Protokoll:
8100

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 100

  • date_rangeDatum: 22. Juni 1978

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:27 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/100 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 100. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 Inhalt: Wahl des Abg. Dr. Jenninger zum Stellvertreter im Vermittlungsausschuß 7923 A Erweiterung der Tagesordnung 7923 A Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . 7923 B Beratung der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/1799 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 26 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/1907 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 27 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. Mai 1978 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/1909 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 28 des Petitionsauschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/1950 — Höffkes CDU/CSU ...... . 7923 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes — Drucksache 8/1932 — Adorno, Minister des Landes Baden-Württemberg 7926 B Francke (Hamburg) CDU/CSU . . . . 7927 D Krockert SPD 7928 D Gattermann FDP 7929 D Dr.. Haack, Bundesminister BMBau . . 7931 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze — Drucksache 8/1933 — Westphal SPD 7931 C Dr. Warnke CDU/CSU . . . . . . . 7932 C Kühbacher SPD 7933 B Gattermann FDP . . . . . . . . . 7934 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Zweiten Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes — Drucksache 8/1934 — Henke SPD 7934 C II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 Erste Beratung des von den Abgeordneten Pieroth, Vogt (Düren), Dr. Barzel, Dr. Biedenkopf, Dr. von Bismarck, Dr. Blüm, Breidbach, Dr. Dregger, Feinendegen, Dr. George, Hasinger, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Höpfinger, Katzer, Kraus, Dr. Kunz (Weiden), Link, Dr. Möller, Müller (Berlin), Müller (Remscheid), Dr. Pinger, Prangenberg, Schmidhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Sprung, Dr. Waffenschmidt, Frau Will-Feld, Dr. Zeitel, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger betrieblicher Gewinn- und Kapitalbeteiligung — Drucksache 8/1565 — in Verbindung mit Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Hemmnisse für die Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer — Drucksache 8/1418 — Pieroth CDU/CSU . . . . . . . . . . 7935 C Rosenthal SPD . . . . . . . . . . . 7939 C Frau Funcke FDP . . . . . . . . . . 7941 C Streibl, Staatsminister des Freistaates Bayern . . . . . . 7944 A Kraus CDU/CSU 7946 B Rapp (Göppingen) SPD 7948 B Vogt (Düren) CDU/CSU 7951 D Cronenberg FDP 7954 B Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär BMF . . 7957 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des EntwicklungsländerSteuergesetzes — Drucksache 8/1857 — . . . . . . . . 7959 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung und zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride (Gesetz zum Chemieübereinkommen/Rhein und Chloridübereinkommen/Rhein) — Drucksache 8/1733 — Bericht des Haushaltsausschussus gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1926 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/1900 — 7959 B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes — Drucksache 8/1910 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/1921 — . . . . . . . 7959 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz) — Drucksache 8/1766 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/1947 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/1927 — . . . . . . . 7959 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung — Drucksache 8/1616 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/1913 — 7960 A Beratung des Dritten Berichts zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung — Drucksache 8/1185 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Verbesserung der Information über Entwicklungsprojekte durch die Bundesregierung — Drucksachen 8/696, 8/1865 — Dr. Todenhöfer CDU/CSU 7980 B Schluckebier SPD . . . . . . . . . 7983 B Frau Schuchardt FDP . . . . . . . 7985 D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . . 7988 A Höffkes CDU/CSU . . . . . . . . 7992 B Dr. Vohrer FDP . . . . . . . . . 7995 A Werner CDU/CSU . . . . . . . . 7997 D Junghans SPD . . . . . . . . . . . 8000 B Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 III Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . . 8002 B Bindig SPD 8004 C Josten CDU/CSU 8006 D Petersen CDU/CSU 8007 D Dr. Holtz SPD 8009 B Dr. Hüsch CDU/CSU 8012 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zeitbestimmung (Zeitgesetz) — Drucksache 8/258 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/565 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 8014 A Broll CDU/CSU 8014 B Frau Dr. Hartenstein SPD 8016 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 8018 D Wehner SPD (Erklärung nach § 59 GO) . 8019 C Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Nico Hübner — Drucksache 8/1823 — Kittelmann CDU/CSU . . . . . . . . 8020 A Dr. Kreutzmann SPD . . . . . . . . 8022 C Ludewig FDP 8023 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze im Grenzabschnitt „Dreieckmark-Dandlbachmündung" und in einem Teil des Grenzabschnittes „Scheibelberg-Bodensee" sowie über Befugnisse der Grenzkommission — Drucksache 8/1904 — 8023 D Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Sauter (Epfendorf), Dr. Stark (Nürtingen), Benz, Susset, Biechele, Dr. Laufs, Dr. Friedmann, Kolb, Bühler (Bruchsal), Dr. Stavenhagen, Dr. Langguth, Wissmann, Jäger (Wangen) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 69 b Abs. 3 der Gewerbeordnung — Drucksache 8/1755 — 8024 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/1863 — 8024 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Auslieferung — Drucksache 8/1901 — 8024 A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken — Drucksachen 8/1503, 8/189,7 — . . . . 8024 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1978 — Drucksachen 8/1500, 8/1501, 8/1872 — . 8024 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Notwendigkeit und Orientierungslinien für Gemeinschaftsmaßnahmen zur Förderung Europäischer Investitionen in den Entwicklungsländern — Drucksachen 8/1675, 8/1918 — . . . . 8024 C Fragestunde — Drucksache 8/1931 vom 16. 06. 1978 — Beitrag des Bundeskanzlers in dem von einem DKP-beeinflußten Kölner Verlag herausgegebenen Sammelband mit dem Titel „Zwischenbilanz" MdlAnfr Al 16.06.78 Drs 08/1931 Hartmann CDU/CSU MdlAnfr A2 16.06.78 Drs 08/1931 Hartmann CDU/CSU Antw StSekr Bölling BPA . 7960 C, D, 7961 A, B ZusFr Hartmann CDU/CSU . 7960 D, 7961 A, B Erweiterung des deutschen Anteils am EG-Meer über den Festlandsockelbereich hinaus MdlAnfr A7 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7961 C, D ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . . 7961 D IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 Verschuldung Polens gegenüber der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr A18 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7962 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 7962 B Umtauschquoten für in die Volksrepublik Polen einreisende deutsche Campingtouristen MdlAnfr A19 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU MdlAnfr A20 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7962 C, 7963 A, B, C, D ZusFr Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU . . . . 7962 D, 7963 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 7%3 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 7963 D Einwirkung der Bundesregierung auf die sambische Regierung mit dem Ziel der Beendigung der völkerrechtswidrigen Angriffe Sambias auf nichtmilitärische Ziele in Rhodesien MdlAnfr A21 16.06.78 Drs 08/1931 Graf Huyn CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7964 A, B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 7964 B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 7964 C Völkerrechtliche Verbindlichkeit der. in der UN-Menschenrechtserklärung vom 10. Dezember 1948 stipulierten Ausreisefreiheit MdlAnfr A22 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Czaja CDU/CSU MdlAnfr A23 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7964 D, 7965 A, B, C, D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . . 7965 A, B, C Beteiligung und Ausbildungshilfe der „Nationalen Volksarmee" in Angola, Kongo/ Brazzaville und Guinea sowie Einmischung des DDR-Staatssicherheitsdienstes in Angola und Mozambique MdlAnfr A24 16.06.78 Drs 08/1931 Amrehn CDU/CSU MdlAnfr A25 16.06.78 Drs 08/1931 Amrehn CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 7966 A, B, C ZusFr Amrehn CDU/CSU . . . . . . . 7966 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 7966 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 7966 B Aktivitäten der Ost-Berliner „Nationalen Volksarmee" und des Ministeriums für Staatssicherheit in Äthiopien und im Südjemen MdlAnfr A28 16.06.78 Drs 08/1931 Werner CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7966 D, 7967 A, B ZusFr Werner CDU/CSU . . . . . . . 7967 A ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . . 7967 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 7967 B Waffentransporte durch Frachterkonvois auf DDR-Schiffen nach Äthiopien, Mozambique und Angola MdlAnfr A29 16.06.78 Drs 08/1931 Klein (München) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7967 C, D, 7968 A, B, C ZusFr Klein (München) CDU/CSU . . . 7967 C, D ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 7968 A ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 7968 B ZusFr Frau Simonis SPD 7968 C Friedliche Lösung für Südwestafrika/Namibia unter den von der Bundesregierung und den anderen Westmächten vorgeschlagenen Bedingungen MdlAnfr A30 16.06.78 Drs 08/1931 Klein (München) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7968 C, 3969 A, B, C, D, 3930 A, B ZusFr Klein (München) CDU/CSU . . . . 7969 A ZusFr Dr. Corterier SPD 7969 B ZusFr Amrehn CDU/CSU 7969 C ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 7969 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 7969 D ZusFr Frau Erler SPD 7970 A ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . 7970 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 7970 B Aufhebung des wirtschaftlichen Boykotts gegen Rhodesien MdlAnfr A31 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Hüsch CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7970 C, D ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 7970 D Unterstützung der Haltung Frankreichs zur Sicherung der Freiheit und des Friedens Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 V für die schwarze und weiße Bevölkerung Afrikas durch die Bundesregierung MdlAnfr A36 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Hüsch CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7971 A, B, C, D ZusFr Dr. Hüsch CDU/CSU 7971 B, C ZusFr Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . . 7971 C Veranlassung der sambischen Regierung zur Beendigung der völkerrechtswidrigen Angriffe rhodesischer Terroristen von sambischem Territorium aus gegen schwarzrhodesische Afrikaner MdlAnfr A32 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Hoffacker CDU/CSU MdlAnfr A33 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Hoffacker CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7971 D, 7972 A, B, C, D, 7973 A ZusFr Dr. Hoffacker CDU/CSU . . . 7972 A, B, D, 7973 A ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . . 7972 B ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 7972 C ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 7972 C Unterstützung einer friedlichen Regelung der Rhodesien-Frage durch die Bundesregierung MdlAnfr A34 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Marx CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 7973 A, C, D ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 7973 B, C ZusFr Dr. Corterier SPD 7973 D Ausbildung schwarzafrikanischer Terroristen der SWAPO, ZAPU und ZANU durch militärische Berater der DDR sowie Waffen- und Munitionslieferungen an diese Terrororganisationen MdlAnfr A35 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Marx CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 7974 A, B, C, D, 7975 A, B ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 7974 B ZusFr Dr. Corterier SPD 7974 C ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 7974 D ZusFr Frau Erler SPD . . . . . . . 7974 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 7975 A ZusFr Berger (Lahnstein) CDU/CSU . . 7975 B ZusFr Gansel SPD 7975 B Kontrolle des Endverbleibs beim Export von Raketenteilen nach Frankreich und Zaire; israelischer Protest gegen die Beteiligung deutscher Firmen an der Produktion von Raketen MdlAnfr A37 16.06.78 Drs 08/1931 Gansel SPD MdlAnfr A38 16.06.78 Drs 08/1931 Gansel SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7975 C, D, 3936 A, B, C, D ZusFr Gansel SPD . . . . 7975 D, 7976 B, C ZusFr Frau Simonis SPD 7976 A ZusFr Frau Erler SPD 7976 D Menschenrechtsverletzungen in Malta MdlAnfr A41 16.06.78 Drs 08/1931 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 7977 A, B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 7977 A, B Bewertung von Ersatzzeiten ehemaliger Kriegsteilnehmer und -gefangener in der Rentenberechnung MdlAnfr A85 16.06.78 Drs 08/1931 Frau Erler SPD Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . 7977 C, D, 7978 A, B ZusFr Frau Erler SPD 7977 D ZusFr Jaunich SPD . . . . . . . . . 7978 A ZusFr Amrehn CDU/CSU 7978 A Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts in der Sozialversicherung MdlAnfr A86 16.06.78 Drs 08/1931 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . . . 7978 B, C, D ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . 7978 C, D Vorwurf von Bundesminister Dr. Ehrenberg gegen die CDU wegen einer Täuschung der Rentner im Zusammenhang mit der Abschaffung der Bruttolohnformel MdlAnfr A87 16.06.78 Drs 08/1931 Nordlohne CDU/CSU MdlAnfr A88 16.06.78 Drs 08/1931 Nordlohne CDU/CSU Antw PStSekr Buschfort BMA . . 7979 A, B, C ZusFr Nordlohne CDU/CSU 7979 D Nächste Sitzung 8024 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8025* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode —, 100. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 7923 100. Sitzung Bonn, den 22. Juni 1978 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 22. 6. Dr. Ahrens ** 23. 6. Alber *** 23. 6. Dr. Althammer 23. 6. Dr. Bangemann * 23. 6. Dr. Bayerl * 23. 6. Frau von Bothmer *** 23. 6. Büchner (Speyer) *** 23. 6. Coppik 23. 6. Dr. Dregger 23. 6. Dr. Enders *** 23. 6. Dr. Eyrich 23. 6. Fellermaier* 23. 6. Flämig * 23. 6. Dr. Früh 23. 6. Dr. Fuchs * 23. 6. Dr. Geßner *** 23. 6. Haberl 23. 6. Handlos *** 23. 6. von Hassel *** 23. 6. Hoffmann (Saarbrücken) * 23. 6. Ibrügger * 23. 6. Immer (Altenkirchen) 23. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 23. 6. Dr. h. c. Kiesinger 23. 6. Dr. Klepsch *** 23. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klinker * 23. 6. Koblitz 23. 6. Kroll-Schlüter 23. 6. Lemmrich *** 23., 6. Lemp * 23. 6. Lenzer*** 23. 6. Lücker 23. 6. Luster * 23. 6. Marquardt *** 23. 6. Mattick *** 22. 6. Dr. Meyer zu Bentrup 23. 6. Dr. Mende *** 23. 6. Mischnick 23. 6. Dr. Müller *** 23. 6. Pawelczyk *** 23. 6. Dr. Pfennig *** 23. 6. Reddemann *** 23. 6. Schmidt (München) * 23. 6. Schmidt (Würgendorf) *** 23. 6. Schreiber * 22. 6. Schwarz 23. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 23. 6. Dr. Schwörer * 23. 6. Seefeld * 22. 6. Sieglerschmidt * 23. 6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim*** 23. 6. Dr. Stark (Nürtingen) 23. 6. Sybertz 23. 6. Ueberhorst *** 23. 6. Dr. Vohrer *** 23. 6. Frau Dr. Walz * 23. 6. Wawrzik * 22. 6. Weber (Heidelberg) 23. 6. Baron von Wrangel 23. 6. Würtz * 23. 6. Ziegler 23. 6.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 20. Juni 1978 an Stelle des aus dem Vermittlungsausschuß ausscheidenden Abgeordneten Dr. Häfele den Abgeordneten Dr. Jenninger als Stellvertreter des Abgeordneten Rawe vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall. Damit ist der Abgeordnete Dr. Jenninger zum Stellvertreter des Abgeordneten Rawe im Vermittlungsausschuß bestimmt.
Zweitens darf ich mitteilen, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung Punkt 10 der Tagesordnung um eine weitere Sammelübersicht des Petitionsausschusses erweitert werden soll. Besteht auch darüber Einverständnis? — Das ist der Fall. Die Ergänzung dieses Tagesordnungspunktes um die Sammelübersicht 28 des Petitionsausschusses auf Drucksache 8/1950 ist damit beschlossen.
Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 19. Juni 1978 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Probst, Lenzer, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Dr. Stavenhagen, Pfeffermann, Krey, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU betreffend Genehmigungsverfahren für Schnelle Brutreaktoren — Drucksache 8/1853 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1940 verteilt.
Ich rufe nunmehr Punkt 10 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschuses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/1799 —
b) Beratung der Sammelübersicht 26 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/1907 —
c) Beratung der Sammelübersicht 27 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. Mai 1978 eingegangenen Petitionen
— Drucksache 8/1909 —
d) Beratung der Sammelübersicht 28 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/1950 —
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Höffkes.

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0810000100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entbürokratisierung wird in den letzten Monaten immer stärker und, wie ich meine, durchaus zu Recht gefordert. Entbürokratisierung soll deshalb auch das Thema dieses Berichts über die Arbeit des Petitionsausschusses sein.
Über einige grundlegende Punkte sollte Einigkeit bestehen, nämlich darüber, daß im öffentlichen Aufgabenbereich klare Zuständigkeiten gegeben sein müssen, die für den Bürger überschaubar sind. Erfolgreiche Politik muß sich nicht in erster Linie in einer Vielzahl neuer Gesetzesinitiativen äußern und darstellen, sondern auch im Abbau überflüssiger Vorschriften.

(Braun [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Gesetze und Verordnungen sollen — unter weitgehender Vermeidung von Fremdwörtern und nur für den Fachmann verständlicher Fachausdrücke — in klarer und verständlicher Sprache abgefaßt werden. Einer sich immer mehr ausbreitenden Sucht, durch Gesetze und Verordnungen möglichst alle denkbaren konkreten Situationen in allen Lebensbereichen zu erfassen, muß entgegengewirkt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Den Gesetze und Verordnungen ausführenden Verwaltungsdienststellen muß ein ausreichender Entscheidungsspielraum für den Einzelfall belassen werden, soweit dies eben verfassungs- und verwaltungsrechtlich möglich ist. Mitteilungen der Behörden an die Bürger dürfen nicht zu unverständlichen Computernachrichten abmagern.
Da es unmöglich ist, alle Einzelfälle des Lebens zu erfassen, wird Normierung als Gesetz, Rechtsverordnung, Ausführungs- oder Durchführungsbestimmung oder Verwaltungsrichtlinie in vielen Fällen zu einem sehr wirkungsvollen und oft heimtücki-



Höffkes
schen Stolperdraht für die persönliche Situation des oder der Betroffenen und auch zu einem Hemmschuh für Entschlußkraft und Entschlußfähigkeit sowie persönlicher Initiative derjenigen Personen, die zur Sachentscheidung berufen sind. Gesetzgebung und Zuständigkeitswirrwarr der Behörden sind in manchen Bereichen derartig unübersehbar, daß sich selbst Fachleute aus dem Rechts- und Verwaltungsbereich nicht mehr zurechtfinden können.

(Braun [CDU/CSU] : Das ist leider wahr!)

Für den Durchschnittsbürger ist Bürokratismus, d. h. das Handeln von Gesetzgebung und Verwaltung, vielfach zu einem undurchschaubaren Dschungel von Paragraphen und Instanzen geworden.
All das kann an vielen Beispielen belegt werden, insbesondere aus den Bereichen der Sozialgesetzgebung, der Steuergesetzgebung, der Finanzverwaltung, der Baugesetzgebung, der Bauverwaltung, den Beschäftigungsbereichen von Bahn, Post und Bundeswehr. Als letzten Rettungsanker ergreifen dann Tausende unserer Mitbürger die Möglichkeit, den Petitionsausschuß um Hilfe und Beistand zu bitten. Dieser Ausschuß muß nicht selten Bürgern helfen, die einen verzweifelten Kampf mit der Verwaltung führen. Oft hilft erst sein nachdrückliches Eingreifen, die Aufforderung an die Bundesregierung, schnell für Abhilfe zu sorgen; denn das mitunter bürokratische Verhalten der Behörden hat für den einzelnen Bürger gelegentlich schwerwiegende Folgen.
Ein besonders bedrückendes Beispiel 'hat uns über mehrere Jahre beschäftigt. Es ist ein in mehrfacher Beziehung interessanter und lehrreicher Fall. Das beginnt schon mit der Person des Petenten. Die Eingabe war nämlich nicht von dem Mann eingereicht worden, um dessen Schicksal es ging, sondern von einem Mitbürger, der es gut mit ihm meinte. Das Petitionsrecht — das möchte ich ausdrücklich betonen — kann jedermann nicht nur für sich selbst, sondern auch für einen anderen Bürger ausüben. In Zweifelsfällen vergewissern wir uns selbstverständlich der Zustimmung des Betroffenen. Als kürzlich ein Ministerium glaubte, auf eine Petition nicht antworten zu müssen, weil sie für einen Dritten eingereicht war, hat der Ausschuß klargestellt, daß das mit Art. 17 des Grundgesetzes unvereinbar sei.

(Braun [CDU/CSU] : Das müßte ein Ministerium wissen!)

Bei diesem bedrückenden Fall ging es um einen Mann, der ein schweres Schicksal hinter sich hat. Er war 1950 mittellos aus russischer Gefangenschaft zurückgekommen und mußte feststellen, daß sein Gut in der DDR entschädigungslos enteignet worden war. Auf Empfehlung von Freunden errichtete er in Tanganjika mit viel Mühe eine Farm. Diese wurde 1973 im Rahmen einer Sozialisierungsaktion der tansanischen Regierung ebenfalls entschädigungslos enteignet. Der Farmer kehrte nach Deutschland zurück und mußte hier mit Sozialhilfe vorliebnehmen. Als dann ein Gesetz Entschädigungen vorsah, bot ihm die tansanische Regierung ein Drittel der Entschädigungssumme an, wenn er auf den Rest verzichtete. Wegen seines hohen Alters und seines schlechten
Gesundheitszustandes blieb ihm nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Als dennoch kein Geld kam, forderte der Petitionsausschuß den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes auf, sich für eine schnelle Bereinigung dieses Falles einzusetzen. Mit seiner Hilfe konnten wir schließlich erfreulicherweise erreichen, daß ,das Geld jetzt, fast fünf Jahre nach der Enteignung, überwiesen wurde.
Noch härter traf das Schicksal den seit vielen Jahren völlig erblindeten 30jährigen Schwager dieses Mannes, der ebenfalls jahrelang auf seine Entschädigung warten und in bitterer Armut leben mußte. Er ist inzwischen verstorben, ohne auch nur einen einzigen Pfennig Entschädigung erhalten zu haben.
In den vergangenen Wochen hat der Petitionsausschuß mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsamts, Herrn Ewen, sowie Vertretern der beteiligten Ministerien ausführlich über drei Petitionen beraten, bei denen Klage über die Rückforderung von Beträgen auf Grund des Konsulargesetzes geführt wurde, also über Gebühren und Auslagenersatz der Konsulate. Hier war der Ausschuß zu der Überzeugung gekommen, daß die jahrelangen erfolglosen Bemühungen um die Eintreibung kleiner Geldbeträge eingestellt werden sollten, weil formalistisch entschieden worden war und Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander standen.
Im ersten Fall ging es um die Eingabe einer Frau, die sich wegen einer schweren Erkrankung in der Türkei entsprechend einer Empfehlung des Generalkonsulats zum Heimflug in die Bundesrepublik entschlossen hatte. Ihr war gesagt worden, die Flugkosten von rund 500 DM würden von der Krankenkasse erstattet werden. Tatsächlich übernahm diese aber weder die Flugkosten noch die rund 500 DM Transportkosten innerhalb der Bundesrepublik.
Das Bundesverwaltungsamt versuchte vier Jahre lang, die vom Generalkonsulat verauslagten Flugkosten 'beizutreiben, obwohl die Frau das Geld nicht aufbringen konnte. Sie verdient monatlich 1 000 DM, wovon ihr nach Abzug der festen Kosten nur rund 500 DM zum Lebensunterhalt verbleiben. Sie hat ganze 10,60 DM auf dem Sparbuch. Wir halten es für einen bedauerlichen Fall von Bürokratismus, daß jahrelang immer wieder versucht wurde, die Forderung trotz der Armut dieser Frau einzutreiben, zumal ihr vorher gesagt worden war, daß ihr die Kosten erstattet würden.
Im zweiten Fall hatte das Bundesverwaltungsamt ebenfalls nicht ausreichend auf die persönliche Situation des Betroffenen Rücksicht genommen. Es ging um etwa 2 200 DM für einen Flug von Siam in die Bundesrepublik, die dem Petenten ebenfalls von einem Konsulat verauslagt worden waren. Das Bemerkenswerte an der Sache: die Forderung entstand im Jahre 1954, also vor rund einem Vierteljahrhundert. Seither ist immer wieder erfolglos versucht worden, sie einzuziehen. Der Mann erhält zur Zeit eine Rente von knapp 700 DM zuzüglich Wohngeld und muß davon nicht nur sich selbst, sondern auch zwei Kinder unterhalten, kann also beim besten Willen den Betrag nicht aufbringen. Ich meine, es



Höffkes
läßt sich nur schwer mit dem Grundsatz einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung vereinbaren, wenn 24 Jahre lang einer erkennbar uneinbringlichen Forderung hinterhergelaufen wird.
Im dritten Fall, den wir beraten haben, hatte das Bundesverwaltungsamt drei Jahre lang erfolglos versucht, eine Gebühr von 47 DM einzutreiben, weil ein Konsulat den Petenten bei der Einziehung einer privaten Forderung von 134 DM unterstützt hatte. Hier fällt zunächst auf, daß die Gebühr mehr als ein Drittel des Betrages ausmacht, für den das Konsulat in Anspruch genommen worden war. Hinzu kommt, daß drei Jahre lang ein umfangreicher Schriftwechsel wegen dieser 47 DM geführt worden ist, wodurch mit Sicherheit weit höhere Unkosten entstanden sind. Auch hier hätte man längst die Forderung niederschlagen sollen.
In der Sitzung teilte uns der Herr Präsident des Bundesverwaltungsamtes, Ewen, mit, daß inzwischen alle drei Forderungen niedergeschlagen worden seien. Als Folge unserer Kritik an der zu bürokratischen Handhabung mancher Fälle habe er eine Kommission unter seinem Vorsitz eingesetzt, die Überlegungen darüber anstelle, wie künftig bei geringfügigen Forderungen großzügiger verfahren werden kann.
Wir meinen, man sollte die Richtlinien, die in diesem Bereich bestehen, nicht starr und formalistisch anwenden, sondern sie nur als Leitlinien betrachten, um mit ihnen jedem Einzelfall gerecht zu werden. Ziel muß dabei sein, die persönliche Situation des Betroffenen, seine soziale Lage und nicht zuletzt das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor allem muß vermieden werden, daß über viele Jahre hinweg immer wieder Forderungen nachgejagt wird, ohne daß Aussicht auf Erfolg besteht. Bei den zuständigen Beamten sollte stärker als bisher die Bereitschaft zum Risiko und zum Mut, selbständig und verantwortungsbewußt zu entscheiden, geweckt werden. Den Sachbearbeitern sollte ein größerer Ermessensspielraum eingeräumt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In einem anderen Fall von Bürokratismus hoffen wir noch auf eine Entscheidung, die diese Grundsätze berücksichtigt. Eine Frau hatte sich darüber beklagt, daß sie als Erbin ihres Vaters, der nur eine geringe Erbschaft hinterlassen hatte, 151,57 DM zurückzahlen sollte, die dem Vater vor 15 Jahren als Lastenausgleichsdarlehen gewährt worden waren. Der Hintergrund war die ursprünglich zu hohe Bewertung eines Grundstücks mit der Folge, daß ein zu hoher Ausgleichsbetrag zuerkannt worden war. Hier hätte man berücksichtigen sollen, daß der Vater nur eine sehr geringe Erbschaft hinterlassen hatte und daß die Rückforderung letztlich auf Grund eines Irrtums der Verwaltung entstanden war. Bedenkt man zudem die geringe Höhe und den im Vergleich dazu bereits sehr hohen Verwaltungsaufwand, so ist es wenig verständlich, daß man nicht auch hier von den Möglichkeiten der Bundeshaushaltsordnung
Gebrauch gemacht und die Forderung niedergeschlagen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu unserem letzten mündlichen Bericht, den der Herr Kollege Scheu vorgetragen hatte, müssen wir einen bedauerlichen Nachtrag bringen. Uns war vom Bundesverkehrsministerium mitgeteilt worden — und dies hatten wir auch hier im Plenum berichtet —, daß an einer schleswig-holsteinischen Bundesstraße ein Rastplatz beseitigt worden war, dessen Benutzer immer wieder die Bewohner eines unmittelbar angrenzenden Wohnhauses belästigt hatten. Leider mußten wir inzwischen feststellen, daß uns eine falsche Auskunft gegeben worden war; denn damals hatte man lediglich Teile des Rastplatzes entfernt, die Fahrbahn aber nicht beseitigt, so daß dort nach wie vor viele Autofahrer hielten und die Hausbewohner belästigten. Erst mit vier Monaten Verspätung ist dort für Abhilfe gesorgt worden.
Wir können es grundsätzlich nicht hinnehmen, daß uns unzutreffende Bescheide gegeben werden, und werden uns daher mit der Autorität dieses Parlaments dafür einsetzen, daß allen Verwaltungsbeamten klargemacht wird, daß der Petitionsausschuß immer zutreffende und vollständige Berichte erwarten darf.

(Beifall)

Weiterhin ist festzustellen, daß langwierige Verwaltungswege heute oft die Folge von Entscheidungsangst und mangelnder Bereitschaft zur Verantwortung sind. Letzteres kommt auch daher, daß manchmal Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in kritischen Situationen von ihren Amtsleitern oder auch von den politischen Instanzen tatsächlich oder vermeintlich im Stich gelassen werden. Der Beamte oder Angestellte, der seine Pflicht tut und sich um verantwortliche Entscheidungen in seinem Bereich bemüht — und dies tut die Mehrheit aller im öffentlichen Dienst Beschäftigten —, verdient auch die Stützung, die Unterstützung und die Rückendeckung durch die Dienstvorgesetzten und die politisch Verantwortlichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine nachdrückliche Erziehung zur richtig verstandener Verantwortungsbereitschaft sollte gefördert werden. Bloße Funktionsausübung ohne Beachtung menschlicher Belange und Bezüge genügt für die Ausübung öffentlicher Entscheidungsbefugnisse nicht.
Daß Bürokratismus und Formalismus keine Einzelfälle sind, zeigt schon die Tatsache, daß sich innerhalb weniger Tage nach der Berichterstattung über unsere Arbeit in der ZDF-Sendung „Bonner Perspektiven" vom Pfingstsonntag fast 2 000 Mitbürger mit ihren Sorgen und Nöten an den Petitionsausschuß gewandt haben. Bedenkt man zudem, daß wir ohnehin jährlich rund 12 000 Eingaben erhalten, wird die Größenordnung dieses Problems deutlich. Dies zeigt, wie sehr hier Abhilfe nötig ist, wie sehr auch wir als Gesetzgeber darauf achten müssen, daß immer der einzelne Bürger im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht.



Höffkes
Es zeigt aber zugleich auch, wie der Herr Bundespräsident in dieser Sendung betont hat, daß wir dem Petitionsausschuß noch mehr Publizität bei den Bürgern unseres Landes geben müssen, um so mehr als nach den dort gezeigten Umfrageergebnissen das Petitionsrecht vor allem bei den Bevölkerungsschichten ohne weiterführende Schulbildung noch viel zuwenig bekannt ist.
Damit bin ich mit meinem Bericht zu Ende. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu den Ihnen vorliegenden Sammelübersichten 25, 26, 27 und 28 und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und möchte die Gelegenheit benutzen, um dem Petitionsausschuß den Dank des Hauses dafür auszusprechen, daß er sich in mühevoller Arbeit der Sorgen unserer Bürger annimmt, die unter einer manchmal allzu schwerfälligen Bürokratie leiden.

(Beifall)

Das Wort wird, wie ich sehe, weiter nicht gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses igemäß Drucksachen 8/1799, 8/1907, 8/1909 und 8/1950, die in den Sammelübersichten Nr. 25 bis 28 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann sind die Beschlußempfehlungen einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 11 unserer Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes
— Drucksache 8/1932 —Berichterstatter: Minister Adorno
Bevor wir in die Beratung eintreten, möchte ich das Haus darüber unterrichten, daß vor einigen Wochen eine Beratung im Ältestenrat über die Behandlung der aus dem Vermittlungsausschuß kommenden Vorlagen hier im Hause stattgefunden hat. Der Ältestenrat hat festgestellt, daß nach der bisherigen Übung des Hauses über den Ablauf der Beratungen im Vermittlungsausschuß über einzelne Diskussionsbeiträge und über das Abstimmungsergebnis nicht öffentlich diskutiert wird. Ich wäre dankbar, wenn sich die Mitglieder des Hauses auch künftig an diese Übung hielten.
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das Wort hat Herr Minister Adorno.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes hat der Deutsche Bundestag am 12. Mai 1978
verabschiedet. Der Bundesrat hat am 2. Juni 1978 die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen.
Neben einer ganzen Reihe technischer Einzelheiten war es das Hauptanliegen des Bundesrates, die Energieeinsparung vorrangig über Steuervergünstigungen und nicht über Zuschüsse zu fördern. Von den Fördermitteln sollte der Bund statt der Hälfte drei Viertel der Mittel tragen. Die Energiesparförderung sollte im Zuschußbereich in volle Übereinstimmung mit der Modernisierungsförderung gebracht werden. Schließlich sollten die „sonstigen Räume" nahezu ausnahmslos aus der Zuschußförderung herausgenommen und auf die Steuervergünstigungen verwiesen werden. Die Duldungspflicht des Mieters bei der Modernisierung sollte einheitlich im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden.
Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 15. Juni 1978 lange und intensiv mit den vielfältigen Anrufungsbegehren des Bundesrates befaßt. Nach eingehender Beratung ist es dabei gelungen, einen Kompromißvorschlag zu erarbeiten, dessen wesentlichen Inhalt ich Ihnen im nachfolgenden vortragen darf.
Erstens. Die insgesamt vorgesehenen Fördermittel von 4,35 Milliarden DM sollen in Höhe von 2,34 Milliarden DM als Zuschuß und in Höhe von 2,01 Milliarden DM als Steuervergünstigung wirksam werden. Mit diesem Vorschlag weicht der Vermittlungsausschuß sowohl vom Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages als auch vom Anrufungsbegehren des Bundesrates ab. Nach dem Gesetzesbeschluß sollte nur etwa ein Drittel der Fördermittel als Steuervergünstigung eingesetzt werden. Der Bundesrat wollte die Förderung hingegen überwiegend als Steuervergünstigung wirksam werden lassen. Nach dem Vermittlungsvorschlag sollen Steuer- und Zuschußteil bei leichtem Überwiegen des Zuschußteils — etwa gleich groß bemessen sein.
Zweitens. Nach dem Begehren des Bundesrates sollte der Bund im Zuschußbereich drei Viertel der Aufwendungen tragen. Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, es bei der hälftigen Teilung der Aufwendungen zwischen Bund und Ländern zu belassen.
Drittens. Ebenfalls hat der Vermittlungsausschuß den Vorschlag des Bundesrates nicht aufgegriffen, die Bundesfinanzhilfen für die Energiesparförderung nach dem gleichen Schlüssel auf die Länder zu verteilen, der bei der Modernisierungsförderung gilt. Nach der Vorstellung des Vermittlungsausschusses soll es bei dem im Gesetzesbeschluß in § 7 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes vorgesehenen Schlüssel bleiben, der sich aus der jeweiligen Zahl aller Wohnungen in den einzelnen Ländern ergibt.
Viertens. Mehrere Einzelbeschlüsse des Bundesrates zielten darauf ab, die Energiesparförderung im Zuschußteil im Hinblick auf das Verfahren, die Förderungsvoraussetzungen und die Förderbedingungen voll der Modernisierungsförderung anzugleichen. Der Vermittlungsausschuß hat dazu folgenden Beschluß gefaßt:
Die „sonstigen beheizten Räume", die im Rahmen der Wohnungsbauförderung einen Fremdkörper bil-



Minister Adorno
den, sollen aus der Zuschußförderung herausgenommen und voll auf die Steuervergünstigung verwiesen werden. Eine Ausnahme soll für Körperschaften gelten, die nicht körperschaftsteuerpflichtig sind und kirchliche oder mildtätige Zwecke verfolgen. § 10 a des Wohnungsmodernisierungsgesetzes, der besondere Fördervoraussetzungen für die Energieeinsparung vorsah, wird gestrichen.
Der Vermittlungsausschuß hat es abgelehnt, die Förderhöhe bei der Energieeinsparung voll mit der Modernisierungsförderung zu harmonisieren. Es soll im Falle der Zuschußförderung bei der Energieeinsparung bei einem Satz von 25 v. H. bleiben.
Entgegen der Vorstellung des Bundesrates soll es bei der Energiesparförderung keine Einkommensbzw. Miethöhengrenze als Voraussetzung des Zuschusses geben. Bei der Modernisierungsförderung gibt es eine solche Grenze in § 10 Abs. 1 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes. Der Vermittlungsausschuß war hierzu der Auffassung, daß eine volle Integration mit den teilweise unterschiedlichen Zielen von Energieeinsparung und Modernisierung nicht vereinbar seien.
Fünftens. Zu § 8 Abs. 1 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes empfiehlt der Vermittlungsausschuß, daß ,der Bund Rückbürgschaften für ,die Modernisierungs- und Instandsetzungsförderung auch dann übernimmt, wenn ein Förderprogramm im übrigen ausschließlich aus Landesmitteln oder kommunalen Mitteln finanziert wird. Damit wird einem Anliegen des Bundesrates entsprochen.
Sechstens. Entsprechend einem Beschluß des Bundesrates schlägt der Vermittlungsausschuß vor, die Unterrichtungspflicht der Länder gegenüber dem Bund in § 9 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes wesentlich einzuschränken.
Siebtens. Zum steuerlichen Teil des Gesetzes hat der Vermittlungsausschuß folgendes beschlossen:
Der vom Bundestag vorgeschlagene Stichtag für die steuerliche Förderung der klassischen Modernisierung, nämlich der 1. Januar 1957, wird auf ,den 1. Januar 1961 verlegt. Der unstreitige Stichtag für die Förderung der Energieeinsparungen — 1. Januar 1978 — bleibt hiervon unberührt.
Ferner hat der Vermittlungssausschuß den Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen, die „sonstigen beheizten Räume" voll in die steuerliche Lösung einzubeziehen. Gleichfalls übernommen hat der Vermittlungsausschuß die Forderung des Bundesrates, technische Innovationen, z. B. Sonnenkollektoren, auch bei Neubauten, die ab 1. Januar 1978 errichtet werden, steuerlich zu fördern.
Nicht durchsetzen konnte sich im Vermittlungsausschuß das Anliegen des Bundesrates, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, das der Erhaltungsaufwand bei Einfamilienhäusern und eigengenutzten Eigentumswohnungen in vollem Umfang sofort abgesetzt werden kann. Der Vermittlungsausschuß lehnte ebenfall den Vorschlag des Bundesrates ab, die Absetzung von 10 v. H. auf jährlich 20 v. H. zu erhöhen.
Achtens. Zum mietrechtlichen Teil hat der Vermittlungsausschuß im wesentlichen folgende Beschlüsse gefaßt:
Für eine Streichung des § 20 WohnungsmoderniSierungsgesetz und eine allgemein geltende Neufassung der Duldungspflichten des Mieters bei modernisierungsbedingten Mieterhöhungen in § 541 a Abs. 2 BGB fand sich im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit. Der Vermittlungsausschuß schlägt jedoch vor, den in § 3 Abs. 1 Satz 2 Miethöhegesetz vorgesehenen Ausschluß der Mieterhöhung, soweit diese in einem erheblichen Mißverhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen steht, fallenzulassen. Außerdem soll die in § 3 Abs. 1 Satz 9 Miethöhegesetz enthaltene Begrenzung auf 75 v. H. der Aufwendungen bei der Errechnung des Mieterhöhungsbetrages nach der Durchführung energiesparender Maßnahmen wegfallen. Gleichzeitig schlägt der Vermittlungsausschuß vor, den Erhöhungssatz in § 3 Abs. 1 Satz 1 Miethöhegesetz von 14 v. H. der Modernisierungsaufwendungen zugunsten des Mieters allgemein auf 11 v. H. zu reduzieren.
Neuntens. Das nach Maßgabe der vorgetragenen Vorschläge geänderte Gesetz soll am 1. Juli 1978 in Kraft treten.
Meine Damen und Herren, der Vermittlungsausschuß hat sich bemüht, ein für alle Beteiligten tragbares Ergebnis zu finden. Er hat gemäß seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Namens des Ausschusses darf ich Sie um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Änderungsvorschlag bitten.

(Beifall)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht? — Bitte schön!

Klaus Francke (CDU):
Rede ID: ID0810000500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Ergebnis kann nach den ausführlichen Beratungen im Bundestag sowie im Bundesrat nicht im ganzen überzeugen. Trotzdem wird die CDU/CSU-Fraktion der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zustimmen; dies aus zwei Gründen:
Erstens. Im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung und der SPD/FDP-Koalition ist es allein — ich betone: allein — der wohlbegründeten Meinung und Durchsetzungsfähigkeit der CDU/CSU zu `verdanken, daß das Förderungsprogramm nunmehr fast gleichgewichtig in einen steuerlichen Teil und einen Zuschußteil zerlegt worden ist. Allein diese Teilung, insbesondere die von der CDU/CSU geforderten steuerlichen Maßnahmen, werden die von allen Fraktionen dieses Hauses gewollte schnelle und unbürokratische Umsetzung des Prgramms zur Energieeinsparung ermöglichen.
Zweitens. Nach dem Fehlverhalten der Bundesregierung gegenüber den Ländern zu Beginn der Diskussion im Jahre 1977 lag uns daran, nunmehr



Francke (Hamburg)

das zu lösende Problem unsererseits aktiv anzupacken und jetzt einer Lösung zuzuführen.
Warum kann das Ergebnis nicht im ganzen überzeugen und befriedigen? Ich habe bereits in meiner Rede bei der Einbringung der Regierungsvorlage darauf aufmerksam gemacht, daß es dringend einer Harmonisierung verschiedenster Vorschriften im Bereich der Wohnungsmodernisierung bedarf. Insbesondere trifft dies für die Frage der unterschiedlichen Duldungspflichten zu. Es ist nicht einzusehen, warum Mieter im freifinanzierten Wohnungsbau anderen Duldungspflichten unterliegen sollen als Mieter im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Zu Recht hatten wir daher gefordert, nunmehr im Rahmen dieses Änderungsgesetzes auch die volle Harmonisierung vorzunehmen. Wir waren überzeugt, hierbei auch die Zustimmung der Bundesregierung zu finden, die selber in der Fortschreibung ihres Energieprogramms diese Harmonisierung versprochen hatte. Daß sie letztlich diese Unterstützung nicht gegeben hat, zeugt nicht von besonderer Stärke in der Argumentation und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sie tragenden Fraktionen von SPD und FDP.

(Krockert [SPD] : Was ist denn das für eine Erklärung? — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Eine Debattenrede!)

Die Bundesregierung bleibt im Obligo, eine zur Umsetzung des Programms notwendige Gesetzesharmonisierung nun ihrerseits in angemessener Frist zu betreiben.
Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses beinhaltet darüber hinaus eine Zurücknahme des umlagefähigen Anteils aufgewandter Modernisierungsmittel auf die Miete von 14 auf 11 %. Nach unserer Auffassung ist diese Einengung des Ermessensspielraums für den Vermieter kaum vertretbar. Er ist — das zeigt die Begründung durch SPD und FDP — allzu sehr durch eine Momentaufnahme der derzeitigen Kapitalmarktsituation bestimmt. Ändert sich diese, werden wir alle genötigt sein, uns schon aus diesem Grund erneut mit dem Problem einer ausreichenden Wirtschaftlichkeit des Grundbesitzes zu beschäftigen. Im übrigen: 11 % mit Härteklausel stellen den Vermieter deutlich schlechter als die alte Regelung ohne Härteklausel.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang muß klar gesagt werden, daß die Zurücknahme von 11 auf 14 % einem Gedanken der FDP-Fraktion entspricht. Dies zeigt wieder einmal die Doppelzüngigkeit dieser Partei. Denn bei den Betroffenen draußen erklärt die FDP, sie sei für mehr Marktwirtschaft auch im Wohnungswesen;

(Widerspruch bei SPD und FDP)

hier im Hause konkret gefordert, tut sie dann das genaue Gegenteil.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das ist doch keine Erklärung! — Wehner [SPD] : Das ist das erstemal im Deutschen Bundestag, daß bei einer solchen Erklärung zu Vermittlungsbeschlüssen eine Debattenrede gehalten wird!)

Lassen Sie mich kurz zwei weitere Punkte ansprechen. Das Gesetz in der nun vorliegenden Fassung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
In seinem technischen Teil bedarf es dringend einer Fortschreibung, um den technischen Entwicklungen im Bereich der Energieeinsparung gerecht werden zu können. Aber auch der jetzt finanziell gesetzte Rahmen bis 1982 wird nicht zu einer Gesamtlösung führen. Energieeinsparung ist eine Daueraufgabe, die folglich über das Jahr 1982 hinausreicht.
Der heute zu fällende Beschluß ist das Ergebnis eines Kompromisses. Weil dieser Kompromiß ordnungspolitisch und praktisch durch die Hereinnahme des steuerpolitischen Teils den Auffassungen und Vorschlägen der CDU/CSU entspricht, werden wir ihm zustimmen. Es muß aber der Regierung nochmals vorgehalten werden: Hätte sie von Anfang an die Länder als gleichberechtigte Partner angesehen, danach gehandelt und die ordnungspolitischen Vorschläge der CDU/CSU angenommen, wäre das Programm zur Einsparung von Energie längst angelaufen. Die leider eingetretene Verzögerung hat somit die Bundesregierung allein zu vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krockert.

Horst Krockert (SPD):
Rede ID: ID0810000700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das Wort zu einer Erklärung für die SPD-Bundestagsfraktion erbeten. Ich werde diese Erklärung abgeben. Zuvor möchte ich mir aber die Bemerkung erlauben, daß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu empfehlen ist, ihrem Abgeordneten Francke einmal eine Aufklärung darüber zu geben, was der Unterschied zwischen einem Debattenbeitrag und einer Erklärung ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

Die SPD-Fraktion dankt dem Vermittlungsausschuß für die schwierige und umfangreiche Arbeit, mit der es ihm gelungen ist, aus zwei grundverschiedenen Ansätzen ein tragbares Ergebnis zustande zu bringen.

(Kolb [CDU/CSU] : Alles in Ihrem Sinn!)

Wir akzeptieren dieses Ergebnis und stimmen der Beschlußempfehlung zu. Damit bringen wir zum Ausdruck, daß die wesentlichsten politischen Anliegen der Sozialdemokraten gewahrt blieben und Bestätigung gefunden haben.
Im einzelnen möchte ich hervorheben: Die Investitionen für Energiesparmaßnahmen werden überwiegend, nämlich in Höhe von 2,34 Milliarden DM, direkt durch Zuschüsse gefördert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und unter Anwendung von mehr Bürokratie!)




Krockert
Sie werden damit bis 1982 9 bis 10 Milliarden DM an Investitionen auslösen. Von diesem Zuschußprogramm sind 94 %, rund 2,2 Milliarden DM, für die Verbesserung von Wohnungen bestimmt. Hinzu kommen die Investitionen, für die steuerliche Vergünstigungen in Anspruch genommen werden. Aber die von der Opposition und von der Länder-Mehrheit angestrebte Ausdehnung des Steuerbegünstigungsrahmens zu Lasten des effektiveren und gerechteren Zuschußprogramms konnte durch das Vermittlungsergebnis begrenzt werden.
Es wird erstens keine Doppelförderung geben. Es bleibt bei der Alternative: entweder Zuschuß oder steuerliche Abschreibung.
Es wird zweitens nicht die geforderte Verdoppelung des Abschreibungssatzes geben. Es bleibt bei 10 °/o.
Drittens wird es keine Sonderabschreibung für allgemeine Verbesserungsmaßnahmen, also für solche ohne Energieeinsparungseffekt, für die Fertigstellungsjahre 1961 bis 1977 geben, wie es die Bundestagsopposition und die Bundesratsmehrheit auch noch gefordert haben. Die Jahrgangsgrenze wird nur bis einschließlich 1960 verschoben.
Viertens wird es keinen sofortigen Abzug des gesamten Erhaltungsaufwandes für Einfamilienhäuser geben. Es bleibt bei der Begünstigung der Einfamilienhäuser so, wie es der Bundestag schon beschlossen hatte.
Alle diese abgewiesenen Forderungen von Bundestagsopposition und Bundesratsmehrheit hätten nämlich — hätte man ihnen entsprochen — zusätzlich extrem hohe Steuerausfälle zur Folge gehabt, die zu Lasten des Zuschußprogramms gegangen wären und die sich vorzugsweise zugunsten der bessergestellten Steuerzahler ausgewirkt hätten. Durch das Vermittlungsergebnis ist das verhindert worden.
Was die Verfahrensbestimmungen für den Einsatz der Mittel anbetrifft, so wird die Zusammenfassung von energiesparenden und anderen allgemeinen Verbesserungsmaßnahmen die verwaltungsmäßige Behandlung zwar erleichtern, es bleibt aber gewährleistet, daß die zusätzlichen Energiemittel allein für diesen Zweck zur Verfügung stehen. Die Grenzen werden nicht verwischt. Auf die Länder wird nach der Zahl der Wohnungen verteilt. Der von der Ländermehrheit geforderte gesetzliche Schlüssel, der an Kriterien orientiert gewesen ist, die mit idem Ziel der Energieeinsparung nichts zu tun hatten, wird nicht eingeführt.
Es bleibt weiterhin dabei, daß Bund und Länder die Zuschußmittel je zur Hälfte aufbringen. Das Ansinnen an den Bund, ganze drei Viertel dieser Belastung auf seine Schultern zu laden, fand keine Zustimmung.
Schließlich komme ich zur Berücksichtigung der Mieter. Das Gesetz, so wie es jetzt entsteht, wird deren Interessen nicht nur wahren, es wird ihre Situation teilweise sogar verbessern.
Erstens bleibt die Duldungspflicht für Modernisierungen, einschließlich der Energieeinsparungen, auf
die bisherigen Voraussetzungen des Modernisierungsgesetzes beschränkt. Die bei dieser Gelegenheit geforderte Ausweitung auf das allgemeine Mietvertragsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat im Vermittlungsverfahren keine Zustimmung gefunden.
Zweitens aber wird ein Vermieter, der modernisieren will, dem Mieter künftig nicht nur Art und Umfang, Beginn und Dauer der beabsichtigten Maßnahme mitteilen müssen, sondern auch die sich daraus voraussichtlich ergebende Mieterhöhung. Wir halten diese neue Bestimmung für eine wesentliche Verbesserung. Es wird dem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter zugute kommen, wenn sie auch in dieser Hinsicht wissen, woran sie miteinander sind.
Drittens hat der Vermittlungsausschuß vorgeschlagen, daß künftig nicht mehr 14 % der Kosten einer Verbesserungsmaßnahme, sondern nur noch 11 % mieterhöhend umgelegt werden dürfen. Wir sind damit sehr einverstanden. Diese Begrenzung der Mieterbelastung bei jeder Art von Verbesserungsmaßnahmen ersetzt die auf dasselbe Ziel gerichteten Vorschläge der Bundestagsmehrheit, den umlagefähigen Ansatz auch bei steuerlicher Begünstigung zu begrenzen und einen am Nutzeffekt orientierten Umlageausschluß einzuführen. Das mußten wir preisgeben, aber angesichts der 11 %-Regelung können wir das verschmerzen.
Nach der heutigen Zustimmung des Bundestages werden wir wohl auch die Zustimmung des Bundesrates am morgigen Tag erwarten dürfen. Ein schwieriges und in mancher Hinsicht denkwürdiges Verfahren findet dann seinen Abschluß.

(Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU] : In der Tat denkwürdig!)

Wir sind zuversichtlich, daß nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli dieses Jahres die erwarteten Wirkungen bald einsetzen werden und daß sie mittelfristig zur Verstetigung der Investitionstätigkeit und der Beschäftigungsentwicklung in einem wichtigen Sektor beitragen.
Ich schließe mit dem ausdrücklichen Dank der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion an den Bundesbauminister. Die Beharrlichkeit, mit der er an dem einmal gesetzten Ziel durch alle Schwierigkeiten hindurch festgehalten hat, und der Fleiß seiner Mitarbeiter, die er auf diesem Wege mitgenommen hat, waren wesentliche Voraussetzung für das befriedigende Ergebnis, das uns heute vorliegt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das war eine Erklärung! — Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: O si tacuisses, ... ! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810000800
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID0810000900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine 'Herren! Herr Kollege Francke, ich halte mich an die Spielregeln und wer-



Gattermann
de Ihnen deshalb demnächst bei passender Gelegenheit in der gehörigen Form antworten.

(Dr. Möller [CDU/CSU] : Was soll das?!)

Das Verhandlungsergebnis des Vermittlungsausschusses zum Wohnungsmodernisierungsgesetz findet die Billigung der FDP-Fraktion. Zwar sind nicht alle unsere Vorstellungen vom besten Weg zur Einsparung von Energie bei der Gebäudeheizung verwirklicht; wie sollte dies aber auch bei einem Kompromiß der Fall sein, der seinen Namen doch nur verdient, wenn er Ausdruck des wechselseitigen Nachgebens beider Seiten ist? Ich habe das Ergebnis des Vermittlungsausschusses bereits am Freitag einmal mit den Worten kommentiert: Die schwere Geburt hat das Kind nicht schöner und gesünder gemacht, aber es ist sehr lebensfähig. Diese Beurteilung gilt.
Als positiv bewerten wir folgende Einzelpunkte:
Erstens. Die gleichgewichtige Beteiligung von Bund und Ländern an der Finanzierung dieses Gesetzes ist beibehalten worden. Dies ist für uns nicht nur angesichts der Haushaltssituation des Bundes wichtig, dies ist für uns auch wichtig wegen der Bedeutung dieses Beteiligungsverhältnisses für das verfassungsrechtliche Instrument von Mischfinanzierungen überhaupt.
Zweitens. Wir sind auch sehr befriedigt darüber, daß das freie Optionsrecht des Investors für Steuererleichterungen oder Zuschüsse ohne Rücksicht auf Einkommens- oder Mietobergrenzen unberührt geblieben ist, nicht nur weil die freie Dispositionsmöglichkeit des Investors die beste Gewähr dafür ist, daß mehr investiert wird, sondern auch deshalb, weil die Zielsetzung der Energieeinsparung mit Einkommensgrenzen nach unserem Verständnis unvereinbar ist.
Drittens. Wir begrüßen es auch ausdrücklich, daß die Regelung der Duldungspflicht nicht im Schnellverfahren in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen worden ist. Bei der für das kommende Jahr vorgesehenen generellen Neuregelung der Duldungspflicht im BGB wollen wir nämlich wesentlich mehr Vertragsfreiheit erhalten sehen, als dies bei der jetzigen Regelung im Modernisierungsgesetz der Fall ist.

(Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU] : Wir hoffen mit Ihnen! — Dr. Möller [CDU/CSU] : Daran wollen wir Sie festnageln, Herr Gattermann!)

Viertens. Wir begrüßen es, daß der Finanzzuweisungsschlüssel des Gesetzes unverändert blieb, weil eine Anpassung an den Zuweisungsschlüssel für sonstige Modernisierungen dem Energieeinspargedanken nicht gerecht werden würde.
Fünftens. Wir beurteilen letztlich auch die Veränderungen, die das Miethöhengesetz erfahren hat, positiv. Von der Praktikabilität der Verhältnismäßigkeitsklausel im Sinne unserer politischen Zielsetzung waren wir am Ende selbst nicht mehr restlos überzeugt. Sie hätte eine Fülle von Prozessen auf schwer justitiabler Grundlage ausgelöst. Auch die
Praktikabilität der Regelung zur Weitergabe steuerlicher Vorteile an den Mieter mußte ernstlich bezweifelt werden. Die jetzt statt dessen gefundene Regelung einer Reduzierung des Investitionskostenumlagesatzes von 14 % auf 11 % ist dagegen einfach und komplikationslos zu handhaben und verwirklicht den Schutzgedanken, den Mieter vor exorbitanten Modernisierungsmietsteigerungen zu schützen, weitgehend. Umgekehrt mutet diese Regelung dem Vermieter angesichts der Kapitalmarktsituation nicht zuviel zu, zumal Mieterhöhungen auf der Grundlage des Umlagesatzes von 14 % bei größeren Modernisierungsmaßnahmen am Markt ohnehin nur schwer durchsetzbar sein würden.
Nicht positiv bewerten wir die Tatsache, daß die besonderen Fördervoraussetzungen für energiesparende Maßnahmen weggefallen sind und daß die Mittel nun vorrangig in Modernisierungsschwerpunkten eingesetzt werden sollen. Hier ist unverkennbar, daß der Energieeinsparungseffekt gegenüber der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes eingeschränkt worden ist, zumindest aber die gewünschte breite Mittelstreuung beeinträchtigt ist. Letztlich halten wir diese Regelung aber für vertretbar, weil sie auf der anderen Seite unbestritten Verwaltungsvereinfachungen mit sich bringt.
Ähnliches gilt für die Ausdehnung der Jahrgangsgrenze für Sonderabschreibungen bei sonstigen Modernisierungsmaßnahmen auf den 1. Januar 1961. An sich wird hier ein wohnungspolitisches Anliegen der FDP teilweise verwirklicht, was wir deshalb aus wohnungspolitischer Sicht auch ausdrücklich begrüßen.

(Kolb [CDU/CSU] : Mit so kleinen Schritten sind Sie zufrieden?)

Wir müssen allerdings sehen, daß dadurch die öffentlichen Mittel zur Energieeinsparung zugunsten sonstiger Modernisierungsmaßnahmen um ca. 250 Millionen DM geschmälert werden. Diese Regelung wird für uns letztlich aber deshalb vertretbar, weil bei Gelegenheit sonstiger Modernisierungsmaßnahmen an Gebäuden der Baujahrgänge 1957 bis 1960 teilweise auch Energieeinspareffekte erzielt werden.
Neutral bewerten wir die vorgenommene Verlagerung von energiesparenden Baumaßnahmen an sonstigen gewerblichen Räumen aus der Zuschußförderung in die Steuerförderung wie auch die geringe sonstige Ausweitung der Steuerförderung, die insgesamt eine Reduzierung des Zuschußvolumens von 2,85 auf 2,34 Milliarden DM bedingen. Wir haben bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebracht, daß solche Verlagerung in Maßen für uns kein entscheidender Punkt ist. Energieeinspareffekte werden mit der einen wie mit der anderen Lösung erzielt. Im Zuschußbereich sind die Maßnahmen übersichtlicher, leichter steuerbar und in ihrem Finanzvolumen leichter begrenzbar, was uns diese Lösung favorisieren ließ. Auf der anderen Seite sind gewünschte Investitionen bei der steuerlichen Lösung unbürokratischer und schneller zu verwirklichen, so daß die Abwägung der Vor- und Nachteile in diesem Bereich dazu führt, daß wir auch in diesem Punkt dem Vermittlungsergebnis zustimmen können.



Gattermann
Lassen Sie mich abschließend sagen — dabei gehen wir davon aus, daß das Vermittlungsergebnis heute in diesem Hohen Hause und morgen im Bundesrat gebilligt werden wird —, daß wir froh sind, daß diese Gesetzesnovelle nunmehr endlich am 1. Juli 1978 in Kraft treten kann, nachdem das Energieeinsparprogramm eigentlich schon Ende des vergangenen oder Anfang dieses Jahres hätte anlaufen sollen. Wir sind insbesondere deshalb so zufrieden über den Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens, weil dieses Gesetz beim bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel einen eindrucksvollen Beweis für die Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland um Energieeinsparung darstellt.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810001000
Meine Damen und Herren, wir befinden uns im Verfahren nach § 10 der Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß. Danach ist vor der Abstimmung die Abgabe von Erklärungen in diesem Hause zulässig. Erklärungen sind sachliche Ausführungen zur Vorlage. Ich rüge die Ausführungen des Abgeordneten Francke, soweit sie darüber hinausgingen.
Das Wort hat nunmehr der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Dr. Dieter Haack (SPD):
Rede ID: ID0810001100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung möchte ich vor der Abstimmung drei Feststellungen treffen.
Erstens möchte ich mich bei allen bedanken, die in diesem langwierigen Verfahren mit dazu beigetragen haben, daß wir nun doch. noch zu einem tragfähigen Ergebnis gekommen sind.
Zweitens. Die Ausführungen des Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, die besagten, daß die Bundesregierung die zeitliche Verzögerung zu vertreten habe, muß ich als unrichtig zurückweisen. Sie stellen die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes direkt auf den Kopf.

(Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Was ist denn das, Herr Präsident?)

Drittens. Für die Abgeordneten des Hohen Hauses, die bereit sind, selbstkritisch über das Verfahren beim Heizenergiesparprogramm nachzudenken, verweise ich auf den Artikel von Rolf Zundel „Der Leidensweg einer Vorlage — eine Fallstudie" in der heutigen Ausgabe der „Zeit". Herr Zundel kommt in diesem langen Artikel zu dem Ergebnis — das sollten wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages ernst nehmen —: Es gibt kaum eine bessere Methode, um die parlamentarische Demokratie zu ruinieren.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung würde es sehr begrüßen, wenn der Bundestag dieser Vorlage des Vermittlungsausschusses zustimmen würde.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810001200
Ich würde es begrüßen, wenn sich die Vertreter der Bundesregierung gleichfalls
an die Richtlinien des § 10 der Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß halten würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/1932 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen ist damit die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze
— Drucksache 8/1933 —
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0810001300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß hat sich am 15. Juni mit dem Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze befaßt. Er ist lediglich in einem einzigen von den sechs Anrufungsbegehren des Bundesrates diesem gefolgt und hat § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes so geändert, daß an die Stelle des Wortes „überwiegend" die Worte „nicht nur geringfügig" getreten sind. Dies bedeutet, daß in den Bereich der Fremdenverkehrsförderung die sogenannten Mischbetriebe, also z. B. Gasthöfe mit Beherbergung, in die regionale Wirtschaftsförderung einbezogen sind, wenn mehr als 10 % ihres Umsatzes auf Übernachtungen entfallen. Damit können insbesondere kleinere und mittlere Betriebe mit gastronomischem Angebot die Investitionszulagen in Anspruch nehmen. Gerade für strukturschwache Gebiete wird dies eine wichtige Hilfe sein.
Insbesondere finanzwirtschaftliche Gründe, also die Haushaltslage von Bund und Ländern, aber auch die Gefahr einer Verzerrung des Förderungsgefüges und die Aufrechterhaltung eines sinnvollen Förderungsgefälles zungunsten von Berlin und dem Zonenrandgebiet haben dazu geführt, daß die anderen fünf Anrufungsbegehren des Bundesrates nicht die Zustimmung des Vermittlungsausschusses erhalten haben bzw. vom Vermittlungsausschuß nicht aufgenommen worden sind.
Allein die zu § 1 Abs. 4 des Investitionszulagengesetzes geforderte Erhöhung des Zulagensatzes von 7,5 auf 10 % hätte endgültige Steuerausfälle von insgesamt 235 Millionen DM im Jahr, davon



Westphal
170 Millionen DM beim Bund, bedeutet. Sie hätten sich noch wesentlich erhöht, wenn man als Folge einer solchen Entscheidung die damit verbundenen relativen Präferenzminderungen Berlins gegenüber den anderen Förderungsgebieten, wie dies verständlicherweise von Berlin gefordert wurde, wieder hätte ausgleichen müssen.
So konnte also aus den genannten Gründen weder die für § 1 Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes geforderte Einbeziehung der Ersatzbeschaffungen in die Investitionsförderung im Zonenrandgebiet noch die eben schon erwähnte Erhöhung des Zulagensatzes in § 1 Abs. 4 eine Mehrheit im Vermittlungsausschuß finden.
Die für § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 desselben Gesetzes gewünschte Herabsetzung der Förderschwelle für Güter oder Leistungen, die überregional abgesetzt werden, von mehr als 50 % auf ein Drittel des Umsatzes wurde als Vermittlungsbegehren nicht aufgenommen.
Auch im Kernbereich des Gesetzes, nämlich bei der künftig mit 15 % begünstigten Förderung von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, blieb der Vermittlungsausschuß bei der vom Bundestag verabschiedeten Fassung. Dies geschah einerseits, weil eine Heraufsetzung des Fördervolumens von 500 000 DM auf 1 Million DM jährlich vornehmlich Großunternehmen zugute käme. Andererseits können die in den Mittelpunkt der Förderungsverbesserung gestellten kleineren und mittleren Betriebe bei Bauprojekten im Zusammenhang mit Forschungs-und Entwicklungsförderung in aufeinander folgenden Jahren mehrfach das Fördervolumen von 500 000 DM in Anspruch nehmen, weil sich Bauprojekte meist über mehr als ein Jahr hinziehen. Deshalb wurde die Verdoppelung des Fördervolumens in § 4 Abs. 1 Satz 3 des Investitionszulagengesetzes vorn Vermittlungsausschuß abgelehnt. Auch ein Alternativvorschlag, der eine komplizierende Förderungsregelung zur Folge gehabt hätte, fand keine Mehrheit.
Als Konsequenz dieser Entscheidungen wurden die für § 19 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 des Berlinförderungsgesetzes vorgeschlagenen Präferenzänderungen nicht erforderlich und deshalb als Vermittlungsbegehren nicht aufgenommen.
Es soll also, meine Damen und Herren, mit Ausnahme der allseits Zustimmung findenden Einbeziehung der Gaststätten mit Fremdenzimmern und ähnlicher Mischbetriebe in die regionale Wirtschaftsförderung bei dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetz bleiben, das uns insgesamt gesehen, insbesondere wegen seiner wesentlich verbesserten Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen und wegen seines zweiten Schwerpunktes, der Förderung von Energieeinsparungsinvestitionen, sowie der Wiederherstellung notwendiger Förderungspräferenzen für Berlin und das Zonenrandgebiet helfen wird, unsere Wirtschaft in wesentlichen Bereichen zu modernisieren und in diesem Zusammenhang Arbeitsplätze zu sichern und neu zu schaffen.
Ich bitte, meine Damen und Herren, um Zustimmung zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses in einer zusammengefaßten Abstimmung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810001400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Dr. Warnke.

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID0810001500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Betrachtung des Vermittlungsproduktes, über das wir hier zu entscheiden haben, hat man zunächst einmal Mühe, es überhaupt zu entdecken. Eine römische Redensart drängt sich auf: Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus: Es kreißen die Berge, und geboren wird eine sehr kleine Maus.
Namens der CDU/CSU-Fraktion gebe ich zum Vorschlag des Vermittlungsausschusses folgende Erklärung ab.
Die Union hatte im Deutschen Bundestag einen eigenen Gesetzentwurf zum Investitionszulagengesetz vorgelegt. Er hatte zwei Schwerpunkte:
1. Wiedergutmachung der Benachteiligung von strukturschwachen Gebieten und des Zonenrandgebiets durch Anhebung der Investitionszulage zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen auf ihre alte Höhe von 10 °/o, die sie bis 1973 hatte;
2. Verbesserte Mittelstandsförderung durch erleichterten Zugang mittelständischer Unternehmen zur Regionalzulage und durch wirksamere Ausgestaltung der Mittelstandspräferenz bei der Forschungs- und Entwicklungszulage.
Die Bundesratsmehrheit hat sich die Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zu eigen gemacht.
Im Vermittlungsausschuß konnte Mehrheit lediglich für eine einzige Veränderung in der Fremdenverkehrsförderung erzielt werden. Diese Veränderung ist zwar notwendig, sie ist aber unzulänglich. Für sich allein genommen ist sie sogar gefährlich. Sie birgt die Gefahr in sich, daß die strukturschwachen Gebiete auf eine Einzelfunktion beschränkt werden, nämlich die Funktion als Fremdenverkehrsträger. Die Neuschaffung von gewerblichen Arbeitsplätzen erscheint der Vermittlungsausschußmehrheit offensichtlich nicht — zumindest nicht im früheren Umfange — förderungswürdig.
Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich demgegenüber zum Recht der Menschen in den strukturschwachen Gebieten und im Zonenrandgebiet auf Arbeitsplätze auch und gerade im gewerblichen Bereich in ihrer Heimat. Die Schaffung und die Sicherung solcher Arbeitsplätze sind um so notwendiger geworden, als seit der zweiten und dritten Lesung des Investitionszulagengesetzes im Deutschen Bundestag und während der Dauer des Vermittlungsverfahrens folgende neue Fakten gesetzt worden sind:



Dr. Warnke
1. Zusätzliche Arbeitsplatzförderung in den Be-. reichen Kohle und Stahl in Höhe von fast 1 Milliarde DM;
2. 375 Millionen DM für die Sicherung von 2 000 bis 3 000 Arbeitsplätzen bei einem einzigen Bundesunternehmen in Berlin;
3. — seit neuestem — zusätzliche Förderung der Berliner Wirtschaft und Kultur durch das 900-Millionen-Programm für Berlin. Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich zu allen drei Maßnahmen als Aufgabe nationaler Bedeutung. Sie erkennt diesen Rang einer Aufgabe für die Nation in ihrer Gesamtheit aber auch der Sicherung des Lebensrechts der Menschen in den strukturschwachen Gebieten und im Zonenrandgebiet zu. Da das Investitionszulagengesetz in der vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Fassung im Lichte der zwischenzeitlichen Entwicklung nicht geeignet ist, das Recht auf Arbeitsplätze in der eigenen Heimat zu gewährleisten, lehnt die CDU/ CSU-Fraktion das Vermittlungsergebnis ab. Sie erwartet, daß der Bundesrat ein Gleiches tut, weil das Gesetz in der gegenwärtigen Form keine Zustimmung verdient. Es bekräftigt bestehende Ungerechtigkeit.
Die Koalition muß sich jetzt entscheiden. Sie hat das verfassungsmäßige Recht, nach der Entscheidung des Bundesrates noch einmal den Vermittlungsausschuß anzurufen. Sollte die Koalition nicht zum Einlenken bereit sein und das Gesetz scheitern lassen, so wird die Union mit einem erneuten Gesetzesantrag jenem Drittel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, das in strukturschwachen Gebieten lebt, Gerechtigkeit verschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810001600
Das Wort — ebenfalls zur Abgabe einer Erklärung — hat der Herr Abgeordnete Kühbacher.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0810001700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der SPD-Fraktion begrüße ich das Vermittlungsergebnis, das im wesentlichen die Regelungen, die vor einigen Wochen im Deutschen Bundestag beschlossen worden sind, bestätigt; mit einer kleinen Ausnahme, nämlich der Ausnahme,. daß in Fremdenverkehrsgebieten künftig Investitionen, soweit sie nicht nur der Herstellung weiterer Fremdenbetten dienen, ebenfalls in den Förderungskatalog einer Investitionszulage einbezogen werden können. Diese im Vermittlungsausschuß gefundene Formulierung hätte auch bereits in die Beschlüsse des Finanzausschusses Eingang finden können, wenn der Bundesrat oder das Wirtschaftsministerium eine entsprechende Formulierung hätte vorlegen können; denn über ,die Notwendigkeit war sich auch damals schon das ganze Haus im klaren. Ich freue mich, daß das nunmehr nachträglich durch den Vermittlungsausschuß aufgenommen werden konnte.
Ich darf aber im Hinblick auf den eigentlichen Kernpunkt des Gesetzes noch einmal auf folgende Schwerpunkte hinweisen, die heute zur Abstimmung stehen. Die drei Schwerpunkte des Investitionszulagengesetzes sind erstens die Forschungsförderung
für kleine und mittlere Unternehmen, zweitens die Begünstigung von Sonderabschreibungen im Zonenrandgebiet und drittens ein umfangreicher BerlinFörderungskatalog. Ich kann nur hoffen, daß die Absichten der Mehrheit dieses Hauses, für die Forschungsförderung kleinerer und mittlerer Unternehmen 110 Millionen DM bereitzustellen, für ,die Sonderabschreibungen im Zonenrandgebiet auf 35 Millionen DM Einnahmen zu verzichten, um dort investitionsfördernd zu wirken, und in Berlin auf 25 Millionen DM Steuereinnahmen zu verzichten, nicht durch den Bundesrat durchkreuzt werden, der sich, wenn ich das richtig weiß, am Freitag erneut mit dieser Vorlage befassen muß.
Ziel des Gesetzes war — und dies begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich —, bei der Forschungsförderung den kleinen und mittleren Unternehmungen ihre Absichten zu erleichtern, im investiven Bereich Mittel einzusetzen, die ,diesen Betrieben mittlere und längere Zukunftsaussichten gewährleisten. Wir hatten uns entschlossen, von 71/2 % Förderung auf 15 % Investitionszulage für die Forschung hinaufzugehen.
Zweitens sind für die Forschungsförderung die immateriellen Investitionsgüter im Anlagenkatalog auf Patente und Lizenzen erweitert worden. Von daher gibt es einen breiteren Anlagenkatalog, insbesondere für die kleineren Betriebe, die sich eigene Forscherteams nicht leisten können.
Drittens enthält das Gesetz die Begünstigung der Wärme-Kraft-Kopplung und der Investitionen in diesem Bereich, um gleichzeitig einen weiteren Beitrag zur Energieeinsparung zu liefern.
Auf die Sonderabschreibungen für das Zonenrandgebiet habe ich hingewiesen. Im Zonenrandgebiet sollen den Investoren durch günstigere, schnellere Abschreibungsmöglichkeiten Investitionsanreize zusätzlich geboten werden, um natürlich auch bei Rationalisierungsmaßnahmen, bei Umstellungsmaßnahmen arbeitsplatzsichernde Investitionen oder sogar arbeitsplatzschaffende Investitionen zu erleichtern. Dies wird im Zonenrandgebiet mit Sicherheit anerkannt und begrüßt werden, weil hier eine Zusage des Jahreswirtschaftsberichts eingelöst wird.
Über die Berlin-Förderung, über die in diesem Hause noch zu sprechen sein wird, möchte ich mich hier nicht im einzelnen intensiver verbreiten. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir im Umsatzsteuerbereich, im Einkommensteuerbereich und im Bereich des Investitionszulagengesetzes selber für Berlin eine positive Regelung gefunden haben.
Daß der Vermittlungsausschuß sich nicht entschließen konnte, entsprechend der Forderung des Bundesrates die Investitionszulage über alle Fördergebiete von 71/2 auf 10 % zu erweitern, war nach unserer Ansicht schon vorher zu erkennen. Denn diese Gießkannenförderung mit 170 Millionen DM hätte dem Zonenrandgebiet eher geschadet denn genutzt.
Daß die übrigen Forderungen des Bundesrates im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit gefunden haben, hat der Berichterstatter bereits dargestellt.
Wie schon bei der Verabschiedung des Investitionszulagengesetzes begrüßt die SPD-Fraktion die



Kühbacher
gefundene Formulierung und die jetzt gefundenen Erleichterungen, die für die genannten Bereiche immerhin etwa 170 Millionen DM an Steuerverzicht bzw. Investitionszulagen in sich bergen. Von daher hofft die SPD-Fraktion, daß nach der heutigen strittigen Abstimmung der Bundesrat dem Vermittlungsergebnis ebenfalls zustimmen wird — im Interesse der kleineren und mittleren Unternehmungen, im Interesse des Zonenrandes und im Interesse Berlins.

