange überfälge gesellschaftliche Diskussion anstoßen. Bereits seit ovember 2010 gibt es einen Beschluss der G-20-Staan zur Bekämpfung der Korruption. Kommen Sie bitte zum Schluss. )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713111600




(A) )


Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713111700

Noch zwei Sätze. – Dafür muss der Schutz von

Whistleblowern gesetzlich geregelt werden. Das sagt ein
Beschluss der G-20-Staaten.

Deshalb fordern wir die Bundesregierung heute auf,
uns bis zum Jahresende einen Vorschlag vorzulegen, da-
mit das Parlament genügend Zeit hat, die vielen notwen-
digen Gesetzesänderungen angemessen und qualifiziert
zu beraten.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713111800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gitta Connemann für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713111900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wiki-

Leaks ist spätestens seit dem letzten Jahr wohl jedem
von uns bekannt. Die Internetplattform war angetreten,
die Welt transparenter und damit vermeintlich auch bes-
ser zu machen. Zu diesem Zweck wurden mehr als
250 000 Berichte aus US-Botschaften aus aller Welt ins
Netz gestellt. Diese Enthüllung liegt übrigens neun Mo-
nate zurück.

Heute bedeutet die so gepriesene Transparenz für
mehr als 100 Informanten vor allem eines: Angst um
ihre Sicherheit und ein Leben in Angst.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn die Geheimnisträger müssen um ihre Sicherheit
fürchten. Bislang waren ihre Namen in den Botschafts-
depeschen unkenntlich gemacht worden. Jetzt allerdings
stehen die Originaltexte mit den Namen aller Geheim-
nisträger im Internet. Grund dafür war eine Datenpanne
bei WikiLeaks. Die bittere Erkenntnis lautet: Die Com-
puterexperten konnten nicht – ich wiederhole: nicht – die
Sicherheit der ihnen anvertrauten Daten gewährleisten.
Gerade diese enthüllten Enthüller sollen aber zukünftig
für gar nichts mehr haften, wenn es nach dem Antrag der
Linken geht, über den wir heute debattieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In ihrem Antrag fordern die Genossinnen und Genossen
nämlich den – ich zitiere:

Schutz von Medien und anderen Publizierenden
wie z. B. WikiLeaks, anderen Leak-Plattformen …
Personen, die Verschlusssachen erhalten und ver-
breiten, dürfen dafür nicht haftbar gemacht werden
können.

Ohne Ausnahme, niemals Haftung. Ich finde schon
das absolut unfassbar; denn Portale wie WikiLeaks wür-
den nach dem Willen der Linken zukünftig vollkommen
außerhalb des Rechts stehen, im Guten wie im Schlech-
ten. Das wäre der absolute Freibrief für jegliches Han-
deln; denn die Linken machen keinerlei Unterschied, ob
diese Plattformen selbst gegen Normen verstoßen oder

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(C (D enschen gefährden. Sie sollen alle Rechte haben, aber einerlei Pflichten, selbst wenn Menschen in Gefahr geten wie jetzt. Das finde ich unfassbar. Frau Connemann, erlauben Sie eine Zwischenfrage es Kollegen Jerzy Montag? Sehr gerne. Bitte. Danke schön. – Frau Kollegin Connemann, ich habe nen genau zugehört und möchte Sie gerne fragen, ob ie bei Ihren Überlegungen nicht reflektieren wollen, ass das, was Sie jetzt als so ungeheuerlich bezeichnet, ls eine Forderung der Linken betrachtet und hier dargegt haben, der geltenden Rechtslage in Deutschland ent pricht. Der Schutz von Dienstgeheimnissen unterliegt ei uns in Deutschland den Polizeibeamten sowie anden Beamten des Staates und in Ihrem Beispiel den US merikanischen Dienststellen. Wenn Informationen, die ls Geheim eingestuft sind, in die Hände von Journalisn gelangen und in Deutschland veröffentlicht werden, ann sind die Journalisten selbstverständlich nicht zu betrafen. Das ist die Rechtslage. eswegen frage ich Sie, ob Sie das eventuell ändern ollen. Das würde uns doch sehr interessieren. Lieber Herr Kollege Montag, natürlich ist mir das be annt. Wir beide sind Juristen und wissen sehr gut um ie Rechtslage, offensichtlich anders als die Antragstelr; denn sie beziehen die Haftungsfreistellung auf jeden, er den Hinweis gegeben hat, auf WikiLeaks und auch uf die Beamten, die diese Geheimnisse gegebenenfalls eitergetragen haben und damit unmittelbar Leben gehrden. Das heißt, nach heutiger Rechtslage kann man iese Beamten haftbar machen und bestrafen. Wenn sich ie Rechtslage aber zukünftig nach den Vorstellungen er Linken verändern würde, dann wären sie aus jeder aftung heraus. Das wäre unglaublich. (Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Bestrafung von WikiLeaks wollen Sie nicht!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713112000
Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713112100
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1713112200
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713112300

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713112400

Ich habe nicht über die Bestrafung von WikiLeaks ge-
prochen. Ich habe gesagt, dass ich die Beibehaltung der
trafrechtlichen Normen in dieser Form will.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses will es anders!)






Gitta Connemann


(A) )


)(B)

Noch schlimmer finde ich allerdings die Begründung.
Ich empfehle daher wirklich jedem, diesen Antrag zu le-
sen. Die Linke fordert nämlich die totale Haftungsfrei-
stellung mit der Begründung – ich bitte darum, jetzt ge-
nau zuzuhören –:

Jene Enthüllungsplattformen sind zugleich eine le-
gitime und zeitgemäße Erscheinungsform der vier-
ten Gewalt. Sie müssen auch rechtlich vor Übergrif-
fen …, gleich ob durch öffentliche oder private
Stellen, geschützt werden.

Als ich das las, war ich noch fassungsloser. Ich will
hier gar nicht mehr von der bewährten Gewaltenteilung
– Exekutive, Judikative und Legislative – sprechen. Da-
rüber müssen wir mit Ihnen auch nicht mehr reden. Das
alles scheint für Sie wirklich nur eine Petitesse zu sein,
weil Sie auf die Schnelle eine neue Gewalt – Sie spre-
chen von der vierten Gewalt – generieren. Das ist un-
glaublich.

In Ihrem Antrag, den Sie vorlegen, fordern Sie, dass
WikiLeaks als höchste Instanz vollkommen unantastbar
ist, obwohl in keiner Weise legitimiert. Ich sage Ihnen
allen persönlich, meine Damen und Herren von der Lin-
ken: Mir graut vor Ihrem Demokratieverständnis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Schon deshalb ist Ihr Antrag vollkommen unakzeptabel.
Das gilt auch mit Blick auf Ihr Rechtsverständnis. Dafür
gibt es einmal mehr die Note „mangelhaft“.

Im Mittelpunkt Ihres Antrags stehen die sogenannten
Whistleblower, also Informanten oder Hinweisgeber.
Sie, meine Damen und Herren von der Linken, fordern
in diesem Zusammenhang weitreichende gesetzliche Re-
gelungen. Anlass für Ihre Forderung war im Übrigen
nicht die jüngste Entscheidung des Europäischen Ge-
richtshofs für Menschenrechte in der Sache Heinisch.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Der Antrag war schon vorher da!)


– Das wollte ich gerade sagen. Es wäre gut, wenn Sie
mich ausreden lassen würden. – Die Entscheidung er-
ging erst nach Vorlage Ihres Antrages.

Sie stützen Ihren Antrag ausschließlich auf Wahrneh-
mungen. Danach sind Whistleblower, Informanten und
Hinweisgeber, nicht hinreichend geschützt.


(Kerstin Tack [SPD]: Was tun Sie denn für den Schutz?)


Dumm ist nur, dass Ihr Befund nicht stimmt. Das stelle
ich bei vielen Ihrer Anträge fest. Die Rechtslage ist so
– ich empfehle immer den Blick ins Gesetz, der die
Rechtsfindung erleichtert –,


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


dass ein Schutz besteht; das ist auch gut und wichtig. In
Deutschland gibt es entsprechende spezialgesetzliche
Regelungen, beispielsweise das Anzeigerecht in § 17
Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes.

