Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Heute vor 15 Jahren, am 10. September 1989, gab derungarische Außenminister den Beschluss seiner Regie-rung bekannt, dass ab Mitternacht DDR-Bürger mit ih-ren Pässen, Personalausweisen oder Rot-Kreuz-Papierendie Volksrepublik Ungarn in ein Drittland verlassen kön-nen, das bereit ist, sie aufzunehmen. Diese Entscheidungder ungarischen Regierung öffnete den Tausenden vonBürgerinnen und Bürgern der DDR, die in den vorange-gangenen Wochen in Ungarn Zuflucht gesucht hatten,den Weg in die Freiheit. Bis Ende September hatten be-reits über 32 000 Personen die Grenze überschritten.Der mutige Schritt der ungarischen Regierung stellteden vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung dar, diesich immer schneller vollzog und die uns alle den ge-schichtlichen Wandel förmlich spüren ließ. Ob der Be-ginn des Abbaus des Eisernen Vorhangs an der öster-reichisch-ungarischen Grenze am 2. Mai 1989, dasDurchschneiden der Grenzanlagen durch AußenministerGyula Horn und seinen österreichischen Kollegen AloisMock am 27. Juni 1989, das Paneuropäische Picknick inSopron am 19. August 1989 – all diese Ereignisse mar-kierten den unfassbaren Aufbruch, der Europa ergriffGvdhogCKdsKnMSigsnRedetund der am Ende des Jahres 1989 der Teilung unseresLandes durch Beton, Stacheldraht und Todesstreifen einEnde bereitet hatte.In der Folge dieser Ereignisse, die das ungarischeVolk und seine Regierung durch ihren Mut und ihre Ent-schlossenheit ermöglicht und beschleunigt haben, istauch Europa zusammengewachsen. Seit dem 1. Mai2004 ist Ungarn selbst Mitglied der Europäischen Unionund wir gestalten gemeinsam ein demokratischesEuropa.Ungarn hat eine Werbekampagne aus Anlass des15. Jahrestages der Öffnung des Eisernen Vorhangs unterdas Motto gestellt: Heute so wie damals – eine grenzen-lose Freundschaft. Diesem Motto schließegerne an.
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2005ext
– Drucksache 15/3660 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungFinanzplan des Bundes 2004 bis 2008– Drucksache 15/3661 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussdaran, dass wir am Dienstag für die heu- zum Bundeshaushalt dreieinhalb Stun- haben.n wir unsIch erinneretige Ausspracheden beschlossen
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsWir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Bildung, Forschung und Technikfol-genabschätzung.Als erste Rednerin hat die Bundesministerin EdelgardBulmahn das Wort.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenHerren und Damen! Die Natur macht es uns vor: DerWandel und die Fähigkeit, sich zu verändern, sind dieGrundbedingungen aller Existenz. Deshalb sind Fort-schritt und Innovation die Garanten für eine lebenswerteZukunft. Für unser Land und unsere Gesellschaft darfnichts anderes gelten. Der veränderte Altersaufbau unse-rer Gesellschaft und der sich verschärfende internatio-nale Wettbewerb stellen uns vor grundlegend neue He-rausforderungen.
Die wirksamste Antwort, die wir darauf geben kön-nen, sind Investitionen in Bildung und Forschung. Das,Herr Kampeter, wird sicherlich auch der Opposition nüt-zen. Bildung ist der Schlüssel zu Teilhabe und Beschäfti-gung,
zu wirtschaftlichem Wachstum und Spitzenforschung.Durch Forschung entstehen Ideen für neue Produkte,Konzepte für bessere Verfahren und innovative Dienst-leistungen. Beides zusammen schafft die Grundlage fürWohlstand, wirtschaftliches Wachstum und die Arbeits-plätze von morgen und damit auch die Sicherheit und dieZukunftschancen, die die Menschen benötigen.Aus diesem Grund hat die Bundesregierung mit derAgenda 2010 längst fällige Reformen in Angriff genom-men, Reformen, die spätestens in den 80er-Jahren hättenin Angriff genommen werden müssen, vor denen Siesich aber gescheut haben.
Wir haben sie in Angriff genommen, weil wir davonüberzeugt sind, dass wir jetzt handeln müssen, um inno-vativer und international wettbewerbsfähiger zu werden.Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, setztaber voraus, dass es uns allen ernst ist mit der Kürzungvon Subventionen der VergangenheituZtiMdsdTd7vDuSdhkUwkf8pgfWB3ggZEmmd
nd neuen Weichenstellungen hin zu Investitionen in dieukunft. Wenn am Sonntag die Bedeutung von Investi-onen in die Köpfe betont und gefordert wird, amontag aber gesagt wird, nein, wir investieren in Beton,ann ist das nicht glaubwürdig. So können wir die Men-chen nicht für die Zukunft gewinnen.
Unser Vorschlag, woher zusätzliches Geld, auch fürie Länder und Kommunen, kommen soll, liegt auf demisch. Wir wollen die Eigenheimzulage abschaffen undie frei werdenden Mittel – das sind immerhin 6 bisMilliarden Euro – in Bildung und Forschung, in Inno-ation, also in unsere Zukunft, investieren.
ie Länder können mit diesem Geld endlich die Lehrernd Hochschullehrer einstellen, die wir an unserenchulen und Hochschulen so dringend brauchen.
Deshalb, meine Herren und Damen von der Union,enken Sie um! Geben Sie Ihre bisherige Blockade-altung auf und sagen Sie Ja zu Investitionen in die Zu-unft!
nser Kopf ist rund, damit unser Denken die Richtungechseln kann. Nutzen Sie diese Chance!
Für Bildung und Forschung werden im BMBF imommenden Jahr insgesamt 10 Milliarden Euro zur Ver-ügung stehen. Im Einzelnen sind das:,464 Milliarden Euro im Etat des BMBF, im Einzel-lan 30, 1 Milliarde Euro für das Ganztagsschulpro-ramm der Bundesregierung und 445 Millionen Euroür BAföG-Darlehen, also für die Studienfinanzierung.ir werden damit im Haushalt 2005 die Ausgaben fürildung und Forschung gegenüber 1998 um rund6,4 Prozent erhöhen. Das ist eine klare Trendumkehregenüber den Jahren der Kürzungen unter der Kohl-Re-ierung.
wischen 1992 und 1998 wurden rund 670 Millionenuro aus diesem Zukunftsbereich herausgestrichen. Sie,eine Damen und Herren von der Opposition, haben da-als durch diese massiven Mittelkürzungen und auchurch den absoluten Stillstand bei notwenigen Refor-
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnmen, zum Beispiel im Bildungsbereich, einen gewalti-gen Rückstand verursacht, den wir heute teilweise nochimmer spüren.
Wir bekennen uns klar zu mehr Investitionen in Bildungund Forschung. Wir werden dabei auch neue Wege ein-schlagen.Zu einer guten Innovationspolitik gehören auf der ei-nen Seite die finanziellen Investitionen. Dazu haben wireinen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Auf der anderenSeite gehört dazu auch die Schaffung neuer, zeitgerech-ter Strukturen. Die Innovationsinitiative, die wir An-fang des Jahres gestartet haben, beinhaltet drei Kern-punkte. Ich will sie hier nennen.Erster Punkt. Ich bin davon überzeugt, dass die Hoch-schulen unseres Landes, die eine so wichtige Schlüssel-rolle für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes spielen,weiter gestärkt werden müssen,
wenn wir im Wettbewerb um die besten Köpfe sowie umexzellente Forschungsergebnisse und innovative Pro-dukte international konkurrenzfähig bleiben wollen. Da-für ist in den vergangenen Jahren bereits eine ganzeMenge geschehen und in Bewegung gesetzt worden.Stichworte sind beispielsweise: das neue Besoldungsge-setz – es sieht eine leistungsgerechte Bezahlung von Pro-fessoren vor; endlich gehen die Länder daran, diesesGesetz umzusetzen –, die Bachelor- und Masterstudien-gänge, die Einführung der Juniorprofessur wie auch dieProgramme zur Nachwuchsförderung, die wir gemein-sam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf denWeg gebracht haben.
Die Juniorprofessur ist ein international akzeptierterKarriereweg. Frau Reiche, im Übrigen haben die Wis-senschaftsminister aller Länder gesagt, dass sie diesenKarriereweg für wichtig und notwendig erachten.
Nach diesen wichtigen Strukturveränderungen undErneuerungen, die wir im Hochschulbereich umgesetzthaben, muss es jetzt auch darum gehen, das Profil unse-rer Hochschulen so zu schärfen, dass sie weltweit er-kennbar sind und als Spitzenhochschulen eine wichtigeRolle spielen. Gerade weil wir unser Licht nicht unterden Scheffel zu stellen brauchen, gerade weil wir einsehr leistungsfähiges Wissenschaftssystem haben, müs-sen wir unsere Anstrengungen erhöhen. Denn auch un-sere Nachbarn tun dies. Daher brauchen wir in unseremLand forschungsstarke Spitzenuniversitäten.bzngIvWrtansDHrwÜdUma3fsgadbgdzbdot
Von uns aus kann es losgehen.
ch frage Sie, meine sehr geehrten Herren und Damenon der CDU – ich sage ganz bewusst: von der CDU –:ollen Sie den Hochschulen tatsächlich diese Chanceauben, nur weil einige Ihrer Ministerpräsidenten Partei-ktik an die erste Stelle setzen?
Die Mittel für den Wettbewerb – das will ich hieroch einmal ausdrücklich betonen – werden den Hoch-chulen zusätzlich zur Verfügung gestellt.
as heißt zugleich, dass wir die Breitenförderung derochschulen so fortsetzen wie in den vergangenen Jah-en und in diesem Jahr. Wir fördern den Hochschulbaueiterhin jährlich mit 925 Millionen Euro. Das ist imbrigen immer noch deutlich mehr als das, was Sie inen 90er-Jahren in den Hochschulbau investiert haben.
m es ganz klar zu sagen: Sie haben damals wirklichassiv gekürzt. Wir investieren mehr. Wir werden dasuch fortsetzen.
Insgesamt stehen im kommenden Jahr rund,27 Milliarden Euro für den Hochschulbereich zur Ver-ügung. Das sind 23 Prozent mehr als noch 1998. Ichage ausdrücklich: Wenn in den Jahren vorher eine ver-leichbare Steigerungsrate erreicht worden wäre, wennlle Länder im gleichen Umfang ihre Investitionen fürie Hochschulen erhöht hätten, dann stünden wir deutlichesser da. Die Bundesregierung hat hier ein klares Signalesetzt und die Hochschulen gestärkt. Aber auch von an-erer Seite muss es entsprechende Aktivitäten geben.
Die Wissenschaft – damit komme ich zu meinemweiten Punkt – bewegt sich in mehrjährigen Zyklen undraucht langfristige Perspektiven. Wir haben deshalben großen außeruniversitären Forschungs- und Förder-rganisationen einen Pakt für Forschung und Innova-ionen angeboten. Sie erhalten Planungssicherheit und
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnbis 2010 von Bund und Ländern einen jährlichen Mittel-zuwachs von mindestens 3 Prozent. Das entspricht ei-nem Plus von rund 100 Millionen Euro pro Jahr.Gleichzeitig brauchen wir aber auch eine Stärkungdes Wettbewerbs innerhalb der Forschungsorganisatio-nen und auch untereinander sowie eine stärkere Vernet-zung zwischen Universitäten, Hochschulen und außer-universitärer Forschung. Wir brauchen eine noch bessereNachwuchsförderung und mehr Mut, auch risikoreicheForschungsansätze gezielt zu verfolgen. Denn wir brau-chen nicht nur mehr Geld für Forschung, sondern auchmehr Forschung und Qualität für das Geld.
Deshalb – das ist der dritte Punkt – setzen wir klareSchwerpunkte in der Projektförderung, zum Beispiel inder Gesundheitsforschung, bei der Nanotechnologie oderbei den Kommunikations- und Informationstechnolo-gien. Unser Grundsatz heißt: Weg vom Prinzip Gieß-kanne! Gefördert wird, was Exzellenz und Arbeitschafft. Wir wollen die Technologieführerschaften aus-bauen und neue Wachstumsfelder erschließen, die wir inunserer Wirtschaft brauchen, und dabei den Hebel ganzgezielt bei den kleinen und mittleren Unternehmen an-setzen. Die Basis dafür haben wir im Übrigen in den ver-gangenen Jahren gelegt. Wir haben seit 1998 die Projekt-förderung um 35 Prozent gesteigert. Das lässt sichsehen.Diese offensive Politik, diese Politik für Bildung undForschung zeigt Wirkung. Unser Land ist leistungsfähig.
Wir können in unserem Land eine ganze Menge. Wirsollten das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeitnicht schlechtreden und nicht zerstören lassen.
Ganz im Gegenteil: Wir setzen an den Stärken an, diewir haben. Wir fördern unsere Stärken und werden da-durch immer besser.Ich will ein Beispiel nennen: den Automobilbau.
Die deutschen Automobilunternehmen sind nach wie vordie Besten in der Welt. Wer hier nur von einer traditio-nellen Branche spricht, vergisst, dass die Autos vonheute technologische Spitzenprodukte sind. Auf dieserErfolgsspur bleiben unsere Unternehmen nur, wenn esihnen auch weiterhin gelingt, die neuesten Hightechent-wicklungen zum Beispiel in der Nanotechnologie oder inder Mikroelektronik förmlich aufzusaugen und für dieeigenen Produkte nutzbar zu machen. Deshalb ist For-schung so wichtig.
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Es geht uns bei der Forschungsförderung aber aucharum, unsere Zukunft lebenswert zu gestalten; ich habem Anfang meiner Rede darauf hingewiesen. Deshalbaben wir zum Beispiel das Rahmenprogramm „For-chung für Nachhaltigkeit“ auf den Weg gebracht. Wirerden dort in den nächsten fünf Jahren rund00 Millionen Euro in Konzepte und Technologien in-estieren, die wirtschaftlich und sozial verträglich sindnd die die Umwelt schonen. Wir sind schon heute welt-eit mit einem Anteil von 16 Prozent der zweitgrößtexporteur auf dem internationalen Umweltschutzmarkt.iese Position wollen wir stärken und ausbauen.
Innovationen sind das A und O des Aufbaus Ost. Wiraben mit dem Programm „Unternehmen Region“ eineigene Förderstrategie für Ostdeutschland entwickelt,ie von den Wirtschaftsweisen, dem Deutschen Institutür Wirtschaftsforschung und sogar von einigen Kolle-en aus der Opposition für richtig und erfolgreich befun-en wird. Wachstumskerne stärken, diesen Weg verfol-en wir seit fünf Jahren mit zunehmendem Erfolg. Füriese Förderung stellt das Bundesministerium pro Jahrund 98 Millionen Euro zur Verfügung. Über den Zeit-aum von 1999 bis 2007 sind das insgesamt mehr als50 Millionen Euro. Das bedeutet also eine Verdoppe-ung im Vergleich zum ursprünglich geplanten Ansatz.
stdeutschland ist uns eine ganze Menge wert. Wir er-eichen mit diesen Investitionen auch etwas, wie sich im-er wieder zeigt.Deutschlands Reichtum sind seine Menschen. Ihreompetenz, ihr Wissen und ihr Einsatz sind unser Kapi-al. Innovation und Fortschritt sind nur mit gut ausgebil-eten Menschen möglich. Wir müssen also unser Bil-ungsniveau insgesamt, in der Breite wie in der Spitze,rhöhen.Ich erinnere nur daran, dass der Bund hier in den ver-angenen Jahren eine ganze Reihe entscheidender Fort-chritte angestoßen hat. Es ist uns mit diesen Anstößenuch gelungen, ideologische Blockaden zu durchbrechennd zu überwinden, die Kindern und Jugendlichen über
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnviele Jahre Bildungschancen genommen haben. Als Bei-spiel nenne ich die Ganztagsschulen. Hier haben wir esdurch die Initiative der Bundesregierung und mit unse-rem Schulentwicklungsprogramm, für das wir insgesamt4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, geschafft,
den Kindern und Jugendlichen endlich auch die Bil-dungschancen zu eröffnen, die sie so dringend brauchen.
Es ist toll, mit welchem Engagement und mit welcherBegeisterung die Lehrerinnen und Lehrer sowie die El-tern vor Ort diese Chance nutzen.Als ein weiteres Beispiel nenne ich die beruflicheBildung. Auch hier ist es uns gelungen, eine ideologi-sche Barriere zu durchbrechen. Der Ausbildungspaktzeigt Wirkung. Mit diesem Ausbildungspakt haben wirin den Kammern, den Unternehmen und Regionen einungeheures Engagement ausgelöst. Ich bin sehr froh,dass es uns gelungen ist, die Zahl der abgeschlossenenAusbildungsverträge deutlich zu erhöhen. Ich weiß, dasswir das Ziel noch nicht erreicht haben. Aber mit dem En-gagement, das hier gezeigt wird, wird uns dies gelingen;das scheint mir ganz offensichtlich zu sein.An dieser Stelle danke ich den beiden PräsidentenPhillip und Braun ganz ausdrücklich für ihren persönli-chen Einsatz. Ich wünsche mir, dass dieses Engagementauch in den kommenden Wochen und Monaten an jedemOrt von allen Abgeordneten, vor allen Dingen aber auchvon allen Unternehmen gezeigt wird.
Meine sehr geehrten Herren und Damen, wir werdenin den kommenden Wochen über das Berufsbildungsge-setz noch einmal miteinander diskutieren, weil es janicht nur um quantitative Fragen, also um mehr Ausbil-dungsplätze, sondern auch um Qualität geht. Die Moder-nisierung der beruflichen Bildung ist auf einem gutenWeg. Bereits heute wird jeder zweite Jugendliche in ei-nem modernisierten Beruf ausgebildet. Ich hoffe sehrund wünsche mir, dass wir kreativ und engagiert zusam-menarbeiten. Dies ist eine der wichtigen Voraussetzun-gen dafür, dass das innovative Deutschland von morgenentsteht. Überall dort, wo Menschen dazu bereit sind,wird es auch entstehen. Dafür wünsche ich mir vieleVerbündete.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt Kollegin Katherina Reiche von der
CDU/CSU-Fraktion.
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och das, was die Ministerin gerade vorgetragen hat,ar eine Bilanzfälschung. Zudem strahlte sie bei ihrerede den Charme einer Büroklammer aus.
o, wie Sie Ihr Amt verwalten, haben Sie auch Ihre Redeorgetragen: technokratisch, ohne Herz und Verständnisür Wissenschaft und Forschung
nd vor allem ohne Leitbild. Es wurde nicht deutlich, woie Wissenschaftsnation Deutschland in zehn oder5 Jahren stehen soll.
ie können offenkundig nicht mit Begeisterung überissenschaft und Forschung sprechen, über die Univer-ität der Zukunft, über Bildung im ganzheitlichen Sinne.orschung ist für Sie nur dann gut, wenn sie ökonomi-iert ist. Freie Forschung um des Erkenntnisgewinns wil-en scheint Ihnen völlig fremd zu sein.
er Sinn höherer Bildung ist für Sie nicht, was oder wieelehrt wird; für Sie ist die Hauptsache, dass alle hinönnen. Duale Ausbildung funktioniert zumeist dannut, wenn der Staat noch ein bisschen mitmischt, zumeispiel in Form einer Zwangsabgabe. Den Leertitel ha-en Sie vorsichtshalber im Haushalt belassen.
Die Gleichheit ist Ihr politisches Ziel. Das tropfteörmlich aus allen Sätzen, die Sie uns hier vorgetragenaben.Sie stolpern von Missgriff zu Missgriff:
ine misslungene Dienstrechtsreform, eine mangelhafteAföG-Reform, der verkorkste Versuch, Eliteunis perekret zu verordnen, gescheiterte Hochschulrahmen-echtsnovellen. Die Juniorprofessur ist Ihnen, Frauulmahn, vom Bundesverfassungsgericht um die Ohrenehauen worden.
ie haben nicht einen Satz dazu gesagt. Auch das Stu-iengebührenverbot wird Ihnen um die Ohren fliegen.
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Katherina ReicheEs kam der Aufruf an die Länder, die Forschungsor-ganisationen möglichst gleich an den Bund abzutretenund die Leibniz-Institute am besten zu zerschlagen. Siegängeln die geisteswissenschaftlichen Auslandsinstituteund versuchen, den Ländern Bildungsstandards zu ok-troyieren.
Frau Bulmahn, ich frage mich, wie weit man eigentlichvon der Realität entfernt sein muss, um eine solche Listevon Niederlagen in nicht einmal sechs Jahren zu produ-zieren.
Ihnen muss eigentlich ganz schwindelig werden.Dabei steht uns das Wasser bis zum Hals. Immermehr innovative Industriebranchen sagen dem StandortDeutschland leise Adieu. Sie verlagern nicht nur Ar-beitsplätze, sondern auch die Forschung ins Ausland,und zwar keineswegs nur nach Osteuropa, sondern auchin die Schweiz und nach Österreich.Sie haben die Innovationsbremse noch fester gezo-gen, zum Beispiel in der Gentechnik, wo der DFG-Prä-sident Winnacker mit Blick auf Sie resümierte, das neueGentechnikgesetz sei enorm forschungsfeindlich.
– Frau Kressl, wenn Sie ein bisschen aufgepasst hätten,wüssten Sie, dass das Gentechnikgesetz etwas mit derGrünen Gentechnik zu tun hat. Ich kann aber bei Ihnenwahrscheinlich nicht annehmen, dass Sie das durchbli-cken.
Nach den Berechnungen des ZEW müssten inDeutschland fünf Jahre lang die Forschungsausgaben ummindestens 5 bis 6 Prozent steigen, um dorthin zu kom-men, wo Japan jetzt ist. Bislang gab es eine Steigerungdes BMBF-Haushaltes um nominal 2,45 Prozent; real istes deutlich weniger. Es ist anzunehmen, dass sich das,was wir 2004 erlebt haben, nämlich das Plündern desForschungshaushaltes für die Rentenkasse, 2005 durch-aus wiederholen kann. Vielleicht müssen Sie dann Lö-cher, die durch Hartz IV entstehen, damit stopfen. Dassind die neuen Wege, von denen Sie reden.Das Jahr der Innovation besitzt keine Schubkraft.Es wird geredet, es wird diskutiert, ein Innovations-kongress jagt den nächsten. Wo ist aber der Innovations-schub? Wo ist das Wachstum?
Sie haben bislang Innovationslyrik produziert. FrauBulmahn, Sie haben nicht einmal versucht, für einen hö-heren Haushalt zu kämpfen. Sie bräuchten jährlich min-destens 400 Millionen Euro mehr, um das 3-Prozent-Zielvon Lissabon zu erreichen. Sie haben schlappe2fbOecHDcnzsfdhrglifÜSisvvsvhimalawtePIrwaSwanhaFte
Ihr Haushalt ist das Ergebnis vieler Operationen.peration Nummer eins ist Trickserei. Sie rechnen unsine Steigerung von 300 Millionen Euro vor und verglei-hen Äpfel mit Birnen. Sie vergleichen nämlich denaushalt 2004, der um den Rentenbeitrag und andereinge gekürzt wurde, mit dem Ziel, was Sie 2005 errei-hen wollen. Das ist unseriös.Operation Nummer zwei ist Luftbuchung. 63 Millio-en Euro des Zuwachses sind bereits von vornherein bisum Wegfall der Eigenheimzulage gesperrt. Nur ist eso, dass 93 Prozent der Menschen die Eigenheimzulageür ein wichtiges Instrument der Familienförderung under Altersvorsorge halten. Ihre Beamten rechnen schonektisch nach, wie die Löcher für den Fall, dass die Ope-ation Eigenheimzulage misslingt, mit neuen Kürzungenestopft werden können.
Operation Nummer drei sind Umbuchungen. 47 Mil-onen Euro fließen Ihnen aus dem Bundesministeriumür Wirtschaft und Arbeit zu, nämlich für die komplettebernahme des Meister-BAföGs. Das ist aber nicht, wieie, Frau Bulmahn, uns das vorrechnen, neues Geld; est schlichtweg ein Übertrag. Zufällig sind auf dem Wegom BMWA zum BMBF auch noch 10 Millionen Euroerloren gegangen. Das ist wahrlich kein Meisterstück.Operation Nummer vier sind falsch kalkulierte An-ätze. Ihr Ansatz für das Studenten-BAföG ist nach wieor zu niedrig. Mir bleibt es zumindest ein Rätsel – ichoffe, Sie können es lösen –, wie Sie mit weniger Geldmer mehr Studenten fördern wollen. Die Wahrheit istuch, dass sich die wirtschaftliche Situation in Deutsch-nd so darstellt, dass immer mehr junge Leute bedürftigerden und BAföG beantragen werden, weil es ihren El-rn schlechter geht. Auch das ist ein Ergebnis Ihrerolitik.
m Ergebnis heißt das aber, dass bei der Projektförde-ung gekürzt werden muss, weil die Ansätze bedienterden müssen.Sie setzen zudem falsche Prioritäten. Sie sparen nichtn der Werbung. Sie sparen nicht an Beraterverträgen.ie sparen nicht an Programmen, mit denen Sie die Ge-erkschaftsklientel bedienen können. Nein, Sie sparenn Biotechnologie, Sie sparen an der Grünen Gentech-ik, Sie sparen am nationalen Raumfahrtprogramm. Sieaben die Rücknahme der Mittel im Hochschulbau nichtusgeglichen. Sie kürzen zudem an der Forschung anachhochschulen, die Sie angeblich für so wichtig hal-n.
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Katherina Reiche
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringendeine Wende in der Bildungs- und Forschungspolitik. Bil-dung und Forschung brauchen zunächst Verlässlichkeitund Konstanz. Sie machen seit Jahren das Gegenteil. Zu-gesagte Mittel können nicht abgerufen werden. Die For-schungsorganisationen können sich nicht auf das verlas-sen, was ihnen zugesagt wird. Sie erlebenhaushälterische Achterbahnfahrten. Der Projektförde-rung geht es ebenso. UMTS brachte durchaus einenkurzzeitigen Segen. Aber danach kam der große Kater.So kann man mit der Forschung nicht umgehen.
Bildung und Wissenschaft brauchen Freiheit. Aber Ih-nen erscheint der Wert der Freiheit suspekt. Sie wollenreglementieren. Sie wollen kontrollieren. Sie wollen de-kretieren.
Sie misstrauen dem Wettbewerb. Sie misstrauen denMenschen aus Angst vor der Freiheit. Das unterscheidetIhre Politik ganz deutlich von der unseren.
Das zeigt sich ganz deutlich an Ihrer Hochschulpoli-tik. Sie haben den Hochschulen ein zum Teil verfas-sungswidriges Hochschulrahmenrecht übergestülpt.
Die Habilitation sollte mit der Brechstange weg. DieJuniorprofessur sollte sie vollständig ersetzen. FrauBulmahn, das ist genau das Gegenteil von Freiheit. DieJuniorprofessur ist im Ansatz richtig. Das haben wir niebestritten.
Aber der Starrsinn hat sie ins Desaster geführt, das nichtnur Sie beschädigt hat, sondern vor allem auch diejeni-gen, die sich darauf verlassen haben, dass das Gesetzverfassungskonform ist. Sie sind die Leidtragenden.
Frau Bulmahn, das Verfassungsgerichtsurteil vom27. Juli ist Ihr bildungspolitisches Waterloo. Das Urteilweist den Bund nämlich ganz klar in seine Grenzen. Siehatten sie trotz aller Warnungen ignoriert.Unsere Hochschulen brauchen zudem dringend mehrGeld für mehr Qualität. Doch wer das Verbot von Stu-dwdrfowuadbDnrngKCbDzFiDwdmOGlSMETVArr
ie Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass Basisinnovatio-en vor allem aus der freien Grundlagenforschung he-aus entwickelt wurden.Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass es im Kabi-ett Schröder keine einheitliche Innovationsstrategieibt, dass Forschung in Gut und Böse eingeteilt wird.
erntechnik, Fusionsforschung, Grüne Gentechnik undhemie werden insbesondere von den Grünen erbittertekämpft.
as Gentechnikgesetz macht Ihren vernünftigen Ansät-en in der Grünen Gentechnik den Garaus.
rau Bulmahn, Sie konnten sich gegen Frau Künastsdeologischen Feldzug nicht zur Wehr setzen.
er faktische Ausstieg aus der Grünen Gentechnik, denir jetzt haben, wird genauso verheerende Folgen wieer Ausstieg aus der Kerntechnik haben. Denn nicht ein-al mehr Sicherheitsforschung ist möglich.
Bildungs- und Forschungspolitik muss vor allemrientierung haben und neue Anstöße liefern. Derrundfehler im Bildungs- und Forschungsministeriumiegt neben seiner schlechten Führung vor allem in seinertruktur. Nach 1998 wanderten die Luftfahrt und dieittelstandsförderung ins Wirtschaftsministerium. Dienergieforschung wurde aufgeteilt, zerschlagen; großeeile gingen zu Herrn Trittin. Frau Künast ist für dieorgaben in der Gentechnik zuständig. Sie haben diesenderlass klag- und widerspruchslos hingenommen. Dasächt sich.Wir brauchen ein strategisches Innovationsministe-ium, das alle Forschungsaktivitäten bündelt. Sie haben
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Katherina Reicheein Schulministerium daraus gemacht und wundern sich,dass aus den Innovationen nichts wird.
Bei den vor uns liegenden Haushaltsberatungen wer-den wir auf Korrekturen drängen. Wir werden Ihnenkonkrete Vorschläge für Änderungen im Haushalt ma-chen.
Bei Beraterverträgen, bei Werbung und bei Steinkohlekann gespart werden. Wir bieten Ihnen an, tatsächlich300 Millionen Euro mehr für Bildung und Forschung inden Haushalt einzustellen. Wir wollen Ihnen auf dieSprünge helfen, damit das Jahr der Innovationen wenigs-tens irgendwie seinen Namen verdient. Ich fordere Sieim Interesse des Wissenschafts- und Wirtschaftsstand-ortes Deutschland auf: Nehmen Sie unser Angebot an!Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Josef Fell vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Haushalt des Bildungs- und Forschungsmi-nisteriums für das Jahr 2005 liegt um 202 MillionenEuro, das heißt um 2,45 Prozent, über dem für dasJahr 2004.
Das ist nicht überragend, aber gut. Wie als Teil derAgenda 2010 versprochen, werden die institutionellenForschungsmittel um 3 Prozent erhöht. Das ist ein star-kes Signal von Rot-Grün, dass Bildung und Forschungauch weiterhin gestärkt werden.
Auch die Projektforschungsmittel steigen um61 Millionen Euro. Das ist ein Plus von fast 2,8 Prozent.Leichte Zuwächse gibt es bei der Nanotechnologie, derMikrosystemtechnik und der Gesundheitsforschung. Al-lerdings – das will ich zugestehen – sehen wir bei denProjektforschungsmitteln insgesamt eine zu große Enge.
Sie bereiten uns tatsächlich Sorge. So bedauern wirGrüne die im Regierungsentwurf vorgenommenen Kür-zungen bei der Bauforschung sehr. Wir werden uns dafüreinsetzen, dass die Mobilitäts- und Bauforschung unterdem Aspekt der Nachhaltigkeit weiterhin gefördert wird.m–wAEwdWfgd1ntefNEFuddsJaÖwWdntiDtehUhK
Darauf komme ich noch zu sprechen. – Dann schauenir uns doch jetzt einmal die von Ihnen hinterlassenenltlasten an. Anstatt Geld in die Hybridtechnologie zurntwicklung sparsamer Autos zu investieren, müssenir es in den Abriss von alten Atomreaktoren und inie Lagerung des gefährlichen Atommülls stecken.
egen der von Ihnen, von Union und FDP, betriebenenalschen Energiepolitik und der falschen Verpflichtun-en, die Sie eingegangen sind, müssen die entsprechen-en Ausgaben in diesem Haushalt von 80 auf60 Millionen Euro ansteigen.
Noch einmal: In diesem Haushalt werden 160 Millio-en Euro für Vergangenheitsbewältigung aus dem Fens-r geworfen. Die Staaten, die sich den Irrweg der Atom-orschung erspart haben, können ihr Geld nun inanotechnologie, Hybridtechnologie und erneuerbarenergien investieren, während wir für den Abriss vonorschungsreaktoren zahlen,
nd dies aus Steuergeldern statt aus den satten Gewinnener Atomkonzerne. Das war eine grandiose Fehlleistunger Regierung Kohl.