(Beifall bei der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810001800
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID0810001900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des Umfanges der Veränderungen im Investitionszulagengesetz, den der Vermittlungsausschuß vorschlägt, brauche ich nicht besonders zu betonen, daß dieses Vermittlungsergebnis die Billigung meiner Fraktion findet. Die einzige Änderung, die Regelung, Fremdenverkehrsbetriebe auch dann als förderungsfähig anzusehen, wenn diese nicht überwiegend, sondern nicht nur geringfügig der Beherbergung dienen, halten wir aus mittelstandspolitischen Überlegungen für eine Verbesserung des Gesetzes. Es bleibt abzuwarten, ob diese Verbesserung, die gerade auch Flächenstaaten mit reizvoller Landschaft und bäuerlich-ländlicher Struktur im Süden unseres Landes zugute kommt, so attraktiv ist, daß mindestens eine mehrheitliche Billigung im Bundesrat möglich wird. Wir hoffen dies.
Daß die übrigen Wünsche des Bundesrates nach Einbeziehung von Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen im Zonenrandgebiet in die Förderung, nach Erhöhung ,des regionalen Zulagesatzes von 7,5 auf 10 %, nach Begünstigung von Betriebsstätten, deren Güter und Leistungen nur zu einem Drittel für den überregionalen Markt bestimmt sind, und auf Anhebung der Obergrenze für Forschungsinvestitionen auf 1 Million DM bei ,der Entscheidung im Vermittlungsausschuß keine Berücksichtigung fanden, ist aus guten Gründen geschehen, nicht zuletzt aus Haushaltsgründen, denen man sich gelegentlich beugen muß.
Wir appellieren an den Bundesrat, dieses Gesetz mit seinen ganz entscheidenden Verbesserungen für die Forschungsförderung insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben nicht scheitern zu lassen. Forschung und Entwicklung sind ,die entscheidenden Grundlagen für die Lebensfähigkeit unserer Wirtschaft in der Zukunft. Wenn angesichts der Arbeitskostenentwicklung bei uns unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zunehmend nur noch durch Qualitätswettbewerb aufrechterhalten werden kann, ist die Notwendigkeit verstärkter Forschungs- und Entwicklungsförderung eigentlich nicht diskussionsbedürftig.
Wir appellieren deshalb auch an die Bundesregierung, im Falle eines nicht erwarteten und nicht zu verstehenden Nein des Bundesrates zu prüfen, ob sie nicht von ,den verfassungsmäßig gegebenen Möglichkeiten einer Fortsetzung des Gesetzgebungsverfahrens Gebrauch machen will.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810002000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/1933 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses ist damit ,angenommen.
Ich rufe Punkt 13 ,der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes (2. BauStatG)
— Drucksache 8/1934
Berichterstatter: Abgeordneter Henke
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Bitte, Herr Abgeordneter Henke.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0810002100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 78. Sitzung am 9. März 1978 das Zweite Gesetz über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit und die Fortschreibung des Gebäudebestandes — kurz: 2. Baustatistikgesetz — beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, durch Neugestaltung der Bautätigkeitsstatistik insbesondere städtebaulich relevante Inhalte einzuführen und stärker zu betonen sowie die Aussagefähigkeit der Statistik im Hinblick auf die wohnungswirtschaftliche Versorgung, auf Konjunkturpolitik, Raumordnung und Umweltschutz zu erweitern.
Der Bundesrat hat in seiner 457. Sitzung am 21. April 1978 beschlossen, zu diesem Gesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Vermittlungsausschuß hat am 15. Juni 1978 getagt. Die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses liegen Ihnen als Drucksache 8/1934 vor.
Der Bundesrat hat beantragt, durch Streichungen in den §§ 1, 3 und 4 die Tiefbaustatistik im Baustatistikgesetz entfallen zu lassen. Begründet wird dieses Begehren mit mangelnder Aussagekraft der Tiefbaustatistik. Des weiteren wünscht der Bundesrat die Streichung des § 7, in dem die statistischen Landesämter verpflichtet werden, die von ihnen erhobenen Einzelangaben für Sonderaufbereitungen des Bundes auf Anforderung zur Verfügung zu stellen. Als Grund für dieses Begehren wird vorgetragen, die Erhebung und Aufbereitung von Bundesstatistiken sei grundsätzlich Angelegenheit der Länder; auch ohne gesetzliche Verpflichtung würden dem Statistischen Bundesamt in begründeten Einzelfällen — wie schon bisher — Einzelangaben im Wege der Vereinbarung zur Verfügung gestellt. Der Vermittlungsausschuß ist beiden Anrufungsbegehren des Bundesrats gefolgt, d. h., daß im Rahmen des



Henke
Zweiten Baustatistikgesetzes sowohl auf die Erstellung einer Tiefbaustatistik als auch auf die gesetzliche Verpflichtung über die Zurverfügungstellung von statistischem Material der Länder für das Statistische Bundesamt verzichtet werden soll.
Gemäß seiner Geschäftsordnung schlägt der Vermittlungsausschuß vor, über den Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit abzustimmen. Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, dem Vermittlungsergebnis zuzustimmen.

(Beifall)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810002200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Der Vermittlungsausschuß hat, wie der Herr Berichterstatter eben ausgeführt hat, gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses gemäß Drucksache 8/1934 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen ist die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses damit angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 15 auf:
14. Erste Beratung ,des von den Abgeordneten Pieroth, Vogt (Düren), Dr. Barzel, Dr. Biedenkopf, Dr. von Bismarck, Dr. Blüm, Breidbach, Dr. Dregger, Feinendegen, Dr. George, Hasinger, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Höpfinger, Katzer, Kraus, Dr. Kunz (Weiden), Link, Dr. Möller, Müller (Berlin), Müller (Remscheid), Dr. Pinger, Prangenberg, Schmidhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Sprung, Dr. Waffenschmidt, Frau Will-Feld, Dr. Zeitel, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger betrieblicher Gewinn- und Kapitalbeteiligung
— Drucksache 8/1565 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
15. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Hemmnisse für die Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer
— Drucksache 8/1418 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Im Ältestenrat ist verbundene Debatte vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung oder zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat der Abgeordnete Pieroth.

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0810002300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung freiwilliger betrieblicher Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Fraktion der CDU/CSU und den Gesetzentwurf des Bundesrats in gleicher Sache auf Grund einer Initiative des Freistaates Bayern. Wir behandeln keinen Gesetzentwurf der Bundesregierung.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ich muß Sie deshalb an die Regierungserklärungen von Bundeskanzler Schmidt erinnern, der in seiner ersten vom 17. Mai 1974 noch tatendurstig meinte, den Fondsgesetzentwurf so rechtzeitig zu verabschieden, daß er zu Beginn des Jahres 1978 wirksam werden könne. In seiner Regierungserklärung für diese Legislaturperiode kündigte er unabhängig von der Ausweitung des Dritten Vermögensbildungsgesetzes auf 936 DM an — ich zitiere jetzt wörtlich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —, „daß der Anlagekatalog des Gesetzes erweitert werden sollte, um verstärkt auch Beteiligungen in Unternehmen zu ermöglichen, und daß die der Anwendung dieses Gesetzes auf Beteiligungsformen entgegenstehenden steuerlichen Hemmnisse beseitigt werden sollen". Helmut Kohl antwortete — wiederum wörtlich —:
Auch in dieser Legislaturperiode wird die Union eines ihrer wesentlichen Ziele, nämlich die Vermögensbildung in breiter Hand, beharrlich weiterverfolgen. Wer Soziale Marktwirtschaft will, der muß sich auch für Vermögensbildung einsetzen. Wir tun das.
So Helmut Kohl. Wir stellen fest: Die CDU/CSU hält Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Von der Wohnungsbauförderung seit 1952, der Sparprämiengesetzgebung seit 1959 über Privatisierung, Belegschaftsaktien und 312-DM-Gesetz, über gen Entwurf zu einem Beteiligungslohngesetz bis zu den heutigen Gesetzentwürfen, die unsere Politik „Eigentum für alle" und damit die Tradition von Ludwig Erhard und Karl Arnold fortsetzen, werden alle vermögenspolitischen Meilensteine von CDU und CSU gesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Unionsparteien sind eigentumsfreundlich.
Genauso wahr ist es, meine Damen und Herren von der SPD: Die Sozialdemokraten haben in 17 Jahren ihrer Opposition, in drei Jahren Großer Koalition und in neun Regierungsjahren keine einzige eigenständige Gesetzesinitiative zur breiten Vermögensstreuung hier im Deutschen Bundestag eingebracht.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Das zeigt die doppelte Kontinuität in der Vermögenspolitik: Kontinuität im Handeln ist Leistung der CDU/CSU, Kontinuität bloßer Versprechungen ist Dauerzustand dieser Bundesregierung.
Zuerst haben Sie sich, meine Damen und Herren von der SPD, in der Vermögenspolitik mit Ihren Fondsmodellen vergaloppiert, dann sind Sie am



Pieroth
Start stehengeblieben. Jetzt schlagen Sie nach allen Seiten gegen die Vermögensbildung aus. So kommen Sie nie an unser Ziel, viele Millionen Mitbürger zu Wirtschaftsbürgern, zum Teilhaber am Kapital der deutschen Wirtschaft zu machen.
Bundesminister Graf Lambsdorff muß sich fragen lassen: Was ist aus den realistischen Vorschlägen zur Vermögenspolitik geworden, die Herr Friderichs zwei Monate vor der letzten Bundestagswahl als Bundesminister für Wirtschaft ausdrücklich verkündet hat? Halten Sie, meine Damen und Herren von der FDP, an diesem Bekenntnis zur betrieblichen Vermögensbildung fest?
Herr Minister Matthöfer, der für dieses Ressort zuständig ist, muß sich ganz konkret fragen lassen: Wird noch in dieser Legislaturperiode der Förderungsbetrag auf 936 DM, insbesondere für Produktivkapital und Wohnungseigentum, erhöht? Werden die steuerlichen Hemmnisse, die Förderungshemmnisse gegen Arbeitnehmerbeteiligung beseitigt? Ich frage Herrn Matthöfer, weil er, anders als der Bundeskanzler, am 19. Mai in einem Interview mit dem „Handelsblatt" gesagt hat — ich darf zitieren —:
Unsere Aufgabe ist es, die augenblickliche Disparität zwischen Spar- und Investitionsneigung, aus der unsere Konjunktur- und Beschäftigungsprobleme resultieren, dadurch wieder auszugleichen, daß wir die Investitionen stimulieren und das Sparvolumen reduzieren.
Diese Verknüpfung ist kreislauftheoretisch falsch. Durch Reduzieren des Sparens stimulieren Sie nicht die Investitionen, es sei denn, Sie wollen die Mittel der Sparförderung für gezielte staatliche Ausgabenprogramme verwenden, für Ihre investitionslenkende Finanzpolitik, wie das so dubios immer wieder durchschimmert.
Dann wollen Sie aber eine ganz andere Politik, mit der Sie sich außerhalb der seit Jahren gewachsenen privaten Vermögensbildung befinden. Dann kommen Sie so ganz allmählich von der Förderung der privaten Kapitalbeteiligung zur Lenkung der privaten Kapitalbildung und landen zwangsläufig beim Staatskapitalismus. Diesen Systembruch machen die Unionsparteien nicht mit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Folgendes sind die Tatsachen: Es wird nicht zuviel gespart; die Sparquote ist mit 13,5 °/o gegenwärtig so niedrig wie 1969. Es wird nicht zuviel gespart, es wird nur zu wenig Risikokapital gebildet. Unsere Investitionsquote ist heute so niedrig, weil Sie durch öffentliche Verschwendung, durch eine leistungsfeindliche Steuerpolitik, durch bürokratische Hemmnisse, durch eine kontraproduktiv wirkende Vollbeschäftigungsgarantie, durch eine Zickzackkonjunkturpolitik die Renditeaussichten der Investitionen heruntergedrückt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD] : So ein Quatsch! — Weitere Zurufe von der SPD)

Sie wissen, daß die Renditen um die Hälfte gefallen sind.
Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis: Es ist ein Alarmzeichen, wenn ein süddeutscher Konzern 1966/77 über ein Viertel seines Milliardenbilanzgewinnes durch Geldanlagen außen und nicht durch betriebliche Unternehmenserträge verdient hat. Angesichts solcher Bedingungen spricht es für rationales Verhalten, wenn auch ein sorgsamer Arbeitnehmer „Bundesschätzchen" kauft, statt im Produktivkapital zu sparen. Hieran ist nicht der Sparer — oder in der Wortwahl des Bundeskanzlers: der Tot-sparer — schuld, hier haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Sie die Belastbarkeit der Wirtschaft einmal testen wollten, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen falsch gesetzt, und die müssen geändert werden. Deshalb müssen wir politisch handeln.
Erstens. Die Sparförderung darf nicht beschnitten werden. Sie muß so verbessert werden, daß das Sparen in Produktivkapital attraktiver wird. Die Arbeitnehmer sollen investitionsnäher sparen können. Das wird kein neuer öffentlicher Subventionstatbestand, sondern eine verbesserte Form der Sparförderung durch Umschichtung innerhalb der Sparförderung.
Zweitens. Vermögenspolitik muß Bestandteil einer langfristigen Wachstumsstrategie werden, worauf das vorgestrige Sondergutachten in Ziffer 17 hinweist. Vermögenspolitik allein ist keine Wunderwaffe unserer Politik: Arbeit und Wachstum für alle. Vermögenspolitik ist aber ein wesentliches Element neben Investitionsförderung, Entstaatlichung, Entbürokratisierung, Innovations- und Forschungsförderung auch für kleinere und mittlere Unternehmen, Selbständigkeitspolitik sowie der Förderung von mehr Motivation und Qualifikation der Arbeitnehmer. Vermögenspolitik, meine Damen und Herren, ist damit wesentlicher Bestandteil eines breiten Konzepts für mehr Selbständigkeit, Wachstum und Stabilität.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, zur Förderung der direkten, betriebsnahen Gewinn- und Kapitalbeteiligung wird erstens die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern in Aktiengesellschaften und kleinen und mittleren Unternehmen beseitigt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Höchste Zeit!)

Nach dem 624-DM-Gesetz und dem bisherigen § 8 des Kapitalerhöhungsteuergesetzes werden jetzt alle Beteiligungswerte gefördert, die zur betrieblichen Beteiligung geeignet sind. Der Kollege Kraus wird nachher Frau Funcke die Sorge nehmen, daß diese Maßnahmen mittelstandsunfreundlich sein könnten.
Wir werden zweitens die steuerlichen Hemmnisse beseitigen, indem der Lohn des kapitalbeteiligten Arbeitnehmers nicht mehr dem gewerbesteuerpflichtigen Gewinn zugerechnet wird, die Gesellschaftsteuer auf Arbeitnehmerbeteiligungen wegfällt, die Arbeitnehmergewinnbeteiligung pauschal lohnversteuert werden kann, der Arbeitnehmer somit seine lohnsteuerlichen Vorteile behält und das Unternehmen nicht zu erhöhter Gewerbesteuer herangezogen wird.



Pieroth
Drittens werden wir die steuerlichen Förderungsmaßnahmen an Mindestvoraussetzungen knüpfen. Für den Konkursfall wird eine Insolvenzsicherung vorgeschrieben. Der gewinn- und kapitalbeteiligte Arbeitnehmer behält seine Arbeitnehmerrechte. Die Mobilität des Arbeitnehmers wird ebenso gewährleistet, wie die Unternehmen gegen plötzlichen Liquiditätsentzug und Überfremdung geschützt werden.
Meine Damen und Herren, diejenigen, ,die persönlich verfügbares Privateigentum für den deutschen Arbeitnehmer nicht wollen, und diejenigen, die zwar unseren Weg mitgehen möchten, ihn aber nicht mitgehen dürfen, werden jetzt, auch heute morgen, hier erklären: „Ihr habt ja nicht die Bewertungsprobleme gelöst."
Lassen Sie mich dazu deshalb etwas ausführlicher mich erklären. Wir haben die Bewertungsprobleme gelöst. Unter Art. 1 Nr. 2 sind in § 19 a Abs. 3 unseres Gesetzentwurfs die Bewertungsfragen für alle Arbeitnehmerbeteiligungen geregelt; für börsengehandelte Aktien selbstverständlich nach dem Börsenkurs — überhaupt kein Problem —, für andere Aktien, für GmbH-Geschäftsanteile nach dem gemeinen Wert, der seit Jahrzehnten nach dem Stuttgarter Verfahren errechnet wird, für stille Beteiligungen naturgemäß nach dem Nominalbetrag. Es verbleiben die Kommanditanteile. Sie werden beim Eintritt des Arbeitnehmers in die Gesellschaft zum Nominalbetrag erfaßt, also ohne zusätzliche steuerliche Bewertungsproblematik.
Erst bei der Realisierung, d. h. im allgemeinen beim Verkauf nach vielen Jahren, muß ein eventueller Mehrerlös versteuert werden. Diese Rege- lung ist möglich, weil das Kapital im Betrieb steuerverhaftet bleibt und nicht der Ertragbesteuerung entzogen wird.
Wenn den Gegnern unserer freiheitlichen Vermögenspolitik auch dieses vorgeschobene technische Argument genommen ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Mithin ein Alibi!)

dann kommt immer noch der sehr geschätzte Kollege Rapp mit seinem vielfach geäußerten Einwand, wir würden neue Ungerechtigkeiten schaffen: Arbeitnehmer ein Leben lang in Gewinn- und Arbeitnehmer in Verlustbetrieben.
Auch dieser Einwand entspricht nicht der Lebenserfahrung. Denn kein Arbeitnehmer kann in einem Unternehmen ohne Gewinn ein Leben lang beschäftigt bleiben, weil ein Privatunternehmen in der Marktwirtschaft ohne Gewinn nicht lange am Leben bleiben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das gibt es nur bei Staatsunternehmen!)

— Da wird sowieso nichts verdient; da kann Herr Rapp dann beteiligen.
Lassen Sie mich an einigen Beispielen beweisen, daß und wie diese Vermögenspolitik in der Praxis schon längst funktioniert. Wenigstens die gutwilligen Zweifler im Regierungslager sollten wissen, welche Chancen und Möglichkeiten sich für Tarifpartner, Unternehmer, Betriebsräte und Arbeitnehmer eröffnen.
Ich will gar nicht von den ganz Großen sprechen: von Gruner + Jahr oder Bertelsmann.
Nehmen wir Spänex-Sander in Volpiershausen mit 145 Mitarbeitern. Diese Firma beteiligt seit 1971 nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit am Steuerbilanzgewinn. Nach Abzug der Eigenkapitalverzinsung und der Risikoprämie gehen 50 % des Gewinns an die Mitarbeiter. Davon wird eine Hälfte nach Köpfen, die andere nach dem individuellen Lohn des Arbeitnehmers aufgeteilt. Nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben bleiben 75 % als stille Beteiligung mit einer Sperrfrist von sechs Jahren im Betrieb. 25 % des individuellen Anteils werden auf Wunsch sofort ausgezahlt. Diese Vereinbarung wurde als Betriebsvereinbarung nach intensiven Gesprächen erarbeitet. Sie bringt dem Mitarbeiter durchschnittlich 2 100 DM im Jahr. Nach drei Jahren wird mit dem Betriebsrat über Verbesserungsmöglichkeiten gesprochen.
Oder nehmen wir die Farbwerke Krautol in Darmstadt mit 250 Beschäftigten. Auch dort wird der Gewinn nach Vorabzügen zwischen Kapital und Arbeit hälftig geteilt. Das Mitarbeiterkapital beträgt heute 700 000 DM mit einem durchschnittlichen Anteil pro Mitarbeiter von 2 700 DM.
Oder nehmen wir ein 42-Mann-Unternehmen in Espelkamp bei Minden, das Automaten herstellt. Dort besitzen die 30 beteiligten Mitarbeiter durchschnittlich 14 000 DM an ihrem Unternehmen.
Vielleicht sollte ich noch den „Spiegel"-Verlag nennen, wo es eine Kombination von Darlehensforderung und stiller Gesellschaftsbeteiligung, gestaffelt nach Einkommen und Betriebszugehörigkeit, gibt. Das Mitarbeiterkapital beim „Spiegel" macht 21 Millionen DM aus. Im Durchschnitt besitzt der einzelne „Spiegel"-Mitarbeiter inzwischen 31 684 DM Anteil am „Spiegel"-Verlag.
Ich könnte jetzt die Fälle vieler Freunde aus der CDU/CSU-Fraktion nennen, die mit Beispiel vorangegangen sind. Ich verweise auf die Bücher Guski und Schneider oder von Michael Jungblut, wo man das alles nachlesen kann.
Jedenfalls wird daraus deutlich, was für die Masse der Beteiligungssysteme gilt. Das sind keine Unternehmergeschenke so aus der Westentasche heraus nach Gutdünken. Das sind Systeme, die mit den Mitarbeitern diskutiert und erarbeitet werden. Sie sind Ergebnis gemeinsamer Überlegungen. Dementsprechend stehen auch fast alle Beteiligungssysteme heute auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. Es gibt sogar schon einen ersten Tarifvertrag in Bayern.
Heute sind bereits über 850 000 Beschäftigte in mehr als 800 Beteiligungsfirmen mit über zweieinhalb Milliarden DM beteiligt — trotz aller gesetzlichen Schwierigkeiten, die diesen Beteiligungen entgegenstehen.
Um so mehr dankt die Union diesen Unternehmern, ihren Mitarbeitern und ihren Betriebsräten



Pieroth
für diese ihre politische Pionierleistung, mit der sie einen Anfang gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aus diesem Anfang, meine Damen und Herren, müssen wir jetzt einen Durchbruch machen.
Natürlich wird das Verteilungsproblem in bezug auf das Produktivkapital nicht mit einem Schlag gelöst werden können. Aber es gibt doch keinen Zweifel daran, daß die Verteilungssituation im Gefolge dieser unserer Gesetzgebung sozial befriedigender wird. In dem Maße, in dem von den Möglichkeiten dieses Gesetzes Gebrauch gemacht wird, werden die eigentumspolitischen Ziele erreicht, die wir uns seit Jahren vorgenommen haben. Weitergehende, möglicherweise noch notwendige vermögenspolitische Regelungen werden jedenfalls an Dringlichkeit verlieren können.
Gegenwärtig beteiligen nur knapp 1 % aller Unternehmen ihre Mitarbeiter an Gewinn und Kapital. Aber wir wissen, daß heute mindestens schon die zehnfache Zahl von Unternehmen bereit wären, ihre Mitarbeiter zu beteiligen.
Hand in Hand damit geht ein Vorteil für Wachstum und Beschäftigung. Denn je mehr solcher Arbeitnehmerbeteiligungen es gibt, desto mehr wird unseren Unternehmen doch die Eigenkapitalbildung erleichtert, desto mehr wächst die Fähigkeit der Unternehmen, Risiko zu tragen. Mehr Kapitaleigner, meine Damen und Herren, das fördert Investitionsfähigkeit und zugleich Investitionsbereitschaft.
So wird unsere Soziale Marktwirtschaft vom Fundament her gestärkt. Marktwirtschaft ist nur denkbar mit persönlichem Eigentum und nur stabil mit breit gestreutem Eigentum. Im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft müssen alle Eigentum haben können. Dank einer 20jährigen erfolgreichen Eigentumspolitik der Union besitzt heute jeder zweite Deutsche sein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Hier wagt kein Sozialist mehr, die Enteignung oder die Vergesellschaftung auch nur in die Diskussion zu bringen. Genausowenig können diese die Verstaatlichung der Wirtschaft fordern, wenn einmal wesentlich mehr Menschen am Produktivkapital der deutschen Wirtschaft teilhaben werden.
Meine Damen und Herren, ganz entscheidender Vorteil dieses Gesetzes ist, daß der Handlungsspielraum der Tarifpartner erweitert wird. Der Konflikt um die Verteilung des Produktionszuwachses wird entschärft. Der Sachverständigenrat sieht das ja in seinem Sondergutachten wiederum genauso. Nun will die CDU/CSU den Tarifpartnern die Möglichkeit geben, nach selbst festgelegten Bedingungen die reale Ertragsentwicklung in ihre Vereinbarungen einzubeziehen; denn das ist doch das Dilemma der Tarifpartner: Jedes Jahr stehen sie vor der Schwierigkeit, auf der Basis unsicherer Prognosen die Lohnhöhe festzulegen. Schließen sie zu niedrig ab, so wird den Gewerkschaften vorgeworfen, sie hätten die Interessen ihre Mitglieder nicht wahrgenommen. Schließen sie zu hoch ab, so wird beiden Tarifpartnern vorgeworfen, sie betrieben Inflation oder leisteten keinen Beitrag zur Vollbeschäftigung.
Unser Gesetz bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma. Es ist ein großes Angebot an die Tarifpartner — und ich freue mich, daß ein Promotor dieser Idee, Georg Leber, dieser Debatte zuhört —, weiterhin ihre jeweiligen eigenen Ziele zu verfolgen und doch im Verfolg dieser Ziele mehr als bisher dem Gemeinwohl dienen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir wissen, daß es bei denen, die unser Gesetz nutzen können, noch hie und da Vorbehalte gibt auf jeder der beiden Seiten. Diese Vorbehalte und die Gründe dafür haben wir in unserem Gesetzentwurf berücksichtigt, wie ich glaube, ausgeräumt. Wir überlassen die jeweilige Gestaltung ganz den beiden Vertragspartnern.
Gegenstandslos ist auch die Befürchtung, daß die Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretungen durch die betriebliche Beteiligung in ihren Rechten geschmälert werden sollten. Diese Befürchtung wäre nur zutreffend, wenn man an einem Denken in Klassengegensätzen festhielte und eine Aufweichung dieses Klassengegensatzes durch die Teilhabe der Arbeitnehmer an ihren Unternehmen fürchtete. Wer unseren Gesetzentwurf nutzt, steckt den Klassenkampf endgültig dahin, wohin er gehört: ins Museum für Sozialgeschichte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir denken nicht 'daran, mit diesem Gesetz wohlerworbene Rechte der Arbeitnehmer zur Diskussion zu stellen. Aus der eigentumspolitischen Diskussion vieler Jahre wissen wir doch, daß viele Arbeitnehmerorganisationen das erkannt haben. Meine Damen und Herren, unser Vorschlag ist kein Plan gegen die Arbeitnehmerorganisationen, unser Vorschlag ist eine Chance für sie. Das weiß auch Kollege Rosenthal — ohne daß es ihn nachher davon abhalten wird, das Gegenteil hier auszuführen.
Von der anderen Seite des Verhandlungstisches hört man gelegentlich: Was soll aus unternehmerischen Entscheidungen wohl werden, wenn Arbeitnehmer auch noch als Teilhaber daran mitwirken wollen? Meine Damen und Herren, diese Befürchtung ist nach den Erfahrungen aller Partnerschaftsunternehmen völlig unbegründet. Die Arbeitnehmer fühlen sich mit dem Schicksal ihres Unternehmens verbunden. Das Interesse, die Motivation der Mitarbeiter wird gestärkt. Deshalb rufe ich den Arbeitgeberverbänden zu: Sie haben die Gelegenheit, Schleyers Erbe in der .Vermögenspolitik weiterzuführen; lassen Sie dieses Vermächtnis nicht in Vergessenheit geraten!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Gewerkschaften erinnere ich an ihre Pionierleistungen nach Einführung des 312-Mark-Gesetzes. Ich erinnere an die konstruktive Arbeit in Einzelgewerkschaften, bei Ihnen, Kollege Leber, bei Bau Steine Erden, in der IG Chemie und in anderen. Ich erinnere an Heinz Oskar Vetters positive Stellungnahme zur betrieblichen Vermögensbildung aus dem April 1976. Deshalb dürfte es heute doch nicht so schwer sein, zumindest positive Empfehlungen für Einzelgewerkschaften auszusprechen. Helmut Kohl



Pieroth
hat den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu einem Gespräch über Vermögens- und Tarifpolitik eingeladen. Diese Einladung wird hiermit wiederholt.
Wir begrüßen auch die Stellungnahmen wichtiger gesellschaftlicher Gruppen wie des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks oder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Aber Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sind für ein Gespräch über Arbeitnehmerbeteiligungen am Produktivvermögen sehr schwierige Partner geworden. Sie sind in der Eigentumspolitik völlig isoliert gegenüber vielen gesellschaftlichen Gruppen, gegenüber dem Sachverständigenrat, gegenüber der Opposition, vor allen Dingen gegenüber den Arbeitnehmern, die in Deutschland doch persönlich verfügbares Privateigentum wollen, denen Sie aber durch Verweigerung Ihrer Zustimmung zur einzig möglichen realistischen Vermögenspolitik eine moderne Version von kanonischem Zinsverbot auferlegen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es bleibt die FDP; an sie mein letztes Wort. Wir freuen uns ganz besonders, mit diesem Antrag einem lang gehegten Wunsch von Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff endlich nachkommen zu können. Er hat vor zwei Jahren, als wir am 11. März 1976 in diesem Hause den Antrag der CDU/CSU zur betrieblichen Beteiligung berieten, uns gegenüber geäußert: „Sie" — gemeint war die Opposition — „hätten den Antrag hier in Gesetzesform vorlegen sollen." Ich war damals der Meinung und bin das auch Mute noch, daß es prinzipiell nicht Aufgabe der Opposition ist, ausgefeilte Gesetzentwürfe vorzulegen. Dazu hat die Regierung den viel umfangreicheren Beamtenapparat, den sie allerdings auch richtig einsetzen muß. Wegen der Dringlichkeit, wegen der Wichtigkeit der Sache und wegen der jahrelangen Untätigkeit der Regierung haben wir diese Arbeit für die Regierung erledigt. Hiermit bekommt Graf Lambsdorff seinen von ihm gewünschten Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist der Graf eigentlich?)

In der letzten vermögenspolitischen Debatte hat Graf Lambsdorff gesagt: „Wir akzeptieren die Grundrichtung, wir sind mit Ihnen im Prinzip der gleichen Meinung." Was die Details angeht, so hat sein Ministerium schriftlich empfohlen: Gegen unseren Antrag bestehen sachlich keine Einwendungen; es könnte in der Substanz dem CDU/CSU-Antrag gefolgt werden.
Meine Damen und Herren vors der FDP, die Sie doch auf der Profilsuche sind, wir fordern Sie auf: Folgen Sie uns!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810002400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rosenthal.

(Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Ein weißer Rabe! — Zuruf von der CDU/CSU: Mönchlein, Mönchlein, du gehest einen schweren Gang! Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0810002500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder bin ich Juso noch trete ich hier einen schweren Gang an.

(Zuruf von der CDU/CSU: Noch. zerschlagen Sie Porzellan, was?)

Ich habe auch nicht vor, hier so kontrovers zu reden wie Sie, Herr Pieroth, und zwar aus zwei Gründen. Erstens räume ich ein, daß manches von dem, was Sie gesagt haben, stimmt, und zweitens wird die Frage der Vermögensbildung mit all ihren Schwierigkeiten und Holpersteinen, über die nicht nur wir, sondern auch Sie stolpern — das werden wir Ihnen nachher im einzelnen sagen —, bei uns sehr unterbewertet. Denn die Vermögensbildung ist eine deutsche Leistung. Ich komme ja sehr viel im Ausland herum. Dort wird dieser deutsche, man kann fast sagen: dritte Weg zwischen dem anonymen Großkapitalismus auf der einen Seite und der genauso anonymen östlichen Bürokratieherrschaft auf der anderen Seite, dieser Weg einer Beteiligung des Arbeitnehmers am Sagen — lies: Mitbestimmung — und am Haben — lies: Vermögensbeteiligung draußen bewundert. Es ist eine schlechte Werbung für Deutschland, wenn etwas, was man — nicht nur wir allein — gut gemacht hat, im Inland so heruntergespielt wird.

(Widerspruch von der CDU/CSU)

Natürlich ist dies zu großen Teilen eine gemeinsame Leistung.

(Pieroth [CDU/CSU] : Von Ihrer Fraktion wird das heruntergespielt!)

— Das wird von allen Fraktionen heruntergespielt; mal ist es dran, mal wird es geredet. Die gemeinsame Leistung wird nicht hervorgehoben.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Geredet wird schon, aber gehandelt wird nicht, Herr Rosenthal!)

Dieser deutsche Weg ist — meine Damen und Herren, ich sage es — nicht nur von der SPD gegangen worden. Aber Sie werden doch nicht leugnen können, daß die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften an ihm einen hohen Anteil haben. Das fängt an bei dem verpönten Namen Marx. Selbst Ihr Herr Burgbacher hat gesagt, daß Karl Marx lange genug tot ist, daß gesagt werden kann, daß er in der Frage der Vermögensverteilung recht gehabt hat.
Aber gehen Sie weiter: Ohne den Druck der Gewerkschaften wäre die Mitbestimmung nicht zustande gekommen. Und wieder finde ich auch die Mitbestimmung viel besser, als sie von uns allen zerkrittelt wird. Diese Mitbestimmung ist die Mitbestimmung aller Arbeitnehmer und dient der Verhinderung totaler Macht auf der einen oder anderen Seite. Sie wissen genauso gut wie ich, daß der alte Lord Birkenhead recht gehabt hat: Die Frage ist nicht, w e r die Macht hat, sondern alle Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut. Deshalb ist auf diesem Gebiet der Demokratie, auf dem Gebiet der Wirtschaftsdemokratie die Kontrolle der absoluten Macht entscheidend.

(Franke [CDU/CSU] : Herr Rosenthal, in den Kreisen verkehren wir nicht; wer ist der Herr?)





Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810002600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt? — Bitte schön.

(CDU/ CSU)


Prof. Philip Rosenthal (SPD):
Rede ID: ID0810002700
Ich werde Ihre Frage im Verlauf meiner Rede sowieso beantworten und darf Sie bitten; mir zu gestatten, daß ich das jetzt nicht vorziehe. Ich habe davon gesprochen, daß dies eine gemeinsame Sache ist.
Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt. Denken Sie an die Geldvermögensbildung. Sie haben damals das 312-DM-Gesetz eingebracht, und dieses 312-DM-Gesetz war auf einzelne begrenzt. Erst als Schorsch Leber, der hier sitzt, erreichte — Sie haben hinterher zugestimmt, aber zunächst nicht —, daß eine überbetriebliche Komponente hineinkam, nämlich die Gewerkschaften Tarifverträge abschließen konnten, schafften Sie den Sprung von 300 000 Beteiligten auf 3 Millionen. Heute 15 Millionen, tariflich! Ich komme nachher darauf zurück.
Sicher, die Umschichtung vom Geldvermögen zum Produktivvermögen geht langsam. Sie geht auch mir viel zu langsam. Woran liegt das?

(Zuruf von der CDU/CSU: An der SPD!)

— Nein, das liegt nicht an der SPD, wie Sie sagen wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Natürlich!)

Es liegt einmal an Sachfragen, die noch nicht gelöst sind. Sie, Herr Pieroth haben sie angesprochen. Mein Kollege Heinz Rapp wird sie beantworten — wir haben uns das etwas eingeteilt —, weil er in Steuerfragen firmer ist als ich. Es hat aber noch einen anderen Grund, warum wir diesem Entwurf nicht zustimmen können, und das ist die Richtung.
Ich habe gesagt, daß es einmal Sachschwierigkeiten gibt. Zum anderen liegt ein Hindernis — da werden Sie mir sicher alle zustimmen — in der verhältnismäßigen Unkenntnis der Probleme draußen. Wie viele Leute, glauben Sie, wissen draußen, daß eine Beteiligung am Vermögen der einzig gangbare Weg gegenüber drei ungangbaren Wegen ist, um Verteilungsgerechtigkeit mit Investitionen und mit Stabilität zu verbinden? Wie viele Leute wissen draußen, daß wir, wenn wir z. B. bei Rosenthal eine Automaten-Glasstraße bauen wollen, weil das mundgeblasene Glas zu teuer für normales Trinkglas wird, von unseren, sagen wir mal, 100 Millionen DM Einnahmen dafür 5 Millionen DM brauchen? Wenn 40 Millionen DM für Löhne, 30 Millionen DM für Energie, 20 Millionen DM für Material, 5 Millionen DM für Geldkosten — also an die Aktionäre bzw. an die Banken — hinausgehen, dann bleiben für diese Investition 5 Millionen DM. Jetzt haben wir vier Wege. Der erste Weg ist: Wir investieren sie und lassen die Löhne stehen. Das ist zum einen verteilungsungerecht, zum anderen können die Gewerkschaften dabei nicht mitmachen. Der zweite Weg ist: Wir erhöhen die Löhne um die Summe von 5 Millionen DM und investieren nicht. Das Resultat ist offensichtlich: in England, Italien etc. Dritter Weg: Wir erhöhen die Löhne und schlagen auf die Preise 5 Millionen DM auf. Damit wird dem Arbeiter wieder das aus der Preistasche genommen, was er in die Lohntüte bekommen hat.

(Zuruf des Abg. Pieroth [CDU/CSU]) — Da sind wir d'accord, Herr Pieroth.

Der einzig gangbare Weg ist die Beteiligung des Arbeitnehmers an dem erwirtschafteten investierten Kapital. Aber fragen Sie einmal draußen herum, wie viele Leute das wirklich wissen!

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie sollten das doch wissen!)

Bevor es die Leute nicht wissen, ist der politische Druck, um hier etwas zu machen, nicht groß genug.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Erklären Sie es den Leuten doch, Herr Rosenthal! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie könnten doch den Weg eröffnen!)

— Okay! Ich gehe auf Sie ein. Ich kann es, weil wir's bewiesen haben. Die Rosenthal AG liegt zusammen mit Siemens an der Spitze der deutschen Aktiengesellschaften. Bei uns sind die Arbeitnehmer mit 12,4 % beteiligt, aber — jetzt komme ich wieder auf das, worauf ich hinaus möchte — davon sind nur 4,5 % eigene Aktien, während 6 % Fremdaktien und Investmentzertifikate sind. Das führt mich zu der Aussage: In dieses Gesetz muß eine überbetriebliche Komponente kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das geht doch bei kleinen Betrieben gar nicht, Herr Rosenthal! — Pieroth [CDU/CSU] : Sie müssen mal das Gesetz lesen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Lieber Herr Pieroth, ich habe Ihnen sehr sorgfältig zugehört. Ich würde vorschlagen, daß Sie in Fairneß das gleiche tun. Ich habe bei Ihnen keine Einwürfe und Bemerkungen gemacht, sondern Ihnen zugehört. Wollen wir es auch weiter so fair machen.
Im übrigen gibt es hier Unkenntnis auch in unserer Partei.

(Beifall bei der CDU/CSU — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Tatsächlich? — Krey [CDU/CSU] : Ignoranz!)

12,4 % Anteil sind kein Hühnerfutter und kein Deputat, wie manchmal geringschätzig gesagt wird. Wenn die Arbeitnehmer überall in der Wirtschaft mit 12,4 % beteiligt würden, dann sähe unsere soziale Situation noch anders aus.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)

Bei uns ist da übrigens die überbetriebliche Komponente wegen Risikostreuung einbezogen.



Rosenthal
Noch etwas, was sicher für viele von Ihnen von Interesse sein wird

(Zuruf von der CDU/CSU: Kollektivismus!)

— ja, Sie reden hier von Kollektivismus —: Sicherlich gibt es in den deutschen Gewerkschaften auch unterschiedliche Meinungen.

(Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Gott sei Dank!)

Es gibt bei manchen Gewerkschaften ein echtes Vorurteil, das hier hineinspielt, daß die Vermögensbildung eventuell die Solidarität mit den Gewerkschaften verhindern könnte.
Da kommt mir ein Vorgang in der keramischen Industrie wie bestellt. Folgendes hat sich abgespielt: Es wurde eine Urabstimmung darüber durchgeführt, ob gestreikt werden sollte oder nicht. Daran waren sechs Werke beteiligt, zwei von Rosenthal und vier andere. In dieser Urabstimmung sprach man sich — solidarisch mit der Gewerkschaft — in allen Werken für den Streik aus. Daraufhin erzielte die Gewerkschaft für die Arbeitnehmer eine verhältnismäßig hohe Lohnerhöhung von 5,5 % und stellte sie in diesen sechs Werken wieder zur Urabstimmung. In den Werken, in denen es keine Vermögensbildung gibt — nur bei Rosenthal gibt's die —, stimmten hinsichtlich der von der Gewerkschaft vorgeschlagenen Einigung 51 % mit Nein und nur 54 % mit Ja.

(Stücklen [CDU/CSU]: Das sind ja 105 %! Sie müssen einmal nachrechnen!)

— 51 % stimmten mit Nein und 45 % mit Ja.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : So stimmt's!)

Nur dadurch, daß die Arbeitnehmer in den Rosenthal-Werken zu 71 % mit Ja und zu 27 % mit Nein gestimmt haben, ging die von der Gewerkschaft vorgeschlagene Einigung überhaupt „über die Bühne". Dies zeigt die Arbeit, die wir auch noch innerhalb der Gewerkschaften weitertreiben müssen.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Das spricht doch für unseren Antrag!)

— Das spricht für die Beteiligung, und zwar für eine Beteiligung, die nicht im Betrieb steckenbleibt — darauf will ich zweimal, dreimal hinweisen —, sondern die für die Gewerkschaften wirklich machbar ist. Der von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf ist kein wirkliches Angebot für die Gewerkschaften.

(Beifall bei der SPD)

Jeder von Ihren Gewerkschaftern, der mit der Materie vertraut ist, kann mir, wenn er ehrlich ist, doch nicht sagen, daß die Gewerkschaften — selbst wenn sie willig sind, wie das z. B. die IG Bau und die IG Chemie sind — auf diesen Ihren Vorschlag eingehen können.

(Tillmann [CDU/CSU] : Das ist doch nicht der Sinn des Gesetzes!)

Der Grund dafür, daß dem so ist, liegt darin, daß die Zielrichtung nicht ganz stimmt. Wenn wir auch hier den Sprung von 300 000 DM auf 3 Millionen DM machen wollen, brauchen wir eine überbetriebliche Komponente, und zwar nicht nur wegen der Risikostreuung. Deshalb hoffen die SPD-Fraktion und insbesondere diejenigen unter uns, die sich die ganze Zeit mit dieser Frage beschäftigt haben, daß das Gesetz zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital, das die Regierung einbringen wird

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Wann?)

— denn wir sind im Wort, die Regierung ist mit der Regierungserklärung und auch dem Jahreswirtschaftsbericht im Wort —, neben den von Ihnen vorgeschlagenen möglichen Formen auch eine überbetriebliche Komponente, möglicherweise Fonds nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes sowie die Möglichkeit der Einbeziehung von Fremdaktien und Investmentzertifikaten enthält.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

Denn in einem stimme ich mit Ihnen überein: Wenn
wir auf diesem Weg, für den uns die Welt bewundert, nicht vorwärts gehen, kann er auch versanden.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Braun [CDU/CSU] : Sehr gut!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810002800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810002900
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Die FDP bekennt sich zum breit gestreuten Eigentum. Darum kann ich Ihre rhetorische Frage, Herr Kollege Pieroth, mit einem uneingeschränkten Ja beantworten. Ja, wir wollen breit gestreutes Eigentum, und wir wollen eine Ausweitung des produktiven Kapitals. Wir halten das aus gesellschafts- und aus wirtschaftspolitischen Gründen für notwendig und erwünscht, aus gesellschaftspolitischen Gründen, weil Teilhabe am Wirtschaftskapital den Freiheitsspielraum des einzelnen erweitert, ihm finanziellen Rückhalt schafft, weil der einzelne auf Grund der Teilhabe am wirtschaftlichen Geschehen nicht Objekt, sondern auch als Eigentümer Mitgestalter ist. Wirtschaftlich gesehen, bringt die Vermögensbeteiligung die Möglichkeit einer notwendigen Ausweitung des Eigenkapitals; denn wir wissen alle, daß unsere Wirtschaft, was das Eigenkapital angeht, unterkapitalisiert ist. So bietet eine solche Form der Kapitalbildung die Möglichkeit, eine verstärkte Einkommensstreuung innerhalb unserer Bevölkerung mit den Notwendigkeiten verstärkter Eigenkapitalbildung zu verbinden.
Deswegen hat die FDP mit dem Freiburger Programm den Versuch gemacht — ich sage freimütig: den Versuch —, mit einer überbetrieblichen Vermögensbildung eine solche breite Streuung der Teilhabe am produktiven Kapital einzuleiten. Wie schwierig das ist, haben wir bei den Überlegungen, die wir in diesem Zusammenhang angestellt haben, erfahren. Die Schwierigkeiten werden geringer, aber nicht aufgehoben, wenn man auf die innerbetriebliche Seite abstellt. Das haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ja auch erfahren. Sie haben verschiedene Ansätze gemacht. Sie hatten



Frau Funcke
z. B. den Burgbacher-Plan; den haben Sie fallengelassen, obwohl Sie ihn zuvor

(Pieroth [CDU/CSU] : Nein, den haben Sie abgelehnt!)

unter großem Beifall einmütig beschlossen haben. Das wollen Sie doch wohl nicht bestreiten.

(Dr. George [CDU/CSU] : Sie haben ihn abgelehnt!)

— Wir haben ihn abgelehnt. Das ist richtig; denn wir hielten ihn nicht für den richtigen Weg. Das haben Sie hinterher ja auch erkannt.
Wie schwierig es ist, selbst für die innerbetriebliche Vermögensbildung ein Gesetz zu machen, beweist doch schon allein die Tatsache, daß, Herr Pieroth, aus CDU/CSU-Kreisen heute zwei verschiedene Entwürfe eingebracht wurden, die sich in manchen Punkten unterscheiden.

(Pieroth [CDU/CSU] : Einer!)

— Es gibt doch auch einen der Bundesratsmehrheit.

(Pieroth [CDU/CSU] : Die 800 Unternehmen zeigen, daß es geht!)

— Aber, Herr Kollege, hier geht es doch um etwas anderes: Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion unterscheidet sich von dem Entwurf des Bundesrates in einigen Punkten. Daß das so ist, ist sicherlich kein Vorwurf. Aber diese Tatsache beweist doch, daß man bei ähnlichen Zielsetzungen zu sehr unterschiedlichen Lösungen kommen kann. Daher ist es wohl ein bißchen zu einfach, wenn Sie uns schlicht auffordern: Wir haben einen Entwurf vorgelegt; nun stimmt ihm gleich zu.

(Vogt [Düren] [CDU/CSU] : Wir sind in der ersten Lesung; Sie brauchen nur prinzipiell zuzustimmen!)

Es kann doch sicherlich vermutet werden, daß sich innerhalb der CDU/CSU ein Fachausschuß ,mit der Sache beschäftigt hat. Und da Ihre Parteifreunde in den Länderregierungen ohne Zweifel von diesem Fachausschuß wissen, hätte es doch eigentlich zu einem sowohl von der CDU/CSU-Fraktion als auch der Bundesratsmehrheit getragenen Entwurf kommen können. Die Differenzen zwischen Ihrem Entwurf und dem des Bundesrates zeigen aber, daß auch der Bundesrat manche Schwierigkeiten, z. B. bei der Bewertung gesehen hat, die Sie nicht einfach mit dem Hinweis auf den gemeinen Wert überspielen können.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Konkurrenz belebt das Geschäft!)

Es liegt für die innerbetriebliche Vermögenbildung bereits der bekannte § 8 des Kapitalerhöhungsteuergesetzes vor — darüber wenden wir noch sprechen —, und es liegen zugleich Erfahrungen und praktische Beispiele der Wirtschaft vor, die unabhängig von steuerlichen Vergünstigungen heute schon bestehen. Man sollte an dieser Stelle sehr nachdrücklich all den Gruppen, Einzelunternehmern und Organisationen herzlich danken, die sich seit vielen Jahren um realisierbare Lösungen mühen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Solche Erfahrungen sind notwendig, um praktikable, auch gesetzgeberische Lösungen zu 'entwickeln. Es ist sicherlich eine sehr wertvolle Pionierarbeit, von der ich hinreichend seit den ersten Anfängen weiß, denn ich kenne diese Probleme nicht nur aus der Theorie, sondern habe mich mit ihnen nahezu 30 Jahre nachdrücklich in Theorie und Praxis beschäftigt.
Dieser Hinweis auf das Bestehende besagt nicht, daß nichts Weiteres notwendig wäre und wir es bei dem bisherigen Stand lassen können.
Es wäre relativ einfach, mit dem bestehenden § 8 auszukommen. Danach kann heute schon die Zuweisung von Aktien des eigenen Betriebs dann lohnsteuerfrei sein, wenn die Begünstigung im Kurs nicht mehr als 50 % des Gesamtwertes ausmacht. Diese Regelung wäre ausreichend, wenn unsere Wirtschaft nur aus Aktiengesellschaften bestünde und an der Börse täglich die Werte ablesbar wären. Aber den Weg zu gehen, alle Betriebe in Aktiengesellschaften umzuwandeln, ist ja wohl nicht erwünscht und erstrebenswert. Wie es in einer Volkswirtschaft Klein-, Mittel- und Großbetriebe nach unseren Vorstellungen geben muß — aus vielerlei Gründen —, so sollte man auch nicht zwangweise oder indirekt Gesellschaftsformen erzwingen wollen, die sich unter den üblichen Bedingungen nicht ergeben würden. Deswegen müssen wir uns mit unterschiedlichen Beteiligungsformen auseinandersetzen.
Da sagen Sie einfach: Gut, die Lohnsteuervergünstigung des § 8 soll dann für alle Beteiligungsformen gelten, für GmbH-Anteile, für Kommanditanteile, für typische und atypische stille Beteiligungen und alles mögliche. Da ergibt sich aber doch die Frage: wie können wir bei diesen ermitteln, ob etwa bei der Übertragung von Kommanditanteilen der Wert dessen, was der Betroffene bekommt, über das hinaus, was er selbst bezahlt, nicht mehr als 50 % beträgt? Denn das ist ja die Voraussetzung für die Lohnsteuerfreiheit. Sie meinen, das sei ganz einfach zu lösen. Da sollte man doch einmal die Praktiker aus der Wirtschaft befragen: wann bekommen sie denn eine Feststellung über den gemeinen Wert? Da gehen doch Jahre hin. Wollen Sie die Frage, ob die Lohnsteuerfreiheit gegeben ist oder nicht, auf Jahre offenlassen und damit eine latente Steuerverpflichtung in oder außerhalb der Bilanz vor sich herschieben, die Sie eines Tages — sei es durch pauschale Ablösung, sei es durch Einzelbesteuerung, was gar nicht mehr gehen dürfte — an das Finanzamt überweisen müßten? Die Bewertung von GmbH-Anteilen, die Bewertung von Kommanditanteilen und die Bewertung von stillen Beteiligungen, die an der Substanz und damit auch an den Stillen Reserven beteiligt sind, ist eben nicht leicht und kann zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Diese Probleme lassen sich nicht mit einer Handbewegung wegschieben. Denn es gibt keine Instanz, die wie die Börse die echten Werte oder was man dafür halten mag täglich im Börsenkurs ausweist.
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Mobilität. Nach der Festlegungsfrist von fünf oder sechs Jahren muß der Anteil ja abgegeben werden können. Was ist dann der reale Wert? Sie sehen ein Vor-



Frau Funcke
kaufsrecht des Betriebes vor. Doch was ist, wenn die Betriebe zur jeweiligen Zeit nicht liquide sind? Und was wird dann bezahlt? Oder wollen Sie etwa den Arbeitnehmer mehr oder weniger Zeit seines Lebens an den Betrieb oder an einen ehemaligen Betrieb binden?

(Zuruf von der CDU/CSU: Es gibt doch schon praktische Beispiele!)

Sie müssen doch die Frage des Übernahmepreises außerhalb der typischen stillen Beteiligung lösen, was doch nicht einfach nur in freier Vereinbarung möglich ist. Bei einer stillen Beteiligung, die Sie nur mit dem Nominalwert festlegen und rückholen, ist das einfach.

(Pieroth [CDU/CSU]: Art. 4 Ziffer 4!)

Dort aber, wo Sie eine echte Beteiligung haben mit Anteil an den stillen Reserven werden die Fragen der Ablösung sehr schwierig.
Oder — und das ist jetzt die kritische Anfrage — wollen Sie, meine Damen und Herren — das klingt in Ihrem § 15 ein bißchen an —, aus dem Arbeitnehmer-Beteiligten mehr oder weniger einen Beteiligten anderen Rechts — ich will nicht sagen, zweiter Klasse, aber anderen Rechts — machen? D. h., soll er in Wahrheit nicht echt beteiligt sein, soll er nicht die vollen Rechte auch der Mitwirkung und Mitbestimmung haben, sondern nur mehr oder weniger ein Darlehensgeber sein, nur gemindert um den Anspruch auf die Konkursmasse?

(Pieroth [CDU/CSU]: Keine Sorge!)

Das lese ich aber aus Ihren Bestimmungen nicht anders heraus.

(Pieroth [CDU/CSU] : Dann lesen Sie bitte nach der Ziffer 4 auch die Ziffer 5!)

— Ja, da kommt die Insolvenzsicherung, selbstverständlich. Aber Entschuldigung, ich meine jetzt zunächst einmal grundsätzlich die Tatsache, daß diese Formen praktisch kaum etwas anderes als Darlehensformen mit dem Ausschluß des Anspruches auf die Konkursmasse sind. Dann sagen Sie: Gut, dann machen wir dafür die Insolvenzsicherung. Das ist sehr schön. Aber es ist dann keine echte, keine volle Beteiligung. Auf der einen Seite wollen Sie die Beteiligung mit Lohnsteuererleichterungen versüßen, auf der anderen Seite enthalten Sie den Betreffenden die vollen Beteiligungsrechte vor.
Ich will nicht sagen, daß wir das grundsätzlich ablehnen; nur muß man es wissen, wenn man all diese Dinge prüft, und man muß den Status eines solchen Arbeitnehmer-Eigentümers in allem Plus und Minus sehr genau und sorgfältig definieren.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Er kann doch frei wählen, Frau Kollegin! Ist das nicht liberal?)

Meine Damen und Herren, gerade weil wir echte Beteiligungen wollen und weil wir auch echte Mitwirkung wollen, sollten wir diese Fragen genau untersuchen. Wenn wir möglicherweise schrittweise vorgehen, könnte man sich darüber verständigen; aber man muß wissen, was hier in Wirklichkeit an
zusätzlichen Konstruktionen vorgelegt wird und wie sie sich in allen Vor- und Nachteilen auswirken.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Alles besser als der gegenwärtige Zustand!)

Nur dies ist mein Hinweis, ohne daß ich damit schon das eine oder das andere völlig negativ oder positiv bewerten wollte; nur muß man es meines Erachtens wissen.
Das hat dann Rückwirkungen auf die Gewerbesteuer. Da gibt es ja in den beiden Entwürfen von Ihrer Seite unterschiedliche Regelungen. Der Bundesratsentwurf will praktisch die Erträge aus einer typischen stillen Beteiligung aus der Gewerbeertragsteuer herausnehmen. Das ergäbe die merkwürdige Konstruktion, daß zwar die Erträge aus Kommanditanteilen, aus Aktien und GmbH-Anteilen der Gewerbesteuer unterliegen, aber allein die der typischen stillen Beteiligung nicht.

(Pieroth [CDU/CSU] Wir schaffen die Gewerbesteuer mit Ihnen zusammen ganz ab! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Meine Damen und Herren, das steht aber nicht in Ihrem Antrag. Wenn es darin stünde, bräuchten wir uns über diese Einzelfrage nicht mehr zu unterhalten.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Das haben wir gestern gewollt, und Sie haben es abgelehnt!)

— Aber ich habe hier im Plenum von Ihnen noch keinen solchen Antrag gesehen.
Die Kapitalverkehrsteuer wollen Sie nicht erheben bei der Kapitalausweitung im Wege dieser Vermögensbildung. Abgesehen davon, daß Schwierigkeiten bestehen, dieses in Europa durchzusetzen — das ist ja eine Abweichung von europäischen zwingenden Vereinbarungen —, frage ich allen Ernstes, ob hier wirklich ein Bedürfnis dafür besteht, den Objektcharakter einer Steuer, die auf alle Kapitalerhöhungen entfällt, abhängig davon zu machen, wer die Anteile erwirbt. Ich kann nicht verstehen, daß dann, wenn ein Prokurist einer Firma einen solchen Anteil erwirbt, die Kapitalerhöhung kapitalverkehrsteuerfrei sein soll, aber dann, wenn eine Witwe in bescheidenen Verhältnissen ihn erwirbt, auf einmal kein sozialer Tatbestand mehr gegeben sein soll; bei einem .Prokuristen aber doch. Ich meine, wir sollten diese relativ kleine Entlastung doch streichen. Sie erschwert das Verständnis von Gerechtigkeit.
Positiv beurteilen würden wir, daß die Beträge, bis zu denen eine Steuervergünstigung für Kleinbetriebe gegeben wird, ausgeweitet werden, um auch in diesen Bereichen einen stärkeren Anreiz zu geben. Man sollte bei dieser Gelegenheit, wie auch in anderen Bereichen, die Schwerbehinderten und die Auszubildenden aus der Berechnung der Mitarbeiterzahl von 50 herauslassen. Dies sind sicherlich Einzelheiten, die nicht entscheidend sind, die aber freiwilligen Leistungen in kleineren Betrieben Vorschub leisten können.
Es stimmt, daß sich die FDP, wie auch in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen ist, für



Frau Funcke
eine Ausweitung der bisherigen Möglichkeiten ausspricht. Dieses sollte unser gemeinsames Anliegen sein, wobei wir meinen, daß dabei in sorgfältiger Beratung alle die Probleme, die ich hier anzureißen versucht habe und die von anderer Seite angesprochen worden sind, geprüft werden sollten. Denn eines sollten wir nicht tun: Wir sollten nicht über den Weg der innerbetrieblichen Vermögensbildung Anteilsrechte unterschiedlicher Wertung, unterschiedlicher Art und damit unterschiedlicher Beteiligter in der Wirtschaft fördern. Darauf sollten wir Rücksicht nehmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810003000
Das Wort hat Herr Staatsminister Streib).
Staatsminister Streib) (Bayern) : Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Beitrag der sehr verehrten Frau Funcke ist wohl doch Hoffnung vorhanden, daß dieser Gesetzentwurf in einer vielleicht gering abgewandelten Form durchgehen kann.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Es sei denn, es fällt denen nach zwei Tagen noch etwas anderes ein!)

Ich könnte es mir sehr leichtmachen. Alle Einwendungen, die Frau Funcke vorgebracht hat, sind nicht maßgebend für den Vorschlag des Bundesrates. Der könnte dann praktisch auch so übernommen werden. Wir sehen die Schwierigkeiten auch. Der Vorschlag des Bundesrates hat diesem Hohen Hause etwa fünf Monate früher vorgelegen. Man kann sich in fünf Monaten durchaus noch einmal über einige Schwierigkeiten klarwerden und sie regeln.
Die Dinge, die hier angesprochen worden sind, sind in unserem Vorschlag klar. Wir haben sie zum Teil herausgelassen. Ein schrittweises Vorgehen ist hier also absolut möglich. Wir haben keine Festlegung der Beteiligung, wir haben keine Kommanditbeteiligung, wir haben die atypische stille Gesellschaft herausgelassen. Das wäre also möglich. Man müßte deswegen nicht sagen: Es kommt hier nun zu gar keinem Gesetzentwurf. Das wäre unlogisch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn ich vor diesem Hohen Hause als Mitglied des Bundesrates zum Thema Vermögensbildung das Wort ergreife, so einfach deshalb, weil die Bundesregierung auf diesem Gebiet so lange untätig geblieben ist. Die Initiative ist auf andere Verfassungsorgane, auf die parlamentarische Opposition und auf den Bundesrat übergegangen.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU]: So ist es!)

Im August 1976 kündigte der damalige Bundeswirtschaftsminister Friderichs realistische Vorschläge zur Vermögenspolitik an. In der Regierungserklärung 1976 und im Jahreswirtschaftsbericht 1977 erfährt der Bürger dann, daß die Bundesregierung dem Ziel der Vermögensbildung eine hohe politische Bedeutung beimißt. Als der Bundesrat schließlich am 14. Oktober 1977 den Entwurf der bayerischen Staatsregierung im wesentlichen übernimmt und der
Bundesregierung zuleitet, entsteht für eine kurze Zeit der Eindruck: Jetzt wird mit all diesen Ankündigungen Ernst gemacht. In der Presse und auch vor diesem Hohen Haus kündigt die Regierung eine Erweiterung des Anlagekatalogs, den Abbau steuerlicher Hemmnisse für den Erwerb von Beteiligungswerten an und verspricht auch eine Regierungsvorlage, die in Kürze vorgelegt werden soll. Wir haben die ganze Zeit gewartet, Monat um Monat, Woche um Woche, aber seitdem ist wieder Funkstille.
Worauf geht eigentlich diese Inflation der Ankündigungen und die gleichzeitige Rezession tatsächlicher vermögenspolitischer Schritte der Bundesregierung zurück?

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Das ist eine Unvermögenspolitik!)

Ich glaube, letztlich darauf, daß man immer noch den Plänen nach einer kollektiven Vermögensbildung nachtrauert — wir haben darüber heute einiges gehört — und daß aus dem Scheitern der seinerzeitigen Pläne für eine Vermögensabgabe noch nicht die richtigen Konsequenzen gezogen wurden. Offensichtlich bestehen auch innerhalb der Koalitionsparteien sehr unterschiedliche Ansichten über kollektive und individuelle Vermögensbildungsmodelle.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

Ich glaube, es sollte inzwischen klargeworden sein, daß sich ein Festhalten an diesen alten Plänen für unsere Volkswirtschaft sehr schädlich auswirken würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine zwangsweise Vermögensbildung, die dem einzelnen nichts anderes als ein paar unverzinsliche Fondszertifikate bringt, die die Wirtschaft zusätzlich zu vorhandenen Steuerbelastungen mit neuen Sonderausgaben belastet und einen Einstieg in eine Wirtschaftsaufsicht und Investitionslenkung ermöglicht, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg. Das ist gerade in der jetzigen Situation Gift für unsere Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Das ist Gift! Das ist unmöglich!)

Auch in den Kreisen der Arbeitnehmerschaft gewinnt der Gedanke an eine individuelle Vermögensbildung immer mehr Anhänger.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich glaube, alle Parteien dieses Hohen Hauses und auch die Gewerkschaften täten gut daran, ihr Nein zur individuellen betrieblichen Vermögensbildung zu überprüfen. Die CDU/CSU geht, glaube ich, mit diesem Entwurf, der heute vorgelegt wird, der im Grunde auch mit dem Entwurf des Bundesrates übereinstimmt, den richtigen Weg. Bereits heute praktizieren über 800 Unternehmen mit rund 850 000 Mitarbeitern eine der verschiedenen Formen der Vermögensbeteiligung, wenn auch manchmal juristische Kunstgriffe erforderlich sind, um negative steuerliche Auswirkungen zu vermeiden. Erfahrungen aus



Staatsminister Streibl
Großunternehmen — ich will jetzt nicht Rosenthal-Porzellan Nymphenburger Porzellan gegenüberstellen —

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Das kann man nicht machen! — Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Das haben Sie gut gemacht!)

zeigen zunehmend, daß in jüngster Zeit gerade dieser Gedanke in der Industriearbeiterschaft besonders Fuß faßt. Die viel berufene Basis denkt also anders als die zum Teil sehr stark akademisch-intellektuell ausgerichteten Führungsstäbe auch der Gewerkschaften.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Demgegenüber will die bayerische Staatsregierung mit dem von ihr initiierten Gesetzentwurf des Bundesrates einen ersten und realisierbaren Schritt in Richtung einer ordnungspolitisch ausgewogenen Vermögensbildung tun. Dieser Gesetzentwurf stülpt nicht die Zwangsjacke irgendeines Modells über die Wirtschaft, sondern er beseitigt Hemmnisse, gewährt Anreize für eine betriebsnahe, individuelle, freiwillige und leistungsbezogene Vermögensbildung. Im wesentlichen wollen wir Verbesserungen in folgenden drei Schwerpunkten. Erstens: Die Ausgabe von Beteiligungswerten, die bisher nur bei Arbeitnehmern von Aktiengesellschaften möglich war, soll unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens steuerlich begünstigt werden. Neben Aktien sollen auch GmbH-Anteile und insbesondere die stille Beteiligung als flexible und vor allem für den Mittelstand geeignete Beteiligungsform in die Förderung einbezogen werden.
Zweitens. Wir erweitern den Anlagekatalog nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz und nach dem Sparprämiengesetz um die Beteiligungswerte. Der Erwerb von risikobehafteten Kapitalanteilen muß für den Arbeitnehmer mindestens ebenso interessant sein wie die Geldanlage in festverzinslichem Vermögen.
Drittens. Jene Hemmnisse. im Gewerbesteuer- und Kapitalverkehrsteuerrecht, die der Bildung von stillen Mitarbeiterbeteiligungen bisher entgegenstanden, sollen entfallen. Vor allem im mittelständischen Bereich war nach geltendem Recht der Ausbau der Vermögensbeteiligung dadurch erschwert, daß eine stille Beteiligung von Arbeitnehmern am Betriebsergebnis dem zu versteuernden Gewerbeertrag hinzuzurechnen war, also nicht etwa als nachträglicher Lohn abzugsfähig war.
Darüber hinaus verweise ich auf die Erhöhung der Steuerermäßigung für mittelständische Unternehmen, die für ihre Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen erbringen, und auf die Beseitigung der ausbildungshemmenden Nebenwirkungen dieser Vorschrift.
Die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates — einiges war in den Ausführungen der sehr verehrten Frau Funcke enthalten — ist meines Erachtens ein Dokument der Verlegenheit und kann nicht die eigene vermögenspolitische Untätigkeit der Bundesregierung bemänteln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Stellungnahme bringt eigentlich nur Ausflüchte; die angeführten Schwierigkeiten sind absolut zu überwinden. Ich darf darauf hinweisen, Frau Funcke, daß immerhin acht Fachminister — also nicht nur die unionsregierten Länder — diesem Entwurf zugestimmt haben.
Teils wird in der Stellungnahme der Bundesregierung der Gesetzentwurf bewußt mißverstanden, so wenn die Bundesregierung auf die Bewertungsprobleme bei der Mitunternehmerschaft hinweist. Eine solche atypische stille Beteiligung aber ist in unserem Förderkatalog gar nicht enthalten. Die Stellungnahme ging zugunsten unseres Entwurfs. Teils werden in der Stellungnahme andere Argumente vorgeschoben, so die angeblich unüberwindbaren Bewertungsschwierigkeiten bei GmbH-Geschäftsanteilen, die aber, meine ich doch, ebenso zu lösen sind, wie dies nach geltendem Recht bei der Ausgabe der an der Börse gehandelten Aktien bereits geschieht. Stichwort: Stuttgarter Verfahren gemäß Abschnitt 77 ff. der Vermögensteuerrichtlinien.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie wollen die das denn machen?)

Vor allem aber deckt diese wortreiche Erklärung der Bundesregierung nur ungenügend zu, daß auch sie trotz aller offensichtlich aufgewendeter Mühe gegen den Kernbereich dieses Gesetzentwurfs nichts einwenden kann; ich meine die Ausdehnung des einkommensteuerlichen Freibetrages auf die typische stille Beteiligung und die Aktien verbundener Unternehmen sowie die Erweiterung des Anlagekataloges nach dem Sparprämien- und Vermögensbildungsgesetz.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist ebenso wie der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion, mit dem wir in der Zielsetzung voll übereinstimmen und von dem wir uns im wesentlichen nur in der Bewertung der kurzfristigen technischen Realisierbarkeit der Mitunternehmerschaft als Beteiligungsform unterscheiden, darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zu dem vom Sachverständigenrat seit langem und jüngst wieder in einem Sondergutachten geforderten steuerpolitischen Programm einer langfristigen wachstumspolitischen Vorsorge.
Der Ausbau der Vermögensbeteiligung, die Förderung des Sparlohns neben dem Barlohn bedeutet für den Arbeitnehmer einen Vermögenszuwachs, ohne daß es zu Liquiditätsabflüssen aus dem Betrieb kommt. Dies bedeutet eine Verbesserung der gerade im internationalen Vergleich — denken Sie an amerikanische Verhältnisse — erschreckend niedrigen Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen.
Meine Damen und Herren, eine verbesserte steuerliche Förderung der Vermögensbeteiligung steht daher in unmittelbarem Zusammenhang mit der aktuellen steuerpolitischen Situation, die ja auch hier in diesen Tagen beraten worden ist, mit der Verbesserung der Wachstumsbedingungen unserer



Staatsminister Streibl
Wirtschaft, der Honorierung unternehmerischer und privater Leistung, der Stärkung der Selbstverantwortung des Staatsbürgers.
Auch das Kostenargument — ich habe es noch nicht gehört — kann kein Grund zur Ablehnung sein. Wer für ein einziges Unternehmen in Berlin 320 Millionen DM Zuschuß ausgeben kann, der müßte auch die 500 Millionen DM aufbringen können, die hier notwendig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Argument kann man natürlich nicht gelten lassen: Wenn die Leute von diesen Dingen nichts wissen oder nichts verstehen, dann können solche Regelungen nicht eingeführt werden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ein eigenartiges Verständnis vom Arbeitnehmer, muß ich sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : So ist es!)

Dahinter verbirgt sich, daß die Vermögensbildung wie auch Teile des Mitbestimmungsrechts viel zu wichtig sind, als daß man sie dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen könnte.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Hier muß das Kollektiv mitreden.
Hier wurde auch der Gedanke angesprochen: Weil die Lösung nicht gleich Millionen erfaßt, deswegen kann sie gar nicht eingeführt werden. Auch dieses Argument hält nicht. Man hat ja auch ein- mal — das ist sogar ausgeführt worden — mit dem 312-DM-Gesetz angefangen, und wie ist dann die Zahl der Bürger gewachsen, die davon Gebrauch gemacht haben.
Ein plausibles Argument für das Nein zu diesen beiden Gesetzentwürfen habe ich bis jetzt nicht gehört.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Hilfloses Gestammel haben wir gehört!)