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(C (D Kollegin Connemann, gestatten Sie eine Frage der ollegin Leidig? Auch gerne. Kollegin Connemann, Sie haben vielleicht zur Kennt is genommen, dass meine Kollegin in ihrem Beitrag eutlich gemacht hat, dass es durch die G-20-Beschlüsse ie Verpflichtung gibt, an einem Schutz für Whistlebloer zu arbeiten. Mit unserem Antrag, der explizit Anreung für eine Debatte sein soll, wollen wir dieses Thema oranbringen. Meine Frage lautet nun, ob Ihre Fraktion it irgendeinem Vorschlag, Gesetzentwurf oder Antrag iese Debatte konkret unterstützen und voranbringen ill. Meine Fraktion wird zunächst einmal abwarten, was ie G-20-Staaten tatsächlich beschließen. Denn anders, ls Sie es darstellen – das zeigt einmal mehr Ihre Ungeauigkeit, über die ich manchmal nur den Kopf schütteln ann –, ist Deutschland nach den Beschlüssen des Euroarates und der G-20-Staaten nicht verpflichtet, bis 2012 in Gesetz zum Schutz von Whistleblowern zu verabchieden. Ein Gesetz ist auch europarechtlich nicht geoten. Die Entschließung des Europarates aus dem Jahre 010 – auch darauf bezog sich Ihre Frage – ist eine unerbindliche Erklärung, die die Mitgliedstaaten lediglich azu einlädt, gesetzliche Regelungen zum Whistlebloing zu schaffen. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das war nicht meine Frage! – Kerstin Tack [SPD]: Sie wollen also nichts machen!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713112500
Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713112600
Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713112700
Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713112800

Frau Leidig, Sie können ruhig stehen bleiben. Ich
omme nämlich jetzt zu den G-20-Staaten. Ich finde es
emerkenswert, dass sich in diesem Haus Kollegen aus
er Opposition inzwischen zwar ständig zu Wort mel-
en, um Fragen zu stellen, sich aber dann hinsetzen, um
ie Antwort nicht bis zum Ende hören zu müssen. Sie
ind manchmal wie bockige kleine Kinder. Anders kann
h das nicht bezeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


enn Sie stehen geblieben wären, hätte ich Ihnen sagen
önnen


(Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])


Frau Kollegin, quaken Sie nicht dazwischen; hören Sie
u; auch das gehört zum Erwachsensein –: Das Gleiche
ilt für den im Jahr 2010 von den G-20-Staaten verein-
arten Aktionsplan gegen Korruption, von dem Sie ge-
de sprachen. Dieser Plan sieht unter anderem die
chaffung von Regelungen vor, die Personen vor Diskri-
inierung und Vergeltungsmaßnahmen schützen sollen.
uch diese Erklärung ist unverbindlich. Machen Sie
och einfach Ihre Hausaufgaben!


(Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])






Gitta Connemann


(A) )


)(B)

Wir waren bei den spezialgesetzlichen Regelungen.
Ich wiederhole es gerne, weil Sie sich damit offensicht-
lich nicht beschäftigt haben: In Ihrem Antrag gibt es
dazu kein einziges Wort, auch nicht zu § 4 g Abs. 1
Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz oder zu § 84 Betriebs-
verfassungsgesetz. Das alles sind Regelungen, die schon
einen spezialgesetzlichen Schutz beinhalten.

Im Übrigen werden in Deutschland Arbeitnehmer, die
den zuständigen Behörden echte oder vermeintliche
Missstände in Betrieben melden, darüber hinaus durch
die allgemeinen Regelungen des Kündigungsschutzge-
setzes geschützt. Schutz erfahren sie auch durch das ar-
beitsrechtliche Maßregelungsverbot. Danach darf der
Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen,
wenn der Arbeitnehmer seine Rechte in zulässiger Weise
nutzt. Das alles sind Regelungen, die wir heute haben,
die in Ihrem Antrag aber mit keinem einzigen Wort an-
gesprochen werden; das ist ja auch bequemer, als die be-
stehende Rechtslage als richtig aufzufassen. Dem liegt
ein interessantes Rechtsverständnis zugrunde.

Die Arbeitnehmer werden durch die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeits-
gerichts geschützt. Diese Gerichte erkennen schon heute
ein ungeschriebenes Anzeigerecht an:

Arbeitnehmer können sich an öffentliche Stellen wen-
den, wenn sie sich vorher ernsthaft um eine innerbetrieb-
liche Klärung bemüht haben und ihre Anzeigen nicht
leichtfertig erfolgen. Bei Straftaten mit schweren Folgen
für den Kollegen oder die Allgemeinheit kann auf eine
innerbetriebliche Klärung verzichtet werden. Keinesfalls
darf eine Anzeige mit dem Ziel ergehen, in erster Linie
den Kollegen oder Arbeitgeber zu schädigen. Die Recht-
sprechung berücksichtigt also die Interessen von Arbeit-
gebern und von Arbeitnehmern ausgewogen. Sie schützt
das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer auf der einen
Seite, und sie sichert auf der anderen Seite die innerbe-
triebliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Deshalb
existieren in vielen Unternehmen inzwischen interne Re-
gelungen; es ist anders, als in Ihrem Antrag dargestellt;
Sie beziehen sich auf eine inzwischen veraltete Untersu-
chung einer Unternehmensberatung. In Deutschland ha-
ben sich bereits viele Unternehmen entschieden, Whist-
leblowing betrieblich zu regeln, zum Beispiel die
Deutsche Bahn, Daimler, ThyssenKrupp, BASF, Vatten-
fall Europe, Hochtief, ABB Deutschland usw. usf., und
das immer im betrieblichen Miteinander.


(Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]: Selbstverpflichtungen sind immer unwirksam!)


– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Aber
dann bleiben Sie stehen und setzen sich nicht gleich wie-
der hin.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Darauf können wir auch verzichten!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713112900

Einen kleinen Moment. Das Wort erteile immer noch

ich.

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(C (D (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ja, Entschuldigung!)


ie ich sehe, wollen Sie, Frau Leidig, eine Zwischen-
age stellen, und die Kollegin Connemann gestattet das;
as habe ich jetzt verstanden.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713113000

Sehr gerne.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713113100

Ich habe die Zeit angehalten.

Frau Leidig, bitte.


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713113200

Ich möchte Sie fragen, woher Sie den Optimismus

ehmen, dass Selbstverpflichtungen von Unternehmen
u irgendwelchen nachhaltigen Ergebnissen führen.
enn man sich die Erhöhung der Frauenquote in Füh-
ngspositionen anschaut, dann stellt man fest: Trotz der
indestens zehn Jahre alten Selbstverpflichtung der gro-

en Unternehmen ist das Ergebnis gleich null.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1713113300

Ich habe nicht von der Selbstverpflichtung der Unter-

ehmen gesprochen, sondern von mehr; denn es handelt
ich um Betriebsvereinbarungen, Frau Kollegin. Sie soll-
n wissen – so viele rechtliche Kenntnisse traue ich Ih-
en zu –,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ass Betriebsvereinbarungen von den Kolleginnen und
ollegen in einem Betrieb eingeklagt werden können; es

ind einklagbare Rechte. Eine Betriebsvereinbarung ist
lso mehr als eine Selbstverpflichtung.

Ich habe zuvor die gesetzlichen Regelungen darge-
tellt, die heute schon greifen. Ich wäre dankbar, wenn
ie sich diese einfach einmal ansehen und zur Kenntnis
ehmen würden. Dann würden wir sicherlich zu einer
ersachlichten Diskussion kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Reiner Deutschmann [FDP] – Zuruf von der Linken: Wir kennen die!)


Das Abstellen auf Gutgläubigkeit allein, wie es auch
Ihrem Antrag gefordert wird, ist zwar wichtig, aber

öllig unzureichend. Es müssen belastbare Informatio-
en vorliegen. Wir müssen daran denken, dass eine An-
eige immer ein scharfes Schwert gegenüber dem Be-
offenen darstellt. Das ist übrigens nicht immer der
rbeitgeber, sondern manchmal auch der Arbeitnehmer.
eshalb dienen diejenigen Regelungen, die wir bis dato
aben, dem innerbetrieblichen Frieden.

Ich könnte noch vieles ansprechen. Unter anderem
önnte ich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs
r Menschenrechte in Sachen Brigitte Heinisch hinwei-

en. Dieser Fall wird sicher in den Folgebeiträgen ange-
prochen werden.





Gitta Connemann


(A) )


)(B)

Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
verpflichtet Deutschland nicht dazu, tätig zu werden.
Vielmehr war das ein Appell an die Arbeitsgerichte.
Diese Entscheidung war übrigens auch eine Bestätigung
der in Deutschland geltenden Beweislastregelung. Das
Gericht hat festgestellt, dass die deutschen Arbeitsge-
richte die Interessen in diesem Fall nicht abgewogen ha-
ben. Darin haben sie eine Verletzung von Art. 10 der
Europäischen Menschenrechtskonvention gesehen. Das
zeigt aber, dass das Ganze bei uns im Prinzip gut gere-
gelt ist und dass bereits heute die Möglichkeit besteht,
dagegen vorzugehen.

Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund der
Empfehlung der G-20-Staaten, die wir abwarten sollten,
glaube ich, dass wir uns noch über dieses Thema unter-
halten werden. Ich wünsche mir, dass wir diese Diskus-
sion dann auf einer anderen Ebene führen, nämlich auf
einer sachlichen und profunden, aber nicht auf einer lai-
enhaften Ebene, die letztlich nur dazu geeignet ist, ir-
gendwelche Stimmungen in den Medien aufzunehmen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713113400

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Tack für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Kerstin Tack (SPD):
Rede ID: ID1713113500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Brigitte Heinisch war eine verantwortungsbe-
wusste Mitarbeiterin. Als sie wegen Personalmangels
ihre Arbeit in einem Berliner Pflegeheim nicht mehr kor-
rekt erledigen konnte, informierte sie das Management.
Als es schlimmer wurde, hielt sie nach außen still, lehnte
aber intern die Übernahme jeglicher Verantwortung ab.

Als sie überarbeitet war, ging sie zuerst zum Arzt,
später zum Anwalt. Dieser wandte sich an die Heimlei-
tung, aber nichts passierte – anderthalb Jahre lang –, ob-
wohl auch der Medizinische Dienst der Krankenversi-
cherung Mängel beanstandet hatte. Daraufhin zeigte sie
ihren Chef an. Sie verlor ihren Job bzw. wurde entlassen –
aus wichtigem Grund.