Nun zu einem anderen großen Thema: der dramati-chen Entwicklung auf dem Weltrohölmarkt. Diesesahr wird der globale Nachfragezuwachs höher ausfallenls der Verbrauch in Deutschland. Gleichzeitig geht dielproduktion in der Nordsee zurück und Indonesienandelt sich vom Erdölexporteur zum -importland. Dieeltwirtschaft läuft auf eine dramatische Situation zu,ie weitaus schlimmer sein dürfte als die der vergange-en Ölkrisen von 1973 und 1980. Währungs- und infla-onsbereinigt stand der Ölpreis 1980 bei 101 US-Dollar.a wir den Chinesen aber nicht das Autofahren verbie-n können, müssen wir uns bald auf noch deutlich hö-ere Rohölpreise einstellen.
nsere Devise, auch für die Forschung, kann daher nureißen: Weg vom Öl!Deswegen werden wir im Haushalt von Renateünast
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Hans-Josef Fell
für die Forschung und Markteinführung in den Berei-chen Bioenergie und Biochemie mehr Geld ausgebenund im Haushalt von Jürgen Trittin werden wir für Solar-energie, Windenergie und Erdwärme mehr Geld ausge-ben. Rot-Grün unternimmt ernste Anstrengungen hin-sichtlich Forschung und Entwicklung also nicht nur imEinzelplan 30, sondern im gesamten Bundeshaushalt.
Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von derUnion, jetzt einwenden, das alles sei zu wenig, dannsollten Sie sich klar machen, dass Sie gar keinen Auf-wuchs, sondern eine reale Senkung fordern, wenn dieEigenheimzulage für Sie zukunftsweisender als die For-schungsförderung ist.
Ich fordere Sie von der Union auf, uns im Bundesratendlich zuzustimmen, damit die Mittel für die Eigen-heimzulage zugunsten von Bildung und Forschung um-geschichtet werden können.
Ganz nebenbei bemerkt: Durch eine pauschale 5-pro-zentige Kürzung des Bundeshaushalts, wie sie Minister-präsident Stoiber vorschlägt, würden die Mittel für Bil-dung und Forschung um 423 Millionen Euro verringert.Da bliebe nichts mehr für all die Wünsche übrig, die Siegeäußert haben, zum Beispiel für Investitionen in For-schungseinrichtungen, Nanotechnologie oder Bildung.Wir landeten im wahrsten Sinne des Wortes wieder imletzten Jahrtausend, in dem Sie während der Ära Kohllaufend die Forschungsausgaben senkten.
Wir investieren aber nicht nur in Forschung, nein,auch in Köpfe. So haben wir das BAföG für Studierendeund Schülerinnen und Schüler weiter gesteigert. Auchdie Förderung derjenigen, die sich im Beruf weiterbil-den, unterstützen wir durch die Steigerung des Meister-BAföGs. Nicht zu vergessen, es läuft so ganz im Hinter-grund auch noch das Ganztagsschulprogramm der Koali-tion. Binnen vier Jahren fließen 4 Milliarden Euro in dieBundesländer, um Ganztagsschulen aufzubauen, die Sieimmer bekämpft haben.Ich muss Ihnen da, meine werten Kolleginnen undKollegen vor allem von der CSU, eine Geschichte überein Gymnasium in Münnerstadt in Unterfranken erzäh-len, wo ich selbst einstmals unterrichtete.
Dieses Gymnasium wurde mit Mitteln aus dem Investi-tionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ zurGanztagsschule ausgebaut.EnbFsihmBgWjeSwdghgWtihdFmwbuHgnvdfwMsfsSuraRtrbme
dmund Stoiber wird demnächst zur feierlichen Eröff-ung anreisen. Ich erinnere mich noch sehr gut an dieayerische Debatte über das Ganztagsschulprogramm.rau Hohlmeier und Herr Stoiber schimpften gemein-am, dass die Eltern doch selbst entscheiden sollten, wiere Kinder nachmittags betreut würden. Sie meinten da-it, die CSU will keine Ganztagsschulen.Aber erst jetzt, da dank der Anschubmittel dieserundesregierung auch in Bayern das Ganztagsschulan-ebot gestiegen ist, haben die Eltern und Kinder dieseahl. Ich finde es wunderbar, dass sich Herr Stoibertzt freut, dass seine Enkelkinder bald in solch schönechulen gehen können. Ich hoffe nur, dass er bei der Ein-eihungsfeier in Münnerstadt auch sagt, dass Rot-Grünieses Ganztagsschulprogramm durchgesetzt hat – ge-en seinen Willen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sieaben sich Anfang des Jahres auch furchtbar dagegenewehrt, dass die deutschen Hochschulen in einenettbewerb eintreten sollten, der ihnen dringend benö-gte zusätzliche Mittel bringen kann. Glücklicherweiseaben sich Ihre Fachministerinnen und Fachminister ausen Ländern nicht abhalten lassen, dies mitzutragen. Imrühsommer stand ein Konzept, das vier wichtige Ele-ente vereint: zur Nachwuchsförderung einen Wettbe-erb, in dem circa 40 Graduiertenschulen ausgeschrie-en werden; zur Forschungsförderung einen Wettbewerbm die Förderung von 30 Exzellenzclustern, in denenochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtun-en und Unternehmen kooperieren; zur Signalwirkungach innen und außen einen Wettbewerb der Spitzenuni-ersitäten; als vierter Punkt die Exzellenzförderung iner Lehre durch die Länder.Dieses Konzept schien Anfang Juni zu stehen, An-ang Juli wurde es dann aber nicht beschlossen. Jetztird es frühestens Anfang November beschlossen – vieronate, in denen nicht nur die Hochschulen nicht wis-en, ob sich diese große Entwicklungschance wirklichür sie auftun wird. Nein, auch die Nachwuchswissen-chaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, um dieie sich, werte Kolleginnen und Kollegen von Unionnd FDP, doch immer so lautstark sorgen, fragen sichatlos, ob ihre Zukunft in Deutschland liegt oder dochnderswo in Europa oder in den USA. Die notwendigeeform des Föderalismus ist gut und schön, aber hierifft sie möglicherweise die Falschen. Hören Sie auf zulockieren! Machen Sie mit bei den notwendigen Refor-en wie bei der Juniorprofessur, damit auch die Jungenine Chance in der Wissenschaft bekommen.
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11330 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. September 2004
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Fell,es ist schon bemerkenswert, wie Sie uns nach dem Aus-stieg aus der Kernenergie, bei dem Sie ja einen Kapital-vernichtungsakt sondergleichen durchgezogen haben,
jetzt vorwerfen, dass wir Ihren Haushalt belasten.
So etwas geradezu Bizarres habe ich mein Lebtag nochnicht gehört.
Aber wir sind ja heute zum Haushaltsentwurf 2005hier und sollen darüber diskutieren, Frau Bulmahn. Siehaben uns eben erzählt, dass der Haushalt um3,6 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro steigt. Wie immerhaben Sie in diesem Zusammenhang natürlich die Mittelfür die Ganztagsschulen und auch die BAföG-Mittel, dieja eigentlich nicht zu Ihrem Haushalt gehören, sondernaus anderen Haushalten kommen, dazugezählt. Darüberwollen wir schon gar kein Wort mehr verlieren.Aber Sie haben auch etwas anderes getan: Sie habenhier mit Zahlen hantiert und versucht, den großen Po-panz der Eigenheimzulage wieder hochzuziehen,
hinter dem Sie sich ein bisschen verstecken, um in Zu-kunft, in den nächsten Monaten, den Gegner auf der an-deren Seite entsprechend beschimpfen zu können. Ichmuss Ihnen sagen: Sie arbeiten hier mit Zahlen, die allesandere als seriös sind.Sie haben die berühmte Eigenheimzulage, über alleHaushaltsetats verteilt, mit rund 150 Millionen Euro an-gesetzt. Es sind aber nur exakt 95 Millionen Euro. Dasheißt, erstens hantieren Sie hier mit einer Eigenheimzu-lage, die es in dieser Höhe nie geben wird, weil dieCDU/CSU nicht zustimmen wird, und zweitens arbeitenSie mit Zahlen, die vorne und hinten nicht stimmen.
– Herr Tauss, Sie haben Frau Reiche vorhin doch gehört.Ohne diese Mittel ergibt sich im Endeffekt nur eineminimale Steigerung des Haushalts. Wenn wir die Un-wägbarkeiten des BAföGs und die globale Minderaus-gabe von 145 Millionen Euro, die Sie schließlich erwirt-schaften müssen, hinzuziehen, dann gibt es im nächstenJahr real nicht mehr Geld für diesen Haushalt.FSbakVSddbcDkdwFnßiükzmFKDdGnwiInz
ie setzen Ihre Taktik fort, dort zu erhöhen, wo Sie inen letzten Jahren gekürzt haben. Sie erhöhen jetzt beier Mikrosystemtechnik, bei der Softwaretechnik undei der Nanoelektronik. Frau Bulmahn, das sind Pfläster-hen auf die Wunden des letzten Jahres.
afür werden andere Positionen, wie zum Beispiel Ver-ehr und Mobilität – das finde ich sehr erstaunlich – undas System Erde, gekürzt. Herr Fell, ich weiß gar nicht,ie Sie damit leben können.Sie verhalten sich wie eine Gärtnerin, die ein großeseld voller Unkraut liebevoll begießt, aber nun wirklichicht weiß, wo sie etwas Neues anpflanzen soll. So gie-en Sie überall mit Ihrer 3-Prozent-Gießkanne, wobeich es schon ganz witzig finde, dass Sie die 3 Prozentberall durchhalten, ohne, wie die internationale Kon-urrenz, große, milliardenschwere Schlüsseltechnologie-entren hochzuziehen. Frau Bulmahn, Sie kleckern aufittlerem Niveau.
ür die FDP-Fraktion sage ich, dass das besser ist, alsürzungen vorzunehmen; das erkennen wir auch an.as ist aber eben nicht der große Wurf, auf den wir iniesen Zeiten alle warten.Was ist der Grund dafür? Aus unserer Sicht liegt derrund dafür viel tiefer als nur bei Hans Eichel und sei-en Sparverpflichtungen. Sie haben sich nämlich im Ge-irr der föderalen Zuständigkeiten und der koalitions-nternen Ansprüche verfangen.
hre Visionen sind an den Betonmauern der Länder undicht zuletzt an denen Ihres grünen Koalitionspartnerserplatzt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. September 2004 11331
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Ulrike FlachSie sind praktisch mit allen Reformvorhaben der letztenZeit gescheitert bzw. ins Stocken geraten oder Sie habensich ganz einfach nicht durchsetzen könnenFrau Reiche hat vorhin schon darauf verwiesen: DasBundesverfassungsgericht hat Ihre 5. HRG-Novelle ge-kippt und das aus unserer Sicht richtige Juniorprofesso-renprogramm für verfassungswidrig erklärt.
Frau Bulmahn, Sie haben das größte Projekt Ihrer Hoch-schulpolitik sehenden Auges glatt gegen die Wand ge-fahren.
Ich erinnere mich: Wir alle haben hier gestanden und Sievor diesen Risiken gewarnt. Sie sind ohne Rücksicht aufVerluste durchgefahren. Am Schlimmsten finde ich es,dass Sie dies ohne Rücksicht auf diejenigen getan haben,die an den Hochschulen lehren und arbeiten müssen. Fürdiese Leute gibt es jetzt einen rechtsfreien Raum.
Das wird dazu führen, dass sich manche von ihnen ein-klagen werden.Gehen Sie jetzt einmal an die Hochschulen! GehenSie zum Beispiel an eine Hochschule im Ruhrgebiet wiedie in Bochum! Dort sind 200 Leute betroffen. DieseHochschule hat einen verzweifelten Kanzler und einenverzweifelten Rektor, die nicht wissen, wie es weiter-geht. Das ist das Produkt Ihrer größten Aktion in dieserLegislaturperiode.
Das Schauspiel wird sich im Herbst aufgrund des Ver-bots von Studiengebühren grausam wiederholen, in die-sem Falle aber mehr für Sie als für die Hochschulen. DieFolgen Ihrer Blindflugaktionen sind Verunsicherung undIrritationen in der deutschen Hochschullandschaft.
Mit dem Programm zur Förderung von Spitzen-forschung an Hochschulen sind Sie genauso stecken ge-blieben. Ich halte Ihr Vorgehen einfach für einen schlich-ten taktischen Fehler. Man geht einfach nicht auf einePressekonferenz und erzählt, dass es seine Aktion gewe-sen ist, wenn man vorher mit anderen Leuten darüberverhandelt hat. Das kann nicht gut gehen. Auch die Poli-tiker in den Ländern haben ihre Eitelkeiten. Das müssenauch wir Bundespolitiker manchmal erkennen.
– Herr Tauss, auch das ist doch ein Grund dafür, weshalbwir eine seriöse Politik machen müssen.Erst wollen Sie Spitzenhochschulen einrichten, dannwerden die Leute vorgeführt und am Ende liegt alles aufEis. Im Herbst kommen wir mit viel Glück vielleicht sowsnHmFricliSsteSIisedsznssSndugmavssks
Ähnliches kann man auch über Ihren Pakt für dieochschulen sagen; davon habe ich schon lange nichtsehr gehört. Kurzum: Sie haben sich im Klein-Klein desöderalismus verfangen, statt sich auf das zu konzentrie-en, Frau Bulmahn, was Sie wirklich können – das willh Ihnen gar nicht absprechen – und auch dürfen, näm-ch auf das große innovative Feld der Forschung, auf dietruktur und auf Verbesserungen der Forschung in die-em Land. Schauen Sie sich doch die Bio- und Nano-chnologie an! Nach wie vor fehlt eine konsequentetrategie.Dazu will ich niemanden aus unseren Reihen zitieren.hr eigener Kanzlerberater, Herr Professor Wahlster – ert nicht ganz unbekannt –, aus dem Saarland
rklärt dazu in der „Wirtschaftswoche“:Dieses Gießkannenprinzip ist Verschwendung. Esbringt nichts, in jedem Bundesland ein Bio- und einNanotechnologiezentrum zu etablieren.
Bei einem neuen Innovationsfeld müssen die Mittelnach einem Wettbewerb auf zwei, drei Zentren, dieabsolute Spitze sind, konzentriert werden.
Frau Bulmahn, Ihr eigener Berater erkennt sehr klar,ass Sie am Föderalismus und am Kirchturmsdenkencheitern und offensichtlich nicht in der Lage sind, dasu tun, was in allen Ländern der Welt umgesetzt wird,ämlich Konzentration auf das Wichtigste in der For-chungslandschaft. Sie zersplittern sich und kleckerntatt zu klotzen.
Lassen Sie mich noch zu einigen anderen Thementellung nehmen. Nicht nur bei der Forschung sind wiricht dort, wo wir eigentlich sein müssten. Sie sind beien Bildungsstandards ausgebremst worden. Sie habenns eben erzählt, Sie würden im Hochschulbau Gewalti-es leisten. Frau Bulmahn, noch immer steht in Ihrerittelfristigen Finanzplanung, dass Sie die Mittel hierfüruf 750 Millionen Euro senken wollen. Dazu habe ichon Ihnen nichts Gegenteiliges gehört. Dazu müssen Sieich äußern.
Lassen Sie mich also zusammenfassen: Ihr Haushaltteht auf tönernen Füßen. Ihre Mittelverteilung lässteine Vision erkennen. Ihre Reformvorhaben stagnieren,ind blockiert oder kränkeln.
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Ulrike FlachObwohl Sie es nicht mehr hören können, FrauBulmahn, will ich von Ihnen endlich einen Wissen-schaftstarifvertrag. Ich will die wettbewerbliche Orien-tierung der Forschungsförderung. Ich will eine Patent-verwertung, die wirklich funktioniert. Ich will dieUmsetzung der Biopatentrichtlinie. Sie können sichersein, dass daran, ob wir das schaffen, unser Forschungs-standort gemessen wird. Sie aber schaffen es nicht.
Frau Bulmahn, Sie kämpfen sehr oft einsam und zuleise. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich derKollegin Reiche anschließen, die gefragt hat: Wo wardenn die Forschungsministerin, als es um das Gentech-nikgesetz ging? Wo waren Sie denn, als die Wissen-schaftler in Deutschland – noch vor wenigen Tagen – er-klärt haben, dieser Forschungsstandort ist dank HerrnFell und seinen Kollegen tot? Forschung in der grünenGentechnik wird nicht mehr stattfinden.Wo waren Sie denn, als Herr Clement gestern an die-ser Stelle erklärt hat, er wolle die Stammzellforschungwieder aktivieren? So etwas erwarte ich nicht vom Wirt-schaftsminister, sondern von Ihnen, Frau Bulmahn.
Wir befinden uns inzwischen in der Situation, dass jederzweite Stammzellforscher dieses Land zu verlassen be-absichtigt. Ein Forscher in Köln hat gesagt: Ich willgerne weiterforschen, aber die Gesetzgebung hindertmich daran.
Diese Beispielliste ließe sich unbegrenzt fortsetzen,Frau Bulmahn. Bei Ihnen läuft es immer folgenderma-ßen ab: ein großer medialer Auftakt, gefolgt von Unent-schlossenheit und Blockade aus den eigenen Reihen. Aufdiese Weise kommen wir einfach nicht weiter und wis-sen nicht mehr, wie es vorwärts gehen soll. Gleichzeitigleben wir in einer Welt – mehrere Kollegen waren mitmir vor einigen Wochen in China – mit Regionen, in de-nen es steil nach oben geht. Schauen Sie sich zum Bei-spiel in Singapur das Stammzellzentrum an! Schauen Siesich die Technologiezentren in den chinesischen Vor-städten an! Diese 40 riesigen Technologiezentren sind sogroß wie bei uns ganze Städte. Das ist unsere Konkur-renz, Frau Bulmahn, nicht der Kleckerkram, den Sie unshier vorgetragen haben.In diesem Zusammenhang – daran setzen wir als Li-berale an; das möchte ich betonen – kann man nicht nurvon diesem Haushalt sprechen. Wenn wir von Innova-tionspolitik reden, müssen wir die Politik aller Ressortsim Blick haben. Frau Bulmahn, wir haben uns sehr kri-tisch Ihre Kollegen angeschaut. Was sehen wir da?Große Ankündigungen von Ihrer Seite, gleichzeitig ver-zeichnet die Leibniz-Gemeinschaft bei den Mitteln vomBKdWnHoSHf4DhkEdvlhtdutlwSFicVIF
Das Wort hat die Kollegin Andrea Wicklein von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Reiche,
h muss mich zu Ihrem Ton und der Art und Weise Ihresortrages äußern.
ch wurde durch Ihren Tonfall ein bisschen an die DDR-ahnenappelle erinnert.
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Andrea WickleinDieser Ton in diesem Haus bringt uns und Deutschlandnicht weiter. Dieses Schlechtreden ist destruktiv.
Wir sollten gemeinsam handeln, um die Probleme imLand zu lösen.
Wir haben in den vergangenen Wochen und Monatennotwendige und gewiss auch schwierige Reformen dersozialen Sicherungssysteme und des Arbeitsmarktes aufden Weg gebracht. Doch auch beim Ausbau von Wissen-schaft und Forschung werden wichtige Weichen gestellt,die über die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur und desArbeitsmarktes mit entscheiden werden. Verstärkt in Bil-dung, Wissenschaft und Forschung zu investieren ist dieandere Seite der Agenda 2010. Damit bestimmen wir dieZukunft unseres Landes.Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik gehören zu-sammen. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlandswird zukünftig nur dann erfolgreich sein, wenn sie sichauf leistungsfähige Hochschulen und Forschungsinsti-tute stützt und auf Innovationen setzt.
Gerade in Ostdeutschland haben Wissenschaftseinrich-tungen einen entscheidenden Anteil an der Infrastrukturund auch am Wirtschaftsaufbau, wie man es zum Bei-spiel in Sachsen, aber auch in den Regionen Berlin undBrandenburg sehen kann. Sie sind und bleiben aus mei-ner Sicht ein wichtiges oder vielleicht sogar das wich-tigste Instrument, um Strukturdefizite in Ostdeutschlandauszugleichen.
Doch ohne Bildung keine Forschung. Deshalb müssenwir verstärkt in die Köpfe der Menschen investieren. Da-bei sind vor allem die Länder gefragt, aber auch die Un-ternehmen; denn zum Weg in die moderne Wissensge-sellschaft gibt es für unser Land keine Alternative. Dasfindet seinen Ausdruck auch im Haushalt für Bildungund Forschung. Trotz der außerordentlich schwierigenHaushaltssituation haben wir den Etat des Bundesminis-teriums für Bildung und Forschung nochmals um202 Millionen Euro aufgestockt. Hinzu kommen nochBAföG mit etwa 445 Millionen Euro sowie das Ganz-tagsschulprogramm mit 1 Milliarde Euro.
Natürlich sind noch enorme Kraftanstrengungen er-forderlich, damit wir das ehrgeizige Ziel erreichen, dieAusgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen.
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nabhängig davon, dass Sie damit ein Lohnsenkungs-rogramm für ganz Deutschland anstreben, haben Sieuf jeden Fall eines nicht verstanden und das sollten dieenschen in unserem Land wissen: Unser Land wird imeltweiten Wettbewerb nicht als Niedriglohnland beste-en können,
,
ondern nur als Standort für Wissenschaft, Forschungnd innovative Technologien.
nser Plus sind die Ideen und die kreativen Köpfe.
ir brauchen ein Klima, in dem Ideen befördert werdennd die Experimentierfreude des Einzelnen von Kindheitn unterstützt wird. Daran müssen wir arbeiten und darinerden wir investieren.Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal aufie Sparpläne von Edmund Stoiber zurückkommen,er die Ausgaben im Bundeshaushalt durchweg umProzent kürzen will. Ich frage Sie, ob Sie zu den Fol-en dieser Vorschläge stehen, gerade im Bereich vonildung und Forschung? Ich habe Ihre Rotstiftpolitik aufiesen Haushalt umgerechnet: Über 420 Millionen Euroinsparungen bedeuten 20 Prozent weniger für Hoch-chulen, Wissenschaft und Ausbildungsförderung. Wieollen Sie das den Studierenden und den Wissenschaft-rn erklären? Wollen Sie künftig nicht nur die Studien-ebühren erheben, sondern bei den bedürftigen Studie-enden auch noch das BAföG kürzen? Sagen Sie denenschen in unserem Land, was diese Kürzungsvor-chläge konkret bedeuten würden.
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Andrea Wicklein
Wir brauchen das Gegenteil. Wir brauchen Investitionenin diesen Bereichen.Dass notwendiges Sparen nicht zulasten von Bildungund Forschung gehen muss, haben wir mit unseren Vor-schlägen im Haushaltssicherungsgesetz und im Steuer-vergünstigungsabbaugesetz bewiesen. Wenn Sie dieseGesetze im Bundesrat nicht blockiert hätten, wäre einSparvolumen von 17,5 Milliarden Euro zusammenge-kommen; so waren mit der Union nur 2,5 MilliardenEuro möglich.Damit bin ich schon bei meinem dritten Beispiel, derEigenheimzulage. Es ist paradox, dass wir sowohl denBau von neuem Wohnraum als auch den Rückbau von zuviel Wohnraum fördern. Wir müssen uns doch ernsthaftdie Frage stellen: Ist es nicht sinnvoller, in Bildung undInnovation zu investieren als in Beton?
Wir haben diese Frage ganz klar mit Ja beantwortet. Wirwollen allein im Jahr 2005 63 Millionen Euro aus der Ei-genheimzulage für dringend erforderliche Investitionenbei Bildung und Forschung verwenden.
Doch dazu brauchen wir die Zustimmung der Union. Ichfordere Sie an dieser Stelle auf: Lenken Sie ein! Unter-stützen Sie die Investitionen und Innovationen, die Ar-beitsplätze für unser Land schaffen!
Liegt unsere Zukunft nicht eher in der engen Koope-ration zwischen Unternehmen, Hochschulen undForschungseinrichtungen, wo neue und innovativeVerfahren, Produkte und Dienstleistungen entwickeltund umgesetzt werden? Auch im nächsten Jahr werdenwir mit 90 Millionen Euro diese regionalen Netzwerkefördern. Das sind die Keimzellen für Unternehmensan-siedlungen und Unternehmensgründungen.
Jedes Jahr machen sich allein aus den Fraunhofer-Insti-tuten mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterselbstständig. Wir Politikerinnen und Politiker haben dieAufgabe und die Verantwortung, dafür entsprechendeRahmenbedingungen zu setzen.
Erst kürzlich war ich im Wissenschaftspark Golm inPotsdam, nur zehn Minuten von Sanssouci entfernt. Mitder Universität Potsdam, den Max-Planck- und denFraunhofer-Instituten entwickelt sich dort einer der mo-dRwnghteAD„dtedsfdWhudrAeinrf2sWBfwbEDskd
afür lohnt es sich, Starthilfe zu geben. Die InitiativeUnternehmen Region“ des Bundesministeriums für Bil-ung und Forschung verfolgt genau dieses Ziel und un-rstützt damit insbesondere die Entwicklung in Ost-eutschland.Lassen Sie mich noch ein Beispiel nennen. Derzeitteht im Rahmen der Debatte über eine Föderalismusre-orm auch die Mischfinanzierung von Bund und Län-ern auf der Tagesordnung.
ir, die Bildungs- und Forschungspolitiker der SPD,alten an der gemeinsamen Verantwortung von Bundnd Ländern bei der Finanzierung der Forschung undes Hochschulbaus fest. Wir sagen Nein zur Kleinstaate-ei im Hochschulwesen.
lle Bundesländer, auch die unionsgeführten, müsstenin vitales Interesse daran haben, dass wir bundesweitternational wettbewerbsfähige Bedingungen an unse-en Hochschulen haben. Wir brauchen auch zukünftigür die Hochschulen eine Mitverantwortung des Bundes.Wie schon im vergangenen Jahr werden wir auch005 insgesamt 925 Millionen Euro allein für den Hoch-chulbau zur Verfügung stellen.
enn es darum geht, diesen Bereich in die Hände derundesländer zu geben, dann sollte auch auf die Folgenür die finanzschwachen Bundesländer hingewiesenerden, für die die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschul-au“ unverzichtbar ist.
s ist doch klar:
ie Forderung – überwiegend aus der Union – nach Ab-chaffung der Gemeinschaftsaufgaben und der Mitwir-ung des Bundes im Hochschulwesen schadet vor allemen strukturschwachen Ländern und damit dem Osten.
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Andrea WickleinWissenschaft und Forschung sind in wesentlichen Teilennationale Aufgaben und kein Spielfeld für Kirchturms-politik.
Das gilt vor allem für die Integrationsaufgaben nach1990.Mit dem Haushalt 2005 setzen wir auf verlässlicheRahmenbedingungen und Planungssicherheit für dieHochschulen und Forschungseinrichtungen. Wie vonGerhard Schröder zugesagt, erhalten die Forschungsor-ganisationen 3 Prozent bzw. fast 100 Millionen Euromehr.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dies bedeutet eine enorme finanzielle Kraftanstren-
gung.
An die Adresse der Union richte ich abschließend
noch einmal den Appell: Blockieren Sie nicht länger die
Abschaffung der Eigenheimzulage! Investieren Sie lie-
ber in Ideen statt in Beton und Niedriglöhne! Fordern Sie
keinen Ausstieg aus der bundesstaatlichen Solidarität,
der ausschließlich auf Kosten der finanzschwachen Län-
der geht!
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Wicklein, es ist schwer zu ertragen, wie Sie hier mittränenerstickter Stimme vortragen,
wie schlimm es sei, dass wir deutlich machten, wie es indiesem Lande sei. Es kann doch nicht sein, dass Sie die-ses Land in sechs Jahren Regierungsarbeit zugrunderichten und dass wir nicht einmal beklagen dürfen, wasdabei herauskommt.
Frau Ministerin, auch Sie haben gesagt, dass unserLand leistungsfähig ist.
JhTtek–lartrnLBgBIdEgoFmessdwLidvhVHsvweczgimw6fSuWbJ1
Das ist ja eine Unruhe hier! Sie werden noch mehr An-ss zur Unruhe haben. Ich freue mich schon auf die Zu-ufe von Herrn Tauss, die an Lautstärke kaum zu über-effen sind, zumeist aber an Inhaltsschwere.Ich möchte mit einer Bemerkung zu Ihnen, Frau Mi-isterin, fortfahren. Es fehlt wirklich an Visionen undeitbildern. Man hat den Eindruck, dass Lissabon undologna genau wie Maastricht für Sie zwar wohlklin-ende Namen europäischer Städte sind, aber sonst keineedeutung haben. Sie kümmern sich nicht um das, washres Amtes wäre. Wir werden auch in diesem Jahr beien Beratungen des Haushaltsplanes in Bezug auf deninzelplan 30 feststellen müssen, dass wir die Chanceehabt hätten, Zeichen für eine wirkliche Innovations-ffensive im Bereich Forschung und Bildung und für dieörderung von Schlüsseltechnologien zu setzen. Zusam-engefasst: Wir hätten die Chance gehabt, Zeichen fürinen Forschungsstandort Deutschland, für einen Wis-enschaftsstandort Deutschland und für einen Wirt-chaftsstandort Deutschland zu setzen. Aber wie nachen Erfahrungen der Vorjahre nicht anders zu erwartenar, beinhaltet dieser Haushaltsplanentwurf wiederumuftbuchungen, Wunschvorstellungen, das Setzen voneologischen Schwerpunkten, aber nicht das, was manon einem seriösen Haushaltsplanentwurf erwartet.
Das geht – es ist vorhin angesprochen worden; des-alb fokussieren Sie so darauf, Frau Wicklein – in denorbemerkungen auf Seite 3 los. Da steht nämlich deraushaltsvermerk – das ist eine der größten Rosstäu-chungen in diesem Haushalt –, dass Ausgaben in Höheon 63 Millionen Euro gesperrt sind. Sie sind gesperrt,eil sie durch die Abschaffung der Eigenheimzulagerst erwirtschaftet werden sollen. Sie machen einen sol-hen Haushaltsvermerk, obwohl Sie die Auseinanderset-ungen des letzten Jahres erlebt haben und obwohl Sieenau wissen, dass wir dem weder im Bundestag noch Bundesrat zustimmen werden. Sie täuschen also be-usst vor, 63 Millionen Euro zu haben. Diese3 Millionen Euro stehen von vornherein nicht zur Ver-ügung.
ie spielen hier ein unwürdiges Schwarzer-Peter-Spielnd täuschen der Öffentlichkeit Mittel vor, die Sie inirklichkeit nicht haben.Hinzu kommt – um beim Haushaltstechnischen zuleiben –, dass Sie nach wie vor, also auch in diesemahr wieder, die globale Minderausgabe mit45 Millionen Euro viel zu hoch ansetzen. Sie wissen,
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Klaus-Peter Willschdass diese um mindestens 45 Millionen Euro zu hochausfällt. Das lässt sich leicht ausrechnen. – Wenn mandie 63 Millionen Euro und die 45 Millionen Euro zu-sammenrechnet, dann sind wir schon bei 108 MillionenEuro, die fehlen. Zu dem Fehlen von 108 Millionen Euroin nur zwei Positionen des Einzelplans 30 sage ich nocheinmal bewusst: Das ist eine Täuschung.Außerdem lässt der Bundesfinanzminister noch nichtdie Katze aus dem Sack, was die Frage angeht, welcheweitere globale Minderausgabe er den einzelnen Res-sorts wegen der nicht gedeckten Finanzmittel zur Umset-zung von Hartz IV verordnen wird.
Nimmt man die globale Minderausgabe Rente vomletzten Jahr als Maßstab, so dürfte man bei mindestens50 Millionen Euro, vielleicht aber auch beim Doppeltenlanden. Rechnen wir einmal mit 50 Millionen Euro, da-mit es nicht ganz so schlimm wird für Sie, Frau Ministe-rin.Meine Damen und Herren der Regierungskoalition,Sie haben sich schon bei meinen ersten Einlassungen, alsich von Täuschung sprach, so aufgeplustert. Wie sollman es denn anders nennen, wenn bei einem realen Auf-wuchs des Plafonds um 200 Millionen Euro imEinzelplan 30 schon 150 Millionen Euro in der Wirk-lichkeit dieses Landes gar nicht vorhanden sind?
Ich wiederhole: Die globale Minderausgabe fällt um45 Millionen Euro zu hoch aus. 63 Millionen Euro sol-len aufgrund des Wegfalls der Eigenheimzulage mehrzur Verfügung stehen. Hinzu kommt die globale Minder-ausgabe Hartz IV mit 50 Millionen Euro.Dabei bleiben wir aber nicht stehen; denn es gehtnoch weiter. Das Meister-BAföG wurde – Frau Flachhat es angesprochen – mit einem Volumen von 47 Mil-lionen Euro vom Wirtschaftsministerium auf den Einzel-plan 30 übertragen, damit aber natürlich auch die Aus-zahlungsverpflichtungen. – Wer in der Grundschuleordentlich aufgepasst hat und die richtige Summe zu bil-den weiß, der erkennt: Damit sind wir bei 200 MillionenEuro und damit ist der ganze Aufwuchs verfrühstückt.Was legen Sie uns hier eigentlich vor, Frau Ministerin,Herr Finanzminister? Das ist nun wirklich eine Täu-schung der Öffentlichkeit. Sie tun so als ob; aber inWirklichkeit spielt sich in diesem Einzelplan nichts ab.Wir können noch ein bisschen weitergehen. Dabeisind noch nicht so zukunftsträchtige Ausgaben wie17,7 Millionen Euro Aufwuchs für die Sanierung derKreuzbauten in Bonn berücksichtigt.