Die Frage der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand liegt auf dem Tisch. Meines Erachtens ist das nicht eine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens.

(Beifall bei der CDU/CSU — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Genauso ist es!)

Der Bundestag ist aufgerufen, zu entscheiden, ob er für eine individuelle Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ist oder nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810003100
Das Wort hat der Abgeordnete Kraus.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Die bayerische Stunde!)


Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID0810003200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich
Herrn Rosenthal für die warme Befürwortung unseres Antrags recht herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie er sich wörtlich ausdrückte, gibt es ja nur noch eine sehr kleine Differenz: nämlich die Zielrichtung, meint er, stimmt nicht ganz. Diesem Übel kann sicher in gemeinsamen Verhandlungen abgeholfen werden, und somit kann eine breite Basis für unser Vorhaben hergestellt werden.
Wenn man von ihm hörte, was in der Firma Rosenthal alles geboten wird, konnte man eigentlich nur neidisch sein und man hatte den dringenden Wunsch, in einem ebenso großzügigen Unternehmen beschäftigt zu sein. Da dies aber sicher nicht möglich sein wird, sollten wir alle dafür sorgen, daß die Vorzüge der Firma Rosenthal in vielen anderen Betrieben eingeführt werden, damit möglichst viele Menschen in unserem Land unter ähnlichen Bedingungen arbeiten dürfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Frau Funcke möchte ich bestätigen, daß es ihr im Namen der FDP heute wiederum gelungen ist, einen Beitrag zur Unglaubwürdigkeit der FDP in der Öfferitlichkeit zu leisten.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wenn man die ständigen Beteuerungen der FDP hört, was sie alles will, und wenn man dann sieht, was zu tun sie bereit ist, kann man begreifen, daß immer mehr Menschen nicht mehr bereit sind, diese Partei zu wählen.
Es läuft doch immer so ab: Ein Plan ist kein Plan, und ein Konzept ist kein Konzept, wenn Sie nicht irgendwann einmal von einem noch so mickrigen FDP-Gremium abgesegnet wurden; erst dann wird es zum Plan, erst dann wird es zum Konzept. Eventuelle Urheberrechte gehen bei dieser Gelegenheit verloren; das Urheberrecht für derartige Gedanken geht nahtlos auf die FDP über. So war es gestern in der Steuerdebatte. So erleben wir es heute wieder.
Die FDP hat vor zehn Jahren bereits in ihren Freiburger Thesen genau das vertreten, was wir heute hier fordern. Mit beredten Worten wurde das damals angekündigt; getan wurde zwischenzeitlich überhaupt nichts. Die damals gefaßten Gedanken wurden der Koalitionsraison geopfert. Statt das Problem wirklich anzupacken, werden Ausreden ersonnen. Es sind angeblich gesetzestechnische und steuerrechtliche Bewertungsfragen, die die FDP hindern, mit uns zusammen dieses Gesetz zu machen.
In Wahrheit ist es natürlich so, daß Sie nicht in der Lage sind, in Ihren Fraktionen jene Minderheiten auf der linken Seite, die es in der FDP und in der SPD gibt —, zu brechen, um wirklich liberale und soziale Politik machen zu können.
Wie wenig jedenfalls die Behauptung zutrifft, daß solche Schwierigkeiten vorliegen, beweisen — das wurde hier schon gesagt — die Hunderte von Betrieben, die bereits heute erfolgreich betriebliche Vermögenspolitik machen. Diese Leute waren in der Lage, die Schwierigkeiten, mit denen wir angeblich nicht fertig werden können, in ihren Betrie-



Kraus
ben erfolgreich zu bewältigen. Diese Bürger beschämen hiermit diese Regierung, sie beschämen letztlich auch dieses Parlament, wenn sie in der Lage sind, Erfolge zu erzielen, während dieses Parlament das eben nicht kann, ja es nicht einmal in der Lage ist, die notwendige Beseitigung steuerlicher und sonstiger Hemmnisse zu beschließen.

(Hasinger [CDU/CSU] : So ist es!)

Dieser ständig wachsende Widerspruch zwischen öffentlichen Ankündigungen und Versprechungen, der Weckung von Hoffnungen einerseits und den ausbleibenden Taten andererseits ist neben den Schwindeleien und den dauernden Fehlprognosen im Bereich der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung auch ein Hauptgrund für die wachsende Partei- und Staatsverdrossenheit unserer Bürger.
Seit zehn Jahren steht die Problematik der Vermögensbildung in der Diskussion, ohne daß es der Regierungskoalition bisher gelungen wäre, eine praktikable Lösungsmöglichkeit aufzuzeigen. Deswegen war es ja auch notwendig, daß hier die Opposition die Initiative ergriffen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zum wiederholten Male!)

Für uns ist die Frage der Vermögensbildung auch ein Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Breitenwirksame Vermögensbildung, auch am Produktionskapital, für ale Bevölkerungsschichten ist Teil einer wertschaffenden Alternative zur derzeitigen auf Mangelverwaltung gerichteten Politik der Bundesregierung. Sie ist ein konstruktiver Beitrag zur Wiedergewinnnng von Vollbeschäftigung und wirtschaftlichem Wachstum in Stabilität. Der enge Zusammenhang von Vermögensbildung, Investitionsbelebung, Wachstum und Vollbeschäftigung drängt den von uns vorgeschlagenen Weg als die nächstliegende Möglichkeit geradezu auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir gehen dabei auch davon aus, daß die immens wachsenden Kapitalkosten für jeden einzelnen neuen Arbeitsplatz ohne die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten auf die Dauer gar nicht finanziert werden können.
Deswegen ist auch dieser Gesetzentwurf, der in diese Richtung führt, so wichtig. Er soll mithelfen, breite Bevölkerungsschichten an die Anlage in Form von Produktiv- und Risikokapital heranzuführen. Wir von der CDU/CSU wollen nämlich auch nicht, daß das Eigentum an Produktionsmitteln in möglichst großen Kapitalsammelstellen — gleich welcher Art — zusammengeballt wird und damit der Verfügung des einzelnen entzogen ist. Wir wollen, daß auch die Vermögensbildung am Produktivkapital möglichst breit gestreut ist.

(Zuruf von der SPD: Das erreichen Sie aber doch nicht mit diesem Gesetz!)

— Aber selbstverständlich; das ist ein erster Weg dorthin. Natürlich ist es nicht das Ganze, was wir wollen, aber mehr ist im Augenblick eben überhaupt nicht durchzusetzen. Wir wären ja froh, wenn wir nur das, was wir jetzt vorschlagen, gegen Ihren Widerstand durchsetzen könnten.
Ein Zwang zur Vermögensbildung, zur Vermögensbeteiligung wird auf keiner der beiden Seiten der betrieblichen Partnerschaft ausgeübt. Im Gegenteil! Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird ein breiter Spielraum, insbesondere zur tarifvertraglichen Gestaltung und Regelung des Beteiligungsverhältnisses, eingeräumt.
Über die Insolvenzsicherung ist hier bereits gesprochen worden.
Es besteht sicherlich auch kein Zweifel darüber, daß durch die Beteiligung am Produktionskapital der Freiheitsspielraum des einzelnen Arbeitnehmers entscheidend erweitert wird, und zwar systemkonform. Die soziale Absicherung des einzelnen erhält eine breitere und damit tragfähigere Grundlage. Außerdem fließen der Wirtschaft neue Mittel zu, die dazu geeignet sind, neue Investitionen und damit neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Neben den allgemeinen Maßnahmen, die nicht zuletzt • die Diskriminierung kleiner und mittlerer Betriebe beseitigen, sieht unser Gesetzentwurf auch gezielte Hilfen für die mittelständischen Betriebe vor, die für ihre Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen erbringen. Der Höchstbetrag für die 30 %ige Einkommen- oder Körperschaftsteuerermäßigung soll von 6 000 DM auf 9 000 DM erhöht werden. Ich möchte hier auch noch einmal an die Härteklausel erinnern, die für jene Betriebe gilt, die in einer schlechten wirtschaftlichen Lage keine Steuerzahllast tragen. Diese Betriebe sollen eine Steuervergütung in entsprechender Höhe ausgezahlt erhalten.
Weiter ist für mittelständische Betriebe die Bestimmung wichtig, daß auf die Zahl von 50 Beschäftigten in Zukunft Auszubildende und Schwerbeschädigte nicht angerechnet werden. Das ist eine Erleichterung für diese Betriebe, ist aber auch eine besondere Rücksichtnahme auf die Lage unserer arbeitenden Bevölkerung, die derzeit besonders schwer unter der allgemeinen Arbeitslosigkeit zu leiden hat.
Wichtig erscheint mir auch noch, daß der Fremdeinflug in Klein- und Mittelbetrieben auf jeden Fall begrenzt werden muß. Deswegen haben wir vorgeschlagen, daß für alle nicht börsengängigen Beteiligungen im Rahmen dieser Vorschriften die beteiligten Arbeitnehmer im Falle des Verkaufs ihren Anteil zunächst einmal dem Unternehmen oder anderen Beteiligten anbieten sollen.
Die neuen Möglichkeiten zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand sollen aber vor allem den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit geben, im Wege der Lohn- und Manteltarifverträge vermögenswirksame Abschlüsse zu tätigen. Vermögensbildung ist — ich wiederhole es — somit auch ein wesentlicher Beitrag zur Lösung des Arbeitslosenproblems. Ausgehend von der Überzeugung, daß nur Wachstumsinvestitionen neue Arbeitsplätze schaffen können, damit aber zeitweiliger Konsumverzicht verbunden ist, soll denen, die diesen Konsumverzicht leisten müssen, die Chance geboten werden, auch an den Früchten dieses Konsumverzichts teilzuhaben.



Kraus
Alles in allem ist dieser Gesetzentwurf ein weiterer Schritt zur Stabilisierung unserer seit Gründung der Bundesrepublik bewährten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Er ist deshalb gesellschaftspolitisch sinnvoll, weil mehr Menschen direkt Eigentum erwerben und erleben können und damit die Basis unseres freiheitlichen sozialen und demokratischen Rechtsstaates verbreitert wird. Daß dieser Effekt eintritt, ist nicht ernsthaft zu bestreiten. Deshalb setzen Sie sich im Falle einer Ablehnung dem Vorwurf aus, nicht genug zu tun, um unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung wirklich zu erhalten. Eigentum legt auch keine goldene Fessel. an, wie es hier behauptet wurde, sondern schafft neue Freiheitsrechte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Freiheitserlebnis individuellen Eigentums im Bereich des Grund- und Wohnungsbesitzes — hier schon erfolgreich breit gestreut und realisiert — muß auch im Bereich der Produktionsmittel Einzug halten. Das ist ein entscheidender Schritt nach vorn, um den gesellschaftspolitischen Erfordernissen der Gegenwart gerecht zu werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist außerdem wirtschaftspolitisch wünschenswert, weil die Investitionsmöglichkeiten der Wirtschaft gestärkt und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden sowie die Eigenkapitalquote der Unternehmer verbessert werden kann. Der Gesetzentwurf ist nicht zuletzt sozialpolitisch dringend erforderlich, weil letztlich nur auf diesem Wege sichergestellt werden kann, daß die materielle Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates wieder hergestellt, erhalten und gestärkt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810003300
Das Wort hat der Abgeordnete Rapp.

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810003400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das große persönliche und politische Engagement des Herrn Kollegen Pieroth für die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen in Ehren und in hohen Ehren; aber, sehr geehrter, lieber Herr Pieroth, die Werbung für diese Ihre Sache würde überzeugender und wirksamer sein, wenn Sie sie nicht nur mit heißem Herzen, sondern auch mit etwas kühlerem Kopf und Verstand betreiben würden. Vollends daneben geht es, sich in dieser Sache in ideologische Exzesse und Ekstasen hineinzureden. Und es war einmal mehr ein Exzeß, hier unterschwellig die Lüsternheit der Sozialdemokraten auf anderer Leute Häusle ins Spiel zu bringen. Es entsprach auch nicht der Wahrheit, zu sagen, die Sozialdemokraten hätten in der Vermögenspolitik nichts bewirkt. Den 624-Mark-Rahmen und die Tarifvertragsfähigkeit, die den Durchbruch gebracht hat, nehmen wir für uns in Anspruch.

(Pieroth [CDU/CSU]: CDU 1965!)

Sie wissen doch so gut wie ich, meine Damen und Herren von der Opposition, daß die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen nur dann in die Breite und in die Tiefe gehen kann, wenn es gelingt, gewisse, wie ich meine, sehr ernst zu nehmenden Anfragen aus den Reihen der Gewerkschaften dazu zureichend zu beantworten und bestimmte Bedenken auszuräumen. Ich werde darauf im einzelnen noch zu sprechen kommen. Folglich ist es, jedenfalls für die Sache selbst, um die es Ihnen geht, geradezu kontraindiziert, dieses Thema zum Exerzierfeld der Polarisierung zu machen.
Im übrigen, meine Damen und Herren von der Opposition: Ich habe noch nie jemanden mit größerer Verachtung und Gehässigkeit über die Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer reden hören als Ihren obersten Vorgesetzten, den Herrn Kollegen Strauß, der — die Tonlage ist ja unverwechselbar und ermöglicht es Ihnen, jene Rede zu identifizieren — gesagt hat, es sei „eine der dümmsten Vorstellungen, die man haben könne, die Arbeitnehmer am Produktivvermögen beteiligen zu wollen". Wer das wolle — so Strauß —, der sitze im falschen Dampfer; davon müsse man wieder herunter usw. usw. Und Sie, Herr Pieroth, haben dabei, wie Sie sich wohl erinnern werden, noch in besonderer Weise Ihr Fett abbekommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch völlig auf den Kopf gestellt! — Hasinger [CDU/CSU] : Damit hat er wahrscheinlich Ihre Vorstellungen gemeint!)

Sie werden sich von Herrn Strauß jedenfalls in dieser Frage distanzieren und absetzen wollen. Aber rechnen Sie dann bitte nicht schlechterdings den Sozialdemokraten Leute wesentlich geringeren politischen Gewichts zu, die da mitunter auch nicht immer ganz durchblicken!

(Hasinger [CDU/CSU] : Er hat Ihr Modell gemeint!)

— Nein, nein, das hat er nicht. Ich habe die Rede Straußens bei mir auf dem Tisch liegen; ich werde Sie Ihnen nachher gern zugänglich machen. — Bitte schön, Herr Pieroth.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810003500
Eine Zwischenfrage, bitte schön.

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0810003600
Herr Kollege Rapp, sind Sie bereit, zuzugeben, daß Kollege Strauß diese von Ihnen zum Ausdruck gebrachte Meinung erstens in Richtung SPD-Fondsvorstellungen und zweitens hinsichtlich der Verknüpfung der von Ihnen gewünschten 8 Milliarden DM Investitionszulage im Jahre 1974 mit Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gemeint hat, und sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß im gültigen CSU-Parteiprogramm vom Jahre 1973 ganz oben unter „Vermögensbildung" steht: „Ausbau und Verwirklichung des von den Unionsparteien vorgelegten Gesetzentwurfs über den Beteiligungslohn", und sind Sie bereit, zu akzeptieren, daß Sie CDU und CSU in der Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital der Wirtschaft nicht auseinanderdividieren können?

(Beifall bei der CDU/CSU)





Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810003700
Herr Kollege Pieroth, ich kann dem nicht zustimmen. Die Rede des Herrn Kollegen Strauß, auf die ich angespielt habe — ich kann sie Ihnen nachher zeigen —, ist völlig eindeutig. Aus dem gesamten Kontext ergibt sich etwas anderes als das, was Sie hier gesagt haben.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Von wann ist denn die Rede, Herr Rapp?)

— Die ist in Sonthofen gehalten worden.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte hier nicht das, einfältige Spiel anzetteln: haust du meinen, hau ich deinen. Bedenken, Kritik gibt es — ich sagte es schon — auch aus den links von der Mitte gelegenen Gefilden des politischen Areals. Freilich war und ist sie differenzierter ausgefallen als die von mir soeben zitierte des Herrn Strauß. Auf Bedenken aus den Reihen der Gewerkschaften habe ich bereits hingewiesen. In den Ausschüssen wird man sehr sorgfältig die Liste der Einreden durchzugehen haben. Da gibt es Einreden kreislauftheoretischer Art, verteilungspolitischer und verfahrenstechnischer Art — von gewiß unterschiedlicher Schlüssigkeit. Man wird darauf in den Ausschüssen sorgfältig einzugehen haben.
Ich möchte hier nur eine dieser Einreden herausgreifen: Da heißt es in der Begründung des Entwurfs der CDU/CSU-Fraktion, über Vereinbarungen auf Betriebsebene hinaus stehe auch der Weg der tarifvertraglichen Vereinbarung offen. Damit wird das berühmte „zweite Bein" der Tarifpolitik angesprochen. Freilich kann es wohl kein Zufall sein, wenn dieser Aspekt im Entwurf der CDU/CSU-Fraktion nur so ein bißchen angeleuchtet wird.
Dabei ist doch schon im Lichte der bisherigen vermögenspolitischen Erfahrungen völlig klar, daß die mit dem vorliegenden Entwurf angestrebte Erweiterung der Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer nur und erst dann einen breiten Durchbruch erzielen kann — den ich wünsche —, wenn die Gewerkschaften sie zu ihrer tarifpolitischen Sache machen. Dies aber wird man schwerlich mit Modellen erreichen können, bei denen — —

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Vielleicht die Gewerkschaftsmitglieder!)

— Herr Kollege von der Heydt, mich können Sie nicht dazu bringen, daß ich die Gewerkschaftsmitglieder und die Gewerkschaftstage auseinanderdividieren lasse.
Aber ich wiederhole: Voller Durchbruch wird erst zu erzielen sein, wenn sich die Gewerkschaften diese Sache zu eigen machen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Niemand hindert sie daran!)

Dies wird man schwerlich mit Modellen erreichen können, bei denen der Verdacht oder jedenfalls die Befürchtung erst noch ausgeräumt werden muß, das Ganze laufe auf Betriebsegoismen und damit auf die Schwächung der Gewerkschaften, auf die
Beeinträchtigung der Einheitlichkeit ihrer Willensbildung und der Geschlossenheit ihrer Aktionen hinaus. Das, was ich eben sagte, hat nun mit Klassenkampfdenken überhaupt nichts zu tun, was leicht zu beweisen wäre.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810003800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth?

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810003900
Bitte schön!

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0810004000
Herr Kollege Rapp, sind Sie bereit, folgende Aussage zur Kenntnis zu nehmen:
Arbeitnehmer sind konkrete Menschen, und wer sie nicht als konkrete Menschen anerkennt, der wird sie auch nicht erreichen. Also ist es erforderlich, in die schrittweise Einweisung der Arbeitnehmer in das Produktionsvermögen der Volkswirtschaft nicht nur ein personales Element einzufügen, sondern beim konkreten Arbeitnehmer anzuknüpfen.
Beitrag von Heinz Rapp auf dem SPD-Parteitag 1973 in Hannover.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810004100
Ich brauche das nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, ich stehe da ganz dahinter. Nur, entschuldigen Sie: Es geht darum, daß Sie mit diesem Entwurf die Überzeugungsarbeit erst noch leisten müssen — jedenfalls im weiteren Beratungsgang —, die nötig ist, damit die Gewerkschaften ihre Bedenken ausgeräumt sehen. Nur davon soll hier die Rede sein.

(Zurufe von der CDU/CSU: Helfen Sie mit!)

— Ich komme darauf zurück. Lassen Sie mich bitte fortfahren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810004200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Huonker?

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810004300
Bitte!

Gunter Huonker (SPD):
Rede ID: ID0810004400
Herr Kollege Rapp, sind Sie bereit, mir zu bestätigen, daß Herr Kollege Strauß in der Sonthofener Rede zur Vermögensbildung folgendes gesagt hat:
Vermögensbildung, da kann ich nur sagen: zur Zeit nichts. Zur Zeit fehlen sämtliche Voraussetzungen für eine Vermögenspolitik.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zur Zeit!)

Dann:
Eine der dümmsten Vorstellungen, die man haben kann, den Arbeitnehmer am Produktivkapital unbedingt beteiligen zu müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zur Zeit!)

Dann kommt unter anderem noch der schöne Satz:
Das hindert aber die Vermögenspolitiker à la Pieroth nicht daran, Beteiligungen am Produktivkapital zu verlangen.



Huonker
Das heißt: Sie sind bereit, zu bestätigen, daß eine deutlichere Absage als die von Herrn Strauß zum Thema „Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital", wenn Sie den Gesamtzusammenhang lesen, nicht denkbar ist?

(Zurufe von der CDU/CSU: Zur Zeit! Wann war das?)


Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0810004500
Herr Kollege Huonker, das war ein wörtliches Zitat. Da gibt es nichts zuzustimmen, sondern das ist so gewesen.
Aber lassen Sie mich bitte fortfahren. Ich war dabei, zum Ausdruck zu bringen, daß Sie nicht Modelle entwickeln und in die Landschaft setzen können, bei denen die Gewerkschaften — mit welchem inneren Recht auch immer, das bleibt zu untersuchen — ihre innere Einheitlichkeit und Geschlossenheit beeinträchtigt sehen. Man kann nicht in Sonntagsreden und bei opportunen Anlässen unsere Einheitsgewerkschaft als eine der ganz großen Errungenschaften der Nachkriegszeit preisen und sich dann leichtfertig über Befürchtungen aus eben dieser Gewerkschaft hinwegsetzen, bestimmte Entwicklungen seien geeignet, die Grundlagen eben dieser Errungenschaften zu unterminieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich sage nicht, daß all dies bezüglich der im Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion vorgesehenen Erweiterungen des Anlagekatalogs unbedingt so sein müßte. Wir fordern Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, jedoch auf, bei den Beratungen im Ausschuß mit uns nach Gestaltungen zu suchen, die derartige Bedenken von vornherein den Boden entziehen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aber natürlich! Sicher! — Warum nicht?)

Damit ist die Richtung angesprochen, in die unsere, der Sozialdemokraten, Überlegungen gehen.
Zu einem umfassenden Angebot an die Tarifvertragsparteien gehören — mein Kollegen Rosenthal hat es bereits gesagt — auch Modelle — nicht nur, aber auch — oder Komponenten der überbetrieblichen Vermögensbeteiligung. Da bieten sich z. B. die Gemeinsamen Einrichtungen nach § 4 Tarifvertragsgesetz als Ansatzpunkt an. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten hat dazu vor kurzem einen sehr interessanten Tarifvertrag abgeschlossen.
Es gibt noch anderes, was man in Betracht ziehen und z. B. in die einkommensteuerliche Begünstigung nach § 8 Kapitalerhöhungssteuergesetz aufnehmen könnte, etwa Investmentanteile. Wir werden über all dies in den Ausschüssen zu sprechen haben. Jedenfalls aber, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie heute schon wissen, daß die enge, ja ausschließliche Betriebsbezogenheit des vorliegenden Entwurfs der CDU/CSU-Fraktion in unseren Augen ein schwerwiegender Mangel ist. Sollte uns da die Auffassung begegnen, eben auf diese Betriebsbezogenheit komme es an, darin lägen der Sinn und der besondere Vorzug des Entwurfs, wird man sich auf harte Auseinandersetzungen einrichten müssen.
Damit stelle ich nun nicht etwa die bereits laufenden Modelle betrieblicher Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer in Frage.

(Hasinger [CDU/CSU] : Indirekt doch!)

Hier gibt es so manche Pionierleistung, die Eindruck macht. Was gut ist, wird sich durchsetzen und auch Werbekraft entfalten. Dazu sind wir hier jedoch überhaupt nicht gefragt; das läuft ganz ohne uns. Hier haben wir es lediglich mit der steuerlichen Flankierung der Produktivvermögensbildung in Arbeitnehmerhand zu tun.

(Tillmann [CDU/CSU] : Eben!)

In diesem Zusammenhang ist jedenfalls mit in Betracht zu ziehen, was ich zur Akzeptanz der einzelnen Vorschläge gesagt habe.
Was nun die im vorliegenden Gesetzentwurf der Opposition vorgesehenen steuerlichen Regelungen selbst betrifft, so ist die erste Lesung sicherlich nicht der richtige Anlaß, in die Finessen der Texte einzusteigen. Auf die offenkundigsten Tücken und Fußangeln, die da zu entdecken sind, soll freilich hingewiesen werden.
Erstens. Da ist zunächst die Einbeziehung von Kommanditanteilen in den Kreis der geförderten Beteiligungsformen zu nennen. Durch eine Änderung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes soll sichergestellt werden, daß der Arbeitslohn von Arbeitnehmer-Kommanditisten nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert wird, damit eben diese Arbeitnehmer-Kommanditisten nicht der steuerlichen Vorteile aus dem ArbeitnehmerStatus — Werbungskostenpauschale, Arbeitnehmerfreibetrag, Weihnachtsfreibetrag und anderes — verlustig gehen.
Wer nun auch nur ein bißchen in das Geschäft der Steuerpolitik hineingerochen hat — Herr Kollege Pieroth, Sie waren im 7. Bundestag Mitglied des Finanzausschusses —, der weiß, daß das gar nicht durchzuhalten ist, daß das nicht gut gehen, daß man das nicht machen kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?)

Wenn bei bestimmten Gesellschaftern und Mitunternehmern einer Personengesellschaft — hier bei Arbeitnehmer-Gesellschaftern — nur noch Teile ihrer Bezüge aus der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte behandelt werden, würden alle anderen Gesellschafter, die für die Gesellschaft besondere Leistungen erbringen, selbstverständlich sofort „auf der Matte" stehen und dasselbe fordern. Und diese unsere Opposition wäre ebenso selbstverständlich mit dabei und würde das durchsetzen wollen. Nicht abzuschätzende weitere Steuerausfälle und eine zusätzliche Komplizierung des Steuerrechts wären die unausweichlichen Folgen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Wir haben auch bisher schon Sonderregelungen!)

Dann aber stellt sich eben doch — das wird in den Ausschüssen zu beweisen sein; die Frau Kollegin Funcke hat es auch schon deutlich gemacht —



Rapp (Göppingen)

das Problem der Bewertung solcher Anteile. Im Blick auf die stillen Reserven müßte jeweils das Gesamtunternehmen bewertet werden — und das in einem Massenverfahren! Darauf, wie sie das machen will, geht die Opposition wohlweislich nicht ein. Angenommen, anderen, etwa uns, würde einfallen, wie man so etwas macht — im Moment wüßte ich es nicht —, so würde sich die CDU/CSU ganz gewiß nicht scheuen, wegen der dann eintretenden Folgen einen neuen Antibürokratismus-Kongreß zu inszenieren. Dieses wäre ja die unausweichliche Folge.
Zweitens. Im erwähnten § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes soll nun noch ein Freibetrag von 300 DM für Erträge aus Kommanditbeteiligungen für Arbeitnehmer vorgesehen werden. Es ist klar, daß, und zwar zu Recht, auch dieser Freibetrag von weiteren Gruppen gefordert würde.

(Pieroth [CDU/CSU] : Von wem denn noch?)

— Von allen Kommanditisten, die aus Vertrag für die Gesellschaft zusätzliche Leistungen erbringen.

(Pieroth [CDU/CSU] : Das sind keine Kommanditbeteiligungen für Arbeitnehmer!)

Alle würden das fordern, und zwar mit gleichem Recht. — Was die Handhabbarkeit dieses gegen den Sparerfreibetrag nach § 20 des Einkommensteuergesetzes vollends noch gegenzurechnenden neuen Freibetrags in den Finanzämtern anlangt, so kann man nur sagen: Prost Mahlzeit! Und Sie, meine Damen und Herren von der Oppositon, würden selbstverständlich einen veritablen Grund mehr haben, wieder und wieder die Vereinfachung der Steuergesetze zu fordern, die Sie selbst mit solchen Sachen ganz und gar aus dem Leim treiben.

(Zuruf des Abg. Müller [Berlin] [CDU/CSU] — Pieroth [CDU/CSU] : Was im Ausschuß besprochen werden sollte!)

— Ich rede von dem, was im Ausschuß ganz sorgfältig zu erörtern sein wird.
Drittens. Es gibt da des weiteren das Ansinnen, die Lohnsteuer für den steuerpflichtigen Vorteil bei der Beteiligungsgewährung bis zur Höhe von 2 400 DM zu pauschalieren. Nun ist die Pauschalierung von Lohnsteuer seit eh und je als ein Instrument zur Vereinfachung der Steuererhebung, nicht aber zur materiellen Steuervergünstigung, verstanden worden,

(Huonker [SPD] : Sehr richtig!)

einer Vergünstigung, die zudem für höhere Einkommen überproportionale Vorteile hätte. Wieder ginge ein Stück wohlbegründeter Steuersystematik und ein Stück Steuergerechtigkeit vor die Hunde.
Viertens. Bei der vorgesehenen Freistellung von Kapitalverkehrsteuer stellt sich das Problem der Unverträglichkeit mit dem EG-Recht. Auch hierüber hat Frau Kollegin Funcke gesprochen.
Fünftens. Dann soll der Höchstbetrag der Ertragsteuerermäßigung für Betriebe mit weniger als 50 Arbeitnehmern nach § 14 des dritten Vermögensbildungsgesetzes von 6 000 auf 9 000 DM erhöht werden. Dabei wird gar nicht erst versucht, die Feststellung der Bundesregierung zu entkräften, daß 6 000 DM noch vollkommen ausreichen. Die vorgesehene Auszahlung der Steuervergünstigung nach dem Negativsteuerprinzip im Falle nicht zureichender Erträge des Unternehmens bedeutet eine Durchbrechung des Steuerrechts, die wiederum dem Bedenken einer übermäßigen Komplizierung und Bürokratisierung begegnet. Übrigens könnte sich das als eine Subvention nach der Art der Sozialisierung von Verlusten erweisen. Das halte ich für eine ganz besonders bedenkliche Position im Gesamtentwurf.
Sechstens. Auf die im Bundesratsentwurf, nicht aber im Oppositonsentwurf vorgesehene generelle Freistellung stiller Arbeitnehmerbeteiligungen von der Gewerbesteuer gehe ich gar nicht erst ein. Ich glaube, es ist kein Zufall, daß dieser Punkt im Entwurf der Opposition nicht erst mehr auftritt.
Ich möchte es damit bewenden lassen, obwohl noch mehr über die steuerpolitischen und steuertechnischen Schwachstellen des Entwurfs zu sagen wäre. Nun haben uns gesellschaftspolitische Generalisten der Unions-Parteien ja immer wieder gesagt, bei solch kleinkariertem Zeug wie dem Steuerrecht solle man sich doch gar nicht erst aufhalten; auf den großen Durchbruch komme es an. Gerade der Herr Kollege Kraus hat sich diese Forderung mit starken Worten zu eigen gemacht. So zu denken und zu reden kann auf Parteitagen — in Grenzen — eine legitime Art der Meinungsbildung sein. Wir aber haben hier nicht irgendwelche Anträge an übergeordnete Instanzen zu verabschieden, die dann den legislatorischen und administrativen Kleinkram zu machen haben. „Kleinkram" würde ich das übrigens gar nicht nennen, wovon ich gesprochen habe.
In den Ausschüssen wird man sehen, was geht. Wir Sozialdemokraten hoffen — das sage ich allerdings sehr deutlich an die Adresse der Bundesregierung —, dann auch Vorstellungen der Bundesregierung über eine überbetriebliche Komponente der Vermögensbildung in die Erwägungen einbeziehen zu können. Zeitdruck besteht nicht, jedenfalls — leider, hat man hinzuzufügen — nicht im Blick auf die konjunkturelle Lage. In bezug auf dieses Gesetzesvorhaben aber hat das den Vorzug, daß man Zeit zu einer gründlichen Beratung dieser schwierigen Materie hat, !die auch nötig ist, wenn Pannen, insbesondere hinsichtlich der Durchbrechungen des Steuerrechts, vermieden werden sollen. Wir Sozialdemokraten sind zu dieser gründlichen Beratung bereit.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810004600
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt (Düren).

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0810004700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rapp, Sie haben in Ihrer Einlassung gerade behauptet, daß die Öffnung des Vermögensbildungsgesetzes für Tarifverträge eine Leistung der Sozialdemokratischen Partei sei. Ich bitte Sie, sich doch einmal bei Ihrem Kollegen Schorsch Leber zu erkundigen, wie das 1965 im zuständigen Ausschuß gewesen ist. Er ist damals ja extra in den Ausschuß gekommen,



Vogt (Düren)

um die CDU/CSU bei ihrem Bemühen, diese Öffnung zu verwirklichen, zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich freue mich auch, daß der Kollege Rosenthal wieder hier ist. Ich will mich eigentlich mit den politischen Argumenten und nicht mit der indirekten Werbung auseinandersetzen. Herr Kollege Rosenthal, ich stimme Ihnen darin ausdrücklich zu, daß das soziale und wirtschaftliche Modell, das wir in der Bundesrepublik entwickelt haben, in Ost und West Anerkennung findet. Sie haben es so gekennzeichnet, daß in diesem System, in dieser Ordnung, auch die Arbeitnehmer das Sagen haben und daß wir sie auch zum „Haben" bringen wollen. Aber, Herr Kollege Rosenthal, das Miteigentum und die Mitbestimmung sind doch Ausdruck der partnerschaftlichen Ordnung. Und die Idee der Partnerschaft haben wir als Christlich-Soziale erst einmal gegenüber den Klassenkampfideen Ihrer Vorgänger in der Sozialdemokratischen Partei durchsetzen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich stimme Ihnen auch darin zu, Herr Kollege Rosenthal, daß die Tarifpartner zu diesem sozialen und wirtschaftlichen Modell der Bundesrepublik einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Sicherlich hat zur Anwendung des Vermögensbildungsgesetzes wesentlich der Durchbruch beigetragen, den die Gewerkschaft Bau, Steine, Erden erreicht hat. Aber worum geht es denn heute in der Debatte? Heute geht es doch darum, daß wir Barrieren aus dem Wege schaffen, die dem Durchbruch der betrieblichen Kapitalbeteiligung im Wege stehen. Heute können eben die Tarifpartner nicht das erreichen, was sie für ihre Mitglieder erreichen könnten, wenn diese Barrieren nicht vorhanden wären. Sie zu beseitigen, ist genau der Sinn unseres Gesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Dritte, Herr Kollege Rosenthal. Ich stimme Ihnen auch darin zu, daß über die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die Sie dargestellt haben, in weiten Kreisen der Bevölkerung Unwissenheit herrscht. Aber, Herr Kollege Rosenthal, das kann doch kein Grund sein, nicht zu handeln. Wir können ja auch gerade durch unser Handeln einen Teil der Unwissenheit mit abtragen. Dazu sollten Sie doch mit uns zusammen Ihren Beitrag leisten.
Interessant finde ich, daß in dieser Debatte von der Seite der Sozialdemokraten Herr Kollege Rosenthal und Herr Kollege Rapp gesprochen haben; die Coppiks sehe ich gar nicht in dieser Debatte. Denn unsere Initiative ist von den Sozialdemokraten mit dem Argument abgelehnt worden, sie stelle nicht die große Lösung in der Vermögensbildung dar — wobei unter einer „großen Lösung" das verstanden wird, was einmal von dem Kollegen Werner Maihofer und dem Kollegen Arendt skizziert worden ist. Aber inzwischen ist die „große Lösung" nicht mehr lebensfähig. Die Bundesregierung hat es selber zugestanden, daß sie nicht realisierbar ist. Wer also die Arbeitnehmer auf diese „große Lösung" hinweist und mit dem Hinweis auf diese „große Lösung" unsere Initiative ablehnt, der verweigert den Arbeitnehmern auch noch bis zum Jahre 2000 die möglichen Schritte, die heute getan werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die „große Lösung" ist keine Konzeption in der Schublade. Das ist mit ziemlicher Sicherheit eine Leiche; leider muß man das wohl feststellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und stinkt!) — Das auch noch dazu.

Der Gesetzentwurf der CDU/CSU will keine große Lösung sein. Er hat das Etikett auch gar nicht für sich beansprucht. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich: mehr Bürgern als bisher den Zugang zu Kapitalbeteiligungen zu eröffnen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810004800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Maihofer?

Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0810004900
Aber selbstverständlich.

Dr. Werner Maihofer (FDP):
Rede ID: ID0810005000
Herr Abgeordneter, würden Sie die Güte haben, sich daran zu erinnern, daß schon in den „Freiburger Thesen" neben der großen Lösung die von Ihnen hier vorgeschlagene kleine Lösung in allen Einzelheiten als die gleichzeitig zu verwirklichende Konzeption der innerbetrieblichen Vermögensbeteiligung vorgesehen war?

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU)


Wolfgang Vogt (CDU):
Rede ID: ID0810005100
Aber selbstverständlich. Herr Kollege Maihofer, das, was Sie jetzt gesagt haben, erinnert mich — entschuldigen Sie, wenn ich das so sage — ein bißchen an „freidemokratischen Eiertanz". — Doch. Für Ihre linksliberalen Adressaten der Politik haben Sie den Verweis auf die Freiburger Thesen mit dem großen Fonds. Für Ihre Altliberalen haben Sie den Hinweis, daß es die betriebliche Förderung gibt. Aber als es hier zum Schwur kam — wie etwa im Jahre 1976, als wir über den Jahreswirtschaftsbericht beraten haben und unser Antrag zur Förderung der betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung hier vorlag —, haben Sie diesen Antrag abgelehnt; Sie haben nicht zugestimmt. Daran darf man hier wohl erinnern.

(Beifall bei der CDU/CSU Zuruf von der CDU/CSU: So sind die Freien Demokraten!)

Meine Damen und Herren, dieser betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung stehen Hindernisse im Wege, so im Steuerrecht; darauf ist hier verwiesen worden. Die Arbeitnehmerbeteiligungen an einer KG werden dadurch behindert, daß die Tätigkeitsvergütung des Arbeitnehmers als gewerbesteuerlicher Gewinn behandelt wird. Ich greife das nur deshalb noch einmal auf, weil uns zu dieser Frage im März 1976 der damalige Finanzminister versprochen hat — ich zitiere wörtlich —: „Ich hin hier dabei, nachzudenken, wie man dieses Problem lösen kann." Inzwischen hat er zwar seine Lieblingstiere, die Pferde, gewechselt, aber ein Lösungsvorschlag unterblieb bis heute. Und auch von seinem Nach-



Vogt (Düren)

folger haben wir ein Ergebnis des Nachdenkens noch nicht gehört.

(Pieroth [CDU/CSU] : Der fängt gar nicht erst an!)

Nach unserem Gesetzentwurf behält der Arbeitnehmer seine lohnsteuerlichen Vorteile, also den Arbeitnehmerfreibetrag, den Weihnachtsfreibetrag und den Werbungskostenpauschbetrag; und die Betriebe werden insoweit gewerbesteuerlich nicht höher belastet, als die Hinzurechnung der Arbeitslöhne zum Gewinn unterbleibt.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier betonen, daß wir mit unserem Gesetzentwurf lediglich die Ungerechtigkeiten beseitigen wollen, die bisher eine betriebliche Vermögensbeteiligung in Personengesellschaften benachteiligen. Die Bundesregierung hat diesen Zustand bis heute immer beklagt, aber nichts für die beteiligungswilligen Unternehmen und ihre Arbeitnehmer getan.
Nach unseren Vorstellungen muß auch die Gesellschaftsteuer beim Abschluß von Kapitalbeteiligungsverträgen zwischen Unternehmen und ihren Arbeitnehmern wegfallen. Sie werden uns auch hier wieder entgegnen, daß es wegen der nicht geklärten Vereinbarkeit mit dem EG-Recht noch einer eingehenden Prüfung bedarf; dieses Argument haben wir soeben wieder gehört. Herr Apel hatte schon vor Jahren gesagt, er müßte wegen dieser Frage Brüssel konsultieren. Inzwischen ist wieder wertvolle Zeit vergangen, ohne daß wir etwas von einem Ergebnis der Konsultationen hätten vernehmen können. Wir fordern Sie deshalb hier erneut auf: Reden Sie nicht nur, sondern tun Sie in dieser Frage auch etwas!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, im übrigen decken sich unsere Vorschläge — der Kollege Pieroth hat darauf hingewiesen — im wesentlichen mit Überlegungen und Empfehlungen, die im August 1976 der damalige Bundeswirtschaftsminister der Öffentlichkeit vorgetragen hat, und zwar, Herr Kollege Maihofer, unter dem interessanten Titel „Realistische Vorschläge zur Fortentwicklung der Vermögenspolitik". Offenbar hat er das Maihofer-Arendt-Modell nicht als realistisch angesehen und mußte daher einen neuen Titel wählen. Dieser Fonds war unrealistisch. Aber Friderichs wagte damals ja nicht, seine Initiative dem Kabinett vorzutragen.

(Dr. Köhler [Duisburg] [CDU/CSU]: So ist es!)

Er mußte vor der Wahl offensichtlich eine Alibifunktion erfüllen, und nach der Wahl strich er bald die Segel. Sein Nachfolger redet auch nur; von Taten ist nichts zu spüren.
Ich befürchte, das liegt daran, daß viele in dieser Koalition — nicht die Koalition, aber viele in ihr — nicht wollen, daß der einzelne Arbeitnehmer persönliche Kapitalbeteiligungen erwirbt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Teile dieser Mehrheit sprechen von der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, meinen aber anonyme
Fonds und nicht persönliches Eigentum für jeden
einzelnen; und das ist nicht der Weg der CDU/CSU.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau das Gegenteil!)

Es soll nicht irgendwo im Namen der Arbeitnehmerschaft Vermögen gebildet werden, sondern der einzelne Arbeitnehmer soll Vermögen erwerben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist nicht nur ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit; ich meine, es ist auch ein Gebot der Vernunft. Vermögensbildung flankiert die Einkommenspolitik, sie entschärft den Verteilungskonflikt. Sie stärkt darüber hinaus die Eigenkapitalbasis der Unternehmen; sie erleichtert die Unternehmensfinanzierung.
Meine Damen und Herren, ein höherer Beschäftigungsstand wird nur erreichbar sein, wenn auch die Wachstumskräfte im privaten Sektor der Wirtschaft gestärkt werden. Angemessenes Wachstum aber setzt auch Investitionen voraus. Die wirtschaftlichen Spielräume, die für Einkommenserhöhungen zur Verfügung stehen, dürfen daher nicht voll für Barlohnerhöhungen ausgeschöpft werden. Sie müssen auch zur Finanzierung der Investitionen zur Verfügung stehen.
Deshalb steht die Bundesrepublik auch heute vor einem verteilungspolitischen Scheideweg. Wenn das Wirtschaftswachstum voll für Barlohnerhöhungen in Anspruch genommen wird, geht das auf Kosten der wirtschaftlichen Spielräume, die zur Finanzierung der Investitionen zur Verfügung stehen müssen. Arbeitnehmer und Unternehmer behalten dann zwar Ihre Anteile am Volkseinkommen, aber die Bedingungen zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung werden nicht verbessert. Wenn dagegen Barlohnzurückhaltung geübt wird, ist zwar der Spielraum zur Finanzierung der Investitionen gesichert, gleichzeitig verschiebt sich aber die gesamtwirtschaftliche Einkommens- und Vermögensverteilung.
Der Konflikt zwischen Wachstum und Beschäftigung einerseits und Verteilungsgerechtigkeit andererseits ist jedoch nur scheinbar gegeben. Er wird überwunden, wenn jener Teil der wirtschaftlichen Spielräume, der nicht über Barlohnerhöhungen abgeschöpft wird, den Arbeitnehmern als Kapitalbeteiligung zugestanden wird. Der Gesetzentwurf der CDU/CSU will einen Beitrag leisten, daß auf diesem Weg ein Fortschritt erzielt werden kann.
Es kann meines Erachtens keine Meinungsverschiedenheit über den Zusammenhang zwischen Höhe und Verwendung der Einkommen und der Beschäftigung einerseits und der Investitionstätigkeit der Unternehmen andererseits geben. Die Erkenntnisse über diese Zusammenhänge entstammen einem Lehrbuch. Aber Lehrsätze sind die eine Seite, und die soziale Wirklichkeit und die persönlichen Erwartungen der Arbeitnehmer sind eine andere Sache. Jeder Arbeitnehmer fragt sich — ich meine zu Recht —, was Lohnzurückhaltung soll, wenn dadurch Investitionen möglich und getätigt werden, ohne daß ,der Arbeitnehmer an der Werterhaltung bzw. an der Wertsteigerung des Unternehmens teilnimmt.



Vogt (Düren)

So spreche ich an die Adresse der Tarifpartner:
Die Gewerkschaften müssen anerkennen, daß sie mit ihrer Politik über die Investitionsbereitschaft und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen mitentscheiden.
Die Arbeitgeber müssen erkennen: Wer von den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften Zurückhaltung in der Tarifpolitik verlangt, der muß den Arbeitnehmern Gewinn- und Kapitalbeteiligung anbieten oder investive Lohnabschlüsse anstreben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe den Eindruck, daß das allen maßgebenden Kreisen der Tarifpartner bis vor kurzer Zeit noch bewußt gewesen ist, bewußter als heute. Ich erinnere an die „Grundsätze für eine weiterführende Vermögenspolitik" der deutschen Arbeitgeber. Ich erinnere an den Brief von Heinz Oskar Vetter an die Gewerkschaftsvorsitzenden. Ich will nicht darüber richten, warum diese Ansätze damals im Sande verlaufen sind. Zurückweisen muß ich aber die Behauptung, der vorliegende Gesetzentwurf der CDU/ CSU berge erhebliche Gefahren für die Tarifautonomie in sich, und er würde die rechtliche und die materielle Situation der Arbeitnehmer nicht verbessern. Beide Behauptungen treffen nicht zu. Auf dem Wege der Tarifverträge kann flexibel abgeschlossen werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben viele Gestaltungsmöglichkeiten, wenn die Barrieren beseitigt sind, die heute noch im Gesetz enthalten sind.
Rechtlich werden die Arbeitnehmer dadurch geschützt, daß unser Gesetzentwurf Mindestvoraussetzungen für Beteiligungsverträge vorsieht. Materiell wird die Situation über die steuerlichen Maßnahmen und die Erweiterung des Anlagekatalogs verbessert.
Ich wiederhole deshalb: Die Initiative meiner Fraktion weist in die richtige Richtung. Sie erschwert nicht ein umfassendes Kapitalbeteiligungsgesetz; sie ist ein Schritt dorthin. Mit der Initiative der CDU/CSU sind jedoch nicht vereinbar überbetriebliche Fonds, anonyme Fonds. Mit der Initiative der CDU/CSU sind aber vereinbar alle Bestrebungen, durch die der einzelne Arbeitnehmer Kapitalbeteiligter wird. Wer diese Initiative unterstützt, trägt zu der Verwirklichung einer alten Forderung bei, nämlich: die von der Auseinandersetzung der Klassen geprägte Gesellschaft zu einer solidarischen Gesellschaft fortzuentwickeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810005200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810005300
Frau Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Nachdem der Herr Vorredner offen — wie der Herr Kollege Kraus — und unterschwellig — wie der Kollege Pieroth — von hier den Versuch unternommen hat, unsere persönliche Glaubwürdigkeit in dieser Frage in Zweifel zu ziehen, — —

(Pieroth [CDU/CSU] : Ich war auch offen!)

— Herr Kollege Pieroth, ich habe versucht, einen kleinen Unterschied zu sehen. Die Art solcher Darstellungen stimmt mich mehr als traurig, um nicht zu sagen: bedenklich. Unter dem Motto „In Wirklichkeit wollt Ihr Liberalen gar nicht" ist dieses Kapitel wirklich nicht abzuhandeln.

(Pieroth [CDU/CSU] : Ihr wollt schon, aber ihr dürft nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wer den persönlichen Einsatz, die Bereitschaft, sich für diese Ziele nach bestem Wissen und Gewissen einzusetzen, kennt, fühlt sich durch einen solchen Vorwurf zu Unrecht getroffen. Es geht nicht, daß Sie auf der einen Seite erklären, wir hätten zuviel Einfluß, wir würden alles allein gestalten und bestimmen, und auf der anderen Seite unsere Glaubwürdigkeit bezweifeln, wenn wir programmtische Ziele nicht verwirklichen, die wir uns zweifelsohne vorgenommen haben. Ich leugne nicht, daß der Kern dieses Gesetzes, das vorliegt, unseren Vorstellungen in bestimmten Bereichen entspricht. Insofern möchte ich dem Herrn Staatsminister sagen — Frau Funcke hat versucht, das nachzuweisen —, daß es nicht so ist, daß wir das nicht sagen könnten. Wir sind vielmehr bereit zu sagen: Wir wollen diesen Kern und haben dies offen ausgedrückt. Dies wird mich veranlassen, nicht nur auf einige Detailfragen einzugehen, wie ich es ursprünglich wollte, sondern auch zu versuchen, unsere grundsätzliche Position noch einmal zu verdeutlichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810005400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pieroth?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810005500
Bitte sehr.

Elmar Pieroth (CDU):
Rede ID: ID0810005600
Stimmen Sie persönlich unserem Gesetzentwurf zu?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810005700
Ich stimme dem Ziel dieses Gesetzentwurfes, wie er vorliegt, zweifellos zu; aber in Detailbereichen halte ich ihn in verschiedenen Punkten in der Tat nicht für praktikabel. Auch hierauf werde ich gleich eingehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810005800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tillmann?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810005900
Aber selbstverständlich.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID0810006000
Herr Kollege Cronenberg, gesetzt den Fall, Sie hätten die Absicht, in Ihrem Unternehmen ein Modell der freiwilligen Kapital-und Vermögensbeteiligung einzuführen, oder Sie hätten ein solches Modell schon eingeführt, glauben Sie nicht, daß Ihnen dann unser Gesetzentwurf hilfreich sein könnte, wenn er verabschiedet wäre?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810006100
Lieber Herr Kollege Tillmann, genauso wie in Ihrem Unternehmen würde in meinem Unternehmen dieser Gesetzentwurf leider nicht hilfreich sein. Über diesen Punkt werde ich mich



Cronenberg
gleich noch äußern. Es handelt sich um die Bewertung der KG-Anteile, die ungeheuer schwierig ist. Wenn mir die Zeit dazu gegeben wird, werde ich auf diesen Fragenkomplex gern im Detail eingehen. Ich bin ganz sicher, daß es, wenn es uns gelänge, genau diesen Bereich zu klären, nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei mir im Unternehmen um einiges leichter wäre, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Altkommanditisten einen solchen Vermögensbildungsvorschlag zu akzeptieren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810006200
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wissmann?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810006300
Ja.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0810006400
Herr Kollege, können Sie mir den Widerspruch zwischen der vorigen Bemerkung vom Herrn Kollegen Maihofer, daß die Absichten der Union bereits früher von der FDP bis ins Detail vorgeschlagen worden seien, und Ihrer Aussage aufklären, daß Sie zwar im Grundsatz unserem Entwurf zustimmen könnten, aber im Detail leider Widerspruch anmelden müßten?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810006500
Herr Kollege Wissmann, wenn ich die Äußerung des Herrn Kollegen Maihofer und den Sinn seiner Zwischenfrage richtig verstanden habe, so hat er versucht, zu verdeutlichen, daß es sich hier um zwei Bereiche handelt: den Bereich der betrieblichen Vermögensbildung und den Bereich der Vermögensbildung, der außerhalb der Betriebe liegt. Es ist wichtig zu verdeutlichen, daß jegliche Vermögensbildung im außerbetrieblichen Bereich natürlich nur aus den Zuwächsen aufgebaut werden kann. Die derzeitige Situation läßt eine Verteilung von Zuwächsen nicht zu, und deswegen sehen wir sehr wohl einen Unterschied zwischen steuerlichen Förderungsmaßnahmen, wie sie dieser Gesetzentwurf zur Förderung privater Vermögensbildung auch vorsieht, und dem von Ihnen angeschnittenen Fragenkomplex.
Nunmehr wäre ich dankbar, wenn die Möglichkeit bestände, unsere Position im Zusammenhang noch einmal zu verdeutlichen.
In konsequenter Verfolgung der eben schon angesprochenen Freiburger Thesen haben wir in Kiel noch einmal sehr deutlich in der These 4 klargemacht, wie unsere Position ist. Wir sagen: Freiheit braucht Eigentum, Eigentum schafft Freiheit, und liberale Verteilungspolitik tritt für eine Förderung der Vermögensbildung zur Entschärfung der Einkommensverteilung ein. Erst durch breite Vermögensbildung wird freie Eigentumsordnung menschenwürdig und glaubhaft.
Hier ist auch ein klares Bekenntnis zu der eben wiederum in Zweifel gezogenen persönlichen Eigentumsbildung. Vermögensbildungspolitik hat für uns sowohl einen gesellschaftspolitisch als auch einen wirtschaftspolitischen Aspekt. Wir möchten über eine gleichmäßigere Verteilung des Vermögens, erreicht durch Eigenleistung der Begünstigten und
durch Förderung durch den Staat, dieses Ziel erreichen. Die betriebliche Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer, die in diesem Gesetzentwurf angesprochen ist, ist in unserer Wirtschaftsordnung, nämlich der Sozialen Marktwirtschaft, zweifelsohne konformer Beitrag, ein Weg, diese von uns gewünschte Streuung vorzunehmen, und zwar auch durch die Beteiligung an gewerblichen Unternehmen.
Außerdem kann eine solche Vermögenspolitik auch zu einer Erhöhung der Eigenkapitalbasis führen, die, wie mehrmals und richtigerweise hier ausgeführt worden ist, sicherlich sinvoll, richtig und vernünftig ist; ein Effekt, der auch aus unserer Sicht zu bejahen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

An Plänen und Möglichkeiten für diese Vorschläge hat es nun wirklich nicht gefehlt. E i n Vorschlag ist die Ursache dafür, daß wir uns hier heute unterhalten.
Neben diesen gemeinsamen grundsätzlichen Feststellungen steckt aber wie so häufig der Teufel im Detail. Die Ausweitung der Anlageformen soll ja nicht nur Vermögensbildung einer größeren Anzahl ermöglichen, sie soll auch bestehende Nachteile für kleine und mittelständische Unternehmen abbauen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das tut unser Vorschlag!)

Auch hier habe ich den Eindruck, daß sich dies mit der Zielsetzung Ihres Geestzentwurfs durchaus deckt,

(Tillmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

denn solange betriebliche Vermögensbildung ausschließlich auf große Aktiengesellschaften beschränkt ist, ist dies aus der Sicht mittlerer und kleiner Unternehmer zweifelsohne ein. Nachteil.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dies entspricht auch nicht, verehrte Kollegen, der erforderlichen steuerlichen Gleichbehandlung.

(Tillmann [CDU/CSU] : Sehr gut!)

Aber damit nun auch keine Mißverständnisse auftreten, muß von hier aus noch einmal klargemacht werden,

(Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt kommt der Eiertanz! — Wir sind ganz Ohr!)

daß es sich hier um ein Angebot handeln muß und nicht etwa den Zwang für einen mittelständischen Unternehmer, ein solches Angebot vorzulegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich lege Wert auf diese Feststellung, weil gelegentlich der Eindruck vermittelt wird, als wenn sozusagen ein Zwang bestehe, ein solches Angebot vorzulegen. Es gibt mittelständische Unternehmen, die wegen ihres erhöhten Risikos, wegen ihrer Struktur zweifellos das Recht haben müssen, ein solches Angebot abzulehnen.
Wenn man sich also mit diesen Dingen ernsthaft beschäftigt, dann muß man zu diesem Kern der Vorschläge zweifellos sagen: Sie sind diskutabel.



Cronenberg
Aber der Oppositionsentwurf enthält auch einige erhebliche Mängel. Frau Funcke hat hier, so meine ich, sehr deutlich gemacht, wo verschiedene Mängel sind, die es uns unmöglich machen, in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt einem solchen Gesetzentwurf kritiklos zuzustimmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: In welchem Zeitpunkt denn?)

Ihre eigene Forderung, meine Herren von der Opposition, kann nicht oft genug wiederholt werden:
Gesetze müssen klar, unkompliziert und einfach sein.

(Tillmann [CDU/CSU] : Sie sind herzlich eingeladen, dies mit zu bewirken!)

Hieb- und stichfest, Herr Kollege Pieroth, muß insbesondere jener Bereich geklärt werden, der mit der Bewertung zusammenhängt. Sie können es sich nicht so einfach machen, daß Sie in Ihrem Beitrag hergehen und sozusagen vorweggenommen diese Argumentation dahin abhandeln, daß Sie alle die Bewertungsprobleme im Bereich der Aktiengesellschaften oder stillen Gesellschaften sozusagen abhaken und dann freundlicherweise gerade das Problem des mittelständischen Bereichs, den wir ja gemeinsam unter Ihrem Beifall soeben angesprochen haben, nämlich jene Kommanditgesellschaften, mit dem Hinweis auf das Stuttgarter Modell zu lösen versuchen.

(Hasinger [CDU/CSU] : Neun Jahre hatten Sie Zeit! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist kein Modell, das ist ein Verfahren!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dies ist kein Beitrag zur Gesetzesvereinfachung. Dies ist höchstens ein Beitrag, um beschäftigungslose Anwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, soweit es solche überhaupt gibt, zu Arbeit und Brot zu bringen.
Wir wissen, in welchem Umfang schon heute solche Bewertungen Gegenstand von Prozessen sind; und Sie wissen genauso gut wie ich, daß die Gerichte fünf, sechs Jahre brauchen, um die Fragen von Bewertungen, insbesondere wenn sie nach dem Stuttgarter Verfahren vorgenommen wurden, zu klären. Dies ist kein Beitrag zur Klarheit, zur Einfachheit und zur Praktikabilität.
Außerdem bitte ich Sie, Herr Kollege Pieroth, doch mal sehr ernsthaft darüber nachzudenken, wie Sie denn mit der Problematik — weil ich im Ergebnis das Ziel dieses Gesetzentwurfs bejahe, muß diese Frage geklärt werden; ich habe keine Scheu, Ihnen hier zu gestehen: ich bin bisher zu keiner Lösung gekommen, auch nicht in unseren internen Beratungen — der unterschiedlichen und ungerechten Bewertung solcher KG-Anteile fertig werden. Wenn Sie, wie Sie vorschlagen, diese Bewertung zum Nominalwert vornehmen, dann müssen Sie sich mit der Tatsache vertraut machen, daß die stillen Reserven, die an den Alt-Kommandit-Anteilen hängen, im Ergebnis auf die Neuanteile übertragen werden.
Weil die Zeit dafür jetzt nicht reicht, will ich mich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob dies bei den Altkommanditisten Zustimmung findet. Ich
will auch nicht darüber rechten, ob dies ein Beitrag ist, Altkommanditisten oder potentielle Altkommanditisten zu veranlassen, ein solches Angebot für ein Unternehmen vorzunehmen. Aber mit Sicherheit ist festzustellen, daß die Förderung so, wie Sie sie vorsehen, bei unterschiedlichen stillen Reserven, die auf diesen Anteil entfallen, in jedem Fall zu Ungerechtigkeiten führen, wenn man dieses Nominalwertprinzip zugrunde legt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810006600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Feinendegen?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810006700
Wenn es in diesem Zusammenhang gerade paßt, will ich Ihnen das nicht verwehren, Herr Kollege.

Wolfgang Feinendegen (CDU):
Rede ID: ID0810006800
Herr Kollege Cronenberg, sind Sie mit mir einig, daß es jährlich Tausende von Fällen gibt, in denen Kommanditanteile bewertet werden, und wollen Sie hier etwa die Behauptung aufstellen, daß in allen diesen Fällen langjährige gerichtliche Prozesse durchgeführt werden?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Dann würde Feinendegen besser leben!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810006900
Entschuldigen Sie bitte, ich kann nicht umhin, festzustellen — ich bitte, dies nicht als verletzend aufzufassen —, daß Sie sich offensichtlich der Problematik dieser Angelegenheit nicht bewußt sind. Ich wiederhole: Wenn Sie das Nominalwertprinzip für Kommanditanteile in dieser Form durchführen, übertragen Sie stille Reserven der Altkommanditisten auf die Neuanteile. Ich frage Sie, welcher Altkommanditist diesem Angebot, wenn es von dem Unternehmen gemacht wird, ohne weiteres zustimmen kann. Ich frage Sie, ob es — wie es Ihr Gesetzentwurf vorsieht — richtig ist, für die Übertragung des Kommanditanteils von 100 DM plus gedanklichen 10 oder 20 % stille Reserven und für die Übertragung des Kommanditanteils von 100 DM plus 300 % stille Reserven die gleiche Förderung vorzunehmen. Ich kann mir nicht denken, daß das bei Ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit — und die deckt sich in diesem Punkt hoffentlich mit der meinen — zu einer vernünftigen Lösung führen kann.

(Feinendegen [CDU/CSU]: Bei jeder Aufnahme eines neuen Gesellschafters!)

Sie werden, da das Angebot für die Neubeschäftigten kontinuierlich vorgenommen werden muß, diese Bewertung im nächsten Jahr aufs neue vornehmen müssen.
Abgesehen davon, hochverehrter Herr Kollege, ist die Frage des Stuttgarter Verfahrens nicht im Zusammenhang mit dem Eintritt wegen des Nominalwertprinzips von Bedeutung, sondern dann, wenn es an die Verwertung dieser Anteile geht. Was kann die Konsequenz sein? Einspruch mit der notwendigen Folge, daß vorläufige Steuerbescheide die Dinge unheimlich komplizieren.



Cronenberg
Ich betone noch einmal: Diese Problematik ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht geklärt. Ich halte diese Klärung für notwendig, und zwar — ich sage das, damit Sie mich nicht mißverstehen — nicht als Begründung für die Ablehnung des Ziels der Vermögensbildung, sondern um eine praktikable Möglichkeit überhaupt erst zu schaffen. Ich finde es daher nicht fair, wenn Sie hier nun dies zur Grundlage der Hauptdiskussion machen wollen.

(Abg. Pieroth meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Kollege Pieroth, ich bin an sich geneigt, eine Zwischenfrage zuzulassen. Nur, ich stehe im Kampf zwischen Sinnenlust und Seelenfrieden. Denn hier leuchtet das rote Licht auf, und ich habe noch nicht die Hälfte — —

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810007000
Herr Kollege, Sie sind gleich am Ende der Redezeit. Aber ich gebe Ihnen wegen der vielen Zwischenfragen eine Minute dazu. Bitte fahren Sie fort.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0810007100
Herr Pieroth, Sie sehen, daß es nicht an mir liegt, sondern an dem überstrapazierten Langmut einiger anderer Kollegen, wenn ich keine Zwischenfrage mehr zulasse.
Ich möchte jetzt, um nicht in den Stil von Ausschußberatungen zu verfallen — wie hier von dem Herrn Kollegen Wehner richtig bemerkt worden ist —, noch einmal feststellen: Unser Wille, Vermögensbildung auch in mittelständischen Unternehmen in Arbeitnehmerhand zu ermöglichen, ist ungebrochen. Wir werden uns dafür verwenden. Wir gehen auch davon aus, daß die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen ein solches Begehren hier unterstützen werden. Wir gehen weiter davon aus, daß das, was richtigerweise in der Regierungserklärung gesagt worden ist, realisiert werden wird. Damit das klar ist, möchte ich das zum Abschluß auch noch einmal verdeutlichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum haben Sie denn keinen eigenen Gesetzentwurf eingebracht?)

In der Regierungserklärung hieß es: Der Anlagenkatalog des Gesetzes soll erweitert werden, um verstärkt auch Beteiligungen in Unternehmen zu ermöglichen, und es sollen die der Anwendung dieses Gesetzes auf Beteiligungsformen entgegenstehenden steuerlichen Hemmnisse beseitigt werden.
Uns kommt es darauf an, eine praktikable Lösung zu finden, die uns hinterher nicht den Vorwurf einbringt — gerade von Ihrer Seite —, wir machten unpraktikable und keine einfachen Gesetze. Sie können versichert sein, daß wir in diesem Sinne in den Ausschußberatungen für das Ziel dieses Ihres Anliegens ebenso hartnäckig wie Sie eintreten werden. Für jede Unterstützung dabei danke ich Ihnen schon jetzt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810007200
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Böhme.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0810007300
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, für die Bundesregierung zu den Bemerkungen des Herrn Staatsministers Streibl aus Bayern hier eine Richtigstellung abgeben zu können. Herr Staatsminister Streibl hat gesagt, es handele sich bei der Vermögensbildung — dies mit Blick auf und als Vorwurf an die Bundesregierung — nicht um eine Frage des Könnens, sondern um eine Frage des Wollens.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch des Könnens!)

Ich möchte diese Bemerkung, die ich nur als polemische Bemerkung verstehen kann, namens der Bundesregierung in aller Form zurückweisen.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung mißt dem Ziel der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durch Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen eine hohe und besondere politische Bedeutung zu.

(Hasinger [CDU/CSU] : Alles Gerede, getan habt ihr nichts!)

Die Bundesregierung hat dies in der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 zum Ausdruck gebracht

(Pieroth [CDU/CSU] : Und in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969!)

und es inzwischen mehrfach wiederholt, zuletzt im Jahreswirtschaftsbericht 1977.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810007400
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt?

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0810007500
Dies ist eine Richtigstellung der Äußerungen von . Herrn Staatsminister Streibl. Ich möchte deshalb auf die Beantwortung von Zwischenfragen verzichten.
Zweitens möchte ich feststellen, daß die Bundesregierung und die sie tragende sozialliberale Koalition in der Vergangenheit dem Gedanken der Vermögensbildung, hier allerdings auf den Gedanken der Geldvermögensbildung konzentriert, entscheidend zum Durchbruch verholfen hat. Die Neufassung des 624-DM-Gesetzes erfolgte in der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition, nämlich im Jahre 1970. Die Zahlen dieses Gesetzes und die Erfolge dieses Gesetzes, das auf eine Initiative der sozialliberalen Koalition und der Bundesregierung zurückgeht, sind eindrucksvoll. Heute bilden mehr als 16 Millionen Arbeitnehmer Vermögen nach diesem Dritten Vermögensbildungsgesetz, davon rund 15 Millionen mit tarifvertraglich vereinbarten vermögenswirksamen Leistungen der Arbeitgeber. 1969 — somit unter der Geltung des alten 312-DM-Gesetzes — sind es nur 5,7 Millionen Arbeitnehmer ge-



Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
wesen. Unter der Geltung des von der sozialliberalen Koalition neugefaßten 624-DM-Gesetzes hat sich somit die Zahl der Arbeitnehmer in der Geldvermögensbildung verdreifacht.

(Abg. Pieroth [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810007600
Zwischenfragen sind nicht mehr zugelassen. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, er läßt keine zu, Herr Kollege Pieroth.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0810007700
Ich beziehe mich auf meine Bemerkung von vorhin.

(Hasinger [CDU/CSU] : Mit Beteiligung an Produktivvermögen hat das Ganze nichts zu tun!)

Die öffentliche Hand hat zur Förderung dieser Entwicklung der Geldvermögensbildung mit erheblichen Mitteln in Form von Sparzulagen, Sparprämien, Bausparprämien, Sonderausgabenabzügen usw. beigetragen. 1975 haben die staatlichen Aufwendungen für die Vermögensbildung insgesamt 8,7 Milliarden DM betragen. Inzwischen sind diese Ausgaben weiter angestiegen. Die letzten Zahlen für das Jahr 1977 sehen folgendermaßen aus: Allein die Sparförderung nach dem Wohnungsbauprämiengesetz, dem Sparprämiengesetz und dem Dritten Vermögensbildungsgesetz hat 1977 sage und schreibe insgesamt ein Volumen von 10,168 Milliarden DM ausgezahlt von der öffentlichen Hand, gehabt. Davon hat der Bund, für den ich hier im Namen der Bundesregierung spreche, den Löwenanteil getragen, nämlich sieben Zehntel oder — in Zahlen —7,003 Milliarden DM.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, nichts belegt eindrucksvoller als diese Zahlen, wer in der Vergangenheit nachhaltig für den Gedanken der Vermögensbildung eingetreten ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Staatsminister Streibl, der leider nicht mehr anwesend ist, hat konkrete Vorschläge gemacht. Er hat u. a. die Aufnahme der GmbH-Anteile in die Lohnsteuerbegünstigung des § 8 des Kapitalerhöhungsteuergesetzes vorgeschlagen. Ich möchte hier nicht technisch werden — dies ist bereits geschehen —, sondern nur zum politischen Punkt kommen. Er besteht darin, daß gerade bei diesem Vorschlag des Entwurfs aus Bayern eben die Bewertungsprobleme, von denen hier die ganze Zeit die Rede war, nicht gelöst sind. Soll ich vielleicht die Stellungnahme der Bundesregierung dazu noch einmal vorlesen? Dies sind doch alles alte Kamellen, die hier vorgetragen werden. Ich möchte den Staatsminister aus Bayern, der ja eine Bürokratie hinter sich hat, fragen, wenn er schon auf das Stuttgarter Verfahren hinweist: Warum hat der Freistaat Bayern dieses sogenannte Stuttgarter Verfahren nicht als Bewertungsmethode in den Gesetzentwurf hineingeschrieben? Ich muß wirklich fragen, ob der Herr Staatsminister Streibl aus Bayern überhaupt weiß,
wovon er redet; denn die Einführung dieses Stuttgarter Verfahrens als Massenverfahren — nicht etwa in irgendeiner Gesellschaftsauseinandersetzung, sondern als Massenverfahren — wäre ein Meisterstück der Verkomplizierung unseres Steuerrechts. Ich stelle hier von dem Pult des Deutschen Bundestages fest, daß Herr Staatsminister Streibl und seine Kollegen von Vereinfachung reden, aber wenn es konkret wird, Vorschläge machen, die eine Verkomplizierung unvorstellbaren Ausmaßes bedeuten würden.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU] : Legen Sie doch einen eigenen Gesetzentwurf vor!)

Vierter und letzter Punkt: der Hinweis auf die Kosten. Ich möchte hier in aller Form die polemische Bemerkung, daß man das ja wohl finanzieren könne, nachdem man in Berlin einen Zuschuß für ein Unternehmen gegeben habe, ebenfalls zurückweisen.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es unpassend, daß eine Hilfe für Berlin, die dieses Haus mit einer Kommission — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Hilfe für Berlin!)

Das war eine Hilfe für Tausende von Arbeitnehmern.

(Pieroth [CDU/CSU] : Für 2 000 Arbeitnehmer eine Milliarde!)

Gehen Sie bitte nach Berlin und fragen die Leute, die dort betroffen sind, ob dies eine passende Bemerkung in dem Zusammenhang der Debatte war!

(Beifall bei der SPD und der FDP — Pieroth [CDU/CSU] : 500 000 DM pro Arbeitsplatz! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich komme zum Schluß. Was die Kosten angeht — dies ist für das Finanzministerium natürlich der Nervus rerum —, so muß ich dabei die Vorschläge von Bundesrat und von CDU/CSU-Fraktion zusammennehmen Ich stelle dazu fest, daß allein bei der Freistellung des Arbeitslohnes von ArbeitnehmerKommanditisten von der Gewerbesteuer, wie Sie es hier vorschlagen, von einem Haushaltsrisiko durch eventuelle Inanspruchnahme durch sogenannte normale Kommanditisten, wie ich einmal sagen will, von geschätzten 2 Milliarden DM ausgegangen werden kann und muß. 2 Milliarden DM allein in diesem Punkt! Nicht zu unterschätzen sind daneben die finanziellen Risiken, die in der Präjudizwirkung einer Gewerbesteuerbefreiung im Rahmen der Vermögensbildung liegen. Auch in finanzieller Hinsicht stehen somit beide Gesetzentwürfe auf unsoliden Fundamenten. Die Risiken in Milliardenhöhe reihen sich würdig in die anderen von der Opposition in diesen Tagen präsentierten Forderungen ein.