Erfolglos versuchte sie, in Deutschland gegen die
Kündigung vorzugehen. Jetzt hat ihr der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte recht gegeben. Er hat
Deutschland wegen der Verletzung ihres Rechts auf Mei-
nungsfreiheit verurteilt und ihr Entschädigung zugespro-
chen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Zwar hätten die Vorwürfe gegen das Pflegeheim eine
rufschädigende Wirkung, aber – so stellt der Gerichtshof
fest – das öffentliche Interesse an Informationen über
Mängel in der Altenpflege überwiegt in einer demokrati-
schen Gesellschaft das Interesse eines Unternehmens am
Schutz seines Rufes. Das ist doch eine erstaunliche Be-
merkung und zudem eine knallende Ohrfeige für die

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(C (D undesregierung; denn das Urteil richtet sich gegen den taat und nicht gegen das Pflegeheim. Die Bundesregierung hat es trotz mehrfacher Ermahungen auch der Opposition versäumt, einen Gesetzenturf zum besseren Schutz von Informanten vorzulegen. ir alle kennen die Fälle, in denen engagierte und cougierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren An eigen den Schutz der Öffentlichkeit vor den Schutz des igenen Unternehmens gestellt haben, und das war richg so. Der Lkw-Fahrer, der 2007 den Gammelfleischkandal ins Rollen brachte, die Prokuristin, die Verstöße er damaligen DG Bank gegen Insiderregeln publik achte, der Revisor, der auf gefälschte Statistiken der rbeitsämter aufmerksam machte, sie alle verloren ihre obs. Wenn es um den Schutz von Informanten geht, ist eutschland im internationalen Vergleich längst abgeängt. Ob in der Parlamentarischen Versammlung des uroparats, beim G-20-Gipfel und in der Europäischen ozialcharta, überall werden wirksame Vorkehrungen r Whistleblower eingefordert. Andere Länder sind ngst viel weiter. Ob in Großbritannien, in Belgien, in rankreich, in Norwegen, in Rumänien, in den Niedernden und in den USA, überall dort gibt es bereits wirk ame gesetzliche Regelungen zum Schutz von Hinweiseberinnen und Hinweisgebern. Im Jahre 2008 – nach dem Gammelfleischskandal – gte der Bundeslandwirtschaftsund -verbrauchermiister Seehofer gemeinsam mit Olaf Scholz und Brigitte ypries einen Entwurf zur Stärkung des Informantenchutzes vor. Dieser Entwurf ist damals von der CDU/ SU-Fraktion strittig gestellt und zurückgezogen woren. Das ist schon deshalb skandalös, weil Bundesverraucherminister Seehofer zuvor den Lkw-Fahrer mit er goldenen Plakette des Bundeslandwirtschaftsminisriums für seine couragierten Dienste ausgezeichnet atte. Das Ganze hat er dargestellt als einen ganz weentlichen und bahnbrechenden Erfolg im Hinblick auf ie Vermeidung von Lebensmittelskandalen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben immer wieder, insbesondere im Zusam-
enhang mit dem Dioxinskandal Anfang dieses Jahres,

efordert, dass endlich ein vernünftiges Informanten-
chutzgesetz vorgelegt wird. Aber jedes Mal wurde das
den Reihen von CDU/CSU und FDP als Teufelswerk

ezeichnet, das zu Denunziantentum führe.

Ich frage deshalb die Regierungskoalition, warum sie
en Schutz des Leiters des Pflegeheimes, in dem Frau
einisch tätig war, vor den Schutz der bedürftigen Se-
iorinnen und Senioren und des Pflegepersonals stellen
ill.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Skandalös!)


h frage auch, warum denn Ihrer Meinung nach der
chutz des Fleischbetriebes, der vergammeltes Fleisch
usliefern wollte und damit unabsehbar viele Menschen
ätte krankmachen können, vor den Schutz genau dieser
enschen und des Fahrers gestellt werden soll? Wie





Kerstin Tack


(A) )


)(B)

wollen Sie den betroffenen Menschen und dem Personal
diese Fragen beantworten?

Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucher-
schutz des Bundesrates hat in seiner Sitzung am 26. Sep-
tember 2011 einen Antrag des Landes Berlin zur gesetz-
lichen Verankerung des Informantenschutzes im BGB
beschlossen. Die Bundesregierung wurde aufgefordert,
entsprechend tätig zu werden. Auch das Europäische
Parlament hat in seiner Entschließung am 15. September
2011 beschlossen, weitere Maßnahmen zum Schutz von
Informanten zu ergreifen. Sie werden also zum Glück
von außen getrieben; denn Sie selber werden ja nicht tä-
tig.

Die SPD-Bundestagsfraktion wird in den nächsten
Wochen einen eigenen Gesetzentwurf zum Informanten-
schutz in den Bundestag einbringen. Einige Bereiche
müssen klar geregelt werden: Wann liegt ein Missstand
vor? Wir brauchen eine klare Definition. In welcher Form
können Missstände geäußert werden? Können die Hin-
weise auch anonym erfolgen? Soll immer eine innerbe-
triebliche Regelung vorgeschaltet werden, bevor die Be-
hörden angesprochen werden oder gar die Öffentlichkeit
informiert wird? Welchen Schutz sollen Hinweisgeber
neben dem allgemeinen Kündigungsschutz genießen?
Das ist die Frage nach dem Schutz vor Beeinträchtigun-
gen von Entwicklungs- und Karrierechancen und vor un-
gewollten Versetzungen im Betrieb.

Es muss auch geregelt werden, welches die jeweils zu-
ständige Behörde ist oder ob in Zweifelsfällen auch die
Polizei für die Entgegennahme zuständig sein kann, wenn
ein Hinweisgeber nicht weiß, wohin er sich wenden soll.
Welche Schulungs- und Bildungspflichten obliegen ei-
nem Dienstherrn, damit er seine Mitarbeiter über ihre
Rechte und ihren Schutz informiert? Die Rolle der Perso-
nal- und Betriebsräte muss geklärt werden. Es muss ge-
klärt werden, ob interne Systeme freiwillig oder ver-
pflichtend eingeführt werden sollen und wann ein
Hinweisgeber Rückmeldung von der zuständigen Stelle
innerhalb des Betriebes bekommen muss, damit er ent-
scheiden kann, ob er weitere Schritte einleiten sollte oder
nicht. Schließlich muss geklärt werden, wer die Hinweis-
geber berät, wer sie rechtlich unterstützt und wer die Be-
weislast trägt.

Das sind noch sehr viele offene Fragen. Der Fall Hei-
nisch zeigt aber, wie groß die Not und wie wichtig die
Klärung dieser Fragen ist. Insbesondere im Pflege- und
Gesundheitsbereich, im Lebensmittelbereich und im Fi-
nanzbereich ist der Informantenschutz sehr wichtig.
Denn es geht um das Leben von Menschen und das Ab-
wenden von Krankheiten und körperlicher Beeinträchti-
gung, und es geht nicht zuletzt um die Existenzen von
Menschen im Finanzdienstbereich.

Deshalb fordere ich – so wie der Fachausschuss des
Bundesrates und das Europäische Parlament – die Bun-
desregierung auf: Hören Sie auf, zu sagen, alles sei gere-
gelt; denn das ist es nicht. Legen Sie endlich ein ver-
nünftiges Gesetz vor! Das ist in Deutschland überfällig.
Wir warten auf Ihre Vorschläge.

Herzlichen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713113600

Das Wort hat der Kollege Pascal Kober für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1713113700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iebe Frau Tack, Sie haben der Koalition Einseitigkeit in
er Argumentation vorgeworfen. Ich finde, das trifft
icht zu. Meine Kollegin Gitta Connemann ist das Pro-
lem hier eindeutig sehr differenziert angegangen.


(Kerstin Tack [SPD]: Das bleibt noch zu klären, wie eindeutig das war!)


h werde für die Regierungskoalition versuchen, mit
erselben Differenziertheit fortzufahren, und beginne
it einer Wertschätzung für Whistleblower.

Da es noch nicht so lange her ist, dass der Papst hier
Deutschen Bundestag geredet hat, fühle ich mich

uch als evangelischer Theologe eingeladen, mit einem
atholischen Kirchenvater zu beginnen, nämlich mit
homas von Aquin. Er hat einmal eine Handlungsma-
ime formuliert:

Für Wunder muss man beten, für Veränderungen
aber arbeiten.

s wäre nicht Thomas von Aquin, wenn er seine Hand-
ngsmaxime nicht zugleich normativ fundieren würde.
iese Norm, diese Fundierung ist bei ihm in genauso
laren Worten zu finden:

Alles, was gegen das Gewissen geschieht, ist
Sünde.

Viele Whistleblower handeln nach genau diesen bei-
en Grundsätzen von Thomas von Aquin: Sie stellen ei-
erseits ihr Gewissen über Abhängigkeiten und Zwänge;
ie handeln andererseits, um für ihre Mitmenschen Ver-
nderungen zum Positiven zu bewirken. Für ihr Streben
ach Recht und Gerechtigkeit nehmen sie oft Ausgren-
ungen, Anfeindungen und weitere, manchmal schwer-
iegendere Repressalien in Kauf. Aber – Gitta
onnemann hat diese Differenzierung schon sehr gut für
ie Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht – sie
nden sich auch in Konfliktsituationen wieder, mit wi-
erstreitenden Interessen und Rechten.

Ich nenne nur einmal das Beispiel des Datenschutzes,
uf das ich jetzt näher eingehen will. Wenn ein Hinweis-
eber Verstöße meldet, dann muss er unter Umständen
uch personenbezogene Daten erheben, speichern und
eitergeben: vielleicht seine eigenen Daten, vor allen
ingen aber die Daten mutmaßlicher Übeltäter. Er stößt
amit natürlich sehr schnell an die Grenzen datenschutz-
chtlicher Vorgaben. Damit sowohl der Hinweisgeber

ls auch der vielleicht Unschuldige geschützt werden,
uss an dieser Stelle eine ganze Reihe von Fragestellun-

en differenziert beantwortet werden,


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Nur zu!)






