Protokoll:
3149

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 149

  • date_rangeDatum: 10. März 1961

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:16 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 149. Sitzung Bonn, den 10. März 1961 Inhalt: Fragestunde (Drucksache 2564) Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Bundesbeihilfen in Härtefällen bei der betrieblichen Altersfürsorge Blank, Bundesminister . . . . . 8477 B Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Indiskretionen durch Referenten des Auswärtigen Amtes Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 8477C,D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 8477 D Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1961 (Haushaltsgesetz 1961) (Drucksachen 2050, 2300) ; Berichte des Haushaltsausschusses Fortsetzung der zweiten Beratung — Einzelplan 08, Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksache 2507) Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 8478 A Dr. Dollinger (CDU/CSU) . . . . 8483 C Jürgensen (SPD) . . . . . . . . 8485 B Etzel, Bundesminister . . 8487 A, 8499 C, 8500 C Seuffert (SPD) 8497 C Kreitmeyer (FDP) . . . . . . 8500 B Einzelplan 09, Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksache 2508) Müller (Ravensburg) (SPD) . . . 8501 B Kurlbaum (SPD) 8502 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 8506 C Schmücker (CDU/CSU) . . . . . 8509 B Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . . 8510 D Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . 8512 C Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2514) 8513 A Einzelplan 20, Bundesrechnungshof (Drucksache 2515) . . . . . . . . . 8513 B Einzelplan 27, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen (Drucksache 2519) . . . . . . . . . 8513 B Einzelplan 32, Bundesschuld (Druck- sache 2523) . . . . . . . . . . . 8513 C Einzelplan 33, Versorgung (Drucksachen 2524, zu 2524) . . . . . . . . . . Kreitmeyer (FDP) . . . . . . . 8513 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1961 Einzelplan 35, Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 2525) . . 8514 A Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen (Drucksache 2527) . . . . . . . 8514 B Einzelplan 28, Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder (Drucksache 2520) 8514 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle und der Reichsversicherungsordnung (SPD) (Drucksache 2571) — Erste Beratung — 8501 A Nächste Sitzung 8514 D Anlagen 8515 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 149. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1961 8477 149. Sitzung Bonn, den 10. März 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 148. Sitzung Seite 8464 B Zeile 8 statt „um 60 % : auf 60%. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Atzenroth 10. 3. Dr. Baade 10. 3. Dr. Bartels 10. 3. Bauer (Wasserburg) 10. 3. Bauknecht 10. 3. Bazille 15. 3. Dr. Becker (Mönchengladbach) 10. 3. Behrisch 10. 3. Frau Berger-Heise 10. 3. Bergmann* 10. 3. Berkhan* 10. 3. Berlin 10. 3. Birkelbach* 10. 3. Dr. Birrenbach* 10. 3. Fürst von Bismarck 10. 3. Blachstein 10. 3. Blöcker 10. 3. Dr. Bucerius 10. 3. Dr. Burgbacher* 10. 3. Caspers 1. 4. Corterier 10. 3. Cramer 10. 3. Dr. Deist* 10. 3. Demmelmeier 18. 3. Deringer* 10. 3. Dewald 10. 3. Dopatka 10. 3. Dröscher 10. 3. Eilers (Oldenburg) 10. 3. Engelbrecht-Greve* 10. 3. Enk 31. 3. Erler 10. 3. Dr. Frede 10. 3. Frau Friese-Korn 10. 3. Fritz (Weltheim) 10. 3. Funk 18. 3. Dr. Furler* 10. 3. Gaßmann 10. 3. Geiger (München)* 10. 3. Frau Geisendörfer 10. 3. Dr. Gleissner 10. 3. Glüsing (Dithmarschen) 10. 3. Goldhagen 11. 4. Dr. Greve 10. 3. Freiherr zu Guttenberg 24. 3. Hahn* 10. 3. Hauffe 10. 3. Heiland 10. 3. Dr. Hesberg 10. 3. Hesemann 10. 3. Hörauf 7. 4. Hufnagel 10. 3. Illerhaus* 10. 3. Dr. Jordan 10. 3. Kalbitzer* 10. 3. Frau Kalinke 10. 3. Kemmer 10. 3. Dr. Kempfler 10. 3. Keuning 10. 3. Frau Klemmert 10. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Koenen (Lippstadt) 20. 3. Dr. Kopf* 10. 3. Krammig 10. 3. Dr. Kreyssig* 10. 3. Kühlthau 10. 3. Kühn (Köln) 18. 3. Kunst 10. 3. Lenz (Brühl) * 10. 3. Dr. Lindenberg* 10. 3. Dr. Löhr* 10. 3. Lohmar 10. 3. Lücker (München)* 10. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 10. 3. Margulies* 10. 3. Mauk 11. 3. Mensing 17. 3. Dr. Menzel 21. 4. Metzger* 10. 3. Freiherr von Mühlen 11. 3. Müller-Hermann* 10. 3. Neubauer 10. 3. Neuburger 10. 3. Odenthal* 10. 3. Ollenhauer 10. 3. Peters 10. 3. Dr.-Ing. Philipp* 10. 3. Frau Dr. Probst* 10. 3. Rademacher 18. 3. Ramms 11. 3. Richarts* 10. 3. Rimmelspacher 10. 3. Rollmann 14. 3. Ruhnke 25. 3. Ruland 10. 3. Scharnberg 10. 3. Scheel* 10. 3. Dr. Schild 10. 3. Dr. Schmid (Frankfurt) 10. 3. Dr. Schmidt (Gellersen)* 10. 3. Schmidt (Hamburg)* 10. 3. Schneider (Hamburg) 10. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 11. 3. Schröder (Osterode) 10. 3. Schultz 18. 3. Schüttler 10. 3. Frau Dr. Schwarzhaupt 10. 3. Dr. Seffrin 12. 4. Spitzmüller 10. 3. Stahl 10. 3. Dr. Starke* 10. 3. Storch 10. 3. Sträter* 10. 3. Frau Strobel* 10. 3. Wacher 10. 3. Wagner 10. 3. Weinkamm* 10. 3. Welke 10. 3. Werner 10. 3. Frau Wolff 10. 3. Dr. Zimmermann 10. 3. * für die Teilnahme an der Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 813 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1961, hier: Einzelplan 11 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 2050 Anlage, 2510), hier: Einzelplan 14 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 2050 Anlage, 2513), hier: Einzelplan 33 — Versorgung (Drucksachen 2050 Anlage, 2524). 1. Im Einzelplan 11 wird das Kap. 11 10 — Kriegsopferversorgung und gleichartige Leistungen — gestrichen. 2. In Einzelplan 14 werden in Kap. 14 04 — Bundeswehrverwaltung und Zivilpersonal bei den Kommandobehörden, Truppen usw. — nach Tit. 960 angefügt: „Tit. 970 — Versorgung der Soldaten der Bundeswehr — in der Fassung des Kap. 33 04." „Tit. 980 — Versorgung der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und der berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes sowie ihrer Hinterbliebenen — in der Fassung des Kap. 33 08." „Tit. 990 - Kriegsopferversorgung und gleichartige Leistungen — in der Fassung des Kap. 11 10." 3. In Einzelplan 33 werden Kap. 33 04 — Versorgung der Soldaten der Bundeswehr — und Kap. 33 08 — Versorgung der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und der berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes sowie ihrer Hinterbliebenen — gestrichen. Bonn, den 8. März 1961 Lenz (Trossingen) und Fraktion
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 9. März 1961 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Grollunfälle auf Autobahnen Drucksache 2546 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2591 verteilt.
wir beginnen mit der Fragestunde (Drucksache 2564).
Es stehen nur noch zwei Fragen offen; zunächst eine Frage des Herrn Abgeordneten Schneider (Bremerhaven) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung:
Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß die Richtlinien des Bundesarbeitsministers vorn 17. Oktober 1951 zur Gewährung von Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge den seit der Rentenreform eingetretenen Veränderungen auf dem Gebiet der Alterssicherung der Arbeitnehmer längst nicht mehr entsprechen, und ist sie gegebenenfalls bereit, im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer kriegs- und demontagegeschädigter Betriebe die Richtlinien von 1951 den veränderten Verhältnissen anzupassen?
Herr Minister!

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0314900100
Der Bundesregierung sind keine Gründe bekannt, die es notwendig machten, die Richtlinien zur Gewährung von Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge vom 17. Oktober 1951 zu ändern. Sie ist der Meinung, daß früher vorhandene Härten durch die Verbesserung der Beihilfeleistungen mit meinen Bekanntmachungen vom 6. Juli 1957 und vom 19. April 1960 sowie durch die bedeutende Hebung des Niveaus der Alterssicherung der Arbeitnehmer bei der Rentenreform beseitigt worden sind.
Sollten Ihnen, Herr Kollege Schneider, trotzdem gewisse Punkte der gegenwärtigen Regelung änderungsbedürftig erscheinen, so bin ich gerne bereit, Ihre Änderungsvorschläge zu prüfen und mit Ihnen zu besprechen. Ich glaube, im Rahmen einer Fragestunde ist das schwerlich möglich.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314900200
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Schneider (Bremerhaven) aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts:
Was gedenkt der Herr Bundesaußenminister zu tun, um künftig zu verhindern, daß — wie im Falle des jüngsten Memorandums des sowjetischen Regierungschefs — nichtautorisierte Referenten durch ihre Schwatzhaftigkeit wichtige diplomatische Aktionen stören?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0314900300
Die Antwort ist folgende: Das Auswärtige Amt ist sich bewußt, daß in seinem Amtsbereich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit eine besonders große Rolle spielt. Es hat deshalb in den letzten Jahren in mehreren Runderlassen seine Bediensteten immer wieder eindringlich auf diese Pflicht hingewiesen. Bei etwa vorkommenden Indiskretionen wird das Auswärtige Amt schärfstens durchgreifen und die verantwortlichen Bediensteten, gegebenenfalls durch disziplinarische Maßnahmen, zur Rechenschaft ziehen.
Die Erfahrungen haben aber gezeigt, daß von einer „Schwatzhaftigkeit" der Referenten des Auswärtigen Amtes keineswegs gesprochen werden kann. Ich muß daher diesen Ausdruck in Wahrung der Belange der mir unterstellten Bediensteten zurückweisen.
Nach den bisher durchgeführten Ermittlungen konnte auch in dem Falle, der der Frage des Herrn Abgeordneten Schneider zugrunde liegt, keine Pflichtverletzung eines Bediensteten des Auswärtigen Amtes festgestellt werden.