Sie können nichts dafür. Dennoch berechnen Sie das mit.Für alte Bürogebäude müssen Mittel aufgewendet wer-den. Gleichzeitig müssen wir uns sagen lassen, dass da-mit die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöhtwerden. Das darf ja wohl nicht wahr sein.ssgHK2es2AmgsMDmguE3z–wFdKngds2snRpw
Frau Ministerin, zu dem, was Sie uns hier vorlegen,age ich: Kosmetik, Perspektivlosigkeit und Rosstäu-cherei. Sie sind gescheitert. Frau Ministerin, Sie brin-en es nicht fertig, Forschung und Wissenschaft auch imaushalt in den Vordergrund zu rücken, obwohl deranzler jeden zweiten Satz mit diesem Thema beginnt.
Auch diese stolz angekündigte Erhöhung um,8 Prozent bei der Projektförderung sollten wir einmaltwas näher unter die Lupe nehmen, weil auch siechlichtweg schöngerechnet ist. Bei einer Erhöhung um,8 Prozent reden wir von ungefähr 61 Millionen Euroufwuchs. Sie müssen sich im Vergleich dazu noch ein-al das Volumen der globalen Minderausgaben vor Au-en führen und einräumen, was wir alle miteinander wis-en, nämlich dass vor allem in dem Bereich die globaleinderausgabe erwirtschaftet werden muss.
amit relativiert sich diese Zahl schon sehr.Sie müssen darüber hinaus einrechnen – Herr Fell, da-it komme ich auf das Thema zurück, das Sie schon an-esprochen haben, sogar zu Recht –, dass für Stilllegungnd Rückbau kerntechnischer Anlagen 77 Millionenuro ausgegeben werden sollen. Das ist zwar ein006er-Titel, aber das ist nun nichts, was wir besondersukunftsträchtig und innovativ finden.
Herr Fell, für Sie noch ein Hinweis: Sie fahren dochegen der Ergebnisse der PISA-Studie so gern nachinnland. Hat es vielleicht etwas mit dem Abschneidener Finnen in der PISA-Studie zu tun, dass sie jetzt neueernkraftwerke bauen? Denken Sie einmal darüberach!
Ich war beim Thema Projektfördermittel. Auch hierilt, Herr Fell: Wenn Sie nicht blockieren würden, wennie Bundesregierung endlich ein Endlagerkonzept vor-tellen würde, dann brauchten wir zumindest die5 Millionen Euro für die Endlagerung nicht im For-chungshaushalt bereitzustellen; dann würde das aus ei-em anderen Haushalt finanziert. Aber das nur amande, weil wir hier in der Fachdebatte über den Einzel-lan sind. Ich weiß, dass das im Ganzen nichts ändernürde.
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Klaus-Peter WillschSie sehen also, meine Damen und Herren: Nicht nurdie 200 Millionen Gesamtaufwuchs des Plafonds, son-dern auch die 61 Millionen vermeintlicher Aufwuchs inder Projektförderung sind schlichtweg Luftbuchungen,Täuschungen, Verschleierungen, Schönrechnereien undkommen in der Wirklichkeit unseres Landes nicht an.Frau Ministerin, ich möchte mich abwenden von – –
– Ach, Herr Tauss. Was das Schaudern anbelangt, willich Ihnen eines sagen: Ich habe mir vorhin die Redner-liste angeguckt und mit Freude festgestellt, dass Sie ganzzum Schluss 15 Minuten haben. Da kann man eine Vier-telstunde früher gehen, ohne in dieser Debatte etwas zuverpassen.
Ich will Ihnen sagen, was wir als Union dagegenstel-len. Wir in der Union stehen eindeutig für Haushalts-wahrheit und Haushaltsklarheit.
Deswegen wird es mit uns diese Fantasiezahl von63 Millionen Euro nicht geben. Wir werden beantragen,die globale Minderausgabe auf ein realistisches Niveauzu senken. Wir werden mit unseren Anträgen eineSchwerpunktsetzung anstreben, die den Namen Innova-tionsoffensive, also Voranbringen des Bereichs For-schung und Bildung sowie Steigerung der Investitionen,tatsächlich verdient hat.Mit der Union wird nicht in den neuen Bundesländerngestrichen. Die Union wird streichen, aber in Ihren Ideo-logietiteln, in den Titeln für Öffentlichkeitsarbeit, Selbst-darstellung, Selbstbeweihräucherung und in den Titeln,mit denen Sie Projekte fördern, um Ihre gewerkschafts-nahen Institute sponsern und Ihre emanzipatorischenPhantasien ausleben zu können.
Wir werden uns alle Projektlisten anschauen und kürzen,was das Zeug hält, soweit das notwendig ist.
Das Geld muss in unserem Land zielgerichtet ausgege-ben werden und darf nicht für irgendeine Form von For-schung verwendet werden, die wir für nicht zukunfts-trächtig halten.Die Union wird einen Aufwuchs der Ausgaben uminsgesamt 400 Millionen Euro vorschlagen. Wir werdenbeantragen, den Plafond um 300 Millionen Euro aufzu-stocken und 100 Millionen Euro an Einsparungen durchStreichungen zu erzielen.WGDhSdsdeSsdsfRr–SSngg1ZgddSndAnMcwanum3dS
ir werden vorschlagen, dieses tatsächlich vorhandeneeld im Einzelplan 30 richtungsweisend für die Zukunfteutschlands einzusetzen. Dies wird über den Gesamt-aushalt eingespart werden; denn auch da wird einechwerpunktsetzung stattfinden. CDU und CSU werdenie Bereiche Forschung und Bildung sowie Verkehr bes-er dotieren. Das bedeutet eine tatsächliche Stärkunges Standorts Deutschland. Die Union wird tatsächlichtwas für die Hochschulen tun. Sie redet nicht nur vonpitzenuniversitäten,
ondern sie wird den Ansatz für den Hochschulbau wie-er auf die Höhe des Jahres 2003 bringen, um den Hoch-chulen die Möglichkeit zu geben, tatsächlich leistungs-ähig zu sein. Sie sollen nicht gezwungen sein, sich amande des Existenzminimums, des gerade noch Machba-en zu bewegen.
Herr Tauss, Sie rufen dazwischen: Warum nicht 1998?oll ich jetzt entgegnen: Warum nicht 1948?
ie regieren seit sechs Jahren in diesem Land. Gewöh-en Sie sich langsam einmal daran, dass man nichtleichzeitig regieren und immer auf die Opposition zei-en kann. Sie sind sechs Jahre dran. Sie werden keine6 Jahre erleben, weil in zwei Jahren Schluss ist mit demauber. Trotzdem können Sie nicht ständig mit den Fin-ern in die Vergangenheit zeigen und sagen: Ihr habt daas und das gemacht. Das ist unseriös.
Wir werden im Kapitel 3006 circa 100 Millionen inie entsprechenden Titel für Projektförderung geben, umchlüsseltechnologien wie Biotechnologie, Nanotech-ologie und nationale Raumfahrt zu fördern. Damit wer-en wir Chancen für die Zukunft ergreifen. Hier könnenrbeitsplätze entstehen. Hier können grundlegende In-ovationen durch Forschungen erzielt werden, die neueärkte eröffnen und unserem Land neue Zukunftschan-en geben. Denn wenn wir es nicht schaffen, überallieder Spitze zu sein, werden wir es als Hochlohnland,ls Hochkostenland und als Land mit kurzer Arbeitszeiticht schaffen, den Standard, den wir heute haben, fürnsere Kinder und Kindeskinder zu sichern.Frau Ministerin, an Ihre Adresse möchte ich noch ein-al sagen: Die Steigerung der Ansätze einiger Titel umProzent ist weiß Gott nicht die großmütig angekün-igte Innovationsoffensive des Herrn Bundeskanzlers.ehr geehrte Frau Ministerin, Sie müssten Ihren Kanzler
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Klaus-Peter Willschbeim Wort nehmen und eine solide Umsetzung seinerAnkündigungen in harte Budgetzahlen einfordern. Statt-dessen schauen Sie den Luftballons Ihres Kanzlers, dieer ein ums andere Mal aufbläst, sehnsüchtig hinterher,wenn er sie aufsteigen lässt und sie sich dann im Nichtsverflüchtigen.
Interessant ist, was zur Qualifizierung Ihrer Leis-tungen in diesem Kabinett seit sechs Jahren die „Frank-furter Allgemeine Sonntagszeitung“ am 1. August diesesJahres geschrieben hat.
Dort steht:Edelgard Bulmahns politischer Erfolg besteht darin,sich als wenig bekannte, wenig erfolgreiche Minis-terin gleichwohl in Regierung und Partei zu be-haupten.Das mag Ihnen genügen, uns ist es zu wenig, Frau Mi-nisterin.
Ich komme zum Schluss.
Die Union ist es, die für den Einzelplan 30 und damit fürdie Entwicklung der ganzen Bundesrepublik Deutsch-land Perspektiven aufweist, die die richtigen Schwer-punkte setzt und somit unser Land aus der von Rot-Grünverschuldeten Depression hinausführt.
Ich möchte meine Rede ähnlich wie meine letztjährigeHaushaltsrede schließen:
Herr Bundeskanzler, Herr Bundesfinanzminister, FrauRessortministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen der Regierungskoalition, Sie können es nicht. Ma-chen Sie Platz für einen neuen Anfang für unser Vater-land!Danke sehr.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loskevom Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichabe mir erst überlegt, ob ich ebenso wie der Kollegeell die Rede von Frau Reiche ignorieren soll oder obch auf sie eingehen soll. Ich habe mich jetzt für Letzte-es entschieden, um an einigen Beispielen wirklich ein-al zu prüfen, ob Ihr Reden mit dem Handeln Ihrer Par-ei in Deckung zu bringen ist. Ich will das an viereispielen tun.Zunächst einmal haben Sie gefordert, diese Bundes-egierung müsse mehr Geld für BAföG ausgeben, sie tuen diesem Bereich zu wenig. Ich habe mir noch einmalurz die Zahlen herausgesucht. Es sieht so aus, dass imahre 1998 für BAföG 780 Millionen Euro geflossenind. Im Jahr 2005 werden 951 Millionen Euro fürAföG fließen
nd 445 Millionen für Bildungskredite bei der KfW. Dasacht zusammen ungefähr 1,4 Milliarden.
ch habe gelesen, dass Sie mathematisch-naturwissen-chaftlich gebildet sind. Dann müssten Sie doch eigent-ich wissen, dass 1,4 Milliarden doppelt so viel sind wie00 Millionen.
as hat auch nichts mit einem Blick zurück zu tun. Ichichte damit den Blick nach vorne.Der zweite Punkt: Sie sagen, man müsse mehr in Zu-unft investieren und dürfe nicht mehr Geld in altetrukturen stecken. Fakt ist, dass Sie bei den Haushalts-eratungen 2004 eine Verweigerungshaltung an den Tagelegt haben. Wir wollten die Eigenheimzulage abschaf-en, Sie haben gesagt: Nein, sie muss bleiben. Wir woll-en die Pendlerpauschale kürzen, Sie haben gesagt: Nein,ie muss bleiben. Den Agrardiesel hatte die Koalition be-eits herausgenommen, aber Sie haben gesagt, er müsserinbleiben. Das heißt, Sie reden von Zukunftsinvestitio-en, sperren sich aber gegen Subventionsabbau und be-reiben Lobbyismus. Das ist vorne und hinten unglaub-ürdig.
Dritter Punkt. Sie sprechen – das habe ich in IhremFAZ“-Beitrag gelesen – von der Autonomie der Hoch-chule und sagen, dass man die Universitäten nicht inkonomischer Hinsicht verzwecken solle. In der Sachetimme ich Ihnen hundertprozentig zu. Aber schauen wirinmal, wie es da aussieht, wo Ihre Partei Verantwortungat, zum Beispiel in Hamburg. In Hamburg wird geradeom zuständigen Wissenschaftssenator – es ist ja einDU-geführter Senat – vorgeschlagen, die Geisteswis-enschaften zu halbieren.
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Dr. Reinhard Loske
Ich habe hier einen wunderbaren Artikel aus der „Frank-furter Allgemeinen Zeitung“, die eben schon einmal zi-tiert wurde, vom 31. August. Dort schreibt RichardRorty, ein bekannter Kulturwissenschaftler, der in Ham-burg einige Zeit als Gastwissenschaftler war, in einemEssay – ich nehme an, viele von Ihnen haben ihn gele-sen –:Den Bericht über die geplante Halbierung der Geis-teswissenschaften an der Universität Hamburg …lese ich mit Verwunderung und Entsetzen. Es istkaum zu fassen, daß derart weitreichende Entschei-dungen, durch die Wesen und Funktion einer be-deutenden Universität substantiell geändert werden,den betroffenen Fakultäten einfach von oben inForm einer politischen Direktive durchgestellt wer-den.Das ist Ihre Form von Autonomie!
Das ist verlogen wie sonst was; das muss man ganz klarsagen.Viertes und letztes Beispiel – dann komme ich zumeiner eigentlichen Rede –: Stammzellforschung. Siestellen sich hier hin und tun so, als seien die Beschlüssedes Bundestages bzw. die Regierung das zentraleHemmnis für das Vorankommen Deutschlands im Be-reich der Bioforschung.
Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Einige un-ter Ihnen, wie Sie, wollen bei der embryonalen Stamm-zellforschung den Weg sozusagen komplett freimachen,andere sind der Meinung, man brauche hohe moralische,restriktive Standards. Wir lassen Ihnen nicht durchge-hen, dass Sie sozusagen mit Reiche und Böhmer für undgegen embryonale Stammzellforschung plädieren. Siemüssen sich schon entscheiden.
Vor allem lassen wir Ihnen nicht durchgehen, dass Siehier mit einer besserwisserischen Attitüde auftreten undmit einer unglaublichen Arroganz den Finger in jedeWunde legen, aber die eigenen Defizite nicht beim Na-men nennen.
Jetzt zum Haushalt. Schön, dass Herr Eichel da ist.Für uns lautet die Devise: Wir müssen die Subventionenweiter senken, um Mittel in Bildung, Forschung, Innova-tionen und Familie umschichten zu können.
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eshalb glaube ich, da müssen wir noch nachlegen.Für die bioethische Begleitforschung sind jetzt dieProzent der Mittel für die gesamte Biotechnologiefor-chung vorgesehen, von denen wir meinen, dass sie füriesen Bereich reserviert werden müssen. Aber ich seheit einer gewissen Skepsis, dass daraus voll der Natio-ale Ethikrat finanziert werden soll. Den Nationalenthikrat kann man so oder so sehen, Frau Flach; wir se-en ihn vielleicht nicht beide gleich. Aber die Frage ist,b er unter die bioethische Begleitforschung fällt. Wenn,14 Millionen Euro aus diesem Topf an den Nationalenthikrat gehen,
ann muss man auch sehen, dass die Enquete-Kommis-ion des Deutschen Bundestages nur 153 000 Euro zurerfügung gestellt bekommt. Ich glaube, das ist einissverhältnis; darüber müssen wir noch einmal reden.
Was die Nanotechnologie betrifft, muss man sagen,ass es sich um eine vielversprechende Technologie in
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Dr. Reinhard Loskeder Zukunft handelt. Das ist keine Frage. Aber wir müs-sen bei dieser Nanotechnologie auch eine Begleitfor-schung durchführen. Diesbezüglich stehen wir noch sehram Anfang. Wir müssen vor allen Dingen sicherstellen,dass bei dieser Technologie die Vorsorge beachtet unddas Verursacherprinzip berücksichtigt wird. Es machtkeinen Sinn, denjenigen Glauben zu schenken, die mei-nen, demnächst würden Nanoroboter die Weltherrschaftübernehmen. Aber es gibt viele offene Fragen bei derNanotechnologie hinsichtlich der Gesundheit und derBioethik. Deswegen brauchen wir auch im Bereich derNanotechnologie, wie gesagt, eine entsprechende Be-gleitforschung. Das ist ganz wichtig.
Was die strukturellen Rahmenbedingungen betrifft,möchte ich Folgendes sagen. Über die Juniorprofessurwurde nur kurz gesprochen. Wir alle fragen uns, ob dieAusstattung ausreicht, ob das Lehrdeputat nicht zu hochist und ob sich der Doppelcharakter Qualifizierung undgleichzeitig Vollprofessur durchsetzt. Ich habe mit gro-ßem Interesse in der „Zeit“ gelesen, dass diejenigen, dieJuniorprofessorinnen oder Juniorprofessoren gewordensind, Spaß daran haben und zufrieden sind.
Ihre Miesmacherei liegt also völlig daneben. Wir müssendiesen Leuten sehr schnell eine klare Perspektive geben.Das heißt, die Länder – das gilt im Wesentlichen für dieCDU-regierten Länder – müssen die entsprechenden Re-gelungen sehr schnell in Landesrecht umsetzen.Auch bei den befristeten Beschäftigungsverhältnissenmüssen wir die Hängepartie beenden. Es ist klar – dashaben wir hier schon gemeinsam mehrfach festgestellt –,dass das Wissenschaftssystem eigene Gesetzmäßigkeitenhat. Es braucht ein höheres Maß an Flexibilität. Deswe-gen ist das öffentliche Dienstrecht für den Wissen-schaftsbereich auf Dauer ohnehin nicht anwendbar. Wirbrauchen einen Wissenschaftstarifvertrag. Ich möchtedie Bundesregierung, vor allem den Bundesinnenminis-ter, noch einmal auffordern, hier endlich aktiv zu wer-den, dass die Sache nicht länger unerledigt bleibt.
Ich könnte noch viel zur Grünen Gentechnik sagen.Ich bin mit meiner Redezeit aber fast am Ende. FrauFlach, zur Stellungnahme der DFG kann ich nur sagen,dass Klappern zum Handwerk gehört.
Wenn mit der Grünen Gentechnik wirklich die gemach-ten Versprechungen eingelöst werden können – Entwick-lung von schädlingsresistenten und hitzetoleranten Ar-ten, was bei einem Klimawandel wichtig ist; bessereLagerfähigkeit und bessere ernährungsphysiologischeEigenschaften –, dann würde die Akzeptanz vielleichtsteigen.DdvurSmzUsCutnHzsneaavvgzujoEnf
ie Politik aber muss Rahmenbedingungen setzen, beienen das Verursacherprinzip gilt. Es kann da nur eineernünftige Haftungsregelung infrage kommen.Wir müssen die Balance finden zwischen Chancennd Risiken. Für einen Forscher ist die Strategie „Noisk, no fun“ – kein Risiko, keine Freude – die richtigetrategie. Aber für die Politik ist es wichtig, die Rah-enbedingungen so zu setzen, dass die Freiheit des ein-elnen Forschers nicht zulasten der Gesellschaft oder dermwelt geht. Diese Balance müssen wir aushalten. Daschaffen wir auch.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Marion Seib von der
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Wir brauchen schnellstens echte Innova-ionen in der Wirtschaft und keine schrägen Innovatio-en bei der Haushaltsaufstellung. Der Einzelplan 30 desaushalts hätte die Aufgabe, ein Transmissionsriemenu sein. Sie aber haben ihn zur Handbremse für For-chung, Entwicklung und Wissenstransfer gemacht.
Weil Innovationen eben nicht kommen, wenn manur nach ihnen ruft, gibt es viel dafür zu tun, dass sieine Chance erhalten. Ihnen aber reicht es offensichtlichus, ein „Jahr der Innovation“, ein „Jahr der Technik“uszurufen. Ihre Haushaltsvorlage ist Pfusch durch Un-ermögen.Ich möchte an dieser Stelle einmal klarstellen: Dieon der rot-grünen Bundesregierung so oft entschuldi-end vorgetragenen „handwerklichen Fehler“ als Be-eichnung für Unvermögen sind eine Beleidigung fürnsere tüchtigen Handwerker.
Ihr Haus, Frau Ministerin, hat einen Haushalt ohneede Rücksicht auf Strategien und unüberlegte Streich-rgien anderer Häuser aufgestellt.
inmal die Priorität falsch gesetzt ist schon schlimm ge-ug. Aber zeitgleich in vielen Häusern die Prioritätalsch zu setzen ist eine Katastrophe.
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Marion SeibBildung und Forschung als Steinbruch für die Stein-kohle herzunehmen scheint in dieser rot-grünen Haus-haltspolitik der einzig rote Faden zu sein. Werden dochausgerechnet im Etat des Kanzleramtes Zuschüsse an dieLänder für die forschenden Museen mit nationaler Be-deutung wie das Deutsche Museum in München oder dasGermanische Nationalmuseum in Nürnberg gekürzt, ob-wohl sie zur Leibniz-Gemeinschaft gehören und aner-kannte Forschungsinstitute sind.Das Wirtschaftsministerium – Herr Finanzminister,hören Sie zu! – legt Mittel im Rahmen des Programms„Industrielle Gemeinschaftsforschung“ auf Eis. Bereitsgetätigte unternehmerische Vorleistungen für neue inno-vative Produkte können nicht in die Wertschöpfungs-kette aufgenommen werden. Was heute nicht in den in-dustriellen Vorlauf kommt, kann in zwei Jahren auf demMarkt schlicht und einfach nicht erscheinen. Allein auseinem einzigen Bereich, dem der Fügetechnik, sind14 Vorhaben blockiert: die Plasma-MIG-Technologie fürbeschichtete Stähle, das Laserstrahlschweißen für Poly-mere, das Hochleistungsschweißen von hochfesten Alu-miniumlegierungen; diese Liste ist fortsetzbar. Durch dieBlockade der Vorhaben bei der Klebstofftechnik wird diebisherige Erfolgsgeschichte der Klebetechnik beendet.Wegweisende Forschungsvorhaben werden behindertoder sogar ganz verhindert, weil betroffene Firmen denfür Forschung und Entwicklung fehlenden Finanzie-rungsanteil des Bundes einfach nicht überbrücken kön-nen.Der Einzelplan 12, der Haushalt des Bundesministe-riums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, ist eineKatastrophe. Zusätzlich kürzen Sie, Frau Ministerin,beim Titel „Verkehr und Mobilität“ gut 12 Prozent derMittel. Dabei wäre die Bundesregierung aufgefordert,die Bereiche Verkehr, Mobilität und moderne Infrastruk-tur zu fördern. Andernfalls erweist sich die Forderungnach einem größeren Anteil an moderner Infrastrukturdauerhaft als Illusion.Genauso kurzsichtig wie bei den Verkehrstechnolo-gien agieren Sie beim Titel „Bauen und Wohnen“ mit ei-ner Etatsenkung von sage und schreibe 42 Prozent. Auf-grund der drohenden demographischen Entwicklungsind besonders in diesem Bereich verstärkt wissenschaft-liche Anstrengungen erforderlich, um in einer älter wer-denden Gesellschaft adäquate Wohnbedingungen für alleBevölkerungsgruppen zu entwickeln.Wenn man sich dann noch bewusst macht, wie engdie Forschungseinrichtungen mit den Hochschulen zu-sammenarbeiten, wird deutlich, welcher Schaden für diedeutsche Wissenschaftslandschaft entsteht. Kluge undgut eingearbeitete Köpfe aus den Forschungs- und Ent-wicklungsabteilungen der Firmen und aus den universi-tären und außeruniversitären Instituten müssen entlassenwerden. Sie werden aber keine weitere Verwendung fin-den, weil alle Häuser zeitgleich und unabgestimmt kür-zen. Allein mir liegen fünf Schreiben von betroffenen In-stituten vor. Ich denke, Sie machen mit diesemProgramm den Weg für den weiteren Braindrain frei.Dies ist nichts anderes als ein grandioses Programm zurKnow-how-Vernichtung in Deutschland – und dies vorddMsladnadeSwHUzgEffHihedmMacssnwQtragskdszEbgZgGGwtile
unächst muss der wissenschaftliche Nachwuchs besserefördert werden. Im Einzelplan 30 geschieht genau dasegenteil. Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Dieelder zur Entwicklung neuer Graduiertenstudiengängeerden gekürzt. Daraus ergibt sich eine paradoxe Situa-on: Auf der einen Seite wollen Sie die Graduiertenkol-gs durch das Eliteprogramm fördern; auf der anderen
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Marion SeibSeite kürzen Sie still und heimlich die Gelder für dieGraduiertenstudiengänge.
Das Programm „Jugend forscht“ wird gekürzt, ob-gleich sich die Notwendigkeit einer möglichst frühzeiti-gen Förderung bis zur Bundesregierung herumgespro-chen haben sollte.
– Wenn es sich nicht herumgesprochen hat, dann ist esschlecht, Herr Tauss.
Meine Damen und Herren, bekanntlich entsteht Ex-zellenz nur, wenn Forscher die Möglichkeit haben, ihreIdeen frei und ohne Vorgaben zu entwickeln.
In der Kernenergieforschung und in der Gentechnik istdies in Deutschland momentan nicht möglich. Beide Be-reiche werden seit Jahren von der rot-grünen Bundesre-gierung mit List und Tücke ausgebremst. Wir bräuchtenaber die Atomkraft und die Gentechnik als technologi-sche Optionen für zukünftige Generationen.Auf dem Weltenergiekongress in Sydney wurde ge-rade in dieser Woche festgestellt, dass sich die Kernener-gie als Energieträger weltweit wieder auf dem Vor-marsch befinde. Es besteht die Gefahr, dass Deutschlandbei der derzeitigen hiesigen Entwicklung den Anschlussverpasst, wie dies bereits in anderen Bereichen gesche-hen ist.
Mittlerweile ist es in Deutschland für junge Menschenunattraktiv geworden, sich mit der Atomphysik zu be-schäftigen. Gerade in diesem Bereich fehlt es an qualifi-ziertem Nachwuchs, was dazu führt – jetzt hören Siebitte gut zu –, dass Atomphysiker im Rentenalter für Be-ratungstätigkeiten herangezogen werden müssen. Soweit wird es in der Gentechnik natürlich gar nicht erstkommen. Mit Ihrem Gentechnikgesetz machen Sie inno-vative Forschungsvorhaben schon von Anfang an un-möglich.Meine Damen und Herren, es stimmt verdrießlich,wenn man merkt, dass einerseits etablierte und von allenSeiten als notwendig anerkannte Programme wenigerMittel erhalten, andererseits die pure Öffentlichkeitsar-beit des Bundesministeriums keinerlei Kürzungen unter-liegt.
Ich hoffe nicht, dass dies der Nachweis für das Regie-rungsmotto „The show must go on“ ist. In diesem FallegLRKvvpgiRWDzdEmaamGtrGtbhBttim2fEwezv
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ernst Dieter
ossmann von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Es hat in diesen Haushaltsberatungen schoniele rhetorische Höhepunkte gegeben. Aus der Debatteom heutigen Morgen suche ich mir als einen Höhe-unkt die Rede von Frau Flach heraus, als sie mehrfachanz fröhlich und unbeschwert sagte: Ich will, ich will,ch will. – Ist es demgegenüber nicht gut, dass wir eineegierung haben, die vom „wir“ redet? Bei uns heißt es:ir machen etwas zusammen.
ieses Wir wird in Bezug auf Bildung, Betreuung, Er-iehung, Forschung und Entwicklung ganz massiv inen Vordergrund gerückt. Wenn wir nicht nur auf dieseninzelplan gucken, sondern die Gesamtheit dessen neh-en, was sich bei diesen Haushaltsberatungen in Bezuguf Innovation widergespiegelt hat, dann können wiruch andere Ressorts heranziehen. Wir von der sozialde-okratischen Seite – ich glaube, dies gilt auch für dierünen – halten es für ausgesprochen gut, dass Innova-ion ein ressortübergreifendes Anliegen dieser Regie-ung ist.
Dies beginnt in der Bildungspolitik da, wo es umanzheitlichkeit und Nachhaltigkeit geht. Gestern hat-en wir eine Diskussion über das Tagesbetreuungsaus-augesetz. Dies bedeutet Förderung zu Beginn der Erzie-ung von Kindern und Jugendlichen.
eim Finanzminister sind 1 Milliarde Euro für Ganz-agsschulen in besten Händen. Dieses Geld wird auchatsächlich ausgeschüttet. Damit kommt Schule für allen Bewegung.Auch der Wirtschafts- und Arbeitsminister macht hierit; in seinem Haushaltsplan sind die Mittel für5 000 zusätzliche Einstiegsqualifikationen veranschlagt,ür die der Bund, der Steuerzahler, fast 100 Millionenuro bereitstellt. Uns ist wichtig, dass eines deutlichird: Wenn wir in Deutschland Bildung und Innovationntwickeln wollen, geht es nicht um das Ich, um das ein-elne Ressort, sondern um die Gesamtheit. Dies wirdon allen Mitgliedern der Regierung gemeinsam getra-
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Dr. Ernst Dieter Rossmanngen. Deswegen spreche ich an dieser Stelle meinen aus-drücklichen Dank an die gesamte Regierung aus.
Sie meinten, diese Ministerin könnte mehr und ande-res machen. Zwar gebe ich Ihnen zu, dass Sie es richtigbeschrieben haben, dass der Föderalismus in Deutsch-land manchmal ein Gestrüpp ist, wenn es um Innovationgeht. Wer dieses Gestrüpp nur von außen betrachtet,kann nichts verändern. Wer aber mit Initiativen an dasGestrüpp herangeht und nicht nach Zuständigkeit, son-dern nach dem Notwendigen fragt, der wird etwas bewe-gen.
Hier haben wir mit Frau Ministerin Bulmahn eine Minis-terin, die in diesem Bereich ungemein viel bewegt hat.Ich will mich nicht noch einmal auf die Bereiche derPrimarförderung, der schulischen und der beruflichenFörderung beziehen.
Ich will mich stattdessen auf den Hochschulbereichkonzentrieren.
Es ist nicht fair, zu ignorieren, dass das BAföG erst wie-der zu einer wirklichen Chance für viele junge Leute ge-worden ist, nachdem diese Regierung es reformiert hat.
Wir haben hier einen massiven Erfolg erzielt, der sich insteigenden Studierendenzahlen und steigenden Geför-dertenzahlen widerspiegelt. Die Chancen für die jungenLeute, die es bisher materiell nicht so gut hatten, sind da-durch gestiegen.Ich komme zum Hochschulbau. Hier gab es die kleineArabeske, als gefragt wurde: Warum fangen wir nicht1948 an? Wir fangen deshalb 1998 an, weil es 1998 denOffenbarungseid eines vermeintlichen Zukunftsministersgab.
Dass in dieser Legislaturperiode die Mittel für denHochschulbau verstetigt wurden und die Vorauszahlun-gen abgetragen worden sind, ist eine Leistung dieser Re-gierung.
Es ist eine Leistung dieser Ministerin, das vorangebrachtzu haben.bees–MDszKddDwHklecBhaDnusntuk
Wir können die inneren Reformen im Hochschul-ereich anführen. Sie wissen doch genau, welche Aus-inandersetzungen wir miteinander hatten, als wir zumrsten Mal über Leistungskomponenten bei der Hoch-chullehrerbezahlung diskutiert haben.
Sie waren dabei, die anderen waren im Busch und dieinisterin hat es gemacht.
as ist doch die Wirklichkeit in der Bildungs- und For-chungspolitik: Wir haben jungen Leuten eine erste,weite und auch dritte Chance eröffnet.
Hätten wir die Juniorprofessur bekommen, wenn dieleinmütigen das Wort geführt hätten? Wir haben jetztie Juniorprofessur, weil unsere Ministerin den Mutazu hatte.
iese Entscheidung hatte Auswirkungen auf die Nach-uchsförderung und die Konkurrenzsituation an denochschulen und eröffnet neue Entwicklungsmöglich-eiten. Wir haben Vertrauen in die jungen Wissenschaft-r und fähigen Nachwuchskräfte gesetzt und das entwi-kelt sich positiv. Das ist eine Leistung.Sie mögen sich noch dreimal darüber freuen, dass imundesverfassungsgericht die Kleinmütigen die Mehr-eit hatten,
ber das ist nicht das Entscheidende.
as Entscheidende ist, dass Sie jetzt dort, wo Sie kön-en, mitmachen,
m Juniorprofessuren im Hochschulrecht der Länder alselbstverständlich zu verankern. Es bleibt dabei, dass ei-ige in der Verantwortung stehen. Sie tragen Verantwor-ng, die Veränderungen im Hochschulrecht – um esnapp zu formulieren – in den Ländern ernst zu nehmen,
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Dr. Ernst Dieter Rossmannstatt es, wie Sie es vorher gemacht haben, auf die langeBank zu schieben.
Ich komme zu einem weiteren Vorhaben, das von uns– ich will es selbstkritisch ausführen, weil man sich aneinem solchen Podium nicht an seiner Rhetorik berau-schen soll – etwas verkantet eingeleitet worden ist. Eswar kein Ruhmesblatt, dass am Anfang von Harvard undStanford und anderen Eliteuniversitäten die Rede war.Aber was ist daraus geworden? Daraus ist ein exzellen-tes Programm – von Bund und Ländern verabredet – inBezug auf die Entwicklung von Spitzenqualitäten, vonZusammenarbeit auf höchstem Niveau und von Nach-wuchsförderung an deutschen Hochschulen geworden.Die finanzielle Ausstattung war schon bis zum letztenPunkt über mehrere Jahre hinweg ausgehandelt worden.