(Wehner [SPD] : Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Die vorliegenden Gesetzentwürfe enthalten viele Fragezeichen. Sie werfen mehr Probleme auf, als anstehende Fragen gelöst werden. Offensichtlich sind die Details zugunsten des angestrebten Schaueffekts in



Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
der Öffentlichkeit vernachlässigt worden. Dies ist keine solide Politik. Die Bundesregierung dankt der Koalition, daß diese Gesetzentwürfe hier zurückgewiesen worden sind.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie damit wirklich ernst genommen werden?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0810007800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats können Sie aus der vorliegenden Tagesordnung entnehmen. Erhebt sich gegen die Überweisung Widerspruch? — Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Entwicklungsländer-Steuergesetzes
— Drucksache 8/1857 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Dazu wird das Wort nicht begehrt. Der Überweisungsvorschlag liegt Ihnen vor. — Gegen die vorgeschlagene Überweisung erhebt sich ebenfalls kein Widerspruch.
Punkt 16 wird um 15.30 Uhr aufgerufen. Auch Punkt 18 würde ich nach der Mittagspause aufrufen.
Wir kommen dann zu Punkt 19 der Tagesordnung:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 3. Dezember 1976 zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung und zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride (Gesetz zum Chemieübereinkommen/Rhein und Chloridübereinkommen/ Rhein)

— Drucksache 8/1733 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/1926 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl (München)

b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache 8/1900 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Biechele
Abgeordneter Wittmann (Straubing)


(Erste Beratung 90. Sitzung)

Wird dazu das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes
— Drucksache 8/1910 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß)

— Drucksache 8/1921
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland (Erste Beratung 97. Sitzung)

Das Wort wird nicht begehrt.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik im Handel und Gastgewerbe (Handelsstatistikgesetz — HGStatG)

— Drucksache 8/1766 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/1947 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl (München)

b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß)

— Drucksache 8/1927 —
Berichterstatter: Abgeordneter Scheu (Erste Beratung 93. Sitzung)

Das Wort wird nicht begehrt.
Wir treten in die Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung ein. Ich rufe die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —So beschlossen.



Vizepräsident Frau Renger Wir kommen zur
dritten Beratung.
Hier wird das Wort ebenfalls nicht begehrt.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Einstimmig beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1927 unter Ziffer 2, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; dann ist auch dies so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernteerhebung
— Drucksache 8/1616 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß)

— Drucksache 8/1913 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Sauter (Epfendorf)


(Erste Beratung 83. Sitzung) Das Wort wird nicht begehrt.

Wir treten in die Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung ein. Ich rufe Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? -
Einstimmig so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. — Das Wort wird nicht begehrt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Die Beratungen werden mit der Fragestunde fortgesetzt.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 12.55 bis 14.00 Uhr)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810007900
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 8/1931 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Bölling zur Verfügung.
Ich rufe die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Hartmann auf:
Trifft es zu, daß Bundeskanzler Schmidt für einen Sammelband unter dem Titel „Zwischenbilanz" (der deutsch-sowjetischen Beziehungen) des DKP-beeinflußten Kölner Verlags Pahl-Rugenstein einen Beitrag geliefert hat, der gemeinsam mit Arbeiten des DKP-Vorsitzenden Herbert Mies und des Chefs der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, Boris Ponomarjow, erscheint?
Wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls diese Veröffentlichung des Bundeskanzlers in einem Verlag, der nach Auskunft des „Verfassungsschutzberichts 1976" zu der auf Initiative der DKP gegründeten und von ihr gesteuerten Arbeitsgemeinschaft sozialistischer und demokratischer Verleger und Buchhändler" — Vorsitzender Erich Mayer, Mitglied des Parteivorstands der DKP — gehört, die periodische Schriften und Literatur für alle „Kampf- und Aufgabenfelder" der DKP, ihrer Neben- und der von ihr beeinflußten Organisationen herausgibt?
Herr Staatssekretär, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810008000
Es trifft nicht zu, Herr Abgeordneter Hartmann, daß der Bundeskanzler für den in Ihrer ersten Frage genannten Verlag einen Beitrag geliefert hat, so wenig wie das der Bundesaußenminister oder der neben mir sitzende Staatsminister des Auswärtigen Amts, Herr von Dohnanyi, getan hat.
Der Verlag hat in der von Ihnen erwähnten Publikation, die ich übrigens mitgebracht habe, mehrere unter anderem — ich betone: unter anderem — im Bulletin der Bundesregierung veröffentlichte Äußerungen des Kanzlers nachgedruckt, deren Quellen im Quellenverzeichnis dieser Broschüre übrigens auch angegeben worden sind.
Wie nun dem Impressum des Bulletins der Bundesregierung zu entnehmen ist, ist der Nachdruck für jedermann — ich betone wiederum: für jedermann — frei. Das gilt selbstverständlich auch für andere als Quellen benutzte Veröffentlichungen, z. B. für Interviews, die durch das Bundespresse-und Informationsamt herausgegeben worden sind.
Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter Hartmann — das ergibt sich aus meiner Antwort auf den ersten Teil Ihrer Fragen —, geht insofern von falschen Voraussetzungen aus; denn wie Sie sicherlich inzwischen bemerkt haben werden, Herr Abgeordneter, handelt es sich nicht um eine „Veröffentlichung" des Herrn Bundeskanzlers.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810008100
Zusatzfrage.

Klaus Hartmann (CSU):
Rede ID: ID0810008200
Herr Staatssekretär, ich weiß selbstverständlich, daß Nachdrucke von Veröffentlichungen im Bulletin der Bundesregierung jederzeit möglich sind. Ich frage Sie aber: Wurde der Bundeskanzler, wurde das Bundeskanzleramt, das Bundespresseamt oder wurden Sie persönlich vor der Aufnahme dieses vom Herrn Bundeskanzler veröffentlichten Artikels gefragt, ob er mit diesem Nachdruck einverstanden sei?
Bölling, Staatssekretär: Nein. Eine solche Frage, Herr Abgeordneter Hartmann, an das Bundespresseamt — um das geht es in diesem Fall — ist nicht nötig, weil, wie Sie aus dem Impressum des Bulletins der Bundesregierung entnehmen können, dort geschrieben steht: „Nachdruck honorarfrei gestattet". Also niemand, ganz gleich, ob ein Verlag wie dieser hier, Pahl-Rugenstein, der in dem Bericht



Staatssekretär Bölling
des Bundesverfassungsschutzamtes in einem bestimmten Zusammenhang apostrophiert ist, oder irgendein anderer Verlag, ist gehalten, um eine Genehmigung nachzusuchen, so wenig wie dieser Verlag gehalten gewesen ist, den bayerischen Minister Jaumann und den saarländischen Ministerpräsidenten Röder um Nachdruck von Beiträgen zu fragen, die auch in diesem Band veröffentlicht worden sind. Die beiden Herren Jaumann und Röder sind sicherlich von der Ehre, hier nachgedruckt worden zu sein, genauso überrascht worden wie der Kanzler.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810008300
Herr Kollege, Sie haben weitere Zusatzfragen. Die nächste.

Klaus Hartmann (CSU):
Rede ID: ID0810008400
Ich darf an Ihre letzte Bemerkung „überrascht worden" anknüpfen. Hat der Bundeskanzler, als er davon überrascht worden ist, hat sein Amt oder hat Ihr Amt in irgendeiner Weise darauf reagiert, etwa derart, daß man sich solches verbeten hat oder daß man sich in öffentlicher oder sonstiger Weise von der Aufnahme in diese Publikation distanziert hat?
Bölling, Staatssekretär: Nein, Herr Abgeordneter Hartmann, das hat die Bundesregierung, das hat auch der Herr Bundeskanzler nicht getan. Ich hätte ihm dazu auch nicht geraten, wäre das Thema überhaupt Gegenstand eines Gesprächs zwischen ihm und mir gewesen. Denn die Richtigkeit der Argumentation des Bundeskanzlers in dieser fälschlicherweise als Beitrag ausgegebenen Erklärung wird ja nicht dadurch gemindert, daß Sie in einer solchen Publikation gedruckt wird. Ich gehe davon aus, daß auch die Argumentation des saarländischen Ministerpräsidenten — in sich schlüssig nicht dadurch beeinträchtigt wird, daß sie in einer solchen Broschüre veröffentlicht wird. Im Gegenteil, man kann hoffen — wenigstens hoffen, nicht erwarten —, daß die Leser dieser Broschüre und anderer Veröffentlichungen dieses Verlages ihre in manchen Punkten vielleicht etwas irrigen Vorstellung korrigieren, wenn sie in einer solchen Veröffentlichung nachgedruckt sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810008500
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Klaus Hartmann (CSU):
Rede ID: ID0810008600
Darf ich aus Ihrer zuletzt gegebenen Antwort den Schluß ziehen, daß es der Herr Bundeskanzler um der weiten Verbreitung seiner Gedankengänge willen sogar begrüßt hat, daß sein Beitrag dieser Publikation erschienen ist?
Bölling, Staatssekretär: Nein, er hat nichts Derartiges geäußert, Herr Abgeordneter Hartmann. Aber ich betone noch einmal: Wenn dies ein überzeugender Beitrag ist — ich habe jedenfalls den des saarländischen Ministerpräsidenten gelesen, der mir in der Argumentation sehr schlüssig zu sein scheint, und man hat davon auszugehen, daß Veröffentlichungen just dieses Verlages von Leuten gelesen werden, die nicht unbedingt Anhänger ,der demokratischen Parteien sind, die in diesem Hohen Hause vertreten sind —, dann ist das doch eigentlich ganz gut. Denn man kann sich davon einen gewissen pädagogischen Effekt erwarten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810008700
Meine Damen und Herren, damit sind die beiden Fragen des Kollegen Hartmann aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes beantwortet. Herr Staatssekretär Bölling, ich danke Ihnen.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die Fragen 8 bis 17 von den Fragestellern, den Kollegen Pfeifer, Kunz (Berlin), Rühe, Dr. Hornhues sowie Böhm (Melsungen), zurückgezogen worden sind.
Ich rufe dann ,die Frage 7 des Abgeordneten Dr. vonGeldern auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Sinne des gemeinsamen Begehrens der vier norddeutschen Küstenländer auf eine Erweiterung des deutschen Anteils am EG-Meer über den äußerst ungünstigen Festlandsockelbereich, den sogenannten Entenschnabel, hinaus hinzuwirken?
Herr Staatsminister.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0810008800
Herr Kollege, die Bundesrepublik Deutschland hat im Anschluß an ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Jahre 1969 bei den Verhandlungen über die Abgrenzung des Festlandsockels — im Vergleich u den von den Nachbarländern ursprünglich nach dem Äquidistanzprinzip geforderten Grenzen — bereits einen erheblichen flächenmäßigen Zugewinn erzielt. Die nunmehr als ungünstig charakterisierte Form unseres Festlandsockelbereichs, des sogenannten Entenschnabels, entsprach zunächst unseren Wünschen, weil wir auch einen Zugang zur Nordsee-Mitte haben wollten.
Die Bundesregierung hat das Mandat für erneute Verhandlungen mit den Nachbarländern Dänemark, Niederlande und Großbritannien über die konkrete Abgrenzung ihres Anteils an der EG-Fischereizone noch nicht abschließend festgelegt. Ich darf Sie aber versichern, daß wir diese Frage als eine wichtige Frage betrachten und dabei natürlich auch das Begehren der vier norddeutschen Küstenländer ernst nehmen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810008900
Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0810009000
Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, daß Sie das Begehren der vier norddeutschen Küstenländer ernst nehmen. Darf ich Sie darüber hinaus fragen: Teilen Sie die Argumentation, die in diesem Begehren zum Ausdruck kommt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege von Geldern, wir teilen die Positionen, die eine gün-



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
stige Interpretation der Interessen der Bundesrepublik Deutschland möglich machen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009100
Ich rufe nunmehr die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die während der Posener Messe genannte Zahl der Verschuldung Polens gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von rund sechs Milliarden DM richtig, und in welchem Zeitraum wird diese Verschuldung gegebenenfalls abgetragen werden?
Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, es trifft nicht zu, daß die Verbindlichkeiten der Volksrepublik Polen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland 6 Milliarden DM betragen. Mit 6 Milliarden DM hat vielmehr kürzlich der Vorsitzende der polnischen Planungskommission bei einer Pressekonferenz den im deutsch-polnischen Handel bestehenden Gesamtpassivsaldo der Volksrepublik Polen angegeben. Es besteht aber ein Unterschied zwischen dem Passivsaldo und dem technischen Ausdruck der Verschuldung.
Die von der Volksrepublik Polen aufgenommenen Banken- und Lieferantenkredite sind zu den jeweils festgelegten Fälligkeitsterminen rückzahlbar. Soweit es sich um verbürgte Lieferantenkredite handelt, entsprechen die Rückzahlungsbedingungen dem unter westlichen Industrieländern festgelegten Rahmen, d. h., bei längerfristigen Krediten beträgt die Höchstlaufzeit achteinhalb Jahre.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0810009300
Herr Staatsminister, können Sie darüber Auskunft geben, wie hoch die Bürgschaften seitens der Bundesrepublik Deutschland sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das kann ich im Augenblick nicht, Herr Kollege Hupka.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009400
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0810009500
Können Sie uns dann Auskunft darüber geben, wie hoch die Verschuldung tatsächlich ist, wenn die Mitteilung, die während der Posener Messe gemacht worden ist, den Passivsaldo betrifft?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, es gibt, wie ich sagte, verschiedene Möglichkeiten, die Berechnungen anzustellen. Ich schlage vor — ich hoffe, Sie haben nichts dagegen —, daß wir uns einmal zusammensetzen und die Zahlen unter den verschiedenen Perspektiven vergleichen. Ich möchte hier keine mißverständlichen Zahlen in die Welt setzen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009600
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Ist es nach dem Erkenntnisstand der Bundesregierung richtig, daß Bürger der Bundesrepublik Deutschland, die als Campingreisende in die Volksrepublik Polen einreisen, heute wie Reisende bei Verwandtenbesuchen und Hotelreisende einheitlich 30 DM pro Tag und Person tauschen müssen, wann hat gegebenenfalls die bisherige Regelung für Campingreisende (13 DM pro Tag) geendet, und was ist der Bundesregierung als Begründung für diese die Bürger der Bundesrepublik Deutschland belastende Neuregelung bekannt?
Herr Staatsminister, die beiden von dem Abgeordneten eingebrachten Fragen stehen in einem gewissen Zusammenhang. Möchten Sie sie zusammen beantworten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich würde es begrüßen, wenn ich sie zusammen beantworten kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009700
Der Fragesteller ist einverstanden. — Dann rufe ich auch die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiherr Spies von Büllesheim auf:
Ist es richtig, daß heute noch Campingtouristen aus anderen Staaten Westeuropas demgegenüber nur 5 Dollar und bei Verwandtenbesuchen und bei Unterkunft im Hotel nur 12 Dollar eintauschen müssen, und was hat die Bundesregierung gegebenenfalls unternommen, um diese Diskriminierung von Reisenden aus der Bundesrepublik Deutschland durch die Volksrepublik Polen zu verhindern oder zu beenden?
Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Regierung der Volksrepublik Polen hat bereits seit dem 1. April 1977 den ermäßigten Umtauschsatz für Campingtouristen aus allen Hartwährungsländern aufgehoben. Der Pflichtumtausch für alle Reisenden aus den Hartwährungsländern beläuft sich seitdem pro Person und Tag auf den abgerundeten Gegenwert von 12 US-Dollar in der Heimatwährung des Reisenden. Auf Grund der damaligen Dollar-D-Mark-Relation wurde der einheitliche Pflichtumtauschsatz für die Reisenden aus der Bundesrepublik Deutschland seinerzeit auf 30 Mark festgesetzt.
Eine Begründung für diese Angleichung des Pflichtumtauschsatzes für Campingtouristen ist der Bundesregierung nicht gegeben worden. Eine solche Begründung wäre allerdings — das muß ich hinzufügen — auch unüblich, da es sich bei der Festsetzung der Pflichtumtauschsätze um eine innerpolitische Maßnahme handelt.
Die Bundesregierung ist der Auffasung, daß die Frage des Pflichtumtausches deshalb von gemeinsamen Interessen beider Staaten ist, weil auch die Volksrepublik Polen in der Schlußakte von Helsinki ihre Absicht erklärt hat, Möglichkeiten für umfassenderes Reisen ihrer Bürger und anderer Bürger zu schaffen. Die Bundesegierung hat deshalb die Frage des Pflichtumtausches bei verschiedenen Gelegenheiten auch mit der polnischen Regierung angesprochen. Die polnische Regierung hat sich bisher jedoch leider nicht in der Lage gesehen, uns in Fragen des Pflichtumtausches entgegenzukommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810009800
Eine Zusatzfrage.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810009900
Herr Staatsminister, ich habe Ihre Antwort rein akustisch — Sie haben so schnell vorgelesen — nicht gehört. Ab wann gilt die Regelung?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Seit dem 1. April 1977.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810010000
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es ein berechtigtes Anliegen aller Campingtouristen ist, nicht mehr umtauschen zu müssen als die Campingtouristen, die aus anderen westeuropäischen Ländern nach Polen einreisen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich wiederhole, Herr Kollege, was ich gesagt, aber vielleicht zu schnell vorgetragen habe: Der Pflichtumtausch für alle Reisenden aus den Hartwährungsländern beläuft sich seit dem 1. April 1977 pro Person und Tag auf den abgerundeten Gegenwert von 12 US-Dollar. Für uns wurde auf Grund des damaligen Umrechnungskurses ein Betrag von 30 DM festgesetzt. Mir sind allerdings auch Fälle bekanntgeworden, in denen ein Reisender lediglich 12 US-Dollar zu zahlen brauchte, um damit dieselbe Verpflichtung zu erfüllen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810010100
Herr Staatsminister, muß ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung nicht bestätigt, daß die Campingtouristen aus der Bundesrepublik Deutschland im Unterschied zu den Campingtouristen aus allen anderen westlichen Ländern nunmehr
12 US-Dollar oder 30 DM zu zahlen haben, oder umgekehrt gefragt: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Campingtouristen ,der Bundesrepublik Deutschland die einzigen sind, die 30 DM pro Person und Tag umtauschen müssen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die 12 US-Dollar gelten für alle. Der Umtauschkurs, der am 1. April 1977 galt, belief sich damals nach der Berechnung der Volksrepublik Polen auf 30 DM. In der Zwischenzeit hat sich der Kurs verändert. Ich habe gehört, man könne derselben Verpflichtung auch mit der Zahlung von 12 US-Dollar entsprechen. Ich kann also nicht bestätigen, daß nur die Touristen aus der Bundesrepublik Deutschland oder die Campingreisenden aus der Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtung hätten, 12 Dollar zu entrichten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810010200
Herr Staatsminister, dann ist meine Frage 19 zwar verbunden, aber von Ihnen — oder den Herren des Auswärtigen Amtes — nicht beantwortet worden. Ich darf sie noch einmal wiederholen: ob die Bundesregierung bestätigt, daß Campingtouristen aus der Bundesrepublik Deutschland — im Unterschied zu Campingtouristen aller anderen westeuropäischen Länder — eben keinen ermäßigten Satz von
13 DM haben sollen, sondern 30 DM bezahlen müssen. Hat sich Ihr Haus nicht in der Lage gesehen, diese Frage zu beantworten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole, was ich gesagt habe. Es gilt für die Campingreisenden aus der Bundesrepublik, weil
für alle der Betrag von 12 Dollar gilt und die Umrechnung für uns damals 30 DM ergab. Es tut mir leid, daß dies meine Antwort heute sein muß.
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim (CDU/CSU)

Das verstehe ich nicht, denn — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810010300
Ich sehe in Ihrer ersten Frage nur eine Verständigungsfrage. Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim: (CDU/CSU) : Herr Staatsminister, würden Sie mir, wenn Sie meine Frage 19 noch einmal lesen, bestätigen, daß mit Ihrer Ausführung, die sich allein auf den Dollarkurs bezieht, diese klare Frage nicht beantwortet worden ist? Und würden Sie in Ihrem Hause dafür sorgen, daß solche Fragen wenigstens auch klar beantwortet werden, damit Sie hier nicht in die Situation kommen, in der Sie sich befinden, nämlich: eine klar gestellte Frage nicht beantworten zu können?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich muß das zurückweisen. Ich kann diese unklar gestellte Frage, wenn ich mir das erlauben darf, sehr klar beantworten. Ich habe festgestellt, daß für alle Reisenden aus Hartwährungsländern der Betrag von 12 Dollar gilt. Deutlicher kann ich das wohl nicht sagen. Der Umrechnungskurs, der 1977 festgelegt wurde, ergab damals 30 DM und ist inzwischen nicht mehr realistisch, was ich zugebe. Ich habe gehört, daß für deutsche Touristen auch 12 Dollar ausreichen würden. Noch deutlicher kann ich es wohl kaum machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU])


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810010400
Sie haben jetzt keine Zusatzfragen mehr.
Herr Abgeordneter Dr. Hupka!

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0810010500
Herr Staatsminister, ist aber der Bundesregierung bekannt, daß man als Mitglied der polnischen Vereinigung „Skoda" nicht so viel zu zahlen braucht, wenn man in die heutige Volksrepublik Polen einreist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, dies ist mir im Augenblick nicht bekannt. Ich werde der Sache nachgehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810010600
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810010700
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung Anstrengungen unternommen, um bei der polnischen Regierung eine Änderung zu erreichen, nachdem die D-Mark/Dollar-Relation, von der damals ausgegangen worden ist, inzwischen offenkundig erheblich überholt ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wir haben darauf hingewiesen, Herr Kollege Jäger, und wir hof-



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
fen, daß im Zuge der Anpassungen auch der neue Umrechnungskurs berücksichtigt werden kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810010800
Ich rufe Frage 21 des Abgeordneten Graf Huyn auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler anläßlich seines bevorstehenden Besuchs in Sambia bereit, auf die sambische Regierung einzuwirken, die wiederholten völkerrechtswidrigen Angriffe, zum Teil von Zivilflugzeugen aus, zum Teil durch Artilleriebeschuß von sambischem Gebiet aus, auf nichtmilitärische Ziele in Rhodesien, wie etwa die Touristenhotels an den Victoria-Fällen, bei denen auch deutsche Touristen gefährdet werden, unverzüglich und unwiderruflich einzustellen?
Herr Staatsminister, bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Graf Huyn, zunächst ist festzustellen, daß die Anwendung von Gewalt in der bezeichneten Region nicht von Sambia ausging, sondern von dem rechtswidrigen Regime Smith. Ich darf hier auch in Erinnerung rufen, daß sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wiederholt mit massiven Angriffen rhodesischer Sicherheitskräfte gegen Ziele in Botsuana, Mozambique und Sambia zu befassen hatte. Es handelte sich hierbei um die vorsätzliche Verletzung der Hoheitsrechte souveräner afrikanischer Staaten, mit Hunderten von Toten, auch unter der Zivilbevölkerung. Frieden und Sicherheit werden in dieser Region nur herzustellen sein, wenn Selbstbestimmung und demokratische Mehrheitsregierungen in allen Staaten Afrikas gelten.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810010900
Zusatzfrage.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810011000
Herr ,Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich um völkerrechtswidrige Angriffe auf zivile Ziele in Rhodesien von seiten Sambias handelt, und würden Sie bitte meine Frage beantworten, in welcher Weise der Herr Bundeskanzler anläßlich seines Besuches auf die sambische Regierung einwirken wird, damit nicht auch deutsche Touristen bei in jedem Fall völkerrechtswidrigen Angriffen auf zivile Ziele verletzt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Graf Huyn, der Herr Bundeskanzler wird bei seiner Reise nach Sambia die deutsche Politik in dieser Frage erneut unterstreichen, bei der es darum geht, gewaltlose Lösungen für ein Problem zu finden, das gegenwärtig in der rechtswidrigen Herrschaft einer weißen Minderheitsregierung in Rhodesien besteht. Die gewaltlose Lösung, die angestrebt wird, würde selbstverständlich auch das Nichtübergreifen von sambischem Boden auf den Boden Rhodesiens einschließen.
Nur muß man die Ursachen der Entwicklung klar sehen. Diese Ursachen werden nicht von Sambia gesetzt, sondern der Regierung in Rhodesien.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810011100
Sie haben eine weitere Zusatzfrage an Herrn Staatsminister von Dohnanyi.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810011200
Herr Staatsminister, ist dem Auswärtigen Amt entgangen, daß seit einiger Zeit nicht — wie Sie sich auszudrücken belieben —eine widerrechtliche weiße Minderheitsregierung herrscht,

(Zuruf von der SPD: Was denn sonst?)

sondern eine mehrheitlich schwarze Übergangsregierung, die die Forderungen, die vor einigen Jahren in Genf etwa von den Vereinigten Staaten erhoben worden waren, voll erfüllt hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Huyn, Sie werden nachher, wenn Sie noch Zeit haben, auf meine Antwort auf die Fragen von. Herrn Dr. Marx zu warten, von mir hören, daß auch die ursprünglich in Genf einmal gesetzten Maßstäbe für eine Lösung des rhodesischen Problems nicht erreicht worden sind. Ihnen ist vielleicht nicht bekannt — aber dann möchte ich es Ihnen hier sagen —, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die sogenannte interne Lösung in Rhodesien als unzureichend bezeichnet hat. Dies gilt übrigens auch für die britische Regierung. Es ist eben nicht so, daß Bedingungen für eine friedliche Lösung des Problems bereits hergestellt wären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810011300
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810011400
Herr Staatsminister, muß ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung Feuerüberfälle von sambischem Gebiet etwa auf Touristenhotels auf der rhodesischen Seite für rechtmäßig hält?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, wenn Sie — entschuldigen Sie, wenn ich das so deutlich sage — dem, was ich gesagt habe, zugehört hätten, hätten Sie nicht unterstellen können, daß ich das für rechtmäßig halte. Ich habe nur auf die politischen Ursachen hingewiesen, die für die krisenhafte Entwicklung in dieser Region verantwortlich zu machen sind, und diese gehen von Rhodesien und nicht von Sambia aus.

(Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810011500
Herr Kollege, wenn eine Frage so formuliert ist, habe ich natürlich auch Verständnis dafür, daß sie so beantwortet wird.
Ich rufe Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Teilt die Bundesregierung die bereits 1951 vertretene Auffassung des jetzigen deutschen Richters am Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag, Prof. Mosier, daß die UN-Menschenrechtserklärung vom 10. Dezember 1948, die in ihrem Artikel 13 Nr. 2 ausdrücklich die Ausreisefreiheit als Menschenrecht stipuliert, geeignet ist, „menschenrechtliche Grundsätze infolge ihrer Anerkennung durch die überwältigende Mehrheit der Rechtsgenossen der Völkerrechtsordnung zum Bestandteil der allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden zu lassen" (Mosler, „Die Menschenrechte in christlicher Sicht„ 1953, Seite 45)?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Antwort lautet: Ja.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810011600
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0810011700
Herr Staatsminister, können Sie also bestätigen, daß das Ausreise- und Auswanderungsrecht, auf das ja die Entstehung beispielsweise der Vereinigten Staaten und anderer Länder der Neuen Welt mit zurückzuführen ist, zu den ältesten und festesten Bestandteilen des allgemeinen Völkerrechts seit dessen Entwicklung vom 16. Jahrhundert an — vor allem in den westlichen Ländern und in der neutralen Welt — zählt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, es ist zu bestätigen, daß dies zu den ursprünglichen Rechten gehört.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810011800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0810011900
Herr Staatsminister, ist es also nach der bestehenden völkerrechtlichen Staatenpraxis und nach dem öffentlich vertretenen Völkerrechtsverständnis in Staaten mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung so, daß Beschränkungen der Ausreisefreiheit international überprüfbar und gesetzlich verankert sein müssen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, wir haben ja schon häufig über die Rechtsverbindlichkeit bestimmter internationaler Vereinbarungen auf diesem Sektor gesprochen. Für uns ist das Recht auf Freizügigkeit eine Selbstverständlichkeit.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012000
Ich rufe Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Rechtslehrer Verdross und Simma („Universelles Völkerrecht" 1976, Seite 600), „daß die ursprünglich nicht rechtsverbindliche UN-Menschenrechtserklärung durch spätere zustimmende Erklärungen der Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden ist", und zwar in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 21. Juni 1971 betreffend Namibia und der Rede des amerikanischen Präsidenten Carter vom 17. März 1977 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, die Antworten, die auf Ihre Fragen gegeben werden, zeigen, daß das Rechtsproblem umstritten ist. Ich kann hier allerdings auf die Meinungsverschiedenheiten der Rechtsgelehrten nicht im einzelnen eingehen und kann daher auch nicht interpretieren, was in einem bestimmten Kommentar bestimmter Rechtsgelehrter zu einzelnen Fragen des Völkerrechts gesagt wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0810012200
Herr Staatsminister, treten nicht dazu, daß die völkerrechtliche Verbindlichkeit der Ausreisefreiheit hier nicht in einem einzelnen Kommentar, sondern von führendsten deutschen und österreichischen Völkerrechtlern, von der Rechtslehre, aber auch vom Internationalen Gerichtshof
und von den USA vertreten sowie durch zustimmende Staatenerklärungen entwickelt worden ist, noch verstärkend und präzisierend die eindeutigen Vertragsverpflichtungen nach Art. 12 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte hinzu?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Czaja, nach den mir vorliegenden Unterlagen hat sich z. B. das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 21. Juni 1971 zu der von Ihnen gestellten Frage so nicht geäußert. An der Stelle, die Sie aus dem Lehrbuch van Verdross und Simma zitieren, wird nicht die Verletzung der allgemeinen Menschenrechtserklärung durch Südafrika und Namibia gerügt, sondern die Verletzung der zweifelsohne völkerrechtlich verbindlichen Charta der Vereinten Nationen, nämlich der in ihr genannten Ziele und Prinzipien.
Herr Kollege, ich will hier wirklich nicht in eine Rechtsinterpretation zahlreicher einzelner Fragen, die Sie hier angeschnitten haben, einsteigen. Ich möchte Sie herzlich bitten, zuzustimmen, daß wir diese Fragen entweder in einem Gespräch klären oder ich Ihnen hierzu schreibe.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012300
Herr Kollege, wollen Sie noch eine weitere Zusatzfrage stellen? — Bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0810012400
Herr Staatsminister, warum antworten Sie zu dieser nicht in einem Gespräch, sondern als fundamentale Rechtsverpflichtung zu beurteilenden Frage überhaupt nicht auf die Frage nach der Rede des amerikanischen Präsidenten vom 17. März 1977 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen? Würden Sie in dem Zusammenhang auch prüfen, ob der Sachverständigenausschuß des Europarates dazu festgestellt hat, daß der Menschenrechtspakt größere Rechte für den einzelnen Bürger und weniger Beschränkungen bringt als die europäische Menschenrechtskonvention?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, mir scheint, ich habe auf die Frage geantwortet. Nur wird in Ihrer sehr langen Fragestellung, wenn ich es richtig sehe, ohne Punkt und ohne Semikolon, ja wiederum unmittelbar die Brücke von der Erklärung des amerikanischen Präsidenten zu dem Völkerrechtslehrbuch von Herrn Verdross und Herrn Simma geschlagen. Ich möchte noch einmal sagen, daß ich mich von dieser Stelle aus wirklich nicht in eine rechtsgelehrte Darstellung dieser Einzelheiten einlassen kann, sondern daß man, wenn man dies macht, das dann nicht hier von der Regierungsbank her sozusagen innerhalb einer halben Stunde in einem Rechtskolleg erledigen kann. Ich halte das wirklich nicht für gut.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012500
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Amrehn auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Beteiligung und Ausbildungshilfe der „Nationalen Volksarmee" in Angola, Kongo/Brazzaville und Guinea vor?



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Ich gehe davon aus, daß Sie die Fragen 24 und 25 jeweils gesondert beanworten, weil die Thematik verschieden ist.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja, das will ich tun, Herr Präsident.
Der Bundesregierung liegen über eine Beteiligung und Ausbildungshilfe der Nationalen Volksarmee in Angola, Volksrepublik Kongo und Guinea präzise Erkenntnisse nicht vor. Dies wurde übrigens von dieser Regierungsbank aus wiederholt durch den Bundesaußenminister oder meine Kollegin Frau Hamm-Brücher festgestellt. Die vorhandenen Informationen sind wir gern bereit dem zuständigen Ausschuß des Bundestages vorzutragen bzw. einsehen zu lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012600
Zusatzfrage.

Franz Amrehn (CDU):
Rede ID: ID0810012700
Ist die Bundesregierung bereit, die Initiative zu dieser Information zu ergreifen und im Ausschuß zu berichten, statt es hier nur immer in Aussicht zu stellen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie wissen, daß es nicht die Bundesregierung ist, die die Tagesordnung des Ausschusses bestimmt. Aber wenn der Ausschuß diese Frage auf seine Tagesordnung setzt, habe ich überhaupt gar keinen Zweifel, daß die Bundesregierung bereit ist, entsprechend zu antworten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810012800
Herr Dr. Hupka hat sich noch gemeldet. — Bitte.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0810012900
Herr Staatsminister, nachdem Sie gesagt haben, es gebe keine präzisen Angaben: Warum sollen die Informationen, die Sie zur Verfügung haben, nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt wenden? Hat die Öffentlichkeit keinen Anspruch darauf, etwas darüber zu erfahren, in welcher Weise die DDR in Afrika engagiert ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich dachte, das sei klar. Aber ich will das zu erläutern versuchen: Derartige Informationen sind nur zu beurteilen, wenn man sie im Zusammenhang mit ihren Quellen beurteilt. Sie wollen von mir aber wohl nicht erwarten, daß ich das hier im Hause tue.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013000
Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810013100
Herr Staatsminister, darf ich die Bundesregierung dann dazu einladen, doch auch einmal etwa das „Neue Deutschland" oder die Zeitschrift „Volksarmee" neben den ihr sicherlich noch reichlich mehr zugänglichen Quellen, als sie mir als einfachem Abgeordneten zur Verfügung stehen, auszuwerten, so etwa das Motto, das in der Zeitschrift „Volksarmee" veröffentlicht worden ist: „Kalaschnikow, nicht Coca-Cola, bringt Selbstbestimmung für Angola"?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Information liegt vor. Aber ich glaube nicht, daß sie eine Frage beantworten würde wie die, die mir hier gestellt worden ist, die da lautet — ich darf sie vorlesen —:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Beteiligung und Ausbildungshilfe der „Nationalen Volksarmee" in Angola, Kongo/Brazzaville und Guinea vor?
Sie werden mir zugeben, daß Sie, wenn ich den Vers aus dem „Neuen Deutschland" zitiert hätte, mit meiner Antwort zu Recht unzufrieden gewesen wären.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013200
Herr Abgeordneter Amrehn, Sie haben eine weitere Frage gestellt, die der Herr Staatsminister jetzt beantworten wird. Ich rufe also Ihre Frage 25 auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Einmischung des DDR-Staatssicherheitsdienstes in Angola und Mozambique vor?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Amrehn, ich wiederhole, daß der Bundesregierung keine gesicherten Auskünfte und Erkenntnisse vorliegen. Ich wiederhole das Angebot, die vorhandenen Informationen über die von Ihnen gestellten Fragen im zuständigen Ausschuß zu erörtern und die dafür notwendigen Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013300
Der Herr Abgeordnete Dr. Todenhöfer hat im Hinblick auf die nachher folgende Debatte die beiden von ihm gestellten Fragen zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Werner auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Aktivitäten der Ost-Berliner „Nationalen Volksarmee" und des Ministeriums für Staatssicherheit in Äthiopien und Südjemen vor?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung geht auf Grund der ihr vorliegenden Erkenntnisse davon aus, daß die DDR im Südjemen und in Äthiopien derzeit Beratungsstäbe unterhält. Die Präsenz der DDR im Südjemen kann seit längerer Zeit als stark bezeichnet werden. Genauere Angaben über die numerische Stärke, die organisatorische Einordnung dieses Personals und ihrer Aufgabenstellungen liegen nicht vor. Ich habe übrigens auch zu dieser Frage bereits wiederholt Auskünfte gegeben, und ich bin auch in diesem Fall gern bereit, das zugrunde liegende Material und die zugrunde liegenden Informationen im zuständigen Ausschuß noch einmal zur Erörterung zu stellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013400
Eine Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 100. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 22. Juni 1978 7967

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0810013500
Herr Staatsminister, sind Sie vor dem Hintergrund der Ihnen vorrätigen Informationen in der Lage, zu bestätigen, daß sich die DDR vor allen Dingen im Hinblick auf den Aufbau von Geheimdiensten und Sicherheitsdiensten in diesen Staaten und auch mit der schwergewichtigen Stoßrichtung betätigt, Aktivitäten gegen die Wirkungsmöglichkeiten der Politik der Bundesrepublik Deutschland zu verstärken?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Den letzten Teil Ihrer Frage kann ich bestätigen. Es ist wohl so, daß die DDR dort sicherlich auch gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland arbeitet. Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich von hier aus nicht bestätigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013600
Eine weitere Zusatzfrage.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810013700
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung die neuerlichen Nachrichten, daß sich der Südjemen zu den USA hin öffnen werde und daß neue Waffenlieferungen von den USA nach Äthiopien gegangen sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, ich glaube, uns liegt an einer autonomen Entwicklung in diesen Regionen. Es hätte wahrscheinlich wenig Sinn, wenn ich an dieser Stelle solche Nachrichten kommentierte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810013800
Frau Kollegin, die Zusatzfrage hält sich auch nicht im Rahmen der Frage des Kollegen Werner. Ich bitte um Nachsicht.
Herr Kollege Jäger, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810013900
Herr Staatsminister, wie können Sie es den Mitgliedern des Hauses erklären, daß das Auswärtige Amt über derart geringfügige Kenntnisse zu dem in der Frage angesprochenen Themenbereich besitzt, wo doch gerade im innerdeutschen Verhältnis für uns, für die Bundesrepublik Deutschland in diesem Zusammenhang ein ganz erhebliches Interesse daran besteht zu wissen, was dort unten seitens der DDR vorgeht?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe zur DDR soeben einiges relativ Präzises, wie mir scheint, gesagt. Wenn ich es richtig gesehen habe, führte das auch zur Befriedigung des Fragestellers. Im übrigen ist der Stand der Entwicklungen natürlich auch in Bewegung, und der Informationsstand hinkt manchmal hinter den Entwicklungen her. Aber ich kann Ihnen versichern, daß wir bemüht sind, die Informationen zu diesen Fragen zu vertiefen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810014000
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Klein (München) auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Waffentransporte durch Frachterkonvois auf „DDR"-Schiffen nach Äthiopien, Mozambique und Angola vor?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es tut mir leid, Herr Kollege, aber die Antwort ist ähnlich. Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Meldungen über Waffentransporte durch Frachterkonvois auf DDR-Schiffen nach Äthiopien, Mozambique und Angola vor. Ich wiederhole hier frühere Auskünfte, die ich an dieser Stelle heute und zu früherer Zeit gemacht habe. Im übrigen bitte ich auch Sie um Verständnis dafür, daß die Einzelheiten dieser Informationen von uns gern im Ausschuß, aber nicht an dieser Stelle vorgetragen werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810014100
Eine Zusatzfrage.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0810014200
Herr Staatsminister, muß ich davon ausgehen, daß Erkenntnisse der Bundesregierung über solche auch für uns lebenswichtigen Fragen ausschließlich aus Quellen stammen, die der Geheimhaltung unterliegen, oder gibt es nicht auch beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Verbündeten, die doch sicherlich einen höheren Erkenntnisstand haben, Möglichkeiten, so etwas zu erlangen und auch der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die gesicherte Information in diesen Bereichen verlangt in der Regel die Einschaltung von Quellen, über die an dieser Stelle sinnvollerweise nicht geredet werden kann. Das gilt natürlich genauso, Herr Kollege, wenn in der Zusammenarbeit der westlichen Staaten solche Informationen zusammengestellt und vorgelegt werden. Dies macht diese Daten und ihre Quellen nicht eher zugänglich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810014300
Herr Kollege Klein, eine weitere Zusatzfrage.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0810014400
Herr Staatsminister, verzeihen Sie, wenn ich daran noch anschließe: Teilen Sie nicht die Meinung, daß doch gerade die Bekanntgabe, die Veröffentlichung derartiger neuralgischer Vorgänge von einer ganz großen politischen Bedeutung ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich unterstreiche noch einmal: Ich habe ja nicht den Versuch gemacht, hier einer Information auszuweichen. Ich habe gesagt, daß es keine gesicherten Erkenntnisse zu den im einzelnen gestellten Fragen gibt. Einige, z. B. den Südjemen betreffend, konnte ich ja „gesichert" relativ konkret beantworten. Ich wiederhole, daß das, was an Informationen vorliegt, von uns gern in dem zuständigen Ausschuß vorgetragen werden kann. Im übrigen werden Sie sich ja erinnern, daß es in den letzten Tagen über bestimmte Erkenntnisse an anderer Stelle zu bestimmten Vorgängen Meinungsverschiedenheiten in der politischen Öffentlichkeit eines befreundeten



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
Landes gegeben hat, weil man auch da nicht der
Auffassung war, daß die vorgetragenen Informationen notwendigerweise schlüssig und zwingend seien.
Man muß also mit diesen Informationen an einer solchen öffentlichen Stelle nach unserer Auffassung vorsichtig und rücksichtsvoll sein, und da wir dem Ausschuß voll zur Verfügung stehen, würde ich Sie bitten, sich darauf zu beschränken.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810014500
Herr Abgeordneter Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810014600
Herr Staatsminister, da niemand von uns daran Interesse hat, daß Sie Quellen öffentlich nennen, möchte ich doch fragen, ob es nicht möglich ist, daß die Bundesregierung mit ihrer breiten Kenntnis und Weisheit diesem Hause sagt: „Nach Erkenntnis der Bundesregierung — —" und dann die Frage beantwortet. Wir wollen keine Quellen wissen, sondern die Ergebnisse dessen, was die Bundesregierung aus Quellen zusammenträgt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Marx, ich verstehe Ihre Frage nicht, denn wenn ich gesicherte Erkenntnisse hätte, dann hätte ich so geantwortet. Wenn aber die Bundesregierung hier sagen würde: „Nach ungesicherter Erkenntnis — —", dann würden Sie uns mit Recht Vorwürfe machen und sagen, daß wir unvollständige Informationen weitergeben.
Ich unterstreiche noch einmal, Herr Kollege: Wir sind bereit, darüber im Ausschuß zu sprechen, und vielleicht kann dann auch der Ausschuß darüber beraten, wie man mit dieser Information zweckmäßig umgeht. Aber erlassen Sie mir die Notwendigkeit, ungesicherte Erkenntnisse hier in irgendeiner Weise darzustellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810014700
Herr Kollege Huyn, Sie haben eine letzte Zusatzfrage; dann gehen wir zur nächsten Frage über.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810014800
Herr Staatsminister, darf ich Sie angesichts des doch offenbar sehr unterdurchschnittlichen Standes der Bundesregierung an gesicherten Erkenntnissen unterstützen und Ihnen einen Weg weisen, wo z. B. gesicherte Erkenntnisse herkommen können, die nicht nachrichtendienstlich gesichert sind, nämlich etwa von deutschen Kapitänen, die solche Konvois, wie sie in der Frage des Abgeordneten Klein erwähnt sind, in Häfen sehr deutlich beobachtet haben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Und die auch eine gesicherte Auskunft geben könnten über das Material, das verschifft worden ist?

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810014900
Genau.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, für einen Hinweis, der uns einen neuen oder zusätzlichen Weg der Information erschließt, sind wir selbstverständlich jederzeit sehr dankbar.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015000
Eine weitere Zusatzfrage.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0810015100
Herr Staatsminister, könnten Sie mir bitte die Frage beantworten, ob es üblich ist, daß deutsche Kapitäne in Häfen auf DDR-Schiffen sind und sich auf diesen Schiffen höchstpersönlich danach erkundigen, was dort transportiert wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, das ist sicherlich nicht üblich. So war die Frage auch nicht gemeint.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015200
Ich rufe nun die nächste Frage des Abgeordneten Klein auf, die Frage 30:
ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, in kürzester Frist eine friedliche Lösung für Südafrika/Namibia unter den von ihr und den anderen Westmächten vorgeschlagenen Bedingungen, die von der Republik Südafrika angenommen worden sind, zustande zu bringen, selbst wenn die SWAPO diesem Vorschlag nicht zustimmt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Klein, eine dauerhafte Lösung für einen friedlichen Ubergang Namibias in die Unabhängigkeit ist ohne die Mitwirkung von SWAPO nicht zu erreichen. Die Bundesregierung sieht nur dann eine Möglichkeit, einen friedlichen Übergang Namibias in diese Unabhängigkeit herbeizuführen, wenn alle politischen Kräfte im Territorium an einer Verhandlungslösung beteiligt sind. Die Vorschläge der fünf westlichen Sicherheitsratsmitglieder basieren auf der Sicherheitsresolution 385, die von einer Beteiligung der gesamten Bevölkerung Namibias an der politischen Willensbildung ausgeht. SWAPO wird sich aber nur dann den in der Resolution 385 geforderten allgemeinen und von den Vereinten Nationen überwachten Wahlen stellen, wenn sie vorher Zustimmung zum Lösungsvorschlag erteilt hat. Somit ist die Zustimmung von SWAPO zu jeder Namibia betreffenden international akzeptablen Verhandlungslösung unverzichtbar.
Nun muß ich hinzufügen, daß SWAPO für die bei den Gesprächen eingetretenen Verzögerungen nicht in erster Linie verantwortlich gemacht werden kann. Die Regierung Südafrikas hat bedauerlicherweise nach ihrer formellen Annahme des westlichen Lösungsvorschlags eine Reihe von erschwerenden Aktionen vorgenommen, die die Zustimmung SWAPOs sicher nicht leichter gemacht haben. SWAPO hatte nach dem Kassinga-Überfall — einem der Vorgänge, die ich meine — ein am 8. Mai angesetztes Gespräch mit den Fünf in New York abgesagt. Bei der Gipfelkonferenz der Frontlinienstaaten am 11. Juni hat SWAPO die Bereitschaft zur Fortsetzung der Gespräche erklärt. Inzwischen gibt es ja neue Probleme.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.




Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0810015400
Herr Staatsminister, bin ich richtig informiert, wenn ich davon ausgehe, daß die Vorschläge der fünf Westmächte ja doch schon vor ihrer Fixierung teilweise oder weitgehend mit den Interessen und Forderungen der SWAPO abgestimmt worden sind, daß dann die südafrikanische Regierung dazu ja gesagt hat und daß die SWAPO dann ihr Ja bis heute — vor Kassinga und nach Kassinga — verweigert hat.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Weil bestimmte Einzelheiten — Herr Kollege, Sie wissen das sicher — noch nicht eindeutig vereinbart waren. Es gibt bestimmte Punkte, die für SWAPO noch nicht in dieser Form akzeptabel sind. Auf diesen Sachverhalt ging das Zögern zurück, das nun durch die zusätzlichen Aktionen von seiten Südafrikas sicher eher verstärkt worden ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015500
Herr Kollege, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0810015600
Herr Staatsminister, verstehe ich unter Berücksichtigung dessen, was Sie soeben erklärt haben, richtig, daß es letzten Endes so gut wie ausschließlich davon abhängen wird, ob sämtliche Forderungen der SWAPO erfüllt werden, bevor über freie Wahlen in Namibia überhaupt gesprochen werden kann?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Klein, sicher nicht. Denn es gibt ja eine Reihe von Punkten, in denen Kompromisse erzielt worden sind. Es gibt einige Punkte, die offen sind. Über diese Punkte muß eine Einigung hergestellt werden. Tatsache ist, daß die Einigung bisher nicht hergestellt werden konnte. Der Vorgang wird durch zusätzliche Aktionen der Republik Südafrika erschwert.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015700
Herr Abgeordneter Corterier, eine Zusatzfrage.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0810015800
Herr Staatsminister, muß auf Grund der Serie einseitiger Maßnahmen bis hin zur Wählerregistrierung, die die Regierung Südafrikas in Namibia ergriffen hat, nicht der Eindruck entstehen, daß die südafrikanische Regierung gar nicht wirklich bereit ist, an einer friedlichen Lösung auf der Basis des Plans der fünf Westmächte mitzuwirken?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich würde das hier von dieser Stelle aus so nicht bestätigen wollen. Ich will hoffen, daß alle Seiten angesichts der Bedrohlichkeit der Lage bereit sind, eine friedliche Lösung herbeizuführen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810015900
Herr Abgeordneter Amrehn, eine Zusatzfrage.

(Zuruf des Abg. Dr. Corterier [SPD])

— Herr Kollege Corterier, Sie haben nur eine einzige Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege Amrehn.

Franz Amrehn (CDU):
Rede ID: ID0810016000
Worin sehen Sie, Herr Staatsminister, überhaupt noch den Spielraum für Verhandlungen mit der SWAPO, nachdem die fünf Mächte erklärt haben, ihr von der südafrikanischen Regierung angenommener Vorschlag sei definitiv?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Amrehn, es bestehen immer noch Aussichten, zu den noch offenen Fragen Kompromisse zu finden. Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich diese offenen Fragen und die etwa möglichen Kompromißlösungen hier im einzelnen beschreibe. Aber selbstverständlich gehen wir davon aus, daß noch eine Chance für eine Einigung besteht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810016100
Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810016200
Herr Staatsminister, gibt Ihr Hinweis darauf, daß, wie Sie sagen, eine Regelung — ich spreche nicht von Lösung — von einer Zustimmung der SWAPO abhänge, nicht der SWAPO die Möglichkeit,, die Regelungen zu ihren Bedingungen zu formulieren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Marx, ich hätte das, was ich gesagt habe, nicht so interpretiert, und ich hoffe nicht, daß bei irgend jemand dieser Eindruck entsteht. Ich habe darauf hingewiesen, daß es darauf ankommt, zu einigen offenen Fragen eine Einigung herzustellen, daß dabei die Auffassung der SWAPO den bisher vorliegenden Vorschlägen entgegensteht und es darauf ankommt, hier zu Kompromißlösungen zu kommen. Das bedeutet nicht, daß wir davon ausgehen, daß eine Seite hier die Entwicklung blockieren kann oder soll. Das bedeutet nur, daß man natürlich auch Rücksicht auf die Positionen nehmen muß, die die SWAPO zu diesen Fragen bezogen hat. Ich unterstreiche noch einmal: Diese Kompromißbereitschaft ist sicherlich nicht durch die Vorgänge, auf die der Kollege Corterier eben Bezug genommen hat, gesteigert worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810016300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0810016400
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung nicht auch bekannt, daß eine Einigung bezüglich einer Lösung in Namibia bis heute deswegen so schwierig geworden ist, weil die SWAPO ständig neue Bedingungen gestellt hat, die für sie Voraussetzung dafür sind, sich mit den anderen politischen Gruppen in Namibia an einen Tisch zu setzen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, ich glaube, daß man das so nicht bestätigen kann, weil einige der Punkte, um die es geht, von. Anfang an von seiten der SWAPO anders gesehen wurden. Und es ist gerade zu diesen Punkten sehr schwer, eine Kompromißlösung zu finden.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810016500
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810016600
Herr Staatsminister, in welcher Weise wird die Bundesregierung auf die einseitigen Maßnahmen Südafrikas, die Sie eben beschrieben haben — dazu kommt ja auch noch die Verhaftungswelle gegenüber einer ganzen Reihe von SWAPO-Inlandsmitgliedern —, reagieren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, unter anderem natürlich dadurch, daß ich hier auf die Bedeutung dieser Vorgänge für das Zustandekommen einer friedlichen Lösung in Namibia hinweise. Wir haben dies übrigens selbstverständlich gegenüber der Republik Südafrika verdeutlicht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810016700
Herr Abgeordneter von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0810016800
Herr Staatsminister, darf ich aus Ihrer Antwort an den Herrn Kollegen Dr. Hupka schließen, daß Sie ein Verhandeln über neue Bedingungen der SWAPO für unvertretbar hielten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege von Geldern, ich habe darauf hingewiesen, daß unter anderem durch die Maßnahmen, die die Republik Südafrika ergriffen hat, bedauerlicherweise eine verschlechterte Lage eingetreten ist. Ich kann nicht übersehen, welche Konsequenzen die Verhandlungspartner aus dieser neuen Lage ziehen müssen. Das gilt auch für die vorliegenden Vorschläge. Aber die Frage, die ich vorhin beantwortet habe, lautete ja auch anders; sie lautete, ob nicht stets nur neue Vorschläge vorgetragen worden seien, und das war gewiß nicht richtig.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810016900
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810017000
Herr Staatsminister, da Sie das Verhalten der südafrikanischen Regierung dem der SWAPO gegenübergestellt haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie z. B. die Registrierung von Wählern, die ja für eine demokratische Wahl unabdingbar ist, für ein Bleichschweres Hindernis auf dem Wege zu einer Verständigung halten wie die terroristischen Morde, die die SWAPO verübt hat.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Registrierung, die jetzt erfolgt, erfolgt ja ohne das Vorliegen einer Einigung und deutet möglicherweise die Absicht für das an, was man in kritischen Kommentaren den Beginn einer internen Lösung nennen könnte. Wenn das der Fall wäre, würden hier natürlich Probleme entstehen, die die Einigung immer schwerer machten.
Im übrigen, wenn Sie auf die Aktionen der SWAPO hinweisen, Herr Kollege: Ich bin sicher, daß Sie in den letzten Tagen die „Frankfurter Allge-
meine Zeitung" gelesen haben. Vor zwei Tagen war in dieser Zeitung ein grausamer Bericht über Folterungen zu lesen, wie sie von seiten der Republik Südafrika gegenüber SWAPO-Mitgliedern oder vermuteten SWAPO-Mitgliedern durchgeführt worden sind. Ich glaube, man muß sich hier vor einseitigen Feststellungen hüten.

(Zustimmung bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017100
Wir kommen jetzt zur Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Hüsch:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß der wirtschaftliche Boykott gegen Rhodesien insbesondere im Interesse der schwarz-rhodesischen Bevölkerung und einer friedlichen Entwicklung des Landes aufgehoben wird?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es ist die erklärte politische Zielsetzung der von den Vereinten Nationen gegen Rhodesien verhängten Sanktionen, der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu den ihr zustehenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten zu verhelfen. Solange diese Zielsetzung nicht in unwiderruflicher Weise verwirklicht worden ist, behalten die Sanktionen leider ihre politische Berechtigung. Ändern kann dies nur das Regime Smith.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017200
Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810017300
Herr Staatsminister, wenn Sie schon nicht bereit sind, zum jetzigen Zeitpunkt für die Aufhebung des Boykotts zu votieren: Ist die Bundesregierung bereit, zu erklären, daß sie nach Durchführung der vorgesehenen Wahlen eine Aufhebung des Boykotts befürworten wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wir können nur dann darüber entscheiden, wenn in den Vereinten Nationen, in denen wir ja nur eine Stimme haben, Herr Kollege, festgestellt wird, daß die Bedingungen für die Selbstbestimmung Rhodesiens gegeben sind. Sie wissen — ich habe das vorhin schon gesagt —, daß die Voraussetzungen, die bisher mit der sogenannten internen Lösung gefunden worden sind, als unzureichend anzusehen sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017400
Herr Kollege, Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810017500
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung demzufolge nicht bereit, zu akzeptieren, daß es eine innerrhodesische und deshalb zu respektierende Entscheidung sein wird, wenn es nach den vorgesehenen Wahlen zur Bildung einer Regierung, die dann vom Votum der Wähler getragen wäre, käme?

(Zuruf des Abg. Dr. Corterier [SPD])

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Hüsch, wenn sichergestellt ist, daß dies die freien



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
Wahlen aller Bürger des Landes sind und damit die Voraussetzungen für die Selbständigkeit hergestellt sind, dann, Herr Kollege, würde selbstverständlich das Embargo, würden die Sanktionen entfallen. Es kommt aber darauf an, ob dieser Zustand wirklich auf diesem Wege hergestellt werden kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017600
Meine Herren, ich bitte um Verständnis, daß ich jetzt, weil wir den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts mit der großen Zahl Fragen noch abwickeln müssen, die nächste Frage des Abgeordneten Dr. Hüsch aufrufe. Dies ist die Frage 36, weil die Fragen 32 bis 35 an einen anderen Geschäftsbereich gegangen sind:
Auf welche Weise ist die Bundesregierung bereit, die begrüßenswerte Haltung Frankreichs zur Sicherung der Freiheit und des Friedens für die schwarze und weiße afrikanische Bevölkerung in Afrika zu unterstützen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung arbeitet seit langem mit Frankreich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft auch in der Afrikapolitik zusammen. Die Europäische Politische Zusammenarbeit, ebenso bilaterale Kontakte auf allen Ebenen bilden die Basis einer weitgehenden politischen Abstimmung. Dies gilt nicht nur für Einzelfälle wie für die französische humanitäre Rettungsaktion in Shaba, die wir begrüßt haben und durch die auch deutsche Staatsangehörige gerettet wurden. Ich erwähne in diesem Zusammenhang auch die Namibia-Initiative, die zusammen mit den anderen westlichen Partnern von Frankreich und der Bundesrepublik getragen wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017700
Herr Kollege, eine Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810017800
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die grundsätzlichen Ziellegungen — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810017900
Ich darf mich noch einmal einschalten. Ich weiß, daß der Herr Staatsminister keinen Wert darauf legt, aber vielleicht könnten Sie doch freundlicherweise zur Kenntnis nehmen: Die Amtsbezeichnung im Auswärtigen Amt ist „Staatsminister".

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810018000
Herr Staatsminister, nachdem Sie die grundsätzlichen Überlegungen der Übereinstimmung bestätigt haben: Wie sieht nun die konkrete Form der Unterstützung der französischen Operation aus?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Position, die die Bundesregierung in dieser Grundsatzfrage bezieht, hat der Außenminister noch einmal bei einer Tischrede am 16. Mai unterstrichen, in der es heißt — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten —:
Wir verurteilen jeden Akt militärischer Gewalt und jede Verletzung der Grenzen und territorialen Integrität der Staaten, wie dies auch in der Charta der OAE niedergelegt ist.
Die Bundesregierung appelliert an alle, die es angeht, sich der Anwendung von Gewalt und der Verletzung der Grenzen zu enthalten. Wir hoffen, daß die OAE ein handlungsfähiges Instrument zur Konfliktlösung in Afrika sein wird.
Auf dieser allgemeinen Grundlage, die ich hier eben noch einmal zitiert habe, versuchen wir, eine gemeinsame Politik des Westens in Afrika zu machen und zu unterstützen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810018100
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Frage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810018200
Herr Staatsminister, muß ich nun daraus schließen, daß die Abgabe von Erklärungen von Ihnen als ausreichende Unterstützung des französischen Standpunktes angesehen wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich glaube, ja. Ich habe bisher nicht feststellen können, daß die französische Regierung unsere Position in dieser Frage als unzureichend betrachtet hätte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810018300
Herr Dr. Hoffacker.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810018400
Herr Staatsminister, was unternimmt die Bundesregierung, wenn der Vorwurf erhoben wird, die EG mische sich als Bündnis und als Gemeinschaft in die Afrikapolitik ein und lasse neokolonialistische Bestrebungen wieder aufleben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, humanitäre Aktionen können kein Neokolonialismus sein, und andere Aktionen werden von der EG nicht unterstützt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810018500
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Hoffacker auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler anläßlich seines bevorstehenden Besuchs in Sambia bereit, auf die sambische Regierung einzuwirken, daß der Heckenschützenkrieg rhodesischer Terroristen von sambischem Territorium aus, der sich insbesondere gegen wehrlose schwarz-rhodesische Afrikaner richtet, unverzüglich eingestellt wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung tritt für die volle Gleichberechtigung aller Bürger in Afrika ein. Sie hat daher das rechtswidrige Minderheitenregime in Rhodesien stets verurteilt. Die Bundesregierung tritt für gewaltlose Veränderungen in Afrika ein, sie stellt jedoch fest, daß die heutige Lage in Rhodesien durch die illegale Machtergreifung des Regimes Smith geschaffen wurde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810018600
Zusatzfrage.




Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810018700
Herr Staatsminister, wenn ich auf meine beiden Fragen rekurrieren darf, insbesondere auf meine erste — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810018800
Einen Augenblick! Bitte begrenzen Sie doch Ihre Zusatzfragen zunächst auf die erste Frage, damit Sie nicht nachher bei der zweiten Frage in Schwierigkeiten kommen.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810018900
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich hatte Sie so verstanden, als wollten Sie beide Fragen zusammen behandelt haben. — Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die Terroristen in ihrem Bemühen, ihre Taten rechtlich, politisch oder moralisch zu rechtfertigen, keine Unterstützung erhalten sollten, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis in ihrer Politik gegenüber Sambia ziehen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Konsequenzen, die die Bundesregierung zieht, entsprechen unserer allgemeinen Politik gegenüber afrikanischen Staaten. Wir fördern die Unabhängigkeit und die Autonomie der afrikanischen Staaten, und wir treten dafür ein, daß an keiner Stelle in Afrika Minderheiten ein Regime, insbesondere ein rassistisches Regime, über Mehrheiten aufrechterhalten können. Dies ist die Grundlage unserer Afrikapolitik, und auf dieser Grundlage wird selbstverständlich auch der Bundeskanzler mit der sambischen Regierung sprechen.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810019000
Herr Staatsminister, darf ich Ihrer Erklärung entnehmen, daß Sie nichts unternehmen, sondern es bei diesen Erklärungen belassen wollen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich verstehe diese Schlußfolgerung nicht. Ich habe klargemacht, daß das der Ausgangspunkt ist, und auf dieser Grundlage wird sich der Bundeskanzler in seinen Gesprächen — davon gehe ich aus — darum bemühen, zu friedlichen Lösungen des anstehenden Problems beizutragen. Aber ich unterstreiche, daß die explosive Situation dort durch das Regime Smith entstanden ist.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810019100
Frau Abgeordnete Erler, eine Zusatzfrage.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810019200
Herr Staatsminister, schließt nach Meinung der Bundesregierung das Widerstandsrecht des rhodesischen Volkes gegen das Regime Smith auch die Anwendung von Gegengewalt ein?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810019300
Frau Kollegin, ich kann hier im Augenblick einen Zusammenhang mit der eingereichten Frage nicht sehen. — Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810019400
Herr Kollege von Dohnanyi, können Sie, da Sie von einer der Grundlagen der Politik der Bundesregierung gegenüber Afrika gesprochen haben, Ihre Feststellung aufrechterhalten, Sie würden sich in ganz Afrika dagegen wenden, daß Minderheiten Gewalt und Macht über Mehrheiten ausüben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich hatte das gesagt. Ich hatte es noch spezifiziert mit der rassistischen Politik, die in Rhodesien praktiziert wird.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810019500
Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810019600
Herr Staatsminister, darf ich Sie bitten, den Ausdruck „rassistische Politik" dahin zu erläutern, ob Sie darunter nicht nur Konflikte zwischen Schwarz und Weiß, sondern etwa auch zwischen Schwarz und Schwarz, also zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, verstehen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810019700
Herr Kollege, auch hier steht die Frage wohl kaum im Zusammenhang mit der eingereichten Frage. Wenn sie aber kurz beantwortet werden kann, bin ich einverstanden.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Selbstverständlich, Herr Kollege Graf Huyn, sind wir für das friedliche Zusammenleben aller Rassen und Religionen, insbesondere in Afrika, wo auf Grund der ursprünglich kolonialen Grenzen, in denen die afrikanischen Staaten weitgehend leben müssen, ein solches Zusammenleben die Voraussetzung für den Frieden darstellt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810019800
Ich rufe die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Hoffacker auf:
Ist die Bundesregierung bereit, gemäß der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher anläßlich der letzthin erneut durchgeführten Ermordung europäischer Missionare in Rhodesien, der Teufelskreis von Gewalt müsse endlich durchbrochen werden, all ihr politisches Gewicht in die Waagschale zu legen, um insbesondere im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, der Atlantischen Allianz und sämtlichen für Freiheit und Frieden einstehenden Nationen darauf hinzuwirken, daß mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln weitere Mordanschläge dieser und ähnlicher Art durch marxistische schwarz-afrikanische Terroristen unterbunden werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich beziehe mich auf die vorangegangene Antwort: Die Gewalt in Rhodesien ging zunächst von dem rechtswidrigen Regime Smith aus. Die heutige Lage in Rhodesien muß aus dieser Situation heraus beurteilt werden.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810019900
Herr Staatsminister, darf Ich daraus im Umkehrschluß schließen, daß Sie die Taten des Terrorismus doch indirekt billigen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Nein, Herr Kollege, das dürfen Sie nicht. Die Bundesregierung unterstützt nur friedliche Formen der Veränderungen in Afrika. Aber wenn man die Zusammenhänge in Afrika heute verstehen will, kommt es darauf an,



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
bis zu den wirklichen Ursachen zu kommen, weil man sich, wenn man das nicht tut, leicht Täuschungen über die wahren Bewegungen in Afrika hingeben könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020000
Zusatzfrage.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID0810020100
Herr Staatsminister, darf ich fragen, ob sich die Bundesregierung über den Unterschied zwischen Terrorismus und politischem Widerstand klar ist, selbstverständlich in diesem Zusammenhang?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Antwort ist j a. Wenn Sie mich allerdings fragen würden, wohin ich Wilhelm Tell einzuordnen hätte, wäre meine Antwort schwer zu geben.

(Dr. Hoffacker [CDU/CSU] : Danach habe ich nicht gefragt, Herr Staatsminister!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020200
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die interne friedliche Lösung in Rhodesien, welche die bereits in Genf vorgetragenen amerikanischen Forderungen erfüllt, als Grundlage für eine friedliche Regelung der Rhodesien-Frage zu unterstützen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich komme zurück auf einen Punkt, den ich vorhin schon erwähnt hatte. Es ist leider nicht so, daß die interne Lösung die bereits in Genf vorgetragenen amerikanischen Forderungen voll erfüllt. Sonst hätte die amerikanische Regierung die interne Lösung nicht ausdrücklich als unzureichend bezeichnet. Die amerikanischen Vorstellungen über eine Lösung des Rhodesien-Konflikts entsprechen denen der britischen Regierung. Sie sind in den am 1. September 1977 veröffentlichten „Proposals for a settlement" nachzulesen. Ein besonders wichtiges Element dieser Vorschläge war stets die Forderung nach der Einbeziehung aller politisch relevanten Kräfte. Die britische Regierung hat bisher einen Vergleich des internen Abkommens mit den eigenen Vorschlägen stets öffentlich vermieden. Sie hat jedoch erklärt, daß die Voraussetzungen für eine Anerkennung jeder Lösung der zuzustimmenden Entscheidung des Volkes von Zimbabwe sein müsse, daß die notwendigen Verfassungsänderungen durchgeführt seien und daß der Prozeß zur tatsächlichen Unabhängigkeit und Mehrheitsherrschaft unwiderruflich sei.
In allen diesen Punkten bringt die interne Lösung bislang allenfalls leider nur Absichtserklärungen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020300
Sie haben zwei Zusatzfragen, bitte.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810020400
Herr Kollege von Dohnanyi, würden Sie sich bitte daran erinnern, was der damalige amerikanische Außenminister Kissinger in Genf als amerikanische Voraussetzungen bezeichnete, und damit eine andere Erinnerung verbinden, nämlich an die Äußerungen des britischen Außenministers Owen, daß nach den jetzt vorgenommenen internen Regelungen diese damals aufgestellten Bedingungen erfüllt seien.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Dr. Marx, die Maßstäbe, die wir heute anzulegen haben, sind die Maßstäbe, die — wenn sie danach fragen — von der britischen und amerikanischen Regierung in diesen gemeinsamen „Proposals for a settlement" formuliert sind. Ich will jetzt nicht etwas tun, was der britische Außenminister seinerseits nicht tut, nämlich eine öffentliche Gegenüberstellung von Einzelheiten vornehmen, sondern mich nochmals auf das beziehen, was ich Ihnen eben versucht habe darzulegen, daß es in einigen prinzipiellen Punkten bis heute Absichtserklärungen, aber keine Ansätze zur Realisierung gibt. Glauben Sie mir, die Bundesregierung ist intensiv darum bemüht, eine Lösung auch in Rhodesien zu unterstützen, die weiteres Blutvergießen, wo auch immer es geschehen mag, verhindern kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020500
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810020600
Danke, Herr Präsident. Ich würde gerne nochmals fragen, Herr Staatsminister, wenn Sie sagen, die Bundesregierung sei bemüht — was wir sehr gerne hören —: Ist sie nicht auch der Meinung, daß diese Bemühung einsetzen muß auf einen Versuch einer internen friedlichen Regelung hin, von der alle Kenner der Szene sagen, daß sie etwa 75 bis 80 % der heute in Rhodesien-Zimbabwe wohnenden Menschen umfaßt und von diesen getragen wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die wichtigsten politischen Kräfte in Rhodesien haben, wie Sie wissen, nicht alle der vorliegenden internen Lösung zugestimmt. Ich kann Ihnen auch nicht bestätigen, daß auf der Seite des Westens und derjenigen, die hier die wesentliche Verantwortung tragen, die Überzeugung herrscht, als könne man ohne Einbeziehung dieser Kräfte zu einer Lösung kommen. Es geht darum, man ringt darum, diese Kräfte ebenfalls einzubeziehen. Dazu wird es allerdings notwendig sein, über Absichtserklärungen hinaus zu einer stärkeren Konkretisierung in einzelnen Punkten zu kommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020700
Herr Abgeordneter Corterier, eine Zusatzfrage.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0810020800
Herr Staatsminister, würde sich die Bundesrepublik durch eine Unterstützung der internen Lösung in Zimbabwe nicht in einen für ihre Interessen äußerst schädlichen Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen, aber auch zu Verbündeten wie den Vereinigten Staaten und Großbritannien bringen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, im Prinzip vermutlich ja. Nur will ich zugleich hin-



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
zufügen: Wenn wir davon überzeugt wären, daß mit der Zustimmung zu einer bestimmten Lösung den Vorstellungen des Volkes von Zimbabwe und starker politischer Kräfte, die eben jetzt nicht alle zustimmen, entsprochen wäre, dann, glaube ich, würde die Bundesregierung auch den Mut haben, an der einen oder anderen Stelle einmal allein für eine solche Position einzutreten. Aber wir sind eben heute davon überzeugt, daß der Versuch der internen Lösung unzureichend ist. Herr Kollege Marx, ich versichere Sie nochmals: Uns scheiden in dem, was wir wollen, nicht Interessen, sondern uns scheiden vielleicht unterschiedliche Beurteilungen dessen, was unter den gegebenen Umständen — unter Einbeziehung der politischen Kräfte — möglich ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810020900
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei innerdeutschen Gesprächen darauf hinzuwirken, daß von der DDR" nicht weitere den Weltfrieden gefährdende Maßnahmen durch Ausbildung schwarzafrikanischer Terroristen der SWAPO, ZAPU und ZANU in Ausbildungslagern fortgesetzt sowie Lieferungen von Waffen und Munition an diese Terrororganisationen unternommen werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse über derartige Ausbildungen vor. Ebensowenig verfügt sie über präzise Angaben über Waffen- und Munitionslieferungen der DDR an diese Organisationen. Ich wiederhole mein Angebot, das, was möglicherweise an Hinweisen auf solche Tatbestände vorliegt, mit Ihnen im Ausschuß zu erörtern.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810021000
Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810021100
Herr Kollege von Dohnanyi, darf ich Sie, da die nächste Ausschußsitzung ja erst in der dritten Septemberwoche sein wird, bitten, bis dahin den energischen Versuch zu machen, „gesicherte Erkenntnisse" zu erhalten? Denn es gibt z. B. im amerikanischen Feld überall diese Vorgänge, die wir heute diskutieren, ausgiebig mit Zahlen ausgestattete Bulletins, von denen ich den Eindruck habe, daß sie den Vorteil haben, richtig zu sein.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Marx, wir werden uns selbstverständlich bemühen, die Informationen, die vorliegen, noch zu ergänzen. Aber ich wiederhole noch einmal: Es ging uns um gesicherte Erkenntnisse, es ging uns im Plenum dieses Hauses um Feststellungen, die wir auch wirklich belegen können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810021200
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0810021300
Sind Sie, Herr Staatsminister, wenn Sie über diese gesicherten Erkenntnisse verfügen — ich komme damit auf meine Frage zurück —, bereit, in den innerdeutschen Diskussionen — die Frage sollte eigentlich von einem anderen Ministerium beantwortet werden; es ist nicht meine Schuld, daß sie im Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen steht — dort darauf
hinzuwirken, daß diese Dinge nicht mehr vorkommen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wenn die Ergebnisse dafür sprechen, mit Verhandlungspartnern an entsprechender Stelle Gespräche auch über solche Fragen zu führen, dann wird die Bundesregierung - und Sie haben recht — in dem dann zuständigen Bereich der Bundesregierung darüber sicherlich Erwägungen anstellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810021400
Herr Abgeordneter Corterier, Zusatzfrage.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0810021500
Herr Staatsminister, sehen Sie nicht mit mir einen bemerkenswerten Gegensatz darin, daß die gleichen Leute, die von SWAPO, ZAPU und ZANU als von Terrororganisationen sprechen, zum blutigen Terror der südafrikanischen Regierung schweigen?