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0314900400
Herr Staatssekretär! Ist Ihnen vielleicht entgangen, daß sich meine Frage, was die Schwatzhaftigkeit betrifft, nur auf diesen speziellen Fall bezog und nicht, wie Sie es in Ihrer Antwort zum Ausdruck gebracht haben, auf das Auswärtige Amt schlechthin.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0314900500
Herr Abgeordneter, ich habe gesagt, daß auch in diesem Fall die angestellten Ermittlungen keine Bestätigung der Richtigkeit Ihrer Annahme ergeben haben. Das Wort „Schwatzhaftigkeit" wird, glaube ich, von jedem unbefangenen Leser in einem etwas weiteren Sinne verstanden, als Sie es hier jetzt definieren. Aber ich bin sehr gerne



Staatssekretär Dr. van Scherpenberg
bereit, diese Erklärung hier von Ihnen entgegenzunehmen und damit die Sache als erledigt anzusehen.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Auch für mich!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314900600
Die Fragestunde ist damit beendet.
Wir fahren in der Tagesordnung fort:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1961 Haushaltsgesetz 1961 (Drucksachen 2050, 2300) ;
Bericht des Haushaltsausschusses
Einzelplan 08 — Geschäftsbereich des Bundesminister der Finanzen (Drucksache 2507).
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.

Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0314900700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr schade, daß die Ausführungen des Kollegen Seuffert unter Zeitdruck gestanden haben und deswegen so wenig zur Wirkung gekommen sind. Ein Mann, der immerhin 15 Jahre die deutsche Finanzgesetzgebung maßgeblich mit beeinflußt hat, sollte an einem so wichtigen Tage wie bei der Beratung des Einzelplans 08 ohne Einschränkung zu Wort kommen können. Mir selbst sind große Vorwürfe gemacht
worden, weil ich mich auch noch zu Wort gemeldet habe. Mir wurde gesagt, ich benähme mich wie eine Jungfrau, die mit einer Rede schwanger gehe, die sie halten wolle. Dabei muß man feststellen, daß eine schwangere Jungfrau zumindest ein medizinisches Problem besonderer Prägung darstellt.

(Heiterkeit.)

Hinterher wurde meiner Fraktion gewissermaßen gedroht: Wenn ihr nicht zurückzieht, werden wir mit euch — so etwa wie beim Fußball — nach dem Motto verfahren: „Komm Du auf Zähringen"! Man hat uns also gedroht, wir würden Schaden erleiden. Das ist kein guter parlamentarischer Stil. Im Fußball nennt man das „Nachtreten". Ich war eigentlich — ich bin ja neu in diesem Hause — sehr erstaunt.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Schaden an Ihrer Seele?)

- Nein, an meiner Seele nicht!
Im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Stil darf ich noch folgendes sagen. Gelegentlich scheint eine absolute Mehrheit zu Exzessen zu verleiten. Ich habe vorgestern abend draußen eine sehr maßgebende Persönlichkeit des Freien Fernsehens und eine sehr maßgebende Persönlichkeit der Bundesregierung gesehen, wie sie augenzwinkernd aufeinander zugingen. Dabei sagte der eine Herr: Wozu so eine absolute Mehrheit doch gut ist!

(Hart! Hört! bei der SPD.)

Ich muß sagen, wenn diese absolute Mehrheit zu
derartigen wenig sympathischen Auswüchsen führt
wie am vorgestrigen Tage, sollte man nur hoffen, daß bei der nächsten Wahl nicht wieder einer einzigen Partei die absolute Mehrheit in die Hand gelegt wird.

(Lebhafte Rufe von der CDU/CSU: Zur Sache! — Abg. Pelster: Warten Sie die Wahl doch ab! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja sicher, das werde ich auch tun. Aber wenn Sie so weitermachen wie neulich, wird der Bürger nachdenklich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon zehn Jahre lang dasselbe! — Abg. Schlick: Das haben Sie uns schon vor vielen Jahren erzählt!)

— Gut gebrüllt, Löwe!
Ich möchte aber in diesem Zusammenhang im Auftrage meiner Fraktion dem Herrn Finanzminister unseren besonders herzlichen Dank sagen

(Lachen und Bravo-Rufe bei der CDU/CSU)

für sein liebenswürdiges, für sein faires und für sein loyales Auftreten

(Zurufe von der Mitte: Trotz der absoluten Mehrheit!)

diesem Hause gegenüber; wahrlich ein Grandseigneur vom Scheitel bis zur Sohle. Er hat der parlamentarischen Demokratie einen unerhörten Dienst erwiesen, der nicht hoch genug zu veranschlagen ist.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung im Jahre 1957 erklärt, die absolute Mehrheit des 15. September 1957 wolle eine Politik des Maßhaltens in der Wirtschafts- und in der Finanzpolitik.

(Zurufe von der Mitte: Ist geschehen!)

Über dieses Maßhalten hat sich vorgestern eine Unterhaltung zwischen unserem Dr. Dahlgrün und dem Herrn Finanzminister abgespielt, worin letzterer uns vorgeworfen hat, wir hätten durch unsere Anträge nicht genügend Maß gehalten. Ich werde auf diese Dinge zu sprechen kommen und werde versuchen, unsere Fraktion zu rechtfertigen.
Ich darf noch etwas anderes sagen. Das Maßhalten ist in diesen letzten vier Jahren sicher nicht genügend beachtet warden, und wenn die Mehrheit am 15. September das wollte, so glaube ich, daß sie einigermaßen enttäuscht ist. Der Herr Bundeskanzler hat z. B. in derselben Regierungserklärung gesagt:
Ich hoffe auch, daß der Andrang der Interessenten und mancher Interessentenverbände auf Sie, meine Damen und Herren, und auf uns alle nachläßt. Es wird das nur dem allgemeinen Besten dienen. Es wird allen, auch den Interessenten selbst, zugute kommen.
Nun kommt die Kehrseite der Medaille. Der Herr Staatssekretär hat vor wenigen Wochen eine Erklärung abgegeben, die sehr gut zeigt, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen. Er hat erklärt:



Freiherr von Kühlmann-Stumm
Mit einem Notruf, dem Finanzminister in seinem Abwehrkampf gegen die Forderungen der Interessentenverbände im Wahljahr beizustehen, wandte sich der Herr Staatssekretär vom Bundesfinanzministerium an die Öffentlichkeit. Erschreckend nannte er den Einfluß der Verbände auf die Gesetzgebung. Die Beunruhigung, die durch den Wettlauf der Parteien um die Gunst der Wähler ,entstehe, könne man sich nicht vorstellen. Jeder wolle sich die Freifahrt auf dem Karussell erzwingen. Gesetze werden heute gemacht wie Börsenkurse, sagte der Herr Staatssekretär, wenn es um Freibeträge oder um Freigrenzen oder um Höchstbeträge in Steuergesetzen gehe. Da habe man den Eindruck, an einer Börse zu sein. Er beklagte, daß die Mehreinnahmen an Steuern weder zu Steuersenkungen noch zu Haushaltsüberschüssen verwendet würden. Mit ihnen wird der außerordentliche Haushalt gedeckt, der sonst auf Anleihen angewiesen wäre. Das, was der moderne Staat als Steuereinnehmer seinen Bürgern zumute, sei legalisierte Räuberei.
Der Herr Staatssekretär hat uns aus dem Herzen gesprochen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314900800
Herr Abgeordneter, darf ich einen Augenblick unterbrechen? Ich finde es nicht unseres Hauses würdig, daß weder der Finanzminister noch sein Staatssekretär bei der Beratung ihres Einzelplans anwesend sind. Ich bitte doch die Angehörigen des Ministeriums, die Herren zu verständigen, daß das Haus in der Beratung ihres Plans steht. — Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.

(Abg. Rasner: Herr Präsident, sie haben mit einer Fragestunde gerechnet! — Weitere Zurufe von der Mitte: Vielleicht haben sie das nicht so früh erwartet!)


Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0314900900
Wenn ich hier den Staatssekretär zitiere, können Sie nicht sagen, daß der Herr Staatssekretär niveaulose Erklärungen abgebe. Auf jeden Fall muß festgestellt werden, daß die Wirklichkeit anders aussieht als der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, als er hier seine Regierungserklärung abgab.
Nun kann man die Bundesregierung und hauptsächlich das Bundesfinanzministerium in bezug auf das Maßhalten, in bezug auf die Klage, die der Herr Staatssekretär geführt hat, nicht unbedingt freisprechen. Der Herr Bundesfinanzminister hat im September 1960 hier eine Haushaltsrede gehalten, worin er die einzelnen Positionen erläutert hat. Er hat in der Haushaltsrede kein Wort über die Finanznot des Bundes verloren. Er hat keinerlei Warnung ausgesprochen. Er hat die Möglichkeit offengelassen, die Vorausschätzungen nach oben zu revidieren. Er hat sich gerühmt, daß die Bundesausgaben hinter der Steigerung des Sozialprodukts zurückgeblieben seien, und er hat damit eine gewisse Ermunterung gegeben. Der Run auf die Bundeskasse hat ja dann auch in vollem Umfang begonnen.
Außerdem hat der Herr Bundesfinanzminister in seinen Haushaltsvorschlägen zweifellos sehr viele Punkte zu gering angesetzt. Ich gebe nur einige Stichworte: Berlinhilfe, Flüchtlingswohnungsbau, Eiersubvention, Vorratshaltung, bilaterale Wiedergutmachungsabkommen und auch die am vorgestrigen Abend beschlossenen Mehrausgaben durch den Leertitel. Alle möglichen anderen Dinge sind zu berücksichtigen. Dazu kommen nun noch die gezielten Wahlgeschenke auf dem Gebiet der Sozialpolitik, die ebenfalls den Bundeshaushalt ganz erheblich belasten.

(Abg. Dr. Vogel: Habt ihr sie abgelehnt?)

— Ja, die Wahlgeschenke haben wir abgelehnt.

(Abg. Dr. Vogel: Das werden wir nachher noch vorrechnen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Und Ihre Anträge?)