Der Kollege Loske hat bereits darauf hingewiesen,dass hier Chancen blockiert werden. Wir können unsnicht vorstellen, aus welchem Grund Sie es blockieren,außer aus einem rein parteipolitischen Grund oder ausdem Gefühl der Missgunst gegenüber der Ministerin undeiner Regierung, die mit Ihren Kultus-, Bildungs- undForschungsministern zusammen etwas entwickelt hat.Das ist eine sehr herbe Entwicklung.
– Sie fühlen sich verleumdet?Ich mache einen Schnitt. Ich darf eine Presseerklä-rung der Deutschen Forschungsgemeinschaft anführen.Sie ist eine der angesehensten Forschungsorganisationen– sie ist sehr politikfern –, weil sie aus dem Sachverstandder Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungengespeist ist. Sie und wir haben uns immer für diese For-schungsgemeinschaft eingesetzt. Die DFG hat am 7. Julierklärt: Eine solche öffentliche Äußerung der Mitglie-derversammlung der DFG geschieht erstmalig.Weshalb hat sie sich erstmalig geäußert? – Sie nimmtsich sonst sehr zurück, aber sie äußert sich diesmal, weilsie so tief enttäuscht darüber war, dass das Exzellenzpro-gramm, das von der Ministerin zusammen mit den Län-dern ausgehandelt worden ist, blockiert worden ist. DieBlockade ist doch nicht von der Ministerin ausgegangen;die Blockade geht doch von Ihrer Seite aus.
Die DFG bittet Sie förmlich, die Blockade aufzuge-ben, damit es baldmöglichst zur Umsetzung dieser neuenInitiative kommen kann, die auch die Basis für Spitzen-leistungen an unseren Hochschulen verbreitert, die dieLehre verbessert, die jungen Leuten eine Chance gibtund die Leuchttürme in unserer differenzierten Hoch-schullandschaft entstehen lässt.Ich will noch eine Bemerkung zu dem Zusammen-hang zwischen Natur-, Ingenieur-, Geistes- und Sozial-wissenschaften machen, den auch der Kollege Loske an-gHGGd3sdnWirnandhlnlmlgldEdDMwdKsmdwv
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Rachel von
er CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Vollmundig hat Bundeskanzler Schröder die-es Jahr zum „Jahr der Innovation“ erklärt. Ich frageich: Wo ist eigentlich der Bundeskanzler, wenn überen Haushalt für Forschung und Innovationen beratenird? Er fehlt und das ist symptomatisch dafür, was eron diesem Thema in Wirklichkeit hält.
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Thomas Rachel
Gespannt warten Hochschulen und Wissenschaft aufneue Impulse und neue Finanzmittel, damit aus der ange-kündigten Innovationsoffensive etwas Konkretes wird.Heute stellen wir aber fest: Die Innovationsoffensivefindet im Bundeshaushalt keinen Niederschlag. DieOrientierung auf Innovationen, die Schröder angekün-digt hat, gibt es eindeutig nicht. Für diesen Einzelplan istgerade einmal eine Steigerung um 2,45 Prozent vorgese-hen. Damit ist es einer von 18 Einzelplänen, die ein we-nig Aufwuchs erfahren. Eine Konzentration auf Bildungund Forschung hat jedoch nicht stattgefunden. Deshalbspricht der „Spiegel“ von einem „Flop“. Erfolge sindnicht in Sicht. Keines der von Ihnen angekündigten Zieleist bislang umgesetzt worden. Dieses Scheitern hat einGesicht: Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn.Sie stolpert von einer Niederlage zur nächsten.
Auch in der SPD nimmt die Unruhe zu. Der „BerlinerZeitung“ sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete SwenSchulz: „Wir sagen überall: Innovationen, Investitionenin die Zukunft. Aber diesem Anspruch werden wir nichtgerecht.“ – Wo er Recht hat, hat er Recht.
Im März hat Schröder angekündigt, er habe kein Geldmehr, deshalb müsse man Subventionen aus der Vergan-genheit in zukünftige Investitionen umschichten.Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, wir unter-breiten Ihnen heute hier ein ganz konkretes, belastbaresAngebot. Wir sind bereit, von den Kohlesubventionen,also Subventionen aus der Vergangenheit, einendreistelligen Millionenbeitrag, genauer gesagt:300 Millionen Euro, für Investitionen in Bildung undForschung umzuschichten.
Die Alternative ist klar: Vergangenheit oder Zukunft.Wir sind für die Zukunft und wollen hierzu einen wichti-gen Beitrag leisten.
Lauthals hat Gerhard Schröder sein Ziel verkündet,die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bis2010 auf 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhö-hen. So weit seine Ankündigung. Die Realität sieht abervrwnSwBHwFdTEEgmNPSIBwksksfH1sGDsshIds
Mittlerweile attestieren sogar ihre Kabinettskollegenrau Bulmahn ein mangelndes Profil. In einer Sitzunges Parteirats der Grünen sagte Bundesumweltministerrittin:
igentlich sei es egal, ob man – ich zitiere – „der gutendelgard“ ein paar Millionen oder Milliarden Euro mehrebe; in der Bevölkerung erfahre davon ohnehin nie-and etwas.
iemand kenne die für das Zukunftsressort zuständigeolitikerin.
o äußerte sich Ihr Kabinettskollege Trittin. Da müsstenhnen eigentlich die Ohren scheppern.
All das zeigt die Ohnmacht der Ministerin. Frauulmahn hat im Bundeskabinett kein politisches Ge-icht. In den sechs Jahren ihrer Ministertätigkeit hat sieein inhaltliches Profil entwickelt und keine For-chungsdebatte durch eigene, kluge Gedanken prägenönnen. Das ist die bittere Bilanz, die wir ziehen müs-en.
Auch im vorliegenden Haushalt werden die Weichenalsch gestellt. Die globale Minderausgabe, die imaushaltsvollzug erwirtschaftet werden soll, ist mit45 Millionen Euro viel zu hoch angesetzt. Das wirdich zulasten der Projektförderung in den Bereichenen-, Nano- und Informationstechnologie auswirken.ie Mittel für die Förderung des Mittelstandes, insbe-ondere der Arbeitsgemeinschaft industrieller For-chungsvereinigungen, wurden nicht um 3 Prozent er-öht. Dadurch ist der Mittelstand in einennovationsdefensive geraten. Das ist ein Riesenfehler;enn gerade der forschungsnahe Mittelstand ist der ent-cheidende Wachstumstreiber unserer Volkswirtschaft.
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Thomas RachelDie diesjährigen Kürzungen des Bundes beim Hoch-schulbau in Höhe von 135 Millionen Euro werden auchim nächsten Jahr nicht zurückgenommen. So sieht dieRealität des Jahres 2005 aus; sie hat nichts mit der in denGlanzbroschüren Ihres Ministeriums beschriebenen Un-terstützung von Spitzenuniversitäten zu tun.
Ich will Ihnen nur eine Zahl nennen: Allein in denneuen Bundesländern besteht ein Bedarf an Neu- undAusbauten von Hochschulen in einer Größenordnungvon 5,74 Milliarden Euro. Davon muss der Bund bis zu50 Prozent mitfinanzieren. Dieser gesamtdeutschen Un-terstützung aller neuen Länder müssen wir uns stellen.Aber was macht die Bundesregierung? Sie stiehlt sichdavon und nimmt weitere Kürzungen beim Hochschul-bau vor.Die Mittel für den DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung zur Steigerung der Attraktivität unse-res Wissenschafts- und Hochschulstandortes im Aus-land werden um 3,5 Millionen Euro gekürzt, und diesvor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbsum die besten Köpfe in einer globalisierten Wissen-schafts- und Forschungsgesellschaft.
Wie ich von Vertretern der Humboldt-Stiftung höre,ist die Qualität der chinesischen Bewerber im Momentso hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Der Hinter-grund sind die Restriktionen in den USA – Stichwort:Homeland Security –, die zu einem Ausweichen derwirklichen Topleute in andere Länder führen. Meine Da-men und Herren, es wäre eine Riesenchance fürDeutschland, wenn wir uns beispielsweise mit einemSonderprogramm um China kümmern würden. Aber wosind die Ideen der Regierung? Es gibt keine.Der nach dem früheren Nobelpreisträger WolfgangPaul benannte Forschungspreis für international heraus-ragende Spitzenwissenschaftler, die Trendsetter für inno-vative Forschungsrichtungen sind, musste mangels Fi-nanzmasse auf Eis gelegt werden. Statt neue Impulse zusetzen, betreibt das BMBF hier Abbau – schade, schade,schade.Nicht nur bei den Finanzen sind die Weichen falschgestellt, sondern auch bei den Inhalten Ihrer Bildungs-und Forschungspolitik. Zu einem völligen Desaster fürdiese Regierung hat die Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts zur Juniorprofessur geführt. Zutreffendhat das Gericht festgestellt, dass Ministerin Bulmahndurch die Überreglementierung der Juniorprofessur und– das war der entscheidende Punkt – durch die faktischeAbschaffung der Habilitation weit in den Zuständig-keitsbereich der Länder hineinregiert und die Kompe-tenzverteilung des Grundgesetzes missachtet hat. Darumging es, meine Damen und Herren!
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ie Bundesländer kommen jetzt in die Situation, dass sieen Schaden und die Unsicherheit, die Sie bei Hundertenuniorprofessuren verursacht haben, beheben müssen.ieser Schaden wäre vermeidbar gewesen und ich sagehnen, Frau Bulmahn: Dieses Scheitern Ihrer Bildungs-olitik vor dem Bundesverfassungsgericht wird immerit Ihrem Namen verbunden bleiben.
Die Debatte um die Juniorprofessur ist ohnehinpisch für die Handlungsweise der Bildungsministerin:ine an sich sinnvolle Grundidee zu einer Glaubensfrageu machen und sie damit zuschanden zu reiten. So hatuch die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben: „Ihre Ab-icht war richtig, ihr Eigensinn falsch.“ So geschieht esuch mit den Studiengebühren, aus deren Verbot Frauulmahn eine heilige Kuh macht. Ohnehin ist zu erwar-n, dass das Verfassungsgericht dieses Verbot aufhebenird.Ein anderes Beispiel für falsche Weichenstellungent das neue, restriktive Gentechnikgesetz. Die Biotech-ologieunternehmen in Deutschland sind fassungslos.it dem neuen Gesetz, Ihrem Gesetz, steht die agrari-che Gentechnik in Deutschland vor dem Aus. Ein kom-erzieller Anbau wird hier nicht mehr stattfinden kön-en. Versuchsfelder in Baden-Württemberg, Sachsen-nhalt und hier in der Region sind zerstört worden. Dasittelständische Unternehmen „Kleinwanzlebener Saat-ucht“ hat angekündigt, keine Freilandversuche mehrurchzuführen: Die Aktivitäten sollen aus Europa nachmerika verlagert werden, wo keine Feindseligkeiterrscht – wörtliches Zitat. Die „Union der deutschenkademien der Wissenschaften“, so berichtet heute dieWelt“, hat in einem Memorandum an alle Abgeordne-en dieses Parlamentes appelliert, dieses Gesetz nichtirksam werden zu lassen. Zitat des Präsidenten derUnion der deutschen Akademien der Wissenschaften“:Das geplante Gesetz“ – Ihr Gesetz – „ist ein Innova-ionskiller und Arbeitsplatzvernichter.“ Das ist die Reali-ät Ihrer falschen Politik.
eine Damen und Herren, Ihre reaktionäre und for-chungsfeindliche Politik vertreibt Know-how und ver-reibt gute Wissenschaftler auf dem Gebiet der Grünenentechnik aus diesem Land. Das ist politisch verur-achter Braindrain.
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Thomas RachelDie Politik dieser Bundesregierung schwächt denForschungsstandort. Die Halbzeitbilanz Ihres „Jahresder Innovationen“, sie besteht aus Tausenden Seiten Pa-pier, Innovationsräten, Beiräten, einigen Abendessenbeim Kanzler und falschen politischen Weichenstellun-gen. Sie bieten der Bildung und Forschung Abbau, Lust-losigkeit – man sieht es ja geradezu da vorne – und Ide-enarmut.
Das Stop-and-Go in der Bildungs- und Forschungsfi-nanzierung zerstört Vertrauen. Bildung und Forschungbrauchen aber Verlässlichkeit und Kontinuität. Regle-mentierungen bei Studiengebühren und Juniorprofessu-ren ersticken jede Initiative in diesem Land. Wir brau-chen aber Luft zum Atmen und die Übergabe vonVerantwortung an die Hochschulen. Ihre ideologischenVorgaben bei Gentechnik und Energieforschung ver-bauen uns wichtige Marktchancen. Wissenschaft undForschung brauchen aber Freiheit, Freiheit, Freiheit.
Deswegen sage ich Ihnen: Freiheit, Kontinuität und Ver-lässlichkeit – das sind unsere Bausteine für eine leben-dige und offensive Bildungs- und Forschungspolitik fürunser Land in einer guten Zukunft.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jörg Tauss, SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Zu den Themen „Freiheit der Universität“ und„Geisteswissenschaften“ hat der Kollege Loske ja schondas Notwendige gesagt. Herr Rachel, auch die Rede, dieSie gehalten haben, ist so wie auf Ihrer Seite die gesamteDebatte in diesen Tagen: Schlagworte ohne jeglicheSubstanz, in der Sache an einigen Stellen richtig, aberansonsten kaum auszuhalten, wenn man die Widersprü-che zu Ihrer sonstigen Politik in Betracht zieht.
Besonders ärgerlich ist dabei natürlich, dass Sie nichtnur mit Schlagworten arbeiten, sondern zum Teil auchmit Unwahrheiten. Frau Kollegin Seib, ich schätze Siesehr, aber es geht nicht an, sich hier hinzustellen und zusagen „‚Jugend forscht‘ wird gekürzt“. Das ist einfachnicht wahr. Die Mittel für den Wettbewerb werden nichtgekürzt, sondern erhöht; das ist Fakt.
Aus diesem Grund habe ich die herzliche Bitte, es mitsolchen Aussagen hier nicht zu übertreiben. Wir wissen,wie wichtig es ist, junge Menschen für Naturwissen-srddLdsdlergggAobAssDgBhImshnsgMsHteBsegvcereShliMlee
Es kamen auch noch Aussagen wie „Die Bundesre-ierung fördert gewerkschaftsnahe Institute“. Wenn dortute Arbeit geleistet wird, dann habe ich genauso wenigegen eine solche Förderung, wie wenn im Bereich derrbeitgeber gute Leistungen in wissenschaftlichen undrganisatorischen Instituten erbracht werden. Sie habeneispielsweise ganz konkret vom Fraunhofer-Institut fürrbeitswirtschaft und Organisation als einem gewerk-chaftsnahen Institut gesprochen; das ist hoch interes-ant. Dieses Institut kümmert sich darum, innovativeienstleistungen in diesem Land auf den Weg zu brin-en. Chef dieses Fraunhofer-Instituts war Professorullinger, der zwischenzeitlich Präsident der Fraun-ofer-Gesellschaft geworden ist. Gewerkschaftsnahenstitute? Die Mitarbeiter in diesem Institut werden dasit großem Interesse zur Kenntnis nehmen.
Ich komme zur Grünen Gentechnik. Sicherlich, Ge-etze enthalten Kompromisse. Im Forschungsbereichätte ich mir das eine oder andere anders vorstellen kön-en. Ich bin aber gespannt, was im Vermittlungsaus-chuss herauskommt. Vor allem bin ich auf die Abwä-ung von Bayern gespannt, das in seiner klassischenanier ja auch die Interessen der Landwirtschaft, dieich für dieses Gesetz ausgesprochen hat, vertritt. Dieaftungsregelungen im Verhältnis der Bauern, die gen-chnisch verändertes Material einsetzen wollen, zu denauern, die kein gentechnisch verändertes Material ein-etzen wollen, müssen klar gemacht werden. Die Bau-rnverbände standen doch bei uns auf der Matte. Ich binespannt, wie sich Bayern im Vermittlungsausschusserhalten wird und ob die großen forschungsfreundli-hen Töne, die Sie hier spucken, dann noch der Realitätntsprechen werden. Wir werden den Herrn Stoiber da-an messen.
Wir werden ihn – und auch Sie – aber auch noch anin paar anderen Dingen messen. Schade, dass Herrtoiber heute nicht da ist. Dafür, dass hier ein Thema be-andelt wird, für das sich die Länder angeblich unglaub-ch interessieren – sie geben das jedenfalls in ihrerehrheit vor –, ist die Bundesratsbank bemerkenswerter. Ich frage mich natürlich, wo sie alle heute sind, das doch um den Etat für Bildung und Forschung geht.
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Jörg Tauss
Wo ist denn der Herr Stoiber, der uns vorgeschlagen hat,wir sollten bitte alle Haushaltstitel konsequent und pau-schal um 5 Prozent kürzen, wodurch es den geringstenÄrger gebe?
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Bergner?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lieber Kollege Bergner, selbstverständlich lasse ich
eine Zwischenfrage von Ihnen zu, zumal mein Vorredner
mir einiges an Redezeit weggenommen hat.
Herr Kollege Tauss, auch wenn Sie in Ihrem Rede-
fluss schon ein ganzes Stück weiter sind, möchte ich fol-
gende Frage stellen.
Sie haben vorhin die, wie ich finde, etwas merkwür-
dige Behauptung aufgestellt, Sie hätten diesem Gentech-
nikgesetz unter dem Druck der Bauernverbände zustim-
men müssen.
– Sie haben gesagt, die Bauernverbände standen auf der
Matte und haben uns gewissermaßen gezwungen, diese
Regelung zu treffen.
Wenn Sie bereit sind, diesen Quatsch zurückzuneh-
men, setze ich mich sofort wieder hin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, bleiben Sie ruhig stehen, obwohl ich einen sol-chen Quatsch nicht gesagt habe.Die Bauernverbände hatten mich vor geraumer Zeiteinmal eingeladen, bei ihnen eine Rede zu diesemThema zu halten. Herr Sonnleitner hat gemeint, ich seiein Sozialdemokrat, mit dem man reden könne. Ich weißnicht so recht, ob das nun ein Kompliment war odernicht, aber immerhin.Lieber Kollege Bergner, ich komme aus einem länd-lich geprägten Wahlkreis. Wir sind aber weiß Gott nichtdiejenigen, die vor jedem Lobbyisten einknicken. Daskennzeichnet Sie.
Wir haben mit den Bauern selbstverständlich über dieseFrage diskutiert. Die Bauern haben in der Tat eine großeSorge. Es geht um die Haftungsregelungen. Das istauch der eigentlich kritische Teil des Gesetzes.SgddmtiBbadnnsswIsgdüabeHgic11SrwZrAmrgPcweledIZkic
Weil wir uns heute so schön mit Bayern beschäftigen,omme ich jetzt zum Stoiber-Edmund. Er hat – das habeh schon einmal gesagt – eine allgemeine Kürzung um
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Jörg Tauss5 Prozent vorgeschlagen. Das hört sich erst einmal nachnicht so viel an. Das Volumen des Etats beträgt etwasüber 8 Milliarden Euro. Rechnen wir einmal aus, waseine Kürzung um 5 Prozent bedeuten würde. Das sind,bezogen auf diesen Betrag, etwa 423 Millionen Euro. –Ich sehe gerade, dass Herr Rachel aufsteht. Herr Rachel,wohin gehen Sie denn? Ich komme gleich noch zu Zah-len, die Sie betreffen.Zurück zu den 423 Millionen Euro! Das sind45 Prozent der Ausgaben für den Hochschulbau, liebeKollegin Reiche, die wir vom Bund eingestellt haben.Das ist trotz der Kürzung, die ich sehr bedauere, mehr,als Sie uns 1998 hinterlassen haben. Liebe KolleginReiche, liebe Kollegin Flach, wer hat eigentlich die Ver-einbarung über die Hochschulbaufinanzierung gekün-digt?
Welche Ministerpräsidenten haben sich denn dafür zu-sammengefunden? Das waren alle 16 Ministerpräsiden-ten. Sie alle haben erklärt: Wir wollen nicht länger dieHochschulbaufinanzierung durch den Bund. Danachwundern Sie sich, dass Hans Eichel – er hört gerade wie-der zu; mir wäre es lieber, er würde solche Dinge garnicht hören – bei der Aufstellung seines Haushalts diesesGeld, das die Länder nicht mehr wollen, einspart. Dasfinde ich zwar schade, aber mit Wahrhaftigkeit hat dasVerhalten der Länder leider nichts mehr zu tun.
45 Prozent Kürzungen allein beim Hochschulbau hat derStoiber-Edi also vorgeschlagen.
– Selbstverständlich ist es der Herr bayerische Minister-präsident. Aber ich kenne ihn auch aus den Bierzeltengut. Für mich ist das der Stoiber-Edi.Seine Forderung nach einer Kürzung um 5 Prozentlässt sich auch auf das BAföG beziehen. Es geht um423 Millionen Euro. Das ist ein Drittel der BAföG-För-derung des Bundes. Wollen Sie das?Eine andere Forderung von Ihnen ist die nach Studi-engebühren. Diese sind im Übrigen – das haben wirüberprüft – mittelstandsfeindlich. Die Kürzung desBAföGs wäre nicht einmal ein zentrales soziales Pro-blem – das könnte man noch verkraften –, aber mit Ge-bühren würden Sie die Kinder aus dem Mittelstand, dieheute noch studieren können, von den Hochschulen ver-treiben. Das zeigt sich in allen Ländern mit Studienge-bührenmodellen.
Darüber sollten Sie einmal nachdenken. Aber hier kön-nen Sie weder uns noch der Ministerin einen Vorwurfmachen.Hznw1dKdkSurwsdutefdFminIswwndBsswLbDvtufdzkcDwgEsd
Wir könnten auch die Projektförderung des Bundesm 20 Prozent kürzen. Aber Sie haben hier eine Forde-ung nach der anderen aufgereiht, um uns zu beweisen,ie notwendig eine Ausweitung der Projektförderungei. Ein Minus von 5 Prozent in diesem Bereich hieße,ass 20 Prozent aller Projekte nicht mehr möglich wärennd auch laufende Projekte abgebrochen werden müss-n.Was immer Sie auch aus diesem Katalog herausgrei-en: Dieser Vorschlag bedeutet in jedem Fall die Ankün-igung eines Kahlschlags, der eine Katastrophe für denorschungsstandort Deutschland nach sich zieht. Dasuss man dem Herrn bayerischen Ministerpräsidentens Stammbuch schreiben. Aber er ist im Gegensatz zuhnen wenigstens ehrlich. Sie behaupten ja noch, eseien Aufwüchse in beliebiger Höhe möglich. Er sagtenigstens das Gegenteil. Aber das, was er sagt, machenir nicht, und das, was Sie sagen, können wir leidericht. Zur Eigenheimzulage kommen wir noch.Jetzt kommen wir zur Juniorprofessur. Frau Reiche,ass Sie sich hier hinstellen und sich freuen, dass dasundesverfassungsgericht mit knapper Mehrheit so ent-chieden hat, hat mich nicht gewundert. Ich muss ehrlichagen: Mir wurde es als Kind auch immer schlecht,enn ich im Auto sitzen musste. Es gibt nun einmaleute, die keine Bewegung aushalten. Sobald sich etwasewegt, wird ihnen schlecht.
as ist nicht nur das Problem von Frau Reiche, sondernon allen, wie sie hier sitzen. Sobald sich im Land etwast, sobald sich etwas bewegt, bekommen sie einen Re-lex, weil es keine Tabletten dagegen gibt. Sie überlegenann, wie sie blockieren können, wie sie vor Gerichteiehen, wie sie verhindern, wie sie zerstören und wie sieaputtmachen können. Das ist Ihre Politik und das ma-hen Sie auch in der Forschungs- und Bildungspolitik.as ist unverantwortlich und nicht mehr akzeptabel.
Hat denn die Wissenschaftsministerin geklagt? Esaren doch Ihre Länder, die vor das Bundesverfassungs-ericht gezogen sind und dieses Ergebnis erzielt haben.s sind Ihre Länder gewesen, die den Nachwuchswis-enschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern da-urch die Perspektive in diesem Land verbaut haben.
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Jörg TaussWir und diese Ministerin sind es gewesen, die alle Tau-send Juniorprofessoren, die wir zwischenzeitlich haben,angeschrieben und gesagt haben: Verlasst bitte nichtDeutschland! Verlasst euch auf uns, auf die Bundes-regierung!
Schimpft nicht allzu sehr auf die CDU! Geht nicht insAusland! Bleibt hier! Wir versuchen jetzt, eine Lösungmit den Bundesländern herbeizuführen.Dann haben wir mit den Bundesländern verhandelt.Das hat diese Ministerin getan. Man höre und staune, siehat eine Einigung mit den Ländern erzielt. Aber dann ka-men Ihre Ministerpräsidenten und haben gesagt: Wasnicht sein kann, darf nicht sein. Sie haben diese Verein-barung gekippt und gesagt, sie müssten erst einmalgründlich bedenken, wie sie in dieser Frage weiter vo-rangehen könnten. Der Wissenschaftsminister vonBaden-Württemberg, Frankenberg, hat für die Unions-länder gesagt, er brauche noch bis zum 30. SeptemberZeit, um darüber nachzudenken, was die Folgen des Ur-teils seien. Das muss man sich einmal vorstellen!
Diese Leute behaupten, sie wollten die alleinige Verant-wortung für die Hochschulen in diesem Lande haben. Esgeht noch nicht einmal um Inhalte, sondern es geht da-rum, ihre Eitelkeiten zu befriedigen. Das ist es.
Sie haben dankenswerterweise gesagt, dass es nur umdie Eitelkeit geht, weil sie auf irgendeiner Pressemittei-lung nicht aufgeführt waren. Das ist unerträglich.Frau Pieper brauche ich mich nicht zuzuwenden, dasie leider nicht mehr da ist. Sie wollte die Einheitlich-keit der Lebensverhältnisse bei dieser Gelegenheit kip-pen. Das will ausgerechnet jemand aus Sachsen-Anhalt.Ich will die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse imLand nicht kippen. Das sage ich Ihnen deutlich. Wennein Kind das Pech hat, in Sachsen-Anhalt unter einerCDU-FDP-Regierung auf die Welt zu kommen, dannwill ich nicht, dass es schlechtere Lebensverhältnisse hatals irgendwo anders in der Republik. Das ist ganz klar.
Herr Kollege, ich weiß, dass Sie für Bewegung sind.
Ich muss Sie trotzdem in Ihrem Temperament zügeln.
Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Frau Präsidentin, ich habe ungefähr noch fünf
Seiten.
Deshalb lassen wir die Eigenheimzulage.
Hören Sie auf,
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ns zu sagen: Mehr Geld! – Machen Sie mit, wenn es
arum geht, mehr Geld für Bildung und Forschung zu
kquirieren.
ann haben Sie uns und den Finanzminister an Ihrer
eite. Sie wollen in Wirklichkeit nur Investitionen in die
ergangenheit, Gartenzwerge statt Innovation, aber das
st nicht unsere Politik.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Wir kommen damit zur Schlussrunde. Als erstem
edner erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister,
ans Eichel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Zunächst bitte ich Sie um Verständnis – und ichedanke mich dafür, dass beide Oppositionsfraktionenieses Verständnis bekundet haben –, dass ich um2 Uhr die Debatte verlassen muss, sie also nicht bisum Ende verfolgen kann, weil heute und morgen dernformelle Ecofin in Scheveningen tagt und vorher dieurogroup zusammenkommt. Dort wird die erste Orien-ierungsaussprache über die Vorschläge der Kommis-ion zur Anwendung des Stabilitäts- und Wachstums-akts stattfinden. Sie werden verstehen, dass es nichtein kann, dass der deutsche Finanzminister nicht dabeist. Deswegen herzlichen Dank für Ihr Verständnis.
Ich will die Gelegenheit nutzen, zu diesem Thema ei-ige Bemerkungen zu machen, damit die Position, diech dort vertrete, klar ist. Erstens. Worum geht es nicht?s geht nicht darum, den Maastricht-Vertrag zu än-ern. Es geht aus meiner Sicht auch nicht darum, dieerordnungen zu ändern, die auf ihm aufbauen und dieen eigentlichen Stabilitäts- und Wachstumspakt aus-achen. Es geht auch nicht darum – darüber bestehtbenso Einvernehmen wie darüber, dass der Vertragicht geändert wird –, dass das 3-Prozent-Kriterium oderas 60-Prozent-Kriterium geändert würden. Um all daseht es nicht.Es geht vielmehr darum, sich eine Antwort auf dierage zu geben, die der jetzige Bundespräsident, Horstöhler, einer der Väter des Maastricht-Vertrages, gestelltat, als er Chef des Internationalen Währungsfonds war:aben wir eigentlich, als wir die Vertragswerke abge-chlossen haben, vorausgesehen – wir haben es nicht, hatr gesagt –, dass es auch einmal eine dreijährige Stagna-onsphase geben könnte, und wie geht man damit um?
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Bundesminister Hans EichelWelche Prioritäten muss man setzen, um aus der Situa-tion wieder herauszukommen?Eines ist klar, meine Damen und Herren: Der Paktheißt „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ und darin stecktEinsicht. Wir haben in den letzten drei Jahren folgendeErfahrung gemacht: Wir sind mit einem wunderschönen,für deutsche Verhältnisse niedrigen Defizit von 1,2 Pro-zent gestartet und im vergangenen Jahr bei 3,8 Prozentgelandet. Mit anderen Worten: Ohne Wachstum gibt eskeine Konsolidierung der Staatshaushalte, auf der ande-ren Seite ist aber eine nachhaltige Konsolidierung derStaatshaushalte Voraussetzung für nachhaltiges Wachs-tum. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. DieFrage, um die es geht, lautet: Wie machen wir das?Ich glaube, dass die Kommission in ihren Vorschlä-gen die grundlegende Antwort richtig formuliert. Wirmüssen über eine symmetrische Anwendung des Paktesreden, eine Anwendung nicht nur dann, wenn die Wirt-schaft stagniert und wir uns noch selber kujonieren. Wirmüssen uns die Frage stellen, ob wir dann, wenn dieWirtschaft gut läuft, nicht mehr tun können, um einen Si-cherheitsabstand zu schaffen. Dazu hat der Rat im Som-mer, als er die europäische Verfassung verabschiedet hat,auf einen deutsch-niederländischen Vorschlag hin emp-fohlen, in solchen Zeiten schrittweise Überschüsse zu er-wirtschaften.
Dahinter steht die Vorstellung, einen über den Konjunk-turzyklus ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. InWahrheit bedeutet das eine Verschärfung des Paktes. Esgeht nicht um ein Aufweichen des Paktes, sondern da-rum, wie Kommissar Almunia gesagt hat, mehr ökono-mische Logik in die Anwendung des Paktes zu bringen.Das wird auch meine Position sein, meine sehr verehrtenDamen und Herren.
Weil viele sich zu diesem Thema äußern, will ich derBundesbank, von der ich lese, sie habe gesagt, die Poli-tik könne den Vertrag nicht einseitig zulasten der Bürgerändern, dringend empfehlen, sich vor öffentlichen Äuße-rungen darüber zu informieren, was beabsichtigt ist. Wiebereits gesagt, ist eine Änderung des Paktes und der Ver-ordnungen, die darauf aufbauen, ausdrücklich nicht be-absichtigt.Es haben sich eine Reihe nationaler Notenbanken ge-äußert. Dazu will ich sagen: Wir sind jetzt in Europa.Wir sind im System der Europäischen Zentralbank undich erwarte dieselbe Disziplin, die früher die Bundes-bank, als sie geldpolitische Zuständigkeit hatte, auch be-sessen hat. Ich erwarte, dass im System der Europäi-schen Zentralbank – das heißt: im Zentralbankrat derEZB – die Diskussionen geführt werden und dass mansich dort eine Meinung bildet, die der Präsident der EZBauch einvernehmlich vertritt. Es darf nicht sein, dassnach außen die verschiedensten Positionen vertretenwerden. Das wird der Situation nicht gerecht.EzasaUgwlMdgKBHnbmliM–mPGwFtaemvwggawmdtisJnsDDe
s muss an der Sache entlang diskutiert werden und dieugrunde liegenden Behauptungen müssen ganz schlichtuch stimmen.Meine Damen und Herren, ich habe am Dienstag un-ere Konzeption vorgelegt. In der Tat geht es ja um mehrls um den Haushalt. Im Haushalt landet vieles, dessenrsachen an anderen Stellen entstehen, zum Beispiel einroßer Teil der Defizite in den Sozialsystemen. Alles,as die Kommunen, die Länder, der Bund und die sozia-en Sicherungssysteme tun, hat Einfluss auf dieaastricht-Kriterien, auf die gesamtstaatliche Verschul-ung. Deshalb habe ich über den Gesamtzusammenhangeredet.Sie fordern mich immer wieder auf, die Maastricht-riterien einzuhalten. Dazu sage ich ausdrücklich Ja.eim Thema Zahnersatz haben Sie es übrigens in derand, das Problem zu entschärfen oder es wenigstensicht weiter zu verschärfen. Die vorgesehene Entlastungeim Zahnersatz kann nicht ersatzlos gestrichen werden,eine Damen und Herren. Da geht es um 3 bis 4 Mil-arden Euro oder um 0,1 bis 0,2 Prozent beimaastricht-Defizit.