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Was wir übrigens nie getan haben, damit das klar ist! — Zuruf von der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU] : Auch nicht beschönigt!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810021600
Herr Kollege, ich bedaure, aber ich kann den unmittelbaren Zusammenhang mit der eingereichten Frage nicht sehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0810021700
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sehr wohl öffentliche, gesicherte Unterlagen hierfür gibt, etwa öffentliche Dankesbezeugungen von Ausgebildeten an das Ost-Berliner Regime für die erhaltene Ausbildung sowie die Verleihung von Medaillen — auch öffentlich in Zeitungen abgebildet — an ausgebildete Terroristen im südlichen Afrika durch die sogenannte Nationale Volksarmee Ost-Berlins?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe von Veröffentlichungen gelesen, die auch wieder dementiert worden sind. Ich will einer Veröffentlichung, wenn Sie mir einen klaren Hinweis auf eine solche geben können, speziell nachgehen.
Aber lassen Sie mich an der Stelle noch einmal zusammenfassen: Uns geht es darum, nur wirklich gesicherte Zahlen und Erkenntnisse vorzutragen. Deshalb ist natürlich auch eine Presserklärung als solche zunächst einmal zu überprüfen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810021800
Bitte, Frau Kollegin.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810021900
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, der Oppostion den Unterschied zwischen Terrorismus und Befreiungsbewegungen zu erklären?

(Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Wieder eine unzulässige Dreiecksfrage!)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022000
Frau
Kollegin, zu meinem Bedauern muß ich auch in diesem Fall feststellen, daß Dreiecksfragen nach ,der Geschäftsordnung in der Fragestunde nicht zulässig sind.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810022100
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung in den derzeit laufenden innerdeutschen Gesprächen, nach denen der Kollege Marx gefragt hat, auch die Tatsache angesprochen, daß sich ein hoher Offizier der Nationalen Volksarmee vor wenigen Tagen offizell — auch in Presseorganen der DDR — einer „Waffenbrüderschaft" mit Angola gerühmt hat, was ja ein deutlicher Hinweis auf die militärische Unterstützung durch die DDR ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kenne diese Äußerung. Man wird den von Ihnen nachgefragten Fakten zunächst nachzugehen haben. Der Ausdruck Brüderschaft wird allerdings oft in einem weiten Sinn verwendet. Ich möchte darauf jetzt keine Schlußfolgerungen stützen. Aber ich unterstreiche noch einmal: Wir sind bereit, darüber im zuständigen Ausschuß uneingeschränkt Auskunft ' zu geben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022200
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Berger.

Markus Berger (CDU):
Rede ID: ID0810022300
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß durch solche Maßnahmen der DDR oder auch anderer Stellvertreter in Afrika auf die Dauer auch die europäische Sicherheit gefährdet würde?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es ist kein Zweifel, daß das Übertragen der Ost-West-Gegensätze auf Afrika für die europäische Sicherheit, für die Sicherheit der Welt überhaupt gefährliche Elemente enthält. Insofern müssen wir dafür sorgen, daß in Afrika Unabhängigkeit und Selbständigkeit gefördert werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022400
Herr Kollege Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0810022500
Herr Staatsminister, stimmen Sie mit mir darin überein, daß, wenn afrikanische Freiheits- und Widerstandsbewegungen, die mit Mitteln arbeiten, die wir nicht immer billigen können, ständig schlichtweg als Terroristen bezeichnet werden, das eine gefährliche politische Aufwertung der wahren, der westdeutschen Terroristen zur Folge haben könnte?

(Beifall bei der SPD — Graf Huyn [CDU/ CSU]: Wer Zivilisten ermordet, ist ein Terrorist!)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Gansel, die Bundesregierung hat sich bei der Beantwortung von Fragen in diesem Hause nicht die Formulierung der Fragesteller zu eigen gemacht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022600
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Gansel auf:
Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch in ihren Antworten vom 14./15. Juni 1978 auf meine Anfragen betreffend OTRAG-Rakete und Panzerabwehrrakete Milan, daß bei einem Export von Teilen der Panzerabwehrrakete Milan nach Frankreich eine Kontrolle des Endverbleibs nicht möglich sei, daß aber beim Export von Raketenteilen für zivile Zwecke nach Zaire eine „klare Kontrolle" sichergestellt sei, und welche Konsequenzen sind für eine unzweideutige Regelung notwendig?
Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Zwischen den beiden Antworten, die Sie zitiert haben, besteht kein Widerspruch. Die Lieferung von Komponenten zur Herstellung der Panzerabwehrrakete Milan in Frankreich vollzieht sich im Rahmen der deutschfranzösischen Koproduktion von Rüstungsgütern. Wie die Bundesregierung in diesem Haus mehrfach erklärt hat — zuletzt bei der Beantwortung Ihrer Frage am 14./15. Juni dieses Jahres —, unterliegen Ausfuhren solcher Raketen aus Frankreich in andere Länder der alleinigen Verantwortung der französischen Regierung. Die Ausfuhr von Raketenteilen für das Vorhaben OTRAG aus der Bundesrepublik in dritte Länder fällt hingegen in die Verantwortung der Bundesregierung, die bei solchen für die Weltraumnutzung bestimmten Raketen die Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Weltraumvertrag und anderen internationalen Vereinbarungen sicherzustellen hat. Dieser Sachlage trägt die Bundesregierung bei der ausfuhrrechtlichen Behandlung von Raketen in dritte Länder Rechnung.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022700
Eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0810022800
Herr Staatsminister, wenn die Bundesregierung schon bei der Ausfuhr ziviler Raketenteile überprüfen will, inwieweit dadurch die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik gestört werden können, um wieviel eher müßte die Bundesregierung dann nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz auf einer solchen Prüfung bestehen, wenn es sich um Teile einer militärischen Rakete handelt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich unterstreiche noch einmal: in dem ersten Fall, von dem Sie sprechen, handelt es sich um einen Vorgang europäischer Koproduktion, in diesem Falle deutsch-französischer Koproduktion, der nach der Auffassung der Bundesregierung anders zu behandeln ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810022900
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0810023000
Herr Staatsminister, da die Ausfuhr der Raketen von Frankreich nach Syrien zumindest zu erheblichen Verstimmungen im Verhältnis zu Israel geführt hat, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung jetzt Überlegungen anstellt,



Gansel
wie sie den Endverbleib von Raketen kontrollieren kann, für die Teile aus der Bundesrepublik nach Frankreich geliefert werden.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung führt über diese Fragen selbstverständlich immer wieder im Rahmen ihrer Konsultationen Gespräche. Diese Gespräche haben auch das Ziel, diese Fragen zu klären. Nur möchte ich unterstreichen, daß wir hier einer Vereinbarung im Rahmen der Koproduktion unterliegen und daher für den Export selber nicht zuständig sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810023100
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Heide Simonis (SPD):
Rede ID: ID0810023200
Herr Staatsminister, erfolgt die Genehmigung bei Waffenexporten aus Gemeinschaftsproduktionen wie bei „Milan" formell, oder wird eine solche Prüfung materiell vorgenommen, und wie ist sie im Falle „Milan" verlaufen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich kann Ihnen über den Prüfungsvorgang in diesem Falle Einzelheiten nicht mitteilen. Ich komme nur zurück auf meine Antwort: es handelt sich insofern um einen anderen Vorgang, als es sich um einen Vorgang der Koproduktion mit einem europäischen Partnerland handelt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810023300
Ich rufe Frage 38 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Bewertet die Bundesregierung Proteste der Regierung Israels und der Regierungen afrikanischer Staaten gegen die Beteiligung deutscher Firmen an der Produktion von Raketen, die diese Regierungen als gegen die militärische Sicherheit ihrer Länder gerichtet sehen, als Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung prüft selbstverständlich Proteste gegen ihre Entscheidungen über genehmigungspflichtige Exportvorhaben deutscher Firmen auf ihren jeweiligen sachlichen Gehalt. Im Falle der französischen Koproduktion — um die es sich in dem einen Fall handelt — habe ich schon das Notwendige gesagt. Bei dem Projekt der Firma OTRAG handelt es sich um Raketen, die sich nach den bisher getroffenen Feststellungen noch in der Entwicklungsphase befinden, die auf Grund ihrer Konstruktionsmerkmale nicht für militärische Zwecke geeignet sind. Befürchtungen, daß dieses Vorhaben die militärische Sicherheit afrikanischer Staaten beeinträchtigen könne, sind daher völlig unbegründet.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810023400
Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0810023500
Herr Staatsminister, über welche Möglichkeiten verfügt die Bundesregierung, zu kontrollieren, ob die in Zaire von einem deutschen Unternehmen produzierte Rakete nicht doch zu militärischen Zwecken benutzt werden kann? Das kann ja technisch relativ einfach gemacht werden, indem die
zivile Nutzlast durch eine militärische ausgewechselt wird.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben selbstverständlich die uns vorliegenden Informationen über das OTRAG-Vorhaben aus dieser Perspektive geprüft. Es gibt in der Tat keinerlei Anlaß, anzunehmen, daß die für eine militärische Nutzung notwendigen Voraussetzungen, die ich im einzelnen nicht aufzählen möchte, auf das Vorhaben der OTRAG anwendbar sind. Im übrigen will ich mich hier sehr vorsichtig ausdrücken, wenn ich sage, was von OTRAG wirklich zu erwarten ist. Aber es gibt auch Berichte, die nicht nur von einem Fehlstart sprechen, sondern auch von dem Zustand der dortigen Startrampe usw. Wer diese Einsichten hat, braucht sich durch das Vorhaben nicht beängstigen zu lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810023600
Sie haben eine letzte Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0810023700
Herr Staatsminister, hat sich die Bundesregierung in dem seinerzeit mit einem VS-Charakter belegten Abkommen vom 31. August 1972 mit der französischen Regierung nicht ausdrücklich verpflichtet, innerdeutsches Recht zu wahren und bei dem Export von Teilen einer Koproduktion eine materielle Überprüfung vorzunehmen, inwieweit dadurch das friedliche Zusammenleben der Völker gestört werden könnte? Sind Sie gegebenenfalls bereit, mich schriftlich darüber zu informieren, wie diese Prüfung im Falle „Milan" vorgenommen worden ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Sie darüber schriftlich zu informieren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810023800
Die letzte Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810023900
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung meiner Anregung gefolgt, beim letzten Start einer Rakete durch OTRAG einen sachverständigen Mann der Botschaft dorthin zu schicken?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich muß ehrlich sagen, daß ich hier im Augenblick überfragt bin; ich kann das nicht sagen. Ich weiß nur, daß Presse dabei war und daß wir über eine Vielzahl von Informationen über den Zustand der sogenannten Startrampe dort verfügen. Ersparen Sie es mir, dazu Einzelheiten vorzutragen; auf jeden Fall braucht sich nach meiner Auffassung davor keiner zu fürchten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024000
Der Herr Abgeordnete Biehle hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Fragen 39 und 40 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Als letzte Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — vielleicht können wir da-



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
nach doch noch das eine oder das andere aus einem anderen Bereich behandeln — rufe ich Frage 41 des Herrn Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Welche Menschenrechte werden nach den Erkenntnissen der Bundesregierung von den Behörden der Republik Malta verletzt, und was hat die Bundesregierung in Gesprächen mit der an der KSZE-Schlußakte von Helsinki beteiligten Regierung von Malta unternommen oder wird sie unternehmen, um die Beendigung der menschenrechtsverletzenden Maßnahmen zu erreichen?
Bitte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, an die Bundesregierung sind entsprechende Vorgänge bisher nicht herangetragen worden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024100
Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810024200
Hat die Bundesregierung, da es sich bei Malta ja um einen Partner der KSZE-Vereinbarungen von Helsinki handelt, die in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen Vorgänge bei den letzten maltesischen Wahlen zum Anlaß genommen, sich eigene Kenntnisse darüber zu verschaffen, in welchem Umfange Menschenrechte verletzt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole meine Feststellung: An die Bundesregierung sind entsprechende Vorgänge nicht herangetragen worden. Die Bundesregierung betrachtet es auch nicht als ihre Aufgabe, die Wahlen in Partnerländern zu überwachen.

(Zustimmung bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024300
Sie haben eine letzte Zusatzfrage.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0810024400
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung auf Grund der Frage, die ich gestellt habe, die Berichte, die es gibt, überprüfen und dafür eintreten, daß künftig solche Verletzungen der Vereinbarungen von Helsinki unterbleiben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es gibt keine Anhaltspunkte für solche Verletzungen; also ist die Antwort: Nein.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024500
Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Herr Abgeordnete Dr. Steger und der Herr Abgeordnete Dr. Spöri haben um schriftliche Beantwortung der von ihnen eingereichten Fragen 81 bzw. 82 und 83 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Frage 84 ist von dem Herrn Abgeordneten Cronenberg eingereicht worden. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 85 der Abgeordneten Frau Erler auf:
Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um die Benachteiligung von ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen gegenüber anderen Rentnern durch die Bewertung von Ersatzzeiten, vor allem in Härtefällen, auszugleichen?

Hermann Buschfort (SPD):
Rede ID: ID0810024600
Frau Kollegin Erler, die von Ihnen angesprochene Bewertung der Ersatzzeiten von ehemaligen Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen war in der letzten Zeit mehrfach Gegenstand von Fragen an die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat in ihren Antworten darauf hingewiesen, daß die ehemaligen Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangenen durch die geltenden Vorschriften über die Bewertung der Ersatzzeiten grundsätzlich nicht benachteiligt werden. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß es sich bei der Bewertung der Ersatzzeiten um eine pauschale Regelung handelt. Das bedeutet, daß in Einzelfällen auch Ergebnisse eintreten können, die nicht alle Nachteile der Kriegsteilnehmer ausgleichen.
Mit Rücksicht auf die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage, Rechtsänderungen vorzuschlagen, die zu einem ins Gewicht fallenden Mehraufwand führen würden. Wegen der präjudiziellen Wirkung gilt dies leider auch für die Rechtsänderungen, die zu Leistungsverbesserungen für ehemalige Kriegsteilnehmer und Kriegsgefangene führen würden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024700
Eine Zusatzfrage.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810024800
Herr Staatssekretär, um welche Summe etwa würde es sich handeln, wenn man tatsächlich eine Gleichstellung von Kriegsteilnehmern und Spätheimkehrern mit solchen Arbeitnehmern, die die ganze Zeit über gearbeitet haben, vornähme?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich glaube nicht, daß es hierzu konkrete Zahlen gibt. Aber andeutungsweise darf ich sagen: es würde sich langfristig und unter dem Gesichtspunkt des Berufungsfalles für andere Personengruppen um ein ZigMilliarden-Programm handeln, wenn man hier eine Gleichstellung herbeiführen wollte, und da ist eine Finanzierung nicht denkbar.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810024900
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0810025000
Herr Staatssekretär, nachdem im Bericht der Bundesregierung von 1975 selbst von Härtefällen die Rede ist: Gibt es nicht eine Möglichkeit, wenigstens in Härtefällen einen Ausgleich zu schaffen?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir haben uns in der Vergangenheit ständig bemüht, strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Es gab auch einen Bericht über sogenannte Unzulänglichkeiten in der Rentenversicherung; von den damals rd. 130 konnten zwischenzeitlich etwa 70 Unzulänglichkeiten abgebaut werden. Fast mit jedem Rentenan-



Parl. Staatssekretär Buschfort
passungsgesetz sind Härtefälle ausgeräumt worden. Sie sehen daraus, daß wir ständig bemüht sind, die soziale Gerechtigkeit weiter auszubauen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810025100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaunich.

Horst Jaunich (SPD):
Rede ID: ID0810025200
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, im Einzelfall dennoch vorhandene außerordentliche Härten im Rahmen der Heimkehrerstiftung zu regeln?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jaunich, wir haben auch diese Frage mehrfach geprüft. Eine Zuwendung aus Mitteln der Rentenversicherung ist nur schwerlich denkbar. Prüfen werden wir gern, ob die vorhandenen Mittel bei der Heimkehrerstiftung sinnvoll eingesetzt werden könnten. Ich werde Ihnen zu gegebener Zeit über diesen Bereich eine Antwort zukommen lassen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810025300
Herr Abgeordneter Amrehn, wollten Sie dazu noch eine Zusatzfrage stellen? Ich habe nämlich noch drei Fragen, aber nur noch fünf Minuten. — Aber bitte.

Franz Amrehn (CDU):
Rede ID: ID0810025400
Erinnern Sie sich nicht, Herr Staatssekretär, daß in dem Bericht der Bundesregierung über die Benachteiligung von Kriegsteilnehmern die Änderung der Gesetzgebung gerade damit begründet worden ist, daß es nur Einzelfälle seien und sie nicht so sehr zu Buche schlagen würden?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Amrehn, natürlich gibt es hier eine Kategorie, das ist der Bereich der Einzelfälle. Aber Sie müssen wissen: Wenn Sie den Einzelbereich Kriegsteilnehmer regeln, dann müssen Sie auch andere Einzelbereiche regeln, z. B. den Personenkreis der NS-Verfolgten und ähnliche Gruppierungen. Hier ist es also zur Zeit aus finanziellen Gründen nicht möglich, Veränderungen herbeizuführen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810025500
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz auf:
Warum wurde in den letzten Jahren das Selbstverwaltungsrecht in der Sozialversicherung durch Vereinheitlichung im Vertrags-, Leistungs- und Beitragsrecht immer stärker eingeschränkt, wo doch gerade die Selbstverwaltung das tragende Prinzip einer demokratischen Staatsordnung ist, und gedenkt die Bundesregierung, auch künftig diesen Weg fortzusetzen durch Einengung der Freiräume bei der Gestaltung oder Infragestellung der gegliederten Krankenversicherung über weitere Vereinheitlichung und durch die Ausdehnung der staatlichen Kontrolle, um so schließlich die Voraussetzungen zu schaffen für eine Einheitsversorgung?
Herr Kollege Nordlohne, ich hoffe, daß Sie auch Ihre Frage nachher noch beantwortet bekommen.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, die in Ihrer Frage zum Ausdruck kommende Auffassung, der Gesetzgeber habe in den letzten Jahren die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung eingeschränkt, wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Die Selbstverwaltung der Krankenversicherungsträger hat vielmehr durch das Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz und das Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz neue
Aufgaben erhalten, womit ihr neues Gewicht gegeben worden ist. Hierauf hat die Bundesregierung bereits in ihrer schriftlichen Antwort auf Ihre Frage zur Fragestunde am 25./26. Januar 1978 hingewiesen. Es besteht von seiten der Bundesregierung auch nicht die Absicht, im Deutschen Bundestag Einschränkungen der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung vorzuschlagen.
Hinweisen möchte ich auf den Bericht zu Fragen der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung vom 3. November 1975, Bundestagsdrucksache 7/4244. Die Bundesregierung hat sich hierin gegenüber dem Deutschen Bundestag zu den Aufgaben der Selbstverwaltung und dem in den letzten Jahren eingetretenen Funktionswandel ausführlich geäußert.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0810025600
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, im Deutschen Bundestag noch einmal eindeutig zum Ausdruck zu bringen, daß sie am bewährten Prinzip der gegliederten Krankenversicherung auch künftig festhalten wird und daß sie nicht durch weitere Vereinheitlichungsmaßnahmen diese gegliederte Krankenversicherung in Frage stellt?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das gegliederte System haben wir nie in Frage gestellt. Wenn Sie sagen, daß eine Vereinheitlichung völlig ausgeschlossen werden muß, so kann ich dem nicht folgen; denn Sie wissen, daß es geradezu Aufgabe des Gesetzgebers ist, z. B. soziale Belastungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auszugleichen, um hier ein wenig mehr Gerechtigkeit herbeizuführen. Von daher wird es wohl auch zukünftig so sein, daß man sozial gerechtere Lösungen herbeiführen muß. In diesem Sinne kann man auch in einem gewissen Umfang eine Nivellierung hinnehmen.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0810025700
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, Zwangsinstitutionen für die Kooperation von an der Gesundheitsvorsorge beteiligten Kräften und Einrichtungen zu schaffen und, wenn ja, besteht nicht die Gefahr der Überbürokratisierung und Verteuerung der bisher reibungslos ablaufenden Zusammenarbeit?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Frage ist für mich insofern etwas überraschend, weil sie wohl nicht mehr im Zusammenhang mit der Frage 86 steht. Ich will aber gerne überprüfen lassen, ob es dazu im Hause Überlegungen gibt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810025800
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Nordlohne als letzte Frage auf:
Was hat den Bundesarbeitsminister Dr. Ehrenberg in seiner Rede im Deutschen Bundestag am 8. Juni 1978 veranlaßt, der CDU/CSU eine Täuschung der Rentner vorzuwerfen, wenn von ihr nachgewiesen wird, daß entgegen dem bisherigen Rentenrecht durch die Abschaffung der Bruttolohnformel bis zum Jahr 1982 eine Kürzung der Renten von insgesamt 9 v. H. eintritt?
Herr Staatssekretär.



Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nordlohne, der Bundesminister Dr. Ehrenberg hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 8. Juni 1978 auf Presseberichte insbesondere im „Münchner Merkur" Bezug genommen. Hierin waren Erklärungen des Kollegen Müller (Berlin) dargestellt. Sie trugen die Überschrift „Renten um 9 % niedriger" . Erklärungen und Berichte dieser Art sind geeignet, bei einem großen Teil der Rentner die unrichtige Vorstellung hervorzurufen, als würden die Renten im Jahre 1981 niedriger als heute sein. Richtig ist aber, daß sich auf Grund der Regelung des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes bis 1981 tatsächlich ein Anstieg der Renten um 13 % ergeben wird.
Soweit dieser unrichtige Eindruck hervorgerufen wurde, ist der Leser einer Täuschung erlegen. Natürlich ist es richtig und von der Bundesregierung auch niemals verschwiegen worden, daß die Renten durch die Maßnahmen des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes geringer ansteigen werden, als dies ohne diese Maßnahmen der Fall wäre. Sonst ergäbe sich nicht der beabsichtigte Konsolidierungseffekt.
Auch bei Annahme der CDU/CSU-Vorschläge, die im Bundestag und im Bundesrat gemacht worden sind, würde sich der reale Einkommenszuwachs gegenüber dem Zustand, der sich bei Fortsetzung des bisherigen Anpassungsverfahrens auch in den Jahren 1979 bis 1981 ergeben würde, verringern. Die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages hat ihre Vorschläge allerdings nicht quantifiziert. Wenn man dies tut — die Bundesregierung hat sich dieser Mühe unterzogen — und dabei bestimmte Annahmen macht, die zur Erzielung des erforderlichen Konsolidierungseffektes gesetzt werden müssen, kommt man bei der großen Mehrzahl der Rentner zu einer stärkeren Belastung als nach den Vorschlägen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810025900
Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Nordlohne auf:
Hat der Bundesarbeitsminister Dr. Ehrenberg bei seinen wiederholten Einlassungen im Deutschen Bundestag, die durchschnittlichen Nettolöhne und Gehälter seien von 1968 bis 1978 um 98 v. H., die Renten jedoch um 124 v. H. gestiegen, bewußt verschwiegen, daß die ungünstigere Nettolohnentwicklung in dieser Zeit u. a. auf die erhöhte Steuer- und Sozialabgabenverpflichtung zurückzuführen ist, und, wenn ja, weshalb?
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Auf Ihre zweite Frage antworte ich folgendes. Für die Bundesregierung ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Entwicklung der Nettoarbeitsentgelte von der Entwicklung der Belastungsquote bei den Einkommen der Arbeitenden beeinflußt wird. Diese Belastungsquote wird zum einen durch die Tatsache bestimmt, daß immer mehr Arbeitnehmer in die Progressionszone der Lohn- und Einkommensteuer gelangen. Zum anderen wirkt hier aber auch der Anstieg der Beiträge zur Sozialversicherung in den zurückliegenden Jahren. Diese Beitragsentwicklung wird zu einem sehr erheblichen Teil auch durch die demographischen Gegebenheiten bestimmt. Dieser Ge-
sichtspunkt dürfte in Zukunft eher noch an Bedeutung gewinnen.
Hierzu bringe ich ein meines Erachtens signifikantes Beispiel. Während im Jahre 1959 auf 100 Beschäftigte, Arbeiter und Angestellte, 36,3 Rentner kamen, beträgt diese sogenannte Rentenquote im Jahre 1978 61,2 °/o. Auf die Entwicklung der Beitragssätze in der Sozialversicherung hat die Bundesregierung in der Begründung des Entwurfs des 21. Rentenanpassungsgesetzes ausdrücklich hingewiesen.
Daß die Bundesregierung die Entwicklung der Belastungsquote ernst nimmt, wird zunächst einmal in der Gesamtkonzeption zum 21. Rentenanpassungsgesetz deutlich; denn schließlich war die Entwicklung der Belastungsquote bei den Einkommen der Arbeitenden in den zurückliegenden Jahren auch dafür mitentscheidend, daß die Bundesregierung im Rahmen ihres Programms zur Konsolidierung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung eine — zudem noch maßvolle — Beitragssatzerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung erst vom Jahre 1981 an vorgeschlagen hat.
Auch eine Reihe von Maßnahmen in der letzten Zeit haben sich positiv auf die Entwicklung der Belastungsquote ausgewirkt. Ich weise in diesem Zusammenhang auf das erfolgreiche Kostendämpfungsprogramm im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hin. Sie stimmen sicherlich mit mir darin überein, daß es sich auf die Beitragssatzgestaltung stabilisierend ausgewirkt hat. Angekündigte Beitragssatzanhebungen wurden zum großen Teil nicht verwirklicht. Teilweise ist es sogar zu Beitragssenkungen gekommen. In diesem Zusammenhang ist auch das Steuerentlastungsprogramm zu nennen, das Anfang dieses Jahres wirksam geworden ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810026000
Herr Kollege Nordlohne, vielleicht können Sie Ihre Fragen in einer Zusatzfrage zusammenfassen, da wir, wie Sie wissen, am Ende der Fragestunde sind.

Franz-Josef Nordlohne (CDU):
Rede ID: ID0810026100
Ich bin Ihnen für die Möglichkeit einer Zusatzfrage sehr dankbar, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, da der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung diese vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger errechnete Verringerung der Rentenanpassung um 9 % hier im Plenum ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen hat, frage ich Sie, wie diese Tatsache in Übereinstimmung mit .den ständigen öffentlichen Äußerungen zu bringen ist, die Renten blieben unangetastet und würden nicht gekürzt.
Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, keine Rente wird gekürzt. Ich darf noch einmal wiederholen, daß die Renten in der Zeit bis 1981 um 13 % steigen. Aber, Herr Kollege Nordlohne, ich darf darüber hinaus hinzufügen: Diese Debatte ist hier im Bundestag geführt worden. Wenn das so eine wichtige Frage gewesen ist, dann frage ich Sie jetzt einmal, warum Sie diese Frage dem Minister hier im Bundestag nicht gestellt haben.




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810026200
Herr Kollege, auch Sie dürfen keine Fragen an das Plenum stellen.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär.
Die Fragen 127 und 128 sind nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.
Die übrigen nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Dritten Berichts zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung
— Drucksache 8/1185 —Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit (19. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Verbesserung der Information über Entwicklungsprojekte durch die Bundesregierung
— Drucksachen 8/696, 8/1865 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Hüsch Abgeordneter Bindig
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß
Ich frage zunächst die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung der Berichte gewünscht wird. Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern für die vorgelegten Berichte.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Todenhöfer das Wort.

Dr. Jürgen Todenhöfer (CDU):
Rede ID: ID0810026300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung leistet wegen seiner Allgemeinheit und Unverbindlichkeit leider keinen echten Beitrag zur Lösung der Probleme des Nord-Süd-Verhältnisses. Ich will das an drei Fragenbereichen aufzeigen.
Erstens. Wo ist eine klare Antwort der Bundesregierung auf die immer häufiger zu hörende Frage, die Entwicklungspolitik habe versagt, weil sie die Kluft zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern nicht schließen konnte? Die Antwort hierauf setzt voraus, daß wir uns endlich einmal verständigen darüber, was wir unter „Entwicklung" überhaupt verstehen, und darüber, was Entwicklungspolitik überhaupt leisten kann und leisten soll.
Wenn die SPD davon spricht, die Entwicklung der Dritten Welt sei die große soziale Frage unserer Zeit, dann muß dringend vor einer zu engen ökonomisch-sozialen Betrachtungsweise gewarnt werden. Die Probleme der Entwicklung lassen sich nicht allein mit sozialen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen lösen. Entwicklung ist ein viel zu umfassender Prozeß, ,der tiefgehende politische, gesellschaftliche, institutionelle und kulturelle Veränderungen einschließt.
Der Entwicklungsstand, den die westlichen Industrieländer erreicht haben, hat nicht nur etwas mit Entwicklung von Wissenschaft und Technik zu tun, mit sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt, sondern auch ganz wesentlich mit Leistungswillen, mit Arbeitsdisziplin, mit Gemeinsinn und mit gemeinsamen Grundwerten. Die westliche Kultur hat sich darüber hinaus erst im Verlaufe von Jahrhunderten herausgebildet. Auch wenn man nicht die Auffassung vertritt, daß die Entwicklungsländer denselben langen Entwicklungsweg gehen müssen wie wir, so wäre es doch ein folgenschwerer Irrtum, zu glauben, daß sie einen entsprechenden Entwicklungsstand in zehn oder zwanzig Jahren erreichen könnten.
Es kann daher nicht darum gehen, die viel zitierte Kluft zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern auch nur mittelfristig schließen zu wollen. Die Entwicklungspolitik kann diese Kluft nur abschwächen; sie kann lediglich stärkere Chancen zur Entwicklung geben — einer Entwicklung, deren Ziel und Qualität die Entwicklungsländer darüber hinaus selbst bestimmen müssen.
Wenn wir im Nord-Süd-Verhältnis von der großen sozialen Frage sprechen, dann müssen wir ferner deutlich machen, daß internationale soziale Gerechtigkeit nicht internationale Gleichheit bedeuten kann. Es wäre nicht nur eine unrealistische, sondern auch eine arrogante Politik, wenn unser Ziel darin bestünde, die unterschiedlichen geschichtlichen, kulturellen und ressourcenmäßigen Ausgangspositionen der verschiedenen Länder dieser Welt langfristig einebnen zu wollen. Wenn wir in der Entwicklungspolitik von internationaler Solidarität und Gerechtigkeit sprechen, sollten wir bescheidener sein. Wir sollten uns darauf konzentrieren, Mindestvoraussetzungen für die Erhaltung der Menschenwürde der ärmsten Bevölkerungsschichten in der Dritten und Vierten Welt zu schaffen.
Wir fordern daher einen verstärkten Einsatz der sogenannten Grundbedürfnisstrategie. Dieser Einsatz ist für die CDU/CSU zu einem deshalb wichtig, weil unser Verständnis von internationaler Solidarität es verlangt, dazu beizutragen, einen Mindeststandard an menschenwürdigem Dasein auch in der Dritten und Vierten Welt zu verwirklichen. Ein verstärkter Einsatz dieser Strategie wird von uns jedoch auch aus politischen Gründen gefordert, weil die Befriedigung von elementaren. Grundbedürfnissen die Voraussetzung einer friedlichen, wirtschaftlichen und sozialen Evolution ist und damit die Voraussetzung politischer Stabilität in den Entwicklungsländern, die auch in unserem Interesse liegt.
Die Grundbedürfnisstrategie, die wir meinen, hat allerdings nichts mit sogenannten rationalen Konsumtionsbudgets sozialistischer Entwicklungstheoretiker zu tun, wonach der Konsum nach angeblich wissenschaftlichen Standards quantitativ und qualitativ festgelegt wird. Gleichmacherische Reglementierungen der Bedürfnisse und die planwirtschaftliche Festlegung eines Warenkorbs für den



Dr. Todenhöfer
Endverbraucher sind mit unserem Verständnis von Freiheit und Menschenwürde nicht vereinbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um es ganz klar und unmißverständlich zu sagen: Gesellschafts- und Herrschaftsformen, in denen zwar bestimmte Minimalbedürfnisse im Bereich von Gesundheit, Ernährung und Wohnung verwirklicht werden, in denen dem einzelnen jedoch grundlegende Freiheits- und Entfaltungsrechte versagt werden, sind nicht das Ziel unserer Entwicklungspolitik und werden es niemals sein.
Wir sind ferner der Auffassung, daß auch die Grundbedürfnisstrategie Hilfe zur Selbsthilfe sein muß. Unsere Aufgabe kann es nicht sein, in den Entwicklungsländern ein Sozialsystem aufzubauen, das auf Dauer von außen finanziert wird oder das später in unerträglicher Weise die Haushalte der Entwicklungsländer belastet.
Unser Ziel muß vielmehr sein, zur Befriedigung der lebensnotwendigen Grundbedürfnisse mitzuhelfen, insbesondere jedoch zur Nahrungsmittelversorgung in den besonders armen Regionen der Entwicklungsländer regionale Wirtschaftskreisläufe in Gang zu setzen, die sich so weit wie möglich selbst tragen. Hierzu müssen verstärkt Selbsthilfeorganisationen begründet und gefördert werden. Ihre schwierige Aufgabe wird es sein, gerade für ungelernte und wenig ausgebildete Arbeitskräfte neue Arbeitsplätze zu schaffen und dennoch insgesamt die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Das ist der einzige Weg, um im Bereich der Grundbedürfnisse die Gesamtproduktion und gleichzeitig für die ärmsten Bevölkerungsschichten die nötige Kaufkraft zu schaffen.
Ich weiß, daß dies Kärrnerarbeit für das zuständige Ministerium und seine Durchführungsorganisation bedeutet, weil hierzu zahlreiche kleinere Projekte und eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Regierungsstellen Und der Bevölkerung des betreffenden Landes erforderlich sind. Eine solche Politik ist jedoch realistischer und wirksamer als eine an Prestigeerfolgen orientierte Politik der Großprojekte.
Herr Minister Offergeld, ich mache mir nicht den Vorwurf zu eigen, daß unsere Entwicklungspolitik bisher völlig nutzlos und unwirksam gewesen sei — obwohl ihre Wirksamkeit natürlich noch ganz erheblich gesteigert werden könnte. Sie selbst, Herr Minister, haben in der letzten Zeit immer wieder von der Notwendigkeit einer Verbesserung der Wirksamkeit unserer Entwicklungshilfe gesprochen. Dem stimmen wir voll zu.
Ihre Behauptung allerdings, daß im organisatorischen Bereich keine wesentlichen Verbesserungen der Wirksamkeit mehr möglich seien, ist schlicht unverständlich. Die Strukturmängel und der administrative Schlendrian beim Deutschen Entwicklungsdienst, die harte Kritik des Bundesrechnungshofs an der Durchführungsorganisation für technische Hilfe, der GTZ, zeigen doch drastisch, daß nach wie vor schwerwiegende organisatorische Mängel innerhalb der deutschen Entwicklungshilfe bestehen. Diese organisatorischen Mängel müssen Sie beseitigen, Herr Minister Offergeld.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir unsere Entwicklungspolitik wirksamer gestalten wollen, müssen wir auch stärker mit den Entwicklungsländern ins Gespräch über ihre Entwicklungsziele und über ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik kommen. Wir werden in Zukunft ähnlich wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds nicht darauf verzichten können, bei der Vergabe von Hilfe stärkere Auflagen zu machen.
Es ist in diesem Zusammenhang einmal aufschlußreich, die Bedingungen aufzuführen, die der Internationale Währungsfonds bei seinem letzten Großkredit an Sambia aufgestellt hat: Der Fonds forderte u. a. die Beschneidung der Verteidigungsausgaben, die Beschränkung von Subventionen für Staatsbetriebe, die Rationalisierung des unproduktiven Parteien- und Regierungsapparats, die Verabschiedung von Rahmenrichtlinien für eine strengere Haushaltskontrolle und schließlich die Zustimmung Sambias, einem ausländischen Sachverständigenrat weitgehende Beratungsmöglichkeiten gegenüber der einheimischen Wirtschaft einzuräumen. Manchem mögen diese Auflagen als Einmischung erscheinen. In Wirklichkeit sind sie jedoch eine entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Hilfe von außen; sie liegen daher gerade im Interesse der Entwicklungsländer.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU) Das gilt nicht nur für Sambia oder Zaire.

Meine Damen und Herren, der entscheidende Mangel der Entwicklungspolitik dieser Bundesregierung liegt nach unserer Auffassung jedoch darin, daß die Bundesregierung der deutschen Entwicklungspolitik bis heute keine klaren und vor allem umsetzbaren Ziele und Prioritäten gesetzt hat, daß sie bis heute im Grunde nicht weiß, was sie in den Entwicklungsländern wirklich vorrangig will.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

Der entwicklungspolitische Bericht stimmt uns nicht allzu optimistisch, daß sich das in Zukunft ändern wird.
Zweitens! Wo enthält der entwicklungspolitische Bericht eine klare Antwort der Bundesregierung auf die Behauptung, wir brauchten eine Neue Weltwirtschaftsordnung, weil die freie Weltwirtschaftsordnung versagt habe?
In unserem Lande hat die Diskussion um die Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung in den letzten Monaten einen kuriosen Verlauf genommen. Als die CDU/CSU in den vergangenen Jahren immer wieder vor planwirtschaftlichen, dirigistischen Regelungen warnte, als sie die defensive Haltung der Industrieländer und auch der Bundesrepublik Deutschland kritisierte, als sie eigene marktwirtschaftliche Lösungsvorschläge vorlegte, wurde unsere Kritik von der Koalition als ideologisch und unberechtigt zurückgewiesen.



Dr. Todenhöfer
Nun hat am 11. April 1978 Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff vor der Friedrich-NaumannStiftung verkündet — ich zitiere —:
Die westlichen Industrieländer haben (in der Auseinandersetzung um die Weltwirtschaftsordnung) bisher leider viel zu sehr aus der Defensive argumentiert. Wesentlich erscheint mir deshalb, daß wir künftig überzeugender
— und das sagt Graf Lambsdorff und nicht etwa ich —und offensiver unsere marktwirtschaftlichen Alternativen vortragen.
Ähnliche Stellungnahmen gibt es inzwischen auch von Bundeskanzler Schmidt.
Meine Damen und Herren von der Koalition, wegen derartiger Äußerungen sind wir von Ihnen jahrelang diffamiert und angegriffen worden.
Zu diesen Äußerungen Schmidts und Lambsdorffs gibt es natürlich innerhalb der Koalition ein Kontrastprogramm, für dessen — um es einmal vorsichtig zu sagen — antiliberale Ausgestaltung vor allem der Vorsitzende der deutschen Liberalen, Außenminister Genscher, sowie der SPD-Parteivorsitzende, Willy Brandt, eintreten. Insbesondere Willy Brandt läßt fast keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, daß marktwirtschaftliche Modelle in der Dritten Welt nicht funktionsfähig seien, daß der sogenannte Kapitalismus versagt habe und daß die Probleme der Weltwirtschaftsordnung nur durch sozialistische Lösungen beseitigt werden könnten.
Was gilt nun eigentlich, Herr Minister Offergeld? Gilt das, was Schmidt und Lambsdorff sagen, oder gilt das, was Brandt und Genscher sagen?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt denn der Herr Minister dazu?)

Hier müssen Sie klarer als bisher Position beziehen.
Es war kein guter Auftakt, Herr Minister Offergeld, daß Sie zu der Forderung des Wirtschaftsministers nach einer marktwirtschaftlichen Offensive des Westens erklärten, „daß Sie überhaupt nichts von ideologischen Schaukämpfen halten".
Meine Damen und Herren, wer Ordnungspolitik mit Ideologie verwechselt, hat nicht nur die Lehren der deutschen Wirtschaftsgeschichte nicht verstanden, sondern scheint auch nicht in der Lage zu sein, wesentliche deutsche Interessen im Nord-Süd-Dialog gegenüber den Entwicklungsländern zu vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir fordern daher die Bundesregierung auf, aus der selbstkritischen Äußerung des Bundeswirtschaftsministers endlich Konsequenzen zu ziehen und konstruktive marktwirtschaftliche Initiativen zu ergreifen. Hier gibt es ein weites Feld von Betätigungsmöglichkeiten. Ich nenne nur die schrittweise Liberalisierung des Welthandels, die verstärkte Förderung von Privatinvestitionen, ein internationales Verbot von Exportkartellen, eine Erhöhung der Transparenz der grenzüberschreitenden Aktivitäten der multinationalen Unternehmen, gezielte Maßnahmen der Handelsförderung zugunsten der Entwicklungsländer sowie ein weltweit wirksames marktkonformes Exporterlösstabilisierungsmodell.
Wir sollten uns allerdings bei all diesen Maßnahmen darüber im klaren sein, und wir sollten es auch ganz offen sagen, daß mit einer solchen Verbesserung der Weltwirtschaftsordnung keine Einkommensumverteilung erreicht werden kann, sondern lediglich eine Verbesserung der Markt- und Entwicklungschancen der Entwicklungsländer. Eine verstärkte „Einkommensumverteilung" kann und darf nur über die Entwicklungshilfe erfolgen.
Drittens. Die dritte Herausforderung, vor der wir und ganz besonders Sie, Herr Minister Offergeld, stehen, liegt in der Frage nach dem heutigen Stellenwert der deutschen Entwicklungspolitik innerhalb unserer Gesamtpolitik gegenüber der Dritten Welt — einer Gesamtpolitik, die zunehmend durch Fragen der sowjetischen Expansionspolitik in der Dritten Welt, durch Fragen der nuklearen Nichtverbreitungspolitik, der Abrüstungspolitik, des Seerechts, des GATT, der Neuen Weltwirtschaftsordnung usw. bestimmt wird. Auch hier gibt der entwickungspolitische Bericht der Bundesregierung keine klaren richtungweisenden Antworten.
Nach Auffassung der CDU/CSU muß die Entwicklungspolitik in Zukunft stärker in unsere auswärtige Gesamtpolitik eingeordnet werden. Einordnung bedeutet allerdings nicht Unterordnung. Die spezifische und eigenständige Rolle und der Beitrag der Entwicklungspolitik muß auch in Zukunft darin bestehen, einen Beitrag zur Entwicklung der Dritten Welt zu leisten. Aber die Einordnung der Entwicklungspolitik in unsere auswärtige Politik verlangt, daß bei der Vergabe von Entwicklungshilfe auch die lebenswichtigen außen- und sicherheitspolitischen Interessen unseres Landes berücksichtigt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, der Stellenwert der Entwicklungspolitik muß dadurch nicht geringer werden. Im Gegenteil, eine richtige Einordnung der Entwicklungspolitik in die auswärtige Gesamtpolitik ist die einzige Möglichkeit, ihr die breite Anerkennung zu sichern, die sie verdient und die ihr bisher versagt blieb. Wir fordern daher für die Entwicklungspolitik eine doppelte Schwerpunktsetzung:
1. die besondere Förderung der ärmsten Entwicklungsländer und der ärmsten Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern;
2. eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern, deren außenpolitische Ziele und Interessen sich mit den unseren decken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies entspricht im übrigen auch den Empfehlungen des Londoner Instituts für strategische Studien, das in seiner jüngsten Jahresübersicht dem Westen empfohlen hat, seine Wirtschaftshilfe verstärkt für jene Länder einzusetzen, die sich dem sowjetischen Einfluß widersetzen.
Das bedeutet dann allerdings auch, daß mit bestimmten Ländern und Gruppen nur in Ausnahme-



Dr. Todenhöfer
fällen — ich betone: nur in Ausnahmefällen — eine echte partnerschaftliche Zusammenarbeit möglich ist. Das gilt insbesondere für Entwicklungsländer, die sich in die offensive sowjetische Globalstrategie in der Dritten Welt einordnen.
Die Haltung der Bundesregierung zu dieser Problematik ist mehr als fragwürdig. Insbesondere der Bundesaußenminister hat sich den Sprachgebrauch angewöhnt, man solle oder dürfe den Ost-West-Konflikt nicht auf Afrika oder die Dritte Welt übertragen. Fred Luchsinger hat in der „Neuen Zürcher Zeitung" vom 21. Mai geschrieben:
Man kann in bezug auf das Verhältnis Afrikas zur globalen politischen Konstellation verschiedene Diagnosen und Prognosen vertreten — nur die eine nicht: Daß der schwarze Kontinent sich außerhalb und abseits der weltweiten Auseinandersetzungen der Mächte halte oder halten könne.
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, den Ost-West-Konflikt auf die Dritte Welt zu übertragen. Die Sowjetunion hat die Dritte Welt längst in den Ost-West-Konflikt hineingezogen.

(Zustimung bei der CDU/CSU)

Es geht vielmehr darum, endlich den Realitäten des Ost-West-Konflikts in der Dritten Welt Rechnung zu tragen und der imperialistischen Politik der Sowjetunion und ihrer Verbündeten entschlossener als bisher entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesregierung macht es sich zu leicht, wenn sie in diesen Fragen einfach „den Kopf in den Sand steckt".
Herr Minister Offergeld, Sie haben Ihr Amt zugegebenermaßen zu einem schwierigen Zeitpunkt übernommen. Wir sind deshalb bereit, Sie im Interesses unseres Landes überall dort zu schützen, wo Sie eine vernünftige und realistische Politik betreiben, die auf der einen Seite der Entwicklung der Dritten Welt, auf der anderen Seite aber auch der Zukunft unseres Landes dient. Das setzt allerdings voraus, daß Sie erstens die schwerwiegenden organisatorischen Mängel der deutschen Entwicklungshilfe beseitigen, zweitens einer sozialistischen Weltwirtschaftsordnung eine klare und unmißverständliche Absage erteilen und drittens die sowjetische Expansionspolitik in der Dritten Welt nicht länger durch deutsche Entwicklungshilfe an die Helfershelfer dieser Politik unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Offergeld, Sie haben eine Chance. Ob Sie diese Chance wahrnehmen, hängt allein von Ihnen ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810026400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schluckebier.

Günter Schluckebier (SPD):
Rede ID: ID0810026500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die entwicklungspolitischen Berichte der Bundesregierung erhält das Parlament einen hohen Informationsstand über die Aktivitäten unseres Landes in der Dritten Welt. Sie ermöglichen es uns zu beurteilen, in welchem Maße die entwicklungspolitische Konzeption der Bundesregierung realisiert wird und welche anderen als entwicklungspolitische Kriterien bei unserer Zusammenarbeit mit den Ländern der Dritten Welt eine Rolle spielen.
Auch die Vorlage des Dritten Berichts der Bundesregierung zur Entwicklungspolitik gibt dem Parlament die Möglichkeit, durch diese Debatte seine Mitverantwortung und seine Mitgestaltungsrechte in dem zunehmend wichtiger werdenden politischen Bereich der Nord-Süd-Politik wahrzunehmen. Der Bericht, so glaube ich, bietet einen guten Überblick über alle unsere Aktivitäten im engeren und weiteren entwicklungspolitischen Bereich auf bilateraler und multilateraler Ebene, der durch einen wertvollen, umfangreichen statistischen Anhang materiell untermauert wird. Dieser Überblick deckt in der Tat eine eindrucksvolle Leistungsbilanz für den Zeitraum auf, den dieser Bericht abdeckt.
Der Haushalt war im Berichtszeitraum zwar starken Schwankungen — von 4,1, 3,5 und 3,9 Milliarden DM — unterworfen, stieg aber allein im letzten Jahr um 23 °/o. Diese Entwicklung ist zwar, insgesamt gesehen, für uns nicht ganz befriedigend, macht aber deutlich, daß Parlament und Regierung in enger Zusammenarbeit in der letzten Zeit ihre Entschlossenheit gezeigt haben, auf diesem Gebiet künftig mehr zu tun.
Die Schwankungen des Haushalts sind zum Teil aber auch darauf zurückzuführen, daß 1976 erstmals ein Teil der Leistungen an die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) sowie zwei der drei regionalen Entwicklungsbanken nicht mehr in bar ausgezahlt wurden, sondern in Form von Schuldscheinen, und zwar im Werte von 538 Millionen DM.
Die Verpflichtungsermächtigungen, der eigentliche Kernpunkt des Haushalts des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, sind dagegen in beachtlichem Ausmaß gestiegen. Sie betragen 1978 5,3 Milliarden DM, was, gemessen an der Zahl von 1975, nämlich 3,6 Milliarden DM, ein erheblicher Fortschritt ist. Damit, so meinen wir, hat die Bundesregierung genügend Raum, um Vereinbarungen mit den Regierungen der Entwicklungsländer über konkrete Vorhaben zu treffen.
Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen auf regionaler und weltweiter Ebene hat in unserer Entwicklungspolitik stets eine überragende Rolle gespielt. Ihr Anteil an unseren gesamten Ausgaben lag stets bei 30 °/u. Dies ist eine logische Folgerung aus der zunehmenden Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die internationale Politik. Die Europäische Gemeinschaft ist inzwischen ein beachtlicher Faktor im internationalen entwicklungspolitischen Bereich geworden, und der Anteil der Bundesrepublik an ihren Leistungen wird von keinem anderen Mitgliedstaat übertroffen. Die Weltbank und ihre Tochterorganisation, die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), sind für uns ebenso wie für die Dritte Welt ein wichtiges Instrument in der Nord-Süd-Politik, und die regiona-



Schluckebier
len Entwicklungsbanken stoßen auf unser großes Interesse, weil sie der offensichtliche Ausdruck des Willens der Staaten in der Dritten Welt sind, sich selbst durch enge Zusammenarbeit untereinander zu helfen.
Private Investitionen in Entwicklungsländern sind in den vergangenen zwei Jahren überproportional gestiegen; hier wirkt sich, glauben wir, die Verbesserung des Förderinstrumentariums für diese Zwecke aus: Das 1974 novellierte Entwicklungsländersteuergesetz ebenso wie die Förderung solcher Aktivitäten aus Mitteln des ERP-Sondervermögens, insbesondere aber die Deutsche Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit (DEG), deren Kapital im Berichtszeitraum von 420 Millionen DM auf 700 Millionen DM gesteigert wurde. Ich darf sagen, daß auch 1978 noch 300 Millionen DM dazugekommen sind, 150 Millionen DM davon für Investitionsförderungen in den drei beitrittswilligen südeuropäischen Ländern.
Erwähnung verdient auch die erhebliche Steigerung der privaten Leistungen im Berichtszeitraum, die dazu beigetragen haben, daß zum ersten Mal in der zweiten Entwicklungsdekade die Gesamtleistungen das von den Vereinten Nationen gesetzte EinProzent-Ziel überschritten haben. Ursache hierfür ist vor allem das rasche Wachstum der Bundesgarantien für Exportkredite an Entwicklungsländer, die in den Jahren 1975 und 1976 um insgesamt 4,6 Milliarden DM anwuchsen. Dies zeigt, welchen Wert Bundesregierung und sozialliberale Koalitionsfraktionen auch auf die Entwicklung des Handels mit den Ländern der Dritten Welt legen, der allerdings keine Einbahnstraße sein darf und dies auch nicht ist.
Daß wir ein erhebliches Eigeninteresse an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Dritten Welt haben müssen, zeigt allein die Tatsache, daß ein qualitatives Wachstum in den Entwicklungsländern von 3 % im Jahr eine Steigerung der Wachstumsraten in den Industriestaaten von rund 1 % erwarten läßt. Wir, die Bundesrepublik, wikkeln immerhin bereits mehr als 10 % unseres gesamten Außenhandels mit Entwicklungsländern ab; ungefähr 20 % unserer Exporte gehen in die Dritte Welt und sichern bei uns dadurch 1,2 Millionen Arbeitsplätze. 50 % der bei uns verarbeiteten Rohstoffe kommen aus Entwicklungsländern, und ohne sie wäre unsere Versorgung mit Produkten, die in der Bundesrepublik eigentlich gar nicht mehr rentabel herstellbar sind, erheblich schwieriger. Schließlich muß gesagt werden, daß in vielen Bereichen die handelspolitische Zusammenarbeit mit der Dritten Welt dazu geführt hat, daß zahlreiche Dinge des täglichen Bedarfs für den Verbraucher billiger sind.
Aber auch die Entwicklungshilfe selbst bringt mittelbar und unmittelbar Beschäftigungseffekte in der Bundesrepublik mit sich, wie in den Studien des Prognos-Instituts und des Instituts für Internationale Entwicklung in Berlin festgestellt worden ist. Zwischen 5 und 6 % aller Exporte in die Dritte Welt gehen auf das Konto von Lieferungen im Rahmen der bilateralen und multilateralen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. 54 000 Arbeitskräfte tragen zu unseren entwicklungspolitischen Leistungen bei. 44 % des Wertes der deutschen Lieferungen im Rahmen der Entwicklungshilfe fließen als Steuern an die öffentlichen Haushalte zurück. Der Einkommenseffekt bei den Arbeitnehmern liegt hier bei rund 1 Milliarde DM.
Aber Erfolge sind nicht nur im entwicklungspolitischen Bereich im engeren Sinne zu verzeichnen. Der im Berichtszeitraum stark intensivierte und im Vergleich zu Vorjahren erheblich versachlichte Dialog zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern hat erhebliche Fortschritte gemacht. Die zahlreichen internationalen Konferenzen zu diesem Thema sind nicht vergebens gewesen. Schon heute gibt es konkrete Vereinbarungen.
Die IV. Welthandels- und Entwicklungskonferenz von 1976 brachte trotz der Versuche der Opposition, einen anderen Eindruck zu erwecken, in vielen Punkten gute Ergebnisse. In vielen Fällen wurde in Nairobi der erste Schritt zu einer Entwicklung getan, die inzwischen weit vorangegangen ist. Ich denke dabei etwa an wesentliche Übereinstimmungen in der Frage der Umschuldung, die im März 1978 zu einem gemeinsamen Grundkonzept für eine Lösung der Verschuldungsprobleme der Entwicklungsländer geführt haben.

(Beifall bei der SPD)

UNCTAD IV brachte Einigung über die besondere Förderung der ärmsten Länder; sie brachte Fortschritte bei der Weiterentwicklung der allgemeinen Zollpräferenzen, die die Industriestaaten den Entwicklungsländern einräumen, um deren Produkten den Zugang zu unseren Märkten zu erleichtern. Übereinstimmung besteht nun auch über die Notwendigkeit der Ausweisung und Regulierung der Übertragung technischen Wissens aus den Industriestaaten an die Entwicklungsländer.
Die Überzeugung gewinnt an Boden, daß das von den Entwicklungsländern vorgelegte Integrierte Rohstoffprogramm berechtigte Forderungen enthält. Für uns in der Bundesrepublik ist es einleuchtend, daß sie, die Entwicklungsländer, für ihre Rohstoffe höhere Preise als bisher erhalten müssen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ihr Ziel, ihre Bodenschätze künftig mehr als bisher im eigenen Land weiterzuverarbeiten, verdient unsere Unterstützung.
Ein Markstein in den Beziehungen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ist das Abkommen von Lomé, das die Europäische Gemeinschaft mit nunmehr 53 Entwicklungsländern aus Afrika sowie aus dem pazifischen und dem karibischen Raum verbindet. Niemals zuvor haben sich so viele Länder in einem so umfassenden Vertragswerk zusammengeschlossen. Das Abkommen hat sich als praktikabel erwiesen. Es ist kein Faß ohne Boden, es kommt den berechtigten Interessen der Entwicklungsländer an stabilen Rohstoffexporterlösen ebenso entgegen wie ihren Bemühungen um Industrialisierung. Es hat zu einer erheblichen Ausweitung der welthandelspolitischen Zusammenarbeit



Schluckebier •
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Partnerländern geführt. Deshalb kann es auch die Grundlage für eine Weiterentwicklung, für Lomé II, sein, das bereits im Sommer dieses Jahres Verhandlungsgegenstand sein wird. Ziel wird im wesentlichen die Vervollkommnung bereits vorhandener Instrumentarien sein. Auf keinen Fall ist das LomeAbkommen ein Schritt, den zurückzugehen wir Anlaß hätten.
Meine Damen und Herren, der entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung ist zwar hervorragend geeignet, zahlreiche Aspekte unserer Entwicklungspolitik in der Rückschau zu würdigen

(Werner [CDU/CSU] : Aber?)

und die Realisierung politischer Vorgaben zu überprüfen, aber dennoch halten wir ihn in einigen Bereichen für ergänzenswert.

(Werner [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Ich meine, der entwicklungspolitische Bericht sollte die zahlreichen Probleme, auf die er zu sprechen kommt, nicht nur beschreibend darstellen,

(Werner [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

sondern auch Lösungsmöglichkeiten oder Lösungsansätze zur Debatte stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Werner [CDU/ CSU] : Die fehlen!)

Der Bericht erläutert, daß es trotz hoher Wachstumsraten nicht gelungen ist, die armen Bevölkerungsschichten an der Entwicklung ihres Landes zu beteiligen. Er stellt fest, daß sich die Entwicklungsländer nach wie vor durch krasse Einkommensunterschiede und hohe Arbeitslosigkeit auszeichnen. Ein Ansatz für neue Strategien ist nicht erkennbar.
Bei dieser Feststellung dürfen wir — wir insgesamt: Parlamentarier und Bundesregierung — es nicht belassen, sondern müssen gemeinsam nach Wegen suchen, die es uns ermöglichen, Probleme dieser Art stärker als in der Vergangenheit zu berücksichtigen.
Die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen in der Dritten Welt wird zwar als ein wesentliches Ziel deutscher Entwicklungspolitik dargestellt, aber es wird nicht erklärt, was darunter konkret gemeint ist. Ich meine, daß eine GrundbedürfnisStrategie nicht alleine darauf abgestellt sein kann, den Hunger zu beseitigen, sondern daß sie Bedingungen schaffen muß, die es ermöglichen, die Start-und Entwicklungschancen der Menschen in der Dritten Welt so zu verbessern, daß sie ihre wirtschaftliche Existenz auf Dauer aus eigener Kraft sichern können. Nur so können die Widerstände jener Entwicklungsländer, die immer den Verdacht haben, als solle durch diese Grundbedürfnis-Strategie ihr wirtschaftlicher und technologischer Anschluß an die Industriestaaten verhindert werden, überwunden werden.
Der Bericht zeigt allerdings wieder einmal auf, daß zahlreiche Problempunkte und Fehlerquellen vorhanden sind. Es wird notwendig sein, an Hand dieser Feststellungen die bisherige Entwicklungspolitik unseres Landes zu überprüfen und klarzulegen, aus welchen Gründen der angestrebte Erfolg nicht immer erreicht worden ist. Nur aus den dadurch gewonnenen Erkenntnissen lassen sich Fehlschläge, die immer unvermeidlich sein werden, auf ein Minimum reduzieren.
Um die Entwicklungspolitik der Bundesregierung — auch das wissen wir — windet sich ein Knäuel der verschiedenen Interessen, die alle ihre Berechtigung haben. Es gibt Interessenkonflikte zwischen der Entwicklungspolitik und der Agrarpolitik, zwischen der Entwicklungspolitik und der Außenpolitik, zwischen der Entwicklungspolitik und der Binnenwirtschaftspolitik. Es gibt nicht immer Übereinstimmung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen von Entwicklungsländern auf internationalen Konferenzen, aber auch dann, wenn es sich um die Frage handelt, welche Form der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gewählt werden soll. Diese vielschichtigen Konflikte sind aus der Entwicklungspolitik nicht wegzudenken; sie sind auch nicht dadurch zu lösen, daß man sie übergeht. Der entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung sollte allerdings offener als in der Vergangenheit darauf eingehen, damit die Probleme auch von uns erkannt werden können und ihnen nach Möglichkeit begegnet werden kann.
Trotz aller notwendiger Kritik kann der Wert des entwicklungspolitischen Berichtes für die parlamentarische Arbeit nicht genug gewürdigt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wie seine Vorgänger auch ist uns der dritte entwicklungspolitische Bericht eine wertvolle Hilfe bei der Erfüllung unserer Aufgaben gewesen. Die Bundesregierung hat bei seiner Abfassung die Bereitschaft zur fairen Zusamenarbeit und zum guten Willen gezeigt. Dafür, so meinen wir, gebührt ihr unser Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810026600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0810026700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Herrn Todenhöfer für die außerordentlich moderate Art und Weise danken, in der er diesen Bericht behandelt hat. Ich meine, daß das eine gute Grundlage ist, sicherlich in kontroverser Diskussion, aber doch gemeinsam zu guten Ergebnissen in der Entwicklungspolitik zu kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen das Beispiel nach, nicht?)

Der 'Bericht der Bundesregierung zeigt, daß die weltweite Rezession in den Entwicklungsländern zu einem Rückgang bzw. Stillstand des wirtschaftlichen Wachstums geführt hat. Es ist nicht gelungen, die Lücke des Pro-Kopf-Einkommens zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern zu verringern. War es 1971 das Ziel der UNO, für die zweite Entwicklungsdekade in den Entwicklungsländern jährlich ein Wachstum von 3,5 % zu erreichen,



Frau Schuchardt
so müssen wir heute feststellen, daß dieses Ziel nicht realisiert werden konnte. Allerdings gibt es unterschiedliche Entwicklungen in den Entwicklungsländern untereinander. Betrug z. B. das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in den sogenannten armen Entwicklungsländern jährlich 3 %, so betrug es in den Ölländern 6 %. Darüber hinaus gibt es eine äußerst ungleiche Einkommensverteilung innerhalb der Entwicklungsländer selbst. Während sich 10 % — die Reichsten — in 40 % des Privateinkommens teilen, müssen sich 20 % — die Ärmsten — in 5 % des Privateinkommens teilen.
Die Bevölkerungsentwicklung ist bedrohlich. Von den 4 Milliarden Menschen leben allein 2,3 Milliarden in den Entwicklungsländern. Wir werden bis zum Jahr 2000 eine Zunahme der Erdbevölkerung um weitere 2,5 Milliarden haben, davon allein 2 Milliarden in den Entwicklungsländern. Die durchschnittliche Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern betrug in der ersten Hälfte der 70er Jahre 2,5 % jährlich. Dies entspricht in etwa aber auch der Bevölkerungszunahme. Die Situation hat sich für den einzelnen in der Dritten Welt also nicht verbessert.
In engem Zusammenhang mit dem geringen Wachstum, der Armut und der Unterernährung steht die hohe Arbeitslosigkeit von zur Zeit — geschätzt — etwa 300 Millionen Menschen. Das Bevölkerungswachstum wird in den nächsten 25 Jahren weitere 700 Millionen Arbeitslose schaffen, wenn nichts Entscheidendes geschieht. Wir befinden uns mitten in einem Teufelskreis. Die Begrenzung des Bevölkerungswachstums ist nötig — so sagt der Entwicklungsbericht — für die Anhebung des Lebensstandards. Andererseits zeigen die Erfahrungen aber, daß erst ein bestimmtes Erziehungs- und Einkommensniveau die Arbeit der Familienplanungsdienste erfolgreich macht. Hohe Kindersterblichkeit und die fehlende soziale Sicherheit begünstigen darüber hinaus die Geburtenraten.
Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen also, daß verstärkte Anstrengungen erforderlich sind, wenn man dem Ziel der Verkleinerung der Lücke zwischen armen und reichen Ländern näherkommen will.
In weiten Teilen der Bevölkerung ist der Eindruck vorherrschend, daß entwicklungspolitische Leistungen Almosen an Fremde seien, die wir uns bei unserer eigenen wirtschaftlichen Lage lieber sparen sollten. Tatsächlich wird man wohl darauf hinweisen müssen, daß der steigende Wohlstand in den Industrieländern — auch in der Bundesrepublik — dazu geführt hat, daß die Entwicklungsländer für unsere industriellen Produkte immer mehr Rohstoffe ausführen mußten. Das heißt: wir müssen uns darüber klar sein, daß jede Lohn- und Gehaltserhöhung, jede Steigerung der Sozialleistungen und jede Steigerung der Gewinne von den Menschen in der Dritten Welt über unsere Preise, die wir verlangen, mit finanziert wird.
Wo werden künftig die Bedarfe und damit unsere Absatzmärkte sein? Zuallererst in der Dritten Welt. Wir haben also allen Grund, auch aus längerfristigem wirtschaftlichem Eigeninteresse Entwicklungspolitik zu betreiben. Die Entwicklung zeigt, daß die Entwicklungsländer ihre eigene Entwicklung an dem Vorbild der Industrieländer ausrichten. Ich habe den Eindruck, daß wir uns selber der Illusion hingeben, unser Konsum- und Verbraucherverhalten wäre auf alle Menschen der Erde übertragbar. Tatsache ist aber, daß jeder sich ausrechnen kann, daß die Ressourcen der Erde dies nicht erlauben und daß darüber hinaus die Umwelt dies nicht verkraften würde.
Was folgt daraus? Wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Schließen der Lücke, der Schere zwischen arm und reich, dann bedeutet eine zukunftsorientierte Entwicklungspolitik auch für uns selber einen sparsamen, verantwortungsbewußten Umgang mit den Ressourcen dieser Erde und eine Begrenzung der Umweltbelastung. Wenn ein Amerikaner mehr als das Tausendfache und ein Deutscher mehr als das Fünfhundertfache des Energieverbrauchs gegenüber den Bürgern der ärmsten Länder hat, dann zeigt dies, daß Entwicklungspolitik nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industrieländern zu leisten sein wird.
Der Bericht der Bundesregierung weist darauf hin, daß der Wohlstand der Entwicklungsländer nur dann zunehmen kann, wenn wir ein Wachstum der Weltwirtschaft haben. Dies ist zutreffend. Nur muß ein solches Wachstum dann auch schwerpunktmäßig in die Entwicklung der Dritten Welt gehen.
Die Dritte-Welt-Politik ist Bestandteil der Friedenspolitik. In dieser Auffassung unterstützt meine Fraktion die Regierung nachdrücklich. Unerträgliche soziale Disparitäten führen zu Spannungen und gefährden den Frieden. Entwicklungspolitik wird deshalb zuallererst darauf gerichtet sein müssen, die Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung zu befriedigen. Trotz aller Anstrengungen konnte das Hauptziel, die Lebensverhältnisse der breiten Masse zu verbessern, nicht erreicht werden. Im Gegenteil, wir haben eine rasche absolute Zunahme der armen Bevölkerung. Die Anhörung der Sachverständigen im Ausschuß hat gezeigt, daß sich eine einseitig auf Wachstum abgestellte Politik zum großen Teil zu Lasten der armen Bevölkerung und der ländlichen Regionen auswirkt.

(Zustimmung bei der SPD)

In den Entwicklungsländern ist die Familie das soziale Netz für den einzelnen. Es ist für mich eine schreckliche Vorstellung, daß eine beschleunigte Industrialisierung der Dritten Welt einerseits die Familien zerschlagen könnte, ohne daß auf der anderen Seite ein staatliches soziales Netz bereits an deren Stelle getreten wäre.

(Zustimmung bei der SPD)

Welche Konflikte sich daraus ergäben, ist heute wohl kaum abzuschätzen.
Alle bisherigen Erfahrungen deuten — auch nach Auffassung der Sachverständigen, die wir im Ausschuß gehört haben — darauf hin, daß der Entwicklung des ländlichen Raumes zur Lösung des Armutsproblems eine ganz zentrale Bedeutung zu-



Frau Schuchardt
kommt. Eine dauerhafte Lösung liegt in der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität. Wenn wir uns vor Augen halten, daß der Produktivitätsvorsprung der Industrieländer in den sechziger Jahren des 3,5fache betrug, im Jahre 1974 aber bereits beim 4,3fachen lag, so wissen wir, was in der Dritten Welt zu leisten ist. Ziel muß es sein, im kleinbäuerlichen Bereich die Selbsthilfe zu verbessern.
Herr Todenhöfer, wenn Sie von der Selbsthilfe sagten, sie sei Ihre Erfindung, so ist das ein Pappkamerad, den Sie hier aufgebaut haben, denn über eines waren wir uns eigentlich immer klar: daß die, Entwicklung der Dritten Welt zuallererst darin bestehen muß, Hilfe zur Selbsthilfe zu bekommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich finde, wir sollten hier nicht Unterschiede herausarbeiten, die nicht da sind.

(Josten [CDU/CSU] : Damit haben die Kirchen angefangen!)

— In der Tat, Herr Josten, aber wir wollen hier nicht sozusagen Unterschiede aufbauen, die nicht bestehen.
Es kommt also darauf an, die Chancen der breiten Bevölkerung, an der Entwicklung teilzunehmen, zu verbessern. Wichtig scheint mir aber die Anregung, die wir von den Sachverständigen bekommen haben, zu sein, daß sich diese Selbsthilfeorganisationen und -gruppen nicht nur auf die Produktion beziehen dürfen, sondern sich gerade auch bei der Vermarktung der Produkte, die dort entstehen, durchsetzen sollten.
Was die finanziellen Anstrengungen der Industrieländer anlangt, so haben bisher nur drei Länder, nämlich Schweden, die Niederlande und Norwegen, das Versprechen eingelöst, 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts für die öffentliche Entwicklungspolitik einzusetzen. Die Bundesregierung ihrerseits wird auf internationalen Konferenzen nicht müde, ihr Bemühen, dies auch zu tun, immer wieder zu beteuern. Wir können deshalb wohl erwarten, daß uns zur Erreichung dieses Ziels ein Stufenplan vorgelegt wird.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Bedenkt man, daß wir unser Versprechen bei weitern noch nicht eingelöst haben, aber bereits das Doppelte der Entwicklungshilfeleistungen aller Staatshandelsländer erbringen, so wissen wir, daß es den Staatshandelsländern sicherlich nicht darum geht, die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der Dritten Welt herzustellen, sondern zuallererst darum, durch militärisches Engagement Einflußzonen zu sichern. Die Bundesrepublik zielt in ihrer DritteWelt-Politik darauf ab, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Entwicklungsländer zu sichern und die Errichtung von Einflußzonen auswärtiger Mächte zu verhindern. Dieses Ziel wird von meiner Fraktion mit allem Engagement unterstützt. Wer dies will, kann unserer Meinung nach nur eine Antwort geben: Nur eine verstärkte und wirkungsvolle wirtschaftliche Entwicklung gerade auch der breiten Bevölkerung kann letztlich Selbständigkeit und Unabhängigkeit bringen. Ein Land, in dem die Entwicklung stagniert oder gar rückläufig ist, wird immer der Errichtung fremder Einflüsse gegenüber offen sein. Also werden diejenigen, die dies verhindern wollen, alle Anstrengungen unternehmen müssen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Nun wird die Diskussion um die Dritte Welt zur Zeit verstärkt bestimmt unter dem Aspekt des Ost-West-Konflikts. Dies gilt insbesondere für Afrika. Die willkürlich von den Kolonialmächten geschaffenen Grenzen zwischen den einzelnen Ländern zerschneiden Stämme, Traditionen und Sprachen. Diese Situation schafft Spannungen, wie wir es zuletzt wieder in Shaba erfahren haben. Nicht ideologische, sondern rein nationale Gründe haben zu der Auseinandersetzung geführt. Nur — und dies macht es so brisant — nutzt die Sowjetunion mit Hilfe ihrer Verbündeten solche Gelegenheiten, ihre Einflußzonen zu sichern.
Ich halte es für eine richtige Entscheidung, wenn sich die afrikanischen Staaten auf die willkürlichen Grenzen und ihre Aufrechterhaltung verständigt haben; und bei ihrem Bemühen, dies durchzuhalten, sollten wir sie auch unterstützen. Die Europäer — oder besser: die westliche Welt — tun gut daran, ihren Weg der wirtschaftlichen Zusammenarbeit konsequent weiterzugehen.
Wir haben es im Nahen Osten oder auch in Somalia erlebt, wie kurz die Freundschaft sein kann, die — wie der Ostblock es getan hat — durch Waffen und militärisches Engagement erkauft wurde. Der Weg, den gerade auch die Bundesregierung eingeschlagen hat, auf friedlichem Wege die Rechte der Schwarzafrikaner im südlichen Afrika mit durchsetzen zu helfen, sei es in Namibia oder in Zimbabwe oder in Südafrika selbst, ist allein der langfristig erfolgversprechende Weg einer freundschaftlichen Entwicklung mit den Ländern Afrikas. Zurückziehen, Herr Todenhöfer, wie Sie es auch heute wieder angedeutet haben, dort, wo sich der Ostblock engagiert, heißt den Kopf in den Sand stecken.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie werfen es der Bundesregierung vor. Tatsächlich empfehlen Sie es, und die Bundesrepublik tut genau das Gegenteil. Dem militärischen Engagement des Ostblocks kann der Westen, will er Sieger bleiben, nur eine verstärkte zivile Zusammenarbeit entgegensetzen. Jegliches militärische Engagement müßte zwangsläufig zur Verstärkung von Konflikten führen, was der größte Feind der Entwicklung zur Unabhängigkeit wäre. Bei einem militärischen Eingreifen sollte der Westen dem allerdings nicht eine moralische Käseglocke überstülpen, sondern dann auch ehrlich machtpolitisches Interesse eingestehen.
Die Freien Demokraten halten die Auffassung des Außenministers, den Weg der friedlichen Lösung zu gehen, für den einzig richtigen. Es ist gelungen, die Bundesrepublik aus der Isolierung herauszuführen. Ginge es nach der Union, so wären wir nicht nur in der Ostpolitik, nicht nur im Zusammenhang mit KSZE, nicht nur im Nord-Süd-Dialog, sondern auch



Frau Schuchardt
in der Afrikapolitik total isoliert. Denn alle Vorschläge der CDU führen nur in die Isolation.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

So aber ist die Bundesrepublik durch die Fünferinitiative in Namibia z. B. aktiv in der Lage, gerade auch die Interessen der Deutschen in Namibia und den Weg mit zu gestalten. Die Aufrechterhaltung des Konsulats hätte diese Chance vertan. Wer die Bundesregierung in all diesen Aktivitäten kritisiert, muß wissen, daß er auch unmittelbar unsere Verbündeten kritisiert; denn mit ihnen herrscht über all dieses Vorgehen totale Einmütigkeit. Der einigeschlagene Weg ist der richtige, und wir fordern die Bundesregierung auf, ihn konsequent und mit verstärktem Einsatz weiter zu gehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810026800
Das Wort hat der Herr Bundesminister Offergeld.