— Wir kommen auf ,die Anträge noch zu sprechen. Wir haben guten Grund, sie zu stellen, und wir werden sie auch aufrechterhalten.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Das ist keine Räuberei, wenn wir den Mittelstand entlasten wollen. Das können Sie doch nicht als Räuberei bezeichnen.
Auf jeden Fall hat der Herr Bundesfinanzminister den Etatspielraum des Bundes sehr stark eingeschränkt. Er hat durch die Nichterwähnung der eben von mir aufgezeigten Posten falsche Vorstellungen erweckt. Bisher hat der Herr Finanzminister Glück gehabt. Ob das auch im Jahre 1961 so sein wird, ist die Frage. Der Haushaltsdirektor Korff hat ja inzwischen schon wesentlich düsterere Schilderungen bezüglich des Bundeshaushalts 1961 gegeben.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Steuerschätzungen sagen. Wir haben im Jahr 1960 etwa 8 Milliarden DM mehr Steuern eingenommen als 1959. Wir haben etwa 1 Milliarde DM mehr eingenommen, als geschätzt worden war. Wir Freien Demokraten haben damals angeregt, diese Milliarde stillzulegen. Dem Antrag ist nicht Folge geleistet worden. Im Jahre 1960 war das Steueraufkommen auf jeden Fall unerwartet hoch. Im Jahre 1961 hat der Herr Bundesfinanzminister sehr optimistisch geschätzt. Wenn die Aufwertung der D-Mark wirklich Folgen haben soll und haben wird, so ist doch anzunehmen, daß sich das Steueraufkommen rückläufig gestaltet. Wenn das nicht der Fall sein wird, muß man feststellen, daß die Aufwertung der D-Mark keine durchschlagende Wirkung gehabt hat.
Außerdem sind bisher in jedem Haushalt die Ausgaben größer gewesen als die Voranschläge. So wird man auch einkalkulieren müssen, daß im Wahljahr 1961 Mehrausgaben in erheblichem Umfang getätigt werden.
Seit 1950 haben wir über 400 Milliarden DM Steuern eingenommen. Das ist eine Menge Geld. Obwohl der Herr Bundesfinanzminister ernste Sorgen hat, finden gewaltige Kapitalfehlleitungen statt. Die Länder haben derzeit etwa 5 Milliarden DM Kassenguthaben, es waren auch schon einmal 7 Milliarden DM. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermitt-



Freiherr von Kühlmann-Stumm
lung und Arbeitslosenversicherung hat zwischen 4 und 5 Milliarden DM Kassenguthaben. Ich warte immer noch auf die entsprechenden Richtlinien der Bundesregierung, durch die die Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgebaut werden. Das Steueraufkommen der Länder ist seit 1955 um 130 Prozent, das des Bundes nur um 68 Prozent gestiegen. Im Januar 1961 hatte der Bund eine Steuermehreinnahme von 13 Prozent und die Länder eine solche von 25,8 Prozent.
Da sehen Sie, welch sinnlose Gewichtsverteilung wir in unserer Bundesrepublik haben. Hier müssen wir kritisieren, daß in den letzten vier Jahren, in denen die Regierungspartei die absolute Mehrheit gehabt hat, keine Maßnahmen getroffen worden sind, um diese Gewichtsverteilung zu regulieren und diese Schere zu beseitigen.

(Abg. Dr. Vogel: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

— Bitte!

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0314901000
Ist Ihnen bekannt, Herr von Kühlmann, daß man eine Änderung der Prozentualverteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Ländern niemals gegen die Länder durchsetzen kann?

Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0314901100
Nein, das weiß ich.

(Abg. Dr. Vogel: Warum sagen Sie dann solche Geschichten?)

Ich glaube aber, daß es ohne weiteres möglich sein wird, den Ländern das im Verhandlungswege klar zu machen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie aber wenig Erfahrungen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Mit Gewalt werden Sie es nicht erreichen, das haben Sie ja beim Fernsehstreit festgestellt.
Warum aber sollen die Länder, wo doch im überwiegenden Maße Ministerpräsidenten Ihrer Partei tätig sind, nicht einsehen, daß ein solches Mißverhältnis auf die Dauer korrigiert werden muß? Die Länder sind ja nicht einmal bereit, einen Ausgleich für den Gewerbesteuerausfall an die Gemeinden zu zahlen. Wenn sie wenigstens diese Verpflichtung aus den riesigen Kassenguthaben übernähmen; das tun sie aber nicht.

(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr von Kühlmann, ob es CDUoder SPD-Ministerpräsidenten sind, es sind neue Stammesfürsten; die altdeutschen Libertäten sind wach!)

— Sie wollen damit sagen: Wer auf seinem Geldsack sitzt, gibt nichts her!

(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Ich habe es etwas historisch gesagt; ich denke nicht nicht immer ans Portemonnaie!)

— Wenn das so ist, wie Sie sagen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich ist es so!)

Zu den großen laufenden Arbeiten des Finanzministeriums tritt diesmal noch eine echte Steuer- und Finanzreform hinzu. Unter einer echten Reform verstehe ich nicht das Einschieben des einen oder anderen Paragraphen Litera X, Y, Z in ein vorhandenes Gesetz. Meines Erachtens muß auf Grund der Entwicklung seit 1949, auf Grund der gemachten Erfahrungen, auch auf Grund der Erfahrungen, die wir mit unseren Steuergesetzen auf wirtschaftlichem und soziologischem Gebiet gemacht haben, eine gründliche und in die Tiefe gehende Nachprüfung stattfinden.
Das hat er gesagt, das ist aber nicht gemacht worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist geschehen!)

— Niemals, es ist nicht gemacht worden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Es ist versucht worden! — Sie waren verreist!)

— Ja, ich war verreist. Ich bin ja erst seit einigen Monaten im Bundestag. Ich habe diese Bestrebungen offenbar nicht mitbekommen.
Wir verlangen auf jeden Fall eine Reform der Finanzverfassung mit dem Ziel, die Gewichte in die richtige Lage zurückzubringen. In der Weimarer Zeit gab es ja ähnliche Bestrebungen. In diesem Sinne bitte ich auch unseren Antrag zur Gewerbesteuer zu verstehen. Wir haben den Unternehmerfreibetrag in der Gewerbesteuer gefordert, um das ganze Problem aufzurollen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Gewerbesteuer antiquiert ist, daß sie abgeschafft werden muß, daß sie keine Berechtigung mehr hat. Die Gewerbesteuer hat heute eine Höhe bis zu 82 % der Einnahmen der Gemeinden erreicht. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß diese Dinge korrigiert werden.
Wir müssen uns bei der Reform auch darüber klar sein — das ist gestern auch schon angeklungen —, daß uns die schnelle Entwicklung der EWG unter Umständen auf dem Steuersektor einige Fesseln anlegen wird. Das trifft z. B. bei der Einkommensteuer schon in sehr großem Umfange zu. Es wurde einmal erwogen, daß die Bundesregierung im Zuge der Entwicklungshilfe eine zusätzliche Einkommensteuer einführen werde, also eine Zusatzsteuer. Wir stellen aber fest, daß die Franzosen genau den umgekehrten Weg gehen. Die französische Regierung hat jetzt ein Gesetz vorgelegt, wonach die Einkommensteuer in Frankreich stufenweise abgebaut werden soli. Es ist anzunehmen, daß das Parlament dieses Gesetz noch erweitert. Wenn wir also hier eine Zusatzsteuer einführen, werden viele Firmen ihren Sitz nach Frankreich verlegen, weil sie dort weniger Steuern zu zahlen haben als hier bei uns.
Dasselbe gilt für die Umsatzsteuerreform. Wir haben ja gestern gehört, daß in Brüssel maßgebliche Verhandlungen über diesen Punkt im Gange sind, so daß ich glaube, daß wir unsere Umsatzsteuer-



Freiherr von Kühlmann-Stumm
reform gar nicht mehr rechtzeitig über die Bühne bringen können, weil nämlich die Verhandlungen in Brüssel schon sehr weit gediehen sind. Ich weiß aber, daß einige Herren der Regierungspartei in ihren Mappen schon Vorschläge zur Umsatzsteuerreform haben, und ich hoffe, daß diese Vorschläge uns noch vor dem Ende der Legislaturperiode — zumindest als Diskussionsbeiträge — vorgelegt werden.
Wir Freien Demokraten werden auf jeden Fall mit aller Kraft an diesen Reformvorschlägen mitarbeiten. Wenn dabei etwas Besseres herauskäme, als wir es zur Zeit haben, könnten wir wohl alle froh sein.
Wir haben ja in der ersten Beratung der 11. Novelle erlebt, wie verworren unsere Umsatzsteuergesetzgebung ist. Ich erinnere mich — einige Herren des Finanzausschusses haben sich buchstäblich die Haare gerauft —: Die Schafwolle ist drin; Tierhaare müssen auch sein. Es wurde sogar zur Diskussion gestellt, ob auch das Bier eventuell eine Umsatzsteuervergünstigung haben könnte. Ich erinnere an andere Schwierigkeiten: die Bücher — natürlich nur Schriften, die nicht jugendgefährdend sind —; aber wenn die Bücher, ja, warum dann nicht die Noten und die entsprechenden Musikinstrumente? Also es handelt sich um einen ganzen Katalog von verschiedensten Wirtschaftsgütern, die begünstigt sind. Dieses Gesetz ist wirklich so kompliziert und so schwierig, daß man kaum noch hindurchfindet.
Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuernovelle möchte ich noch zwei Punkte hervorheben. Der erste ist die Organschaft. Ich habe in der ersten Lesung erklärt, daß wir bei 75 % noch durchaus bereit seien, mitzutun. Aber jetzt sind neue Stimmen laut geworden, die die Organschaft völlig abschaffen wollen, weil sie konzentrationsfördernd erscheint. Diese Fragen müssen sehr sorgfältig geprüft werden. Ich erinnere Sie daran, unter welchen Argumenten damals, 1957, die Organschaft eingeführt worden ist. Herr Kollege Krammig hat uns darüber im Ausschuß sehr interessante Aufzeichnungen zukommen lassen. Außerdem muß man wissen, daß die Abschaffung der Organschaft bei der Umsatzsteuer die Abschaffung der Organschaft bei Körperschaftsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer nach sich zieht. Da sieht die Sache viel ernster aus. Ehe man sich zu einem solchen Schritt entschließt, sollte man jeden Fall sehr sorgfältig überlegen, welche finanziellen Folgen daraus entstehen.
Ein zweiter wichtiger Punkt der 11. Novelle ist das Mineralölprivileg. Wir haben mit Staunen festgestellt, daß die Mineralölindustrie ihre Preise im Zuge der DM-Aufwertung bisher nicht gesenkt hat, obwohl sie seinerzeit für den Fall, daß das Mineralölprivileg wegfallen sollte, eine Preisanhebung angekündigt hat. Wir sind uns über die Belastungen klar, die durch die Beseitigung des Verarbeitungsprivilegs entstehen. Gerade die Freunde der Regierungspartei, die aus den mittelständischen Bereichen kommen, werden mir da völlig zustimmen. Die Regelung der Abschaffung des Mineralölverarbeitungsprivilegs im Entwurf der 11. Novelle ist mittelstandsfeindlich und wird deshalb von uns abgelehnt.
Nun noch einige Vorschläge für die Maßnahmen im Inland. Im Jahre 1956 sollen Vorschläge im Hinblick auf einen Investitionsverzicht der Wirtschaft gemacht worden sein. Das sieht so aus: Wenn eine Firma eine Investition auf zwei, drei oder fünf Jahren zurückstellt und die Investitionssumme bei einem Kreditinstitut stillegt, werden ihr dieselben Abschreibungsvergünstigungen eingeräumt, als wenn sie diese Investition tatsächlich durchgeführt hätte. Bisher ist nichts geschehen. Ich möchte empfehlen, durch derartige Maßnahmen eine konjunkturdämpfende Wirkung herbeizuführen,

(Abg. Dr. Conring: Das haben wir heute vor zwei Jahren über die Schweiz gelesen!)