Nein, Frau Kollegin Schmidt hat einen Vorschlag ge-acht, wonach uns im nächsten Jahr keine zusätzlichenrobleme entstehen, um wieder unter die 3-Prozent-renze zu kommen. Diese Grenze müssen und wollenir einhalten.Deshalb, meine Damen und Herren, ist es keinerage, dass wir ein solches Regelwerk wie den Stabili-äts- und Wachstumspakt brauchen, und das wird sichuch an anderen Stellen noch ganz deutlich zeigen. Abers ist mehr als Juristerei. Es geht zuallererst um Ökono-ie und nur im Zusammenhang – ich wiederhole das –on Wachstum und strikter Ausgabendisziplin könnenir die Probleme lösen.
Ich habe am Dienstag unser Konzept auf den Tischelegt. Was waren Ihre Antworten? Ein paar Bemerkun-en muss ich dazu schon machen, denn ich kann nichtlles, was Sie gesagt haben, einfach so stehen lassen. Daar nämlich eine Menge Schwarzmalerei dabei.Herr Glos hat es wirklich fertig gebracht – ansonstenuss man dazu nicht mehr sagen –, vom Ausverkauf dereutschen Wirtschaft zu reden. Das ist Ihre Interpreta-ion des Sachverhalts, dass 80 Millionen Deutsche mithrer Wirtschaft auf dem Weltmarkt eine größere Rollepielen als 280 Millionen Amerikaner und 120 Millionenapaner. Von anderen Volkswirtschaften rede ich erst garicht, weil sie sich in einem ganz anderen Entwicklungs-tadium befinden und ein ganzes Stück hinter uns sind.as ist also Ihre Interpretation der Tatsache, dasseutschland mit seinem Anteil am Welthandel Nummerins in der Welt ist. Das ist schlicht unerträglich. Über
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Bundesminister Hans Eicheldiesen Punkt sollten Sie selber einmal gründlich nach-denken. Das muss endlich aufhören.
Zweiter Punkt. Sie haben behauptet – das fand ichziemlich dreist; das hätte ich als Bayer niemals gesagt –,wir seien daran schuld, dass Gräben zwischen Ost- undWestdeutschland wieder aufgerissen würden. Ichmöchte Ihnen einmal erklären, warum Herr Stoiber alsKanzlerkandidat keine Chance in Ostdeutschland hatte.Niemand hatte vergessen, dass es seine Zielsetzung war,den Risikostrukturausgleich, das heißt die Solidarität mitden ostdeutschen Ländern in der Krankenversicherung,aufzukündigen. Sie wissen ganz genau, welch eineenorme Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge inOstdeutschland – natürlich bei gleichzeitiger Senkungder Beiträge in Westdeutschland und insbesondere inBayern – dies zur Folge gehabt hätte. Wir bräuchten überden Aufbau Ost nicht einmal mehr zu reden, wenn wireine solche Preistreiberei bei den Lohnnebenkosten inOstdeutschland betrieben hätten.
Das war aber noch nicht alles. Bereits damals, alsnoch nicht klar war, ob Herr Stoiber Kanzlerkandidatwird, hat der bayerische Landtag die Regionalisierungder Arbeitslosenversicherung beschlossen. Das hätte ge-nau den gleichen Effekt gehabt. Dort, wo die Arbeits-losenquote beispielsweise bei 20 Prozent liegt, hättendiejenigen, die noch Arbeit haben – übrigens in Ost-deutschland bei niedrigeren Einkommen –, dann weitaushöhere Arbeitslosenversicherungsbeiträge zahlen müs-sen. Davon wären nicht nur die Arbeitnehmer, sondernauch die Betriebe betroffen gewesen. Das ist ein uner-träglicher Vorgang. An der Stelle von Herrn Glos hätteich zumindest nicht behauptet, wir seien dabei, wiederGräben zwischen Ost und West aufzureißen.
Wir haben immer zur Solidarität zwischen Ost undWest gestanden. Das tun wir weiterhin, auch wenn dasschwierig ist, um das ganz klar zu sagen.
Sie haben sich offensichtlich verabredet – das ist eineausgesuchte Unwahrheit; das ist noch eine freundlicheFormulierung –, mich jetzt zum Weltmeister im Schul-denmachen zu erklären. Ich habe mir einmal die Datenangesehen. Als Sie Ende 1982 in die Regierung kamen,haben Sie 160 Milliarden Euro Schulden übernommen.Als Sie 1998 aus der Regierung herausgewählt wordensind, gab es einen Schuldenstand von 743 MilliardenEuro. Das ist ein Plus von über 580 Milliarden Euro.
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s bleibt jedenfalls festzuhalten: Sie haben es in Ihreregierungszeit im Vergleich zu dem, was wir von 1998is jetzt zu verantworten haben, auf die fünffache Schul-ensumme gebracht. Erzählen Sie mir also nicht, dassh Weltmeister im Schuldenmachen sei. Seien Sie we-igstens an diesem Punkt ganz still, so unerfreulich dieaushaltsentwicklung auch ist und so sehr sie auch miru schaffen macht!
Zu Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit gehörtuch Folgendes: In Ihrem Haushalt 1998 und in Ihremaushaltsentwurf 1999 waren die Ausgaben für dieostunterstützungskassen, die Unterstützung für dasaarland und Bremen sowie einige andere Dinge nichterücksichtigt. Auch Sie wissen ganz genau, dass dortanz einfach einiges außen vor gelassen worden war,ass einiges überhaupt nicht etatisiert worden war, wasätte etatisiert werden müssen. Das haben erst wir getan.Dritter Punkt. Ich verstehe nicht – das ist bedauerlich,ber das lief nach demselben Motto –, warum sich Ihreeneralrednerin, Ihre Fraktionsvorsitzende, und Ihreedner, die zu den Einzelhaushalten gesprochen haben,icht koordiniert haben.
hre Generalrednerin, Frau Merkel, hat erklärt, wir soll-n gefälligst weniger ausgeben und weniger Schuldenachen. Prima! Aber alle anderen CDU/CSU-Redner,ie danach zu den Einzelhaushalten gesprochen habendas war auch so in der eben zu Ende gegangenen De-atte über den Bildungs- und Forschungshaushalt, dieh aufmerksam verfolgt habe –, haben ständig erklärt,s fließe zu wenig Geld in die einzelnen Bereiche. Wasilt denn nun? Das ist doch das grundlegende Problem,it dem wir es bei Ihnen jedes Mal zu tun haben.
Ich möchte Ihnen Ihre Widersprüchlichkeit am Bei-piel des Bildungs- und Forschungshaushalts nochinmal deutlich machen. Auch hier sind Sie der ungeeig-etste Ankläger. Sie hatten damals 7,263 Milliardenuro in den Haushalt eingestellt. Unser Haushaltsent-urf, über den gerade diskutiert worden ist, sieht,464 Milliarden Euro vor. Mit anderen Worten: Seit998 gab es allein dort eine Steigerung um 17 Prozent.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. September 2004 11353
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Bundesminister Hans EichelDas ist übrigens nicht einmal die ganze Wahrheit.Hinzu kommt nämlich noch, dass ein Drittel der BAföG-Ausgaben die Kreditanstalt für Wiederaufbau trägt. Siemüssten hinzugerechnet werden. Das gäbe eine weitereSteigerung. Dazu kommt 1 Milliarde Euro für das Ganz-tagsschulprogramm. Wenn jemand das als Steinbruchbenutzt hat – das können Sie ja an Ihren Zahlen sehen –,dann waren Sie das gegen Ende Ihrer Regierungszeit.
Wenn jemand das aufgestockt hat, dann waren wir das.Sie mögen sagen: Das reicht nicht. Da würden Sie beimir sogar relativ offene Türen einrennen. Als Finanzmi-nister sage ich allerdings: Allein mit großen Ausgabe-steigerungen ist die Sache nicht gemacht. Man mussauch darauf achten, dass man für das Geld, das man ein-setzt, eine Gegenleistung bekommt. Es geht nie nur umsGeld, sondern auch um die Bedingungen, unter denen esausgegeben wird. Es geht dann um so etwas wie die Ju-niorprofessuren an den Hochschulen und um vieles an-dere mehr – Stichwort öffentliches Dienstrecht –, wasdazu geeignet ist, unsere Hochschulen wettbewerbsfähi-ger zu machen. Wenn man so vorgeht, dann werden diePrioritäten richtig gesetzt. Also war auch das, was Siedazu gesagt haben, falsch.Bis jetzt habe ich darüber gesprochen, was Sie gesagthaben. Jetzt rede ich einmal darüber, was Sie nicht ge-sagt haben und was in der Tat nur wir erwähnt haben: dieSparvorschläge von Herrn Stoiber. Sie sind in keinereinzigen Rede von Ihnen erwähnt worden. Das sprichtBände.
Ich bin einmal gespannt, was daraus wird: Wird der Bun-desrat diese Sparvorschläge einbringen? Oder wird dieCSU-Landesgruppe diese Sparvorschläge einbringen?Oder werden Sie die Sparvorschläge von Herrn Stoiberüberhaupt nicht einbringen? Ich wiederhole: Ich binaußerordentlich gespannt.
– Entschuldigung, Sie haben nicht ein Wort dazu gesagt,ob Sie die Sparvorschläge von Herrn Stoiber hier ein-bringen. Das ist ja Ihr Kanzlerkandidat der letzten Wahl.Wir wüssten wirklich gern, ob hinter diesen Vorschlägenetwas steckt oder nicht.
Wir sind gespannt, ob es zu einer Bereinigungssitzungkommt. Wenn Sie mir noch Bereiche aufzeigen, wo manvernünftigerweise sparen kann: Einverstanden! Auchwenn Herr Stoiber das anders sieht, gilt für die Lage desBundeshaushalts: Wir haben den Konsolidierungskursin 1999 eingeleitet. Mittlerweile stellen wir den sechstenKonsolidierungshaushalt in Folge auf.
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n Ihrer Stelle hätte ich gar nicht gelacht. Dass alle Ihreedner in jeder Einzeldebatte sagen: „Hier ist zu wenigeld, da ist zu wenig Geld, dort ist zu wenig Geld“, istoch wohl eher ein Beleg für die Wahrheit der These,ass wir den Haushalt ordentlich zurückgefahren haben,ls für das Gegenteil. Das ist doch logisch. Aber mit Lo-ik haben Sie es auch nicht.Man überlege sich einmal, wie Sie sich dort verhalten,o die notwendigen Einschnitte gemacht werden. Beimteuersubventionsabbau beklagen Sie sich nicht – ichchon –, dass die Lücke kleiner ist. Sie hätten meinenorschlägen folgen oder wenigstens eigene machen sol-en. Ich wiederhole: Als es um das Gesetz zum Abbauon Steuervergünstigungen ging, das für den Gesamt-taat im ersten Jahr der vollen Wirksamkeit Einsparun-en in Höhe von 17 Milliarden Euro vorsah, hat derundesrat Einsparungen in Höhe von gerade einmal,4 Milliarden Euro zugestimmt. Das ist eine Differenzon gut 14,5 Milliarden Euro. Das ist Ihr Loch und ichuss es durch Privatisierungserlöse schließen. Das istie Wahrheit.
us Ihrer Verantwortung dafür werden wir Sie nie ent-assen.Im Übrigen hat das mit den Löchern bei Ihnen Sys-em. Herr Seehofer war es doch, der Ihnen vorgerechnetat, was in Ihren Konzepten – Steuerreform, Herzog-ommission, Kopfpauschale, Kindererziehungszeiten,indergeld usw. – insgesamt fehlt; er stellte ein Lochon 100 Milliarden Euro fest. Auch deswegen sind Sieicht regierungsfähig. Man hat von Ihnen nichts Konkre-es gehört.
Ja, ja, Herr Merz.Ich wünschte mir eine geringere Deckungslücke.ber dazu brauchen wir einen Bundesrat, der seine ge-amtstaatliche Verantwortung genauso wahrnimmt, wies diese Bundesregierung und die sie tragende Mehrheitun.
afür sind Sie verantwortlich. Wenn die Länder so han-eln könnten, wie es ihrer Interessenlage entspricht,ann würden sie sich anders verhalten. Sie dürfen sichber nicht so verhalten, weil es nicht zu Ihrer Opposi-ionsstrategie passt. Das ist die Wahrheit.
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Bundesminister Hans EichelEs bleibt bei unserem Konzept und es bleibt bei unse-ren Schwerpunkten: Erstens. Wir müssen – das ist wieim vorigen Jahr – aus der Stagnation heraus. Das habenwir geschafft. Zweitens. Wir müssen jetzt dafür sorgen,dass der Aufschwung nicht nur vom Export getragen ist,sondern auf beiden Beinen steht, dass also auch die Bin-nenkonjunktur in Gang kommt. Es gibt übrigens erstevorsichtige Hinweise – deswegen bin ich damit auchnoch sehr zurückhaltend – darauf, dass sowohl die Aus-rüstungsinvestitionen als auch der private Verbrauchlangsam ein bisschen anziehen. Hoffen wir, dass sich dasordentlich verstärkt! Denn dann sieht selbstverständlichauch die Haushaltslage ein ganzes Stück anders aus.Wir haben sehr anstrengende Reformen durchgeführt.Ich verstehe, dass sich Menschen dabei auch bedrohtfühlen. Aber wenn ich ein Loch von 82 Milliarden Eurobeim Gesamtstaat – Bund, Länder, Gemeinden und so-ziale Sicherungssysteme – schließen muss, dann heißtdas nichts anderes, als dass ich den Leuten auch Geldwegnehmen muss. Ich kann das Loch nicht beseitigen,ohne dass das jemand merkt. Das ist die schlichte Wahr-heit. Dazu muss man sich dann auch stellen.Die Menschen – so hart das für viele ist; das ist un-streitig – begreifen aber, glaube ich, dass allein das derWeg in die Zukunft ist. Daraus entsteht wieder Ver-trauen, weil sichtbar wird: Die packen die Problemean. – Dann schlagen Sie sich nicht in die Büsche unddiffamieren Sie nicht, was Sie selber gefordert haben,sondern machen Sie ein Stück mit! Im Bundesrat sindSie nach unserer Verfassung dazu verpflichtet.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Karl-Josef Laumann, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, Ihre
Abschlussrede war vergleichbar mit Ihrer Einführungs-
rede. Sie haben wenig zum Haushalt gesagt
und viel die Opposition beschimpft. Aber eines war
schon interessant. Sie haben in Ihren Haushaltsreden in
diesem Jahr betont: Wir bekommen die Dinge nur in den
Griff, wenn wir die Stagnation überwinden und zu
Wachstum kommen.
Ihr Wirtschaftsminister dagegen sagte gestern Morgen in
der Debatte: Wir haben das Wachstum schon.
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Der Haushalt, den wir in dieser Woche debattieren, ist
atürlich ein Spiegelbild der Lage in unserem Land. Die
aushaltslage des Bundes ist schlecht, genauso schlecht
ie die Lage in vielen Bereichen in unserem Land. Das
st der sechste Haushalt, den Sie vorlegen. Die Arbeitslo-
igkeit ist in den Jahren von Rot-Grün in Deutschland
estiegen.
998 hatten wir 4,3 Millionen Arbeitslose, heute haben
ir 4,5 Millionen Arbeitslose, damals mit abnehmender
endenz, heute mit steigender Tendenz.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Eichel?
Nein, jetzt noch nicht.Die Situation ist die, Herr Eichel, dass seit dem Amts-ntritt des jetzigen Bundeskanzlers, also in den vergan-enen sechs Jahren, im industriellen Bereich – das machtns besorgt – 170 000 Arbeitsplätze weggefallen sind.m letzten Jahr der Kohl-Regierung haben wir im indus-riellen Bereich noch 100 000 dazugewonnen.Es ist unbestreitbar, dass durch viele Entscheidungen,ie diese Regierung getroffen hat, und auch durch Ent-icklungen auf den Energiemärkten die verfügbareninkommen breiter Schichten der Bevölkerung in denetzten Jahren eher abgenommen als zugenommen ha-en.Als 1998 über den Haushalt debattiert wurde, waren5 000 junge Leute auf der Suche nach einer Lehrstelle,eil sie noch keine hatten. Schon damals war die Situa-ion nicht befriedigend. Aber nach sechs Jahren Rot-rün sind es 180 000 junge Leute,
ie im Sommer die Schule verlassen haben und zu die-em Zeitpunkt, wo wir über den Haushalt diskutieren,eine Lehrstelle haben. Nach sechs Jahren Rot-Grün ha-en wir also eine Situation im Land, in der eine derartig
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Karl-Josef Laumanngroße Menge junger Leute keine Lehrstelle findet. Siemüssen doch zugeben, dass das eine Katastrophe ist.
– Dazu komme ich jetzt. – Ich glaube schon, dass deswe-gen die Frage, wie wir zu Wachstum und damit zu mehrArbeitsplätzen kommen, ein ganz entscheidender Punktbei unserem Bemühen ist, den Bundeshaushalt und da-mit auch die Staatsfinanzen auf Dauer zu konsolidieren.
Zu Beginn des Haushaltsjahres 1998 war durch unver-rückbare Positionen des Bundeshaushaltes – Zuschusszur Rentenkasse, Personalkosten, Pensionslasten, Zins-lasten – knapp die Hälfte der Ausgaben gebunden. ImHaushalt, den wir diese Woche diskutieren, sind nachsechs Jahren zwei Drittel des Haushaltsvolumens durchAusgaben gebunden, die auch durch einen Regierungs-wechsel auf die Schnelle nicht verändert werden könn-ten. Das macht doch deutlich, dass die Haushaltskriseder Bundesrepublik Deutschland, so wichtig sparen auchimmer sein mag, nur über die Schaffung von mehr Ar-beitsplätzen und durch ein größeres Wirtschaftswachs-tum überwunden werden kann. Durch Sparen alleine je-denfalls geht es nicht mehr. In diesem Punkt sind wirdoch gar nicht auseinander.
Herr Kollege, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage
des Kollegen Eichel.
Ja, bitte.
Herr Kollege Laumann, nachdem Sie gerade einen
Satz gesagt haben, den ich so unterschreiben könnte
– ich erinnere mich daran, dass ich das Gleiche mehrfach
hier gesagt habe, auch heute und am Dienstag –, möchte
ich Sie fragen, ob Sie mir auch in einem anderen Punkt
zustimmen können. Sie haben eben behauptet, wir hätten
dem Haushaltsplan 2005 eine Wachstumsannahme zu-
grunde gelegt – zu diesem Punkt hatte ich mich gemel-
det –, die von keinem hiesigen Institut bestätigt worden
sei.
Ich möchte Ihnen deshalb jetzt sagen, wie es sich
wirklich verhält: Es gibt in der Tat ein Institut
– die Frage kommt gleich, keine Angst – , nämlich das
Institut für Weltwirtschaft, das von einem Wachstum von
1,2 Prozent ausgeht, obwohl es für dieses Jahr von
2,1 Prozent ausgegangen ist. Nun lese ich Ihnen Progno-
sen der anderen Institute für das nächste Jahr vor – die
Zahlen stammen ausschließlich aus den Monaten Juli
und August –: Deutsches Institut für Wirtschaftsfor-
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ie Sie bis zur dritten Lesung wieder korrigieren muss-
n. Das war die Praxis der letzten Jahre.
Jetzt stelle ich noch etwas Weiteres fest: Der Bundes-
inanzminister und die Bundesregierung sind noch nicht
inmal in der Lage, die Zahl derjenigen, die von
artz IV betroffen sind, richtig zu schätzen. So haben
ir heute Morgen eine Schätzung des Instituts für Ar-
eitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für
rbeit auf den Tisch bekommen, in der man nicht von
,2 Millionen, sondern von nahezu 3,5 Millionen Ar-
eitsfähigen ausgeht. Deswegen stimmen in diesem
ereich schon Ihre Zahlen nicht.
Einigen wir uns doch einmal auf Folgendes; das ist
och der entscheidende Punkt: Wir alle wissen – ich ver-
uche jetzt einmal Gemeinsamkeiten am Ende der
chlussrunde herauszuarbeiten –, dass wir ohne Wachs-
m und ohne die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen
us dieser Situation nicht wieder herauskommen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage des Kollegen Eichel?
Nein.
Morgen ist der furchtbare Anschlag auf das Worldrade Center in Amerika drei Jahre her. Zwischenzeit-ich war es zunächst so, dass alle unsere Probleme mit
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Karl-Josef Laumannder schlechten weltwirtschaftlichen Stimmung wegendes Terrorismus erklärt wurden. Da war ja vielleichtauch etwas dran. Aber jetzt haben wir die Situation, dassdas Wachstum der Industriestaaten des europäischen unddes amerikanischen Raumes deutlich über dem Wachs-tum der Bundesrepublik Deutschland liegt. Daraus mussman als vernünftiger Mensch doch schließen, dass wirhausgemachte Probleme haben, die der Grund dafürsind, dass der Arbeitsmarkt bei uns nicht so funktioniert,wie er woanders funktioniert.Herr Müntefering, Sie fahren zurzeit durchs Land undbesuchen Veranstaltungen – ich sehe ein, dass Sie es imMoment nicht leicht haben –, bei denen Sie sagen: Seidfroh, dass die SPD an der Regierung ist; das, was wirmachen, ist schon schlimm, aber wenn die CDU dranwäre, wäre es noch schlimmer.
Wenn wir Reformen im Land einleiten wollen, die auchwir teilweise für richtig halten, müssen wir uns darüberverständigen, ob es sinnvoll ist, zu sagen, wir würden et-was Schlimmes tun. Wenn wir etwas Schlimmes tun,dann sollten wir es lieber sein lassen. Wir müssen darü-ber reden, dass wir das Richtige tun und dass dadurchauch Perspektiven eröffnet werden.Ich nenne ein Beispiel, bei dem deutlich wird, wiezurzeit argumentiert wird.
– Man kann viele Fernsehkommentare sehen, in denenSie sich so darstellen. Das ist die Wahrheit.
Wenn Sie die Grenze für den Kündigungsschutz inKleinbetrieben von fünf auf zehn Mitarbeiter erhöhen,
dann mag es Leute geben – in Ihrer Partei, in unsererPartei, in der Gesellschaft –, die sagen, das sei schlimm.Sie und Ihre Leute sagen, wenn jetzt die CDU/CSU ander Regierung wäre, läge die Grenze nicht bei zehn, son-dern bei 20 Beschäftigen; deshalb wäre das schlimmer.
– Jetzt geben Sie mir ja selber Recht! – Wenn wir so ar-gumentieren, dann stellt sich die Frage: Ist es in der jet-zigen Situation nicht richtig, darüber zu diskutieren,zbalodhEomsreRWfwbserAuinbspbwrsBgdwdBgbmsWrndaWRSDfs
enn bei Mercedes und Siemens läuft es; das war auchür die Gewerkschaften nicht einfach. Aber beim Mittel-tand – darüber können die Zeitungen nicht schreiben –
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Karl-Josef Laumannläuft es eben nicht. Da verlieren wir Arbeitsplätze bzw.es gibt eine Abwanderung ins Ausland. Allein im letztenJahr sind 50 000 Arbeitsplätze davon betroffen gewesen.Wir müssen die Reformdiskussion gemeinsam ange-hen.
– Herr Müntefering, bevor ich Ihre Zwischenfrage zu-lasse, noch Folgendes: Die beiden großen Volksparteien– ein Teil unserer Wähler hat in etwa die gleichen In-teressen – müssen eine gemeinsame Sprache finden unddeutlich sagen, worin die Chancen einer solchen Ent-wicklung liegen. Ansonsten gewinnen nur diejenigen,die uns beiden nicht lieb sein können:
Das sind nämlich die einen auf der ganz linken Seite unddie anderen auf der ganz rechten Seite. Deswegen halteich sehr viel davon, dass man diese Debatte erklärendund nicht ideologisierend in den nächsten Wochen wei-terführt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Müntefering? – Bitte.
Herr Kollege Laumann, habe ich diese Passage Ihrer
Rede richtig verstanden: Sie sind erstens dafür, dass der
Kündigungsschutz deutlich reduziert wird, zweitens sind
Sie dafür, dass die Grundlagen der Tarifautonomie aus-
gehebelt werden, und drittens sagen Sie uns, dass das al-
les nicht schlimm ist?
Verehrter Herr Kollege Müntefering, ich glaube, dassSie sich jetzt auf dem Weg zu den politischen Ritualenbefinden,
die weder Ihrer noch meiner Partei angesichts derschwerwiegenden Veränderung der politischen Lage inOstdeutschland helfen. Lasst uns nur so weitermachen!
Sie sind doch schon so lange im Deutschen Bundestagund haben einen gesunden Menschenverstand. Sie hättensich diese Frage wirklich sparen können;
denn Sie haben sehr wohl genau verstanden, was ich ge-meint habe.SSdeEUUvnhbdddbUrkmdablfsrGFmsgundisiHvgrbtzehcü
Ich glaube, dass wir durch die Flexibilisierung, voner ich gesprochen habe, eher zu einer stärkeren Tarif-indung in Deutschland kommen – das wollen auch dienion und ich –, als wenn wir so wie in den letzten Jah-en weitermachen und die Leute nur noch die Möglich-eit in der Tarifflucht oder in der Verlagerung von Fir-en und Arbeitsplätzen ins Ausland sehen.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der fürie Debatte in den nächsten Monaten wichtig ist. Wirlle in diesem Hause wissen doch, dass wir unseren Ar-eitsmarkt nicht in Ordnung bekommen, wenn wir nochange dabei bleiben, die Kosten für den sozialen Bereichast ausschließlich über die Arbeit zu finanzieren. Sie tunich schwer mit der Debatte über die Bürgerversiche-ung. Ich gebe zu, wir tun uns mit der Debatte über dieesundheitsprämie ebenfalls schwer, vor allem was dierage der Kompensierung der Kosten angeht. Aber wirüssen eine Lösung finden. Dass 26,4 Millionen Be-chäftigte in dem Vehikel „sozialversicherungspflichti-er Arbeitsplatz“ die Kosten für 20 Millionen Rentnernd 4,5 Millionen Arbeitslose – das ist fast ein Verhält-is von eins zu eins – nicht aufbringen können, das istoch jedem klar. Ich denke, wir sollten diese Debatte un-deologisch führen: Krankenversicherung und Pflegever-icherung sind nun einmal die einzigen Bereiche – dasst das Ergebnis sowohl der Rürup- wie auch dererzog-Kommission –, in denen man diese Trennungon den Arbeitskosten hinbekommen kann. Es ist nichtut, zu sagen: Das machen wir in der nächsten Wahlpe-iode. Dann sind längst wieder Hunderttausende von Ar-eitsplätzen weg. Dies wird besonders die kleinen Leutereffen, die die nicht so profitablen Arbeitsplätze beset-en. Das sind nämlich diejenigen Arbeitsplätze, die zu-rst wegfallen.Deswegen würde ich mir sehr wünschen, dass wir unsier nicht gegenseitig den Vorwurf des Sozialabbaus ma-hen, sondern folgende Debatte führen: Wie kann manberhaupt zu mehr Arbeit kommen? Wenn wir hierfür
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Karl-Josef Laumanneine Lösung finden, wird die Veränderung der Arbeits-welt, die ja schon in vollem Gange ist, von der Reformder Sozialsysteme so begleitet werden können, dass sieden Menschen nicht ganz so viel Angst macht, wie eszurzeit leider der Fall ist.Ich sage noch einmal: Wenn wir die beiden großenVolksparteien erhalten wollen, dann sollten wir die Mon-tagsdemonstrationen und die Ängste der Menschen ernstnehmen und nichts selber unternehmen, um Ängste zuschüren, nur um dem politischen Gegner kurzfristig zuschaden.
Wir sollten zu Lösungen kommen, die das Land nachvorne bringen.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrter Kollege Laumann, bei allem Verständnisfür Ihre Leidenschaft in dem Streit um den Kündigungs-schutz: Ich glaube, es ist überzogen, zu meinen, dass ausEingriffen in den Kündigungsschutz so viel Wachstumentsteht, dass wir unsere Haushaltskonsolidierungspro-bleme lösen können.
Von daher sollten wir diesen Streit an einer anderenStelle führen.Ich möchte jetzt zum heutigen Tagesordnungspunktzurückkommen und als Erstes darauf hinweisen, dass ichein Stück weit enttäuscht bin, in welch hohem Maße dieReden hier streitbefangen sind, obwohl wir alle imHause wissen, dass wir bei der Lösung der brennendstenProbleme aufeinander angewiesen sind. Dies betrifft ins-besondere die Sozialreformen, die weiter vor uns stehen– von der Regelung zum Zahnersatz bis hin zur Bürger-versicherung –, und vor allem die Haushaltskonsolidie-rung. Insofern möchte ich in starkem Maße dafür wer-ben, nicht mehr zu polarisieren und uns zu fragen: Waskönnen wir tun, um bei der Haushaltskonsolidierung vo-ranzukommen?Als Zweites muss ich sagen, dass es mich schon irri-tiert hat, dass sich die Redner in dieser Woche relativwenig mit den Sorgen der Demonstranten und der vonHartz IV Betroffenen ernsthaft auseinander gesetzt ha-ben. Das heißt nicht, dass ich der Meinung bin, wir soll-ten Hartz IV aufgeben oder ändern. Ich war aber er-staunt, dass nur der Kanzler mit großer Klarheit undDeutlichkeit gesagt hat, wie wichtig es ist, zu den Refor-men der Agenda 2010 zu stehen und die Zusammen-leeGuVISIzhdhuMdbdddhddmbv–nzAfneksnaGdSwkdv
nsofern: Hut ab vor der Art und Weise, wie Gerhardchröder in der Gesellschaft zu diesen Reformen steht!ch denke, wir alle sind in der Pflicht, dies zu unterstüt-en.
Ich komme zum nächsten Punkt. Herr Laumann, Sieaben eben dargestellt, ohne Wachstum kämen wir auser jetzigen Situation – das war auf das Thema Haus-altskonsolidierung bezogen – nicht heraus. Ich möchtemgekehrt mit großer Klarheit sagen – darauf hat auchinister Eichel hingewiesen –: Die Haushaltskonsoli-ierung ist die Voraussetzung für mehr Wachstum. Wirrauchen wieder Handlungsfähigkeit auf Bundes-, Lan-es- und kommunaler Ebene; das ist sehr wichtig.Ich war erschrocken, wie wenig die Opposition aufieses Thema eingegangen ist. Ein bisschen muss ichas korrigieren, was Minister Eichel vorhin ausgeführtat. Frau Merkel hat – ich bin ihre Rede noch einmalurchgegangen – nichts, aber auch gar nichts zum Schul-enabbau gesagt. Sie hat aber an sehr vielen Stellenehr Geld für den Haushalt gefordert, also nicht nur daserühmte 100-Millionen-Paket, von dem keiner weiß,on welchem Himmel es fallen soll.
Richtig, es waren Milliarden. Ich kann mich einfachicht in die Geldwünsche der CDU/CSU hineinverset-en.
ber sie hat eben auch mehr Geld für Verteidigung undür Verkehr sowie für Lohnkostenzuschüsse, von deneniemand weiß, wie sie finanziert werden sollen, und fürine Reihe weiterer Punkte gefordert.Herr Westerwelle hat keinen Satz zur Haushalts-onsolidierung gesagt; das fand ich erstaunlich. Stattdes-en will er die Mittel aus dem Subventionsabbau füreue Steuergeschenke verwenden.Frau Lötzsch, von der PDS erwarten wir es gar nichtnders. Bei Ihnen macht man sich ja überhaupt keineedanken darüber, wie die deutschen Haushaltsnöte inen Griff bekommen werden sollen. Vielmehr machenie in der Gesellschaft Versprechungen, von denen Sieissen, dass niemand sie halten kann. Auch die PDSönnte sie nicht halten und kann sie heute in den Län-ern schon nicht halten, wo sie mit in der Regierungs-erantwortung steht.
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Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin?
Ich gestatte eine Zwischenfrage des Kollegen
Koppelin.
Vielen Dank. – Nachdem Sie so viele Politiker derOpposition aufgezählt und dargestellt haben, was sie an-geblich alles gesagt haben, frage ich Sie, ob ich noch er-warten kann, dass Sie in Ihrer Rede auf den bekanntenNationalökonomen Joschka Fischer, der im NebenberufAußenminister ist, zurückkommen? Er hat ja in einemInterview des „Spiegel“ Bedeutendes zu diesem Bundes-haushalt gesagt, als er darauf hinwies, das Sparen müssenun ein Ende haben.