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0810026900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik nimmt in gemeinsamer Arbeit, aber auch in Auseinandersetzungen an den Anstrengungen von mehr als 150 Nationen teil, die Armut der Völker der Dritten Welt zu überwinden. Wir müssen bescheiden genug sein, zu sehen, daß unser Anteil an der Lösung der existentiellen Probleme unseres Planeten nur gering ist und gering sein kann. Wir spielen im Konzert der Völker nur e i n Instrument.
90 % der Investitionen finanzieren die Entwicklungsländer selbst. Daran wird deutlich, wie groß die Eigenanstrengungen der Dritten Welt sind. Unsere Anstrengungen hatten und haben nur eine ergänzende Funktion. Der Wille zu Arbeit und Leistung in der Dritten Welt ist eine wichtige Grundlage für den ökonomischen und sozialen Fortschritt dort.
Die Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts aller Entwicklungsländer lag im dritten Viertel dieses Jahrhunderts bei durchschnittlich 5,4 %. Wenn man dies mit den Wachstumsraten der Industrieländer im vergleichbaren Entwicklungsstand vergleicht, die wir im 19. Jahrhundert auf gut 2 % schätzen, ist dies eine ganz erstaunliche Leistung. Global gesehen hat sich das Realeinkommen der Entwicklungsländer pro Kopf in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt.
Trotz dieser an sich positiven Entwicklung, global gesehen, ist der relative Abstand im Pro-Kopf-Einkommen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern mit 1 : 12 unverändert geblieben. Absolut gesehen hat er sich sogar vergrößert.
Außerdem sagen diese Durchschnittszahlen wenig über die Situation in den einzelnen Ländern. Wachstum und Bevölkerungsentwicklung verteilen sich ungleichmäßig in den einzelnen Regionen der Dritten und Vierten Welt. Während einige Länder im Pro-Kopf-Einkommen an der Schwelle zum Wohlstand eines Industrielandes stehen, wurde in anderen Ländern die Lage der Menschen durch ein starkes Bevölkerungswachstum noch schlechter. Das gilt leider für viele Staaten.
Die Fortschritte bei der Einkommensverteilung in den Entwicklungsländern selbst sind hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Ich unterstreiche hier: Es bleibt eine wichtige Aufgabe der Politiker der Entwicklungsländer, diesen Zustand, der die Entwicklung der Länder hemmt, zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Heute debattieren wir über den Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Dies ist ein Rechenschaftsbericht, der auf der nach wie vor gültigen entwicklungspolitischen Konzeption von 1975 gründet. Ich will einige mir zentral erscheinende Aussagen hervorheben. Erstens. Trotz weiterer Spannungen konnte eine Konfrontation zwischen Nord und Süd bei den internationalen Konferenzen vermieden werden. Zweitens. Die Entwicklungsländer werden als Handelspartner zunehmend wichtiger. Ihr Handel mit der Bundesrepublik ist erheblich gewachsen. Drittens. Die Zusammenarbeit der Entwicklungsländer untereinander wird immer wichtiger. Sie sollte auch von uns, wo immer möglich, verstärkt und gefördert werden. Viertens. Die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik hat sich stärker auf die ärmsten Länder konzentriert. — Dies ist auch eine Bemerkung zur Behauptung von Herrn Todenhöfer, es gebe keine Zielvorgaben. — Der Anteil dieser Ländergruppe an den Gesamtzusagen stieg bei der finanziellen Zusammenarbeit von 12 % im Jahre 1972 auf 27 % im Jahre 1976 — also weit mehr als eine Verdoppelung —, bei der technischen Zusammenarbeit im gleichen Zeitraum von 25 % auf 32 %.
Zentrales Ziel der Entwicklungspolitik ist die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Dritten Welt. In den ärmeren Entwicklungsländern werden die Menschen durchschnittlich nicht älter als 40 Jahre. Nur jeder vierte hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, und ein Arzt ist für über 20 000 Menschen da. Deshalb wird weiterhin Hilfe nötig sein, die unmittelbar die Lebensbedingungen der Menschen verbessert, ihnen Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit und Ausbildung verschafft. Ohne diese zentrale humanitäre Begründung wäre Entwicklungspolitik nur ein Lavieren zwischen tagespolitischen Opportunitäten.
Der Industriestaat Bundesrepublik, meine Damen und Herren, hat aber gegenüber den Entwicklungsländern auch eigene Interessen. Wenn dies ganz offen gesagt wird, ist das ehrlicher als die Behauptung, es gehe nur um mildtätige Spenden. Wir haben außenpolitische, sicherheitspolitische, rohstoffpolitische, wirtschaftspolitische Interessen, ein ganzes Bündel von eigenen Interessen. Dies macht verständlich, daß es auch Zielkonflikte gibt; auch das sollte man nicht verschweigen. Dort, wo sie auftreten, versuchen wir, diese Zielkonflikte in einem Diskussionsprozeß zu lösen und dabei — das ist mir wesentlich — die langfristigen Entwicklungsinteressen der Dritten Welt zu wahren.
Die Erfahrungen der letzten beiden Jahrzehnte haben gezeigt, daß rasches Wirtschaftswachstum allein nicht immer Armut und Einkommensungleichheit verringert. Deshalb müssen wir uns darum bemühen, durch die Entwicklungspolitik vor allem den



Bundesminister Offergeld
unteren Einkommensschichten zu helfen. Wir versuchen deshalb, die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum mit einfachen Maßnahmen wie Trinkwasserversorgung, landwirtschaftlicher Lagerhaltung, Bekämpfung von Seuchen, Entwicklung von angepaßten Technologien usw. zu verbessern. Wichtig ist mir dabei, daß die Menschen Arbeit erhalten und Einkommen erzielen. Aber viele Entwicklungsländer — das muß man realistisch sehen — haben gerade in diesen Bereichen eine unterentwickelte Planungskapazität. Wir müssen daher durch gezielte Projektvorbereitung und -planung den Vorrat an durchführungsreifen, sinnvollen, basisorientierten Projektansätzen erhöhen. Ich werde darauf ganz großes Gewicht legen.

(Beifall bei ,der SPD)


(die Industrieländer oft hinterher wie Bankdirektoren den ersten Adressen.. — Nein, auch alte, Herr Marx. Gerade ,die alten wissen, daß erste Adressen wichtig sind. Es gibt aber auch ernste Einwände der Entwicklungsländer gegen eine basisorientierte Entwicklungspolitik. Einige sagen, damit solle die Industrialisierung ,der Entwicklungsländer und eine unangenehme industrielle Konkurrenz verhindert werden und außerdem solle von der Diskussion über eine neue Weltwirtschaftsordnung abgelenkt werden. Ich kann versichern: Wir denken nicht an eine Art Morgenthauplan für die Dritte Welt. Die Bundesregierung ist bereit, die Entwicklungsländer auch bei der Übernahme moderner Technologien und bei der Industrialisierung zu unterstützen. Dies ist natürlich auch ein Element des Entwicklungsprozesses. Weltweite Arbeitsteilung bedeutet, daß im Zusammenspiel von Kapital, Arbeit und Rohstoffen mehr Produkte geschaffen werden, als es national oder regional geschlossene Wirtschaften allein könnten. Das heißt auch, daß niemandem etwas genommen werden muß, wenn andere mehr bekommen sollen. Die Weltwirtschaft, meine Damen und Herren, ist kein Nullsummenspiel. Allerdings: Weltweite Arbeitsteilung erfordert freien Verkehr von Gütern und Dienstleistungen, von Kapital und technologischem Wissen. Weltweiter Austausch bewirkt auch einen wirtschaftlichen Strukturwandel in globalem Maßstab. Der Strukturwandel wirkt auf unsere Wirtschaft zurück und ist nicht immer leicht zu verkraften, zumal in Zeiten schwacher Konjunktur. Der Strukturwandel generell bringt nicht weniger Arbeitsplätze bei uns, aber er bringt andere. Bei uns — dies gilt zur Zeit für alle Industriestaaten — gibt es ungenutzte Kapazitäten und ungenutztes Kapital. In den Entwicklungsländern gibt es einen ungeheuren Bedarf, aber kein Geld. Größeres Wachstum in den Entwicklungsländern, wenn es möglich wäre, bringt auch den Industrieländern mehr Beschäftigung. Man kann nach Untersuchungen davon ausgehen, daß eine Erhöhung der Wachstumsrate in den nicht ölproduzierenden Entwicklungsländern um 3 Prozentpunkte zu einer Erhöhung der Wachstumsrate in den OECD-Ländern um einen Prozentpunkt führt. Diese Feststellungen, ungenutzte Kapazitäten einerseits und ungeheurer Bedarf andererseits, sind Grund genug, darüber nachzudenken, wie das vorhandene Kapital für zusätzliche dringend benötigte Investitionen in den Entwicklungsländern nutzbar gemacht werden kann. Diese Anregung kann sich auf zahlreiche Vorschläge aus den anderen Industrieländern stützen. Vor kurzem stellte auch der OECD-Entwicklungshilfeausschuß einen Vorschlag zur Diskussion, der von einem zusätzlichen öffentlichen und privaten Kapitaltransfer in Höhe von 10 Milliarden Dollar jährlich ausgeht. Die OECD-Experten erwarten von einer derartigen Maßnahme einschließlich des Multiplikatoreffekts eine zusätzliche Nachfrage in den Staaten der OECD von mindestens 20 Milliarden Dollar. Der OECD-Ministerrat hat diese Vorschläge vor wenigen Tagen aufgegriffen und sich zu eigen gemacht. Die Überlegungen für ein Investitionsprogramm für die Dritte Welt gehen — davon bin ich fest überzeugt — in eine vernünftige Richtung. Einige Fragen sind noch offen; das darf nicht verschwiegen werden. Ich nenne nur die Frage der Absorptionsfähigkeit der Entwicklungsländer. Sie kann nur dann positiv beantwortet werden, wenn die beträchtlichen Engpässe in der Planung und in der Verwaltung in den Entwicklungsländern abgebaut werden können. Hier müßte verstärkte technische Hilfe der Industriestaaten einsetzen. Schließlich muß bei diesen Überlegungen klar sein, daß es sich nicht um kurzfristige konjunkturpolitische Hektik handeln kann, sondern um eine langfristige Stabilisierung der Weltwirtschaft. Wir werden unsere industriellen und sonstigen Kapazitäten nicht dadurch dauerhaft besser auslasten können, daß wir eine generelle Lieferbindung für die deutsche Entwicklungshilfe einführen. Dies ist eine Forderung, die man immer wieder aus den verschiedensten Richtungen hören kann. Unserer liberalen Haltung in der weltwirtschaftlichen Diskussion entspricht das Prinzip der Lieferungebundenheit. Die Empfängerländer sollen grundsätzlich das günstigste Angebot wählen können. Konkurrenzfähige deutsche Anbieter haben dabei eine gute Chance. Auch ohne Lieferbindung werden bei uns durch Aufträge aus der Entwicklungshilfe allein über 40 000 Arbeitsplätze gesichert. Allerdings: Wir können noch mehr für die deutschen Anbieter tun, und wir wollen das auch tun. Wir werden künftig die Informationen der deutschen Wirtschaft über Projekte, die mit Entwicklungshilfe finanziert werden, beschleunigen. Die erste Veröffentlichung wird schon in die Phase der entwicklungspolitischen Vorbeurteilung der Anträge vorgezogen. Wir wollen den mittelständischen Unternehmen die Information weiter erleichtern. Mir liegt ganz besonders am Herzen, daß diese UnBundesminister Offergeld ternehmen von diesem Informationsangebot noch stärker als bisher Gebrauch machen. (Dr. Hüsch [CDU/CSU] : Das wäre gut! Das wäre etwas ganz Neues!)


(Dr. Marx [CDU/CSU] : Neue Bankdirektoren!)


(Beifall bei der SPD)


(Sehr gut! bei der CDU/CSU)




— Das ist gar nichts Neues.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU] : Wie die ganze Rede!)

Seit vielen Jahren leisten private Träger hervorragende Arbeit in der Dritten Welt. Sie bringen jährlich eine halbe Milliarde DM auf. Das ist mehr als das Doppelte der öffentlichen Zuschüsse, die sie erhalten.
Schließlich möchte ich in diesem Zusammenhang besonders den Beitrag hervorheben, den private Initiative und gesellschaftliche Gruppen in den Entwicklungsländern für die soziale Entwicklung leisten. Kirchen und politische Stiftungen bei uns unterstützen sie bei dieser Arbeit, die unter der Devise „Hilfe zur Selbsthilfe" läuft. Sie handeln nach dem Motto Erich Kästners: „Es gibt nichts Gutes — es sei denn, man tut es."
Ich danke allen entwicklungspolitisch Engagierten für ihren unersetzbaren Beitrag in der politischen Bildungsarbeit. Vom öffentlichen Bewußtsein hängt es ab, ob Solidarität mit der Dritten Welt ein wichtiges Anliegen unserer Gesellschaft wird — das muß es erst noch werden — oder ob es das Problem einer kleinen Minderheit bleibt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Entwicklungshilfe hat — das müssen wir ganz selbstkritisch feststellen — bis zum heutigen Tage bei den Bürgern keinen besonders guten Ruf, obwohl eine Mehrzahl sie grundsätzlich befürwortet und obwohl es natürlich sehr viele gibt, die mit starkem Engagement für Entwicklungspolitik tätig sind. Manche Schlagzeile hat, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, Skepsis verbreitet. Die Ausgaben für Entwicklungshilfe sind nachweisbar. Der Gewinn an Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Arbeitsplätzen, von mehr Freunden und weniger Feinden ist aber nur schwer anschaulich zu machen.
Es ist richtig, es gibt Rückschläge und Fehlinvestitionen. Ich will nicht einmal damit argumentieren, daß auch in unserem Lande Schulgebäude ohne Schüler und Brücken ohne entsprechende Straßen zu finden sind. Jeder, der Projekte in Entwicklungsländern durchführt, muß wissen, daß das Risiko für Investitionen dort größer ist als hier. Wäre es anders, brauchte man ja keine Entwicklungshilfe.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810027000
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Köhler?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0810027100
Selbstverständlich!

Dr. Volkmar Köhler (CDU):
Rede ID: ID0810027200
Herr Minister, nach dieser Aussage frage ich Sie: Meinen Sie nicht, daß es nun beim vierten entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung endlich einmal
an der Zeit wäre, die Forderung der Opposition aufzunehmen, daß über Fehlschläge und Fehlinvestitionen und ihre Gründe klar und vernünftig abgewogen berichtet wird?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0810027300
Herr Köhler, ich werde Ihre Anregung gern prüfen.
Dennoch läßt sich einiges verbessern. Ich werde jeden Verbesserungsvorschlag, ebenso wie Ihre Anregung, Herr Köhler, gewissenhaft prüfen. Ich habe beispielsweise, wenn ich in Länder der Dritten Welt fahre, das Interesse, nicht nur Paradeprojekte vorgeführt zu bekommen, sondern auch einmal Projekte zu sehen, die nicht so gelungen sind; daran kann man nämlich vielleicht noch mehr lernen. Wir werden jedenfalls Projekte und Programme des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärkt durch externe Sachverständige evaluieren lassen. Inspektionen werden unabhängig von den projektdurchführenden Stellen veranlaßt. Wir sind, gemessen an vergleichbaren Institutionen anderer Geberländer, auf diesem Gebiet aber heute bereits führend. Wir werden in Zukunft noch mehr tun, um unvermeidliche Risiken auf ein Minimum zu senken. Mir geht es dabei — ganz offen gesprochen — auch darum, das insgesamt leider nur bescheidene entwicklungspolitische Engagement unserer Gesellschaft nicht zu gefährden.
Aber diese Bemühungen haben Grenzen. Von Prüfungen und Inspektionen allein wird noch niemand in der Dritten Welt satt.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU] : Aber eine Menge Professoren!)

Wir beschreiten hier den schmalen Grat zwischen dem legitimen Interesse der Bundesregierung, den Mitteleinsatz zu kontrollieren, und dem ebenfalls legitimen Interesse der Entwicklungsländer, die Mittelbewirtschaftung zu verantworten.
Es liegt mir fern, einen politischen Schutzzaun um das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu errichten. Dennoch sage ich: Jeder, der letztlich unvermeidbare Mißerfolge künstlich aufbauscht, muß sich fragen lassen, wie ernst angesichts der vorhandenen Ressentiments in der Öffentlichkeit sein Engagement für den Ausgleich zwischen Nord und Süd wirklich ist. Dazu gehört auch, daß nichtöffentliche — die Rede von Herrn Todenhöfer gibt mir Anlaß zu dieser Bemerkung —— Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofs an das Ministerium als das genommen werden, was sie sind, nämlich als eine Aufforderung, zu bestimmten Fragen Stellung zu nehmen. Erst nach dieser Stellungnahme des Ministeriums kann der Bundesrechnungshof seine endgültige Meinung bilden und seine Bemerkungen dann, unserer Verfassung entsprechend, dem Parlament vorlegen. Dann ist es auch Zeit und Aufgabe des Ministeriums, dem Parlament gegenüber Position zu beziehen. Dieses Verfahren ist gesetzlich geregelt, und an diese Regel, so meine ich, sollten sich gerade auch Parlamentarier halten. Wer dem Rechnungshof öffentlich in seinem Urteil vorgreift — so heute wieder bei Ihrem Hinweis auf angebliche Mängel bei der GTZ



Bundesminister Offergeld
geschehen —, trägt dazu bei, Vorurteile gegen die Entwicklungspolitik zu aktivieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch eine gewaltige Überzeichnung!)

Ich unterstreiche nochmals: Diese Bemerkungen sind nicht so zu verstehen, daß ich mich irgendeiner berechtigten Kritik verschließen würde. Im Gegenteil! Für berechtigte Kritik — auch von seiten des Rechnungshofs — bin ich dankbar.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur darf sie nicht geäußert werden! Oder wie ist das? — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Ich würde nicht so empfindlich sein!)

— Gut, wenn Sie nicht so empfindlich sind, Herr Todenhöfer, dann nehmen Sie doch das, was ich gesagt habe, zur Kenntnis.
Lassen Sie mich noch einige Worte zum Nord-Süd-Dialog sagen. Die Gesamtverschuldung der Entwicklungsländer hat stark zugenommen. Sie betrug gegenüber der Bundesrepublik Deutschland Ende 1977 fast 76 Milliarden DM. Gerade für die am wenigsten entwickelten Länder sind Tilgungs- und Zinslasten zu einer unvertretbaren Belastung geworden. Die Bundesregierung wird deshalb solchen Ländern künftig Zuschüsse statt Kredite geben. Die Bundesregierung erwägt außerdem, Entwicklungsdarlehen, die diesen Ländern in der Vergangenheit gewährt wurden, nach Prüfung des Einzelfalls in Zuschüsse umzuwandeln. Diese Ankündigungen der Bundesregierung haben das Klima im Nord-Süd-
Verhältnis spürbar entkrampft. Einer der wichtigen Forderungen der Dritten Welt wurde damit entgegengekommen.
In den weiteren Verhandlungen der UNCTAD wird die Bundesregierung gegenüber allen vernünftigen Maßnahmen zur Preisstabilisierung der Rohstoffe aufgeschlossen sein. Wir lehnen es ab, uns in die Gestaltung der Wirtschaftssysteme souveräner Länder einzumischen. Wenn wir Erfahrungen aus unserem System für einen freien Warenverkehr zwischen den Ländern berücksichtigen, dann tun wir das in dem Bewußtsein, daß es in einem solchen System viele Ausnahmen von der reinen Lehre gibt und geben muß. Marktordnungen z. B. sind uns als bewußte Ausnahme vom Wettbewerbsprinzip durchaus vertraut. Unter bestimmten Bedingungen sind sie dem Gemeinwohl förderlich.
Herr Todenhöfer, ich bleibe dabei: Ich halte nicht viel davon, ideologische Schaukämpfe aufzuführen. Wer nur immer Marktwirtschaft sagt, ohne das er dazu etwas erklärt, nützt dem Nord-Süd-Dialog wenig. Schon Ludwig Erhard hat gewußt, daß die Marktwirtschaft korrigierender sozialer Elemente bedarf.

(Beifall bei der SPD)

Die Regeln einer Wirtschaftsordnung müssen sich in einer ständigen Praxis bewähren. Sie sind kein Selbstzweck. Wer von marktwirtschaftlichen Regeln abweichen will, trägt allerdings die Beweislast, daß er tatsächlich Verbesserungen vorschlägt.
Was im übrigen die konkreten Anregungen von Herrn Todenhöfer angeht, so gibt es da sicher viele Punkte, in denen wir uns treffen können. Ich nenne nur einmal das Stichwort „weitere Liberalisierung des Welthandels". Sie wissen, daß die Bundesregierung in dieser Richtung eine führende Stellung einnimmt. Ich nenne das Stichwort „Kontrolle der multinationalen Unternehmen", ich nenne das Stichwort „Erlösstabilisierung", und ich bin auch der Auffassung, daß vor allem in den Schwellenländern private Investitionen einen großen Anteil an der Entwicklung eines Landes haben. Wenn ich aber von der Kontrolle multinationaler Unternehmen spreche — Sie haben dieses Stichwort aufgebracht, Herr Todenhöfer —, kann ich mir nur wünschen, daß Sie hier nicht nur den Mund spitzen, sondern später, wenn es konkret wird, auch pfeifen.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Sie müssen genau nachlesen: Erhöhung der Transparenz der multinationalen Unternehmen!)

— Ja, Erhöhung der Transparenz: Wir können uns selbstverständlich auch auf dieser Basis treffen. Dies bedeutet gleichzeitig auch eine Kontrolle.
Wer nur aufgeregt nach Genf sieht, übersieht leicht, daß in Brüssel wichtige und vernünftige Schritte gegangen werden. Für den Nord-Süd-Dialog ist das Lomé-Abkommen von großer Bedeutung. In den Neuverhandlungen zu diesem Abkommen treten wir und die übrigen EG-Mitgliedstaaten für eine Konsolidierung der Erfolge ein, die durch das derzeitige Abkommen erreicht sind. Das Abkommen selbst wird in seinen grundlegenden Elementen auch weiterhin Bestand haben, weil es die bisher umfassendste Antwort einer Gruppe von Industrieländern auf die Forderungen der Entwicklungsländer ist. Es ist erstaunlich, wie einhellig positiv der Erfolg dieses Abkommens und des in ihm vereinbarten Modells der Erlösstabilisierung heute beurteilt wird. Der Kollege Aigner, Sprecher im Europäischen Parlament, sagte: „Mein soeben vorgelegter Bericht zeigt, daß die in das STABEX-System gesetzten Hoffnungen erfüllt sind." Es ist allerdings wohl auch noch erinnerlich, daß einige in diesem Hause — ich versage es mir, Namen zu nennen — mit diesem Modell der Erlösstabilisierung schon den Untergang der Marktwirtschaft vor Augen wähnten. Bei dieser wie bei anderen Fragen mußte die Opposition ihr politisches Fehlurteil schnell korrigieren.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810027400
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Köhler?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0810027500
Ja, selbstverständlich.

Dr. Volkmar Köhler (CDU):
Rede ID: ID0810027600
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, daß ich mich richtig erinnere, daß die Opposition dem Lomé-Abkommen in diesem Hause zugestimmt hat?

Rainer Offergeld (SPD):
Rede ID: ID0810027700
Ja. Würden Sie mir, wenn ich mit ei-



Bundesminister Offergeld
ner Gegenfrage antworten darf, auch zustimmen, daß es einige Sprecher in der Opposition gab, die dieses STABEX-System lautstark auch in der Öffentlichkeit kritisiert haben? Ich könnte Ihnen hier auch Zitate bringen.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU] : Es gibt eine Empfehlung des Ausschusses, die einmütig war!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende: Der Präsident der Weltbank hat sinngemäß einmal gesagt, Entwicklungspolitik sei ein zu ernstes Problem, als daß man sich in guten Zeiten seiner annehmen und es in schlechten Zeiten vergessen könnte. Ich kann diese Feststellung nur dick unterstreichen. Ich glaube, es gibt kaum einen anderen Bereich der Politik in dem Zusammenarbeit zwischen den Politikern, aber auch zwischen Politikern und den politisch Engagierten wichtiger wäre, als diesen.
Ich kann versichern — als Minister halte ich hier meine erste Rede —, daß das Parlament, auch die Opposition, in mir stets einen offenen Gesprächspartner finden wird, der besonders aufmerksam auch auf berechtigte Kritik hören wird. Wir alle sollten uns darüber klar sein, daß es bei der Entwicklungspolitik auch um unsere eigene Zukunft geht, und entsprechend sollten wir uns gemeinsam darum bemühen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810027800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höffkes.

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0810027900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Minister Offergeld, uns hat einiges von dem, was Sie gesagt haben, gefreut. Uns hat insbesondere Ihre Mitteilung gefreut, daß nun auch Ihr Haus zu der von der Arbeitsgruppe der CDU/CSU eingebrachten Forderung nach einem besseren und früheren Informationsfluß steht. Weiterhin ist es sehr positiv, daß Sie die jetzt etwa seit zwei Jahren kursierende These eines „Marshallplans" ablehnen.
Zur Frage Schuldenerlaß haben wir vernommen, daß Sie dafür sind, aber nur nach Prüfung im Einzelfall. Hierzu ist von uns anzumerken, Herr Minister, daß die Ergebnisse der UNCTAD-Schuldenkonferenz entwicklungspolitisch außerordentlich problematisch waren. Wir haben ernste Vorbehalte gegen eine Entwicklungshilfe, die unabhängig von der jeweiligen Rentabilität der Projekte unterschiedslos geschenkweise als verlorener Zuschuß vergeben würde. Wir hätten weiterhin ernste Vorbehalte gegen Schuldenstreichungen, die die bisherigen Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer nicht in Rechnung stellen. Die Entwicklungsländer sowie die an der UNCTAD-Schuldenkonferenz beteiligten Länder waren bis heute nicht der Lage, klare Kriterien für die künftige Handhabung von Schuldennachlässen vorzulegen. Wir hoffen, daß wir nach Ihren Darlegungen hier mit Ihnen einiggehen können. Aber erst die Praxis, Herr Minister, wird beweisen, ob wir wirklich auf der gleichen Fährte sind.
Nun zum Bericht, den wir heute hier zu diskutieren haben. Hier lesen wir in der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesrepublik Ziele und Grundsätze deutscher Entwicklungspolitik. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich den Kernsatz zitieren:
Die Bundesregierung strebt im Einklang mit dem Strategie-Dokument der Vereinten Nationen als Ziel für die Zweite Entwicklungsdekade die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts der Entwicklungsländer in einem System weltweiter Partnerschaft an, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung in diesen Ländern zu verbessern.
Nun finden wir zu Anfang des dritten Berichts zur Entwicklungspolitik eine Konfrontation: Wir lesen da, daß sich die Lücke im Pro-Kopf-Einkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern nicht verringert hat, daß sie, relativ gesehen, gleich geblieben, absolut sogar weiter gewachsen ist. Aber in dem Bericht wird keine hinreichende Erklärung dieser Entwicklung gegeben. Ebenso werden andere Probleme wie die des starken Bevölkerungswachstums, der stagnierenden Nahrungsmittelversorgung, der hohen Arbeitslosigkeit sowie der enormen Einkommensdisparitäten nur beschrieben, ohne daß Ansätze politischer Entscheidungsalternativen formuliert werden.
Die Beschreibung der Probleme und Entwicklungen ist zwar eine notwendige, aber bei weitem noch keine hinreichende Aussage eines Berichts zur Entwicklungshilfe. Der Beschreibung der Tatbestände müßte eine klare Konfrontation mit den ursprünglichen Zielsetzungen folgen. Der Bericht ergibt nur dann einen Sinn, wenn er einen konsequenten Soll-Ist-Vergleich enthält und darüber hinaus auch die Ursachen der Soll-Ist-Abweichungen analysiert. Schließlich muß ein derartiger Bericht auch noch klare Vorschläge zu alternativem politischen Handeln enthalten.
Was aber den vorliegenden Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik angeht, so wird er diesen Anforderungen nicht einmal im Ansatz gerecht.

(Werner [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Die Ursache für diesen Mangel sehe ich in der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesregierung begründet, deren Zielsetzungen unpräzise und verschwommen formuliert sind, so daß eine Operationalisierung der Ziele und damit verbunden eine Überprüfung der Zielerreichung sehr stark erschwert oder unmöglich ist.

(Werner [CDU/CSU] : Von der Konzeption zur Konfusion!)

Die Lösung des zentralen Problems der Armut der breiten Masse bedarf aber in Zukunft eines globalen und integrierten Ansatzes und kann nicht weiter durch isolierte und unverbundene Programme angestrebt werden.

(Werner [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Bei der Erstellung eines derartigen Konzepts ist insbesondere auf die Interdependenz der einzelnen



Höffkes
gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bereiche zu achten. Im Bericht fehlt aber — von der Grundbedürfnisstrategie-Diskussion abgesehen -jeglicher Hinweis auf ein derartiges Konzept. Selbst die Grundbedürfnisse sind im Bericht nur unzureichend angesprochen. Man vermißt hier eine klare Operationalisierung beziehungsweise ,Quantifizierung. Die Union würde sich eine solche ohne sozialistisch-planwirtschaftliche Umverteilungsstrategie wünschen, die es ermöglichte, an Hand klar formulierter Ziele deren Erreichen oder auch Nichterreichen zu prüfen. Mit Wendungen wie folgender — ich zitiere —: „Auch die Möglichkeit, ein geregeltes Arbeitseinkommen zu erzielen, ist hier zu nennen", wird allerdings kein Beitrag zu einer wirkungsvollen operationalen Definition der Grundbedürfnisse geleistet.
Auch trägt der Bericht den weitergehenden Zielen der Entwicklungsländer nicht Rechnung. Für die Entwicklungsländer ist nämlich die Befriedigung der Grundbedürfnisse nur ein Teil der Gesamtentwicklung.
Im Bereich der Landwirtschaft werden im Bericht zwar fleißig Ziele und Aufgaben formuliert. Was aber fehlt, ist eine Analyse der Ursachen, warum die von den Vereinten Nationen geforderte jährliche Wachstumsrate der Agrarproduktion um 4 % nicht erreicht wurde. Das Problem der Notwendigkeit der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion wird im Bericht zwar angesprochen, aber bei weitem nicht befriedigend behandelt. So heißt es beispielsweise im Bericht — ich zitiere —:
Auf der Welternährungskonferenz hat die Bundesregierung daher die Meinung vertreten, daß dieses gewaltige Nahrungsmitteldefizit in erster Linie durch eine Steigerung der Agrarproduktion in den Entwicklungsländern selbst beseitigt werden muß.
Eine klare Festlegung auf bestimmte Ziele wird man aber in der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesregierung wie auch im Bericht vergeblich suchen.
Der Bericht schweigt sich auch darüber aus, wie die Kleinbauern auf dem Weg zur Erreichung einer Produktivitätssteigerung unterstützt werden sollen und wie ihnen vor allen Dingen auf der Vermarktungsstufe besser geholfen werden kann. In diesem Zusammenhang gibt der Bericht auch keinen Hinweis auf die Notwendigkeit von sogenannten Selbsthilfegruppen, die im Vermarktungsprozeß als hinreichend starke Verhandlungspartner auftreten könnten.
Ebenso wie die Selbsthilfegruppen werden aber auch die nichtstaatlichen Stellen, unter anderem die politischen Stiftungen und die Kirchen, im Bericht stark vernachlässigt. Dies müßte aber im Hinblick auf Gleichbehandlung, Durchsichtigkeit und Vergleichbarkeit zukünftig geändert werden. Es geht einfach nicht an, daß man die Arbeit dieser Gruppen nur mit einem knappen und lapidaren Hinweis auf ihre Wichtigkeit für die entwicklungspolitischen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland erwähnt.
Weite Teile des Berichts sind von geradezu realitätsfernen Harmonievorstellungen geprägt. So findet man allenfalls Hinweise, jedoch niemals Ausführungen zu den Spannungen im Verhältnis von Agrar- und Entwicklungspolitik oder auch zu der Mittelmeerpolitik. Der Verlauf des Nord-Süd-Dialogs wird in einer Weise geschildert, daß man auf äußerst ruhige und harmonische Verhandlungen rückschließen könnte. Dies entspricht aber auf keinen Fall den tatsächlichen Gegebenheiten.
Tatsache ist eben, daß bei der Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit — KIWZ — bei UNCTAD IV und der gescheiterten, zwar erst nach Abschluß des Berichts liegenden UNCTAD-Nachfolgekonferenz vom November 1977 sehr tiefgreifende und kaum überbrückbar erscheinende Meinungsverschiedenheiten aufgetreten sind. Dies findet kaum Eingang in den vorliegenden Bericht. Gerade ein solcher Bericht müßte aber die Konfliktlandschaft zwischen den Handlungen der Bundesrepublik und den Interessen der Entwicklungsländer darlegen. Der sich anbahnende Nord-
Süd-Konflikt innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wird erst gar nicht angesprochen, geschweige denn erörtert.
Der Bericht kommt auch den Kritikern der multilateralen Entwicklungshilfe entgegen, denn anstatt über diesen Bereich, der immerhin ein Drittel der öffentlichen Leistungen ausmacht, aufzuklären, fließen hier die Informationen nur spärlich; solange aber notwendige Informationen über diesen Bereich zurückgehalten werden und auch keine Bekanntgabe der Effizienz dieser Leistungen erfolgt, werden die Kritiker an der Ausweitung der multilateralen Maßnahmen bestärkt. Es scheint aber, daß die Kritiker recht behalten. Herr Kollege Dr. Kunz wird nachher noch einiges dazu ausführen.
Noch eine Schwäche des Berichts. Es erfolgt an keiner Stelle eine Konkretisierung dessen, was unter den integrierten Programmen in der entwicklungspolitischen Konzeption verstanden wird. Zumindest vom Bericht sollte man eine inhaltliche Ausgestaltung des Problems erwarten können. Das Schweigen des Berichts zu den integrierten Programmen kann daher nur als Ratlosigkeit oder Uneinigkeit über diese Ansätze interpretiert werden.
Da in der Frage der Rohstoffstabilisierungsfonds bei der SPD und auch bei der FDP stets die Rede davon ist, daß diese Lösung den Interessen der Entwicklungsländer am besten gerecht würde, möchte ich die Wertneutralität und Selbstlosigkeit der verschiedenen Aussagen klarstellen. Die Union bekennt in dieser Frage, daß jegliche Form der Entwicklungshilfe — gewollt oder ungewollt — einen Eingriff in die inneren Strukturen eines Entwicklungslandes bedeutet. In ihrer entwicklungspolitischen Konzeption führt sie aus: „Entwicklungspolitik ist nicht wertneutral."
Sowohl die SPD wie auch die Bundesregierung verwickeln sich in dieser Frage in heillose Widersprüche. So beschloß die SPD auf dem Mannheimer Parteitag:



Höffkes
Sozialdemokratische Entwicklungspolitik geht aus von den Grundwerten des Godesberger Programms. Sie respektiert die Freiheit jedes Volkes, seinen eigenen Weg zu gehen.
Andererseits fodert aber gerade jenes Godesberger Programm:
Ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung muß von den Ideen des demokratischen Sozialismus erfüllt werden, damit sie nicht neuen Formen der Unterdrückung verfallen.
Diese letzte Aussage birgt den sattsam bekannten Absolutheitsanspruch der SPD in sich, der bedeutet, daß alle anderen politischen Formen außer dem Sozialismus notwendig einen Rückfall in neue Formen der Unterdrückung zur Folge hätten.
Die von missionarischem Sendungsbewußtsein geprägte SPD, die offensichtlich den Entwicklungsländern den demokratischen Sozialismus nolens volens überstülpen will, versucht, diese Absicht in ihrem Grundsatzprogramm wenige Zeilen vorher zu verschleiern. „Die Entwicklungsländer haben Anspruch auf großzügige und uneigennützige Hilfe", heißt es dort. Wie kann aber eine Politik, die den Sozialismus als alleinseligmachende Lehre verbreitet, mit dem Anspruch der Uneigennützigkeit auftreten?
Ähnliche Probleme hat die Bundesregierung, wenn sie im Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik ausführt: „Es ist Sache der Entwicklungsländer, ihre innere Ordnung in eigener Verantwortung selbst zu bestimmen." Gleichzeitig werden von ihr aber militante Befreiungsbewegungen und gewalttätige Terrororganisationen unterstützt. Im angesprochenen Bericht wird man allerdings vergeblich nach einer Stellungnahme zu dieser Problematik suchen.
Auch die Frage des Eigeninteresses zur Entwicklungspolitik sollte erörtert werden. Untersucht man die Aussagen auf diesen Gesichtspunkt hin, so wird man feststellen, daß Aussagen zur eigenen Interessenlage elegant umschifft werden. Weder im Leitantrag der SPD noch im Memorandum der neun SPD-Bundestagsabgeordneten wird hierzu eine Aussage gemacht.
Redlicher ist in dieser Frage allerdings die Bundesregierung, die in der These 20 der „Gymnicher Thesen" formulierte:
Die Bundesregierung wird sich bemühen, das Interesse an einer Sicherung der Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft mit den Interessen der Entwicklungsländer nach Steigerung ihrer Ausfuhren und einem Ausbau der Rohstoffverarbeitung in Einklang zu bringen.
Inwieweit diese vom Bundeskabinett am 9. Juni 1975 verabschiedeten Thesen heute noch gültig sind, ist allerdings fraglich.
Eine klare und ehrliche Formulierung der eigenen Interessen nehmen dagegen die CDU und die CSU vor. In der „Entwicklungspolitischen Konzeption der CDU" heißt es beispielsweise:
Im eigenen wie auch im Interesse der Entwicklungsländer ist die Bundesrepublik Deutschland existentiell an einer freien und sozialen Weltwirtschaftsordnung interessiert. Daneben gilt das Interesse unserer Außenwirtschaftspolitik der Sicherung des Energie- und Rohstoffbedarfs.
Ebenso eindeutig ist die Aussage zum Problem der
eigenen Interessen im Grundsatzprogramm der CSU:
Leistungen der Entwicklungshilfe sollen im Einklang mit unseren Interessen stehen.
Die Unionsparteien formulieren damit im Gegensatz zur SPD das Vorhandensein eigener Interessen wesentlich aufrichtiger und versuchen nicht, sich mit Beteuerungen der Uneigennützigkeit an der Frage der eigenen Interessenlage vorbeizumogeln.
Ein zwar häufig angesprochenes, aber dennoch nicht gelöstes Problem stellt die Frage der Schwerpunktbildung in der Entwicklungshilfe dar. Daß die entwicklungspolitische Zusammenarbeit nicht nach dem Gießkannenprinzip durchgeführt werden kann, wird zwar im SPD-Leitantrag angeführt. Es werden aber keine Lösungsvorschläge unterbreitet.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Das ist oft so!)

In gleicher Weise verspricht die Bundesregierung in ihrem Dritten Bericht:
Die Bundesregierung wird darin fortfahren, Schwerpunkte bei der Zusammenarbeit mit, Entwicklungsländern zu bilden.
Dem gleichen Bericht kann man aber wenige Seiten später entnehmen, daß die Zahl der Empfängerländer im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit 51 Länder und im Rahmen der technischen Zusammenarbeit 73 Länder beträgt.
Ebenso wie die Schwerpunktbildung ist auch die Frage der Effizienz der entwicklungspolitischen Leistungen unabdingbare Voraussetzung für eine sinnvolle entwicklungspolitische Zusammenarbeit.
Ich bin der Meinung, wenn sinnvolle und für die Entwicklungsländer glaubwürdige Entwicklungspolitik betrieben werden soll, dann bedarf es klarer und unzweideutiger Aussagen und Weisungen auch des Ministers, die wir mit allem Nachdruck fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem neuen Minister und seinem Haus bereit, selbstverständlich unter Wahrung unseres Auftrags als Opposition, der in der Prüfung und Kontrolle der Regierungsarbeit besteht und zu der wir unsere eigenen Vorstellungen einbringen wollen und müssen. Wir halten es für unsere Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß auch im Bereich der Entwicklungshilfe wieder Politik gemacht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810028000
Meine Damen und Herren, es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt noch angemeldete Redezeiten von über zwei Stunden vor. Ich wäre dankbar, wenn sich der einzelne wenigstens innerhalb dieser Zeiträume hielte, sonst



Vizepräsident Frau Funcke
würde es uns nicht mehr gelingen, am Sommeranfang über die Sommerzeit zu sprechen.
Das Wort hat Herr Vohrer.

Dr. Manfred Vohrer (FDP):
Rede ID: ID0810028100
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Sinn der heutigen Debatte ist es sicherlich nicht, Zahlenwerke und Statistiken zu ergänzen. Ich verstehe die heutige Debatte auch nicht als eine Veranstaltung des Schulterklopfens für die Regierung. Es geht mir vielmehr darum, kritische und konstruktiv gemeinte Anregungen des Parlaments an die Regierung hier in die Debatte einzubringen. Daß die Regierung Kritik verträgt, hat sie meiner Ansicht nach schon dadurch gezeigt, daß sie auch Filme wie „Verarmungshilfe" als konfliktreichen Diskussionsstoff hier in die entwicklungspolitische Diskussion einbringt.
Der Dritte Bericht zur Entwicklungshilfe gibt uns auch die Möglichkeit, die Rolle, die wir als Partei, als Fraktion, als Parlament wahrnehmen, und die Ziele, die wir dabei verfolgen, in der Auseinandersetzung mit der Regierung darzustellen, die sagen muß, was für sie das Machbare ist, wohingegen wir in stärkerem Maße das von uns Wünschbare hier darlegen können. Aber er gibt auch den einzelnen Parteien Gelegenheit, die Konzepte auf den Tisch zu legen und hier zur Diskussion zu stellen.
In dem Dritten entwicklungspolitischen Bericht macht die Bundesregierung deutlich, um welche Grundsätze der Entwicklungspolitik es ihr geht. Es war nicht verwunderlich, daß der Kollege Todenhöfer einmal mehr — zwar mit neuem Ton, aber, doch immer wieder — den alten Vorwurf der Konzeptionslosigkeit vorbringt. Herr Todenhöfer, wenn ich Sie über Konzepte reden höre, habe ich manchmal den Eindruck, Sie haben ein Lehrbuchschema vor sich, wo es ein Oberziel, dann aufgeteilte Unterziele und danach die einzelnen Maßnahmen gibt, wobei sich gute Politik dadurch auszeichnet, daß sich der Katalog und die Maßnahmen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg nicht verändern. Das ist dann wohl eine qualitativ gute Entwicklungspolitik, wenn solche Kontinuität über Jahre und Jahrzehnte hinweg erkennbar bleibt.
Ich würde sagen: die Ziele der Entwicklungspolitik, Frieden zu sichern und dazu beizutragen, daß die internationale Einkommensverteilung gerechter wird, sind geblieben. Aber alle anderen Teilziele, die nachgelagert sind, unterliegen einer gewissen zeitlichen Wertung, die keineswegs nur von uns binnenwirtschaftlich oder aus nationalen Überlegungen heraus verändert werden, sondern auch aus der Sicht der Dritten Welt einer laufenden Veränderung unterliegt.

(Beifall bei der SPD)

Lange Zeit stand die Entwicklungshilfe im Vordergrund. Dann ging es darum, die Handelspolitik stärker ins Zentrum zu rücken. Die Entwicklungsländer haben die Industrialisierung, die Diversifizierung gefordert und sehr markige Ziele aufgestellt. Zu Beginn der 70er Jahre war es dann die Währungspolitik, die als ein zu veränderndes System angesehen wurde. Der Weg von Bretton Woods nach Jamaika war keineswegs einfach.
Jetzt ist es die Rohstoffpolitik, die uns von seiten der Dritten Welt als vorrangiges Ziel vorgegeben wird. Daß wir auch eigene Ziele haben, daß wir Entwicklungspolitik auch aus unserer Sicht betreiben, macht deutlich, daß die Summe der Maßnahmen sowohl Einflüsse von außen als auch innere Entwicklungen zu berücksichtigen hat. Deshalb muß zwangsläufig jede Konzeption eine gewisse Dynamik der Ziele aufzeigen. Es ist sehr gut, daß der Bericht die Elemente einer sich weiter entwickelnden Konzeption deutlich macht.
Daß uns dabei nicht alle Elemente erfreuen können und vor allen Dingen die Entwicklung einer Maßnahme nicht erfreuen kann, zeigt das Beispiel der 0,7-%-Zielsetzung für öffentliche Entwicklungshilfe, die derzeit mit einem Satz von unter 0,3 % für uns alles andere als akzeptabel erscheint.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Mickrig!)

Aber da sind sich doch alle drei Fraktionen in dem Hause einig. Da geht es doch um die Schlachtordnung, daß wir uns als Entwicklungspolitiker im Parlament gegenüber dem Haushalt und all den anderen Leuten, die die Entwicklung und die Politik mitbestimmen, durchsetzen können. Da sollten wir zusammenstehen und es hier nicht in Form gegenseitiger Kritik darstellen.
Es geht um eine klare Strategie, wie wir mittelfristig im Haushalt die Steigerung der Entwicklungshilfe verankern können. Japan hat zwischenzeitlich mit einem Entwicklungsplan für die öffentliche Entwicklungshilfe ein Beispiel gesetzt. Wir sollten dem nacheifern. Aber wir sollten auch die Aufforderung an das BMZ richten, daß solche erweiterten Haushaltsansätze, wie sie jetzt schon durchgesetzt wurden, dann auch so verwaltet werden, daß sie ihr Ziel und ihren Zweck in vollem Umfang erreichen.

(Werner [CDU/CSU]: Aha, das haben sie wohl bisher Ihrer Meinung nach nicht?)

— Herr Werner, wenn Sie das sagen, dann kommt natürlich auch dazu, daß wir die personellen Konsequenzen insofern ziehen müssen, als dem größeren Mittelvolumen auch ein Mehr an Verwaltungsaufwand entspricht. Dann müssen wir auch .das Ministerium, ,die GTZ und all die Institutionen, die mit der Verwaltung der Mittel beauftragt sind, in die Lage versetzen, daß die Mittel auch abfließen können. Da sind Sie mit in der Verantwortung, daß Sie in den verschiedenen Gremien, in denen die Entscheidungen getroffen werden, auch mit dafür Sorge tragen, daß wir die Politik durchsetzen können und die verstärkten Mittel auch an den Zielort bringen.
Wenn wir dabei sind, einige Punkte zu kritisieren, an denen Versprechen nicht gehalten wurden, ist der Weg vom Ziel der 0,7 % zum Schuldenerlaß sehr kurz. Die Bundesregierung hat sich nach der UNCTAD-Konferenz in Genf als Vertreterin einer großzügigen Nation feiern lassen, indem sie nach Einzelfallprüfung einen Schuldenerlaß für die ärmsten Länder dieser Welt in Aussicht stellte und zukünftig Kapitalhilfe an diese Länder nur noch in Form von Zuschüssen gewähren will.
Zwischenzeitlich gibt es zweieinhalb Fälle, in de. nen das praktiziert wurde: den Sudan, Malawi und



Dr. Vohrer

(des Prüfens verbleiben, sondern daß hier Ankündigungen wahrgemacht werden. Vor allem wenn davon geredet wird, daß damit ein Haushaltsausfall von 80 Millionen DM jährlich verbunden ist, sollte einfach dazugesagt werden, daß der nur dann eintritt, wenn die Ankündigungen auch durchgehalten und realisiert werden. Ebenfalls im Rahmen der UNCTAD finden die Gespräche über den Technologietransfer statt, bei denen es darum geht, einen Verhaltenskodex für den Technologietransfer zu finden. Ich möchte von dieser Stelle aus sagen, daß die Entwicklungsländer dabei weniger auf die formatrechtliche Seite, auf die Rechtsverbindlichkeit eines solchen Kodex achten als vielmehr Gewicht darauf legen sollten, wie die praktizierte Kooperation aussieht. Der Bericht weist zu Recht darauf hin, daß im reinen Kopieren der Technologien der Industrieländer für die Entwicklungsländer oftmals eine erhebliche Gefahr liegt. Es geht nämlich nicht darum, daß wir die Möglichkeit schaffen, daß unsere Technologie in der Form, wie wir sie hier anwenden, für die Entwicklungsländer zugänglich gemacht wird, sondern darum, Technologie für die Entwicklungsländer zu entwickeln. Ich erinnere mich daran, wie wir mit unserem Kopieren ,des US-Modells erhebliche Fehlentwicklungen in diesem Lande verursacht haben, und komme zu dem Ergebnis, daß wir den Entwicklungsländern in bezug auf den Technologietransfer sehr rechtzeitig den Hinweis geben sollten, daß unser Entwicklungsmodell — das „Modell Deutschland" jetzt in bezug ,auf die Technologie nicht immer das für 'die Dritte Welt Ideale sein muß. Lassen Sie mich kurz bei dem Stichwort „angepaßte Technologie" verweilen. Wir sollten draußen deutlich machen, daß wir niemanden zum Spinnrad zurückziehen wollen, daß wir von den anderen nicht fordern, daß sie den Umweg über die Dampfmaschine machen. Aber wir sollten auch deutlich machen, daß es bei angepaßter Technologie und Technologietransfer nicht darum geht, in den Ländern der Dritten Welt den jeweils letzten Stand zu verwirklichen, den wir unter dem Rationalisierungsdruck und unter dem Druck hoher Löhne verwirklichen. Das kann kein Patentrezept für die Entwicklungsländer sein, denn bei uns ist die technologische Entwicklung immer nur dann verständlich, wenn man die Knappheitsrelation zwischen Kapital und Arbeit im Hintergrund sieht. Für jede einzelne Investitionsentscheidung sind solche Preisrelationen von Bedeutung. Dann, wenn man aber die Lohnhöhe in den Entwicklungsländern sieht, wird ganz deutlich, ,daß der Rationalisierungsdruck in diesen Ländern nicht vergleichbar ist. Einige falsche Wege, die wir eingeschlagen haben und durch technologische Ansätze verbessern sollten, liegen darin, daß wir Technologien mit verschwenderischem Verzehr von Rohstoffen und Energien in der Dritten Welt erst gar nicht einführen sollten und daß wir auch auf die Umweltfolgekosten der Technologien in der Dritten Welt hinweisen sollten. Ich sehe da sehr gute Ansätze in der Zusammenarbeit der Forschungspolitik zwischen dem BMFT und dem BMZ, so wie sie jetzt praktiziert wird, wobei es mir darauf ankommt, daß wir auch deutlich machen, daß Forschung nicht Selbstzweck ist, sondern der entwicklungspolitische Aspekt den Vorrang haben muß. Hier sind wir als Entwicklungspolitiker gefordert, neue Technologien für die Entwicklungsländer vorwärtszubringen. Ich denke insbesondere an die Meerwasserentsalzung, an Bewässerungsprojekte mit Windantrieb, an die Substitution von Ö1 durch solare Energien oder an Verkehrssysteme, die verhindern, daß in den Entwicklungsländern energieintensiver Individualverkehr aufgebaut wird. Das alles sind Ansätze, mit denen wir dazu beitragen können, daß durch entsprechende technologische Anreize, durch entsprechende technologische Möglichkeiten, die wir anbieten, in den Entwicklungsländern der Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie nicht in dem Maße auftreten muß, wie .er sich bei uns jetzt zeigt. Ich leite daraus auch drei Forderungen und drei Thesen als ökologische Aspekte der Entwicklungspolitik ab. Erstens bin ich der Ansicht und glaube, daß nur ein intakter Naturhaushalt die Voraussetzung für ein langfristiges Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern schaffen kann und nur ein intakter Naturhaushalt die Möglichkeit gibt, daß in den Entwicklungsländern langfristig unsere Hilfe auch Hilfe zur Selbsthilfe wird. Ich bin zweitens der Auffassung, daß ressourcenverschwendende Strukturen in den Entwicklungsländern gar nicht erst aufgebaut werden, und drittens, daß Umweltbelastungen nicht von Industrieländern in Entwicklungsländer exportiert werden dürfen, indem wir die Industrien, die uns hier wegen der Umweltbelastung unbequem werden, indem wir Produktionen, die Kosten im Umweltbereich erdulden müssen, auf Grund der anderen Gesetzgebung in Entwicklungsländer abschieben. Hier sollten alle Fraktionen zusammenstehen, um solche Entwicklungen zu Lasten der Dritten Welt nicht zuzulassen. Wenn ich mich hier mit der Frage auseinandersetzen muß, ob dies nicht Einmischung bedeuten würde, dann würde ich ganz offen sagen: Zu einer solchen Art der Einmischung, die wir nicht aus egoistischer, sondern altruistischer Motivation betreiben, sollten wir auch stehen, zumal wir den Nachweis liefern können, daß wir den Entwicklungsländern damit falsche Entwicklungswege ersparen. Mit dem Technologietransfer verbunden sind Industrialisierung und Differenzierung. Hier wird es schwer sein, die Zielsetzung der Dritten Welt, die auf der UNIDO-Konferenz in Lima formuliert wurde und die darauf hinzielt, 25 % der WeltindustrieproDr. Vohrer duktion in Entwicklungsländern zu erzielen, zu erreichen. In absehbarer Zeit ist das Ziel zwar nicht erreichbar, doch könnte über die Strategie der Rohstoffpolitik, die derzeit eingeschlagen wird, ein erster Schritt in diese Richtung getan werden. Ich gehe auf die aktuelle Politik der GATT-Verhandlungen nicht näher ein; wir haben an anderer Stelle in diesem Hause noch einmal die Möglichkeit, hierüber zu diskutieren. Aber ich halte es für richtig, daß wir nicht nur eine allgemeine Zollsenkung auf dem Grundsatz der Reziprozität im GATT diskutieren, sondern den Entwicklungsländern einseitige Präferenzzölle einräumen, um zu verhindern, daß sie sich über eigene Wirtschaftsregionen vom Welthandel abspalten. Wir selbst haben uns in der entsprechenden Zeit über Schutzzölle die notwendigen Möglichkeiten der industriellen Entwicklung verschafft. Wir sollten deshalb nicht die andere Seite zu solchen Kampfmaßnahmen zwingen, sondern unsererseits ein Angebot machen. Eine einseitige Zollpräferenz ist ein solcher Schritt, der sicherlich auch von seiten der Dritten Welt honoriert wird. Daß das möglich ist, haben wir im Rahmen der EG mit den AKP-Staaten bewiesen. Die neue Weltwirtschaftsordnung mit dem Ziel, internationale Wohlstandsverteilungen gerechter zu machen, wird oftmals fälschlicherweise mit der Maßnahme der Durchführung des integrierten Rohstoffprogramms und des gemeinsamen Fonds gleichgesetzt. Die neue Weltwirtschaftsordnung ist die Summe all der Überlegungen, die ich bisher vorgetragen habe, und der rohstoffpolitischen Überlegungen. Wenn heutzutage von seiten der Dritten Welt so einseitig die Überlegungen der Rohstoffabkommen nach vorn geschoben werden, dann zeigt dies, daß sich die Dritte Welt von der Konzeption entscheidende Verbesserungen erwartet, wobei der Kern des Ansatzes die Preisstabilisierung und die Preiserhöhung für die entsprechenden Rohstoffe ist. Gerade der letzte Punkt wird schwierig durchsetzbar sein, aber es wird jetzt darauf ankommen, daß sich die Industrienationen, die im Grundsatz dem Konzept zugestimmt haben, sich jetzt darauf einigen, wie die Ausgestaltung der Instrumente vorzunehmen ist. Von dem Bericht hätte ich erwartet, daß er mehr Details über die Ausgestaltung bringt; denn mit dem Ja zu dem Prinzip ist es nicht getan. Jetzt kommt es darauf an, deutlich zu machen, daß der Rahmen für uns nur akzeptabel ist, wenn z. B. die produktspezifischen Eigenschaften für Einzelabkommen gewährleisten, daß ein solches Abkommen auch funktionieren kann. Wenn solche Abkommen geeignet sind, die Sicherheit der Versorgung mit Rohstoffen zu verbessern, und wenn gewährleistet ist, daß die Abkommen nicht als politisches Druckmittel verwendet werden. Für uns ist auch — die FDP hat dies in ihren Thesen zur Dritten-Welt-Politik deutlich gemacht — entscheidend, daß die Preisfestsetzung in solchen Abkommen nicht gegen die Marktmechanismen erfolgen kann. Dadurch sind solche Abkommen letztlich „marktwirtschaftlicher" als die jetzige EG-Agrarmarktordnung. Für Liberale ist auch entscheidend, daß die Entscheidungsgremien der Abkommen gleichgewichtig die Erzeugerund Verbraucherinteressen zum Ausdruck bringen, und für uns ist wichtig, daß der gemeinsame Fonds nicht zu einer Weltrohstoffbehörde wird, sondern daß dort ein Finanz-Pooling stattfindet und daß in einem zweiten Fenster — darüber kann man diskutieren — rohstoffspezifische oder handelsspezifische Maßnahmen durchgeführt werden. Herr Todenhöfer, das ist genau Ihr Irrtum: Sie sagen zu all den Maßnahmen nein, und wir haben zum Grundsatz ja gesagt. Wenn Sie hier sagen, Graf Lambsdorff sein anderer Meinung, ist das nicht so. Hier geht es jetzt darum, Initiativen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu entwickeln, wogegen Ihr Nein genau jene Stagnation, jenes Nichtvorankommen bedeutet, das Sie hier kritisieren. Wir werden intensiv daran mitarbeiten, die neue Weltwirtschaftsordnung auszufüllen. Vielleicht darf ich am Schluß noch ein Zitat bringen. Ihre Verwirrung in dieser Frage ist ungeheuer. Der Kollege Dr. Hüsch schreibt im „DeutschlandUnion-Dienst", daß den FDP-Thesen jegliches Neue fehlt, daß es eine Übereinstimmung zwischen den 19 Thesen und der zwei Jahre älteren entwicklungspolitischen Konzeption der CDU gebe. Anschließend stellen Sie fest, in den entscheidenden Punkten würde diese neue Weltwirtschaftsordnung zu einem sozialistischen System führen und distanzieren sich davon. Ich möchte wirklich darum bitten, daß Sie in Ihren Reihen jene kontroversen Meinungen klären. Ich sehe in dem Bericht einen sehr willkommenen Anlaß, entwicklungspolitische Fakten und die entwicklungspolitische Meinung der Regierung vorgelegt zu bekommen, sie diskutieren zu können und die spezifischen Meinungen der einzelnen Parteien, aber auch die Meinungsunterschiede zwischen Parlament und Regierung hier zum Ausdruck zu bringen. Insofern halte ich die Arbeit, die dahinter steckt, für sehr verdienstvoll, und ich darf mich auch bei dem Ministerium und all den Mitarbeitern, die dies mit zustande gebracht haben, herzlich bedanken. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Werner. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Zwischenresümee läßt sich zweifelsohne für diese Debatte einiges Interessante feststellen. Denn, Herr Minister, wenn ich mir einmal das ins Gedächtnis zurückrufe, was der Kollege der SPD, Her Schluckebier, erklärt hat, was Frau Schuchardt vorsichtig angedeutet hat, was wir hier vorgetragen haben, so läßt sich zweifelsohne doch eines sagen: daß der entwicklungspolitische Bericht zumindest nicht die Ansprüche und berechtigten Erwartungen erfüllt hat, die wir alle, die Werner wir uns hier in der Entwicklungspolitik engagieren, hegen konnten und durften. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich, da ich, Herr Vohrer, kein Techniker bin, mit rein technischen Dingen der Entwicklungspolitik hier nicht auseinandersetzen. Ich möchte mich den politischen Aspekten zuwenden und zurückgreifen auf jenen Teil des Berichts, der sich da nennt: „Die Entwicklungspolitik als ein Teil der Gesamtpolitik". Denn, meine Damen und Herren, hierüber können wir nicht so einfach zur Tagesordnung hinwegschreiten, vor allen Dingen nicht vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen, die wir ja alle in diesem Hause immer wieder im Hinblick auf Afrika anzudiskutieren haben. Der entwicklungspolitische Bericht beschränkt sich da auf die sehr vereinfachte Formulierung, daß die Bundesregierung die Schaffung neuer Einflußzonen generell ablehne, daß sie für den notwendigen Wandel im südlichen Afrika und anderswo mit friedlichen Mitteln eintrete. Abgesehen von dieser sehr allgemeinen Formulierung ist nichts, aber auch gar nichts darüber zu lesen, was denn die Staatshandelsländer, die COMECON-Staaten, in Afrika und anderswo entwicklungspolitisch tun bzw. was sie nicht tun. Da findet sich dann allenfalls noch der gefällige Appell, die Staatshandelsländer sollten mehr Entwicklungshilfe leisten, aber nicht mehr und nicht weniger. Herr Minister, ich glaube, mit diesen platten Aussagen fällt dieser Bericht weit hinter die Ausführungen der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU im vergangenen Jahr zurück. In seiner Rede in Hamburg am 28. April dieses Jahres hat der Herr Bundeskanzler die COMECON-Länder und deren die internationale Lage verschärfende Waffenhilfe heftigst verurteilt. Er sprach dort sogar davon, diese Staaten müßten unter politischen und — wie er sagte — moralischen Druck gesetzt werden. Leider führte er nicht aus, was er sich unter einem derartigen Durck denn vorstellt. Ebensowenig erfüllte der Herr Bundeskanzler die berechtigte Erwartung, ein deutliches Wort darüber dem sowjetischen Staatschef Breschnew bei seinem Bonner Besuch zu sagen und auf die widersinnige COMECON-Entwicklungspolitik einmal hinzuweisen. Der Kanzler sprach allerdings erneut das Thema der östlichen Waffenund Entwicklungshilfe an die Dritte Welt in seiner Rede vor der UN-Sondergeneralversammlung für Abrüstung am 25. Mai an, aber wiederum nur sehr indirekt, ohne das Kind, d. h. die Urheber, die Lieferanten, beim Namen zu nennen, um dann flugs — wen, der den Herrn Bundeskanzler kennt, wundert es eigentlich? — nach der Rückkehr hier im Deutschen Bundestag seine sehr zahmen Ausführungen in New York vor den Vereinten Nationen hier zu heroischen Worten des Bekennertums gegenüber östlicher Waffenhilfe emporzustilisieren. So, Herr Schäfer, können Sie es nachlesen. Es fällt deswegen, meine Damen und Herren, dem aufmerksamen Betrachter auf, daß der Herr Bundeskanzler, Herr Kollege Schäfer, zwar in Hamburg und im Deutschen Bundestag markige Worte findet und zu Recht auf die Art der Entwicklungspolitik des Ostblocks hinweist, dann aber, wenn es darum geht, dem eigentlichen Adressaten die Dinge einmal deutlich in Gesicht zu sagen, nur sehr Unverbindliches von sich gibt. (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] )


(Zustimmung bei der FDP und der SPD)





(Beifall bei der FDP und der SPD)


(Zurufe von der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der SPD)

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810028200
Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0810028300




(Beifall bei der CDU/CSU)


(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Wie schön!)

— Herr Kollege Schäfer, ich erinnere nur an jene nachträglichen Streichungen in dem „Newsweek"-Interview, woraus deutlich hervorgeht, was eigentlich stattgefunden bzw. nicht stattgefunden hat.
Ich meine, es zeigt sich doch in allem — und darum geht es mir, Herr Kollege Schäfer —, daß diese Bundesregierung mit dem, was sie in dem Bereich der Entwicklungspolitik tut, mit einem beachtlichen Maß von Verzagtheit und, wie ich meine, falsch verstandener Rücksichtnahme gegenüber der Sowjetunion und ihren Satelliten im Hinblick auf deren Treiben in der Dritten Welt bisher vorgegangen ist und sich offensichtlich auch in Zukunft entsprechend verhalten wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Holtz [SPD])

Die Bundesregierung, Herr Kollege Holtz, hat bisher leider nicht nur nicht den Mut gefunden,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie so oft!)

die über das kommunistische Treiben in den Entwicklungsländern gewonnene Erkenntnis den Mächtigen im Ostblock konkret vor Augen zu führen, sondern sie hat es bisher auch nicht gewagt oder verstanden, ihre gewonnene Erkenntnis entschlossen und energisch in Politik umzusetzen.
Sie hat z. B. die in dem Dritten Bericht gemachte Ankündigung, auf der Belgrader KSZE-Nachfolgekonferenz gegenüber den COMECON-Ländern auch die Frage der Entwicklungshilfe anzusprechen, nicht wahrgemacht. Die Forderung ist meines Wissens gar nicht vorgetragen worden.
Deswegen müssen wir uns, so meine ich, die Frage stellen, ob auch im Bereich der Entwicklungspolitik die fundamentalen Interessen mit der notwendigen Energie seitens der Bundesregierung vertreten werden. Denn seit der Kolonialzeit hat keine fremde Macht mehr so direkt in die inneren Angelegenheiten der Staaten der Dritten Welt eingegriffen, wie dies zugegebenermaßen die Sowjetunion und ihre Satelliten systematisch tun.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und nicht nur dort!)

Dies verschweigt der Bericht leider gleichfalls. Dabei weiß doch jeder Betrachter der sowjetischen Politik, daß die UdSSR und ihre Satelliten die Entwicklungspolitik als eines der Kampfinstrumente ihrer weltweiten Politik gegen die westlich-demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung verstehen. Die Beiträge des Ostblocks zur Entwicklung der Dritten Welt werden primär unter dem Aspekt der Reduzierung des westlichen Einflusses in diesen Räumen gegeben. Außenpolitik und Entwicklungs-



Werner
politik stellen eben für den Ostblock eine untrennbare Einheit dar,

(Bindig [SPD] : Wollen Sie uns dieses Rezept auch noch geben?)

eine Politik mit dem Ziel, das da heißt: Weltrevolution. — Nun, Herr Bindig, ich will Ihnen die Weltrevolution nicht einreden. Ich bin der letzte, der das tun würde. Sie sind vielleicht eher in der Lage, zu sagen, wer da zuständig ist. Ich jedenfalls bin es nicht.
Auf dem Weg dorthin, in Richtung Weltrevolution, versuchen die kommunistischen Staaten, die Gesellschafts- und Staatsformen in der Dritten Welt in sozialistische bzw. kommunistische zu verändern.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Was ist denn Ihre Entwicklungspolitik?)

Und dazu benützen sie skrupellos die gegen den Westen in der Dritten Welt bestehenden Vorurteile. Mit Schlagworten wie Antirassismus, Antiimperialismus und Antikolonialismus verschleiern sie dabei ihre wahren Absichten und mißbrauchen die nationalen Befreiungsbewegungen für ihre ureigensten Ziele. Sie schüren regionale Konflikte, um in neuen Räumen politisch Fuß zu fassen und die westlichen Interessen zu schädigen bzw. zu verdrängen. Sie predigen im Welthandel lauthals Gerechtigkeit und beuten durch bilaterale Handelsvereinbarungen die Entwicklungsländer schamlos aus. Sie verfolgen eigennützig versorgungspolitische und globalstrategische Zwecke. Daher ist ihnen an einer echten weltweiten Entspannung im Wettbewerb mit den westlichen Ländern gar nicht gelegen. Es zeichnet sich leider bereits heute eine Verschärfung dieser Situation ab.
Ich meine, wir brauchen hier gar nicht mehr darüber zu diskutieren, ob wir die Problematik der Ost-West-Auseinandersetzung in die Dritte Welt hineintragen. Sie ist bereits mitten drin. Wir haben uns mit dieser Grundtatsache auseinanderzusetzen.
Der sich in oberflächlicher Deskription erschöpfende Bericht der Bundesregierung sagt nirgendwo aus, wie die Bundesregierung eigentlich quantitativ, qualitativ und und operationell dagegen, im Verein mit ihren Verbündeten, politisch vorgehen möchte. Der Not gehorchend, ist die Bundesregierung zwar heute zur Finanzierung der gemeinsamen afrikanischen Friedensstreitmacht bereit, doch ich frage mich, wie lange diese Bereitschaft andauern wird, nachdem Entwicklungspolitiker der SPD sich schon jetzt dagegen aussprechen.
Dank der Tätigkeit der östlichen Geheimdienste braut sich auf dem Untergrund unterlassener Reformen in Afrika, im mittleren Osten, in Süd-Ostasien wie auch in Lateinamerika eine politische Gewitterzone zusammen, die den freien Westen — so ist zu befürchten — vor bisher noch ungeahnte Probleme stellen wird. Hier müssen wir eben die Frage stellen, wie die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Freunden der Entstehung dieser drohenden Gefahren entgegenwirken will.
Ich glaube, daß wir gemeinsam mit unseren Verbündeten dazu in der Lage sind. Wir sind stark genug, uns diesen Veränderungen, die überwiegend von der Sowjetunion von langer Hand vorbereitet werden, entgegenzustemmen.
Meine Damen und Herren, die Erfolge des Ostblocks in der Dritten Welt lassen sich in der Vergangenheit nicht nur durch geschicktes Agieren des Ostens erklären, sondern auch durch die fehlende Übereinstimmung der Aktionen des Westens, durch den mangelnden Willen, den Umtrieben des Ostens in der Dritten Welt energisch entgegenzutreten.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Und der Wille ist dabei das Entscheidende!)

Daß dabei — wie Sie alle wissen — der Osten bisher nur einen Bruchteil der Mittel an Entwicklungshilfe aufgebracht hat, die der Westen — auch die Bundesrepublik Deutschland — geleistet hat, ist eine Binsenweisheit und bedarf nicht der näheren Darstellung. Daß die Konditionen der Kredite seitens des Ostens wesentlich härter und schärfer sind als die, die die Bundesrepublik und die westlichen Verbündeten geben, bedarf gleichsfalls nicht der näheren Ausführung.

(Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Worauf aber nachdrücklich hingewiesen werden muß, ist, daß es darum gehen muß — und nun darf ich wieder auf ein Wort des Herrn Bundeskanzlers rekurrieren —, Gegengewichte zu schaffen! Worauf es mir ankommt, ist die Beantwortung der offenen Frage, wie diese Gegengewichte ausschauen sollen, was sich der Herr Bundeskanzler, die Bundesregierung, darunter vorgestellt hat, was wir uns unter diesen Gegengewichten vorzustellen haben? Denn, meine Damen und Herren, die Lieferungen des Ostblocks — Waffen, militärisches Gerät, Zurverfügungstellung von Personal — sind unübersehbar. Eine kuwaitische Zeitung gibt allein für die vergangenen sechs Monate Waffenlieferungen aus dem Ostblock im Wert von 16 Milliarden DM an.
Ich meine, daß wir darauf in entsprechender Weise zu reagieren haben. „In entsprechender Weise" heißt nicht — ich möchte das von vornherein klarstellen —, daß wir uns gleichfalls auf dem Waffenmarkt zu tummeln hätten, sondern heißt, daß wir Mittel und Wege politischer und wirtschaftlicher Art zu finden haben, dem in entsprechender Weise entgegenzuwirken.
Wenn wir feststellen, daß sich die DDR in dreizehn afrikanischen Staaten militärisch engagiert hat, an sogenannter Solidaritätshilfe, die Waffenhilfe ist, allein an arabische und afrikanische Staaten jährlich ca. 200 Millionen DM ausgibt, dann müssen wir uns überlegen, in welcher Art und Weise wir in Zukunft — und zwar gezielter und massiver — als das bisher der Fall gewesen ist — an afrikanische Staaten, mit deren Regierungen und fundamentalen Interessen wir übereinstimmen, Entwicklungshilfe vergeben können.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU] : Prioritäten setzen!)




Werner
Herr Minister, leider schweigt sich der Bericht Ihres Hauses dazu gleichfalls aus. Ich meine, daß dieses alles noch der weiteren Diskussion im Ausschuß bedarf, und wir, die CDU/CSU, sind dazu — das wissen Sie — bereit.
Wir sind allerdings — darauf möchte ich nachdrücklich hinweisen — nicht bereit, uns in jedweder Form in ein Spielchen einzulassen, das in die Richtung läuft, auch Überlegungen anzustellen, Entwicklungshilfe an kommunistische Staaten zu vergeben. Da denkt man bereits an Kuba; da gibt es Überlegungen im Hinblick auf Angola und andere Staaten. Ich möchte hier eines klarstellen und noch einmal unterstreichen, was der Kollege Todenhöfer zu diesem Punkt bereits gesagt hat: Entwicklungshilfe an kommunistische Staaten, an Staaten, die sich in die offensive globale Strategie des Ostblocks einordnen, Entwicklungshilfe an Staaten, die Stützpunkte des internationalen Terrorismus und gewalttätiger Aktionen darstellen, kann es aus unserer Sicht prinzipiell nicht geben. Deswegen meinen wir, daß wir alle darauf ein wachsames Auge zu richten haben, daß wir in Zukunft endlich weniger mit Ideologie, als vielmehr unter Verfolgung der eigenen berechtigten, wohlbegründeten, fundamentalen Interessen unseres Volkes die Politik, auch die Entwicklungspolitik, gestalten!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0810028400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Junghans.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0810028500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern auf den Gegenstand der Beratung zurückkommen, nämlich die Entwicklungspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die Entwicklungspolitik — dies wird immer deutlicher — ist Friedenspolitik im umfassenden Sinne. Die Verhinderung kriegerischer Auseinandersetzungen ist eben nicht mehr ausschließlich die Aufgabe der auf „balance" bedachten Supermächte in Ost und West. Die ökonomischen Beziehungen der Industrienationen zu den Entwicklungsländern spielen hierbei eine hervorragende Rolle. Meine Damen und Herren von der Opposition, es hat überhaupt keinen Wert, überall die Konfrontation zu suchen, auch bei diesem Thema, denn dann hat man die Konfrontation auch.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Sie haben hier bedeutende Worte gesprochen, Herr Kollege Werner. Ich kann das umschreiben mit dem Titel: „Umtriebe des Ostens". Die Konfrontation ist in der Entwicklungspolitik das schlechteste Mittel überhaupt. Dies gilt auch für die ökonomische Seite, zu der ich die Ehre habe, in dieser Debatte sprechen zu dürfen. Entwicklungspolitik hat nicht nur eine moralische Seite, sie hat auch eine sehr wichtige wirtschaftspolitische Seite, die von erheblicher Bedeutung für die Bewältigung des Strukturwandels in unserer eigenen Wirtschaft und damit für die Beschäftigung auch bei uns selbst ist. Auch hier liegt die. Aufgabe nicht in der Konfrontation,
sondern in der Herausarbeitung von Gegenseitigkeiten und von Gemeinsamkeiten in den Interessen.
Unser Parteivorsitzender Willy Brandt hat im April dieses Jahres auf den Hamburger Wirtschaftstagen der Friedrich-Ebert-Stiftung gesagt — ich zitiere wörtlich —:
Entwicklungspolitik ist zu wichtig geworden, als daß man sie den Entwicklungspolitikern allein überlassen dürfte.
Deshalb — ich sage das mit etwas Ironie — bin ich auch dem Wunsche meiner Freunde aus der Entwicklungspolitik gern gefolgt, in dieser Debatte einen Beitrag zu den ökonomischen Fragen zu leisten.
Entwicklungspolitik ist in gleichem Maße Weltwirtschaftspolitik, umfassende Verteilungspolitik und über die Rohstoffpolitik ein Mittel zur Sicherung unserer eigenen Zukunft. Es besteht allerdings auch die Gefahr, daß wir diese Chancen verspielen. Die Unterschiede zwischen schon verhältnismäßig entwickelten und ganz armen Ländern, zwischen bevölkerungsreichen Staaten und Wüstenländern sowie zwischen Ländern verschiedener Gesellschaftsformen sind groß. Trotz dieser Gegensätze übt die Dritte Welt eine bemerkenswerte Solidarität. Sie bringt ihre Forderungen nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung mit mächtiger und einheitlicher Stimme vor. Die einzelstaatlichen Interessen der Industrieländer laufen demgegenüber bisweilen recht weit auseinander. Jedenfalls beherrscht die Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd um die Verteilung der Ressourcen und der Einkommen die Szene und überlagert mehr und mehr den alten politischen Gegensatz zwischen Ost und West. Herr Minister Offergeld wies bereits darauf hin.
Bis jetzt ist es in zahlreichen Konferenzen der Vereinten Nationen gelungen, die Konfrontation auf die Verhandlungen in den Sitzungssälen zu beschränken. Ich glaube, die Bemühungen der deutschen Bundesregierung und der persönliche Einsatz von Willy Brandt als Vorsitzendem der Nord-
Süd-Konferenz haben ein erhebliches Maß dazu beigetragen, daß der Dialog aufrechterhalten blieb und die Konfrontation in letzter Konsequenz vermieden werden konnte.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte deshalb der Bundesregierung, aber auch dem Vorsitzenden unserer Partei ausdrücklich für diese Bemühungen danken und sie auffordern, in diesen Bemühungen nicht nachzulassen.

(Zustimmung bei der SPD)

Denn eines sollten wir nicht aus dem Auge verlieren: Wenn es nicht gelingt, die Unterschiede im Lebensstandard — in der Debatte wurde ja darauf hingewiesen, und im Bericht stehen darüber auch ausführliche Zahlen — und in den Lebensbedingungen zwischen Nord und Süd allmählich einzuebnen, ist alles Tun umsonst. Dazu genügt es aber nicht — das sage ich mit allem Nachdruck —, dies auf Kongressen oder bei Sonntagsreden festzustellen, sondern man muß sich auch darüber im klaren sein, daß wir alle bereit sein müssen, hieraus auch einige bittere Konsequenzen für uns selber zu ziehen.



Junghans
Meine Bemerkungen richten sich deshalb im wesentlichen auch an die deutschen Produzenten und an die deutsche Wirtschaft. Die Entwicklungsländer verfügen heute erst über etwa 7 % der Weltindustrieproduktion. Im März 1975 — das ist hier auch schon erwähnt worden — haben sie sich in Lima zum Ziel gesetzt, im Jahre 2000 25 % der Weltindustrieproduktion zu erreichen. Ich will hier nicht über Prozentzahlen vor und hinter dem Komma streiten, aber eines scheint mir sicher zu sein: Wenn diese Zahl auch nur in etwa erreicht wird — und wer könnte den berechtigten Interessen der Dritten Welt hier widersprechen —, dann wird dies ganz massive Folgen für die industriellen Strukturen und einen starken Wandel der Wirtschaftsstruktur in Europa, in den Vereinigten Staaten, aber auch in den Ostblockstaaten haben, was häufig verschwiegen oder vergessen wird.
Die Entwicklungsländer sollten, ökonomisch richtig, zunächst diejenigen Wirtschaftszweige ausbauen, in denen sie natürliche Kostenvorteile uns gegenüber haben. Sie werden sich konzentrieren auf arbeitskräfteintensive, auf rohstoffintensive und technologisch relativ einfache Produktionen. Klassische Beispiele sind bei uns die Textilindustrie, Fertigungsbereiche der elektrotechnischen Massenerzeugnisse, neuerdings aber auch die Eisen- und Stahlindustrie.
Dies hat natürlich Konsequenzen für die Beschäftigung in den entwickelten Industrienationen. Nach einer Arbeit des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ist damit zu rechnen, daß bis 1985 in den deutschen Verbrauchsgüterindustrien fast ein Fünftel der Beschäftigten als Folge preiswerterer Importe aus Entwicklungsländern ihre Arbeitsplätze verlieren werden. Dies aber ist nur die eine Seite der Medaille.
Auf der anderen Seite gilt, daß die Entwicklungsländer durch ihre Industrialisierung zunehmend zu interessanten Absatzmärkten für die alten Industriestaaten werden und damit auf Grund ihrer wachsenden Aufnahmefähigkeit für höherwertige Erzeugnisse zur Arbeitsplatzsicherung in den Industriestaaten beitragen. Wir dürfen nicht vergessen: Schon heute kommt jede fünfte Mark, die wir im Exportgeschäft verdienen, aus einem Entwicklungsland.
Ferner sind z. B. die Fertigwarenexporte der Bundesrepublik Deutschland in die Entwicklungsländer mit einer Steigerung um absolut fast 15 Milliarden DM im Zeitraum von 1973 bis 1976 erheblich stärker gestiegen als die Einfuhren aus Entwicklungsländern mit einem Zuwachs von knapp 4 Milliarden DM.

(V o r s i t z : Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

Damit ist durch die zunehmende weltweite Arbeitsteilung ein Mehrfaches dessen bei uns an Arbeitsplätzen geschaffen worden, als vernichtet wurde. Sicherlich wird das in Zukunft nicht so bleiben; aber mit Sicherheit kann heute schon behauptet werden — Herr Staatssekretär Rohwedder hat das in einem Vortrag sehr eindringlich dargestellt —, daß es rein zahlenmäßig mindestens einen Ausgleich
zwischen vernichteten Arbeitsplätzen infolge von Importen und neuen Arbeitsplätzen infolge besserer Exportchancen geben wird. Allerdings bedeutet dies wiederum Anpassung an die veränderten Strukturen, und dazu möchte ich die gesamte deutsche Wirtschaft auffordern.
Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat die Prognos AG errechnet, daß 1976 nicht weniger als 1,2 Millionen Beschäftigte in der Bundesrepublik Deutschland für den Export in Entwicklungsländer tätig gewesen sind. Der Prozeß der Arbeitsteilung zwischen entwickelten und sich entwickelnden Nationen ist eben keine Einbahnstraße, sondern ein weltwirtschaftlicher Strukturwandel mit allen Gefahren und Chancen, die daraus erwachsen. Daher muß an dieser Stelle ausdrücklich vor Kurzschlüssen gewarnt werden, die gerade in Zeiten einer Wirtschaftsrezession so nahe liegen. Die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen ist in diesen Zeiten der dringendste und zugleich schlechteste Ratgeber für lautstarke Rufe nach Protektionismus, Dirigismus und — lassen Sie mich hinzufügen — auch nach Lieferbindung. Dabei gilt doch eines: Wir können nicht Anlagen in Entwicklungsländer verkaufen und erwarten, daß das in immer größerem Maße möglich ist, aber auf der anderen Seite versuchen, den damit hergestellten Produkten den Weg in unsere Länder zu verbauen. Handelskrieg gegenüber den Armsten und damit den zur Zeit noch Schwächsten ist der sichere Untergang auch für die Industrienationen. Viele Länder der Dritten Welt leiden heute unter riesigen Zahlungsbilanzproblemen. Es ist daher nur zu verständlich, daß sie mit vielfältigen Mitteln nicht nur ihre Exporte steigern, sondern auch ihre Importe auf das unbedingt notwendige Maß begrenzen wollen. In diesem Zusammenhang hoffe ich, daß die Ankündigungen der Bundesregierung hier einiges helfen werden. Aber hierfür müssen wir aus der gegebenen Lage heraus ein gewisses Maß an Verständnis haben.
Die Bekämpfung der Kapitalknappheit in Entwicklungsländern, der teilweise Ausgleich ihres Devisenmangels sind somit im Interesse der gesamten Weltwirtschaft. Ganz deutlich formuliert: Wer durch Kapitalexport, durch Ressourcentransfer in die Länder der Dritten Welt deren Entwicklung fördert, der leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Anregung der Weltkonjunktur und hilft sich damit auch selbst. Die Zahlen sind hier schon genannt worden.
Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich eine sich verstärkende Diskussion über ein Investitionsprogramm für die Dritte Welt. Denn es wird in Zukunft immer stärker darum gehen, Kapital und Kooperation im Interesse der Nehmer und des Geberlandes anzubieten. Wichtig wird hierbei sein, bei der Auswahl industrieller Projekte für die Entwicklungsländer richtige Technologien auszuwählen. Wir sollten uns bemühen, durch partnerschaftliche Zusammenarbeit an einem bedeutenden Entwicklungsprojekt technologisches Know-how von europäischen Fachkräften an einheimische Kräfte in einem gemeinsamen Team zu übertragen. Das ist die sinnvollste Art von Technologietransfer.



Junghans
Die Ausbildungsfragen, angefangen Von der Allgemeinbildung bis hin zur Berufsbildung im erweiterten Sinne des Wortes, sind meines Erachtens gleichwertig mit dem Kapitaltransfer zu sehen.
Ich möchte zusammenfassen: Ein erhöhter Ressourcentransfer, d. h. Kapitalbildung in den Entwicklungsländern, Übertragung technologischen Wissens einschließlich der damit verbundenen Ausbildungsprobleme in die Entwicklungsländer bringen langfristig diesen und den Industrieländern großen Nutzen, wenn es gelingt, spürbare Wachstums- und Beschäftigungseffekte auszulösen. Die Erfahrungen, die mit dem Neuaufbau der Wirtschaft in Europa nach dem zweiten Weltkrieg gesammelt wurden, zeigen: Es geht uns nur dann besser, wenn es auch anderen besser geht.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPDY] : Sehr richtig!)

Verkaufen kann man nur, wenn andere auch kaufen können. Durch vermehrte weltweite Arbeitsteilung kann der Wohlstand aller gesteigert werden. Niemandem muß deshalb etwas genommen werden. Deshalb verdient die Diskussion über ein Investitionsprogramm für die Dritte Welt, auch wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland noch am Anfang steht, unser aller verstärkte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810028600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kunz (Weiden).

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0810028700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Dritte Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung ist gerade auch deswegen ungenügend, weil einer der wundesten Punkte unserer Entwicklungspolitik überhaupt nicht angesprochen wird, nämlich die Kontrolle über die Verwendung der enormen Finanzmittel bei der multilateralen Entwicklungshilfe und deren Ergebnis. Der Bericht beschränkt sich im wesentlichen auf eine beschreibende Darstellung des Status quo und sagt nichts — oder fast nichts — über die Probleme und Schwierigkeiten aus. Er gibt keinerlei Auskunft über das Maß dessen, was von den Grundsätzen der Bundesregierung über die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern bis heute erreicht wurde, beträgt doch der multilaterale Anteil unserer Entwicklungshilfe mehr als 25 %. Das ist bei einem Gesamtvolumen des BMZ von 3,6 Milliarden DM immerhin ein Anteil von rund 1 Milliarde DM. Die Gefahr ist sehr groß, daß 1 Milliarde DM an Steuergeldern ohne Kontrolle hinsichtlich ihrer Wirksamkeit vergeben wird.
Von den Mitteln, die für die multilaterale öffentliche Zusammenarbeit im Jahre 1976 verausgabt wurden, entfielen 59 % — das sind 504 Millionen — auf Beiträge an die Entwicklungshilfe der Europäischen Gemeinschaft. Der Löwenanteil dieser Mittel kam und kommt den AKP-Staaten zugute. Sie werden allein über den 4. Europäischen Entwicklungsfonds Zahlungen in Höhe von fast 3,5 Milliarden Rechnungseinheiten erhalten. Der deutsche Anteil von nahezu 26 % entspricht nach dem Stand von September 1977 einem Betrag von etwas mehr als 2 Milliarden DM.
Diese gewaltige Transferleistung, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des genannten Abkommens zu erbringen hat, ist der Bundesregierung in dem 178 Seiten umfassenden Dritten Bericht eine lächerliche halbe Seite wert, noch dazu mit bedeutungslosem Inhalt. Die Bundesregierung tut dort so, als ob die Entgegennahme von Geld durch die Entwicklungsländer schon ein Erfolg für sie sei.
Zwischenzeitlich hat sich selbst die sonst so großzügige EG-Kommission für eine stärkere Verwendungskontrolle bei der Neufassung des II. Lomé-Abkommens ausgesprochen. Wie wichtig diese Kontrolle der Verwendung der an die Mitgliedstaaten gezahlten Beiträge wäre, beweist das neueste Beispiel des Mißbrauchs dieser Gelder durch das Empfängerland Obervolta: Die Hälfte der letzten Ausgleichszahlung wurde dort für die Anschaffung von Beamtenfahrzeugen und für Polizeiautos verwendet.

(Dr. Ritz [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

Wir fordern daher die Bundesregierung mit Nachdruck auf, bei der Neufassung des II. Lomé-Abkommens auf einer wirksamen Verwendungskontrolle zu bestehen, d. h. eine selbstverständliche Zweckbindung zu verlangen, die Ausgleichszahlungen grundsätzlich an entwicklungspolitische Ziele zu binden.
Die EG erhält von den Beiträgen an internationale Organisationen etwa 71 %. Von dem Rest werden 79 Millionen — das sind 11 % — dem UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, zugewiesen. An dieser Stelle sei vermerkt, daß auch die OPEC-Länder in diesen UNDP-Fonds zahlen. Ihre Beteiligung soll im Jahre 1978 etwa 21 Millionen Dollar — das sind 45 Millionen DM — erreichen. Im gleichen Zeitraum werden aber aus eben diesem Fonds die gleichen Länder den fünffachen Betrag an Entwicklungshilfe erhalten. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Ist das der Sinn unserer Entwicklungshilfe?
Ein besonders problematisches Kapital im Rahmen der hier angesprochenen multilateralen Hilfe ist die FAO. Den bei den Vereinten Nationen offensichtlich üblichen Gebräuchen entsprechend hat sich der Generaldirektor der FAO Mitte 1976 einen eigenen Fonds, nämlich für Technical-Cooperation-
Programme, eingerichtet. Darüber hat die Bundesregierung in ihrem an Papier starken Bericht kein Wort verloren. Sie vertraut offenbar darauf, daß sich niemand in diesem Hohen Hause der Mühe unterzieht, den Irrwegen deutscher Steuergelder nachzugehen, die von der Bundesregierung in so großzügiger Weise an die Vereinten Nationen gezahlt werden.
Ich habe nun versucht, etwas Licht in das Dunkel dieses bürokratischen Dschungels zu bringen. Der TCP ist ein neuer Fonds für technische Agrarhilfe, der 1976 von dem derzeitigen Generaldirektor der FAO, Edouard Saouma, geschaffen wurde. Er ist in den FAO-Haushaltsjahren 1976/77 mit



Dr. Kunz (Weiden)

15 Millionen Dollar und 1978/79 mit 20 Millionen Dollar ausgewiesen. Den Hauptanteil der Einnahmen dieses Fonds stellen außerbudgetäre Mittel dar, die eine Größenordnung von 377 Millionen Dollar für das Jahr 1976/77 erreichen, wovon 204 Millionen Dollar vom UNDP und der Rest aus Sonderzuwendungen der nationalen Regierungen und nicht amtlicher Organisationen kommen.
Sieht man einmal davon ab, daß der TCP-Fonds durch seine Einbettung in den ordentlichen Haushalt, durch seine Prozedur und seine eindeutige Überschneidung mit den UNDP ernsthaft grundsätzliche Probleme aufwerfen muß, so wäre die Bundesregierung doch verpflichtet gewesen, wegen der darin enthaltenen Steuergelder dies in dem vorliegenden Bericht darzulegen. Ich fordere Sie deshalb mit allem Nachdruck auf, Herr Bundesminister, diesen erheblichen Mangel schleunigst zu beseitigen.
Ich will auch begründen, warum es dringend notwendig erscheint, dieses im wahrsten Sinne des Wortes trübe Kapitel der Entwicklungspolitik aufzuhellen. Nach dem Stand vom Januar 1977 fanden sich — und zwar ausschließlich finanziert durch nicht im Haushalt angesetzte Mittel — insgesamt 1 809 Entwicklungshilfeprojekte in Durchführung. Die von der FAO dafür eingegangenen Verpflichtungen lagen in diesem Zeitpunkt bei 647 Millionen Dollar. Ende 1976 waren dafür 1 505 Experten eingesetzt, wovon nur 33 aus der Bundesrepublik kamen. Die jährlichen Durchschnittskosten lagen je Experte bei ca. 60 000 Dollar und erreichten nicht selten den immens hohen Betrag von 80 000 bis 90 000 Dollar.
Es ist bekannt, daß die Finanzierung der deutschen multilateralen technischen Hilfe im allgemeinen und die der FAO im besonderen seit vielen Jahren Gegenstand ernsthafter Kritik und Sorge ist. Soweit es sich um die von der FAO geleistete technische Hilfe handelt, sind alle Warnungen in den Wind geschlagen worden, alle Mahnungen bisher fruchtlos geblieben. Der gegenwärtige Generaldirektor Saouma blieb im gleichen Fahrwasser wie sein Vorgänger: Statt diese Mängel abzustellen, hat er sich den vorher bereits erwähnten Fonds für technische Hilfe — TCP — geschaffen und ihn mit dem Etikett „Für die ärmsten Länder" versehen. In Wirklichkeit betrug aber der finanzielle Anteil für diese Kategorie der Länder im Jahre 1976 nur 36 %, also ein Drittel.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß aus diesem TCP-Fonds u. a. zehn Mitglieder der sogenannten Patriotischen Front Zimbabwe ein einjähriges Studium an der englischen Universität Norwich mit einem Gesamtaufwand von 164 000 Dollar bekamen, was pro Mann und Monat umgerechnet etwa 2 800 DM ausmacht. Man vergleiche damit beispielsweise das Einkommen unserer Arbeiter im Zonenrandgebiet, das durchschnittlich bei etwa 1 150 DM netto liegt und von dem die Familienväter in der Regel eine mehrköpfige Familie zu ernähren haben. Man scheint in der Tat beim TCP zu wissen, was man den kommunistischen Studenten aus dem afrikanischen Busch schuldig ist. Unsere Lohnsteuer zahlenden Arbeiter aus dem Grenzland haben jedenfalls keinerlei Verständnis dafür,
daß ihre sauer erarbeiteten Steuergroschen von dieser Bundesregierung für derartige Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Zwei deutsche Wissenschaftler haben eine Untersuchung über den administrativen — man könnte auch sagen: bürokratischen — Aufwand der Entwicklungshilfe bei den Vereinten Nationen erstellt. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist nicht nur deprimierend; es ist schlichtweg vernichtend in bezug auf die Arbeit des UNDP, und es wirft schwere Schatten auf die Bundesregierung, die solchen Unfug mit u. a. auch deutschen Steuergeldern duldet. Bei dieser Untersuchung stellte sich nämlich heraus, daß der Verwaltungskostenanteil der Pre-Investmenthilfe über 30 % ausmacht, bei der technischen Hilfe sogar an die 56 % herankommt und bei den kleineren Fonds, die in nicht geringer Zahl bei den UN-Organisationen geschaffen wurden, sogar einen Anteil von 75 % und mehr erreicht. Um diese Größenordnung ins rechte Licht zu setzen, sei hier angemerkt, daß der Verwaltungskostenanteil unserer national-bilateralen Entwicklungshilfe nach dieser Untersuchung bei 4,5 % liegt.
Trotz dieser Fakten stellt die Bundesregierung wieder erhebliche Mittel für die FAO, das UNDP und das TCP bereit. Für das Jahr 1978 sollen es wieder 100 Millionen DM sein.

(Dr. Vohrer [FDP] : Sollen wir denn dort austreten?)

Angesichts der von mir aufgezeigten Mißstände muß die Frage nach der Effizienz der deutschen Zahlungen im deutschen Parlament gestellt werden, zumal weder die FAO, noch das UNDP, noch das TCP Anstalten machen, an diesen unglaublichen und unhaltbaren Verhältnissen etwas zu ändern. Statt einer Besserung ist eher das Gegenteil in Sicht.
Typisch für die bestürzende und zugleich trostlose Situation mag das Ergebnis eines Ausschusses aus hochrangigen Experten vom Mai 1975 sein. Generalsekretär Waldheim selbst beauftragte diesen Ausschuß, eine Überprüfung durchzuführen, weil die ständig abnehmende Wirksamkeit internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit der Vereinten Nationen von ihm selbst nicht mehr übersehbar war. Die Bestandsaufnahme des Ausschusses ergab, daß es dort eine Unzahl effizenzverhindernder Gremien gibt. Lassen Sie mich das kurz einmal aufzählen: 12 sogenannte operative Programme, 5 Regionalkommissionen, 15 Sonderorganisationen, eine Vielzahl von Sonderfonds, mehrere halbautonome Gremien im Zentralsekretariat, fast ein halbes Tausend zwischenstaatlicher Ausschüsse, Koordinierungsgremien, Ad-hoc-Gruppen usw. usf. Hier tummelt sich ohne Kontrolle ein Wust, ein ganzer Ameisenhaufen von bürokratischen Apparaten der Vereinten Nationen.

(Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU] : Wir sind die Zahlmeister!)

Und was ist das wesentliche Ergebnis? Die Erkenntnis dieses Ausschusses der Vereinten Nationen ist sehr interessant. Es soll ein neuer Generaldirektor mit einem eigenen neuen Stab eingerichtet



Dr. Kunz (Weiden)

werden, um die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zu koordinieren, das heißt nichts anderes, als sie noch stärker zu bürokratisieren.
Die diesjährige FAO-Konferenz unter Vorsitz ihres Generaldirektors Saouma in Rom weist in die gleiche Richtung. -Als größte Sonderorganisation der Vereinten Nationen hat sie einen hohen Grad an Autonomie durchgesetzt, selbst gegenüber dem UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Mutterorganisation. — Und das sind die Ergebnisse der diesjährigen FAO-Konferenz:
1. Eine Änderung der FAO-Statuten, um zu ermöglichen, daß der jetzige Generalsekretär Saouma 1980 wieder auf sechs Jahre gewählt werden kann. Dabei waren die Statuten erst zu Beginn der 70er Jahre modifiziert worden. Mit der damals beschlossenen Beschränkung der Amtsdauer des Generaldirektors auf sechs Jahre wollte man eben seine Unabhängigkeit und Objektivität gegenüber den Mitgliedsländern stärken.
2. Der bis heute schon wegen seiner Größe kaum mehr arbeitsfähige FAO-Rat wurde von 42 auf 49 Mitglieder vergrößert und damit noch weniger überschaubar.
3. Entgegen der bisherigen Regelung, alle UN-Organisationen in einem Land zusammenzufassen, wurden die FAO-Vertreter aus den Büros der UNDP herausgelöst. Durch diese Maßnahmen werden Mehrkosten von 5,1 Millionen Dollar verursacht.
4. Der Titel „Dienstreisekosten" wurde um 41 % auf 8 Millionen Dollar erhöht.
5. Der FAO-Haushalt wurde gegenüber 1974/75 von damals 106 Millionen Dollar auf 211 Millionen Dollar im Haushaltszeitraum 1978/79 geradezu verdoppelt. Damit weist der FAO-Haushalt die höchste Steigerungsrate im System der Vereinten Nationen überhaupt auf.

(Dr. Vohrer [FDP] : Sollen wir austreten?)

— Ich komme darauf zu sprechen, lieber Kollege.
Die Bundesrepublik Deutschland ist mit knapp 10 % drittgrößter Beitragszahler im Haushalt der. FAO. Ohne die Zahlungen der USA, die mit 25 % beteiligt sind, und Japans mit 11 % und den knapp 10 % der Bundesrepublik — also zusammen etwa 45 % —, ist die Bürokratie der FAO blockiert. Es scheint mir deshalb unerklärlich, wie die Bundesregierung in ihrem Bericht von einer wachsenden Abstimmung der großen Beitragszahler in den internationalen Organisationen berichten kann und bei so entscheidenden Abstimmungen wie bei der Abstimmung über den FAO-Haushalt letztlich durch ihre Stimmenthaltung die Fortdauer dieser unglaublichen Zustände ermöglichte. Die Bundesregierung muß hier vor dem Deutschen Bundestag rechtfertigen, warum sie nicht gegen eine derartig unglaubliche Verschwendung deutscher Steuergelder ihre Stimme erhoben hat.
Es verstärkt sich der Eindruck, daß Organisationen, wie die FAO, Gefahr laufen, zum Selbstbedienungsladen der dort beschäftigten Bürokraten zu werden. Dieser unbefriedigenden — ich möchte
fast sagen: hoffnungslosen — Entwicklung bei internationalen Organisationen ist nur beizukommen, wenn man klare und eindeutige Forderungskataloge aufstellt und bei Nichterfüllung das Lebenselixier ausufernder Bürokratien abschaltet, nämlich die notwendigen Gelder sperrt, so wie dies die Vereinigten Staaten von Amerika im vergangenen Jahr bei der ILO, dem Internationalen Arbeitsamt, getan haben.
Die Erfahrung zeigt, daß diese Sprache, und nur diese Sprache, dort verstanden wird.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Diese Bundesregierung ist zu einer solch klaren Haltung offenbar nicht fähig, denn dazu gehören Mut und die Entschlossenheit zu ausschließlich sinnvoller Hilfe für die Menschen der Dritten Welt. Die Menschen in den armen und ärmsten Ländern der Welt brauchen nicht Bürokratien, die auf Kosten der Industrieländer eingerichtet und unterhalten werden. Sie brauchen Organisationen, die ihnen tatsächlich helfen und die ihnen das von den Industriestaaten als Entwicklungshilfe Erbrachte in geeigneter Form möglichst ungeschmälert zukommen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810028800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bindig.

Rudolf Bindig (SPD):
Rede ID: ID0810028900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, es scheint mir bezeichnend für Ihr entwicklungspolitisches Bewußtsein zu sein, wenn Sie afrikanische Studenten hier vor dem Deutschen Bundestag als „Studenten aus dem afrikanischen Busch" bezeichnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Nach einem Zeitraum von fast zwei offiziellen entwicklungspolitischen Dekaden gebührt einigen Angaben des entwicklungspolitischen Berichts besondere Aufmerksamkeit. Die bestehende Lücke im Pro-Kopf-Einkommen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern konnte trotz aller Anstrengungen nicht verringert werden. Sie ist, relativ betrachtet, gleichgeblieben. Die Unterschiede zwischen armen und reichen Entwicklungsländern haben sich verstärkt. Die Ernährungslage in etlichen Entwicklungsländern stagnierte oder war zum Teil in der ProKopf-Produktion durch das Anwachsen der Bevölkerung rückläufig.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das ist bekannt!)

Trotz immenser Aufwendungen in den letzten Jahren haben sich die schlechten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der meisten Entwicklungsländer — vor allen Dingen in den ländlichen Räumen — kaum geändert.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das trifft zu!)

Immer stärker wird deutlich, daß ein ökonomisches Effizienzkriterium, welches formal auf Wirtschaftswachstum abstellt, zur Beurteilung der Lage in den Entwicklungsländern noch weniger geeignet ist als



Bindig
in den Industrieländern. Neben Wirtschaftswachsturn kann es krasse Armut und sogar Ausbreitung der Armut geben, wenn das Wachstum nicht entsprechend verteilt wird.
Die vorhandenen Studien zeigen sämtlich eine äußerst ungleiche Einkommensverteilung in den Ländern der Dritten Welt, von der Vermögensverteilung ganz zu schweigen. Die reichsten 10 Prozent der Haushalte beziehen etwa 40 Prozent der Privateinkommen, während die ärmsten 40 Prozent der Haushalte nur über 15 Prozent des gesamten Privateinkommens verfügen. Die ärmsten 20 Prozent haben sogar nur 5 Prozent der Einkommen.
Wie wird sich — dies ist die entwicklungspolitisch entscheidende Frage — bei einer derartig verzerrten Einkommens- und Vermögensstruktur eine Wirtschaft entwicklen, die sich nach der kaufkräftigen Nachfrage ausrichtet? Produkte für den gehobenen Bedarf einer kleinen Schicht mit kaufkräftiger Nachfrage werden bereitgestellt, während die Armen ihren grundlegenden Bedarf aus Mangel an Kaufkraft nicht decken können.
Die Diskussion, die bei uns über Qualität und Richtung des Wachstums geführt wird, hat für die Entwicklungsländer eine noch größere Bedeutung. Wenn áus Mangel an Ressourcen überhaupt nur die Chance besteht, daß etwas wächst, ist es für die Bevölkerung um so wichtiger, daß jene Bereiche wachsen und entsprechend verteilt werden, welche die elementaren Grundbedürfnisse zu befriedigen geeignet sind.
Konservative Ökonomen, die wirtschaftliche Entwicklungsprozesse gern auf das formale ökonomische Wachstum konzentrieren wollen, damit sie das sozial so wichtige Problem der Verteilung der Güter in der Gesellschaft verdrängen oder ausklammern können, können am Beispiel der Entwicklungsländer sehen, wie sich bei knappen, verzerrt verteilten ökonomischen Mitteln Wohlstand und Luxus neben Armut und Elend entfalten. Die Erhöhung des Bruttosozialprodukts stellt bei ungleicher Einkommensverteilung im wesentlichen ein Maß für den Wohlstand der oberen Einkommensschichten in den Entwicklungsländern dar.
Indem der entwicklungspolitische Bericht auf diese Zusammenhänge verweist und zugleich die trotz aller Bemühungen schlechte Ernährungslage, die hohe Arbeitslosigkeit und Verarmung breiter Bevölkerungsteile betont, macht er deutlich, wie notwendig es ist, die Ziele der Entwicklungspolitik im Hinblick auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu konkretisieren und eine entwicklungspolitische Strategie zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln. Die Kernfrage der Entwicklungspolitik lautet heute, wie eine Entwicklungspolitik gestaltet werden muß, die erfolgreicher als die bisherigen Versuche zur Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse in der Dritten Welt beitragen kann.
In der Frage, was als ein Grundbedürfnis anzusehen ist, gibt es in der entwicklungspolitischen Diskussion bereits eine weitgehende Übereinstimmung. Zu den Grundbedürfnissen gehören die Deckung eines Mindestbedarfs an Nahrung, Unterkunft, Kleidung sowie die Inanspruchnahme lebenswichtiger Dienste, wie die Bereitstellung von gesundem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Transportmitteln, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Als Ziel oder als Mittel, um diese Grundbedürfnisse zu erreichen, wird eine frei gewählte Beschäftigung angesehen.
Zu einer grundbedürfnisorientierten Politik gehört auch die Beteiligung der Bevölkerung am Entscheidungsprozeß. Dieser Punkt ist als Grundbedürfnis erfreulicherweise in der Grundsatzerklärung der Weltarbeitsorganisation zur Grundbedarfsstrategie enthalten. Julius Nyerere hat der Beteiligung am Entscheidungsprozeß einen absoluten, grundlegenden Charakter zugesprochen: „Wenn nicht jeder", so sagte Nyerere, „wirksamen Anteil an seiner eigenen Regierungsgewalt hat, statt immer nur Entscheidungen anderer Leute auszuführen, kann es keine Gleichheit in menschlicher Würde und in der gesellschaftlichen Stellung geben." Es fällt auf, daß im entwicklungpolitischen Bericht bei der kurzen Beschreibung der Grundbedarfsstrategie der Punkt der Mitwirkung der Bevölkerung in Entscheidungsprozessen nicht ausdrücklich unter den Grundbedürfnissen genannt ist. Sicherlich sollte man diesen Punkt noch aufnehmen.
Neben diesen genannten Bedürfnissen, die teilweise auch noch in sogenante minimale Bedürfnisse und wesentliche Bedürfnisse unterteilt werden, wird gelegentlich auch das Bedürfnis nach einer gesunden, humanen und befriedigenden Umwelt genannt. Wenn der Begriff der Grundbedürfnisse in seinen Dimensionen auch noch nicht exakt zu fassen ist, so weist er doch eine solch hinreichende Bestimmtheit auf, daß er konkret für politisches Handeln verwendet werden kann.
Wegen der Bedeutung, welche eine grundbedarfsorientierte Entwicklungsstrategie in der nächsten Entwicklungsdekade haben wird, ist es besonders zu begrüßen, daß die Bundesregierung die Überlegungen internationaler Gremien aufmerksam verfolgt, die sich bemühen, konkrete Vorschläge für eine weltweite Strategie zur Deckung der Grundbedürfnisse der ärmsten Menschen zu erarbeiten. Ebenso ist zu begrüßen, daß sie sich an der Diskussion über die möglichen Konsequenzen für die Entwicklungspolitik der Industrieländer beteiligt.
Die Fortschritte, die bei der theoretischen Erklärung der Grundbedürfnisstrategie erreicht worden sind, konnten noch keinen hinreichenden Niederschlag in der praktischen Gestaltung auch unserer Entwicklungspolitik finden, zumal bei der Umsetzung eine Reihe von erheblichen Problemen auftreten. Im wesentlichen kommt es auf die Bereitschaft der Entwicklungsländer selber an, aus 'eigenem Antrieb einen Beschluß zur Befolgung dieser Strategie zu fassen und dafür dann auch die nötigen politischen Reformen durchzuführen. Die OECD regt an, Ländern, die sich zur Befolgung der Grundbedürfnisstrategie entschließen, besondere Bedingungen der Hilfe und Unterstützung zu gewähren, um so einen Anreiz zu schaffen.
Sehr viel schwieriger wird das Vorgehen bei Ländern, die sich nicht in dieser Intensität einer



Bindig
Grundbedarfsstrategie anschließen wollen. Da eine stärker sozial orientierte Entwicklungspolitik mit den Interessen führender Schichten in den Entwicklungsländern, die wiederum die Verhandlungspartner für die Gestaltung der Entwicklungsprogramme sind, kollidieren kann, wird eine Vorgehensweise nach diesem Gesichtspunkt von der Geberseite bald auf Grenzen stoßen. Wenn für eine grundbedürfnisorientierte Entwicklung schon als Voraussetzung „einschneidende Veränderungen der Machtverhältnisse" und eine „Umverteilung des Reichtums" sowie eine „Bodenreform" verlangt werden, so wird sich eine solche Strategie kaum realisieren lassen.
Die auftretenden Probleme können jedoch nicht als ein Alibi dienen, daß es nicht auch Einwirkungsmöglichkeiten zu einer stärkeren sozialen Orientierung der Entwicklungspolitik von der Geberseite her gibt. Zunächst muß eine echte Bereitschaft vorhanden sein, eine aktive Projektpolitik im Bereich der Grundbedürfnisse auch wirklich zu betreiben. Bei der Projektgestaltung muß man nicht nur auf Vorschläge von Entwicklungsländern warten, sondern kann durchaus durch eigene Vorschläge konkrete Projekte einbringen. Solange man nicht ernsthafte Bemühungen angestellt hat, den Gesichtspunkt der sozialen Orientierung bei ,der Projektauswahl und der Projektgestaltung stärker als bisher zum Tragen zu bringen, kann auch nicht von uns argumentiert werden, daß die Regierungen der meisten Entwicklungsländer dabei gar nicht mitmachen würden.
Es ist zu erwägen, ob neben den jetzt üblichen technischen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Prüfungen von Projekten eine zusätzliche bedürfnisorientierte Projektprüfung unserer Entwicklungsprojekte vorgenommen werden kann. Anregungen und Beispiele für solche möglichen Prüfungen finden sich bereits in der Literatur. Es läßt sich für viele Projekte durchaus ermitteln, in welchem Umfang sie breiten Bevölkerungsteilen oder besonders benachteiligten Gruppen nützen und welche sozialen Auswirkungen sie haben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Neben der beschäftigungspolitischen Wirkung von Projekten interessiert durchaus auch eine bedürfnisorientierte Projektprüfung.
Hier sei angemerkt, daß sich die Frage des entwicklungspolitischen Nutzens sehr oft auch bei Privatinvestitionen in Entwicklungsländern stellt. Es muß unbefriedigend bleiben, daß es Projekte und Investitionen geben kann, die z. B. kapitalintensiv eine Ware herstellen und damit gleichzeitig Tausenden von Familien die Lebens- und Ernährungsgrundlage entziehen und dafür noch vom deutschen Steuerzahler durch das Entwicklungsländersteuergesetz unterstützt werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es könnte durchaus ein weiteres Qualitätsmerkmal deutscher Entwicklungshilfe werden, den Gesichtspunkt der sozialen Orientierung bei unseren Projekten noch stärker als bisher zum Tragen zu bringen.
Es wäre wünschenswert, daß im nächsten entwicklungspolitischen Bericht dargestellt würde, welche Versuche unternommen worden sind, in zunehmendem Maße Projekte nach dem Gesichtspunkt der Grundbedürfnisstrategie durchzuführen. Hier ist es auch von Interesse, die Schwierigkeiten zu erörtern, die sich bei diesem Vorhaben stellen. Es sei durchaus zugestanden, daß bei den Entscheidungen über zu realisierende Einzelvorhaben wegen der verwobenen Interessenstrukturen oftmals nur kleine Schritte erreicht werden können, da eine Reihe von Interessen und Kräften einer stärkeren Hinwendung zu einer sozial orientierten Entwicklungspolitik im Wege stehen. So kann von Entwicklungsländerseite die Vermutung aufkommen, daß die Industrieländer den Entwicklungsländern ihre moderne Technologie vorenthalten wollen und nur ein Angebot niedrigeren Ranges machen wollten.
Die enge Verbindung zwischen unseren Lieferinteressen und den Interessen der Entwicklungsländer an deutscher Technologie treten einer stärkeren Grundbedarfsorientierung ebenfalls zum Teil entgegen. Eine grundbedarfsorientierte Entwicklung kann allerdings gerade jenes Potential an Ressourcen in Entwicklungsländern mobilisieren, welches die Voraussetzung für eine allgemeine Ausdehnung des Handelsvolumens ist. So kann es möglich sein, eine stärkere Hinwendung unserer Entwicklungspolitik auf den spezifischen Hilfsbedarf der Entwicklungsländer auch mit unseren Wirtschaftsinteressen im Ausgleich zu halten. Wenn durch eine stärkere. Hinwendung auf die Armen in den Entwicklungsländern erreicht werden könnte, daß diese ihre grundlegenden menschlichen Bedürfnisse befriedigen können, so würde damit ein wesentlicher Beitrag zu einer stabilen Weltgemeinschaft geleistet.
Oft wird das Nord-Süd-Verhältnis als die soziale Frage unserer Zeit bezeichnet. Der eigentliche Wesensgehalt dieser sozialen Frage liegt aber nicht nur in der Beteiligung ,der Entwicklungsländer am wirtschaftlichen und technischen Fortschritt, sondern der Wesensgehalt dieser sozialen Frage liegt darin, daß es in diesen Ländern zu einer sozialorientierten Entwicklung kommt.
Die sozialdemokratische Fraktion handelt im Einklang mit ihrer geschichtlichen Tradition, wenn sie sich in dieser Frage besonders engagiert.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810029000
Das Wort hat der Abgeordnete Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0810029100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung — Drucksache 8/1185 — und zu den Äußerungen des Herrn Ministers kurz Stellung nehmen.
Es war vor Jahren eine gute Entscheidung des Bundestages, zu verlangen, daß die Regierung alle zwei Jahre einen Bericht zur Entwicklungspolitik vorlegen sollte. Wenn wir die heutige Diskussion verfolgen, können wir feststellen, daß der damalige



Josten
Beschluß des Bundestages mehr als gerechtfertigt war.
Meine Damen und Herren, in den zuständigen Ausschüssen werden wir über Einzelfragen der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland beraten; jetzt nur kurze Hinweise.
Auf Seite 28 des Berichtes heißt es zum Stand und zu Problemen der personellen Zusammenarbeit wörtlich — ich darf mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Der Mangel an Fachkräften ist in vielen Entwicklungsländern nach wie vor eines der Haupthindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung.
Soweit der Text. Daraus müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Herr Minister, Sie sagten, es sei wichtig, daß die Menschen Arbeit bekommen. Ich glaube, die Ausbildung und die Entsendung sowie die Reintegration von Fachkräften, die in den Entwicklungsländern tätig waren, sind von großer Bedeutung. Hier muß die Regierung mit dem Parlament einen Schwerpunkt sehen. Die Regierung hat die Bedeutung bisher zwar erkannt; aber sie und sicherlich auch wir als Parlament haben auf diesem Gebiet nicht genug getan.
Bei der Entsendung von Fachkräften müssen wir mehr als bisher auch an die Rückkehr denken. Die Hilfe auf diesem Gebiet ist zur Zeit noch zu gering. Personelle Hilfe ist gute Entwicklungshilfe und gute Hilfe zur Selbsthilfe. Darüber besteht im Parlament Einigkeit. Darum sollten wir in unseren Fachausschüssen auch die Probleme der Wiedereingliederung von Fachkräften in der Bundesrepublik Deutschland erneut beraten.
Wir haben zwar in der letzten Woche im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit dieses Problem behandelt. Ich bin aber der Meinung, daß wir hier noch nicht bei der besten Lösung angekommen sind. Diejenigen, die sich als Fachkräfte für das Ausland melden, denken selbstverständlich zunächst an die Jahre, in denen sie draußen sind; sie denken aber meist zu wenig an den Zeitpunkt, zu dem sie zurückkommen.
Ich möchte noch kurz ein Problem ansprechen, welches mit den in dem Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung auf Seite 30 erwähnten entwicklungspolitischen Einrichtungen in Berlin zusammenhängt. Die CDU/CSU begrüßt und unterstützt die Arbeit der entwicklungspolitischen Organisationen und Institute in Berlin. Die Arbeit der DSE, also der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die von deutschen Fachkräften gesammelten Erfahrungen sollten im Ministerium wie bei unserer Arbeit meines Erachtens mehr ausgewertet werden. Herr Minister, Sie haben vorhin Gedanken geäußert, die uns zum Teil auch von deutschen Leitern und von deutschen Fachkräften im Ausland teils schriftlich und teils mündlich übermittelt wurden. Lassen Sie mich dazu vielleicht einige Meinungen sagen, die ich beispielsweise im November letzten Jahres in Kolumbien vom deutschen Leiter der Gewerbeförderungsprojekte Kali bzw. Lima hörte. Diese Leute wünschten, daß die DSE, also die Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung, ein in sich geschlossenes Fortbildungsprogramm im Bereich der Förderung von Klein- und Mittelindustrie für Lateinamerika, aber auch für Afrika und Asien anbieten solle. Diesen guten Ratschlägen sollte man nachgehen. Ich habe dazu auch einen schriftlichen Bericht vorgelegt, in dem einzelne Punkte aufgezeigt sind, die auch Sie heute bei Ihren Ausführungen angesprochen haben. Hier ist eine gute Möglichkeit, wo Regierung und Parlament einen gemeinsamen Weg finden können.
Die Arbeit der DSE, der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung, hat in den letzten Jahren nicht nur an Bedeutung gewonnen, sondern auf Grund des neuen Wegs — er nennt sich in diesem Fall „Der neue Weg" und betrifft das sogenannte Berlin-Projekt — kann noch mehr für die Menschen in der Dritten Welt getan werden.
Herr Minister, Sie erwähnten, daß Sie auf berechtigte Kritik hören. Das ist eine gute und parlamentarische Sitte. Dazu möchte ich etwas sagen, was die deutschen Gewerbeschulen im Ausland betrifft. Diese Gewerbeschulen im Ausland haben sich segensreich für die Menschen ausgewirkt und behalten einen großen Wert.
Ich würde es begrüßen, wenn von Ihrem Haus ein neuer Bericht vorgelegt würde, woraus wir den derzeitigen Stand der deutschen Gewerbeschulen im Ausland ersehen können. Es sind schon etliche Jahre her, seit wir den letzten Bericht über dieses Gebiet bekamen.
Ein Hinweis dazu: Es gibt Länder, wo eine Gewerbeschule mit einem anderen europäischen Land erstellt werden kann. Herr Staatssekretär Brück hat mit mir in Santiago de Chile einmal eine deutschfranzösische Gewerbeschule besucht, ein ganz ausgezeichnetes Beispiel. Vielleicht kann von Ihrem Haus in dieser Hinsicht ein neuer Weg gefunden oder dieser bereits begonnene Weg beschritten werden.
Ich komme zum Schluß. Unsere Entwicklungspolitik wird unsere Zukunft mitentscheiden. Die Ausführungen heute haben das aufs neue deutlich gemacht. Dabei wird die personelle Entwicklungshilfe eine entscheidende Rolle spielen. Parlament und Regierung sollen bei allen Entscheidungen hieran denken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810029200
Das Wort
hat der Herr Abgeordnete Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0810029300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer Ihrer zahlreichen Vorgänger im Amt, Herr Kollege Offergeld, ein Meister des Worts, der z. B. mit dem Begriff „Wandel durch Annäherung" eine verhängnisvolle Politik einleitete, hat einmal gesagt, daß auch Kommunisten hungern. Damit hat er scheinbar einleuchtend begründet, daß man anständigerweise kommunistische, halbkommunistische oder auch antikommunistische Länder



Petersen
in der Entwicklungshilfe nicht unterschiedlich behandeln dürfe. Und damit hat er natürlich auch gesagt oder mindestens impliziert, daß man Entwicklungshilfe in einem politisch luftleeren Raum durchführen könne, daß Entwicklungshilfe nichts zu tun habe mit den politischen Systemen und schon gar nichts mit dem Machtkampf der Sowjetunion, der z. B. im südlichen Afrika tobt.
Ich glaube, mit diesem Slogan, daß Kommunisten auch hungerten, werden in unzulässiger Weise entscheidende Fragen zugedeckt, z. B.: Es gibt Länder, die kommunistisch geworden oder unter kommunistischen Einfluß geraten sind, weil sie Hunger hatten, weil ihre junge Führungsschicht die Hoffnung verloren hatte, auf einem anderen als dem kommunistischen Weg die schreckliche Not in den Ländern beheben zu können. Dafür wird mancher Verständnis haben.
Es gibt Länder, in denen ein unglaublich großer Unterschied zwischen arm und reich zementiert zu sein scheint und in denen die Reichen auf Kosten der Armen womöglich mit Unterstützung der Entwicklungshilfe immer noch reicher werden. Hier hat unsere Entwicklungshilfe eine andere Funktion, so meine ich, als in Ländern, die hungern, in denen ein wirtschaftliches Chaos herrscht, weil sie von Kommunisten beherrscht sind. Das kommunistische System hat ja noch nirgendwo in der Welt zu einem gerechten wirtschaftlichen Fortschritt geführt.
Ich habe noch nie gehört, daß unser Auswärtiges Amt oder unser Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit über diese Fragen nachgedacht hätten. Ich habe noch nie gehört, daß etwa Maßstäbe gesetzt wurden, die den potentiellen Partnern und Empfängern unserer Entwicklungshilfe die Möglichkeit gegeben hätten, zu erkennen, ob und inwieweit ihre eigene Haltung und Politik Struktur und Umfang deutscher Hilfe beeinflußt. Ganz im Gegenteil! Je rabiater sich eine Regierung oder eine Bewegung aufführt, um so mehr scheinen wir sie zu belohnen.
Lassen Sie mich das bitte an einem einzigen Beispiel erläutern. In ihrer großen Rede vom 22. Juni 1977 sagte Ihre Vorgängerin, Frau Kollegin Schlei, daß sie in Zimbabwe, das immer noch Rhodesien heißt, mit dem Vertreter des Volkes von Zimbabwe, Nkomo, gesprochen habe, und zwar sowohl in Afrika — drei Stunden lang — als auch hier in Bonn. Sie hat dadurch ohne Zweifel, vielleicht sogar ohne das zu wollen, Nkomo in seinem Ansehen in der Welt ganz erheblich aufgewertet.
Dennoch haben sich die Anhänger anderer schwarzer Führer, die einen unterschiedlichen, einen friedlichen Weg zur Unabhängigkeit beschritten haben, bei der breiten Masse der Bevölkerung Rhodesiens ohne jeden Zweifel duchgesetzt. Sie haben zusammen mit dem Weißen Ian Smith eine Übergangsregierung gebildet, und sie werden — wenn Nkomo und Mugabe, die von den Russen und zum Teil auch Chinesen unterstützt werden, sie nicht daran hindern noch in diesem Jahr eine Mehrheitsregierung haben, die sich aus freien Wahlen ergibt.
In der letzten Woche bekam ich Besuch von einem früheren Mitstreiter Nkomos, einem Mann namens
Kanodereka, ein Pfarrer, der vor zwei Jahren Christ wurde und dadurch erkannte, daß die Anwendung von Gewalt, der Unschuldige zum. Opfer fallen, durch gar nichts gerechtfertigt werden kann, und der deshalb seine Person und seine Vaterlandsliebe Bischof Muzorewa zur Verfügung stellte.
Kanodereka war bis vor kurzem Schatzmeister der Partei von Muzorewa und wurde dann Vorsitzender eines Kontaktausschusses, ,der gebildet wurde, um ,den Anhängern von Mugabe und Nkomo klarzumachen, daß das Ziel, das sie urpsrünglich in das Lager der Freiheitskämpfer geführt hatte, mit der Mehrheitsregierung noch in diesem Jahr erreicht werde, und zwar ohne Gewalt und auf einem anderen Wege als dem, den Nkomo und Mugabe angekündigt haben.
Immer mehr Schwarze verlassen das Lager von Nkomo und Mugabe. Mugabe hat angekündigt — das wurde in einem Interview im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt; selbst ,die Bundesregierung muß das also wissen —, daß sein Ziel nicht mehr eine schwarze Mehrheitsregierung, sondern ein marxistischer Ein-Partei-Staat sei.
Auf der anderen Seite haben Verhandlungen zwischen schwarzen und weißen Führern zu Wegen geführt, die eine friedliche Zukunft des Landes ermöglichten, wenn der Westen sich jetzt laut und deutlich für diese friedliche Lösung ausspräche. Die Bundesregierung lehnt das ab mit der Begründung, daß die UNO, die Engländer und die Amerikaner diese sogenannte interne Lösung ebenfalls ablehnten. Ich hoffe, Herr Kollege Offergeld, daß die Bundesregierung auch weiß und merkt — und das nicht erst zu spät merkt —, daß die Engländer und die Amerikaner, besonders die Amerikaner, ihre bisherige Haltung kritisch überprüfen.
Es gibt eine Argumentationskette, die etwa so läuft: Wir hoffen, daß die friedlichen Kräfte, z. B. in Rhodesien oder in Namibia, den Kampf um die Macht gewinnen. Aber wir tun lieber das, was die
Radikalen, die ganz offen den Weg der Gewalt und des Terrors beschreiten, wollen oder fordern. Denn wenn wir diese Leute nicht jetzt unterstützen, dann fliegen wir raus, wenn sie die Macht ergriffen haben werden. Natürlich hat diese Regierung gewußt, daß die Schließung des deutschen Konsulats in Windhuk für die SWAPO viel wichtiger als drei Flugzeugladungen mit Bomben und Maschinenge. wehren war. Die Waffen liefern die Russen; dazu brauchen sie uns nicht. Wir machen diese Bandenchefs, die Blut an den Händen haben, Blut unschuldiger Schwarzer und Weißer, und die sich laut und deutlich und offen zur Gewalt als Mittel der Politik bekennen, international hoffähig.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : So ist es!)

Nujomo, der SWAPO-Chef, erklärt ganz ungeniert, daß es ihm nicht um eine schwarze Mehrheitsregierung geht, sondern um die Macht. — „Not majority rule but power." Und was das für die Menschen bedeutet, das kann man in Angola, in Mozambique oder in vielen anderen Ländern Afrikas sehen.

(Frau Schlei [SPD]: So einfach ist das!)




Petersen
Und noch etwas für uns völlig Unbegreifliches aus den letzten Tagen: Die fünf Mitglieder des Sicherheitsrates der UNO — wir gehören bekanntlich ,dazu — legen einen Plan für den friedlichen Übergang zu einer Mehrheitsregierung vor. Diese Mehrheitsregierung in Namibia wird sicherlich schwarz sein. Die südafrikanische Regierung akzeptiert diesen Plan

(Frau Erler [SPD]: Und fällt in Angola ein!)

in der Erwartung, daß die Terroranschläge der SWAPO aufhören. Tatsächlich ist diese Hoffnung unrealistisch. Die Anschläge gehen weiter. In einer militärisch möglicherweise sinnvollen, im politischen Timing sicherlich ungeschickten Aktion zerschlagen südafrikanische Truppen die Basen der SWAPO in Angola.

(Frau Erler [SPD] : Und erschlagen einhundert Zivilisten!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810029400
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie wieder eine stärkere Verbindung zum Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik, dem Thema der Tagesordnung, herstellen würden.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0810029500
Sehr gerne, Herr Präsident. Ich komme auch zum Schluß.
Ich möchte nur mit diesen Dingen sagen: Ich meine, wir sollten auch Maßstäbe setzen. Wir sollten deutlich machen, daß wir als Deutsche nicht bereit sind, mit irgend jemand zu handeln oder ihn gar zu unterstützen, der es für denkbar, für möglich hält und sich auch dazu bekennt, Gewalt anzuwenden, um seine Ziele zu erreichen. Kein Ziel, so meine ich, kann einen Weg rechtfertigen, der das Leben unschuldiger Menschen fordert.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810029600
Das Wort hat der Abgeordnete Holtz.

Prof. Dr. Uwe Holtz (SPD):
Rede ID: ID0810029700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte „Entwicklungspolitik" und „Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung" sind heute wieder einmal von Rednern der Opposition vergewaltigt worden. Sie haben darauf hingewiesen, Herr Präsident. Ich bitte aber dennoch darum, daß ich in diesem Augenblick als Sprecher der Sozialdemokraten einiges dazu sagen darf. Ich würde dann sofort zum Entwicklungspolitischen Bericht zurückkommen.
Unabhängigkeit, Blockfreiheit, Selbstbestimmung und die Suche nach dem eigenen Weg sind in Afrika durch alten und neuen Einfluß außerafrikanischer Staaten bedroht. Der Einfluß der Sowjetunion, Kubas und der DDR konzentriert sich zur Zeit auf Angola, Äthiopien und Mozambique. Der französische Einfluß ist, wie die FAZ vor kurzem schrieb, in Afrika ohnegleichen. Wir dürfen es uns also nicht zu leicht mit Verurteilungen nach einer Seite hin machen. „Entspannungs- und Friedenspolitik sind unteilbar", so Helmut Schmidt. „Entspannung zwischen Nord und Süd hängt eng mit
Entspannung zwischen Ost und West zusammen. Entwicklung durch Kooperation mit der Dritten Welt kann die Industrieländer in Ost und West freier machen, den Weg der Rüstungsbegrenzung zu gehen", so Willy Brandt. Sie konstruieren hier Widersprüche zwischen dem Bundeskanzler und dem SPD-Vorsitzenden, die nicht bestehen. Dies ist vielmehr die Haltung der Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Afrika ist zur Zeit kein Kontinent des Friedens. Ich befürchte nicht so sehr eine Finnlandisierung Europas für den Fall, daß die europäischen Rohstoffquellen unter die Kontrolle marxistischer Regime gelangen, wie Tindemans meinte, sondern eher eine Vietnamisierung Afrikas, in die Westeuropa auf Grund eines militärischen Engagements hineingezogen werden könnte.

(Beifall bei der SPD)

Ihre von einigen nur vage vorgetragenen Empfehlungen für eine andere Afrikapolitik bedeuten Konfliktverschärfung. Statt dessen sollte die Bundesregierung jeden erdenklichen Versuch unternehmen, um nach dem Beispiel der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa mit den afrikanischen Ländern und allen interessierten Staaten Afrika zu einer Zone des Friedens und der Entspannung zu machen.
Folgende Grundsätze und Thesen sollten das außenpolitische Handeln der Bundesrepublik gegenüber Afrika bestimmen:
Zum einen: Wir können afrikanischen Problemen keine europäischen Lösungen aufzwingen.
Zum anderen: Die Bundesrepublik, Europa und die westliche Welt haben wichtige Interessen in Afrika wahrzunehmen. Wie wir am Beispiel Shaba sehen, sind nur solche Lösungen von Dauer, die den tatsächlich zugrunde liegenden Problemen zu Leibe rücken. Die Glaubwürdigkeit des Westens — Sie haben eben „Frankreich" dazwischengeworfen — steht dann auf dem Spiel, wenn großzügige Angebote an Wirtschafts- und Entwicklungshilfe nicht mit der Forderung nach Demokratisierung und der Beachtung der politischen wie sozialen Menschenrechte begleitet werden.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Angola!)

Zum dritten: Eine vom Westen getragene außerafrikanische Eingreiftruppe ist für keinen afrikanischen Staat tragbar. Eine OAU-Truppe ist kaum einsetzbar, ohne die OAU zu zerbrechen. Eine militärische Unterstützung von Regimen, selbst wenn sie korrupt oder diktatorial sind, nur aus dem Grunde, daß sie sich prowestlich geben könnte zu einem starken Verlust an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in den Westen führen. Deshalb kann meines Erachtens von der Idee einer von Europa oder den westlichen Industriestaaten unterstützten und versorgten panafrikanischen Eingreiftruppe nur abgeraten werden. Wenn die Afrikaner selbst oder die Vereinten Nationen eine solche Truppe wünschen, ist das eine andere Sache; jedwede Lösung muß aber von Kräften Afrikas getragen werden.



Dr. Holtz
Und zum letzten: Als friedensfördernd und stabilisierend schlage ich den Abschluß eines großzügig ausgestatteten euroafrikanischen Solidaritätspaktes vor. Dieser Solidaritätspakt — der Vorschlag der OECD und von Minister Offergeld, über ein ZehnMilliarden-Investitionsprogramm für die Dritte Welt nachzudenken, weist in diese Richtung — muß der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dieser Region dienen. Ein wichtiges Fundament für einen derartigen Pakt ist bereits mit der Konvention von Lomé gelegt. Eine auch an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientierte Haltung der westeuropäischen Länder trägt langfristig mehr Zinsen.
In der „Zeit" vom 16. Juni 1978 war unter der Überschrift „Die EG nutzt Fehler der Sowjetunion in afrikanischen Ländern" zu lesen, daß Berichte, die die Brüsseler Entwicklungsexperten von ihren Reisen in afrikanische Staaten mitbringen, ergeben, daß den Sowjets dort, wo sie in Afrika mit ihren Waffen oder mit kubanischen Hilfstruppen Fuß gefaßt haben, schon bald das Image vom „häßlichen Russen" anhaftet. So lieferten sie beispielsweise an Guinea-Bissau zwei alte, seeuntüchtige Fischerboote, während sie selbst mit modernsten Trawlern in den Hoheitsgewässern der Guinesen herumkreuzten. Diese wurden mißtrauisch und wandten sich schließlich an die EG mit der Bitte um Kontrollboote, um den Sowjets besser auf die Finger schauen zu können. Nun wollen sie das Fischereiabkommen mit Moskau revidieren.
Mozambique — so erfuhr dieser Ausschuß in Brüssel — bemüht sich ebenso um Eintritt in die Konvention von Lomé. Das Bild, das einige von Ihnen von Afrika malen, scheint mir allzu simpel; es verfälscht die Realität.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesregierung und die Regierungen ihrer vier Verbündeten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben entscheidend dazu beigetragen, daß das Streben nach einem überwiegend friedlichen Wandel in Namibia noch nicht hoffnungslos ist. Allerdings bedeuten der Angriff auf Angola — von Ihnen hier verharmlosend dargestellt — und die rasche, für den 26. Juni angekündigte Aufstellung von Wählerlisten seitens der Republik Südafrika einen bösen Rückschlag für diese Friedensbemühungen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810029800
Herr
Kollege, Sie wollten sich freundlicherweise auch im Thema begrenzen.

Prof. Dr. Uwe Holtz (SPD):
Rede ID: ID0810029900
Besten Dank, Herr Präsident. Ich wollte nur sagen, daß in den letzten Tagen auch in der Bundesrepublik bekanntgeworden ist, daß das weiße Minderheitsregime in Namibia ein offensichtliches Unrechtsregime aufgerichtet hat und sich nicht scheut, seine politischen Gegner mit Gewalt zu verfolgen, und zwar sowohl innerhalb Namibias wie in den benachbarten Staaten. Das südafrikanische Polizei- und Militärregime foltert Schwarze in Namibia. Nennen Sie das eine friedliche Politik?
Ich komme zum Thema zurück: Der Dritte Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung widmet dem Nord-Süd-Dialog zu Recht einen verhältnismäßig breiten Raum. Er geht besonders auch auf die Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris und die vierte UN-Konferenz für Handel und Entwicklung in Nairobi ein.
Dietrich Kebschull vom Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg hat anläßlich einer Anhörung vor dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit das Bestreben der Bundesregierung, die Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaft zu verbessern, begrüßt. Ihre Verhandlungsposition und -strategie hat er dagegen, bewußt überspitzend, mit Don Quichottes Angriff auf die Windmühlen verglichen. So hege man die Vorstellung, daß die gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Beziehungen überall durch marktwirtschaftlichen Freihandel geprägt seien, den es gegen weltweiten Dirigismus zu verteidigen gelte. Sie verkenne dabei jedoch, daß der Welthandel heute zum größten Teil bereits reglementiert sei. Die Forderungen der Entwicklungsländer seien möglicherweise sogar systemkonform, da es hier um den Austausch zwischen ungleichen Wirtschaftspartnern gehe. Auf die Vorschläge der Entwicklungsländer sollte — so Kebschull — unvoreingenommen und konstruktiv eingegangen werden. Diese Aufforderung ist auch an uns selbst gerichtet. Die gegenwärtige weltpolitische Nord-Süd-Situation ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Kluft zwischen armen und reichen Ländern. Ein Vorhang der Armut teilt die Welt. Dieser Weltsozialkonflikt zwischen Zentrum und Peripherie ist in den letzten zwei Jahrzehnten nicht entschärft worden. Seit 1960 haben nur 27 Entwicklungsländer ohne Ölvorkommen gegenüber den westlichen Industrieländern aufgeholt, während 106 der insgesamt 138 Entwicklungsländer relativ und 5 sogar absolut zurückgeblieben sind.
Diese Entwicklung will und kann niemand von uns hinnehmen. Eine der wichtigsten Ursachen dürfte die bestehende Weltwirtschaftsordnung sein, die die Entwicklungsländer in vielen Bereichen benachteiligt. Diese Benachteiligung erlaubt es nicht, unsere Entwicklungshilfeleistungen als „reale Opfer" zu bezeichnen, um so mehr nicht, als ein Teil der Entwicklungshilfe als Kredit gewährt wird und unsere Wirtschaft von der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit profitiert. Die Entwicklungsländer fordern deshalb die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, deren Einzelforderungen hier schon vorgestellt sind.
Sie vermißten als Sprecher der Opposition einiges bei den Forderungen. Ich hatte das Gefühl, daß Sie eine Art Mischung aus preußischem Beamten — ich hörte etwas von Pünktlichkeit — und puritanischem Kaufmann, der sich selbstverständlich nur marktwirtschaftlich geriert, vorschlagen. Und falls das nicht klappt und Schwierigkeiten auftreten, soll Ihnen der Internationale Währungsfonds zeigen, wo der Weg lang geht. Wer hat hier eigentlich missionarisches Sendebewußtsein, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Das Wort „Pünktlichkeit" ist nicht gefallen! — weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Dr. Holtz
Dennoch scheinen mir die Forderungen der Entwicklungsländer berechtigt — wenn auch nicht in jedem Fall akzeptabel —, aber nicht ausreichend. In der internationalen Diskussion werden zu häufig soziale und kulturelle Faktoren zu wenig berücksichtigt. Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und auch der Unterausschuß für kulturelle Außenpolitik bemühen sich, dieser Kritik Rechnung zu tragen, indem sie das BMZ und die Bundesregierung ermuntern, den sozialen und kulturellen Seiten der Entwicklung noch stärkere Priorität einzuräumen. Als beispielhaft in diesem Sinne darf das Konzept zur Verbesserung der Situation der Frauen in der Dritten Welt gelten. Jetzt geht es nur darum, dieses Konzept auch in die Tat umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Der internationale Bund Freier Gewerkschaften hat mit seiner Entwicklungscharta jetzt deutlich gemacht, daß Entwicklung nicht einfach als Überweisung von Hilfe verstanden werden kann, sondern als ein Verteilungsproblem weltweit und in den Entwicklungsländern selbst. Diese zentrale Erkenntnis verdichtet sich in der Forderung nach einer „neuen Wirtschafts- und Sozialordnung".
Der Hauptgrund dafür, daß es im Nord-Süd-Dialog über diese Forderungen trotz mancher erfreulicher Teilergebnisse noch nicht zu einem entscheidenden Durchbruch gekommen ist, scheint mir im Fehlen einer überzeugenden Entwicklungsstrategie zu liegen, die beide Seiten motivieren könnte, die Entwicklung einer neuen internationalen Ordnung stärker als bisher als eine gemeinsame Aufgabe anzusehen. Schließlich brauchen die Industrieländer auch die Entwicklungsländer bei der Lösung von Rohstoff-, Beschäftigungs-, Umwelt- und Bevölkerungsproblemen, bei der Neuordnung des Seerechts, bei der Bekämpfung des Terrorismus, bei der Aufrechterhaltung des Friedens. In einem globalen Dorf können die Reichen eben nicht länger wie auf einer Insel der Seligen leben.
In diesem Sinne plädiere ich, wie schon einmal von dieser Stelle aus, für eine andere, für eine andersartige Entwicklung, die auf folgenden wesentlichen Elementen beruht:
Eine andere Entwicklung muß auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse abzielen. Dazu gab es hier übereinstimmende Äußerungen aller Fraktionen. Ich meine nur, daß dies ein wichtiges Ziel ist, aber nicht das alleinige Ziel.
Deshalb bedeutet eine andere Entwicklung auch, daß sie aus dem Inneren heraus entstehen und eigenständig sein muß.
Eine andere Entwicklung muß aus Solidarität mit künftigen Generationen, auch aus Selbsterhaltungstrieb, in Harmonie mit der Umwelt erfolgen. Den vielfältigen Formen der Ressourcenverschwendung ist Einhalt zu gebieten, und deshalb bedarf es auch alternativer neuer Lebensstile.
Eine andere Entwicklung erfordert gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Strukturveränderungen. Entwicklungspolitik beginnt deshalb auch bei uns, sie beginnt zu Hause.
Eine vorausschauende Mitgestaltung bei der Reform der internationalen Ordnung muß mehr sein als die ständige Wiederholung sinnleerer Schlagworte, die Suche nach einer Politik der Stärke oder die Betonung einer Ideologie. In unserem Verhältnis zur Dritten Welt geht es nicht um Dirigismus gegen den freien Welthandel. Es geht nicht um Bürokratisierung gegen Entscheidungsfreiheit. Auf der Basis einer sorgsamen Analyse der derzeitigen Situation und einer sorgfältigen Abwägung der Lösungsmöglichkeiten müssen wir eine konstruktive Nord-Süd-Politik betreiben, um so dem Ziel einer leistungsfähigen, gerechten und sozialen Weltwirtschaft näherzukommen.
Geht es einigen von Ihnen im Nord-Süd-Verhältnis darum, Ordnungspolitik oder konkrete Verbesserungen für die Menschen in der Dritten Welt durchzusetzen? Diese Frage ist berechtigt.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Was verstehen Sie denn unter Ordnungspolitik? Sie wissen nicht, was Ordnungspolitik ist, Herr Holtz! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Ordnungspolitik ist ein Instrument, um Ziele zu erreichen. Das Ziel heißt etwa: Befriedigung der Grundbedürfnisse. Deshalb muß man sich fragen, welche Instrumente handhabbar sind.

(Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Welches das beste ist!)

Ich bin der Auffassung, daß die Instrumente des freien Welthandels allein nicht dazu dienen können, soziale Unebenheiten aufzufangen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Aber sie schließen sie doch nicht aus?!)

Das Parlament muß — und damit komme ich zum Schluß — stärker als bisher auf die Gestaltung der Grundzüge unserer Zusammenarbeit mit der Dritten Welt und ihre Verwirklichung Einfluß nehmen. In der nächsten Zeit werden wir dazu bei vielen Anlässen Gelegenheit haben: bei den Ende Juli dieses Jahres beginnenden Verhandlungen über. die Fortentwicklung der Konvention von Lomé, dem Weltwirtschaftsgipfel im Juli, der Novellierung des Entwicklungsländer-Steuergesetzes, das eine stärkere entwicklungspolitische Konditionierung erhalten sollte, der Gestaltung einer Strukturpolitik, die den Willen zur Öffnung der Märkte für die Entwicklungsländer nach innen und außen glaubwürdig macht, den laufenden Bemühungen um einen weltweiten Verhaltenskodex für Privatinvestitionen und transnationale Unternehmen und den Haushaltsberatungen für das Jahr 1979.
Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, überall dort, wo dies geht, gemeinsam versuchen, einiges von dem zu realisieren, was heute in der Debatte als Ziel angesprochen worden ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810030000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hüsch.




Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID0810030100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Schluß einer Debatte wird man sich die Frage stellen müssen: Was hat sie erbracht? Gab sie die Klärung der offenen Fragen? Ich meine, daß nun leider gesagt werden muß, daß weder der Dritte Bericht der Bundesregierung noch die Redebeiträge des Herrn Ministers und anderer Sprecher der Koalitionsfraktionen die wünschenswerte Klärung einer Anzahl ungelöster Probleme gebracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Bindig [SPD] : Das sagen Sie jetzt!)

Der Nord-Süd-Dialog steht am Scheideweg. Ich messe dieser Problemstellung entscheidende Bedeutung bei. Gelingt es, die Grundbedürfnisse zu decken oder mindestens deutliche Erfolge auf dem Weg dahin zu erzielen? Und wie steht es mit den sozialen Konflikten, die keineswegs, wie unsere politischen Gegner behaupten, nur von außen her eingetragen, sondern auch von den Partnern selbst mit erzeugt worden sind? Wie ist die Situation der Frau, wie ist es mit dem Lebensrecht des Kindes in dieser Welt? Wenn man danach forscht, so muß man feststellen: Weder der Bericht noch die Diskussionsbeiträge haben hier etwas deutlich gemacht. Statt dessen hat der Herr Minister geglaubt, er könne in einem schnell vor der Debatte gegebenen Interview auf die Opposition eingehen und ihr Mitbestreben, das 0,7 %-Ziel zu erreichen, als absurdes Theater bezeichnen. Nun, ich habe mich beim Lesen dieser Literatur gefragt: Wie mag das in den Ohren der FDP geklungen haben, wenn Sie als ihr Partner deren Steuersenkungstheater nun auch noch als absurd hinstellen wollen? Herr Minister, wenn Sie in dieser freundlichen Form, in der Sie heute aufgetreten sind, Hilfe anstreben, dann, meine ich, wäre es gut gewesen, Sie hätten dieses Wort von gestern nicht ausgesprochen.
Unsere Position ist folgende: Die industrialisierte Welt schuldet der Dritten und Vierten Welt nicht Almosen, sondern das Beispiel einer leistungsorientierten Wirtschaft. Die Bundesregierung gibt dieses Beispiel nicht, wenn sie z. B. auf dem Rohstoffmarkt — entgegen ihren eigenen entwicklungspolitischen Zielen — ein Trostpflaster in Form eines gemeinsamen Fonds anbietet.
Der andere Scheideweg: Gelingt es, den jungen Völkern auf ihrem Weg ' zu ihrer Identität so deutlich zur Seite zu stehen, daß sie dies als ehrliche Hilfe und nicht als abgetrotzte Rückgabe der ihnen, wie sie behaupten, zuvor entwendeten Güter empfinden? Ich zweifle daran, ob das, was die Bundesregierung dazu vorgetragen hat, ausreicht, um diese Frage mit klarem Ja zu beantworten.
Gelingt es, auch die nichtmateriellen Bedürfnisse der Entwicklungsländer zu befriedigen, gelingt es, darauf einzugehen, daß sie ein Recht haben, am Informationswesen teilzuhaben, gleichberechtigte Partner des Weltsportes zu sein? Davon haben wir nichts gehört, nichts gelesen.
Gelingt es, den Mißbrauch der Armut vieler Völker für imperialistische Ziele des Kommunismus unter Führung der Sowjetunion und ihrer Satelliten
sozusagen in letzter Minute zu verhindern, um diesen armen Völkern nicht nur zu sagen, sondern zu beweisen, daß der Weg der Freiheit nicht allein ein politisches Modell der Entkolonialisierung ist, sondern auch ein wirksames, nützliches wirtschaftspolitisches Instrument? Es ist zu befürchten, daß manche Entwicklungsländer das nicht erkennen und daß auch der freie Westen und die Industrieländer das nicht erkennen und daß auch der freie Westen und die Industrieländer, im praktischen Materialismus verharrend, nicht deutlich genug machen, welche schöpferische Kraft in der Freiheit auch mit Blick auf die Wirtschaft liegt.
Wir hätten sicherlich erwarten dürfen, daß seitens der Regierung auch ein Wort zu jener Studie gefallen wäre, die dem Herrn Außenminister vorliegen soll und in der diesem empfohlen wird, die Position der freiheitlichen Wirtschaftsverfassung zugunsten außenpolitischer Zielsetzungen in dem Bestreben zu ändern, beliebter zu sein. Auch darüber haben wir nichts gehört.
Gelingt es schließlich, der Gefährdung der Freiheit im weitesten Sinne durch Modelle, die Dirigismus und den Rückgang von Freiheit signalisieren, zu begegnen? Gelingt es statt dessen, die Weltwirtschaftsordnung durch liberale und soziale Elemente anzureichern und dadurch zu stärken? Auch darüber haben wir nichts gehört.
Gelingt es, die Aufrüstung zu beenden, das Macht-und Militärprestige einer Vielzahl von Entwicklungsländern abzubauen oder wenigstens zu dämpfen? Gelingt es auf diese Weise Konflikte abzubauen? Gelingt es, das alles in eine Strategie des Friedens umzusetzen? Statt einer klaren Antwort hierauf ist wieder deutlich geworden — Herr Holtz, das muß an Sie gerichtet werden —, daß wir eine Grauzone haben, in der nicht klar sichtbar wird, ob nicht doch ein stillschweigendes, augenzwinkerndes Verständnis auch für jene besteht, die sich nicht zu den freiheitlich-friedlichen Wegen entschlossen haben.
Die Bundesregierung wird jedenfalls ihren gegenwärtigen Verpflichtungen nicht gerecht, wenn sie nicht tatkräftig friedensfördernde Kräfte in den Ländern der Dritten und Vierten Welt unterstützt. Friedenspolitik für das südliche Afrika kann sich nicht im Druck auf rassistische Systeme erschöpfen, sondern sie muß sich in der klaren Auseinandersetzung mit den Befreiungsbewegungen beweisen, die keine Hilfe erwarten dürfen, weil sie nämlich Gewalt für die Änderung und die Durchsetzung ihrer Ziele verwenden.
Die Bundesregierung hat auch nicht klar Stellung genommen zu den Interventionskämpfen kubanischer Kräfte und zu den Stellvertreter-Kriegen, die die Sowjetunion im südlichen Afrika durchführen läßt. Ich darf an den Verlauf der Fragestunden erinnern und feststellen, daß wir in diesen Fragestunden keine klare Antwort bekommen haben.
Nun steht die Frage an: Gelingt es, der Verschwendung der begrenzten Ressourcen entgegenzutreten? Gelingt es wirklich, diese Verschwendung, die unverantwortlich ist, zu beenden? Gelingt es,



Dr. Hüsch
Verantwortungsgefühl zu wecken und ein verantwortliches Handeln vor allem mit Blick auf die Umwelt, ganz allgemein aber auch im Hinblick auf die Zukunft zu erreichen? Ich habe Zweifel, ob das trotz bestehenden Willens gelingt, weil auch der dritte entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung für die Lösung dieser Fragen keinen Ansatz enthält und auch der Minister dazu, obwohl diese Probleme so hautnah sind und auf dem Tisch liegen, keine Erklärung abgegeben hat.
Hat die Regierung heute wirklich eine Antwort erteilt? Ich möchte sagen, der Bericht tat es nicht. Nicht einmal die SPD und FDP waren mit dem Bericht zufrieden; die Sprecher der Koalitionsfraktionen haben verschiedene Stellen des Berichts gerügt und Ergänzungen gewünscht. Natürlich hat es nicht an den üblichen Lobpreisungen gefehlt, so nach dem Spruch: Wenn schon im Laden nichts ist, muß wenigstens das Schaufenster prächtig aussehen. Aber dieses Ritual der Lobsprüche auf die Regierung kennen wir.
Es stellt sich auch die Frage: Wie hat sich der Minister in dieser Debatte verhalten? Nun, Herr Minister, Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich ein paar Bewertungen vornehme. Sie waren selbst so liebenswürdig und haben sich der Kritik gestellt. Sie haben Offenheit avisiert. Und ich glaube, Sie ertragen es deshalb auch gut, wenn ein paar kritische Anmerkungen gemacht werden.
Ich sage Ihnen ganz offen: mir waren Sie zu brav, zu ruhig, zu farblos.

(Zuruf des Abg. Dr. Vohrer [FDP])

Wenn Sie die These teilen, Herr Minister, daß wir in einer außerordentlich schwierigen Situation stehen, daß eine Vielzahl von Fragen eine dringende Antwort verlangen, dann müssen Sie auch entsprechend auftreten und zu Lösungen beitragen. Statt dessen haben Sie sich darüber beschwert, daß wir mit Prüfung und Kritik an einige Bemerkungen des Bundesrechnungshofes anknüpfen, die, wie Sie sagen, noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben seien, jedoch, wie wir sagen, jederzeit zum Aufgreifen durch die Opposition berechtigen.
Sie haben auch daran vorbeigelenkt, daß die Regierung die Beweislast hat. Die Regierung hat die volle Beweislast, daß sie entsprechend dem Haushalt verfährt, daß sie entsprechend den politischen Zielvorgaben handelt. Sie hat auch die Beweislast, daß jedes Projekt einer kritischen Prüfung standhalten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann sollten Sie sich nicht beklagen, wenn die Opposition das tut, was eigentlich längst in Ihrem Hause hätte erfolgen können und müssen. Das Parlament hat nun einmal die Aufgabe der Kontrolle. Sie werden, auch wenn Sie dem Parlament noch so liebenswürdig und offen entgegentreten, erleben müssen — das sagen wir Ihnen zu Anfang ganz offen und freundschaftlich —, daß wir Sie nicht aus der Pflicht entlassen, in voller Klarheit Rede und Antwort zu stehen. Dazu sind Sie nach der Verfassung, nach dem parlamentarischen Verständnis verpflichtet. Dies bedeutet: Sie haben die volle Beweislast, daß alles
richtig verlaufen ist. Wir erwarten, daß Sie diesen Beweis antreten.
Die Antworten der Regierung waren dürftig. Nicht einmal die Koalitionsfraktionen scheinen ihren Aufgaben in besonderer Weise heute gerecht geworden zu sein. Lediglich Herr Holtz hat einmal ein wenig von der Doppelstrategie anklingen lassen: einerseits erlaubt man dem Minister, sich sehr ruhig zu verhalten, und auf der anderen Seite stürmt man mit Ideologie munter auf dem Feld einher — Offergeld läßt das Spiel schon laufen; man glaubt, dennoch zu einem guten Ergebnis zu kommen.

(Zurufe von der SPD)

Herr Minister, im Sturm — es ist sicherlich nicht übertrieben, zu sagen, daß wir vor stürmischen Monaten, vielleicht Jahren im Nord-Süd-Dialog stehen — hält man ein Schiff nur auf Kurs, wenn das Steuer und die Brücke entschlossen besetzt werden, wenn der Kapitän auf die Brücke kommt. Aber Ihnen kann man heute — ich bedaure das sehr — allenfalls den Rang eines dritten Maates auf einem U-Boot der Schmidtschen Flotte zuerkennen: untergetaucht, nach Möglichkeit keine Wellen machen, nur ja nicht anstoßen.

(Heiterkeit)

So, Herr Minister, werden Sie auf Dauer nicht durchkommen. So begrüßenswert Ihre Offenheit war und so gut Ihr Wille zur Zusammenarbeit ist, wir glauben, daß Sie mehr können. Deshalb erwarten wir mehr von Ihnen. Wenn Sie Entwicklungspolitik in diesem Lande gestalten wollen, Herr Minister, dann müssen Sie in Zukunft Erhebliches zulegen, um unseren Ansprüchen gerecht werden zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810030200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Dritten Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung, Drucksache 8/1185, dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit — federführend — sowie zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu der unter Punkt 16 b aufgerufenen Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 8/696 betreffend Verbesserung der Information über Entwicklungsprojekte durch die Bundesregierung; den Bericht vom 15. Juni und die Beschlußempfehlung finden Sie auf Drucksache 8/1865. — Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen. Damit ist die Behandlung der Punkte 16 a und b abgeschlossen.
Ich rufe Punkt 18 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines



Vizepräsident Schmitt-Vockenhausen
Gesetzes über die Zeitbestimmung (Zeitgesetz — ZeitG)

— Drucksache 8/258 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache 8/565 — Berichterstatter:
Abgeordneter Broll
Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein

(Erste Beratung 25. Sitzung)

Ich frage zunächst die Berichterstatter, ob eine Ergänzung des Berichts gewünscht wird. — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen für Ihre Berichterstattung.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810030300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundesregierung gebe ich folgende Erklärung ab: Die Bundesregierung begrüßt die abschließende Behandlung des Zeitgesetzes durch den Bundestag. Dadurch wird die Zeitmessung in der Bundesrepublik Deutschland auf eine moderne wissenschaftliche Grundlage gestellt.
Die Bundesregierung wird durch die im Zeitgesetz enthaltene Ermächtigung zur Einführung der
I Sommerzeit in die Lage versetzt, auf Entwicklungen im mitteleuropäischen Bereich angemessen und rasch zu reagieren. Unter den gegenwärtigen Umständen wird sie von dieser Ermächtigung aber keinen Gebrauch machen, da zur Zeit eine einheitliche Regelung in West- und Mitteleuropa nicht zu erreichen ist.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß unsere Partner in der Europäischen Gemeinschaft für die schwierige Lage Verständnis haben, in der sich die Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer zentralen Lage in Mitteleuropa befindet.
Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung abwarten und ihre Entscheidungen zu gegebener Zeit insbesondere daran ausrichten, wie ein größtmögliches Maß an zeitlichem Gleichlauf in Mitteleuropa — insbesondere mit der DDR und in Berlin — erreicht werden kann.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810030400
Das Wort
hat der Herr Abgeordnete Broll.

Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0810030500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden Verständnis dafür haben, daß dieses Gesetz mir persönlich sehr am Herzen liegt. Ich denke, daß es bei der Frau Kollegin Hartenstein ähnlich ist, denn dieses Gesetz war es, anläßlich dessen wir beide hier unsere Jungfernreden gehalten haben. Da alle wichtigen Ämter und Titel bei uns in der Fraktion schon vergeben waren, bin ich dadurch so etwas
wie der sommerzeitpolitische Sprecher meiner Fraktion geworden.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden ebenso Verständnis dafür haben, daß ich sehr darüber erschüttert war, daß dieses Gesetz, nachdem der Innenausschuß es vor einem Jahr nach drei intensiven Beratungen, davon eine in Berlin, einmütig beschlossen hatte, und zwar mit Hilfe der CDU, die ja immer bereit ist, der Regierung da, wo diese es wünscht, zu helfen, nun seit einem Jahr verschwunden war und im Plenum nicht mehr auf die Tagesordnung gekommen ist. Das liegt in diesem Fall wirklich nicht an der bösen Opposition, die ja sonst immer alles Gute verhindert und das Böse tut, sondern an der Koalition.
Meine Damen und Herren, was ist aus der Koalition geworden? Was war das früher für ein Schwung: jeden Tag ein neues Gesetz! Und jetzt braucht man ein Jahr, um dieses Gesetz zur dritten Lesung zu bringen! Dabei geht es um außerordentlich wichtige Dinge, die unbedingt ganz dringend einer gesetzgeberischen Lösung bedürfen.
Erstens geht es darum, das von Kaiser Wilhelm II. am 12. März 1893 höchsteigenhändig unterschriebene damalige Zeitgesetz abzulösen. In diesem Zeitgesetz nämlich war völlig konservativ und für heutige Zeiten total unverständlich die Zeiteinheit „Sekunde" als kleinste Einheit von der alten Erdumdrehung hergeleitet, während dieses neue Gesetz, nach dem wir jetzt die Zeit bestimmen sollen, die Sekunde wie folgt definiert: Sie „ist das 9 192 631 770fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids ¹³³Cs entsprechenden Strahlung". — Es ist klar, daß dieses Gesetz allein wegen dieses Punktes den Ehmkeschen Begriff „Reform" verdienen würde.

(Heiterkeit)

Die zweite, ebenso wichtige Neuerung dieses Gesetzes ist, daß — das steht in § 4, wenn Sie es suchen und bestätigt finden wollen — in Zukunft beim Schreiben von Trillionen die Nullen weggelassen werden und statt dessen eine Sammelbezeichnung — wie „Mega" für Million —, nämlich „Exa", benutzt werden kann. Ich muß zugeben, ich habe vor der Lektüre dieses Gesetzes nicht gewußt, daß. eine Trillion eine 1 mit 18 Nullen ist; man hat ja auch in der Politik mit so vielen Nullen auf einmal selten zu tun.

(Heiterkeit und Zurufe von der SPD)

— Sie in Ihrer Fraktion vielleicht; wir nicht, bei uns keineswegs!
Durch dieses Gesetz wird also der Umgang mit Trillionen ganz erheblich erleichtert. Ich gebe zu, auch dieses hat eine erhebliche politische Tragweite. Ich glaube aber nicht, daß es diese beiden Punkte gewesen sind, deretwegen die Koalition diesen Gesetzentwurf solange zurückgehalten hat. Das wird natürlich die in § 3 enthaltene Ermächtigung, die Sommerzeit einzuführen, gewesen sein.



Broll
Wenn ich nun das Verfahren, das hier zwischen Regierung und Koalition zu beabachten war, beschreibe, so ist es wirklich schwer — um einen alten Römer zu zitieren — keine Satire zu schreiben. Es ging so los, daß die Regierung den festen Willen hatte, die Sommerzeit einzuführen und dieses auch in Europa verkündet hatte, so definitiv verkündet hatte, daß manche europäischen Staaten schon erklärten: Wir warten nur noch auf euer Zeitgesetz, um es dann quasi zu benutzen, um ein entsprechendes eigenes zu verfassen.
Die Folge davon war, daß der Innenausschuß diesen Gesetzentwurf intensiv unter Anhörung mancher Fachleute beriet und dann einmütig — nicht ganz einstimmig, aber einmütig — zum Beschluß kam, der Regierung in ihrem Entwurf zuzustimmen.
Dann aber kamen, soviel uns berichtet worden ist, dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion erhebliche gesamtdeutsche Bedenken. Die Folge davon war, daß auch idem Minister für innerdeutsche Beziehungen erhebliche Bedenken kamen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Die Folge wiederum davon scheint gewesen zu sein, daß auch dem damaligen Staatssekretär im Innenministerium, dem Herrn Baum, erhebliche Bedenken gekommen sind, so daß er im Ältestenrat riet, die Behandlung dieses Gesetzentwurfs immer weiter hinauszuzögern. Das hatte aber nicht etwa zur Folge, daß die Regierung nun ihrerseits auch Bedenken gehabt hätte. Im Innenministerium zumindest war man weiter interessiert, diesen Gesetzentwurf durchzubekommen. Als man nun im Ältestenrat nicht weiterkam, rief man den Innenausschuß zur Hilfe. Man bat freundlich um eine entsprechende Empfehlung an den Ältestenrat. Wir haben sie ausgesprochen, und so mag es dieser Initiative zu danken sein, daß wir das Gesetz heute in dritter Lesung beraten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0810030600
Die Koalition mißtraut der Regierung. Deswegen hat die Regierung erklärt, eine Ermächtigung, um die sie im vorigen Jahr dringend gebeten hatte, werde sie in Zukunft noch lange nicht benutzen.
Das Bild, das die Regierung im Innern und nach außen macht, ist, wenn auch zugegebenerweise in einem nicht sehr bedeutenden Punkte, etwas lächerlich. Wir mißtrauen der Regierung manchmal schon, aber daß nun die Koalition der Regierung in einem solchen Punkt so mißtraut, fanden wir dann doch etwas übertrieben.
Ich brauche auf die Gründe, die für die Einführung der Sommerzeit sprechen, wohl nicht mehr einzugehen. Es geht weniger um Energieeinsparungen andere Kollegen und ich haben in der ersten Lesung manches darüber gesagt —, obwohl die von den Befürwortern natürlich als sehr groß und von den Gegnern als sehr klein angegeben werden. Es geht, um einen Begriff aus der Popularsoziologie zu gebrauchen, um die Verbesserung der Lebensqualität.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es geht darum, daß Menschen im Sommer am Abend etwas mehr Tageszeit für Dinge haben, die sie gern tun möchten. Diesen vielen möglichen sinnvollen und schönen Zielen sollten sie folgen können in einer für sie angenehmen Zeit. Es geht schließlich — das darf hier nicht vergessen werden; denn wir sind ja nicht hingerissen von dem Gedanken, die Zeit zu verändern — natürlich auch darum, daß wir uns den Europäern, den sieben Staaten allein der Europäischen Gemeinschaft und den anderen europäischen Staaten, die ,die Sommerzeit bereits eingeführt haben, anpassen. Denn die Zustände an der Grenze, wenn diese Schwierigkeit auch überwindbar sind, sind doch so, .daß die dortige Bevölkerung und alle, ,die viel über die Grenzen hin- und herzufahren haben, die mit Verkehr zu tun haben, erheblich belästigt werden.
Ich will die Gründe, die gegen ,die Einführung der Sommerzeit sprechen, hier nicht im einzelnen behandeln. Der DGB hat, ob nun als Hilfe für die Meinung der Koalition oder aus eigener Überzeugung, eine Reihe von Bedenken vorgebracht. Auch die Landwirtschaft, Herr Kollege Ritz, hat sich geäußert, .die Kühe könnten sich nur schwer an neue Zeiten gewöhnen. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allem Respekt vor dem Urteil dieser durchaus zu einem solchen Urteil befähigten Gruppen, ein bißchen provinziell kommt einem das schon vor. Wir muten Kindern und Erwachsenen seit Jahren in manchen Bereichen, die Idle seelische und körperliche Integrität der Menschen betreffen, sehr viel mehr Änderungen zu. Wir führen Kinder sehr früh aus ,dem Hause und fahren sie zu weit entlegenen Schulen. Wir reißen Schulklassen auseinander, bringen kleine Kinder in Kinderläden und lassen mit ihnen experimentieren; übrigens ohne Widerspruch der genannten Organisationen. Wie man dann ausgerechnet in diesem Punkte, wenn es um die Veränderung um eine Stunde in einem halben Jahr geht, solche Widerstände leistet — wie gesagt: bei allem Respekt, so übermäßig ernst brauchen wir dieses Argument nicht zu nehmen.
Das einzige wirklich ernst zu nehmende Argument ist — da verstehen wir natürlich, was von der Regierung eben und von der Koalition schon vorher erklärt worden ist —, daß mit einer Einführung der Sommerzeit Deutschland auch noch in der Zeit geteilt sein wird, zu allen anderen Teilungen, die wir schon beklagen.
Nun haben zwar bei der Beratung dieses Gesetzes im Innenausschuß in Berlin die Vertreter des Senates ganz eindeutig gesagt, es gäbe zwar gewisse Schwierigkeiten, aber sie wären nicht unüberwindbar, und sie haben die Dinge einfach auf eine mittelleichte Ebene gehoben. Wir sahen darin eine Bestätigung der typischen Berliner Eigenschaft, mit



Broll
Schwierigkeiten in einer gewissen Nonchalance fertig zu werden.
Ich bin überzeugt, wenn die Koalition nicht so früh der DDR gesagt hätte, ohne sie, ohne ihr Mittun, werden wir hier nie Sommerzeit einführen, dann hätte sich die DDR nicht auf die Hinterbeine gesetzt und ließe uns nicht so an ,dem Halsband zappeln, daß wir uns in dieser Angelegenheit selbst umgelegt haben. Das ist eine Entwicklung, die der Regierung und den sie tragenden Parteien vorgeworfen werden muß. Ich bin überzeugt, daß ohne diese Vorgaben von unserer Seite die DDR auch sehr bald dem Vorbild Polens gefolgt wäre und die Sommerzeit eingerichtet hätte.
Ich will zum Schluß kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die CDU/CSU-Fraktion stimmt diesem Zeitgesetz zu. Wir stimmen auch der Ermächtigung für die Regierung zu, Sommerzeit einzuführen. Wir erwarten allerdings, daß die Regierung die Sommerzeit nicht ohne ein Votum der Stadt Berlin einführt; ich sage nicht: ohne ein Votum der DDR. Mit den Vertretern Berlins möge diskutiert werden, was die Berliner selbst, die an der Nahtstelle zwischen Ost- und Westdeutschland stehen, darüber zu sagen haben, was sie glauben selbst in Kauf nehmen zu können, und wo sie meinen, um der Einheit Deutschlands willen nicht nachgeben zu sollen.
Wir sind dafür, daß sich die Regierung aktiv dafür einsetzt, daß in Europa bei den Staaten, die schon Sommerzeit haben, auch eine einheitliche Sommerzeit eingeführt wird und daß nicht jeder Staat zu einem anderen Zeitpunkt beginnt und zu einem anderen Zeitpunkt endet.
Ich bin auch der Überzeugung, Herr Staatssekretär, nach der Erklärung, die Sie eben abgegeben haben, daß die Haltung der Bundesregierung ein Stückchen dazu beigetragen hat, daß in Europa noch immer keine Einigung über Sommerzeit möglich ist, nicht einmal über den Termin. Wir sollten nicht nur auf die Entwicklung Europas warten. Wir sollten wissen, daß wir selbst ein Stück dazu beitragen können, daß die Entwicklung in Europa vorangeht.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit Sie sich klarmachen, was Sommerzeit eigentlich heißt: Wenn wir heute Sommerzeit gehabt hätten, dann wäre es natürlich bei dem augenblicklichen Stand der Debatte auch schon 5 Minuten nach ½ 8. Das Licht in diesem Raume wäre genauso künstlich, die Atmosphäre genauso steril. Aber wenn Sie dann nach Anhören der anderen sommerzeitpolitischen Sprecher hinausgingen, hätten Sie noch viel mehr schönen Abend und noch eine lange Dämmerung vor sich. Die Aussicht darauf bewegt mich, jetzt schnell Schluß zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810030700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (SPD):
Rede ID: ID0810030800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Themen, die scheinbar wenig politische Brisanz haben, allerdings nur dann,
wenn man sie recht vordergründig betrachtet. Zu dieser Sorte gehört für manche offenbar das Zeitgesetz. Ich persönlich teile diese Ansicht nicht. Deswegen habe ich auch gar nicht den Erhgeiz, in der Form der Darstellung und der Behandlung des Themas in Konkurrenz mit meinem Vorredner, dem verehrten Kollegen Broll, zu treten.
Zunächst möchte ich betonen, daß ich weiß, daß sich viele Mitbürger freuen, daß nach § 3 des Zeitgesetzes die Möglichkeit geschaffen werden soll, die Sommerzeit einzuführen. Sie versprechen sich zu Recht eine Chance, ihre Freizeit am Abend durch die längere Helligkeitsphase besser ausnutzen zu können; die Gastronomie verspricht sich regeren Zuspruch und mehr Gewinn — daran ist nichts auszusetzen —; dasselbe gilt für die Betreiber von Freizeiteinrichtungen. Auch die Sportvereine können mehr Veranstaltungen planen, die Gartenliebhaber können länger ihrem Hobby nachgehen. Wie dem auch sei, gegen all dies — ich wiederhole es — ist im Prinzip nichts einzuwenden, im Gegenteil.
Wahr ist auch, daß in Europa gegenwärtig ein kurioser Zeit-Wirrwarr herrscht. Der französische Antrag, der 1975 bei den Europäischen Gemeinschaften in Brüssel eingebracht wurde, führte, wie es dort heißt, zu keiner Einigung „wegen der Vielschichtigkeit des Problems und der divergierenden Interessenlage bei den einzelnen Mitgliedstaaten". Mit Schreiben vom 3. Februar 1976 hat die EG-Kommission dem Rat der EG vorgeschlagen, daß diejenigen Länder, die die Sommerzeit einführen wollen, einen gemeinsamen Anfangs- und Endtermin festlegen sollten. Die Bundesrepublik hat diesem Vorschlag zugestimmt, aber nicht alle Länder sind ihm gefolgt. So zieht sich die Sommerzeit 1978 in unterschiedlicher Länge vom 19. März bis zum 29. Oktober über fast acht Monate hin.
Dies ist nicht erfreulich. Aber man sollte, wie ich meine, solche Ungereimtheiten nicht zu einem Chaos hochstilisieren, wie es hie und da in den Medien geschieht. Keiner bestreitet ja, daß sich z. B. für den grenzüberschreitenden Verkehr und den Tourismus Vereinfachungen bei einer einheitlichen Handhabung der Sommerzeit in Europa ergäben und daß auch die Harmonisierung der Eisenbahnfahrpläne und der Flugpläne natürlich von Vorteil wäre. Nicht zuletzt würden die vielen Arbeitnehmer, die täglich über die Grenze zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, das Verschwinden der Zeitverschiebung begrüßen.
Freilich wird auf der anderen Seite gern übersehen — oder auch geflissentlich verschwiegen —, daß die Zeitverschiebung, die wir jetzt haben, nur den westeuropäischen und den südeuropäischen Bereich betrifft. Der ganze mitteleuropäische Bereich — die Bundesrepublik, die DDR, die Schweiz, Osterreich, die CSSR, Dänemark und auch die skandinavischen Länder im Norden — hat nach wie vor einheitlich die mitteleuropäische Zeit. Was die Schweiz angeht, so hat übrigens der Volksentscheid vom 28. Mai 1978 sogar eine Mehrheit für die Beibehaltung der mitteleuropäischen Zeit ergeben. Ich möchte in Klammern hinzufügen: Spötter sagen — hier muß ich meinem Vorredner ausnahmsweise beipflichten —: wegen der Schweizer Kühe, die sich nicht gern so



Frau Dr. Hartenstein
früh melken lassen wollen. Hier wird sich also nichts ändern.
Verschwiegen oder einfach vergessen wird übrigens auch, daß England, Irland und Portugal gerade durch die Einführung der Sommerzeit heute zeitgleich mit Mitteleuropa sind, da sie ja die westeuropäische Zeit als Normalzeit haben. Wer also von Frankfurt oder Köln nach London oder Lissabon fliegt, der braucht seine Uhren nicht umzustellen.
Summa summarum: die Lage ist nicht so dramatisch, wie sie oft dargestellt wird, aber sie ist zugegebenermaßen auch nicht zufriedenstellend. Hinzu kommt im übrigen, daß der Wunsch nach einer einheitlichen europäischen Zeitregelung ein Jahr vor den Wahlen zum Europa-Parlament begreiflicherweise stärker hervortritt als in den Jahren zuvor.
Nun aber steht kein anderes Land der Europäischen Gemeinschaft so wie Deutschland vor dem ungeheuer schwierigen Problem der Zweiteilung. Wenn die DDR nicht gleichzeitig mit der Bundesrepublik die Sommerzeit einführt, dann besteht die Gefahr, daß an der innerdeutschen Grenze und in Berlin zusätzlich eine „Zeitmauer" aufgerichtet wird. Damit würde neben allen anderen Unterschieden ein weiteres trennendes Moment geschaffen, ein Moment dazu, das die Spaltung auf Schritt und Tritt bis in den Alltag hinein spürbar machen würde. Allein in Berlin werden täglich 15 000 Telefongespräche geführt. Im Jahr gehen 3 Millionen Besucher von West-Berlin nach Ost-Berlin. Man weiß, daß die westlichen Rundfunk- und Fernsehprogramme in mehr als drei Vierteln der DDR empfangen werden können. Überall müßte dann in Zukunft diese Zeitschwelle beachtet werden. Was noch schlimmer ist: Sie würde immer von neuem mit schmerzlicher Deutlichkeit ins Bewußtsein der Bürger eingegraben. Dies darf nicht geschehen! Es gilt für uns, den Graben doch nicht tiefer zu machen, sondern ihn zuzuschütten, soweit es in unserer Kraft steht. Technokratisches Denken und ökonomische Sachzwänge dürfen deshalb nicht den Vorrang haben.
Es ist gesagt worden, die Berliner würden mit dieser Situation schon fertig werden, sie hätten schon andere „Unannehmlichkeiten" bewältigt. Gewiß. Aber es geht nicht um Unannehmlichkeiten. Wer so spricht, der verkennt, welche tiefe psychologische Wirkung die scheinbar simplen Dinge des Alltags auf den Menschen ausüben und wie sie auch die politische Atmosphäre verändern können. Wir haben es geschafft, durch den Grundlagenvertrag und die Folgeverträge hat es die sozialliberale Regierung geschafft, das millionenfache Kontakte innerhalb Berlins und zu den Bürgern der DDR bestehen: im Verkehrsbereich, durch die Vervielfachung der Telefonverbindungen, durch die Medien. Nichts aber könnte drastischer und sinnenfälliger die Teilung tagtäglich spürbar machen, als wenn man sich bei jedem dieser Kontakte, bei jedem Druck auf den Radioknopf überlegen müßte: Halt, dort ist der 20-Uhr-Tagesschau-Termin ja jetzt schon um 19 Uhr, die 19-Uhr-Nachrichten kommen bereits um 18 Uhr usw.
Ich weiß sehr wohl, daß mancher — auch in diesem Hause — diese Problematik, wie ich sie darstelle, als übertrieben betrachtet. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, daß man ihre Bedeutung gar nicht überschätzen kann.

(Zustimmung des Abg. Kittelmann [CDU/ CDU])

Es fehlt oft nur das Vorstellungsvermögen für die tatsächlichen Auswirkungen solcher Maßnahmen in der Realität.
Unser Anliegen richtet sich daher an die Bundesregierung, daß von der in § 3 enthaltenen Ermächtigung kein Gebrauch gemacht werden soll, solange diese Gefahr einer „Zeitgrenze" im geteilten Deutschland besteht. Wir gehen ferner davon aus, daß vor Entscheidungen, die die besonderen Interessen des geteilten Landes berühren, die zuständigen Ausschüsse des Bundestages informiert und gehört werden. Dies entspricht im übrigen auch dem Begehren des Wirtschaftsausschusses, der als mitberatender Ausschuß dem Gesetz mit der Maßgabe zugestimmt hat, daß sichergestellt werden solle, „daß durch die beabsichtigte Einführung der Sommerzeit die Zeiteinheit in Berlin und mit der DDR nicht aufgehoben wird". So steht es ausdrücklich im Beschluß des Wirtschaftsausschusses.
Lassen Sie mich zurückgreifen. Schon der Herr Kollege Broll hat auf das alte Zeitgesetz verwiesen, das jetzt 85 Jahre alt ist. Wenn Kaiser Wilhelm II. es für nötig befunden hat, dieses Zeitgesetz einzuführen, dann deshalb, weil bis dahin die Uhren in Aachen erheblich anders gingen als etwa in Breslau oder in Königsberg und weil eine einheitliche Zeiteinteilung für das gesamte damalige Deutsche Reich verbindlich gemacht werden sollte. Wir wollen, daß auch in Zukunft die Uhren in Leipzig und München, in Dresden und Düsseldorf und in Ost- und West-Berlin gleich gehen. Wenn dies gewährleistet ist, dann wird sich die Bundesrepublik Deutschland einem gesamteuropäischen Sommerzeitkonzert sicher anschließen.
Lassen Sie mich noch kurz auf die anderen Aspekte, die es zu bedenken gilt, eingehen, und zwar auf den energiepolitischen und den gesundheitspolitischen Aspekt.
Das Hauptargument, das Frankreich 1976 als erstes Land bewogen hat, die Sommerzeit einzuführen, war bekanntlich die Hoffnung auf Energieeinsparung. Diese Hoffnung hat sich mittlerweile — man muß es leider sagen — verflüchtigt, als Seifenblase herausgestellt. Die französische Presse berichtete schon im letzten Jahr, daß der energieeinsparende Effekt praktisch gleich Null sei. Grund: Was man an elektrischer Energie durch die längere Helligkeit am Abend einspart, wird in anderer Energieform, nämlich in Form von Treibstoff, wieder verpulvert, weil die Autofahrer eine Stunde länger in der Gegend herumkurven.
Ein findiger Kopf hat ausgerechnet, daß die Energiemenge von 0,2 %, um die der Jahresstromverbrauch in der Bundesrepublik durch die Einführung der Sommerzeit reduziert werden könnte, exakt wieder aufgezehrt würde, wenn jeder der 16 Millionen privaten Autofahrer in diesen 'sieben bis acht Monaten nur 80 Kilometer mehr als gewöhnlich führe.



Frau Dr. Hartenstein
Diese Annahme wird mit Sicherheit überschritten; schon deshalb, weil wir heute in Wirklichkeit bereits 22 Millionen Kraftfahrzeuge haben.
Wo aber viel Betrieb ist, da ist auch viel Lärm. Das heißt, da der Straßenverkehr nicht vor Mitternacht abflauen wird, wird auch der Ruhebedürftige keine Ruhe finden. Das ist die Kehrseite der Medaille, und das muß man sehen; das muß man vorher sehen. Moped- und Motorradfahrer, die schon heute manches Wohnviertel mit nervenaufreibendem Lärm, ich muß fast sagen: terrorisieren, werden dann eben noch eine Stunde länger ertragen werden müssen.
In den Benelux-Ländern hat sich übrigens bereits eine weitere bedenklich stimmende Tendenz bemerkbar gemacht. Untersuchungen der Kultusbehörden in Brüssel und Den Haag haben ergeben, daß sich die Schlafgewohnheiten der Kinder eben nicht nach der Uhr richten, sondern nach der Sonne. In vielen Fällen — so heißt es in den Untersuchungen — würden die Kinder „mit Rücksicht auf die noch hochstehende Sonne einfach eine Stunde später ins Bett geschickt". Ergebnis: Es fehlt ihnen eine Stunde Schlaf. Sie erscheinen am Morgen müde, unausgeschlafen und konzentrationsunfähig in der Schule.

(Zurufe von der SPD)

Daher haben — bitte ganz zuhören! — einige Schulverwaltungen verfügt, daß in den ersten beiden Unterrichtsstunden keine Klassenarbeiten mehr geschrieben werden dürfen.
Auf die Problematik der Einführung der Sommerzeit für die über 2 Millionen Schichtarbeiter, die wir in der Bundesrepublik haben, hat der DGB eindringlich aufmerksam gemacht. Wir müssen auch diese Mahnung ernst nehmen. Denn diese Arbeitnehmer, die ohnehin in ihrem Lebensrhythmus zu ständigen Umstellungen gezwungen sind, müßten noch zusätzliche Belastungen durch die Verkürzung der Entspannungs- und Ruhezeiten auf sich nehmen. Nach der Empfehlung des Innenausschusses soll die Bundesregierung durch eine Entschließung verpflichtet werden, im Falle der Einführung der Sommerzeit alle Konsequenzen, insbesondere auch die gesundheitspolitischen und die arbeitsmedizinischen, sorgfältig zu beobachten und dem Parlament nach Ablauf von zwei Jahren darüber Bericht zu erstatten.
Wir erwarten, daß Vor- und Nachteile gewissenhaft gegeneinander abgewogen werden; denn was wir wollen, ist eine humanere Gesellschaft, d. h. auch eine humanere Arbeitswelt, die nicht mehr Streß und mehr Belastung bringt — hier unterscheiden wir uns in der Definition dessen, was Lebensqualität heißt, Herr Kollege Broll, doch vielleicht sehr deutlich —, sondern weniger Streß und weniger Belastung. Dies ist bis heute — zumindest für mich — durch die Einführung der Sommerzeit noch in keiner Weise bewiesen worden.
Ich meine auch, daß eine humane Gesellschaft nicht nur den gesunden, robusten Menschen zu ihrem Maßstab machen darf, sondern daß sie auch auf weniger belastbare Gruppen Rücksicht nehmen
muß, z. B. auf Nacht- und Schichtarbeiter, z. B. auf ältere Menschen, z. B. auf Kranke und Kinder.
Wenn sich die Sommerzeit wirklich rundherum als positiv erweisen sollte — auch im gesundheitspolitischen Bereich —, dann soll sie uns willkommen sein; allerdings — ich weise noch einmal darauf hin — nur unter den vorhin genannten Voraussetzungen, die ich deutlich ausgeführt habe.
Statt einer Zusammenfassung lassen Sie mich zur Illustrationen aus den vielen Zuschriften, die mir und sicherlich auch Ihnen zugegangen sind, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten jenen kleinen Text zitieren, der von einem 15jährigen Jungen auf eine Postkarte geschrieben wurde. Diese Postkarte war übrigens nicht an mich gerichtet, sondern an den Petitionsausschuß. Der Junge schreibt:
Ich hätte ein Anliegen, deswegen wende ich mich an Sie. Den Beschluß, daß die Uhr um eine Stunde vorgestellt wird, finde ich nicht gut; denn ich bin 15 Jahre alt und noch Schüler, und ich muß um 6 Uhr aufstehen. Wenn jetzt die Uhr um eine Stunde vorgestellt wird, müßte ich nach normaler Zeit um 5 Uhr aufstehen. In warmen Sommern kommt man abends vor Hitze kaum ins Bett, und morgens ist man müde und unausgespannt. Mit dem Energiesparen kann man auch bei den Autos anfangen. Man könnte das Gesetz durchbringen, daß Autos vor Schranken und Ampeln den Motor abstellen.
Schreiben Sie mir bitte zurück, was Sie darüber denken. Vielen Dank im voraus.
Und ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Was haben Sie denn zurückgeschrieben? — Frau Dr. Hartenstein [SPD] : Wenn Sie das meinen Ausführungen nicht entnommen haben, tun Sie mir leid!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810030900
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0810031000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Haben Sie auch einen Brief?)

Ungeachtet der noch nicht eingeführten Sommerzeit, lieber Herr Kollege, möchte ich mich kurz fassen, obwohl der Abend auch in einer Stunde sicher nicht weniger verregnet sein wird als jetzt. Aber es gibt ja Genüsse, die erst spät Freude machen. Ich nehme an, der Kollege Broll hat auf diese Überlegungen angespielt. Da muß man dann abwägen zwischen Philemon und Baucis und dem Platz an der Theke.
Lieber Kollege Broll, Sie erlauben mir die Anmerkung, daß Ihre Ausführungen zu den Trimillionen am 5. Mai 1977 etwas taufrischer gewesen sind als heute; jedenfalls habe ich mich damals darüber gefreut.
Ich meine, daß die Regierung sicher eine ganze Menge Zeit investiert hat, daß sie ihre Zeit aber



Wolfgramm (Göttingen)

nicht schlecht in diese Überlegungen investiert hat und daß dabei die Schwingungen des Cäsium-Atoms sehr aktiv gewesen sind. Die Koalition jedenfalls vertraut dieser Regierung, Herr Kollege Broll, denn sie beschließt ja heute, der Regierung eine Ermächtigung zu geben. Das würde sie nicht tun, wenn sie kein Vertrauen in eine solche Handhabung hätte.
Es gibt schon ernste Gründe für Überlegungen am Rande dieses Gesetzes. Ich meine, daß wir die Dinge, die uns zwischen DDR und Bundesrepublik noch gemeinsam erhalten sind, vielleicht doch nicht so ganz einfach und ohne weiteres aufs Spiel setzen sollten. Ich zitiere hier mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus der Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit:
Dieser Wunsch nach Einheit entspringt der einfachen Tatsache, daß sich die Mehrheit der Deutschen in Ost und West als Einheit fühlt und als Einheit seine Zukunft gestalten will. Das ist ein Ergebnis unserer Geschichte. Das lange Zusammenleben in politischen Ordnungen, die man vielleicht heute kritisch betrachten mag, hat doch dazu geführt, daß wir ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickelt haben.
Ich meine, daß sicher auch die gemeinsame Zeit, auch die Zeit der gemeinsamen Zukunft zu einer solchen Verbindung gehört. Die Gründe der DDR, wiewohl wir sie in dieser Form hier nicht zu teilen vermögen, daß sie keine Vorteile für die Bevölkerung sieht, daß sie ganz ausschließlich und im sozialen Bereich so extreme Nachteile sieht, daß sie sich dazu nicht entschließen kann, sollten uns jedenfalls nicht dazu verleiten, eine solche Gemeinsamkeit in dieser Frage hintanzustellen, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die sich für das Land oder für die Stadt Berlin ergeben.
Es wäre aber sicher auch kein Unglück, wenn wir eine getrennte Zeit hätten. Das gibt es auch in großen Kontinenten. Diejenigen von Ihnen, die in den Vereinigten Staaten waren — es gibt ja den Spruch, es gebe zwei Arten von Menschen, die einen, die schon in den Vereinigten. Staaten waren, und die anderen, die noch hin wollen —, werden dort festgestellt haben, daß es sich relativ leicht bewerkstelligen läßt, diesen großen Kontinent mit seinen eigenen Zeitunterschieden zu durchqueren. Dies geht ohne Schwierigkeiten. Aber ich meine, es wäre für uns als Land, durch das der Tourismus von Nord nach Süd und von West nach Süd fließt, schon bequemer, hier Möglichkeiten zu schaffen und auch für unsere eigenen Touristen solche Möglichkeiten anzubieten und schließlich auch — und hier kommen wir sozusagen in eine andere Art der gemeinsamen Loyalität — gemeinsam mit der EG Vorstellungen zu verwirklichen, von 1979 bis 1981 eine gemeinsame Zeit einzuführen.
Appellieren wir also an die DDR, die Gemeinsamkeit nicht immer über alle Maßen zu strapazieren, und appellieren wir an sie, doch zu sehen, daß es auch für sie Vorteile hat, wenn sie sich zwischen der Bundesrepublik und Polen einer gemeinsamen Sommerzeitregelung anschließen könnte!
Meine Damen und Herren, die Zeitläufte sind noch nicht so, aber es wird Zeit, daß sich hier doch eine gemeinsame Sommereuropazeit bildet.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810031100
Meine
Damen und Herren, wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer idem Gesetz in der zweiten Beratung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Bei wenigen Stimmenthaltung so beschlossen.
Zur Abgabe einer Erklärung gemäß § 59 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wehner das Wort.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0810031200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe darum gebeten, das Wort zu einer persönlichen Erklärung gemäß § 59 der Geschäftsordnung erteilt zu bekommen. Sie brauchen also nicht zu befürchten, daß ich etwa unter Berufung auf § 49 der Geschäftsordnung den Präsidenten ersuche, die Beschlußfähigkeit dieses sogenannten Hauses festzustellen. Was ich sagen will, ist folgendes: Durch eine in unser Ermessen — ich will sagen: in das Ermessen unserer Seite — gestellte Entscheidung zur Einführung der sogenannten Sommerzeit würde zusätzlich zu allem Trennenden in Berlin und im geteilten Deutschland noch eine Zeitgrenze geschaffen. Einer solchen Regelung vermag ich nicht zuzustimmen. Der Abgeordnete Wehner enthält sich der Stimme.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0810031300
Meine
Damen und Herren, wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? — Bei Stimmenthaltung des Abgeordneten Wehner und anderer Abgeordneter der SPD-Fraktion sowie eines Kollegen der FDP-Fraktion ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen nun zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses unter den Ziffern 2 und 3. Ich glaube, ich kann über diese beiden Ziffern gemeinsam abstimmen lassen. Wer den Ziffern 2 und 3 der Ausschußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Nico Hübner
— Drucksache 8/1823 —
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

(V o r s i tz : Vizepräsident Stücklen)





Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0810031400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion fordert den Deutschen Bundestag auf, sich gemeinsam für die Freilassung von Nico Hübner einzusetzen. Die Freilassung von Nico Hübner wird gefordert, weil sich Nico Hübner zu Recht auf Berufung des Viermächtestatus von Berlin gegen eine Zwangseinberufung zum Militärdienst in ,der DDR gewandt hat. Für diese konsequente, hohen Respekt abnötigende Haltung droht dem jungen Berliner eine hohe Zuchthausstrafe. Zwar hat die DDR zu erkennen gegeben, daß sie die ursprüngliche Anklage wegen Wehrdienstverweigerung nicht mehr erwägt. Der öffentliche Protest vor allem der Schutzmächte wie die tausendfache Bereitschaft unzähliger Bürger, der demokratischen Parteien, vieler Organisationen haben bewirkt, daß die DDR in dieser Frage ausgewichen ist.

(Werner [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

Aber der ursächliche Zusammenhang zwischen seinem Handeln und den Folgen bleibt voll erhalten.
Nico Hübner ist weiter im Gefängnis der DDR, und die Anklage gegen ihn soll jetzt sogar noch verschärft werden. Nico Hübner soll jetzt nicht nur nach § 100 des Strafgesetzbuches der DDR — staatsfeindliche Verbindung; Strafandrohung ein bis fünf Jahre —, nicht nur nach § 106 — staatsfeindliche Hetze; Strafandrohung bis zu fünf Jahren —, sondern auch noch nach § 98 wegen Sammlung von Nachrichten angeklagt werden, und zwar mit einer Strafandrohung bis zu 12 Jahren.
Die DDR scheint dabeizusein, an Nico Hübner ein Exempel statuieren zu wollen und allen Bemühungen um die Durchsetzung von Menschenrechten und damit auch der Verbesserung von innerdeutschen Beziehungen einen Schlag ins Gesicht zu versetzen. Die Anklage gegen Nico Hübner bleibt also bestehen, auch wenn sie mit dialektischen Tricks verändert und dabei sogar zu seinen Ungunsten verschärft worden ist.
Am 16. März wurde Nico Hübner nach dem Besuch eines Logistikseminars an der Humboldt-Universtät in Ost-Berlin verhaftet. Warum? Er hat sich geweigert, am 8. und 22. Februar einer Aufforderung für eine Tauglichkeitsuntersuchung zur Einberufung zur Nationalen Volksarmee nachzukommen. Bereits am 14. März war er daraufhin auf einem Polizeirevier in Ost-Berlin vernommen worden. Er gab bei seiner Verhaftung — ich halte es für wesentlich, daß diese Erklärung hier wörtlich von mir verlesen wird — folgende Erklärung ab:
Ich wurde 1956 in Berlin geboren und bin in Berlin wohnhaft. Ich bin also Bürger von Groß-Berlin und erkläre hiermit, daß ich nicht gewillt bin, der Aufforderung zur Musterung zu folgen. Als Berliner bin ich nicht verpflichtet, der Wehrpflicht in einer deutschen Armee nachzukommen.
Denn erstens soll Groß-Berlin eine entmilitarisierte Zone sein. Bürger Berlins dürfen danach nicht zum Wehrdienst eingezogen werden. Zweitens. Der Sonderstatus Berlins wurde von den Vier Mächten am 12. September 1944 im
Londoner Protokoll vereinbart. Auch die Sowjetunion hatte zugestimmt.
Drittens. Im Potsdamer Abkommen wurden die völlige Abrüstung und Entmilitarisierung beschlossen.
Viertens. Im alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 43 wird nochmals die Entmilitarisierung Groß-Berlins festgelegt.
Fünftens. Die Vier Mächte betonen im vierseitigen Abkommen vom 3. September 1971, daß sie handeln auf der Grundlage ihrer vierseitigen Rechte und Verantwortlichkeiten und der entsprechenden Vereinbarung und Beschlüsse der Vier Mächte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die nicht berührt werden.
Aus den oben genannten Bestimmungen geht klar hervor, daß Groß-Berlin einen Sonderstatus hat. Kein Berliner darf durch Gesetz zum Wehrdienst in den deutschen Streitkräften eingezogen werden.
Nico Hübner umriß mit diesen einfachen klaren Worten, was Jens Hacker vor kurzem etwas ausführlicher und etwas wissenschaftlicher genauso bewiesen hat.
Wer ist dieser junge 22jährige Berliner?
Aufgewachsen ist Nico Hübner in einem Elternhaus, das sich dem DDR-Regime angepaßt hat. Sein Vater ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Parteihochschule Karl-Marx, beim Zentralkomitee der SED. Seine Mutter ist leitende Redakteurin beim Kinderfunk des Ost-Berliner Rundfunks. Vielleicht hat Honecker gerade an Nico Hübner erinnern wollen, als er vor kurzem nach einer Rede von Kreissekretären der SED sagte:
Angefangen bei den eigenen Kindern sollen unsere Genossen mit Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und festem Standpunkt zu Werk gehen. Sie sollten den Jugendlichen helfen, sich in den komplizierten Situationen des internationalen Klassenkampfes zurechtzufinden, ein klares Feindbild zu besitzen

(Sick [CDU/CSU] : Feindbild!)

und jederzeit bereit zu sein, für den Sozialismus zu handeln und ihn zu verteidigen.
Nico Hübner hatte alle Voraussetzungen, eine mühelose, gesicherte Karriere im SED-Staat machen zu können. Doch Hübner machte — im kommunistischen Sinne — einen schweren Fehler: Er fing an, selbständig zu denken.

(Dr. Jaeger [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

Damit geriet er zwangsläufig ins ideologische Abseits. Er wollte und konnte sich nicht zum Marxismus-Leninismus bekennen und nahm dafür alle Schikanen und eine vernichtete Zukunftserwartung auf sich.
1972 trat er aus der FDJ aus. Er schloß sich kirchlichen Kreisen an, nachdem er sich vorher hatte taufen lassen. In einem erschütternden Dokument über die Gewissensnot der Menschen in der DDR



Kittelmann
beschrieb er, wie die jungen Gemeinden der Kirchen ein gewisses Gegenangebot für die kommunistischen Denkschemata in der DDR machen. Er suchte hier, in diesen kirchlichen Kreisen, die Chance, unter Gleichgesinnten offenen Gedankenaustausch pflegen zu können — ein für junge Menschen bei uns selbstverständliches Recht, das in der DDR nur unter höchstem persönlichen Risiko umgesetzt werden kann.
Der weitere Lebensweg für Nico Hübner, in einer kommunistischen Diktatur lebend, ist beinahe zwangsläufig: Er erhielt Einreiseverbot in die Volksrepublik Polen, weil er dort Kontakte mit polnischen Jugendlichen gepflegt hatte. Der Vater Nico Hübners, ein überzeugtes SED-Mitglied, ließ seinen Sohn in einen Jugendwerkhof einweisen. Dort wurde das begonnene Lehrverhältnis 1974 gekündigt und aufgelöst, da die Volkseigenen Betriebe die Lehrlinge zu militärischer Ausbildung verpflichteten; Nico Hübner weigerte sich.
Schon mit 18 Jahren hatte Hübner seinen klaren politischen Standpunkt unter Beweis gestellt. Hübner ist sich bis zu seiner Verhaftung selbst treu geblieben und lehnte jeden politischen Opportunismus ab. Nur wer sich jemals bemüht hat, sich in die Gewissensnot junger Menschen hineinzudenken, die nicht bereit sind, sich dem Zwangssystem der DDR zu unterwerfen, kann eine Vorstellung davon haben, welch einen aufopferungsvollen Leidensweg dieser junge Mann schon heute hinter sich gebracht hat.
Am 15. Februar 1977 stellte Hübner seinen ersten Antrag auf Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. Hübners Bemühungen, eine vernünftige Ausbildung zu erhalten, fanden ihr Ende am 10. November 1977, als ihm sogar die weitere Teilnahme an einem Hebräisch-Kurs an der Humboldt-Universität untersagt wurde. Der DDR-Staat war nicht mehr bereit, ihm eine berufliche Chance zu geben.
Hübner machte danach alle möglichen Eingaben und warf dem DDR-Regime offen vor, nur denjenigen eine höhere Ausbildung zu gewährleisten, die den Marxismus-Leninismus nicht in Frage stellen.

(Sick [CDU/CSU] : Das ist unmenschlich!)

Seit dem 16. März sitzt er im Gefängnis und wartet vor allem auf ein Zeichen dafür, daß man ihn verstanden hat und daß sein persönliches Opfer nicht umsonst war.
Wir wissen, daß sich der Deutsche Bundestag bei der Forderung nach der Freiheit für Nico Hübner nicht auf deutsches Recht berufen kann, sondern daß in Berlin aus gutem Grund der Viermächtestatus gilt. Wir begrüßen es, daß sich die Schutzmächte für die Freiheit dieses jungen Mannes eingesetzt haben. Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Freiheit für Nico Hübner aus moralischer Verpflichtung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie ist sicher, dabei die Unterstützung des ganzen Hauses zu bekommen.

(Sick [CDU/CSU] : Das warten wir einmal ab!)

Wehrdienstverweigerung: Für junge Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist es ein selbstverständliches Recht, sich dem Wehrdienst nach Gewissensentscheidung zu entziehen. Nach Meinung vieler — ich gebe zu, daß auch ich zu ihnen gehöre — wird es vielen jungen Menschen bei uns dabei sogar zu leicht gemacht. Um so eindringlicher muß uns das Schicksal von Nico Hübner berühren.
Indem sich Nico Hübner vollinhaltlich auf die Viermächtevereinbarungen für ganz Berlin berief, steht sein Einzelschicksal als Beispiel für Tausende, die rechtswidrig als Berliner zum Militärdienst in der Nationalen Volksarmee zwangsverpflichtet werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Damit hat Nico Hübner über sein Einzelschicksal hinaus Geschichte gemacht.
Der Fall Nico Hübner ist auch deshalb so ungewöhnlich, weil durch sein persönliches Opfer alle Verantwortlichen an ihr Recht und ihre Verpflichtung erinnert worden sind, die sich aus dem Viermächtestatus ergebenden Rechte für ganz Berlin auch auszuüben.
Nico Hübner hat sich bestimmt wenige Illusionen gemacht, als er sich über eine etwaige Hilfsbereitschaft des Westens Gedanken machte. In seiner Denkschrift, in der er sich u. a. damit auseinandersetzt, warum Jugendliche in der DDR mit Havemann und Biermann symphatisieren, schreibt er wörtlich:
In einem eingeschränkten Angebot an politischen Verhaltensmöglichkeiten ist Havemann doch besser als Honecker. Angebote aus der liberalen Mitte fehlen völlig, und die Politik der Bundesrepublik Deutschland lehnt es leider ab, zur moralischen Stütze im anderen Teil Deutschlands zu werden.

(Straßmeir [CDU/CSU] : So ist das leider Gottes!)

Wen immer Nico Hübner damit gemeint haben mag — einzelne Parteien, einzelne Gruppen oder irgendwie uns alle —, die öffentliche Reaktion nach seiner Verhaftung hat ihn beinahe voll bestätigt.
Nico Hübner ist kein linker Revolutionär, der nur von anderen Formen des Sozialismus träumt. Er ist kein Havemann, Bahro oder Biermann, den die linken Intellektuellen in der Bundesrepublik mit frohlockendem Jauchzen verehren. Sein Schicksal ist von diesen Kreisen überhaupt gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Hübner lehnt den Sozialismus schlechthin ab. Deshalb erheben sich dort auch kein Protest und seine Solidarität.
Hübner ist ein junger Mann, der sich in seinen Worten wehrt, und seine Worte sind vom täglichen Erleben einer rauhen Wirklichkeit geprägt.
Der Bundespräsident hat in seiner Rede zum 17. Juni vor wenigen Tagen im Plenarsaal festgestellt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Es gibt sicher keinen Zweifel daran, daß gerade die Menschen in der DDR an der deut-



Kittelmann
schen Einheit festhalten wollen. Doch wie steht es damit in unserer Jugend? Was wissen sie von Deutschland, seiner Teilung, den Grundgedanken seiner Einheit?
Und etwas später:
Was geschieht da eigentlich auf unseren Schulen und unseren Universitäten?
Wir sollten die Aufforderung des Bundespräsidenten ernst nehmen. Kein Beispiel der neueren deutschen Geschichte eignet sich besser, an unseren Schulen als Lehrbeispiel für die Wirklichkeit des geteilten Deutschlands dargestellt zu werden, als das Schicksal von Nico Hübner. Sein Manifest sollte zur Pflichtlektüre jedes jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gehören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben uns am Beispiel von Nico Hübner auch damit auseinanderzusetzen, ob es richtig ist, diesen Fall in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Ich habe am 7. April 1978 die drei Fraktionsvorsitzenden gebeten, im Deutschen Bundestag eine gemeinsame Initiative der drei Fraktionen zu ergreifen. Das geschah, nachdem das Abgeordnetenhaus von Berlin eine öffentliche Erklärung zur Freilassung von Nico Hübner abgegeben hatte. Ich bin sehr dankbar, daß die CDU/CSU-Fraktion, nachdem sie lange gewartet hat, ob es nicht doch möglich ist, einen gemeinsamen Antrag zu stellen, diesen Antrag eingebracht hat.

(Straßmeir [CDU/CSU] : Das ist ganz schlimm!)

Wegen der Kürze der Zeit — die rote Lampe leuchtet schon auf — kann ich nicht auf die grundsätzliche Frage eingehen, ob ein öffentliches Eintreten bei Verletzung von Menschenrechten nützlich ist oder nicht. Ich darf aber ganz schnell drei Zitate bringen, die uns vielleicht sehr rasch zeigen, daß es um diese Frage in diesem Fall überhaupt nicht mehr geht.
Der SPD-Landesvorsitzende Lothar Löffler hat im Abgeordnetenhaus von Berlin am 6. April 1978 gesagt:
Es ist zu wünschen, daß gerade bei jungen Bürgern in der Bundesrepublik eine Welle gleichgesinnter Haltung geweckt wird. Es ist zu hoffen, daß Nico Hübner demnächst frei sein wird. Aber wir dürfen in diesem Fall in diesem freien Teil der Stadt nicht locker lassen und müssen auf der Zustimmung großer Teile der jungen Generation fußen, daß wir immerfort und immerwährend diese Forderung erheben, bis dieser junge Bürger seinem auch für ihn geltenden Menschenrecht entsprechend freikommt.
Jeden Tag und immer wieder.
So der SPD-Landesvorsitzende in Berlin.
Der FDP-Sprecher Oxfort hat am Schluß seiner Ausführungen gesagt: „Nico Hübner hat jedenfalls mit 22 Jahren etwas getan, was ihn in diesem Sinne unsterblich macht."
Lummer, der CDU-Fraktionsvorsitzende, sagte: „Deshalb gehört er zu denen, die sich um unsere Stadt verdient gemacht haben."
Die CDU/CSU-Fraktion ist der Überzeugung, daß sich das deutsche Parlament der Verpflichtung nicht entziehen kann, sich für Nico Hübner einzusetzen. Wir haben gar keine andere Wahl, als Unrecht auch offen Unrecht zu nennen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Schicksal Nico Hübners ist die Grenze, wo der einzelne zwingend fordert, die Anonymität der Anklage zu verlassen und dem Einzelschicksal stellvertretend für Unzählige Genugtuung zu verschaffen. Wir appellieren an die Regierung der DDR: Hören Sie auf, die Menschen für ihren Drang nach Freiheit doppelt zu bestrafen, einmal durch den Zwang, in einem ungeliebten Staat leben zu müssen und jedes Verlassen durch eine blutige Grenze zu verhindern, und dann auch noch junge Menschen dafür in den Kerker zu werfen, nur weil sie sich mit dem Unrecht dieses Systems nicht abfinden wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0810031500
Das Wort hat der Abgeordnete Kreutzmann.

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0810031600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, um den es hier geht, betrifft das Schicksal eines Menschen, der unter einer schweren Anklage steht. Für uns muß sich die Frage stellen, ob die Oppositionsparteien mit diesem Antrag dem Mann, um ,den es geht, einen Dienst erwiesen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Wir müssen uns die Frage stellen: Verknüpft nicht eine derartige Diskussion dieses Falles seine Abwicklung mit so viel Prestigedenken, daß dem Betroffenen mehr Schaden als Nutzen zugefügt wird.

(Sick [CDU/CSU] : Das ist Ihr grundlegender Irrtum!)

Die DDR hat die Anklage gegen Nico Hübner wegen Wehrdienstverweigerung fallenlassen, nicht zuletzt wegen des Druckes der Westmächte, die für diesen Teil der Anklage zuständig waren, und auf Intervention der Bundesregierung hin, die sie um Interpellation für Nico Hübner gebeten hat. Damit ist ein erster Schritt erreicht worden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0810031700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage ides Abgeordneten Kunz (Berlin)?

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0810031800
Ich möchte keine Zwischenfragen gestatten. Es sind auch vorher keine gestellt worden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Was übriggeblieben ist, ist eine Anklage wegen Staatsverleumdung. Wenn ich das hier feststelle, so sollen damit nicht Gefahren, ,die Nico Hübner drohen, heruntergespielt werden. Wir wissen, daß die Strafen für dieses Delikt in .der DDR sehr hoch sind. Wir wissen aber auch, daß die Bundesregierung in



Dr. Kreutzmann
vielen Bleichgelagerten Fällen in zähen und geduldigen Verhandlungen erreichen konnte, daß auch wegen dieser Delikte Verurteilte vorzeitig aus der Haft entlassen worden sind.
Das aber setzt voraus, daß wir dem Fall die Dramatik nehmen, wie sie ihm heute hier gegeben worden ist, und ,daß man es vermeidet, den Betroffenen in eine Rolle hineinzudrängen, die ihm nur schaden kann.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schämen Sie sich gar nicht?)

Die Entscheidungen der DDR-Behörden lassen erkennen, daß sie Konzessionen machen, wenn wir entsprechend verhandeln und uns entsprechend bemühen. Wir sollten diese Möglichkeiten nutzen und versuchen, eine möglichst unauffällige Lösung zu erreichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unauffällig?!)

Schließlich geht es in erster Linie bei all diesen Fällen darum, ,daß Menschen geholfen wird, und nicht darum, daß politisches Prestigedenken zum Erfolg geführt wird.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Jakobiner!)

Das aber kann am besten geschehen, wenn wir uns davor hüten, diesen Fall mit politischer Fracht zu belasten, die für den Betroffenen nur schädlich sein kann.
Wir werden uns aus diesem Grund einer Behandlung des Antrags im Ausschuß nicht widersetzen. Wir sind auch bereit, ihn im Auswärtigen Ausschuß zu ,diskutieren. Wir werden aber alles tun, um eine undramatische Lösung möglich zu machen, die dem Menschen Nico Hübner hilft.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0810031900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ludewig.

Walther Ludewig (FDP):
Rede ID: ID0810032000
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Kittelmann, in großer Hochachtung vor Ihrem persönlichen Engagement nehme ich das Wort zu diesem Fall. Alles, was Sie initiiert haben und nun teilweise in dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU wiederkommt, könnte der Bürger Ludewig voll unterschreiben,

(Dr. Jaeger [CDU/CSU] : Sehr gut! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann tun Sie es doch!)

allerdings nicht den letzten Satz,

(Zuruf von der CDU/CSU: Was war das?)

der da lautet: Der Deutsche Bundestag fordert die Freilassung von Nico Hübner.
Aus Sorge um das Wohlergehen, aus Sorge um das Schicksal dieses Menschen stimme ich dieser Forderung nicht zu; ansonsten bin ich voll mit Ihnen d'accord.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist der Unterschied zwischen dem Bürger und dem Politiker? — Gegenrufe von der SPD)

— Den will ich Ihnen sofort erklären. Der Unterschied ist der — und Ihnen das zu erklären ist der Grund, weshalb ich hierher gegangen bin —, daß der Bürger, allgemein informiert, wie er ist — meistens oberflächlich —, eine Resolution unterschreiben, spontan handeln kann. Der Bürger, der den Weg bis in diesen Bundestag geschafft hat, muß sich mit etwas mehr Hintergrund, muß sich mit mehr Einzelheiten beschäftigen.
Wenn er nun, hier im Bundestag angelangt, hört, daß die Bundesregierung hier keine Kompetenz hat, wenn er hört, daß das Schicksal dieses Mannes, daß die Verhältnisse in ganz Berlin, sowohl in Ost- als auch in West-Berlin, eine Frage der Vier Mächte sind, wird der. Bundestagsabgeordnete Ludewig, der für seine Fraktion sprechen muß, vorsichtig und fragt: Was nützt diesem Menschen? Wenn er dann hört, daß es diesem Menschen möglicherweise schadet, wenn hier eine offizielle Resolution verabschiedet wird,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das steht im Widerspruch zu allen Aussagen der Dissidenten!)

glaubt er wirklich, daß es besser ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir 1938 auch gehört!)

dem Herrn Kittelmann und auch der Fraktion der CDU/CSU à la bonheur zu sagen: Einer offiziellen Resolution dieses Hauses können wir nicht zustimmen, denn wir wollen keinen Märtyrer, wir wollen die Freiheit für diesen Menschen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Deswegen sprechen wir nicht darüber! — Aber die Grundsätze deswegen verraten! — Dr. Jaeger [CDU/CSU] : Wo ist eigentlich die Bundesregierung? Es ist kein Minister anwesend! — Kunz [Berlin] [CDU/CSU] : Unerhört! — Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Die Regierung ist an dieser Frage nicht interessiert! Es ist niemand da!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0810032100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/1823 an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen — federführend — und an den Auswärtigen Ausschuß — mitberatend — zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Es gibt keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 24 bis 27 der Tagesordnung auf:
24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. April 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze im Grenzabschnitt „Dreieckmark-Dandlbachmündung" und in einem Teil des Grenzabschnittes „Scheibelberg-



Vizepräsident Stücklen
Bodensee" sowie über Befugnisse der Grenzkommission
— Drucksache 8/1904 —
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Innenausschuß
25. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Sauter (Epfendorf), Dr. Stark (Nürtingen), Benz, Susset, Biechele, Dr. Laufs, Dr. Friedmann, Kolb, Bühler (Bruchsal), Dr. Stavenhagen, Dr. Langguth, Wissmann, Jäger (Wangen) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 69 b Abs. 3 der Gewerbeordnung
— Drucksache 8/1755 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
26. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung
— Drucksache 8/1863 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
27. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Auslieferung
— Drucksache 8/1901 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates sind die folgenden: zu Punkt 24 Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — und an den Innenausschuß zur Mitberatung; zu Punkt 25 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft; zu Punkt 26 Überweisung ebenfalls an den Ausschuß für Wirtschaft; zu Punkt 27 Überweisung an den Rechtsausschuß. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Gegenteilige Meinungen werden nicht geäußert; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 28 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken
— Drucksachen 8/1503, 8/1897 —Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird allgemein nicht gewünscht.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1897, von der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 8/1503 Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Agrarbericht 1978
— Drucksachen 8/1500, 8/1501, 8/1872 — Berichterstatter: Abgeordneter Lagershausen
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußfassung des Ausschusses gemäß Drucksache 8/1872 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Notwendigkeit und Orientierungslinien für Gemeinschaftsmaßnahmen zur Förderung Europäischer Investitionen in den Entwicklungsländern
— Drucksachen 8/1675, 8/1918 —Berichterstatter: Abgeordneter Angermeyer
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch allgemein nicht gewünscht.
Der Ausschuß empfiehlt gemäß Drucksache 8/1918 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung für Freitag, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.