Noch ein ernstes Wort zur Steuerflucht. Der Herr Finanzminister sollte energische Schritte einleiten. Ich bin dafür, daß man dem Mißbrauch, der darin besteht, daß eine Firma oder eine Person zwar in den Genuß der großen wirtschaftlichen Vorzüge kommt, aber sich der daraus entstehenden Verpflichtungen auf dem einen oder anderen Wege zu entziehen versucht, mit wirksamen Maßnahmen begegnet. Ich hoffe, daß der Herr Finanzminister entsprechende Schritte einleiten wird.
Noch ein Wort zur Einkommensteuer. Herr Kollege Seuffert hat gestern darüber gesprochen. Ich meine, daß wir unsere Einkommensteuerverhältnisse nicht ohne weiteres mit den amerikanischen vergleichen können. Die Abschreibungsverhältnisse sind drüben ganz anders. Überhaupt ist es sehr schwer, die Steuergesetzgebung zweier Länder miteinander zu vergleichen. Bezüglich der Ausbildungskosten stimmen wir Ihnen zu und hoffen, daß dort Verbesserungen eintreten werden.
Bei der Umsatzsteuer haben Sie nach dem Prinzipalsatz gefragt. Ich weiß nicht, ob Sie dabei an den Herrn Minister Popitz gedacht haben. Ich glaube, wir werden von den 4 % nicht herunterkommen. Aber die Reform ist der einzige Weg, der uns aus diesem Dilemma herausführt.
Wir haben erfahren, daß beim Ministerium gewisse Bestrebungen vorhanden sind, die Vermögensteuer für nicht mehr abzugsfähig zu erklären. Das, meine Damen und Herren, ist Mord; es ist ein Schritt auf dem Wege zur kalten Sozialisierung.
Ich möchte noch etwas zum Kapitalexport sagen. Die Amerikaner sollen nach meinen Informationen etwa 38 Milliarden Dollar Privatkapital exportiert haben. Sie geben für diesen privaten Kapitalexport große steuerliche Hilfen. So sind z. B. reinvestierte Gewinne im Ausland vollkommen steuerfrei. Die im Steueränderungsgesetz festgelegten Maßnahmen sind uns zu blaß. Ich glaube, man sollte großzügigere Maßnahmen einleiten, um den privaten Kapitalexport anzuregen. Durch die Aufwertung haben sich die Verhältnisse ja nicht gebessert, und die Unsicherheit ist nicht kleiner geworden. Angesichts des Verhaltens der Amerikaner gegenüber dem deutschen Eigentum denken Sie auch an das Verhalten der Ägypter gegenüber Belgien oder an die



Freiherr von Kühlmann-Stumm
politischen Verhältnisse in Südamerika, wo ja die Kommunisten in verschiedenen Regierungen sehr stark geworden sind — nimmt eine Firma oder eine Privatperson, die Kapital exportiert, ein erhebliches Risiko auf sich. Hier sollte man steuerlich entsprechend helfen.
Nun kommt der Angriff auf uns wegen der 2 Milliarden-Anträge, die angeblich noch in den Ausschüssen liegen. Es ist für uns natürlich sehr schwierig, die Zahlen auf diesem Gebiet nachzuprüfen. Wir haben bei der letzten Haushaltsdebatte verlangt, daß der Herr Bundesfinanzihitister eine Milliarde DM stillegt. Das ist nicht geschehen, und diese eine Milliarde DM ist inzwischen ebenfalls ausgegeben worden. Wir waren also gezwungen, entsprechende Anträge zu stellen. Herr Dr. Dresbach hat ja hier einmal erklärt, die FDP versuche, der Regierungspartei den Donner zu stehlen. Ich möchte einige unserer Anträge herausstellen, die noch in den Ausschüssen liegen.
Der wichtigste ist wohl der Gewerbesteuerantrag. Ich habe schon gesagt, daß wir die Gewerbesteuer aus grundsätzlichen Erwägungen in die Diskussion gebracht haben. Wir halten es auch für richtig, daß der Unternehmerfreibetrag von 7200 DM eingeführt und unbegrenzt nach oben festgelegt wird. Die Bundesregierung ist ja bezüglich der 50 000 DM-Gewerbeertragsgrenze hart geblieben. Ich habe aber gehört, daß auch von den Regierungsparteien unter Umständen ein Antrag auf 80 000 DM kommen wird. Wir kommen also einander schon näher.
Wenn man sagt — Herr Minister Dr. Conrad hat es im Bundesrat sehr deutlich erklärt —, die Länder seien nicht in der Lage, diesen Steuerausfall der Gemeinden auszugleichen, so muß ich mich über diese Erklärung wirklich wundern. Bei gutem Willen wäre es ohne weiteres möglich, diese mittelstandsfreundliche Maßnahme, die, glaube ich, im Hinblick auf alle diejenigen, die sich für die Selbstständigen einsetzen, wichtig ist, durchzuführen.
Wir haben dann einen weiteren wichtigen Antrag bezüglich des Lastenausgleichs gestellt. Dazu möchte ich sagen, daß unser Antrag in zehn Jahren 5 Millionen DM ausmachen würde, während die Regierung inzwischen einen Vorschlag vorlegte, der in zehn Jahren 5 Milliarden DM Belastung ergibt. Die Regierung hat uns also bei weitem überflügelt.
Wenn wir Anträge auf dem Steuersektor gestellt haben, so darf man nicht vergessen, daß inzwischen von der Bundesregierung und der Regierungspartei auf dem sozialen Sektor gewaltige Mehrausgaben bewilligt worden sind, die die Bundeskasse ganz erheblich berühren werden.
Wir haben auch einen Antrag bezüglich der Heimkehrer gestellt. Über ihn wird Herr Dr. Imle zum Einzelplan 26 referieren.
Nur ein kleines Beispiel: Die FDP hat jahrelang Anträge gestellt, um die Rationalisierung der Arbeit der Bauersfrau zu erleichtern. Diese Anträge sind immer abgelehnt worden. Jetzt im Wahljahr 1961 ist der Antrag der Regierungspartei auf 30 Millionen DM plötzlich durchgegangen, aber leider nur,
wie ausdrücklich erklärt worden ist, einmalig. Wir hoffen, daß diese 30 Millionen DM auch im nächsten Haushalt wieder zu finden sein werden. Es ist kein Zweifel, daß wir diese Mittel sehr notwendig brauchen; mit Versprechungen allein ist es nicht getan.

(Abg. Dr. Conring: Und die 142 Millionen DM zusätzlich für die Landwirtschaft?)

— Die haben wir ja nicht beantragt.

(Abg. Dr. Conring: Doch! — Heiterkeit.)

— Der Finanzminister hat gesagt, von uns lägen im Finanzausschuß Anträge in Höhe von 2 Milliarden DM. Die Anträge bezüglich der Landwirtschaft werden beim Einzelplan 10 behandelt, erklärt und begründet werden.

(Abg. Dr. Conring: Und Ihre Anträge zur Erhöhung der Beamtengehälter — wie war es damit?)

— Die Beamtengehälter sind inzwischen ganz wesentlich erhöht worden. Wollen Sie noch mehr? Sie müssen einer kleinen Oppositionspartei schon zugestehen, daß sie auch einmal ein bißchen vorhält. Das ist ihr nicht zu verübeln. Wenn wir die eine Milliarde stillgelegt hätten, hätten wir die Anträge nicht zu stellen brauchen.
Ich möchte aber noch etwas zu unseren Anträgen im Ausschuß bezüglich der Selbständigen sagen. Wir sind nicht bereit, diese Anträge zurückzunehmen. Ich gehe wieder auf die Regierungserklärung zurück; es ist damals gesagt worden:
Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht. Wir brauchen unabhängige, mittlere und kleine Existenzen im Handwerk, Handel und Gewerbe. ... Wir brauchen das gleiche in der Landwirtschaft. ... Wir brauchen die anderen freien Berufe.
Ich möchte Ihnen sagen — ich habe das hier schon einmal ausgeführt —, die unabhängigen Existenzen nehmen in ,der Bundesrepublik laufend ab, und zwar in einem ganz erschreckenden Umfang. Sie haben von 1950 bis 1960 etwa um die Hälfte abgenommen. Wir haben durch die Steuergesetzgebung die Möglichkeit, diesen selbständigen Existenzen zu helfen. Wir müssen auf diesem Gebiet energisch handeln. Aus diesem Grunde bitte ich, unsere Anträge zu diesem Punkte zu verstehen. Ich habe neulich in einer Versammlung geredet, wo ein Bauer zur Diskussion sprach, der seit 13 Tagen in der Bundesrepublik lebt. Er hat uns gesagt: Sowohl die Sozialisierung der Landwirtschaft als auch die Sozialisierung des Handwerks und des kleinen Gewerbes ist nur unter dem Gesichtspunkt propagandistisch vorbereitet worden, unter dem die Funktionäre gesagt haben: „Wir haben die Gewißheit, daß die Bauern und die Selbständigen in der Bundesrepublik auf kaltem Wege sozialisiert werden." Die einzige Rettung dagegen sei eben die LPG oder die Kolchose oder was sonst immer. Ich glaube, wir



Freiherr von Kühlmann-Stumm
in der Bundesrepublik sollten alles tun, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken; denn diese kleinen und mittleren Existenzen, besonders an .der Zonengrenze, sind ,das sicherste Bollwerk gegen den Bolschewismus.
Sehen Sie, Herr Dr. Dollinger, wir machen im Finanzausschuß in diesem Zusammenhang eine ganze Menge Anstrengungen. Ihre Linksaußenstürmer haben in der vergangenen Zeit einige Bilderbuchtore geschossen. Sie müssen sich darüber klar sein, daß die Maßnahmen, die wir zugunsten des Mittelstandes im Finanzausschuß bei den Gesetzen, die noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden, beschließen, von den Belastungen auf dem sozialen Sektor sehr wahrscheinlich mehr als ausgeglichen werden. Auch die D-Mark-Aufwertung spielt da eine ganz gewaltige Rolle; sie hat den Mittelstand besonders stark getroffen. Auch die Konzentration im Hinblick auf die EWG wirkt nachteilig. Ich glaube tatsächlich, daß man diesen Selbständigen noch mehr helfen sollte. Außerdem muß man berücksichtigen, wenn man den Selbständigen mehr Steuergelder beläßt, werden diese Gelder bei den Selbständigen sehr viel besser angelegt sein als irgendwo anders. Sie werden dem Sparen und der Eigentumsbildung zugeführt werden. Sie werden bestimmt keine konjunkturanheizende Wirkung haben, wie das Herr Minister Dr. Conrad im Bundesrat zu erklären für nötig befunden hat.
Ich komme nun noch zur Steuererhöhung. Es ist sehr viel von Steuererhöhungen gesprochen worden. Diese Steuererhöhungen würden angeblich nicht zu vermeiden sein. Wenn bei den Ländern derart hohe Summen liegen, sollte man alles versuchen, diese zu mobilisieren und die Steuererhöhungen nicht Wahrheit werden zu lassen. Man sollte zunächst bei Globalkürzungen und bei härteren Bewirtschaftungsmaßnahmen bleiben und sollte sich nicht auf den Tag nach der Wahl berufen. Ich glaube, daß es Möglichkeiten gibt, die Steuererhöhungen tatsächlich zu vermeiden.
Nun möchte ich etwas über die Einheitswerte sagen. Der Herr Staatssekretär hat im „Volkswirt" einen Artikel geschrieben, in dem er zu den Einheitswerten und zu der Gewerbesteuer Stellung genommen hat. Er hat gesagt, die Einheitswerte müßter erhöht werden, damit die Grundsteuer A plus B wieder ein Drittel der Gemeindesteuern ausmacht. Er hat ferner gesagt, die Gewerbesteuer müsse auf etwa 60 % zurückgeführt werden. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die kleinen Gemeinden durch die Gewerbesteuersenkung besonders betroffen werden. Das sind die kleinen ländlichen Gemeinden in den Zonenrandgebieten und in den Mittelgebirgen. Bei der bisher angewandten Einheitswertfeststellung in der Landwirtschaft werden keine wesentlich höheren Steuereinnahmen entstehen. Wenn nämlich der Einheitswert nach denselben Gesichtspunkten wie im Jahre 1935 errechnet wird, werden diese landwirtschaftlichen Betriebe keinen höheren Einheitswert als bisher erhalten.
Was in der Etatrede des Herrn Finanzministers als gut und gesichert bezeichnet worden ist, können
wir in diesem Umfang leider nicht akzeptieren. Der Haushalt enthält weder im Aufkommen noch im Ausgabenbereich erkennbare Reserven. Es sind keine Polster vorhanden. Im Jahre 1960 waren diese noch da. Es sind keine Risikoposten im Hinblick auf eine sich beruhigende Konjunktur vorhanden, ein Ziel, das man in Zusammenhang mit der D-MarkAufwertung erreichen wollte.
Ich möchte zum Schluß den Satz des Haushaltsdirektors Korff zitieren: Die finanziellen Möglichkeiten der Hochkonjunktur sind bis zur Neige ausgeschöpft. in diesem Haushalt 1961 ist der Rand des Defizits überschritten.
Meine Fraktion sieht sich zu ihrem großen Bedauern nicht in der Lage, dem Einzelplan 08 zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314901200
Leider hat der Herr Bundesfinanzminister vorhin nicht gehört, mit welch hohen Worten er von dem Redner wegen seiner persönlichen Qualitäten gelobt worden ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dollinger.