Das ist zu kurz gegriffen. Ich weiß, dass der KollegeJoschka Fischer für sein Ressort und für bestimmte au-ßenpolitische Aufgaben mehr Geld braucht. Umso wich-tiger ist es aber – in diesem Punkt bin ich mir mit demKollegen Joschka Fischer einig –, dass wir in diesenHaushaltsberatungen Schritte verabreden, die geeignetsind, die Handlungsfähigkeit unseres Bundesetats wiederherzustellen, damit wir unter anderem für außenpoliti-sche Verpflichtungen, beispielsweise für die auswärtigeKulturpolitik, Geld haben. Insofern, Herr Koppelin, be-finde ich mich mit Joschka Fischer absolut auf einerLinie.
Ich muss gestehen, dass ich nach den Streitereien die-ser Woche den Wunsch habe, dass wir die Schulden-standsuhr des Bundes der Steuerzahler, die man im In-ternet aufrufen kann, auch hier in diesem Saal aufstellen,damit wir sie regelmäßig sehen. Zu Beginn dieser De-batte betrug unser Schuldenstand 1,385 Billionen Euro,worin noch nicht einmal die Verpflichtungen allerEbenen, also von Bund, Ländern und Gemeinden, in Be-zug auf die Beamtenversorgung eingerechnet sind. DerSchuldenzuwachs betrug in der Zeit, in der wir hier de-battieren, 2 534 Euro pro Sekunde. Von daher ist eshöchste Zeit, dass wir uns darüber Gedanken machen,wie wir von diesen Schulden herunterkommen.Ich möchte einen Vorschlag, der von Ihrer Seite ge-macht wurde, aber überhaupt nicht weiter verfolgtwurde, aufgreifen. Herr Wulff, der Ministerpräsident vonNiedersachsen,
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Ich danke, dass es immerhin einen gibt, der vonseitener CDU/CSU an dieser Stelle klatscht.
Danke, dass Sie für den Applaus meiner Fraktion ge-orgt haben.Herr Minister Eichel hat vorhin ganz klar gesagt, dasss von unserer Seite dazu Vorschläge gibt. Er hat erneutorgetragen, dass wir Vorschläge zum Subventionsab-au in einer Größenordnung von 17 Milliarden Euro ge-acht haben, von denen Sie im letzten Vermittlungsver-ahren nur 2,4 Milliarden Euro mitgetragen haben. Mehrls 14 Milliarden Euro sind also noch auf der Pflichtliste.ies ist aber – daran möchte ich alle erinnern – nicht nurin Thema der Haushaltskonsolidierung, sondern auchine Frage der Gerechtigkeit gegenüber den vonartz IV Betroffenen.Das eigentliche Problem von Hartz IV ist gar nichtartz IV, sondern die Frage der Gerechtigkeit bei derastenverteilung. Das Problem der Schieflage zwischenem Sparbeitrag, den wir den Arbeitslosen abverlangen,nd den Beiträgen, die wir zurzeit noch nicht anderenreisen der Gesellschaft, insbesondere denen, die Ein-ommen, Arbeit und Besitz haben, abverlangen, müssenir gemeinsam lösen. Ich sage ganz klar: Es kann nichtein, dass wir auf der einen Seite Kürzungen durchartz IV vornehmen, auf der anderen Seite aber Haus-alten, die über ein Jahreseinkommen in Höhe von0 000 Euro verfügen, die Eigenheimzulage belassen. Esann nicht sein, dass wir das Dienstwagenprivileg beibe-alten, während wir den anderen Hartz IV zumuten.Es gibt eine Reihe von Themen – Flugbenzinsubven-ionen, Entfernungspauschale, Pensionsansprüche voneamten und Politikern und vieles mehr –, die nicht nurit Blick auf die Haushaltskonsolidierung, sondern auchnter dem Aspekt der Gerechtigkeit gegenüber den Kür-ungen, die wir mit Hartz IV vollzogen haben, hier imaus auf der Tagesordnung stehen. Ich bin daher der
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Franziska Eichstädt-BohligMeinung, dass wir dieses Thema noch in diesem Herbstangehen und endlich Nägel mit Köpfen machen sollten.Ich fordere Sie alle hier in diesem Haus auf, aktiv mitzu-machen.
Einen Punkt möchte ich dazu ansprechen: Von zweiSeiten dieses Hauses, von der FDP und von der CDU/CSU – hier besonders vom Kollegen Merz, während dieKollegin Merkel erstaunlicherweise dazu in ihrer dies-jährigen Rede anlässlich des Haushalts geschwiegenhat –, wird eine Illusion aufrecht erhalten. Es handeltsich dabei um die These, dass ab 2006 weitere nennens-werte Steuersenkungen möglich sind, für deren Gegen-rechnung man das ganze Paket der Subventionen heran-ziehen müsste. Sie machen damit der Bevölkerungunrealistische Versprechungen, die niemand, auch Sienicht, in Zukunft halten kann.
Wir haben Steuersenkungen vorgenommen und wer-den die letzte Stufe 2005 durchführen. Ich stehe zu die-ser Stufe, weil ich es für richtig halte, die Faktoren Wirt-schaft und Arbeit von Steuern zu entlasten. Die von unsvorgenommenen Entlastungen können wir gegenüber je-dem Arbeitslosen und jedem Demonstranten vertreten.Wir können aber keine weiteren Steuersenkungsverspre-chungen machen. Die frei werdenden Mittel aus demSubventionsabbau, den wir leisten müssen, brauchen wirzur Haushaltskonsolidierung und können wir nicht mitweiteren Steuersenkungen verrechnen.
Das muss der Gesellschaft vermittelt werden. Von dahermöchte ich die Opposition eindringlich auffordern, mitdiesen falschen Versprechungen, die niemand haltenkann, Schluss zu machen.
Wir sind ein Land mit einer sehr anspruchsvollen In-frastruktur und hohen Sozialleistungen. Wir wollen dieInfrastruktur erhalten, pflegen und weiterentwickeln undwir wollen die sozialen Leistungen auch unter den Be-dingungen einer globalen Wirtschaftskonkurrenz, diesehr hart ist und viele Maßnahmen fordert, aufrechter-halten. Wir wollen – ob es alle wollen, ist eine Frage despolitischen Streits – den sozialen Aspekt der sozialenMarktwirtschaft erhalten. Wir können daher nicht ver-sprechen, ein Niedrigsteuerland wie manch anderesLand zu werden. Sie sollten solche Versprechungen nichtmehr machen und stattdessen zur Tagesordnung, zurKonsolidierung des Haushalts, die wir hier und heute zuleisten haben, zurückkommen.Ich komme zum Schluss. Zunächst meine Aufforde-rung an alle Seiten, die dabei mitgemacht haben:Hartz IV muss offensiv verteidigt werden, niemand darfsich davonstehlen. Darüber hinaus müssen wir die Haus-halte mutig sanieren; denn dann werden die öffentlichenHände – nicht nur der Bund, sondern auch die Länderund Kommunen – wieder handlungsfähig und könneniuatndssHPHuhzFWadvlJdkDrsrshluanre
Frau Kollegin, zu Ihrem heutigen Geburtstag wün-
che ich Ihnen persönlich und im Namen des ganzen
auses alles Gute. Herzlichen Glückwunsch!
Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Andreas
inkwart, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Zu Beginn seiner Amtszeit hat Herr Eichel, derns aus gutem Grund schon hat verlassen müssen – erat das dargelegt –, seinen Kurs wie folgt bestimmt – ichitiere –:Sparen ist … kein Selbstzweck, Sparen ist Mittelzum Zweck, nämlich zur Schaffung von Arbeits-plätzen für nachhaltiges Wachstum.Diese Aussage ist nach wie vor richtig und die FDP-raktion teilt diese Auffassung auch nach wie vor. Inahrheit ist es aber doch so, dass sich Rot-Grün unduch der Bundesfinanzminister – das hat die Debatte inieser Woche wieder gezeigt – von diesem Kurs längsterabschiedet haben.
Statt die Neuverschuldung des Bundes „close to ba-ance“, also gegen null, zu fahren, steuern Sie in diesemahr trotz eines Wachstums von fast 2 Prozent, auf daser Bundeswirtschaftsminister so stolz ist, auf eine Re-ordneuverschuldung von über 40 Milliarden Euro zu.as ist in Wahrheit die finanzielle Bilanz Ihrer sechsjäh-igen Regierungsarbeit.
Nachdem Herr Eichel die Kasse nicht mehr gestaltet,ondern nur noch verwaltet, sind seine Haushaltspläneeinste Makulatur. In den letzten drei Jahren lag die tat-ächliche Neuverschuldung im Mittel um 70 Prozent hö-er als im jeweiligen Haushaltsentwurf. Damit waren dieetzten beiden Haushalte im Vollzug verfassungswidrig,nd nach allem, was wir wissen, trifft das auch auf denktuellen Haushalt zu.
Rechnet man allein die mit über 15 Milliarden Euroicht realisierten und völlig überzogenen Privatisie-ungserlöse hinzu, so klafft im Haushalt 2005 bereitsine Lücke von über 37 Milliarden Euro. Ich sage Ihnen
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Dr. Andreas Pinkwartvoraus: Im Ergebnis wird auch der Haushalt 2005, denwir hier zu beraten haben, eine um 70 Prozent höhereNeuverschuldung aufweisen.
Damit ist der Bundesfinanzminister in einem Punktberechenbar geworden: Wer auf die in seinem Haushalts-entwurf prognostizierte Neuverschuldung 70 Prozentdraufrechnet, der liegt richtig.
Das tun Sie doch nur – das sollten Sie aber den Bürge-rinnen und Bürgern ehrlich sagen –, damit Sie sich beider Einbringung des Haushaltes an den Vorgaben desGrundgesetzes vorbeimogeln können. Das ist der eigent-liche Grund. Sie wollen davon ablenken, dass sichDeutschland unter Ihrer Verantwortung Schritt fürSchritt in die Schuldenfalle begibt.Dieser Einschätzung wird von Herrn Eichel in Inter-views auch noch nicht einmal ernsthaft widersprochen.Im „Focus“ vom Montag sagte er – ich zitiere –:Die Schulden wachsen schneller als das Brutto-inlandsprodukt. Das kann doch so nicht weiterge-hen.Das ist richtig. Das kann so nicht weitergehen. Aber mitdem vorgelegten Haushalt und der mittelfristigenFinanzplanung setzen Sie diesen unverantwortlichenKurs fort.
Für die FDP-Fraktion erkläre ich deshalb hier, wel-chen Weg wir uns vorstellen, um aus dieser Misere he-rauszufinden. Wir wollen dazu in den weiteren Beratun-gen – wir haben das auch in den letzten Tagen durchunsere Redner zum Ausdruck gebracht – konkrete undseriöse Einsparvorschläge für die einzelnen Etats vorle-gen. Wir werden erneut ein Volumen in einer Größen-ordnung von 2 bis 2,5 Milliarden Euro anstreben. Wirwerden zudem erneut für den von Günter Rexrodt undmir vor einigen Monaten eingebrachten Vorschlag wer-ben, durch eine Änderung des Haushaltsgrundsätzege-setzes Subventionen zu begrenzen, degressiv zu gestal-ten und zukünftig wenn überhaupt, dann nur alsFinanzhilfen zu gewähren. Damit könnten wir das struk-turelle Haushaltsdefizit an einer zentralen Wurzel pa-cken und einen nachhaltigen Beitrag zur Haushaltskon-solidierung leisten.Das Fummeln am Gürtel des jeweils anderen, wie Siees jetzt erneut mit der Eigenheimzulage versuchen, führtuns hier nicht weiter. Das löst keine Probleme, es vertagtsie nur.
Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushaltebekommen wir aber nur in den Griff, wenn wir die struk-turellen Probleme unseres Landes lösen. Zentrales Zielmuss es sein, die wirtschaftliche Dynamik unseres Lan-des nachhaltig zu erhöhen.GtwWHddiiüdFltdnvEmbPaiseLAdASofcmbW–vuwdgisPw
err Eichel hat heute Morgen hier gesagt, dass man iniesem Jahr Flexibilisierungen vornehmen müsse, umie Schulden, wenn die Stagnationsphase überwundenst – eigentlich wähnt sich die Regierung ja schon heuten der Wachstumsphase – , in Zukunft durch Haushalts-berschüsse zurückführen zu können. Aber man mussoch nur einmal einen Blick in Ihre mittelfristigeinanzplanung werfen, die Sie uns hier auf den Tisch ge-egt haben. Darin erkennen wir, dass bei einer Wachs-umsannahme von jeweils 2 Prozent pro Jahr bis 2008 inen nächsten Jahren keine Haushaltsüberschüsse von Ih-en geplant werden, sondern dass Sie eine weitere Neu-erschuldung von insgesamt annähernd 100 Milliardenuro planen. Das ist die Wahrheit, die wir festhaltenüssen. Insofern hat der Finanzminister am Thema vor-eigesprochen.
Der zweite Punkt ist das entschlossene Eintreten fürrivateigentum, für weniger Staat und mehr Eigenver-ntwortung, damit den Bürgern mehr von den Früchtenhrer Arbeit bleibt. Darum geht es, wenn wir hier Vor-chläge machen, wie die Lohnnebenkosten und die Steu-rn gesenkt werden können. Wir können es den jungeneuten nicht zumuten, dass ihnen, wenn sie nach ihrerusbildung arbeiten gehen, über 60 Prozent des Ver-ienten abgezogen werden. Dadurch schaffen Sie keinenreize für Arbeit und Investitionen. Damit frustrierenie die Menschen und treiben sie in die Schwarzarbeitder ins Ausland.Das dritte Grundprinzip ist die Sicherstellung einesunktionsfähigen Wettbewerbs, und zwar in allen Berei-hen, auch auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Bereichüssen wir, was zum Beispiel das Tarif- und das Ar-eitsrecht betrifft, ebenfalls die Voraussetzungen fürettbewerb schaffen.Das vierte Prinzip unserer sozialen Marktwirtschaftgenau dies ist das Prinzip, gegen das Sie so nachhaltigerstoßen – ist die Rückkehr zur Langfristorientierungnd zur Verlässlichkeit der Politik. Denn nur dadurchird das Vertrauen geschaffen, das notwendig ist, damitie Menschen Arbeit aufnehmen und damit Investitionenetätigt werden.
Um mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen,t es die Aufgabe der Politik, auf der Grundlage dieserrinzipien Ludwig Erhards die notwendigen gesamt-irtschaftlichen Rahmenbedingungen für die drei
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Dr. Andreas PinkwartWachstumsfaktoren Arbeit, Investitionen und techni-scher Fortschritt zu schaffen.Die gegenwärtigen Demonstrationen und die Diskus-sionen in der Öffentlichkeit zeigen: Wir müssen nichtnur die Transfers zielgenauer durchführen und mehr An-reize zur Aufnahme von Arbeit schaffen, sondern wirmüssen in diesem Land auch wieder mehr wettbewerbs-fähige, legale Arbeitsplätze schaffen. Das ist der Schlüs-sel zum Wachstum von morgen.
Wer Arbeit schaffen will, braucht bessere Vorausset-zungen für Investitionen. Hierzu muss man der Bundes-regierung, wenn sie mehr Wachstum befördern will,doch einmal Folgendes sagen: Wer Investoren, wie esHerr Bütikofer in den letzten Tagen wieder getan hat,statt ihnen Mut zu machen und Möglichkeiten aufzuzei-gen, wie sie an diesem Standort eine positive Entwick-lung nehmen können, sofort mit der Androhung neuerSteuererhöhungen entgegentritt, der hilft nicht dabei,dass Wachstum entsteht, sondern er zerstört die Grund-lage für Wachstum und Beschäftigung in diesem Land.
Es muss uns gelingen, die steuerlichen Rahmenbedin-gungen so zu setzen, dass Investitionen in diesem Landwieder nachhaltig an Fahrt aufnehmen. Dafür brauchenwir in Deutschland ein Steuerrecht, wie es HermannOtto Solms für die FDP-Fraktion in den Deutschen Bun-destag eingebracht hat: ein einfaches Steuerrecht mitniedrigen Steuersätzen, das im Ergebnis gerecht ist. Esist doch interessant: Alle wirtschaftswissenschaftlichenForschungsinstitute, alle Wirtschaftswissenschaftler,auch alle, die im Ausland mit solchen Konzepten gear-beitet haben, sagen: Das ist der Schlüssel, um inDeutschland aus der schwierigen Situation herauszu-kommen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt imDeutschen Bundestag vor. Meine Damen und Herren,wenn Sie es ernst meinten mit der Schaffung von Ar-beitsplätzen, wenn Sie es ernst meinten mit der Konsoli-dierung Ihres Haushaltes, müssten Sie diesen Gesetzent-wurf schnell auf die Tagesordnung setzen undmitarbeiten, dass er noch in dieser Legislaturperiode um-gesetzt werden kann. Das wäre ein Impuls für diesesLand, nicht diese Rumeierei, die Sie die ganze Zeit überzelebrieren.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ver-lauf der Debatte in den letzten Tagen hat deutlich ge-zeigt: Der Zustand des Landes wird immer kritischer.DiRtzGHKbbidnwgsMsd1neJdnlwDbbgwLDgLwaddgt
ie Sorgen der Menschen um ihren Arbeitsplatz, umhre Existenz, um ihre soziale Sicherung nehmen zu. Zuecht erwarten die Menschen von denen, die in der Poli-ik Verantwortung tragen, sichtbare und spürbare Signaleur Verbesserung der Situation.
enau diesen Erwartungen wird weder der vorliegendeaushaltsentwurf noch das, was die Regierung und dieoalitionsfraktionskollegen in dieser Woche gesagt ha-en, gerecht. Nichts ist erkennbar an spürbaren, an sicht-aren Signalen, dass sich die Situation für die Menschenm Land tatsächlich verbessert.
Im Gegenteil: Wenn man es sich genau anschaut, ister vorliegende Haushaltsentwurf wie in den vergange-en Jahren auch in diesem Jahr ein Flickwerk. Immerieder wird an verschiedenen Stellen versucht, selbstemachte Haushaltslöcher zu stopfen, und auch in die-em Jahr wieder ist der Haushaltsentwurf mit einerenge von Risiken verbunden. Eigentlich müsste manich als Finanzminister genieren, so etwas vorzulegen.
Ich nenne Ihnen einige Beispiele, um dies zu begrün-en: Es sind Privatisierungserlöse von etwa5 Milliarden Euro enthalten – jeder weiß, dass das soicht zu erreichen ist. Da ist ein Bundesbankgewinn vontwa 3,5 Milliarden Euro eingestellt – im vergangenenahr sind 248 Millionen Euro erzielt worden. Nun sollie Eigenheimzulage abgeschafft werden, eine Maß-ahme, die überhaupt noch nicht beschlossen ist und al-er Voraussicht nach auch nicht beschlossen werdenird.
ie Einsparungen daraus sind aber schon im Haushalterücksichtigt. Andererseits sind Ausgaben, die schoneschlossen sind, nämlich für Hartz IV, nicht enthalten.Meine Damen und Herren, ein Haushalt mit solchroßen Risiken und bewusst falschen Angaben ist so et-as von unseriös, dass man ihn den Leuten in diesemand einfach nicht zumuten kann.
azu kommt, dass die Wachstumserwartungen, die zu-runde gelegt sind, auch in diesem Jahr wieder aus deruft gegriffen sind. Erst gestern hat das Institut für Welt-irtschaft in Kiel die Wachstumserwartungen reduziert:uf 1,2 Prozent. Auch dies gehört zur Wahrheit, die manen Menschen nicht vorenthalten darf.Aus all diesen Gründen ist dieser Entwurf nur aufem Papier verfassungsgemäß. Trotz dieser Luftbuchun-en werden die Maastricht-Kriterien wieder nicht erfüllt,rotz dieser Schönfärberei haben wir eine Überschul-
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Gerda Hasselfeldtdung, die die Stabilität der Währung gefährdet. MeineDamen und Herren, und dann spricht der Finanzministervon dem „sechsten Konsolidierungshaushalt in Folge“,den er vorlegt!
Von Konsolidierung kann da wirklich überhaupt nichtdie Rede sein, schon mit der Überschrift wird die Bevöl-kerung angelogen. Dann braucht man sich auch nicht zuwundern, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bür-ger in die Politik schwindet. Sie merken nämlich, dasssie von denen, die hier politische Verantwortung tragen,wieder einmal angelogen werden.Wenn der Bundeskanzler in einem Meister ist, dannist er es im Formulieren. Ich zitiere einen Satz aus seinerRegierungserklärung vom November 1998:Das Mindeste, was die Bürgerinnen und Bürger vonuns verlangen können, ist der Wille zur Aufrichtig-keit, zur Beschreibung der Wirklichkeit.
Wenn er sich doch wenigstens an diesem ihm selbst ge-setzten Mindestanspruch messen lassen würde,
dann müsste er sich heute hier hinstellen und sagen:Leute, ich habe sechs Jahre lang Verantwortung in die-sem Land gehabt. Der Zustand des Landes ist nach sechsJahren schlechter als vorher, den Menschen geht esschlechter also vorher, und die Arbeitslosigkeit ist nichtgesunken, wie ich es versprochen habe, sondern gestie-gen.
Deshalb gestehe ich meine Schuld ein und gebe die Ver-antwortung an andere. – Das würde er tun, wenn er auf-richtig und ehrlich wäre.
Nun will ich nicht bestreiten, dass die Situationschwierig ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es diedemographische Entwicklung und die Globalisierungmit den sich daraus ergebenen Problemen nicht erst seitgestern gibt; sie gibt es schon länger. Zur Wahrheit ge-hört auch, dass in diesen sechs Jahren der Verantwortungvon Rot-Grün nichts getan wurde, um die Situation zuverbessern. Es wurde aber vieles getan, um die Situationzu verschärfen und zu verschlechtern.Ich nenne nur einige Beispiele: 1997 haben Sie un-sere Steuerreform, die schon beschlossen war, im Bun-desrat blockiert. Heute wird ja auch zugegeben, dass diesnur aus wahltaktischen Gründen geschehen ist. 1998/1999 haben Sie die von uns vorgenommenen Sozial- undArbeitsrechtsreformen zurückgenommen. Im Laufe derletzten sechs Jahre haben Sie das Steuersystem nicht ein-facher, sondern komplizierter gemacht. Sie haben dieSozialversicherung nicht grundlegend und wegweisendrv„srzsKgwbAmDadaisteuMdbtSmshwedDsLgtti
Bei einer solchen Politik brauchen Sie sich nicht darü-er zu wundern, dass die Einnahmen zurückgehen, dieusgaben steigen und dadurch die Haushaltsdefizite im-er größer werden. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.as ist nicht gottgegeben, sondern das haben Sie zu ver-ntworten.
Das Schlimme daran ist, dass die Folgen nicht nur aufem Papier stehen, dass es also nicht nur Auswirkungenuf die Zahlen des Haushaltes gibt. Das Schlimme daranst, dass die Menschen betroffen sind. Den jungen Men-chen werden durch die hohe Verschuldung die Perspek-iven für die Zukunft kaputtgemacht, den Älteren wirdin Teil des Lohnes ihrer Arbeit genommen
nd viele – auch qualifizierte und leistungsbereite –enschen sind von Arbeitslosigkeit betroffen oder be-roht. Das ist das Schlimme an dieser Politik.
Es ist mit Sicherheit der falsche Weg, zu glauben, diesei Haushaltsberatungen durch einseitige Kürzungen un-er dem Stichwort „Konsolidierung“ oder durch dastopfen des einen Lochs heute und des anderen Lochsorgen ändern zu können. Wir haben das bei der Tabak-teuer erlebt. Durch die massive Erhöhung dieser Steueraben Sie versucht, ein Loch zu stopfen. Das Ergebnisar, dass sich die Menschen so verhalten haben, wie sies getan haben, nämlich ganz normal. Wir hatten Ihnenas vorher auch gesagt.
as Volumen des Steueraufkommens reicht also nicht,odass Sie sich etwas anderes suchen müssen, um dasoch zu stopfen. Sie sind eben nicht bereit, grundle-ende Entscheidungen zu treffen, grundlegende Struk-urreformen durchzuführen und eine grundlegende Poli-ik für Wachstum und Beschäftigung zu gestalten. Dasst der wesentliche Punkt, den wir kritisieren.
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Gerda Hasselfeldt– Darauf komme ich noch zurück.Es ist in dieser Zeit auch falsch, die Menschen durchständige Diskussionen über die Erbschaftsteuer, die Ver-mögensteuer und anderes weiter zu verunsichern. Das,was die Menschen brauchen, ist – Herr ProfessorPinkwart hat es angesprochen – Verlässlichkeit. Sie hin-gegen machen es einmal so und einmal so. Man darf dieMenschen auch nicht bei der Höhe von Einnahmen belü-gen.Ich kann mich noch sehr gut an ein Beispiel erinnern– das ist noch gar nicht so lange her – : Es geht um die sogenannte Brücke zur Steuerehrlichkeit. Sie haben vo-rausgesagt, dass mit dieser Maßnahme 5 Milliarden Euromehr Steuereinnahmen erreicht werden. Die Finanz-minister der Länder haben schon große Augen bekom-men und sich auf diese Einnahmen gefreut. Wir habenschon damals gesagt: Macht euch nichts vor, so viel wirdes nicht. Diese Einnahmeprognose ist von den Steuer-schätzern auf 1,5 Milliarden Euro korrigiert worden.Nach In-Kraft-Treten sind im ersten Halbjahr dieses Jah-res etwa 220 Millionen Euro eingegangen. Daran siehtman wieder, dass die Leute belogen werden. Voraussa-gen, die einfach nicht stimmen, werden in die Welt ge-setzt.
Falsch ist auch, bei den Investitionen und den Maß-nahmen, die Wachstum stimulierend sind, zu kürzen,aber ökologische Spielwiesen beizubehalten. Vollkom-men unsinnig und unnütz war auch der BND-Umzugvon München nach Berlin. Ein anderes Beispiel sind dieUnsummen von Geldern, die für Ich-AGs, Jobfloaterund Ähnliches ausgegeben wurden. Notwendig wäreeine Politik, die bei wirklich jeder Entscheidung prüft:Bringt sie uns Arbeitsplätze? Bringt sie uns Zukunfts-chancen? Belässt sie die Arbeitsplätze im Land?Ich will einige Punkte ansprechen, die hier eine Rollespielen. Wie verhalten wir uns zu Innovation und For-schung? Es reicht eben nicht, wenn der Bundeskanzlerdas Jahr 2004 zum Jahr der Innovation erklärt. Es reichtauch nicht, wenn der Wirtschaftsminister die Gen-technik insgesamt fördern will. Ausschlaggebend istdas, was tatsächlich an Politik gemacht wird. Gemachtwird unter der Federführung der Landwirtschafts- undVerbraucherschutzministerin ein Gesetz zur Gentechnik,das die Gentechnik, die Forschung und den Anbau indiesem Bereich aus dem Lande verdrängt. Forschungfindet in diesem Bereich nicht mehr in Deutschland, son-dern in anderen Ländern statt und hoch qualifiziertesPersonal in diesem Bereich geht aus Deutschland weg.Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Eine Binsenweisheit ist auch, dass Investitionen ge-stärkt werden müssen. Der Investitionsanteil im Bun-deshaushalt geht Jahr für Jahr zurück und liegt mittler-weile bei 8,8 Prozent. Sie haben gesagt, dass dieKommunen investieren sollen, weil Sie nicht investierenkönnen. Sie schreiben den Kommunen nun auch nochvor, was sie zusätzlich machen sollen, beispielsweise beidFbSdnseßaEäpdssIEsgtieliHsMhsivRdHg
ondern die Inhalte der Politik sind ausschlaggebend.
it dem, was Sie in den letzten sechs Jahren gemacht
aben, haben Sie einen wesentlichen Beitrag zu dieser
chlechten Situation unseres Landes geleistet. Deshalb
st ein Umkehren notwendig, und zwar nicht in Form
on kurzfristigem Stopfen von Löchern, sondern in
ichtung einer anderen Politik, die die Menschen und
ie Arbeitsplätze in den Vordergrund stellt.
Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Da ich gestern beim Hörtest gewesen bin,laube ich nicht, dass ich eben etwas überhört habe.
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Elke FernerFrau Kollegin Hasselfeldt hat gesagt, sie wolle eigeneVorschläge machen. Ich habe keine gehört, genauso wieich in der ganzen Woche keine eigenen Vorschläge derUnion zur Lösung der Haushaltsprobleme gehört habe.
Ich glaube, Sie von der Union sollten sich auf eine ge-meinsame Linie innerhalb Ihrer Partei verständigen;denn das, was Sie in dieser Woche geboten haben, hatgezeigt, dass Sie nicht in der Lage sind, Verantwortungfür dieses Land zu tragen.
Sie haben außer unseriöser Kritik und noch unseriöserenVorschlägen nichts zu bieten. Die meisten von Ihnen ste-hen weder zu ihren eigenen Vorschlägen, noch zu denGesetzen, denen sie im Bundestag, im Bundesrat und imVermittlungsausschuss zugestimmt haben.Ich will Ihnen das am Beispiel des saarländischenMinisterpräsidenten deutlich machen. Er hat den Ver-schärfungen zu Hartz IV, die von Ihrer Seite im Vermitt-lungsausschuss gefordert wurden, im Bundesrat und imVermittlungsausschuss zugestimmt. Zwei Tage vor derLandtagswahl aber stellt er sich hin und verlangt Nach-besserungen und weint Krokodilstränen. Das ist Ehrlich-keit nach Art der CDU/CSU.
Sie haben die Verschärfung der Zumutbarkeitskrite-rien für Arbeitslose genauso zu verantworten wie diePraxisgebühr und die Kopfprämie für den Zahnersatz.Sie sollten endlich zu dem stehen, was Sie mit zu verant-worten haben, und sich nicht ständig wegducken. Dereinzige, der heute bzw. in dieser Woche eine für meineBegriffe etwas nachdenklichere Rede gehalten hat, warder Kollege Laumann. Sie, liebe Kollegen und Kollegin-nen von der Union, sollten den Leuten sagen, dass Siemit Ihrem Existenzsicherungsgesetz den Arbeitslosenim ersten Monat das Arbeitslosengeld kürzen wollen. Ichhabe noch nicht gehört, dass Sie das offensiv vertreten.Sie sollten ihnen auch sagen, dass Sie diejenigen waren,die den Empfängern von Arbeitslosengeld II überhauptkeine Zuverdienstmöglichkeiten erlauben wollten.
Sie sollten auch zugeben, dass Sie das Optionsmodelleigentlich gar nicht ernsthaft gewollt haben, sondern nurChaos produzieren wollten.
– Das scheint Sie sehr zu treffen. Das kann ich an einemkonkreten Beispiel deutlich machen.Im Saarland gibt es sechs Landkreise. In jedem Land-kreis gibt es entweder eine CDU-Mehrheit oder eineCDU/FDP-Mehrheit. Fünf von diesen Landkreisen ha-ben sich für das Arbeitsgemeinschaftsmodell entschie-den, ein Landkreis ist für das Optionsmodell. Raten SieeotgDwrSrdZddNhDbzddbbswhuuudSeg–2K7ddsW
ie haben es zu verantworten, wenn es in einzelnen Be-eichen kritisch wird, weil Sie vorgegaukelt haben, mitem Optionsmodell könne man etwas machen.
Es gibt darüber hinaus auch keine uneingeschränkteusage des Landes gegenüber den Gemeinden, ob dennie Entlastung, die vereinbart worden ist, wirklich anie kommunale Ebene weitergegeben wird. Ich höre ausordrhein-Westfalen, dass das Land genau das zugesagtat. Man muss sich überlegen, was dann werden soll.ie Gemeinden beklagen sich, dass sie das Geld nichtekommen. Wir haben uns verpflichtet, später genau ab-urechnen, und gehen davon aus, dass die Gemeindenas Geld bekommen. Das wird wahrscheinlich wieder anen klebrigen Fingern der Länderfinanzminister hängenleiben, sodass die Gemeinden die Entlastungen nichtekommen werden, die zwischen uns vereinbart wordenind.Eines ist während der Debattenbeiträge deutlich ge-orden. Die Kollegen und Kolleginnen aus dem Haus-altsausschuss haben die Höhe der Ausgaben kritisiertnd mehr Einsparungen gefordert und die Fachpolitikernd Fachpolitikerinnen haben die Einsparungen kritisiertnd mehr Ausgaben gefordert. Das ist das, was Sie inieser Woche geboten haben.
ie sollten sich untereinander verständigen, was Sieigentlich wollen: Sparen oder mehr ausgeben, beideseht nicht.
Nein, das habe ich von unseren nicht gehört.Ich habe eben gehört, dass der Kollege PinkwartMilliarden bis 2,5 Milliarden Euro einsparen will, derollege Austermann – so habe ich gelesen – will,5 Milliarden Euro einsparen,
er bayerische Ministerpräsident will sogar 5 Prozentes Haushaltsvolumens, also 12,5 Milliarden Euro, ein-paren.
ie das geschehen soll, haben Sie nicht gesagt.
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Elke FernerWenn Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen, Haus-haltsrisiken bis zu zweistelligen Milliardenbeträgenhochrechnen, weshalb schlagen Sie dann nur so geringeEinsparungen vor? Das passt doch nicht zusammen. WasSie hier geboten haben, ist pure Polemik.