Pascal Kober


(A) )


)(B)

beispielsweise: Inwieweit sind datenschutzrechtliche
Vorgaben zu beachten? Inwieweit ist die Datenverarbei-
tung bei Hinweisen rechtlich zulässig? Überwiegt das
Interesse des verdächtigten Mitarbeiters am Schutz sei-
ner personenbezogenen Daten oder aber die Aufklä-
rungspflicht? Wie können die gegenläufigen Interessen
des betroffenen Mitarbeiters am Schutz seiner Daten so-
wie des Hinweisgebers am Schutz vor strafrechtlichen
und zivilrechtlichen Risiken im Einzelfall abgewogen
werden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Ihr vor-
liegender Antrag liefert leider nur unzureichende Ant-
worten auf diese Fragen.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wir sind auch nicht die Regierung!)


– Aber Sie wollen sich doch am demokratischen Prozess
beteiligen. Sie sind zwar nicht die Regierung; aber Sie
können uns doch helfen, indem Sie kluge Anträge for-
mulieren und sich am parlamentarischen Prozess beteili-
gen. Immerhin sind wir noch das Parlament.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihre Zwischenrufe sind im Hinblick auf Ihr Verständnis
von Parlamentarismus und von der Oppositionsarbeit
schon bemerkenswert.

Wenn wir über Whistleblowing diskutieren, geht es
nicht nur um das moralische Handeln von Einzelperso-
nen; es geht auch um die freiheitlichen Grundlagen unse-
rer staatlichen Ordnung: um die Meinungs- und Rede-
freiheit einerseits und um den Schutz des Einzelnen vor
dem Missbrauch personenbezogener Daten andererseits;
beides sind Fundamente eines liberalen Rechtsstaates.

Folgte man Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kol-
legen der Linken, so würden wir bestimmte Prinzipien
unseres Rechtsstaats opfern, um damit vermeintlich
mehr Schutz für eine bestimmte Personengruppe, für
eine bestimmte Seite, zu erreichen. So wird in Ihrem
vorliegenden Antrag unter anderem gefordert, eine un-
abhängige Ombudsstelle für Whistleblower einzurich-
ten, die über angemessene Durchsetzungs- und Weiter-
verfolgungsmechanismen verfügen muss. Die Kernfrage
lautet aber: Inwieweit dürfen dabei ohne konkrete Ver-
dachtsmomente Daten ohne Zustimmung der betroffe-
nen Personen erhoben, gespeichert und weitergegeben
werden? Diese Kernfrage bleibt im vorliegenden Antrag,
wie so viele andere Fragen auch, unbeantwortet.

An dieser Stelle ist mal wieder Thomas von Aquin zu
zitieren. Er hat klargestellt, dass das Menschenrecht – da-
mit meint er, wenn ich noch einmal an den Papst erinnern
darf, eine naturrechtliche Begründung des Menschen-
rechts – über dem Staatsrecht stehen muss. Das heißt, die
staatlichen Gesetze dürfen nicht im Widerspruch zum
Menschenrecht stehen. In genau diesem Sinn hat der Eu-
ropäische Gerichtshof für Menschenrechte gehandelt, als
er klargestellt hat, dass sich jeder, der Fehlverhalten mel-
det, auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen
kann. Die Rechtsprechung hat also bereits Kriterien für
ein Anzeigerecht des Arbeitnehmers aufgestellt. Auch
nach § 84 ff. Betriebsverfassungsgesetz darf eine Be-

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(C (D chwerde nicht zu Nachteilen für den Arbeitnehmer fühn. Insofern sind die Gerichte nach unserer Ansicht beser geeignet, die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls u berücksichtigen. Ebenso wie bei den sogenannten Baatellkündigungen ist die Frage der Verhältnismäßigkeit on ausschlaggebender Bedeutung. Kollege Kober, gestatten Sie eine Frage der Kollegin inder? Nein, ich bin gleich fertig. Die übrigen Kolleginnen nd Kollegen wollen auch noch reden und Debattenzeit aben, (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713113800
Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1713113900

umal die Kollegin klargestellt hat, dass sie nicht positiv
itarbeiten, sondern nur Fragen stellen will. Dazu hatten
ie schon genügend Gelegenheit.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Wozu legen wir einen Antrag vor, Herr Kollege, wenn wir nicht positiv arbeiten wollen?)


Die Gerichte sind besser dazu geeignet, Entscheidun-
en zu treffen. Ich habe gerade die Verhältnismäßigkeit
ngesprochen. Diese Verhältnismäßigkeit würde bei Er-
llung der in Ihrem Antrag formulierten Forderungen

icht mehr ausreichend berücksichtigt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Partei Die
inke, beteiligen Sie sich doch an der Diskussion über
ie Fragen, die ich hier gestellt habe.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Wir stoßen sie gerade an, wenn Ihnen das nicht aufgefallen ist, Herr Kober!)


ersuchen Sie einmal, nicht nur anzuklagen, sondern po-
itiv am parlamentarischen Prozess mitzuwirken.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Hochmut kommt vor dem Fall!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114000

Die Kollegin Ingrid Hönlinger hat für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen das Wort.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713114100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Das Aufdecken von Missständen in Unterneh-
en und Institutionen ist von großer gesamtgesellschaft-
cher Bedeutung. Kritikwürdige Zustände im Pflegebe-
ich und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe sind nur

wei Beispiele von vielen. Oft hat nur ein begrenzter
ersonenkreis Zugang zu den relevanten Informationen,
m von Missständen überhaupt erfahren zu können.





Ingrid Hönlinger


(A) )


)(B)

Deshalb ist die Gesellschaft auf diese Hinweisgeberin-
nen und Hinweisgeber angewiesen.

Es gehört viel Mut dazu, Missstände beim eigenen
Arbeitgeber oder beim Dienstherrn anzuprangern. Umso
empörender ist es, dass diesen Menschen in der Folge
auf ihren Hinweis noch immer häufig die Kündigung
droht. Hierfür gibt es leider viele Negativbeispiele.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Öffentlichkeit hat ein Interesse daran, dass

skandalöse Zustände aufgedeckt werden. Dieses Inte-
resse ist gewichtig. An dieser Stelle nenne ich nur das
Beispiel Gammelfleisch. Wir müssen endlich anerken-
nen, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag für un-
sere Gesellschaft leisten. Whistleblower sind Indikato-
ren für gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Sie haben
unseren Schutz verdient, auch den gesetzlichen.

Die Bundesregierung scheint diese Problematik ein-
fach zu übergehen. Diese Ignoranz ist umso beschämen-
der, als erst vor kurzem auch der Europäische Gerichts-
hof für Menschenrechte in Straßburg Deutschland in
einem Whistleblower-Fall wegen Verletzung der Mei-
nungsfreiheit verurteilt hat. Sie alle haben von dem Fall
gehört. Der Berliner Altenpflegerin Brigitte Heinisch
wurde von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Dabei haben
wir es ihr zu verdanken, dass menschenunwürdige Zu-
stände in einer Berliner Pflegeeinrichtung aufgeklärt
wurden. Das ist nur ein Fall von vielen, aber er zeigt, in
welch schwieriger Situation Menschen stecken, die Un-
gerechtigkeiten entdecken und aufdecken wollen.

Wir Grünen wollen, dass nicht die Vertuscher von
Missständen geschützt werden, sondern die Aufdecker
von Missständen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vor diesem Hintergrund kann ich es einfach nicht verste-
hen, dass diese Regierung nach wie vor keine Pläne hat,
um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisge-
bern gesetzlich zu regeln. Trotz des dringenden Hand-
lungsbedarfs hält es die Regierung nicht einmal für nö-
tig, aktiv zu werden und sich einen Zeitplan zu geben.
Stattdessen bleibt sie passiv und wartet auf die Empfeh-
lungen und Diskussionsergebnisse der G-20-Staaten.
Das ergibt sich aus der Antwort auf unsere Kleine An-
frage.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierung sieht sowieso sehr müde aus!)


Ich frage mich: Will sich die Regierung hinter dieser
G-20-Arbeitsgruppe verstecken? Es muss doch eigent-
lich allen klar sein, dass eine internationale Arbeits-
gruppe den nationalen Gesetzgeber weder ersetzen noch
ihm die Arbeit abnehmen kann. Für die konkrete For-
mulierung eines nationalen Gesetzes kann eine interna-
tionale Arbeitsgruppe wenig Hilfestellung leisten. Die
G-20-Arbeitsgruppe wird kaum Untersuchungen dazu
anstellen, auf welche Weise sich eine gesetzliche Neure-
gelung am besten in das bestehende deutsche Recht ein-
gliedern lässt. Das ist schon Ihre Aufgabe, meine Damen
und Herren von der Regierungsbank.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder von der Koalition, Herr Kober!)


Den Antrag der Linken zum Thema Whistleblowing
nden wir prinzipiell berechtigt, aber uns fehlt die Kon-
retisierung für eine gesetzliche Gestaltung. Der Antrag
t so unkonkret, dass er sich in dieser Form nicht in ein
esetz umsetzen lässt. Zum Beispiel lässt sich nicht er-
ennen, wie Sie den Schutz von Hinweisgeberinnen und
inweisgebern im Arbeitsrecht und im Beamtenrecht
erankern wollen. Welche Rechtsgüter sollen geschützt
erden? Wie kann ein angemessener Ausgleich zwi-

chen den verschiedenen Interessen von Arbeitgebern
nd Arbeitnehmern gefunden werden?