Dr. Werner Dollinger (CSU):
Rede ID: ID0314901300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre geradezu reizend, einmal eine Abhandlung über das Thema „Wahlen und Steuern" zu schreiben.

(Zustimmung in der Mitte.)

Ich möchte hoffen und wünschen, daß das freundschaftliche Verhältnis der Zusammenarbeit, wie es im Finanz- und Steuerausschuß seit Jahren üblich ist, auch in den Plenarsitzungen und von den Leuten des Finanz- und Steuerausschusses in der Öffentlichkeit beibehalten wird.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Wir hören immer: Wahlen, Wahlgeschenke und Steuern. Eine kurze Erinnerung! 1953 hieß es von den Gegnern der CDU/CSU: Nach den Wahlen heißt es zahlen! 1957 hieß es: Nach den Wahlen heißt es zahlen! Das war die Theorie. Und wie war die Wirklichkeit? 1954: Steuersenkungen im Deutschen Bundestag; also nach den Wahlen. 1958 — also nach den Wahlen —: Steuersenkung im Deutschen Bundestag.
Nun gebe ich Ihnen gerne zu, daß man darüber streiten kann, ob der Umfang der Entlastung richtig war oder nicht. Es wird im Leben immer so bleiben, daß derjenige, der Steuern zahlen muß, erklärt: Die Steuern sind zu hoch; das wird er selbst dann sagen, wenn sie gesenkt werden. Derjenige, der sich etwas aus den Steuereinnahmen verspricht, der gewissermaßen Empfänger von Steuergeld sein wird, wird sagen: Warum ist die steuerliche Belastung nicht größer? Dann würde ich doch mehr bekommen! Daß dabei Neidkomplexe auch eine große Rolle spielen, sollten wir in diesem Zusammenhang nicht übersehen.
Halten wir uns einmal alle die Anträge vor Augen, die in letzter Zeit hier hereingeflattert sind.



Dr. Dollinger
Herr Kollege von Kühlmann-Stumm, ich kann Sie hier nicht schonen. Neulich habe ich zu einem Ihrer Kollegen bei der Behandlung des Grünen Planes gesagt, es seien jetzt wohl sämtliche theoretischen Möglichkeiten, Antrage für die Landwirtschaft zu stellen, von der FDP ausgeschöpft. Wenn ich jetzt sehe, was Sie hier wieder vorlegen, dann bin ich der Meinung, daß Sie auch draußen bei der Bevölkerung ehrlich sein und nicht sagen sollten: Die CDU macht die Wahlgeschenke, und wir Freien Demokraten sind verantwortungsbewußt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Was ist die Wirklichkeit? Sie stellen hier die Anträge, machen Propaganda und sagen, wir wollen helfen. Außerhalb des Hauses beschimpfen Sie uns, wir hätten Wahlgeschenke vor, während Sie uns hier zwingen, aus Verantwortung Ihre Anträge abzulehnen. Dann sagen Sie später: Wir wollten, aber die CDU nicht. Ich bitte um mehr Ehrlichkeit und Konsequenz!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der FDP.)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert hat gestern einen Rückblick darüber gegeben, was seit 1958 geschehen oder nicht geschehen ist. Ich möchte nicht alles aufzählen. Ich gebe ihm gern zu, daß in diesen Jahren nicht umstürzlerische Reformen erfolgt sind. Das ist richtig. Aber ich glaube, wir haben mit dem Steueränderungsgesetz des Jahres 1958 — das haben Sie auch selbst anerkannt, Herr Kollege Seuffert — doch einen Weg beschritten, auf dem wir gerade bei den unteren Einkommensgruppen durch die Einführung des Proportionaltarifs etwas getan haben, was auch lange eine Forderung Ihrer Partei gewesen ist. Ich meine auch, daß die Entlassung nicht unbedeutend war. Dazu einige wenige Zahlen. Meine Damen und Herren, die Lohnsteuerpflicht — ich nenne die Zahlen der Jahre 1949 und 1958 — begann für Unverheiratete im Jahre 1949 bei 1375 DM und nach 1958 bei 2910 DM, für die Verheirateten ohne Kinder — ich nenne zuerst das Jahr 1949 und dann das Jahr 1958 — bei 1525 DM und 4620 DM, für Verheiratete mit einem Kind bei 1925 DM und 5520 DM, für Verheiratete mit zwei Kindern bei 2175 DM und 7200 DM und für Verheiratete mit drei Kindern bei 2875 DM und 9000 DM. Ich will die Zahlenreihe nicht fortsetzen, aber ich glaube, die wenigen Zahlen haben bewiesen, daß es nicht so ist, wie man manchmal darzustellen versucht, wir hätten nur für die Großen, für die Reichen etwas getan. Nein, mit dieser Maßnahme haben wir gerade für die untersten Gruppen eine wesentliche steuerliche Entlastung gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun glaube ich auch, Herr Kollege Seuffert, daß wir bei der Frage der steuerlichen Belastung — Herr Kollege von Kühlmann-Stumm hat es auch gesagt — nicht allein die Einkommen- und Körperschaftsteuer sehen dürfen. Nehmen wir nur einmal das Problem der Vermögensteuer! Wir haben viele Länder, die überhaupt keine Vermögensteuer kennen, während wir jetzt praktisch eine dreifache Vermögensteuer haben, nämlich die normale Vermögensteuer, den Lastenausgleich und die Erbschaftsteuer.
Wir haben in Deutschland insgesamt gesehen eine sehr hohe steuerliche Belastung. Während wir vor zwei Jahren — vom Bruttosozialprodukt her gesehen — eine steuerliche Belastung von rund 22 % hatten, werden wir im Jahre 1961 nach den Vorausschätzungen, die ja nicht strittig waren, eine Belastung von 25 % bekommen.
Meine Damen und Herren! Die Höhe der steuerlichen Belastung wird immer umstritten bleiben. Aber ich glaube, wir sollten nicht einmal eine höhere und dann eine niedrigere steuerliche Belastung fordern, sondern uns immer eines vor Augen halten, nämlich daß wir letzten Endes Einnahmen brauchen, um Ausgaben durchführen zu können. Es scheint mir notwendig, darauf hinzuweisen, daß in unserer Bevölkerung auch der Gedanke viel stärker wirksam werden muß, daß ein Staat kein Geld ausgeben kann, daß er nicht vorher einnimmt. Auch für uns Parlamentarier gilt letztlich dieser Satz.
Nun zu der Frage: Warum keine großen Reformen? Als wir damals in der Hartmann-Kommission das Thema der Umsatzsteuer so lange behandelt haben und schließlich entschieden, in diesem Bundestag keine Reform durch Systemwechsel vorzuschlagen, hatte das gute Gründe. Einer der entscheidenden Gründe war das Thema: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und steuerliche Belastung. Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren immer von wettbewerbsneutralen Steuern in der Bundesrepublik gesprochen; ich glaube, daß wir in Zukunft eben in Erledigung dieses Themas vor allem auch über wettbewerbsneutrale Steuern innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft werden sprechen müssen. Ich habe den Eindruck, daß hier auch die Frage der direkten und indirekten Besteuerung nicht ausgeklammert werden darf, genauso wenig wie das Problem der Umsatzsteuer. Herr Kollege Seuffert behandelte gestern auch das Problem der Konzentration. Wir wissen, daß die Umsatzsteuer eng damit zusammenhängt. Ich glaube, wir werden auch das Problem der Konzentration und die Beziehung zu den Steuern neu überdenken müssen, wenn wir uns vor Augen halten, wie die europäische Wirtschaft zusammenwächst. Nehmen Sie nur die gegenseitigen Verrechnungspreise ausländischer Mütter und deutscher Töchter und das Thema Doppelbesteuerungsabkommen; dann sind wir an sehr kritischen Punkten angelangt. Wir werden feststellen können, daß ausländische Unternehmen durchaus in der Lage sind, in Deutschland bei ausgezeichnetem Geschäftsgang unter Umständen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer völlig freigestellt zu sein, weil sie es legal möglich machen können, trotzdem nichts zu verdienen.
Bei all den Themen der Änderung der Steuergesetzgebung scheint mir doch die Frage der Finanzverfassung und der Möglichkeit, diese zu ändern, unterschätzt zu werden. Herr von Kühlmann, Sie haben von der Gewerbesteuer gesprochen. Gerade die Gewerbesteuer zeigt doch uns allen, wie schwierig es auf Grund unserer Verfassung ist, in Deutschland steuerliche Änderungen herbeizuführen. Wir
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 149. Sitzung, Bonn, Freitag, den 10. März 1961 8485
Dr. Dollinger
werden auch bei den zukünftigen Überlegungen, gerade im Hinblick auf eine europäische Wirtschafts-und damit Finanzpolitik, sehr zu überlegen haben: Wie kommen wir mit unseren Ländern zurecht? Welche Möglichkeiten bieten sich an, um eine Finanzverfassung so zu ändern, daß vielleicht für uns alle die Verhältnisse im Vergleich zu bisher erleichtert werden.
Ich möchte zum Abschluß kommen. Wir werden noch bei dem Steueränderungsgesetz 1961 wie auch bei der Verabschiedung der 11. Umsatzsteuernovelle Gelegenheit haben, sehr eingehend über diese Frage zu diskutieren, und wir werden auch dann, wenn die Ergebnisse der Ausschußberatungen vorliegen, uns noch darüber unterhalten können, welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten wir für die Zukunft sehen.
Ich glaube aber, daß wir heute sagen können, daß die Finanzpolitik der letzten Jahre unter Führung von Herrn Bundesfinanzminister Etzel, dem ich hier ebenso wie seinen Mitarbeitern herzlich danken möchte, keine Finanzpolitik war, die einen großen Wirbel gemacht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das liegt dem Herrn Finanzminister nicht. Sie war eine schlichte und einfache Politik. Aber diese Finanz- und Steuerpolitik des Herrn Bundesfinanzministers hat dazu beigetragen, daß der Steuerzahler in Deutschland entlastet werden konnte. Das hat bedeutet, daß sich dadurch die Lebensverhältnisse des
kleinen Mannes verbessert haben. Das hat der Wirtschaft die Möglichkeit gegeben, zu investieren, zu rationalisieren, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat die Möglichkeit gegeben, das Bruttosozialprodukt zu steigern. Diese Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik hat auch dazu beigetragen, daß wir in der Lage sind, soziale Leistungen zu erbringen, wie das früher niemals in Deutschland geschehen konnte. Ich glaube, damit sagen zu können, daß diese Finanzpolitik dazu beigetragen hat, die wirtschaftliche Entfaltung zu fördern und den Wohlstand zu mehren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314901400
Das Wort hat der Abgeordnete Jürgensen.