Die Auswirkung der Stoiber-Vorschläge könnte ichIhnen jetzt noch an einzelnen Beispielen deutlich ma-chen. Im Bereich Verkehr, Bau- und Wohnungswesenwären Einsparungen nur durch Investitionskürzungenmöglich, im Bereich Wirtschaft und Arbeit müssten1,7 Milliarden Euro eingespart werden. Woher wollenSie die nehmen? Wollen Sie beim Arbeitslosengeld oderbei der aktiven Arbeitsmarktpolitik sparen? Ihre ostdeut-schen Ministerpräsidenten werden sich wirklich in Freu-dentänzen ergehen, wenn Sie dort bei den aktiven Maß-nahmen für die Arbeitsmarktpolitik noch kürzen wollen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fricke?
Ja, gerne.
Frau Kollegin Ferner, man mag ja manche Vorschläge
aus dem tiefen Süden durchaus infrage stellen, aber habe
ich Ihren Beitrag so zu verstehen, dass seitens der Haus-
hälter der Koalition in den weiteren Beratungen keinerlei
Einsparvorschläge kommen, oder können wir erwarten,
dass auch von Ihnen – so wie es die FDP bei den letzten
Beratungen gemacht hat – vielleicht noch vernünftige
Vorschläge im Volumen von ein paar Milliarden kom-
men?
Ich werde nachher noch auf unsere Einsparvorschlägeeingehen. Nach der Aufstellung des Haushalts sind übri-gens bereits einige Beschlüsse gefasst worden, die beider Haushaltsaufstellung nicht berücksichtigt werdenkonnten. Wir werden unsere Vorschläge in altbewährterManier während der Haushaltsberatungen im Haushalts-ausschuss machen.Ich gestehe Ihnen gern zu, Herr Fricke, dass Ihre Vor-schläge bei den Haushaltsberatungen in den letzten zweiJahren, in denen ich die Beratungen im Haushaltsaus-schuss beobachte, deutlich seriöser – wenn auch nochlange nicht seriös genug – waren als die Vorschläge derCDU/CSU-Fraktion.
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Sie beklagen die Kürzungen bei den Ausgaben, the-atisieren aber Ihre eigenen ausgabewirksamen Vor-chläge nicht. Das heben Sie sich wieder für Wahl-ämpfe auf. Sie benennen auch nicht, was diemsetzung Ihrer Vorschläge kosten würde, und Sie be-ennen vor allen Dingen nicht, wie Sie sie finanzierenollen.Ich habe eben mit Verwunderung gehört, dass Frauollegin Hasselfeldt sich über die wegbrechenden Ein-ahmen beklagt hat, und frage Sie: Warum haben Sieenn Einnahmeverbesserungen blockiert? Wir habenhnen doch genügend Gelegenheit geboten, die Einnah-en zu verbessern.
ie haben im Bundestag, im Bundesrat und im Vermitt-ngsausschuss deutliche Einnahmeverbesserungen blo-kiert. Ich komme nachher noch darauf zurück.
Man sollte sich auch einmal anschauen, wie dieresse das, was in dieser Woche hier gelaufen ist, kom-entiert. Vielleicht ist Ihre Fraktionsvorsitzende heuteicht da, weil sie sich die Zitate nicht anhören will. Ichitiere:Die Union stellt den Finanzminister genüsslich anden Pranger – zu Unrecht. … Ein gehöriges MaßMitschuld hat die Union. Eichel bietet … in der la-bilen konjunkturellen Gegenwart das bessere undglaubhaftere finanzpolitische Konzept.as schrieb die „Financial Times Deutschland“ in ihremeitartikel vom Mittwoch.
ort steht weiter zu lesen:Man kann, wie die Union es tut, das Zahlenwerkaus dem Hause Eichel schon heute als Makulaturverdammen. Die Frage ist nur, wie ein besseresKonzept aussähe. An dieser Stelle zeigt sich dieUnion blank; sie verlegt sich lieber darauf, demFinanzminister Versagen vorzuwerfen, während sie
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Elke Fernerauf der anderen Seite dessen Pläne zum Abbausteuerlicher Vergünstigungen wie der Eigenheimzu-lage im Bundesrat blokkiert. Pauschale Ausgaben-kürzungen von fünf Prozent, wie sie etwa CSU-Chef Edmund Stoiber zum Haushaltsausgleich vor-geschlagen hat, wären in der Union niemals durch-setzbar, weil sie auch die Renten, die Landwirt-schaft und die Bundeswehr stark beschneidenwürden.Das sagt doch wohl alles. Ich könnte Ihnen weitereZitate aus dem „Handelsblatt“ und der „SüddeutschenZeitung“ vorlesen.
Alle haben den gleichen Tenor: Sie haben überhauptkein Konzept. Sie sind nur in der Lage zu kritisieren,aber Sie sind nicht in der Lage, eigene konstruktive Vor-schläge zu machen.
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik steht vor einerdreifachen Aufgabe. Sie muss zuerst alles unternehmen,um den beginnenden Aufschwung zu unterstützen.Gleichzeitig gilt es aber im Sinne einer nachhaltigenPolitik, den Konsolidierungskurs nicht zu verlassen. Zu-dem müssen die eingeleiteten Strukturreformen um-gesetzt werden. Es geht also um die Verbindung vonWachstumsförderung, Konsolidierung und Struktur-reformen. Der Konsolidierungskurs wurde auch mitAusgabenbegrenzung und Subventionsabbau fortgesetzt.Beim Subventionsabbau stehen Sie von Union undFDP – ich habe das schon gesagt – ständig auf derBremse. Wir haben mehrfach Initiativen vorgeschlagen.Sie haben beim Steuervergünstigungsabbaugesetz undbeim Haushaltsbegleitgesetz des letzten Jahres Einnah-meverbesserungen für die Jahre 2004 bis 2006 in Höhevon insgesamt 25 Milliarden Euro – 25 Milliarden Euro! –blockiert. Der Bund stünde anderenfalls in diesem Zeit-raum mit 10,6 Milliarden Euro besser da, die Länder mitknapp 10 Milliarden Euro und die Gemeinden immerhinmit 4,4 Milliarden Euro.Herr Pinkwart, Sie haben uns im Zusammenhang mitdem Subventionsabbau Steuererhöhungen vorgeworfen.Sie haben wirklich einen merkwürdigen Subventionsbe-griff. Es ist doch kein Unterschied, ob man nun Geld ausdem Haushalt nimmt, um es einem Subventionsempfän-ger zu geben, oder ob man darauf verzichtet, Dinge zubesteuern, die sinnvollerweise besteuert werden müss-ten. Ihr Subventionsbegriff führt den Staat in den Bank-rott und dazu, dass die öffentliche Hand gar nicht mehrhandlungsfähig ist und dass die von Ihnen gefordertenInvestitionen in Bildung und Forschung zurückgehen.
Wir reduzieren die Nettokreditaufnahme für dasnächste Jahr auf 22 Milliarden Euro. Sie haben Recht:Wir haben Privatisierungserlöse in Höhe von 15,45 Mil-ldwvnfDdeZdSüwSgb–wdAZdMdo2dprKSm
Es ist aber noch schlimmer. Die konservative saarlän-ische Landesregierung hat es mit ihrem Musterknabenüller geschafft, innerhalb von fünf Jahren den Schul-enstand um 1 Milliarde Euro zu erhöhen,
bwohl im gleichen Zeitraum zusätzlich fastMilliarden Euro Teilentschuldungsmittel vom Bund anas Land geflossen sind. Wir reden also über die „Lap-alie“ von 3 Milliarden Euro, die dort von Ihrer Regie-ung verfrühstückt worden sind.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Rauber?
Gerne.
Bitte, Herr Rauber.
Frau Kollegin Ferner, stimmen Sie mir zu, dass dasaarland den geringsten Anstieg beim Haushaltsvolu-en insgesamt hat und dass die Steuermindereinnahmen
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Helmut Rauberletzten Endes nur deshalb entstanden sind, weil es inDeutschland an Wirtschaftsdynamik fehlt? Meiner Mei-nung nach liegt dort der Grund und nicht in einer ver-fehlten Haushaltspolitik der Landesregierung, wie Siefälschlicherweise behaupten.
Ich kann Ihnen nicht zustimmen, Herr KollegeRauber. Denn nur wenn man Äpfel mit Birnen ver-gleicht, kann man einen geringeren Anstieg des Haus-haltsvolumens darstellen. Eine ganze Reihe von Dingen,die vorher im Landeshaushalt berücksichtigt waren, istnämlich ausgegliedert worden, wie beispielsweise derLandesbetrieb für Straßenwesen. Das sollten Sie als ehe-maliger saarländischer Landtagsabgeordneter eigentlichwissen.
– Ihr Kollege hat doch gefragt. Ich antworte nur auf dieFragen, die mir hier gestellt werden.
– Herr Laumann, melden Sie sich doch zu einer Zwi-schenfrage, wenn Sie das wissen wollen. Jetzt beant-worte ich erst einmal die Frage des Kollegen Rauber.Wenn man das fairerweise addiert, dann kommt manzu dem Ergebnis, dass die Ausgabensteigerung deutlichhöher als in den Vorjahren ist.Ausweislich eines Berichtes des Landesrechnungsho-fes
sind die Kosten für das Personal der politischen Führunggestiegen. Aber beim Steuervollzug sind – darüber soll-ten Sie sich einmal wundern; damit hängen vielleicht diefehlenden Einnahmen zusammen – Personalstellen ge-strichen worden. Wie kann es überhaupt sein – das mussich doch einmal fragen dürfen –, dass es einem Land,das vom Bund Geld bekommt, weil es in einer Haus-haltsnotlage ist, einfällt, die Anzahl seiner für den Steu-ervollzug zuständigen Beamten zu reduzieren? Schließ-lich werden so weniger Steuern eingetrieben.
Diese Politik haben Sie gemacht.Ein weiterer Grund für die fehlenden Einnahmen ist,dass dieses Land ständig seine Hände Richtung Berlinstreckt und sagt: Ich will Geld haben. Wenn der Bundes-rat aber beispielsweise Einnahmeverbesserungen be-schließen kann, dann lehnt es sie ab.
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Die letzte Stufe der Steuerreform tritt nächstes Jahrn Kraft. Ich möchte hier noch einmal erwähnen, dassine Familie mit zwei Kindern und einem Jahreseinkom-en von 37 540 Euro unter Berücksichtigung des Kin-ergeldes dann keine Steuern mehr zahlen wird. Das istm Vergleich zu 1998 eine Entlastung um 2 924 Euro imahr. Frau Hasselfeldt, ich kann nicht verstehen, dass Sieiese Entlastung als Nichts darstellen. Was haben Sieenn in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit gemacht? Inhrer Regierungszeit lag der Eingangssteuersatz beinapp 26 Prozent. Das war das Ergebnis Ihrer Regie-ungszeit.
ehr geehrte Frau Kollegin Hasselfeldt, der Eingangs-teuersatz liegt nächstes Jahr bei 15 Prozent.Wir müssen bei der Frage, wofür wir das Geld ausge-en, deutlich machen, dass wir den Zukunftsausgabenorrang geben. Die aus dem Wegfall der Eigenheimzu-age frei werdenden Mittel können wir für eine Innova-ionsinitiative zur Stärkung von Forschung und Bildungusgeben. Es liegt an Ihnen, ob es für diese Bereicheehr Geld geben wird oder nicht.
Sie haben in Ihrer Rede eben die demographischentwicklung angesprochen. Sie haben gesagt: Daraufuss man sich einstellen. Im zweiten Teil Ihrer Rede ha-en Sie gesagt: Die Eigenheimzulage muss aber für alleeit gezahlt werden. Ich frage mich, was es bringt, beiiner schrumpfenden Bevölkerung noch mehr in deneubau zu investieren.
ötig sind die Sanierung und die Veränderung des Be-tandes und keine zusätzlichen Wohnungen und Häuser,as möglicherweise mit einer Zersiedelung der Land-chaft einhergeht.Wir haben die Gemeinden – auch gegen Ihren Wider-tand – deutlich entlastet, insgesamt um 6,5 Milliardenuro. Ich will etwas zum Thema „Betreuung von Kin-ern unter drei Jahren“ – Stichwort 1,5 Milliardenuro – sagen: Genauso wie wir von den Ländern erwar-en, dass das Geld, dessen Zahlung vereinbart wordenst, bei den Gemeinden wirklich ankommt, so sehr er-arten wir auch von den Gemeinden, dass sie in die Zu-unft unserer Kinder investieren, dass sie die Schaffungnd den Ausbau von Ganztagseinrichtungen für unterreijährige forcieren, damit auch die jungen Frauen und
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Elke Fernervielleicht der eine oder andere junge Mann die Möglich-keit haben, Beruf und Familie zu vereinbaren.Wenn man sich anschaut, wie es insgesamt aussieht,dann erkennt man: In der Vergangenheit haben nicht un-bedingt die schwarzen Gemeinden in Ganztagsschulen,in Ganztagsbetreuungseinrichtungen für die Kleinen, inGanztagskindergärten, in Krippen und in Horte inves-tiert, wenn sie kein zusätzliches Geld vom Bund erhaltenhaben, sondern eher die sozialdemokratisch geführtenGemeinden.
In den nächsten Jahren wird deutlich werden, werGeld für vernünftige Zukunftsinvestitionen ausgibt. Siehaben in dieser Haushaltswoche überhaupt keine Alter-nativen geboten.
Ich bin darauf gespannt, ob Sie es schaffen, im Haus-haltsausschuss ein paar ordentliche Vorschläge zu ma-chen. Wir werden in den nächsten Wochen noch langegenug Zeit haben, darüber zu debattieren.Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch ausder „Financial Times Deutschland“ zitieren:Und selbst wenn die Union weniger heuchlerischagieren würde: Ihr Rezept der drastischen Ausga-benstreichungen ist in konjunkturell labilen Zeitenhöchst gefährlich. Eichel ist gut beraten, vorerstkeine weiteren Sparpakete anzukündigen.Ich kann dem nur zustimmen, meine sehr geehrten Da-men und Herren, und freue mich auf die Diskussion mitIhnen im Haushaltsausschuss.
Letzter Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durchdie letzten Diskussionen zieht sich wie ein roter Fadendie Frage: Wird es eigentlich immer so weitergehen, dasswir mit unserem Haushalt das Maastricht-Kriterium ver-letzen? Herr Eichel hat vorhin gesagt, es gehe nicht da-rum, den Maastricht-Vertrag zu ändern, und er hat ange-kündigt, dass er das nächste Jahr unter der 3-Prozent-Grenze bleiben will. Nun ist die Frage, woraus wirschließen sollen, dass seine heutige Aussage, im nächs-ten Jahr wolle er das Kriterium nicht mehr reißen, erns-ter gemeint ist als seine Aussage im letzten Jahr, in die-sem Jahr wolle er es nicht reißen. Es gibt meinesErachtens keine schlüssige Begründung dafür, dass wirihm diesmal glauben müssen.Von mehreren Rednern wurde die Frage gestellt: Wassollen wir tun, an welcher Stelle soll gespart werden, werhat Sparvorschläge usw. usf.? Ich möchte jetzt nicht denHasngdrdnrdFlaiKmdb–dtmmstgIzaladgnognsgsdm
Ja.
Zurück zu einem Beispiel aus Ostdeutschland. In Ost-eutschland gibt es gute Beispiele solider Haushaltspoli-ik. Eines will ich Ihnen nennen: Sachsen. Sachsen hatit allen anderen ostdeutschen Flächenländern eines ge-einsam: Die Ausgangslage im Jahr 1990 war gleichchlecht wie überall. Es gab genauso marode Wasserlei-ungsnetze und genauso funktionsuntüchtige Kläranla-en wie überall, es gab denselben Erneuerungsbedarf innfrastruktur und Bausubstanz und es gab dieselben So-ialstrukturen wie in den anderen ostdeutschen Ländernuch. Heute, im Jahr 2004, weist Sachsen drei wesent-iche Unterschiede zu den anderen ostdeutschen Ländernuf:Erstens. Seit 1990 wurde Sachsen niemals von einerer rot-grünen Parteien oder der PDS regiert oder mitre-iert.Zweitens. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in Sachsenicht nur ein bisschen geringer als im Durchschnitt derstdeutschen Länder ohne Sachsen, sondern sie ist weni-er als halb so groß.
Drittens. Diese Sparpolitik hat Sachsen überhaupticht geschadet, sondern ganz im Gegenteil. Sachsenteht im Augenblick an der Spitze des Länderratings. Dieestrige Auszeichnung für den sächsischen Ministerprä-identen als Ministerpräsident des Jahres hat das ein-rucksvoll bestätigt.
Das Beispiel Sachsen zeigt Folgendes: Es ist nicht nuröglich, die Staatsverschuldung in Grenzen zu halten,
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Arnold Vaatzsondern es ist sogar so, dass niedrige Verschuldung so-wie wirtschaftlicher und sozialer Erfolg zwei Seiten der-selben Medaille sind.Ich will Ihnen auch sagen, was Sachsen getan hat undwas der Bund hätte tun sollen, um sparsamer zu wirt-schaften. Man kann das eigentlich in einem Satz aus-drücken: Sachsen hat im Wesentlichen deshalb bessereHaushaltszahlen als andere, weil man sich in Sachsendarum bemüht hat, sich auf das Notwendige zu konzen-trieren, und die Hände von teuren und unsinnigen Pro-jekten gelassen hat. Genau das vergisst die Bundesregie-rung bei ihrer Haushaltspolitik jedoch seit sechs Jahren.
Ich will es Ihnen an einigen Beispielen erläutern: AllIhre Luftschlösser in der Arbeitsmarktpolitik in den ver-gangenen Jahren hätten Sie sich sparen sollen: Ich denkeerstens an das berühmte Job-AQTIV-Gesetz – ich weißnicht, ob sich noch jemand hier daran erinnert; das wareine völlige Luftnummer –, zweitens an den Jobfloater,drittens – –
– Die Argumente laufen überhaupt nicht ins Leere. Es isteine ausgesprochene Dreistigkeit, zu sagen, diese Argu-mente gingen ins Leere, wenn man sich einer solchenVerschleuderung von Steuergeldern schuldig gemachthat.
– Wenn Sie nicht zuhören, wäre es gut, wenn Sie sichdraußen unterhalten würden,
denn ich habe das als Zwischenruf interpretiert, FrauLeonhard bzw. Frau Professor Leonhard; entschuldigenSie bitte.Der Jobfloater, das JUMP-Programm, die Ich-AGs,die Personal-Service-Agenturen – alle diese Maßnahmenwaren für die Arbeitsmarktpolitik im Wesentlichen wir-kungs- und wertlos. Es handelte sich um eine riesigeVerschleuderung und die Menschen wurden entmutigt,weil man ihnen Luftschlösser vorgesetzt hat und sie aufdiese Weise um ihre Hoffnungen betrogen hat. Damit hatman das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der gro-ßen Parteien in Deutschland nachhaltig beschädigt. Dasist die Realität.Eines – das muss ich allerdings sagen – ist Ihnen im-mer ganz gut gelungen: Immer wenn eines Ihrer Projektejämmerlich abgesoffen ist, haben Sie noch den Absprungauf das nächste geschafft und vermocht, den Blick derÖffentlichkeit wieder auf ein neues Projekt zu lenken.
Jetzt im Moment befinden wir uns beim Jump zuHartz IV.SzwdhudzrWZosdzNEzhtMugdvwedtBlAdPnpmmg
ie wissen, dass Sie sich prinzipiell auf die Unterstüt-ung der Union verlassen können,
eil auch wir schon seit vielen Jahren gefordert haben,ie steuerfinanzierten Lohnersatzleistungen zu einer ein-eitlichen Leistung zusammenzuführen,
nd weil wir alle wissen, dass durchgreifende Reformenes Arbeitsmarktes dringend notwendig sind.
Wenn es nötig ist, einen Patienten am offenen Herzenu operieren, um sein Leben zu retten, dann handelt manichtig, wenn man eine solche Operation vornimmt.enn sich aber zeigt, dass – wie eine große deutscheeitung titelte – beabsichtigt ist, diese Operation amffenen Herzen statt mit dem Skalpell mit dem Brotmes-er vorzunehmen,
ann ist es ebenfalls richtig, um das Leben des Patientenu schützen, einem solchen Ansinnen entgegenzutreten.ichts anderes ist geschehen.
Als die ostdeutschen Ministerpräsidenten nämlichnde vorigen Jahres dem im Vermittlungsausschuss er-ielten Ergebnis zugestimmt haben, haben sie richtig ge-andelt. Als aber klar wurde, dass das mühsam erstrit-ene Optionsrecht der Kommunen nur noch alsakulatur überleben würde
nd stattdessen mit einer so genannten Buschzulage aus-estattete abgewickelte Telekom-Formationen in Ost-eutschland einrücken würden, um die Hartz-Gesetze zuollziehen, haben die ostdeutschen Ministerpräsidenteniederum richtig gehandelt, indem sie sich im Bundesratinem solchen Ansinnen verweigert haben. Warum istas so? Sehen wir einmal von dem Mangel an Sensibili-ät ab, der an dem geplanten Einsatz von westdeutscheneamten und der Zahlung einer so genannten Buschzu-age deutlich wird. Wenn aber keine Aussicht auf neuerbeitsplätze besteht, weil die Kommunen in Ost-eutschland nicht in die Lage versetzt werden, dasotenzial an Arbeitsplätzen zu erschließen – dazu sindämlich nur sie in der Lage –, dann wird aus dem Skal-ell das Brotmesser. Dann ist nämlich keine Perspektiveehr da, die man mit Hartz verbinden könnte. Dann hatan als verantwortlicher Politiker seine Stimme dage-en zu erheben.
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Arnold VaatzNun sagen Sie vielleicht, die westdeutschen Minister-präsidenten hätten Hartz IV aber doch zugestimmt. Frei-lich haben sie zugestimmt, und zwar deshalb, weil in ih-ren Ländern nur ein Viertel der Anspruchsberechtigtenaus der Arbeitslosenhilfe kommen; im Osten hingegensind es drei Viertel. Wir reden demzufolge von völlig un-terschiedlichen Problemlagen, weil die Herausforderun-gen eine ganz unterschiedliche Dimension haben.Wir akzeptieren Einschränkungen, wenn sie dazu die-nen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber wir akzeptie-ren Einschränkungen nicht, wenn sie wider besseresWissen mit der Aussicht auf neue Arbeitsplätze begrün-det werden, in Wirklichkeit jedoch nur dazu dienen, dasdurch die verfehlte Arbeitsmarktpolitik verlorene Geldbei den Geschädigten wieder einzutreiben.Wenn Sie diesen letzten Vorwurf als ungerechtfertigtansehen sollten, dann können Sie ihn sofort widerlegen.Sie wissen, dass uns im Osten durch die Absenkung derArbeitslosenhilfe 1 Milliarde Euro pro Jahr an Kauf-kraft verloren gehen wird. Wenn das Motiv der Arbeits-marktreform nicht die Entlastung der Kassen des Bundeswar, dann bitte ich Sie, der Region Ostdeutschland dieeingesparten Mittel in Form von zusätzlichen investivenMitteln wieder zuzuweisen, damit die öffentlichenHände durch öffentliche Aufträge Arbeit generierenkönnen und diese Mittel nicht etwa mit der Buschzulagefür die Telekom-Beamten verrechnet werden.
Wenn Sie das nicht tun, dann ist der Vorwurf, Sie wolltenin erster Linie abkassieren, leider berechtigt.Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung. Ichhätte dem Herrn Bundeskanzler gewünscht, dass ihm dieBruchlandung mit Hartz IV in Ostdeutschland erspartgeblieben wäre; denn das wäre besser für die Menschenin Ostdeutschland gewesen. Aber das wäre nur möglichgewesen, wenn in seinem Kabinett jemand gesessenhätte, der andeutungsweise mit der Lage in Ostdeutsch-land vertraut gewesen wäre. Allmählich kann ich nurhoffen, dass der Herr Bundeskanzler weiß, was er getanhat, indem er mit Manfred Stolpe jemanden in die Ver-antwortung für Ostdeutschland geholt hat, der nicht nurzu jenen Politikern gehörte, die in der Zeit vor 1990 – –
– Er hat expressis verbis auch die Verantwortung fürOstdeutschland, das werden Sie nicht bestreiten können.
– Nein, Herr Stolpe hat eine besondere Verantwortungfür Ostdeutschland. Aber er ist ausgerechnet einer vonden Politikern, die nach meiner Auffassung – und nacheiner in Ostdeutschland verbreiteten Auffassung – so-wohl vor wie auch nach 1990 den nachhaltigsten politi-schen Schaden angerichtet haben,
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gebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zurÄnderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-schränkungen– Drucksache 15/3640 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
RechtsausschussAusschuss für Kultur und Medienb) Beratung des Antrags der Abgeordneten RainerBrüderle, Ernst Burgbacher, Helga Daub, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDPFür eine Wiederherstellung der Wettbewerbs-ordnung in Teilen der deutschen Volkswirt-schaft– Drucksache 15/3118 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
RechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerNach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aus-sprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Wider-spruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstder Herr Bundesminister Wolfgang Clement.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich grüße Sie ganz herzlich. Wir wollen über dasGesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sprechen,das für die Wirtschaftsordnung in Deutschland von au-ßerordentlicher Bedeutung ist. Sie haben bei diesemThema Gelegenheit, sich ein wenig von den Ausführun-gen des Herrn Kollegen Vaatz zu erholen,
der in seiner Rede nur relativ wenige marktwirtschaftli-che Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Ich würde HerrnVaatz ganz gerne nach Sachsen einladen, um ihm einmalUnternehmen zu zeigen, die nicht durch die Kommunenentstanden sind, sondern durch unternehmerisches Tunund Handeln.
Ich habe dort viele Unternehmen angetroffen, die außer-ordentlich erfolgreich arbeiten.Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wirdauch als „Grundgesetz“ der sozialen Marktwirtschaftverstanden. Der Preis- und der Qualitätswettbewerb sindentscheidende Voraussetzungen für wirtschaftlichen undtechnologischen Fortschritt und dienen dem Schutz derVerbraucherinnen und Verbraucher.Bei dem, was wir Ihnen vorlegen, geht es um eineAnpassung unseres Wettbewerbsrechts an das europäi-sche Wettbewerbsrecht. Das ist sehr wichtig. Hier wirdein Paradigmenwechsel vollzogen. Die Zeit drängt, die-sen Wechsel zu vollziehen. Deshalb soll diese Novellemöglichst zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Dann istunser Wettbewerbsrecht auch europatauglich.
Es gibt eine Reihe von gewichtigen Diskussionspunk-ten zum Wettbewerbsrecht generell. Beispielsweise stelltsich bei der Zusammenschlusskontrolle die Frage desvorläufigen Rechtsschutzes gegen Freigabeentschei-dungen entweder des Bundeskartellamtes oder des Bun-desministers für Wirtschaft und Arbeit. Das sind dieberühmten Ministerentscheidungen. Eine solche Mi-nisterentscheidung hat gestern in Bezug auf eine Perso-nalie eine Rolle gespielt. Das Thema ist befriedigend ab-geschlossen worden.Wir wollen eine Reduktion des vorläufigen Recht-schutzes gegen solche Entscheidungen. Es soll künftigauf die Verletzung eigener Rechte ankommen. Wir wis-sen, dass der vorläufige Rechtschutz gelegentlich zurBlockade von wichtigen Investitionsentscheidungen ge-nutzt wurde. Einen solchen Missbrauch wollen wir zu-künftig verhindern. Deshalb wollen wir diese Regelungetwas verändern. Der Rechtschutz bleibt aber in derHmbdsdfglDBtsgdgdlmbdvdWvgirPwzFustrümWTlHvlcletDgeasWm
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Die Printmedien stehen zunehmend nicht mehr nuruntereinander im Wettbewerb. Die härtesten Konkurren-ten der Zeitungen sind vielmehr das Fernsehen, das Ra-dio und das Internet. Das Nutzungsverhalten vor allenDingen der jungen Generation verändert sich im Ver-gleich zu dem meiner bzw. der älteren Generation. Dasgilt erst recht für den Werbemarkt und genauso für denMarkt der Nachrichtenvermittlung. Es zeigt sich, dassdie Tageszeitungen, insbesondere die Abonnementzei-tungen, überall in Europa – nicht nur in Deutschland –auf dem Rückzug sind.Es gibt dazu eine Studie der Europäischen Kommis-sion. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirtschafts-kraft der Zeitungen in allen europäischen Mitgliedstaa-ten sowohl unter rückläufigen Auflagen als auch untersinkenden Werbeeinnahmen leidet. Die Hauptursachedafür ist die zunehmende Bedeutung anderer Medien.Das sind langfristig wirkende Verschiebungen, die durchdie konjunkturelle Lage noch verschärft werden.In Deutschland schrumpfen die Lesermärkte der Zei-tungen seit langem. Die Tageszeitungen erreichen jetztnoch drei Viertel der Bevölkerung. Vor zehn Jahren wa-ren es mehr als 80 Prozent. Insbesondere junge Leute– ich kann das ziemlich genau beurteilen, weil ich einigejunge Leute begleite – haben eine Vorliebe für denRundfunk und das Internet, wenn es um Informationengeht und zunehmend auch wenn es um Handel und Ein-kauf geht. Das wird sich im Laufe des Lebens – dies zei-gen die Erfahrungen – nicht mehr wesentlich ändern. So-mit trägt die demographische Entwicklung dazu bei, dassdie Nachfrage nach Zeitungen weiter sinkt.Im Anzeigenbereich, im Bereich der Werbeerlöse, istes noch krasser. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist derAnteil der Tageszeitungen am gesamten Werbeaufkom-men in Deutschland von einem Drittel auf ein Viertel zu-rückgegangen. Dabei brauche ich nicht auf meine fuß-ballerische Erfahrung hinzuweisen: Ein Viertel ist nichtmehr als ein Drittel; es ist vielmehr umgekehrt.
Die Zeitungen finanzieren sich derzeit nur noch zurHälfte über Werbeeinnahmen. Das waren zu meiner Zeitim Zeitungsbereich traditionell noch zwei Drittel. DerBDZV, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger,bestätigt dies: Auch in den ersten Quartalen des Jahres2004 sind Auflagen- und Anzeigenerlöse rückläufig.Noch haben wir eine vielfältige Zeitungslandschaft:349 Tageszeitungen, zehn überregionale und acht so ge-nannte Straßenverkaufszeitungen, also die berühmtenBoulevardzeitungen, von denen mir eine schon einmalviel Spaß gemacht hat. Diese Vielfalt müssen wir meinesErachtens schützen. Dabei darf die Politik keine inter-ventionistischen Mittel anwenden. Der Einsatz des Kar-tellrechts ist aber aus unserer Überzeugung ein probatesMittel und der richtige Ansatz.Deshalb unser Vorschlag. Er enthält drei Elemente.vfvNrsAztvglhtdrulndZllSnZldD–dVvhPVVwlussPVfbsüEW
Frau Präsidentin, ich bitte um Entschuldigung; erlau-en Sie mir noch wenige Sätze.Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ab-chließend ans Herz legen, dass wir angesichts diesesberaus wichtigen Themas die Diskussion, die meinesrachtens noch nicht ausreichend vertieft ist, fortsetzen.ir dürfen nicht in eine Situation geraten, wie wir sie
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Bundesminister Wolfgang Clementetwa von der französischen Zeitungslandschaft kennen.Wir haben bei uns noch Vielfalt. Es geht jetzt nicht nurum den konkreten Vorschlag hinsichtlich der Altverle-ger. Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir haben un-seren Vorschlag vorgelegt. Meine Bitte ist, dass wir dieEntwicklung im Printbereich nicht so laufen lassen. Wirhaben eine Gestaltungsmöglichkeit. Es gibt aus meinerSicht keine Alternative dazu; denn alle anderen Mög-lichkeiten hätten interventionistischen Charakter undgingen an den Nerv der Pressefreiheit. Daher sollten wirdie Chance des Kartellrechtes hier nutzen. Dazu ist vonunserer Seite und von mir persönlich jedes Gespräch er-wünscht.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Brüderle.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrMinister Clement, Sie haben Recht, es ist bedauerlich,dass ein so zentrales Thema wie das Gesetz gegen Wett-bewerbsbeschränkungen an einem Freitag als letzterPunkt, der mit wenig Redezeit ausgestattet ist, quasi imSchweinsgalopp behandelt wird. Hier geht es schließlichum die Magna Charta der Wettbewerbspolitik.