Wir Grünen haben uns intensiv mit dem Problem aus-
inandergesetzt. Wir wollen keinen schnellen Antrag,
ondern einen gründlichen und ausgereiften. Deshalb
erden wir demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen
nd zur Diskussion stellen. Er wird eine praktikable Ent-
cheidungsgrundlage darstellen. Wir meinen nämlich,
ass die Regelung zum Schutz von Whistleblowern eine
räzise Diskussion verdient.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/6492 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist
doch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP
ünschen Federführung beim Ausschuss für Arbeit und
oziales. Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung
eim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
raucherschutz.

Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der
raktion Die Linke abstimmen, also Federführung beim
usschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-

herschutz. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor-
chlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
er Überweisungsvorschlag ist abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
raktionen der CDU/CSU und FDP abstimmen, also Fe-
erführung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales. Wer
timmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Überwei-
ungsvorschlag ist angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-
besserung der Versorgung bei besonderen

(EinsatzversorgungsVerbesserungsgesetz – EinsatzVVerbG)


– Drucksache 17/7143 –





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
minister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Der Deutsche Bundestag hat allein in diesem Jahr
siebenmal über die Entsendung von Streitkräften debat-
tiert und abgestimmt. Dabei stehen naturgemäß die Si-
cherheitspolitik und die Sinnhaftigkeit eines solchen
Einsatzes im Mittelpunkt. Das ist verständlich und gut
so. Wir dürfen aber niemals vergessen, dass es bei diesen
Entscheidungen um Menschen geht, um Soldaten,
manchmal auch um zivile Mitarbeiter, die wir in die
Welt schicken, um Menschen, die uns anvertraut sind.
Deswegen debattieren wir heute über den vorliegenden
Gesetzentwurf.

Die Soldatinnen und Soldaten und ebenso die zivilen
Mitarbeiter werden, wenn auch in unterschiedlicher
Form, durch unsere Entscheidung Gefährdungen ausge-
setzt. Die Soldatinnen und Soldaten wissen das. Sie ken-
nen die Gefährdungen. Sie haben durch Ablegung ihres
Diensteids zugesagt, sich diesen Gefährdungen auszu-
setzen. Viele sind stolz darauf.

Loyalität und Pflichterfüllung sind für die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter aber keine Einbahnstraße. Für
Staat und Politik folgt vielmehr im Gegenzug die Ver-
pflichtung, Verletzte und Hinterbliebene so gut wie mög-
lich abzusichern. Pflichterfüllung der Soldaten und Für-
sorgepflicht des Dienstherrn sind zwei Seiten derselben
Medaille.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Art und Weise, wie unser Land mit den Veteranen
der Bundeswehr umgeht, wie es sie nach dem Einsatz
wieder aufnimmt, wie ihre Versorgung gestaltet wird, ist
ein zentraler Gradmesser der gesellschaftlichen Aner-
kennung des soldatischen Dienstes. Hier setzt der Ge-
setzentwurf an, den ich heute hier einbringen darf.

Es ist nicht das erste Gesetz zu diesem Thema. Wir
haben bereits 2004 und 2007 entsprechende Gesetze be-
raten. Vieles ist besser geworden. Ich bedanke mich aus-
drücklich für die Initiative zu diesem Gesetzentwurf, die
vom Parlament und nicht von der Regierung ausgegan-
gen ist. Ich freue mich, dass wir uns darüber einig sind,
weitere Verbesserungen vorzunehmen. Ich nenne einmal
fünf:

Erstens. Die einmalige Entschädigungszahlung bei
schweren Einsatzunfällen wird deutlich erhöht.

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(C (D Zweitens. Einsatzzeiten werden bei der ruhegehaltfäigen Dienstzeit in Zukunft doppelt berücksichtigt. Das t, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt. Drittens. Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wirkt ckwirkend. Diese Änderung ist vielleicht noch wichti er als die vorige. Wir führen einen Stichtag ein, den . Juli 1992. Das war, wenn ich das richtig weiß, der ambodscha-Einsatz. Das heißt, es gilt für alle, die seit 992 gefallen sind oder verwundet worden sind. Es wird lso niemand benachteiligt. Viertens. Hinterbliebene von im Einsatz gefallenen eitsoldaten werden genauso behandelt, als wenn der ngehörige – meist ist es der Ehemann – Berufssoldat ewesen wäre. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Aus gun Gründen werden Dienstverhältnisse auf Zeit anders ehandelt als unbefristete Dienstverhältnisse. Hier, wenn s um das Beklagen eines gefallenen Soldaten geht, wird ie Versorgung gleich gestaltet. Fünftens. Wir schließen eine Lücke bei den sogeannten Kriegsklauseln. Auch bei Lebensversicherunen zur Finanzierung von Immobilien tritt künftig der und mit einem Schadensausgleich ein. Ich will das zum Anlass für eine Bemerkung nehmen. ir schaffen diese Regelung gern, und wir halten sie uch für richtig. Aber ich möchte von hier aus an unsere ersicherungen appellieren. Wenn es eine Kriegsklausel einem Lebensversicherungsvertrag gibt und der Sol at etwa in Afghanistan gefallen ist, dann ist es für die ersicherung nicht nur eine Frage der Kulanz, sondern er selbstverständlichen Ehre, sich in diesem Fall gegenber den Hinterbliebenen nicht auf die Kriegsklausel zu erufen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


enn man sich doch auf die Klausel beruft, steht der
und dafür ein. Das wird hier geregelt.

Einzelne Zielvorstellungen, die in dem Beschluss die-
es Hauses niedergelegt waren, sind in dem Gesetzent-
urf der Bundesregierung nicht umgesetzt worden; dazu
erden wir in der Debatte gleich noch etwas hören. Da-
ei geht es um die Frage, ab wann eine dauerhafte Wehr-
ienstbeschädigung vorliegt, ab einem Schädigungsgrad
on 30 Prozent oder von 50 Prozent, und wie die Be-
eislast ist. Im Rahmen der Ressortabstimmung sind wir

u dem Ergebnis gekommen, das nicht in den Gesetzent-
urf aufzunehmen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Es
ird jetzt versucht – das habe ich gehört; die Koalitions-
aktionen werden das sicher gleich näher begründen –,
as noch nachzubessern. Wenn es dazu kommt, freut
ich das sehr.

Ich will, auch in Richtung der Opposition, noch sa-
en: Egal, wie diese Debatte ausgeht – es sind ja hoffent-
ch wenige Fälle, in denen der Schädigungsgrad zwi-
chen 30 und 50 Prozent beträgt –: Wir sollten nicht
ergessen, dass die großen Maßnahmen, die auf Ihre ge-
einsame Initiative hin jetzt eine gesetzliche Grundlage
nden, als Erfolg bleiben. Ich glaube, das ist ein wichti-
er Punkt.





Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung


(A) )


)(B)


Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Ich will abschließend darauf hinweisen, dass diese ge-
setzlichen Regelungen nicht nur für Soldatinnen und
Soldaten gelten, sondern auch für alle zivilen Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter, für Polizistinnen und Polizisten
in Einsätzen. Wir haben in dem Bereich weniger Opfer
zu beklagen, aber es gibt Opfer. Wer weiß, vielleicht
werden es mehr. Für diesen Personenkreis wird in glei-
cher Weise gesorgt.

Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung. Ich bin
sicher, dass dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung
in diesem Haus mit einer breiten Mehrheit verabschiedet
wird. Das wäre insbesondere für die Soldatinnen und
Soldaten gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114300

Das Wort hat der Kollege Fritz Rudolf Körper für die

SPD-Fraktion.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1713114400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

glaube, das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz ist
keine Materie, die sich zu einem poltischen Schlagab-
tausch eignet. Herr Minister de Maizière hat darauf hin-
gewiesen, dass es hinsichtlich der Einsatzversorgung
schon einige Gesetzgebungsverfahren gegeben hat. Ein
Sprichwort besagt: Man steigt nie zweimal in denselben
Fluss. Das bedeutet: Die Herausforderungen sind immer
neu, und man muss gerade hier die Fähigkeit zeigen, auf
diese Herausforderungen einzugehen.

Ich glaube, die Soldatinnen und Soldaten, die ihr Le-
ben im Einsatz riskieren, haben ein Anrecht darauf, dass
wir uns um sie kümmern und ihnen hilfreich zur Seite
stehen, wenn es beispielsweise zu Verletzungen, Erkran-
kungen oder sogar noch Schlimmerem kommt.


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Ich könnte jetzt sagen: Der Deutsche Bundestag hat
schon vor etwa zwölf Monaten einen entsprechenden
Antrag verabschiedet, aber erst jetzt haben wir den Ge-
setzentwurf vorliegen. Diesen Hinweis will ich mir je-
doch verkneifen. Ich hoffe nur: Was lange währt, wird
endlich gut. Herr Minister de Maizière hat aufgezeigt,
welche inhaltlichen Punkte in dem Verbesserungsvor-
schlag enthalten sind; diese begrüßen wir ausdrücklich.
Ich hätte mir zu einigen Punkten gerne noch ein Wort ge-
wünscht; vielleicht gehen die Kolleginnen und Kollegen
aus den Koalitionsfraktionen noch darauf ein.

Heute steht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
ein kleiner Artikel mit der Überschrift „Soldaten werden
besser versorgt“. Unter anderem kann man dort lesen:

Beamtenbund und Bundeswehrverband begrüßten
am Donnerstag eine angebliche Einigung, wonach
Kürzungen bei diesen Zahlungen vom nächsten
Jahr an zurückgenommen werden sollten.