Nikolaus Jürgensen (SPD):
Rede ID: ID0314901500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 08 ist in seinem finanziellen Schwergewicht ein Personalhaushalt. Im Kap. 04 dieses Einzelplans sind die Mittel für die Bundesfinanzverwaltung veranschlagt. Gestatten Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zu dem Personaletat der Bundeszollverwaltung mache.
Bereits in der 34. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25, Juni 1958 hat sich der Herr Bundesfinanzminister mit den Laufbahnbedingungen der Zollbeamten befaßt. Ausgehend vom Jahre 1951 als Orientierungspunkt, ist der Herr Bundesfinanzminister zu folgender Feststellung gekommen:
1. Der Personalbestand der Bundeszollverwaltung ist praktisch unverändert geblieben.
2. Die Zahl der Grenzgänger hat sich verdreifacht, die Zahl der Verzollungen hat sich vervierfacht, der Grenzverkehr mit Kraftwagen ist um das Siebenfache gestiegen.
Ich darf von mir aus hinzufügen, daß sich diese Zahl in der Zwischenzeit weiter vervielfacht hat. Ich darf auch hinzufügen, daß die Einführung des Wertzolles für die Zollbeamten eine erhebliche Belastung bedeutet hat.
Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister kommt in seiner Rede im Juni 1958 zu folgender Feststellung:
Der Zollaufbau ist sehr konservativ, und die Möglichkeit des Aufrückens ist in diesem Sektor bisher geradezu miserabel gewesen.

(Abg. Dr. Conring: Deshalb ist sie ja verbessert worden!)

— Ich komme darauf, Herr Kollege Conring. Der Bundesfinanzminister fuhr fort:
Nehmen wir als Vergleich einen Oberfeldwebel der Bundeswehr. Er hat heute, wenn er von der Bundeswehr zu uns
- also der Zollverwaltung
kommt, Anspruch darauf, Oberinspektor zu werden. Meine Damen und Herren, wie soll das gehen? Das weiß ich his jetzt noch nicht.
Soweit, meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister im Juni 1958! Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Nur ein einziges Beispiel dafür: Die Dienstzeit im Grenzaufsichtsdienst, also an der internationalen Grenze, an der Zonengrenze und an den Grenzen der Freihäfen in Bremen und Hamburg, beträgt zur Zeit für einen Bewerber, der mit 18 Jahren eingetreten ist, im Durchschnitt 22 Jahre. In diesen 22 Jahren kann höchstens jeder zweite Zollsekretär und jeder 50. Zollobersekretär werden. Des bedeutet, daß fast die Hälfte aller im Grenzaufsichtsdienst tätigen Zollbeamten in 22 Dienstjahren keine Beförderung erreichen.
Herr Kollege Dr. Conring hat soeben den Einwurf gemacht, deswegen hätten wir ja auch die Stellenhebungen vorgesehen. Nun, es hat lange genug gedauert, bis die Bundesregierung aus der richtigen Einschätzung der Lage einige Folgerungen gezogen hat.

(Abg. Dr. Conring: Immerhin über 2000!)

Erst nachdem, Herr Kollege Conring, es unter den Zollbeamten zu erheblichen Unruhen gekommen ist, nachdem es — wie Sie wissen - zu den bekannten Protesten der Zollbeamten im Hamburger Freihafen gekommen ist

(Abg. Leicht: Das war nicht gut!)

— das will ich nicht beurteilen, Herr Kollege Leicht
—e erst nachdem die Zollbeamten in ihrer bekannten Versammlung in Mainz den Herrn Bundes-



Jürgensen
finanzminister etwas in die Zange genommen haben,

(Bundesfinanzminister Etzel: Das ist unwahr!)

sind diese Maßnahmen eingeleitet worden.
Herr Dr. Conring, Sie haben nun gesagt, eben weil der Herr Bundesfinanzminister schon im Jahre 1958 gesagt habe, daß die Aufstiegsmöglichkeiten miserabel seien, hätten wir jetzt die Stellenhebungen beschlossen. Herr Dr. Conring, Sie wissen doch als Mitglied des Haushaltsausschusses genauso gut wie ich, daß im Haushaltsvoranschlag nur 330 Stellenhebungen vorgesehen waren.

(Abg. Dr. Conring: Nachschiebelisten der Regierung!)

— Darauf komme ich. Sie werden mir doch zugeben, Herr Dr. Conring: bei der Einsicht des Herrn Bundesfinanzministers, die ich absolut anerkenne, und bei einem Personalbestand von fast 33 000 Beamten war die ursprünglich vorgesehene Zahl der Stellenhebungen — also 330 — geradezu lächerlich gering. Ich erkenne an, daß inzwischen aus der Einsicht des Herrn Bundesfinanzministers auch die Bundesregierung die entsprechenden Folgerungen gezogen hat: es ist die bekannte Nachschiebeliste gekommen, die Finanzvorlage der Bundesregierung an den Haushaltsausschuß mit weiteren 2525 Stellenhebungen. Es handelt sich dabei um die sogenannte 10-%-Aktion für die Einzelpläne 08 und 12, wie Ihnen bekannt ist. In dieser Finanzvorlage — ich darf einen Satz zitieren — heißt es wörtlich:
Nach den bisherigen Untersuchungen ist es unzweckmäßig, die Planstellen in allen Beförderungsgruppen einheitlich um einen bestimmten Prozentsatz — also etwa 10 % — zu heben, vielmehr müssen die Maßnahmen gezielt sein.
Völlig einverstanden, meine Damen und Herren! Auch wir sehen ein, daß eine schematische Anhebung in allen Besoldungsgruppen um 10 % völlig sinnlos gewesen wäre. Weshalb man aber gerade bei den Zollbeamten trotz des anerkannten Bedarfs unterhalb dieser 10-%-Grenze geblieben ist, das war mir allerdings unverständlich.
Sie wissen, wir haben etwa 32 500 Zollbeamte. Diese insgesamt 2855 Stellenhebungen bedeuten also noch keime 10 %. Nach sehr sorgfältiger Prüfung und nach Rücksprache mit Fachleuten habe ich deshalb als Berichterstatter für den Einzelplan 08 im Haushaltsausschuß weitere 1383 Stellenhebungen, verteilt auf fast alle Besoldungsgruppen, vorgeschlagen. Nach dem Verlauf der Aussprache im Haushaltsausschuß mußte mit einer Ablehnung meiner Vorschläge gerechnet werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht nur durch uns! — Abg. Dr. Conring: Auch durch Ihre eigene Partei!)

— Nun, meine Damen und Herren, ich will das ganz objektiv sagen. Sie wissen, daß meine Freunde und ich, um überhaupt etwas zu erreichen, einem Vermittlungsvorschlag Ihres Herrn Kollegen Dr. Stecker zugestimmt haben und durch diese Zustimmung einstimmig weitere 285 Stellenhebungen beschlossen worden sind.
Einschließlich der Regierungsvorlage schlägt also der Haushaltsausschuß dem Hohen Hause insgesamt 3140 Stellenhebungen für die Bundeszollverwaltung vor. Das sind immerhin noch keine 10 %. Sie wissen auch, meine Damen und Herren, soweit Sie dem Haushaltsausschuß angehören, daß der Haushaltsausschuß beschlossen hat, diese Maßnahmen als vorläufig zu betrachten.
Die Bundesregierung ist durch einstimmigen Beschluß des Haushaltsausschusses aufgefordert worden, an Hand einer exakten Dienstpostenbewertung einen Stellenkegel für die Bundeszollverwaltung zu erarbeiten. Bei der Aussprache im Haushaltsausschuß ist die Meinung vertreten worden, daß man die Laufbahnbedingungen der Zollbeamten denen der Bundesbahn und der Bundespost anpassen sollte. Ich weiß nicht, ob eine exakte Dienstpostenbewertung diesen Vergleich, also der Zollbeamten mit den Bahn- und Postbeamten, rechtfertigt. Ich kann mir vorstellen, ohne im einzelnen den Stellenkegel bei der Bundespost und bei der Bundesbahn zu kennen, daß die Bundespost und die Bundesbahn eine viel breitere Basis haben und schon deshalb ein Vergleich mit der Bundeszollverwaltung nicht angebracht ist.
Die Bundesregierung kommt ja auch in ihrer Finanzvorlage 118 zu folgendem Ergebnis:
Die Stellenhebungen sind notwendig, weil einige Länder für die Landesbeamten den Stellenschlüssel in den letzten Jahren erheblich verbessert haben. Es erweist sich als unumgänglich, die Beförderungsaussichten der Bundesbeamten denen der Landesbeamten anzugleichen.
Das scheint auch mir eine bessere Vergleichsbasis zu sein.
Nun eine kleine Bemerkung an den Herrn Bundesfinanzminister, die er bitte nicht als Unfreundlichkeit auffassen möge. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich sehr darüber beklagt, daß die Verbände der Zollbeamten sich unter Umgehung seines Hauses direkt an die Abgeordneten gewandt haben. Völlig einverstanden, Herr Bundesfinanzminister! Aber dann bitte den gleichen Maßstab für alle Verbände! Vielleicht haben sich die Verbände der Bundeszollbeamten gesagt: Warum sollen wir so pingelig sein, wenn andere Verbände sich direkt an den Herrn Bundeskanzler wenden?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Nun noch ein ganz kurzes Wort zu den fachlichen Beurteilungen der Zollbeamten, die ja zusammen mit der Dienstpostenbewertung die Grundlage für die Beförderungen bilden. In der Vergangenheit ist aufgefallen, daß sich die Zahl der positiven Beurteilungen der einzelnen Zollbeamten fast immer im Rahmen der gegebenen Beförderungsmöglichkeiten gehalten hat. Vielleicht war das die Folge einer gewissen Zwangslage. Es wurden also nur so viele Beamte positiv beurteilt, wie befördert werden