Leider gibt es eine Fülle von Schieflagen. In unseremAntrag haben wir aufgezeigt, dass es nahezu einen Ver-fall des ordnungspolitischen Denkens und eine Fehlsteu-erung in vielen Bereichen gibt, die tiefe Auswirkungenauf den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum ha-ben, weil sie die Dynamik bremsen. Der Grund liegt da-rin, dass man die Prinzipien der sozialen Marktwirt-schaft nicht beachtet. Es waren zwei Kernpunkte, dieEucken und andere Väter und Vordenker der sozialenMarktwirtschaft bei ihrer Konzeptionierung als Reflexauf die Nazizeit in den Vordergrund gestellt haben: dieWarnung vor der Kartellierung und die Warnung vordem Punktualismus. Gegen beides verstößt die Regie-rung in einer riesigen Zahl von Fällen. Aber die Zeit er-laubt es leider nicht, breit darauf einzugehen.Ich mache einige Bemerkungen zu der von Ihnen vor-gelegten Novelle. Es handelt sich in der Tat um eine An-passung an europäisches Wettbewerbsrecht. Letztlichbedeutet dies leider eine Aushöhlung des Kartellverbots,wie es für das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbe-schränkungen prägend war. Ihr Vorgänger, Herr Müller,der Wettbewerbsfragen relativ lustlos behandelte, hattein Brüssel nicht insistiert und nicht für das deutsche Ge-setz gekämpft. Er kam eben aus Monopolstrukturen undist wieder in Monopolstrukturen zurückgegangen; ihmwar das Denken in Wettbewerbsstrukturen fremd.
Wir werden bei dieser siebten GWB-Novelle kon-struktiv mitarbeiten. Wir müssen über eine Reihe vonFVKigHbmsnteRtüzVnsdaddsSWzvbkspduAWmSSBWfdbldWm
Im Klartext gesprochen: Mit den vorgeschlagenenegelungen zum Pressefusionsrecht soll die Fusionskon-rolle ausgehebelt, das Kriterium der Marktbeherrschungber Bord geworfen und letztlich das Wettbewerbsprin-ip für den Zeitungsmarkt ausgeschaltet werden. Für Ihrorgehen gibt es im Übrigen weder eine konjunktur-och eine strukturpolitische Begründung. Es darf eineolche Begründung auch nicht geben. Was sagen Sieenn der Bauindustrie oder der Werftindustrie, wenn sieufgrund ihrer strukturellen Probleme ebenfalls ein Son-errecht in Sachen Wettbewerb fordern? Das kann nichter richtige Weg sein.Eines ist klar, Herr Clement: Sie sichern durch die Fu-ion keine Meinungsvielfalt. Meinungsvielfalt sichernie nur über einen funktionierenden Wettbewerb, überettbewerbsmärkte. Auch Ihre Behauptung, man könnewischen wirtschaftlichen und publizistischen Interessenon Zeitungen trennen, ist schlicht nicht nachvollzieh-ar. Wir alle wissen: Publizistische Selbstständigkeitann kaum gewahrt werden, wenn sie nicht mit wirt-chaftlichen Zielvorstellungen des Unternehmens ge-aart ist und diesen entspricht. Treffende Beispiele sindie Zeitungsrubriken Technik, Motor, Reise, Touristiknd Immobilien. Keiner kann hier abstreiten, dass diettraktivität von Inhalten für Leser die Attraktivität fürerbekunden bedingt. Hier besteht ein innerer Zusam-enhang.Ich möchte Sie herzlich bitten, Herr Clement: Hörenie auf Ihren eigenen wissenschaftlichen Beirat! Hörenie auf die Monopolkommission und hören Sie auf dasundeskartellamt! Dort arbeiten Leute, die etwas vonettbewerbspolitik verstehen. Ignorieren Sie nicht ein-ach den Fachverstand der drei Institutionen! Ihr Beirat,ie Monopolkommission – sie wurde von der Regierungerufen – und das Bundeskartellamt warnen eindrück-ich vor genau dem Ansatz, den Sie wählen. Er scheinter leichtere Weg zu sein; aber er ist der falsche.
ir müssen zu Wettbewerbsvorstellungen zurück. Neh-en Sie Abschied von Ihren wettbewerbsfeindlichen
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Rainer BrüderlePressefusionsplänen. Sie sind auf dem falschen Damp-fer!Lassen Sie mich noch wenige Bemerkungen – mehrerlaubt meine Redezeit nicht – zu unserem Antrag ma-chen. Wir haben eine Fülle von Beispielen aufgeführt,weshalb die soziale Marktwirtschaft nicht das leistenkann, was sie leisten sollte. Sie kann die Arbeitsmarkt-probleme nicht lösen und Wachstum und technischenFortschritt über Wettbewerb nicht durchsetzen, weil dieMechanismen wegen des Staatsanteils von fast 50 Pro-zent, genau 48,5 Prozent, und wegen der starren Rege-lungen am Arbeitsmarkt – das ist in weiten Teilen keinMarkt – nicht wirken können und es in Teilen des Ener-giemarktes zu Monopolbildungen kommt. Das ist einSündenfall; Eon Ruhrgas hat einen Marktanteil von85 Prozent. Das schlägt der sozialen Marktwirtschaft insGesicht.
Sie haben das kurz vor der Bundestagswahl mit einerhingemuschelten Ministererlaubnis möglich gemacht.Sie bringen das an sich interessante und richtige Instru-ment der Ministererlaubnis durch dieses Vorgehen inMisskredit, sodass man heute wirklich offen darübernachdenken muss, ob man dieses Instrument nicht ab-schaffen muss. Wenn es missbräuchlich eingesetzt wird,
hat es keine innere Begründung mehr. Es ist eine schiefeEbene.Sie haben das beim Telekommunikationsgesetz fort-gesetzt, dort gibt es das Einzelweisungsrecht des Minis-ters. Einen solchen Eingriff in das Wettbewerbsrecht hatnoch keine Regierung, egal welcher Couleur, auch keinesozialdemokratisch geführte Regierung, gewagt. DassSie in die Wettbewerbsmärkte hinein Anweisungengeben wollen, zeigt, dass Ihr Denken falsch ist. Das istwieder Punktualismus; ihn gab es nicht nur beiHolzmann. Damit hat sich der Kanzler vor dem SPD-Parteitag profiliert und anschließend hat er die Arbeiterverraten, weil keine Arbeitsplätze erhalten wurden.
Herr Kollege Brüderle, achten Sie bitte auf die Rede-
zeit.
Das Einzelweisungsrecht ist ein fundamentales Ab-
weichen von den Wettbewerbsprinzipien.
Diese schiefe Ebene werden Sie nicht mehr korrigieren
können.
Sie haben das auch in anderen Bereichen – ich habe
die Energiemärkte angesprochen – getan.
Herr Kollege Brüderle, Sie haben keine Zeit mehr,
das noch auszuführen.
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Sie haben Ihre Redezeit schon um zwei Minuten über-
ogen.
Ich schließe. – Die Abkehr von Marktprinzipien, die
ie in vielen Bereichen vorgenommen haben, verhindert,
ass das, was Marktwirtschaft leisten könnte, von der
arktwirtschaft geleistet wird.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Werner Schulz.
Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
iebte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbs-
eschränkungen bringt etliche Verbesserungen. Insbe-
ondere begrüßen wir die Stärkung der Verbraucher-
nteressen, beispielsweise die Verbesserung der
nhörungsrechte von Verbraucherverbänden und ihre
öglichkeiten, gegen den Missbrauch marktbeherr-
chender Stellungen vorzugehen. Für uns gehören fairer
ettbewerb, große Wettbewerbsintensität und ein hoher
erbraucherschutz einfach zusammen.
Neben den vielen sinnvollen Regelungen dieser No-
elle gibt es jedoch einige Aspekte, bei denen wir im
ahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch erheblichen
iskussions- und Verbesserungsbedarf sehen. Das be-
rifft die vorgesehene Einschränkung von Klagemöglich-
eiten gegen Fusionsgenehmigungen sowie die Regelun-
en für Zusammenschlüsse im Pressebereich.
Die Einschränkungen beim vorläufigen Rechtsschutz
ei Fusionsgenehmigungen durch Kartellbehörden bzw.
ei der Ministererlaubnis sind aus unserer Sicht so nicht
kzeptabel.
Bisher entscheiden die Kartellgerichte, ob die Klage
egen eine Fusionsgenehmigung aufschiebende Wir-
ung hat. Die Einschränkung dieser Möglichkeit würde
akten schaffen, die dann trotz berechtigter Klagen
aum noch revidierbar sein könnten.
Das Argument, durch die ständige Praxis der Kartell-
erichte, Fusionen auszusetzen, käme es zu Nachteilen
internationalen Wettbewerb für den Standort
eutschland, überzeugt nicht. Bisher gab es drei Fälle
it aufschiebender Wirkung. Jeder Fall war hoch um-
tritten. Einer davon war die Fusion von Eon und Ruhr-
as. Bei aller persönlicher Wertschätzung für Ex-Minis-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Derenechsel in diesen Konzern haben wahrlich nicht dazu
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Werner Schulz
beigetragen, den Argwohn gegen eine höchst umstritteneEntscheidung abzubauen.
Wenn die Administration die Möglichkeit hat, unterbestimmten Bedingungen Gesetze zu umgehen, sollte esdem Gesetzgeber vorbehalten sein, den Ausnahmefall zubestätigen. Das heißt, die Kombination aus Minister-erlaubnis und Parlamentsvorbehalt verschafft die nötigeLegitimation und sorgt für den Ausschluss von Zweifeln.Auch die vorgeschlagenen Erleichterungen vonFusionen im Pressebereich können nach unserer Auf-fassung so nicht Gesetz werden. Der Pressebereich inDeutschland ist sehr vielfältig. Im Kern hat sich das1976 aus guten Gründen geschaffene Pressefusionsrechtbewährt.
Natürlich erleben wir im Moment einen Strukturwandelbei den Zeitungen, ausgelöst durch veränderte Lese-gewohnheiten. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warumauf die konjunkturellen und strukturellen Herausforde-rungen einer Branche mit einer so umfassenden Geset-zesänderung reagiert werden sollte.
Es gibt Verlage, die durch innovative Strategien und dasAnbieten hochwertiger Produkte am Markt bestehen. Esgibt Verlage, denen es wirtschaftlich schlecht geht, undes gibt Verlage, die gutes Geld verdienen und Anlage-möglichkeiten dafür suchen.Das Bundeskartellamt hat in der Vergangenheit eineVielzahl von Kooperationen genehmigt, wodurch dieVerlage ihre Kosten verringern und ihre Marktaufstel-lung verbessern konnten. Allerdings gehen die Vor-schläge zur Anzeigenkooperation zu weit. Sie sind nur inbestimmten Grenzen vorstellbar und sinnvoll.Wenig halten wir von dem so genannten Redaktions-oder Altverlegermodell. Es ist nicht realistisch, zu glau-ben, die Unabhängigkeit der Redaktion der übernom-menen Zeitung könnte dadurch erhalten werden, dass derAltverleger mindestens 25 Prozent der Zeitung und dieTitelrechte behält. Über kurz oder lang wird sich dieökonomische Macht des Mehrheitsgesellschafters auchauf die Redaktion erstrecken, spätestens dann, wenn dieZeitung in eine Krise kommt.
Auf unsere Ablehnung stößt auch die Einführung ei-ner Bagatellklausel, nach der Verlage mit Umsatzerlö-sen von bis zu 2 Millionen Euro ohne jede Fusionskon-trolle mit anderen Verlagen fusionieren dürfen. Daswären möglicherweise Schnäppchen für die Großen.Problematisch und skeptisch sehen wir die Verdoppe-lung des gemeinsamen Umsatzes zweier Betriebe, dieErhöhung der so genannten Aufgreifschwelle, von25 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro.Nd3stkdslApummdhMHDdgWaWVIWfid
ach Berechnungen der Monopolkommission würdenadurch künftig allein in Westdeutschland zusätzlich9 von 245 erscheinenden Zeitungstiteln von jeder Fu-ionskontrolle freigestellt. Derzeit fallen bereits 140 Ti-el oder 11 Prozent der Auflage nicht unter die Fusions-ontrolle.
Wir sind der Auffassung, all diese Regelungen wür-en zu weniger und nicht zu mehr Vielfalt auf dem Pres-emarkt führen. Zugleich sind wir allerdings zuversicht-ich, dass wir bei den weiteren Beratungen in denusschüssen zu einer einvernehmlichen und letztlichraktikablen Lösung kommen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ernst Hinsken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Es ist fast unvorstellbar – da werden Sieir sicherlich zustimmen –, dass ich das, was soebenein Vorredner, also Sie, Herr Abgeordneter Schulz vonen Grünen, hierzu gesagt hat, voll und ganz teile. Ichabe die Hoffnung und den Wunsch, dass Sie von Ihrereinung nicht abkehren und das zunichte machen, waserr Clement zu tun beabsichtigt.
ies wäre nämlich der Vielfalt der Presselandschaft, miter wir in der Bundesrepublik Deutschland bisher gutefahren sind, nicht dienlich.
Herr Minister Clement, Sie haben vorhin gesagt:enn es bessere Vorschläge gibt, seien Sie gerne bereit,uf sie einzugehen.
ir haben in diesem Zusammenhang jede Menge guteorschläge.
ch hoffe, dass Sie bereit sind, auf sie einzugehen.Durch diesen Gesetzentwurf soll unser nationalesettbewerbsrecht an das neue europäische Kartellver-ahrensrecht angepasst werden, das seit dem 1. Mai 2004n Kraft ist. Das GWB gilt zu Recht als das Grundgesetzer Wirtschaft. Durch dieses Gesetz soll sichergestellt
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Ernst Hinskenwerden, dass der Wettbewerb nicht behindert wird. Nurso herrscht Marktwirtschaft und nicht Machtwirtschaft.Wettbewerb muss reguliert werden, da große Unterneh-men ihre Macht am Markt sonst schrankenlos gegenüberkleineren Mitbewerbern ausspielen könnten. Wegen die-ser grundlegenden Bedeutung des GWB darf bei seinerjetzt anstehenden siebten Novellierung nicht leichtfertigmit diesem Gesetz umgegangen werden.
In der Vergangenheit hat es sich bewährt. Weltweitversucht man, unser GWB nachzumachen. Das gilt umsomehr, als auch hier weit reichende Veränderungen im de-mokratisch wichtigen Bereich der Presse geplant sind.Deshalb legen wir, die Unionsparteien, besonderen Wertauf eine ausführliche Sachverständigenanhörung und eingeordnetes Verfahren ohne Zeitdruck. Das sollte überalle Fraktionen hinweg Konsens sein. Denn die Neure-gelung auf EU-Ebene hat erhebliche Auswirkungen aufdas deutsche Wettbewerbsrecht. Zahlreiche deutscheUnternehmensabsprachen haben Auswirkungen auf denzwischenstaatlichen Handel und besitzen Relevanz fürden EU-Binnenmarkt. Eine eigenständige Bedeutungwird dem deutschen Wettbewerbsrecht künftig nur nochin solchen Fällen zukommen, die rein lokale oder regio-nale Auswirkungen haben und keine zwischenstaatlicheRelevanz aufweisen.In diese Neuregelungen werden auch horizontale undvertikale Vereinbarungen einbezogen, die keine zwi-schenstaatlichen Auswirkungen haben und deshalb al-lein dem deutschen Recht unterliegen. Die Vorschriftenüber das Verbot missbräuchlichen Verhaltens gegenüberwirtschaftlich abhängigen kleinen und mittleren Unter-nehmen – § 20 des GWB – erfüllen eine wichtige wett-bewerbs- und mittelstandspolitische Funktion. Das giltinsbesondere für das Verbot des Angebots unter Ein-standspreis. Diese Regelungen werden daher aufrechter-halten; das finde ich auch gut.Die durch die Änderungen des europäischen Kartell-rechts mit dem Wechsel vom Anmeldesystem zur Legal-ausnahme notwendig gewordenen Änderungen im deut-schen Kartellrecht sind erforderlich und sinnvoll. HerrMinister, darauf haben Sie bereits hingewiesen. Sie er-leichtern vor allem größeren und grenzüberschreitend tä-tigen Unternehmen das Leben. Zudem sind die Unter-nehmen der schwierigen Prüfung enthoben, ihreinnerstaatlichen Vereinbarungen von solchen mit zwi-schenstaatlichen Auswirkungen abzugrenzen.Deswegen muss ich sagen, Herr BundesministerClement: Die Bundesregierung wäre gut beraten, darübernachzudenken, wie es ermöglicht werden kann, dass derMittelstand in klar definierten Ausnahmefällen einenAnspruch auf förmliche Entscheidung durch das Kartell-amt erhält. Denn mehr Freiheit heißt auch mehr Verant-wortung. Bessere Sanktionsmöglichkeiten sind in einemSystem der Legalausnahme durchaus sinnvoll, damit eszu einer wirkungsvollen Abschreckung bei wettbewerbs-widrigem Verhalten kommt. Im Einzelfall müssten dievorgesehenen Verschärfungen des SanktionskatalogsafRndsbfdwLsgdHgDguvkHlisdletedDstrtenSWtessweswpwg
Ursprünglich sollte die siebente GWB-Novelle zeit-leich mit dem neuen europäischen Recht in Kraft treten.as wäre auch ohne weiteres möglich gewesen. Jetztelten zwei unvereinbare Rechtssysteme nebeneinander,nd das bereits seit 1. Mai dieses Jahres. Das führt beiielen Unternehmen und Kartellbehörden zu Schwierig-eiten, die zu vermeiden möglich gewesen wäre.
err Minister Clement, dafür zeichnen Sie verantwort-ch. Sie haben das Thema Pressefusion ohne Not mit deriebenten GWB-Novelle verknüpft. Es ist doch ein Wi-erspruch, wenn Sie sich auf der einen Seite hierher stel-n und ausführen, dass die Vielzahl der einzelnen Blät-r gut ist, und auf der anderen Seite die Voraussetzungafür schaffen wollen, dass das künftig nicht mehr so ist.as ist nicht nachvollziehbar, das ist ein Widerspruch inich!
Alle Bitten, vor Vorschlägen zur Pressefusionskon-olle erst deren Auswirkungen wissenschaftlich zu un-rsuchen und das Thema bis zu der sich bereits abzeich-enden nächsten GWB-Novelle zurückzustellen, habenie, Herr Clement, in den Wind geschlagen.Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Kollege Neumann.ir waren oftmals zusammen, wir haben intensiv bera-n, was wir wollen. Deshalb haben wir auch klare Vor-tellungen, Wünsche und Forderungen nach Weichen-tellungen, die dazu dienen, dass Ihr Gesetzentwurf so,ie er eingebracht worden ist, eben nicht Gesetzeskraftrlangt.Nach dem Europarecht ist keine Änderung des Pres-ekartellrechts erforderlich; dies muss hier festgestellterden. Herr Clement, Sie weichen sogar von den euro-äischen Vorgaben ab. Denn das europäische Wettbe-erbsrecht kennt keine materiellen Ausnahmeregelun-en für einzelne Wirtschaftsbereiche. Deshalb ist
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Ernst Hinskennachdrücklich zu fragen, ob eine nationale Regelung hierüberhaupt wirkungsvoll ist.
Denn wir haben zwar nationale Lesermärkte, aber dieAnzeigenmärkte sind häufig international organisiert.
Deshalb ist die von der Bundesregierung vorgeschlageneÄnderung des Pressekartellrechts erstens ordnungspoli-tisch falsch, zweitens untergräbt sie die Presse- und Mei-nungsvielfalt in Deutschland, drittens löst sie die struktu-rellen und konjunkturellen Probleme der Presse nichtund viertens fördert sie die Konzentration und gefährdetdie Eigenständigkeit der mittelständischen Verlage.Ihnen, Herr Bundesminister Clement, weht dochselbst aus den Beratergremien Ihres Ministeriums eisi-ger Wind ins Gesicht. Eine Auflistung der Institutionen,die kritische Stellungnahmen abgegeben haben, liestsich wie das „Who is who?“ der deutschen Wirtschafts-politik – passen Sie auf, wer sich alles dagegen geäußerthat,
weil man erkannt hat, dass Sie, Herr Clement, hier einefalsche Richtung einschlagen wollen –: die Monopol-kommission, der Wissenschaftliche Beirat, die Kartell-rechtsprofessoren, das Bundeskartellamt, die Landeskar-tellämter sowie zahlreiche Verbände. Sie alle sinddagegen,
doch Sie nehmen das gar nicht richtig zur Kenntnis. Sietun es ab. Ich fordere Sie auf, Herr Minister Clement:Lassen Sie die Hände vom Pressekartellrecht! ÄndernSie es, wenn überhaupt, nur marginal! Das kartellrechtli-che Schutzniveau darf nicht immer weiter abgeschwächtwerden.Eine Lockerung der Pressefusionkontrolle, wie Sie,Herr Minister, diese beabsichtigen, dürfte zu mehr Kon-zentration im Zeitungsverlagswesen führen. Das wollenwir einfach nicht.
Wie Recht hat doch die Monopolkommission, die daraufhingewiesen hat, dass nur die wirtschaftliche Selbststän-digkeit der im Wettbewerb miteinander stehenden unab-hängigen Zeitungen für die ungewöhnlich große Titel-vielfalt in Deutschland sorgt.
– Passen Sie auf, Herr Heil! Sie kommen ja nach mirnoch dran und können darauf gerne antworten, dannbrauchen Sie hier nicht immer Zwischenrufe tätigen.Die Monopolkommission sagt weiter: Dies ist aucheine wirkungsvolle Vorkehrung gegen die Konzentrationvon Meinungsmacht.nGaoApdrhZEMFdDnNslgdsBmdugtwgMüntUrjldth
uch so genannten Pressehilfsunternehmen stehe ichersönlich kritisch gegenüber. Für andere Kollegen, wieem Kollegen Neumann, gilt das auch.
Die Altverlegerklausel ist am stärksten zu kritisie-en. Hier geht es um ein Herzstück unserer Pressefrei-eit, nämlich um die redaktionelle Unabhängigkeit dereitungen.
s ist doch einfach nicht nachvollziehbar, dass diearktbeherrschung kein Untersagungskriterium bei derusionskontrolle mehr sein soll, was bedeuten würde,ass im Extremfall ein einziger Verlag alle Zeitungen ineutschland aufkaufen könnte oder dass es nur noch ei-ige wenige große Zeitungen gibt.
ur die Redaktionen müssten dann noch unabhängigein. Das ist nicht unser Bild der künftigen Zeitungs-andschaft in Deutschland. Deshalb wehren wir uns da-egen, dass hier so vorgegangen wird, wie Herr Clementas beabsichtigt.Herr Minister Clement, Sie haben hier eine ausge-prochen mittelstandsfeindliche Lösung vorgeschlagen.ei Fusionen im großen Stil werden viele kleine undittlere Verlage auf der Strecke bleiben. Das kann esoch nicht sein. Ludwig Erhard würde sich im Grabemdrehen, wenn er wüsste, wie hier mit seinem Grund-esetz der Wirtschaft umgegangen wird.
Wir von der CDU/CSU sind offen, über eine vernünf-ige und verhältnismäßige Anhebung der Schwellen-erte bei der Fusionskontrolle zu diskutieren. Hieribt es einen Konsens. Der Einführung einer echten De-inimis-Regelung stehen wir allerdings kritisch gegen-ber. Die Ermöglichung von Kooperationen und Fusio-en ohne jede Kontrolle und unabhängig von jeder Un-ernehmensgröße ist für uns nicht akzeptabel. Dienionsparteien sind bereit, über sinnvolle Konkretisie-ungen und Verbesserungen bei allgemeinen und schonetzt möglichen Gesamtkooperationen sowie bei speziel-en Kooperationen im Anzeigenbereich zu reden, aller-ings nur dann, wenn sie sinnvoll begrenzt oder als Mit-elstandskooperationen formuliert werden.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was ich vor-in eingefordert habe, sage ich nochmals: Wir, die
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Ernst HinskenUnion, wollen einen bunten, vielfältigen Blätterwald, indem große und mittelständische Verlage mit ihren Zei-tungen fair um die Aufmerksamkeit der Leser miteinan-der konkurrieren können.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch Folgendes sa-gen: Wenn wir schon beim Thema einer unabhängigen,vielfältigen Presselandschaft sind, dann dürfen wir auchdie Frage nicht ausblenden, ob es demokratisch sinnvollist, dass sich eine große Volkspartei wie die SPD klamm-heimlich ein eigenes Medienimperium aufbaut.
Auch diese Frage gehört in diesem Zusammenhang aufden Tisch.
Herr Clement, Sie als ehemaliger Journalist sollteneigentlich wissen,
wie wichtig die Unabhängigkeit von Verlagen undRedaktionen ist.
Seien Sie bitte bereit, all das zu berücksichtigen, was ichjetzt versucht habe, Ihnen zu verdeutlichen.
Seien Sie bereit, auf einige Vorschläge, die wir gemachthaben, einzugehen,
damit etwas Vernünftiges dabei herauskommt, und be-rücksichtigen Sie eines, Herr Minister Clement: Das istnicht die Meinung eines einzelnen CDU/CSU-Abgeord-neten, sondern ich habe vorhin aufgelistet, wer sich allesdagegen ausgesprochen hat. Das sind wahrlich ernst zunehmende Institutionen und Organisationen. Auf derenWorte sollte man hören; man darf sie nicht einfach inden Wind schlagen.In diesem Sinne hoffe ich auf die Einsicht, die Sie unseingangs Ihrer Rede angekündigt haben, als Sie gesagthaben, Sie würden auf gute Vorschläge warten und Sieseien gerne bereit, diese zu berücksichtigen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hubertus Heil.
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Aufgrund meiner beschränkten Redezeit will ich michurz auf den Bereich konzentrieren, der nicht mit Presse-usion zu tun hat, um danach die Zeit dafür zu nutzen, ei-iges von dem, was hier angesprochen wurde, aufzugrei-en.Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir mit deriebten GWB-Novelle unser deutsches Wettbewerbs-echt an das europäische Recht anpassen. Es geht bei-pielsweise darum, dass wir zukünftig Unternehmenurch weniger Bürokratie entlasten, aber auch deren Ei-enverantwortung stärken. In Zukunft müssen Unterneh-en grundsätzlich selbst einschätzen, ob ihr Verhaltenm Markt rechtskonform ist.Auf der anderen Seite werden die Ermittlungs- undanktionsmöglichkeiten der Kartellbehörde gestärkt.uch die Rechtsschutzmöglichkeiten Privater, also dererbraucher, werden verbessert. Deshalb sieht der Ent-urf eine stärkere Rolle der Verbraucherverbände vor.azu gehört auch, dass wir zukünftig „Kartellrenditen“ugunsten des Bundeshaushaltes abschöpfen können.ies gibt es beim UWG und ist mittlerweile auch im Te-ekommunikationsgesetz verankert. Dies wollen wir, wieesagt, auch ins Kartellrecht aufnehmen.Auf den einstweiligen Rechtsschutz – das hat derinister bereits erläutert – werden wir in den Beratun-en im Ausschuss und auch in der Anhörung eingehen.
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Hubertus HeilIch will dazu nur so viel sagen: In der Hauptsache sindkeine Rechte beschnitten. Diejenigen, die in ihren Rech-ten betroffen sind, haben weiterhin die Möglichkeit,einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen. Aber wir wol-len nicht, dass Unbeteiligte in diesem Bereich versu-chen, sich ihr Klagerecht abkaufen zu lassen. Das ist inder Vergangenheit gang und gäbe gewesen, wenn Siesich an die Entscheidung von vor zwei Jahren erinnern.Jetzt zum Thema Pressefusionskontrolle. Wir wissen,dass dieser Bereich hochgradig sensibel ist. Keiner hierim Haus sollte dem anderen absprechen, dass es uns umein gemeinsames Ziel geht, nämlich um Vielfalt bei derPresse. Herr Hinsken, auch Ihr Verweis auf die Pressebe-teiligung der SPD ist nicht sachgerecht.
Immerhin haben wir uns diese Beteiligung in der Ge-schichte unserer Partei, die auch die Geschichte der Ar-beiterbewegung ist, ehrlich erworben. Nazis und Kom-munisten haben uns enteignet. Dies wurde zu Rechtrückgängig gemacht. Im Gegensatz zu dem, was Sie im-mer behaupten, nehmen wir keinen redaktionellen Ein-fluss auf die Presseorgane.
– Dafür gibt es zig Beispiele. Die „Hannoversche Allge-meine Zeitung“ gehört über den Madsack-Verlag teil-weise der DDVG. Ich lese diese Zeitung jeden Tag, weiles meine Heimatzeitung ist. Sie können davon ausgehen,dass man sie weder als links noch als sozialdemokratischbezeichnen kann. Das ärgert mich zwar hin und wieder,aber das ist vernünftig. Wir nehmen keinen inhaltlichenEinfluss. Sie sollten aufhören, das zu behaupten, sonstreden wir über Ihre schwarzen Koffer. Das ist nämlichIhre Art der Parteienfinanzierung.
– Wenn Sie mit solchen Geschützen aufwarten, müssenSie damit rechnen, dass entsprechend zurückgeschossenwird.Jetzt zur Sache. Ich will klar sagen: Wir sollten unsnicht gegenseitig absprechen, dass es uns allen um Pres-sevielfalt geht. Aber, Herr Hinsken, Herr Brüderle, es istnicht so, dass die Pressefusionskontrolle nicht im Ge-setz stehen würde, das heißt, dass es für diesen Bereichkeine speziellen Regelungen im GWB gäbe. Diese gibtes seit 1976; davor gab es sie nicht.Herr Brüderle, Sie haben verlangt, dass diese Branchewie jede andere behandelt werden müsse.
Es gibt aus gutem Grund Spezialregelungen. Wir beken-nen uns weiterhin zur Pressefusionskontrolle. Aber wirmüssen fragen, ob sich seit 1976 am Pressemarkt nichtstrukturell etwas geändert hat. Das veränderte Leserver-halten ist angesprochen worden. Die Tatsache, dass wirbei den Anzeigenmärkten eine härtere Konkurrenz ge-genüber den elektronischen Medien haben, ist beschrie-bAgdtDzRdtem–dzduNlzddmswWrtuEIrwdnaszshig
Nein, darum geht es doch gar nicht. Versuchen Sieoch nicht, mir das weiszumachen! Hören Sie einfachu! Ich habe Ihnen auch zuhören müssen. Es ist so iniesem Parlament, dass man das manchmal muss.Herr Hinsken, ich will Ihnen das erklären. Es geht unsm Folgendes:
ach Ihrem Modell bestünde Wettbewerb in Deutsch-and darin, die Anzahl der Titel zu erhalten, aber in Kaufu nehmen, dass im schlimmsten Falle jede dieser Re-aktionen nur noch drei bis fünf Mitarbeiter hat,
ie nichts anderes tun, als Agenturmeldungen zusam-enzuschnipseln. Dann steht in allen Zeitungen das-elbe. Diese Art von „Meinungsvielfalt“ bzw. Plattheitollen wir nicht.
ir wollen wirkliche Freiheit. Das heißt, etwas für dieedaktionelle Stärke der Zeitungen in Deutschland zun.
Ich biete Ihnen an, über die Instrumente, die dort iminzelnen vorgeschlagen worden sind, zu diskutieren.ch sage Ihnen aber auch: Wer glaubt, das Pressefusions-echt so lassen zu können und damit Vielfalt zu erhalten,ird das Gegenteil erreichen. Sie werden erleben, dassas Zeitungssterben in Deutschland wieder losgeht. Ge-au das wollen wir nicht. Wir wollen redaktionelle Un-bhängigkeit sichern, wir wollen Kooperationsmodellechaffen, in deren Rahmen man beispielsweise bei An-eigen, vielleicht auch in anderen Bereichen stärker zu-ammenarbeiten kann. Das ist in vielen Bereichen schoneute so. Wir wollen das rechtlich klar und verbindlichm Sinne von Rechtssicherheit im Gesetz festlegen. Eseht darum, in diesem Bereich Luft zu schaffen.
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Hubertus HeilEs geht darum, die wirtschaftliche Basis der Zeitungenin Deutschland zu stärken, um Vielfalt in diesem Bereicherhalten zu können.Aufgrund der Kürze der Zeit zum Schluss noch soviel:
Es ist gesagt worden, das Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen sei so etwas wie das Grundgesetz unse-rer Marktwirtschaft. Ich möchte deshalb der Oppositionin unserem Hause anbieten – so wie es gute Übung ist –,am Ende zu einem parteiübergreifenden Konsens zukommen.
Dann werden alle etwas nachgeben müssen. LudwigErhard hat einmal gesagt: Ein Kompromiss ist, einenKuchen so zu teilen, dass jeder meint, dass er das größteStück abbekommen hat. Wir sollten gemeinsam nachWegen suchen, die helfen, die Wettbewerbsordnung imInteresse unseres Landes zu stärken, für das wir alle ge-meinsam Verantwortung tragen.
Dazu gehört auch eine lebendige Presselandschaft.Die Unterstellung, dass wir Konzentrationen fördernwollen, ist falsch. Das Gegenteil ist richtig. Wir wollenauf Veränderungen reagieren, damit Vielfalt in Deutsch-land erhalten werden kann. Lassen Sie uns in diesemSinne an die parlamentarische Arbeit gehen! Ich weiß,Herr Hinsken, dass es in Ihrer Fraktion auch andereStimmen gibt. Mit denen wollen wir genauso reden wiemit Ihnen. Sie werden wir auch noch überzeugen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/3640 und 15/3118 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 22. September 2004, 13 Uhr,
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.