Hier ist insbesondere das Weihnachtsgeld gemeint. Ich
denke, das wäre in Anbetracht der Tatsache, dass aus
dem Bereich der Bundeswehr fast 80 Prozent des Perso-

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(C (D alkörpers des Bundes gestellt werden, eine ganz wichge Maßnahme. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich sehe zwar keinen heftigen Applaus vonseiten der
olleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, aber
merhin Applaus. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger

unkt, den wir hier ansprechen müssen.

Ich will mich nicht in Wiederholungen ergehen und
ufzählen, was in diesem Gesetz alles vorgesehen ist.
ber da Herr Minister de Maizière auf die Frage einge-
angen ist, ob die Grenze der Schädigung von 50 Pro-
ent auf 30 Prozent gesenkt werden sollte: Ich zähle in
er Tat zu denjenigen, die noch einmal genau darüber
iskutieren wollen, was man an dieser Stelle tun sollte.

In dem Zusammenhang kommt es mir noch auf einen
nderen Punkt an. Wir sollten etwas stärker darauf
chauen, wie die Wehrdienstbeschädigungsverfahren ab-
ewickelt werden. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass
iejenigen, die einen Antrag stellen, relativ zeitnah eine
ualifizierte Entscheidung bekommen, sodass den Be-
offenen geholfen werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir führen, glaube ich, am 17. Oktober dieses Jahres
ine Anhörung zu diesem Gesetzgebungsvorhaben
urch. Wir sollten einmal überlegen, ob wir nicht dem
edanken einer Genehmigungsfiktion Rechnung tragen

ollten. Bei anderen Verfahren ist es so, dass, wenn An-
äge in einer bestimmten Frist nicht entschieden wer-
en, dies als positive Entscheidung gilt. Wir sollten ein-
al darüber nachdenken, dieses Verfahren hier

inzuführen. Ich bin sicher, dass das den Druck erhöhen
nd die zeitlichen Abläufe beschleunigen würde. Vor al-
m in den Fällen, in denen sich Rehamaßnahmen und
uren an die Behandlung der Betroffenen anschließen,
t es wichtig und im Interesse der Betroffenen, dass es
u zeitnahen Entscheidungen kommt. Diesbezüglich ist
eine herzliche Bitte, dass wir auch im Zuge dieses Ge-

etzgebungsverfahrens noch einmal überlegen sollten,
b wir diesen Gedanken aufgreifen. Ich denke, das wäre
ilfreich, sowohl für die betroffenen Soldatinnen und
oldaten als auch für die betroffenen zivilen Mitarbeite-
nnen und Mitarbeiter.

Richtig ist, dass wir den Zeitrahmen, der für die An-
endung dieses Gesetzes gilt, bis zum 1. Juli 1992 aus-
eiten. Ich gebe zu, dass ich zuerst gedacht habe: Das ist

in sehr mutiger, waghalsiger Schritt. Aber die Zahl der
etroffenen bzw. die Betroffenheiten sind wohl über-

chaubar, sodass man mit Fug und Recht die Zusage ma-
hen kann, den gesamten genannten Zeitraum einzube-
iehen. Dies wird von uns ausdrücklich begrüßt. Dem
önnen wir zustimmen.

In diesem Sinne: Wir werden diesen Gesetzgebungs-
rozess weiterhin konstruktiv begleiten. Wir werden da-
ber hinaus vielleicht auch die eine oder andere Anre-

ung geben. Ich finde, die Zielsetzung, die Soldatinnen





Fritz Rudolf Körper


(A) )


)(B)

und Soldaten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
im zivilen Bereich sowie ihre Angehörigen gleich zu be-
handeln, ist völlig richtig. Das ist ein ganz wichtiger
Grundsatz, der diesem Gesetzentwurf zugrunde liegt.

Ich hoffe, dass das Gesetzgebungsverfahren zügig ab-
geschlossen werden kann, sodass dieses Gesetz mög-
lichst schnell im Bundesgesetzblatt zu finden sein wird.
Wir können es gut gebrauchen. Ich glaube, es ist ein gu-
tes Signal an unsere Soldatinnen und Soldaten, aber auch
an die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114500

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Elke Hoff

das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1713114600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache kein
Hehl daraus, dass heute ein ganz besonderer Tag für
mich ist. Ich glaube, das gilt auch für die meisten meiner
Kolleginnen und Kollegen, die seit nunmehr weit über
sechs Jahren dafür kämpfen, dass wir für unsere im Ein-
satz verwundeten Soldatinnen und Soldaten einen opti-
malen Rahmen schaffen, um zu vermeiden, dass sie – ich
formuliere das immer so – eine zweite Existenzangst er-
leiden bzw. einen zweiten Tod sterben müssen.

Viele unserer Soldatinnen und Soldaten, die von ei-
nem schwierigen Einsatz nach Hause kommen, wissen
nicht, wie ihre sozialen Grundlagen, ihre soziale Per-
spektive und ihre Zukunft in dieser Gesellschaft ausse-
hen werden. Sie müssen zum zweiten Mal erleben, dass
ihre Existenz gefährdet ist. Vor diesem Hintergrund war
uns besonders wichtig, dass wir als Gesetzgeber die Ini-
tiative ergreifen – der Herr Minister hat das sehr deutlich
gemacht – und die notwendigen Rahmenbedingungen
schaffen, um unseren Soldatinnen und Soldaten klarzu-
machen: Wenn sie wieder zu Hause sind, müssen sie
keine Bedrohung ihrer Existenz – als solche wurde die
Situation von vielen wahrgenommen – befürchten. Herr
Kollege Körper, Kolleginnen und Kollegen vom Bünd-
nis 90/Die Grünen, ich glaube, dass wir es mit dem vor-
liegenden Gesetzentwurf, aber auch mit dem bereits an-
gekündigten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen
wie in der Vergangenheit schaffen werden, am Ende ein
gemeinsames Signal an die Soldatinnen und Soldaten zu
senden.

Uns war wichtig, dass eine geringe Schwelle festge-
setzt wird, wenn es darum geht, Soldatinnen und Solda-
ten, die in einem Einsatz verwundet worden sind, die
Möglichkeit zu geben, einen Beruf beim Arbeitgeber
Bundeswehr auszuüben. So sollte die Erwerbsfähigkeit
von Soldaten nicht mehr um mindestens 50 Prozent, son-
dern nur noch um 30 Prozent gemindert sein, damit die
Bundeswehr zur Weiterbeschäftigung verpflichtet ist. Es
kann nicht sein, dass Männer und Frauen, die in Aus-

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(C (D bung des Soldatenberufes verwundet und verletzt woren sind, diesen Weg zurück nur unter schwierigsten Beingungen gehen können. Für seelisch verwundete oldatinnen und Soldaten ist es besonders schwierig, die 0-Prozent-Grenze zu erreichen. Wissenschaft und Forchung sind in diesem Bereich nämlich sehr komplex nd kompliziert. Ich glaube, dass hier das Parlament das ignal an die betroffenen Soldatinnen und Soldaten senen muss: Wir wollen euch die Möglichkeit eröffnen, ass ihr weiterhin als Soldaten – natürlich mit den entprechenden Einschränkungen – den Dienst für unser aterland verrichten könnt. Ich hielte es wirklich für aburd, wenn das Signal ausginge: Wir brauchen euch zwar r den Einsatz, dafür, unser Vaterland zu verteidigen; ber wenn ihr zurückkommt und nicht mehr hundertproentig einsatzfähig seid, dann können wir euch nicht heln. h glaube, wir sind an dieser Stelle zutiefst moralisch erpflichtet, diesen Anliegen Rechnung zu tragen. Für uns ist auch wichtig, dass wir gerade gegenüber en seelisch Beeinträchtigten – ich sage das ganz beusst so – deutlich machen: Das ist keine Krankheit, ondern eine Verwundung, die ihre Ursache in einem insatz hat. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir den ännern und Frauen, die mit einer seelischen Verwun ung aus einem Einsatz kommen, helfen können, wenn s uns über den Änderungsantrag gelingt, die Glaubhaftachung auf eine andere Grundlage zu stellen. Dazu üssen wir in einer untergesetzlichen Regelung Paramer festlegen, die für den Tatbestand der Verwundung erllt sein müssen. Der Dienstherr müsste dann den Voll eweis erbringen, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich glaube, wenn alle Kolleginnen und Kollegen hier Parlament mitmachen, werden wir eine faire Lösung nden, den Besonderheiten des Soldatenberufes Rechung zu tragen. Es geht nämlich auch um eine Änderung es Bewusstseins nicht nur in der Gesellschaft, sondern uch in der Verwaltung. Ich glaube, dass wir durch Hartäckigkeit des Parlamentes die Chance haben, deutlich u machen, dass der Beruf des Soldaten im Einsatz etas ganz Besonderes ist und deswegen auch besonders etrachtet werden muss. Insofern bin ich all denen, die in er Vergangenheit Kurs gehalten und diese Verbesserunen mit uns gemeinsam auf den Weg gebracht haben, irklich dankbar. Herr Minister, wenn wir dieses Gesetz im Parlament erabschiedet haben werden – wie auch immer es ausseen mag –, dann ist es ganz besonders wichtig – und hier ngt Ihre Arbeit eigentlich erst an –, auch innerhalb der trukturen den Geist dieses Gesetzes umzusetzen, damit anz deutlich wird, dass es nicht darum geht, durch Bükratie und Hinterfragen Hürden aufzubauen, die die oldatinnen und Soldaten als weitere Bedrohung ihrer xistenz wahrnehmen müssen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






Elke Hoff


(A) )


)(B)

Kollege Körper, vielleicht entscheidet ein Gericht tat-
sächlich, dass die eine oder andere Regelung nicht un-
umstößlich ist. Uns ist es aber wichtig, dass dieses Parla-
ment den politischen Willen artikuliert, dass wir an
dieser Stelle alles tun und nichts unterlassen, was die Si-
tuation von verwundeten Soldatinnen und Soldaten, die
aus einem Einsatz kommen, verbessern kann.