Jürgensen
konnten. Es liegt auf der Hand, daß bei dieser Methode mindestens ein Teil der nicht beförderten Beamten schief beurteilt und damit ungerecht behandelt worden ist.
Zum Schluß! Wenn die vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen 3140 Stellenhebungen heute hier im Hohen Hause beschlossen werden, muß eine neue Beurteilung vieler Zollbeamten vorgenommen werden, damit die Beförderung durchgeführt werden kann. Wir erwarten, daß diese Beurteilung schnell, reibungslos und mit einem Höchstmaß an Gerechtigkeit geschieht.
Im übrigen erwarten wir, daß die Bundesregierung den einstimmigen Beschluß des Haushaltsausschusses beachtet und gerechte Laufbahnbedingungen für alle Zollbeamten schafft.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314901600
Das Wort — ich nehme an, das Schlußwort dieser Debatte — hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314901700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst um Entschuldigung bitten, vor allen Dingen die Mitglieder der FDP und Herrn Kollegen Kühlmann-Stumm, daß ich zu Beginn der Debatte nicht da war und deswegen die ersten Teile der Ausführungen des Kollegen Kühlmann-Stumm nicht gehört habe. Ich bin einem Irrtum erlegen, nämlich dem Irrtum, daß die Fragestunde eine Stunde dauern würde. Sie hat heute morgen nur sehr kurz gedauert, und so kam es, daß der Bundesfinanzminister zu Beginn nicht da war. Das war keine Bösartigkeit, das war keine Respektlosigkeit vor dem Hohen Hause und vor der FDP. Es war einfach eine falsche Kalkulation.
Meine Damen und Herren, wenn der Bundesfinanzminister in der zweiten Lesung in dieser Stunde vor einem relativ leeren Hause zur Diskussion über seinen Haushalt Stellung nimmt, möchte er gern darauf hinweisen, daß seine Stunde in der großen Diskussion zu jedem Haushalt naturgemäß die erste Lesung und damit die große Haushaltsrede ist. Mein Freund Erhard würde sagen, das sei eine Sternenstunde. Heute ist also nicht meine Sternenstunde, sondern ich möchte mich sehr sachlich zu den Problemen äußern, die im einzelnen vorgetragen worden sind. Ich behalte mir aber vor und ich habe auch die Absicht — wenn die Zeit es ermöglicht —, in der dritten Lesung vielleicht zu Beginn noch einmal einige grundsätzliche finanzpolitische Ausführungen zu machen. Heute will ich mich auf Einzelheiten beschränken.
Ich möchte aber zum Ausdruck bringen, daß es nicht schön ist — es liegt in der Natur der Sache —, wenn der Bundesfinanzminister in der ersten Lesung grundsätzliche Ausführungen zum Haushalt und zu den Haushaltsproblemen macht und diese Ausführungen dann infolge der Tatsache, daß dazwischen eine lange Zeit liegt, in der zweiten Lesung nicht mehr lebendig sind und nicht mehr im Raume stehen. Ich muß sagen, daß die Grundsatzausführungen der ersten Lesung, die ich gemacht habe, eigentlich wenig Gegenstand der Diskussion gewesen sind. Ich bedaure das ein ganz klein wenig. Denn ich habe damals doch zu einer Grundfrage des Haushalts Stellung genommen.
Der Haushalt wurde immer das Schicksalsbuch der Nation genannt. Ich habe es etwas moderner ausgedrückt. Ich habe gesagt: Der Finanzminister ist der Mann am Radarschirm des politischen Geschehens, soweit dieses politische Geschehen sich in klingende Münze umschlägt. Denn diese klingende Münze kommt auf seinen Tisch, und er hat am Radarschirm dafür zu sorgen, daß die Schiffe der politischen Wünsche — die Geld kosten — nicht miteinander kollidieren; daß einmal nicht mehr Schiffe ,da sind, als Wasser da ist, und daß auf der anderen Seite so viel Wasser da ist, wie für das Manövrieren dieser Schiffe notwendig ist. Insofern behandelt diese Diskussion in der zweiten und dritten Lesung schon die Schicksalsfragen der Nation, und diese dürfen nicht nur in Einzelfragen auseinandergelegt werden, sondern sie müssen in dem großen Zusammenhang der Politik gesehen werden, im Zusammenhang der Lösungsmöglichkeiten der politischen Probleme überhaupt. Ich muß sagen: Diese Diskussionen, vor allen Dingen der zweiten und dritten Lesung, lassen das ein bißchen vermissen. Hier ist es so: es treten die Experten auf — die ressortmäßigen Interessen gewissermaßen, möchte ich sagen —; sie sehen ihre Probleme. Solche Sonderinteressen sind naturgemäß legitim. Ich will gar nichts dagegen sagen. Aber die Möglichkeit des Verzahnens, des Ineinander- und Miteinanderklingens wird viel zu wenig diskutiert. Das ist meine persönliche Erfahrung jetzt mitten in der vierten Grundsatzdiskussion, die ich in meiner Amtszeit erlebe. Hier ist also ein Mangel vorhanden. Wenn auch ich heute diesem Mangel erliege, dann deswegen, weil ich zu den Grundsatzfragen, wie gesagt, in der ersten Lesung bereits Stellung genommen habe. Ich behalte mir aber vor, in der dritten Lesung noch einmal zu Grundsätzlichem zu sprechen.
Ich habe in der ersten Lesung diese Schicksalsfrage unter die Fragestellung gestellt: Haushalt im Kräftefeld zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Das Wesen des Staates besteht ja darin, das Zusammenleben der Menschen miteinander zu ordnen, zu organisieren, indem der Staat es einmal dem Menschen ermöglicht, das Maß dessen, was zu seiner Wohlfahrt führt, also das Sozialprodukt möglichst zu steigern, und zum zweiten in der Umverteilung dafür zu sorgen, daß die Probleme der inneren Sicherheit und der äußeren Sicherheit der Gemeinschaft, die eben gemeinschaftlich getragen werden, gelöst werden können. Um in diesem Kräftefeld, in dem wir stehen, einmal die innere Sicherheit und zum anderen die äußere Sicherheit zu garantieren, haben wir uns bemüht, in einem ausgewogenen Mittelmaß die Dinge solid — ich lege den Ton auf solid — vorwärtszutreiben. Bei Gelddingen hört die Gemütlichkeit auf. Hier müssen die Dinge ohne Pathos, ohne Phrasen sachlich gesehen werden. Ich habe mich damals bemüht, den Nachweis zu führen, daß das geschehen ist. Ich habe in der Haushaltsrede die Frage gestellt: Hat unsere Finanzpolitik unsere



Bundesfinanzminister Etzel
wirtschaftliche und soziale Entwicklung hinreichend gefördert? Hat sie das ihre zum gleichbleibenden und dauerhaften Wachstum des Sozialprodukts und des Wohlstandes beigetragen, und hat sie dazu beigetragen, unser staatliches Gemeinwesen nach innen und außen zu festigen?
Ich glaube, ich brauche das, was ich damals zur Rechtfertigung dieses Standpunkts gesagt habe, nicht zu wiederholen. Jeder, der über diese Fragen nachdenken will, mag das in Ruhe tun, indem er diese Rede einmal liest. Ich habe es getan, bevor die zweite Lesung begann. Aber auch nachdem ich selbst Abstand von meiner eigenen Rede gewonnen habe, kann ich nur sagen: ich bin unverändert überzeugt, daß das, was ich damals ausgeführt habe, richtig gewesen ist. Ich verweise insbesondere auf meine Ausführungen über die Steigerung des Sozialproduktes.
Ich möchte zunächst dem generellen Anwurf begegnen, daß unsere Finanzpolitik und auch unsere Wirtschaftspolitik nicht gut gewesen sei und daß sie nicht genügt habe. Meine Damen und Herren, ist denn das richtig? Ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik schlecht gewesen? Ein Wort zum Zusammenklang zwischen Wirtschaft und Finanzpolitik. Ich habe schon in der ersten Rede gesagt: Es ist ganz selbstverständlich, daß die Wirtschafts- und die Finanzpolitik eine Einheit bilden müssen, In England und Frankreich werden ja beide Ressorts sogar nicht nur praktisch, sondern auch formell von einem Minister verwaltet. Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen ein Ganzes sein.
l Es ist schlecht, wenn man von seinen eigenen Dingen redet. Ich möchte aber doch die Behauptung aufstellen, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik in ihrer Gesamtheit gut gewesen ist. Es gibt ein einfaches Volkswort, das für die Nachprüfung dieses Tatbestandes überzeugend ist und das ja, so glaube ich, auch in den vergangenen Wahlen durchgeschlagen hat und auch bei der neuerlichen Befragung des Volkes wieder durchschlagen wird. Das einfache Wort lautet: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Hat diese Wirtschafts- und Finanzpolitik zu einem Erfolg geführt? Ich brauche darüber eigentlich gar nichts zu sagen. Diese Frage ist durch die Tatsache geklärt. Welches waren denn diese Früchte allein des Jahres 1960 unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik? Die Früchte waren, wie ich das nenne, ein Wunder. Denn im Jahre 1960 ist ein Wunder geschehen. Und was war dieses Wunder? An der Grenze der Arbeitsmarktreserven — wir hatten keine mehr, wir waren praktisch ein Land ohne Arbeitslose — ist es gelungen, real — ich sage real, nicht nur nominal; nominal wäre es kein Wunder, das sagt gar nichts — einen Zuwachs des Sozialprodukts von 8 Prozent zu erreichen. Meine Damen und Herren, ist das eigentlich das Ergebnis einer schlechten Finanzpolitik?
Wir müssen uns doch fragen: Woher kommt denn dieses Wachstum? Sie könnten mir antworten: Das ist die Tüchtigkeit der Unternehmer und der Fleiß der Arbeiter. Selbstverständlich! Aber ich möchte
demgegenüber einen Gedanken aussprechen, den 11 ich auch schon anderswo ausgesprochen habe und der alle hier im Hause, alle Parteien betrifft. Ich höre gerade auch in Unternehmerkreisen immer wieder voll Stolz: das haben w i r doch gemacht und nicht i h r dummen Politiker. Ich antworte dann: Meine lieben Freunde, im geteilten Deutschland gibt es Unternehmer und Arbeiter auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Ich möchte einmal unterstellen, daß die Intelligenz der Unternehmer der Ostzone, soweit es noch solche gibt, einschließlich der Menschen, die sich unternehmerisch betätigen,
und der Fleiß der Arbeiter der Ostzone nicht
der
schlechter sind als die Intelligenz und der Fleiß der Unternehmer und Arbeiter in der Westzone, immer soweit es Unternehmer gibt. Die Sachlage ist genau dieselbe.
Wenn dennoch in der Westzone größere Erfolge erreicht wurden als in der Ostzone, dann beruht das einfach auf unserem besseren politischen System. Dieses politische System geschaffen zu haben, ist aber nicht das Verdienst der Arbeiter und der Unternehmer, sondern das ist das Verdienst der Politiker des ganzen Hauses,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die hier, wie Theodor Heuss in seiner Abschiedsrede an diesem Platz gesagt hat, auch in dieser Frage aktiven Patriotismus übten. Ich glaube, das ist so. Ich möchte dieses Wort noch einmal in den Raum stellen: Jawohl, hier sind durch die Politik in Ausübung aktiven Patriotismus die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß die Intelligenz der Unternehmer und der Fleiß der Arbeiter zu einem guten Erfolg geführt wurden. Zu dieser politischen Arbeit gehört aber auch unsere Finanzpolitik in Einklang mit der Wirtschaftspolitik.
Herr Kollege Seuffert, hier bin ich nun mit Ihnen in der Sache nicht einig. Ich danke Ihnen für die loyale Form des Vortrags Ihrer Kritik. Aber in der Sache bin ich mit ihnen nicht einig, nämlich in der Kritik, daß unser System schlecht sei. Wenn dieses System schlecht gewesen wäre, dann wäre es uns nicht möglich gewesen, allein im Jahre 1960 dieses Wunder der achtprozentigen Realsteigerung des Sozialproduktes zu erreichen. Eine der Ursachen —nicht die einzige, aber eine wichtige Ursache — liegt ganz einfach darin, daß unser Steuersystem in seiner Struktur und in seinem Aufbau richtig ist.
Herr Seuffert, Sie haben sich gestern abend die Mühe gemacht, unser System mit dem System der USA und mit dem System Großbritanniens zu vergleichen. Nun denn, wir haben ein anderes System. Die USA haben formell eine Steuerspitze von 91 Prozent der Einkommensteuer. Und was ist erreicht worden? Ein Zuwachs des Sozialprodukts im vergangenen Jahr von 3 Prozent!
Den Damen und Herren, welche die Höhe des Zuwachses nicht so übersehen wie ich vielleicht, möchte ich sagen, daß wir im Jahre 1955 in Luxemburg einmal eine Prognose gestellt haben, wie das Sozialprodukt der sechs Länder in den nächsten Jahren im Durchschnitt wachsen würde, um davon die Energienotwendigkeiten abzuleiten. Wir haben damals gesagt: Wenn wir durchschnittlich auf