Ich habe vor kurzem bei Gesprächen mit Soldaten ei-
nen Hauptmann mit über 800 Einsatztagen getroffen.
Dieser Mann sagte: Ich bin müde, und ich möchte eine
Perspektive sehen und wissen, dass mich mein Land auf-
fängt. – Ich glaube, es ist an uns, diese Aufgabe zu erfül-
len. Deswegen geht auch von dieser Stelle aus ein ganz
herzlicher Gruß an die Betroffenen, die heute wieder bei
uns sind und diese Debatte verfolgen: Ich glaube, Sie
alle können den Eindruck mit nach Hause nehmen, dass
dieses Parlament wirklich bereit und willens ist, den An-
liegen, die Sie berechtigterweise an uns herangetragen
haben, Rechnung zu tragen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114700

Das Wort hat der Kollege Harald Koch für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Koch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, nennt
sich Entwurf eines Einsatzversorgungs-Verbesserungs-
gesetzes. Seinem Namen wird er jedoch nicht gerecht;
denn de facto verbessert sich damit für die im Auslands-
einsatz geschädigten Soldatinnen und Soldaten nicht
viel.


(Elke Hoff [FDP]: Ach! Sie sollten den Entwurf mal lesen!)


Das ist – auch wenn die Regierung, wie der Minister
heute angekündigt hat, weitere Anpassungen vornehmen
will – nicht nur bedenklich, sondern geradezu fahrlässig;
denn es kann nicht sein, dass die Bundesregierung zwar
einerseits auf militärische Intervention und Krieg als
Mittel der Außen- und Sicherheitspolitik setzt, anderer-
seits für die Versorgung der dabei zu Schaden gekomme-
nen Soldatinnen und Soldaten aber wenig übrig hat.

Vor einem Jahr – daran möchte ich erinnern – haben
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regie-
rungskoalition, vollmundige Versprechungen gemacht.
Ihr damaliger Antrag sollte zügig in eine Gesetzesinitia-
tive münden. Erst jetzt, nach einem Jahr, liegt uns ein
extrem lückenhafter Umsetzungsversuch vor. Dabei
wollten Sie doch – ich zitiere – „Lücken schließen, Un-
gleichgewichte ausgleichen, großzügig verfahren“ und
vor allem „Verantwortung übernehmen“. Im jetzigen
Gesetzentwurf findet man davon so gut wie nichts wie-
der.

Ich möchte Ihnen nicht die Beweise für diese Behaup-
tung schuldig bleiben. Der Gesetzentwurf enthält weder

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(C (D ie von den Betroffenen und deren Angehörigen schon o lange geforderte und dringend benötigte Beweisstumkehr noch die versprochene Beschleunigung und ffizientere Gestaltung der Anerkennungsverfahren von ehrdienstbeschädigungen. Gerade dies wären aber aßnahmen, mit denen den Geschädigten wirklich ge olfen werden könnte. Daher muss an dieser Stelle drinend nachgebessert werden. Der Minister hat vorhin davon gesprochen, dass die ngleichbehandlung von Berufssoldatinnen und -soldan auf der einen Seite sowie Zeitsoldatinnen und -soldan auf der anderen Seite wohl doch aufgehoben werden ird. Zumindest die Hinterbliebenen hat er erwähnt. Ich abe in meinem Manuskript einen Absatz in Bezug auf ie Privilegierung der Berufssoldatinnen und -soldaten tehen. Diese Privilegierung sollte abgeschafft werden. h hoffe nicht, dass es eine Nebelgranate war, die hier erschossen wurde, sondern dass es hier wirklich zu eier Verbesserung kommen wird. Kollege Koch, gestatten Sie eine Frage? Ja, gerne. Herr Kollege Koch, am vergangenen Mittwoch hatten ir eine Vorberatung zu diesem, wie ich finde, sehr ichtigen Tagesordnungspunkt. Sie kritisieren jetzt norme Lücken. Leider haben Sie in der Vorberatung im usschuss kein einziges Wort dazu gesagt. Ich möchte erne wissen, warum Sie am Mittwoch diese Probleme icht gesehen haben, aber jetzt vor diesem Hohen Hause or laufender Kamera zu dieser Feststellung kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713114900
Harald Koch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713115000
Henning Otte (CDU):
Rede ID: ID1713115100


Harald Koch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713115200

Soweit ich mich erinnern kann, war ich gar nicht da,

eil ich krank war. Aber wir haben dort auch Vertreter.
s gibt Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiter, die
aran teilnahmen und mich darüber informiert haben.
etztendlich habe ich noch keine nennenswerten An-
ätze erkannt. Wir werden sehen – heute befinden wir
ns in der ersten Lesung; das ist der Beginn der Beratun-
en –, was dann bei der zweiten und dritten Lesung auf
em Tisch liegen wird.

Die Linke tritt für die unverzügliche Beendigung des
rieges in Afghanistan, den Abzug der Bundeswehr und

ine andere, friedensorientierte Ausrichtung der deut-
chen Außenpolitik ein. Wenn alle diese Forderungen er-
llt werden würden, bräuchten wir heute nicht über

iese Probleme zu diskutieren.

Natürlich hat die Versorgung auch finanzielle As-
ekte. Genau das ist wohl der Grund, warum so viele
orderungen des ursprünglichen Antrags im nun vorlie-
enden Gesetzentwurf nicht mehr enthalten sind. Ange-
essene und dauerhafte Versorgung der Kriegsveteranen





Harald Koch


(A) )


)(B)

ist Ihnen schlichtweg zu teuer. Genau das ist nicht ak-
zeptabel. Der Verteidigungshaushalt ist groß genug, um
daraus problemlos die anfallenden Kosten zu schultern.
Mit der Streichung einiger aus unserer Sicht sinnloser
Beschaffungsprogramme wäre das problemlos machbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihren selbst formulierten Anspruch, mit diesem Ge-
setzentwurf die Versorgungslage der Soldatinnen und
Soldaten zu verbessern und damit Ihrer Fürsorgepflicht
als Dienstherr nachzukommen, haben Sie jedenfalls klar
verfehlt. Sollten in diesem Gesetzentwurf nicht noch
wirksame Verbesserungen im Sinne der Betroffenen ein-
gefügt werden, kann die Fraktion der Linken den Ge-
setzentwurf nur ablehnen; denn mit diesem Stückwerk
wäre niemandem geholfen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713115300

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Agnes Malczak das Wort.


Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1713115400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ge-

schieht äußerst selten, dass ein Gesetz dieser Bundes-
regierung eine wirkliche Verbesserung bringt und nur
begrüßt werden kann. Beim Einsatzversorgungs-Verbes-
serungsgesetz ist dies der Fall.

An dieser Stelle möchte ich den Organisationen der
Betroffenen danken, die immer wieder auf die schwieri-
gen Schicksale aufmerksam gemacht und auf Verbesse-
rungen gedrungen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Robert Hochbaum [CDU/ CSU])


Die in diesem Gesetz vorgeschlagenen Verbesserungen
sind dringend notwendig, denn sie sind Ausdruck der
Verantwortung, die wir für die Menschen tragen, die sich
im Auftrag des Deutschen Bundestages in Einsätzen im
Ausland befinden und dabei zu Schaden kommen. Diese
Verantwortung tragen wir ebenfalls für die Hinterbliebe-
nen derer, die diesen Einsatz mit dem Leben bezahlen.

Bereits seit mehreren Jahren wurden die bisher gel-
tenden Regelungen dieser Verantwortung nur noch be-
dingt gerecht. Heute begrüßen wir also den Gesetzent-
wurf. Aber ich finde, man muss schon kritisch anmerken
dürfen, dass es eine geraume Zeit gebraucht hat, bis Sie
sich überhaupt auf den Weg gemacht haben, und dass es
dann ein bisschen an Mut und vielleicht sogar an politi-
schem Willen gemangelt hat, alle entscheidenden
Schritte zu gehen, denn dieser Gesetzentwurf bleibt in
zentralen Punkten hinter den richtigen Forderungen Ihrer
eigenen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker zurück.
Die Mängel dieses Gesetzentwurfes lassen nämlich ei-
nige Probleme einer ganzen Gruppe unter den Betroffe-
nen ungelöst. Das ist das Dramatische.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Menschen, die nach einem Einsatz im Ausland an eier posttraumatischen Belastungsstörung erkranken, haen ebenso erhebliche Schwierigkeiten auf dem zivilen rbeitsmarkt wie körperlich Versehrte. Traumatisierte ind darum ebenso auf die Möglichkeiten der Versorung angewiesen wie physisch Beeinträchtigte. Jedoch t es für sie ungleich schwerer, den Beweis des Zusamenhangs zwischen Einsatz und Erkrankung zu erbrin en. Dann wird ihnen oft nicht der Grad der Schädigung uerkannt, der Voraussetzung für eine Weiterbeschäftiung ist. Der Deutsche Bundestag hat daher im vergangenen erbst die Forderungen nach einer Absenkung des Schäigungsgrades für die Weiterbeschäftigung und einer Erichterung der Beweislast gestellt, und das mit breiter ustimmung über die Parteigrenzen hinweg. Niemand at bei diesem Antrag damals mit Nein gestimmt. Ich offe, dass auch die Linke am Ende bei dem Gesetzenturf nicht mit Nein stimmen wird, denn er ist wichtig nd richtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte der Kollegin Hoff und auch dem Kollegen
eck danken, die sich bereits in der Presse mit aller
eutlichkeit zu den Mängeln dieses Gesetzentwurfs ge-

ußert haben und Korrekturen ankündigten. Ich danke
nen auch, dass Sie das heute in Ihren Reden noch ein-
al deutlich gemacht haben. Auch wir halten an dieser
ritik fest und werden weiterhin Nachbesserungen ein-
rdern. Ich versichere Ihnen: Wir lassen nicht locker.

Beim Begriff der Einsatzversorgung denken die meis-
n Menschen wahrscheinlich ausschließlich an die Sol-
atinnen und Soldaten und deren Angehörigen. Aber
icht nur Angehörige der Bundeswehr, sondern Tau-
ende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziviler Organisa-
onen setzen sich in Konflikten im Auftrag des Deut-
chen Bundestages für Frieden und Sicherheit ein. Auch
ie tragen ein hohes Risiko für ihre Gesundheit. Solda-
nnen und Soldaten und zivile Kräfte verdienen glei-
hermaßen unseren Respekt, unsere Anerkennung, aber
or allem auch unsere Fürsorge.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Grundsätzlich haben Sie, liebe Kolleginnen und Kol-
gen von der Koalition, das erkannt. Tatsächlich sehen
er Beschluss des Bundestages aus dem letzten Jahr und
er vorliegende Gesetzentwurf Verbesserungen für das
ilitärische und zivile Personal im Auslandseinsatz vor.
ber aus dieser Erkenntnis folgt bei Ihnen leider den-
och nicht immer konsequentes Handeln.

Wir Grüne haben diese Woche einen Antrag einge-
icht, der von der Bundesregierung Verbesserungen bei

er Betreuung ziviler Kräfte in Einsätzen zur Konflikt-
ewältigung fordert. Sie, werte Kolleginnen und Kolle-
en von der Koalition, wollten das heute nicht gemein-
am mit dem Gesetz über die Versorgung diskutieren.
ersorgung und Betreuung sind zwei Seiten derselben
edaille, nämlich unserer Fürsorgepflicht. Diese tragen
ir für militärisches wie ziviles Personal gleichermaßen.





Agnes Malczak


(A) )


)(B)

Wir dürfen nicht davor zurückscheuen, uns in diesem
Bereich umfassend mit den Mängeln auseinanderzuset-
zen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist sicherlich ein
notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Aber es
bleibt noch viel zu tun.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713115500

Für die Unionsfraktionen hat nun der Kollege Jürgen

Hardt das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1713115600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte auf das eine oder andere eingehen, das hier
angesprochen worden ist. Der Kollege Körper hat nach
dem Weihnachtsgeld gefragt. Ja, ich glaube, es gibt Be-
wegung in dieser Frage. Für die Bundeswehr würde das
bedeuten, dass rund 250 Millionen Euro zusätzlich auf-
gebracht werden müssten. Es gibt zu diesem Sachverhalt
in diesen Tagen und Wochen Gespräche, wie das im
Haushalt so dargestellt werden kann, dass wir unsere
sonstigen Ziele bei der Bundeswehr dadurch nicht ge-
fährden. Aber ich glaube, es ist eine gute Botschaft – der
Bundeswehrverband ist heute durch seinen Vorsitzenden
vertreten –, dass wir Möglichkeiten sehen, in diesem
Punkt etwas zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Koch [DIE LINKE])


Ich möchte aber nun konkret zu dem vorliegenden
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Einsatzversor-
gungs-Verbesserungsgesetz kommen. Die Initiative die-
ses Hauses ist von allen Fraktionen getragen worden.
Die Linke hat sich enthalten. Bei dem einen oder ande-
ren linken Politiker stellt sich allerdings die Frage, wa-
rum er sich damals enthalten hat. Denn diesem Gesetz-
entwurf könnte man wirklich zustimmen, selbst wenn
man die Einsätze der Bundeswehr im Ausland nicht un-
terstützt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der vorliegende Gesetzentwurf beschäftigt sich mit
denjenigen, die die größte Solidarität dieses Hauses und
unserer Gesellschaft erfordern, nämlich den Soldatinnen
und Soldaten der Bundeswehr und den Zivilisten, die in
Auslandseinsätzen zu Schaden kommen.

Am 13. Oktober 1993 ist der erste deutsche Soldat,
Alexander Arndt, im Auslandseinsatz gefallen. Das ist
immerhin schon 18 Jahre her. Seitdem haben 99 Bundes-
wehrangehörige bei Auslandseinsätzen ihr Leben verlo-
ren, 36 davon durch Feindeinwirkung. 300 sind körper-
lich verwundet worden, und rund 400, vielleicht sogar
mehr, sind an der Seele verwundet. Das ist eine große
Zahl von Menschen, die für unser Vaterland in Auslands-
einsätzen ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel ge-

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etzt haben. Hinter jedem einzelnen Schicksal steht auch
as Schicksal der Angehörigen, die die Last ein gutes
tück mittragen müssen.

Der Bundesverteidigungsminister hat in der vergan-
enen Woche im Zusammenhang mit dem Bericht des
ehrbeauftragten davon gesprochen, dass wir uns zum
egriff des „Veteranen“ bekennen müssen. Ich war da-
ber sehr erfreut, aber auch kleines bisschen überrascht.
enn unter Veteranen stellt man sich alte Männer in
rumpligen Uniformen mit vielen Orden vor, die bei Mi-
tärparaden in der ersten Reihe stehen. Unsere Vetera-
en, die aus einem Kriegseinsatz nach Hause kommen,
ind häufig junge Männer und Frauen, die mitten im Le-
en stehen und noch viele Jahrzehnte der Berufstätigkeit
der Bundeswehr oder im Zivilleben vor sich haben

nd ganz und gar nicht aufs Altenteil gehören, sondern
itten in unserer Gesellschaft stehen. Wir sollten den
odernen deutschen Veteranenbegriff entsprechend prä-

en. Vielleicht können wir alle einen Beitrag dazu leis-
n.

Ich komme kurz zu den einzelnen Punkten des Ge-
etzentwurfs. Das meiste, was wir letztes Jahr gefordert
aben, ist von der Bundesregierung in den Gesetzent-
urf aufgenommen worden. Auch ich glaube, dass wir
insichtlich der Grenze für den Grad der Beschädigung
ei entsprechender Übernahme noch im Ausschuss und
der Anhörung am 17. Oktober darüber reden müssen,

b wir nicht doch von 50 Prozent auf 30 Prozent herun-
rgehen sollten. Denn gerade für die seelisch Verletzten
önnte diese Senkung der Grenze eine deutliche Erleich-
rung bedeuten.

Ich glaube des Weiteren, dass wir bei der Beweislast-
mkehr eine Regelung finden könnten, dass wir im Rah-
en der Richtlinien oder der entsprechenden Rechtsver-

rdnung, die die Feststellung solcher Beschädigungen
gelt, bestimmte Tatbestände definieren, indem wir sa-

en: Wenn der Soldat oder Zivilist in einer solchen Si-
ation gewesen ist, dann gehen wir immer davon aus,

ass seine Beschädigung Folge dieses Einsatzes ist. Um-
ekehrt bedürfte es des Nachweises, dass es in dem Ein-
elfall nicht zutrifft. Das wäre eine Beweislastumkehr
nerhalb von Grenzen, von denen ich glaube, dass man

ie gut akzeptieren könnte.

Ich persönlich würde mir auch wünschen, dass wir
ns bei der Verdoppelung der Beträge für die Anrech-
ung der Einsatzzeiten für die Rente nicht auf 365 Tage,
lso ein Jahr, festlegen, sondern dass wir die notwendige
ürde auf 180 Tage reduzieren, damit wir mehr Soldaten
erücksichtigen können. 180 Tage bedeuten immerhin,
ass man mindestens zweimal in einem Kontingent im
uslandseinsatz gewesen ist. Das halte ich für durchaus

ngemessen.

Der Gesetzentwurf, den wir sicherlich demnächst mit
roßer Mehrheit verabschieden werden, ist ein Gebot der
erechtigkeit. Es wurde gesagt, dass das auch der Stei-
erung der Attraktivität der Bundeswehr dient. Ich
laube, es ist zu kurz gegriffen, das Gesetz als Attrakti-
itätsmaßnahme zu verstehen. Es handelt sich um eine
aßnahme der Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die

en schwierigsten und gefährlichsten Job in unser aller





Jürgen Hardt


(A) (C)



(D)(B)


Namen machen, den Soldatinnen und Soldaten sowie
den Zivilbediensteten der Bundeswehr, die entsprechend
zu behandeln sind.

Ich wünsche mir, dass die Klagen Einzelner über bü-
rokratische oder schwerfällige Prozesse bei der Aner-
kennung von Wehrdienstbeschädigungen ein Ende fin-
den. Bund und Länder arbeiten daran, das Ganze zu
beschleunigen. Ich vertraue darauf, dass das klappen
wird. Wir, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses,
werden darauf genau achten.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1713115700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/7143 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 19. Oktober 2011, 13 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.