Bundesfinanzminister Etzel
3 Prozent kommen, sind wir glücklich. Deswegen ist es ein Wunder: Im Jahre 1960, wo wir keine Arbeiter mehr hatten, erreichten wir 8 Prozent.
Wie ist das gegangen? Natürlich weil wir einige Strukturmaßnahmen getroffen haben, aber auch weil es möglich gewesen ist, das Sozialprodukt richtig zu verwenden, weil die Finanz- und Steuerpolitik es ermöglicht hat, diesen richtigen Ansatz zu machen.
Vielleicht darf ich einmal den Gedanken in den Raum stellen, den ich 1958 bei dem damaligen Steueränderungsgesetz ausgesprochen habe. Uns ging es darum, bei der Spitzenbesteuerung den sogenannten „breaking point" nicht zu übersteigen. Was ist das? Der breaking point ist nicht irgendeine Erfindung des Finanzministers Etzel, sondern er ist das Ergebnis einer langen Erfahrung, einer wissenschaftlichen Lehre, die darauf beruht, daß, wenn der Staat dem, der arbeitet, die Erträge aus der Arbeit zu mehr als 50 % wegnimmt, derjenige, der den Gewinn erarbeitet hat, versucht, die Gewinne durch gesamtwirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen und ähnliches zu verkleinern. Das haben wir ja in der Zeit der hohen Steuersätze, die uns die Besatzungsmacht verordnet hatte, erlebt. Dann kommt es zu ganz hohen Fehlinvestitionen. Der Wunsch, einen Steuersatz von etwa 50 % möglichst nicht zu übersteigen, war der Grund, warum wir in der Körperschaftsteuer auf 51 % gegangen sind und in der Progression des Einkommensteuertarifs auf maximal 53 % Herr Seuffert, Sie werden mir recht geben, daß die tatsächliche Belastung höher liegt. Wenn Sie zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nur die Kirchensteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer hinzunehmen, kommen wir noch zu ganz anderen Sätzen. Bei großen Unternehmungen werden heute alles in allem 65 % abgeschöpft. Das sind fast zwei Drittel des Erarbeiteten. Es gibt einige, bei denen es sogar noch mehr wird. — Ich sehe gerade einen Kollegen, der mir das kürzlich auseinandergerechnet hat. Bei großen Einkommen sind das also zwei Drittel an Steuern, und es bleibt nur ein Drittel übrig.
Wenn wir das Problem einmal unter dem Gesichtspunkt der Freiheit sehen, müssen wir sagen, daß die Freiheit, über das Erwirtschaftete und Erarbeitete zu verfügen, immerhin zu zwei Dritteln eingeschränkt ist, und ich glaube, das ist eine ganze Menge. Bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist der „breaking point" beachtet, und das scheint mir eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür zu sein, das Ziel richtiger Investitionen überhaupt zu erreichen.
Die Steuerpolitik ist also nicht direktionslos, ist nicht ohne die Schau der Zusammenhänge. Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich in der Steuerpolitik das Moment der wirtschaftspolitischen und der finanzpolitischen Betrachtung befolgt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer das nicht tut, wer Steuern aus sich heraus macht und nicht genug die wirtschafts- und finanzpolitischen Zusammenhänge sieht, der ist, glaube ich, in der Gefahr, zu viel Steuern und an einer
falschen Stelle zu erheben. Das möchte ich doch einmal zum Grundsätzlichen gesagt haben.
Ich behaupte also: Unsere Finanzpolitik, von der die Steuerpolitik ein Teil ist, ist richtig. Der Finanzminister muß bei seinen Maßnahmen immer alle Funktionen seines Amtes sehen. Seine Funktionen sind, die Grundsätze der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Steuerpolitik, aber auch der Zollpolitik zu beachten. Diese Dinge müssen im Zusammenhang gesehen werden. Nur wenn wir das beachten, kommen wir überhaupt zu einem richtigen Ergebnis.
Ich möchte noch einmal sagen, daß die Vergleiche mit anderen Ländern, Herr Kollege Seuffert, überhaupt eine Gefahr in sich berge, da die Struktur der anderen Länder ja eine völlig andere ist. Die Amerikaner kennen in diesem Sinne keine indirekte Steuern, wie wir sie in der Umsatzsteuer haben; die gibt es dort nicht. Wenn Sie aber einmal die amerikanische Literatur studieren — ich hatte gerade jetzt während meiner Krankheit die Gelegenheit, vieles zu lesen, was ich früher nicht gelesen hatte —, sehen Sie, daß die Erträgnisse der Wirtschaft einem ganz anderen System der Besteuerung unterliegen. Der formale Satz von 91% bekommt dann ein anderes Gesicht.
Übrigens ist das System der 91 % von einer großen Fülle von Ausnahmen durchlöchert. In Amerika läuft jetzt bekanntlich sogar ein Antrag, diese in meinen Augen falschen Sätze — ich habe die Amerikaner nicht zu kritisieren — überhaupt zu ändern und den Ausnahmekatalog einmal zu überdenken. Man kann also diese Dinge nicht einfach miteinander vergleichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte hier ein Bekenntnis ablegen. Ich bin ein Gegner einer sogenannten Neidsteuer, einer Steuer, die aus dem Gesichtspunkt des sozialen Neides geboren ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) Dabei kommt gar nichts heraus.

Ich habe vor einigen Tagen einen Vortrag von einem früheren sehr großen Kollegen von mir, der jetzt Präsident der Notenbank seines Landes ist, Herrn Kamitz, gehört. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Progressionssteuer sei überhaupt überflüssig. Diese Meinung teile ich selbstverständlich nicht.

(Abg. Seuffert: Es ist sehr dankenswert, daß Sie wenigstens diesen Gedanken nicht haben!)

— Daß ich diesen Gedanken nicht haben kann —Herr Kollege Seuffert, Sie kennen mich —, ist überhaupt selbstverständlich.
Ich meine aber, wir dürfen ein Steuerproblem nicht vom Gesichtspunkt des Neides her sehen, sondern müssen es unter dem Gesichtspunkt menschlicher Schwächen betrachten. Macht man falsche Steuern, reagieren die Menschen falsch.
Ich möchte zunächst ein Bekenntnis ablegen. Herr Kollege Seuffert, ich bin nicht des Glaubens, daß mir



Bundesfinanzminister Etzel
die Menschen, die nunmehr in der Spitze mit 53 % besteuert werden und hiervon profitieren, deswegen dankbar sind. So ist das Leben nicht. Kein Mensch dankt mir. Es war für mich interessant, als ein guter Freund von mir, der in dieser Stufe liegt, bei einem Gespräch über meine Steuerpolitik — das ist jetzt ein halbes Jahr her — ganz erstaunt darüber war, daß ich im Jahre 1958 die Steuern überhaupt gesenkt hatte. Er war gar nicht bösartig; er hatte das ehrlich vergessen. Also ich erwarte keinen Dank, keine Anerkennung. Vielmehr ist meine Haltung, nicht für eine Neidsteuer zu sein, ganz einfach die Konsequenz aus der Erkenntnis menschlicher Haltung. Hierauf beruht auch die Lehre von dem „breaking point". Wenn ich jemandem mehr als 50 % — 51 %, 53 % liegen in dieser Marge — wegnehme, so fängt er an, wirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen Unsinn zu machen, Fehlinvestitionen zu betreiben, und davon hat die Volkswirtschaft gar nichts.
Ich möchte noch einen anderen Gedanken vortragen. Ich weiß, daß Sie ihn nicht gern hören. Auch ein Mann mit einem sehr großen Einkommen kann nicht mehr als sehr, sehr gut leben, und wenn er sehr, sehr gut gelebt hat, wird er den Rest dieses Einkommens immer wieder — so sind wir Deutschen nun einmal — doch in einem Unternehmen investieren und damit zur Steigerung des Sozialprodukts beitragen, so daß auch andere Leute daran teilhaben und ihrerseits mehr verdienen, als bisher verdient worden ist. Das ist der Grund für meine Haltung, gegen eine Neidsteuer zu sein. Ich bitte, das einmal in den Zusammenhängen zu sehen.
Nun, Herr Kollege Seuffert, noch zu einem Problem, das Sie gestern abend lange behandelt haben, nämlich dem Verhältnis der indirekten Steuern zu den direkten Steuern. Sie haben darüber gestern abend lange meditiert und sind dabei, wie ich festgestellt habe, einigen tatsächlichen Irrtümern erlegen, die ich zum Teil verschuldet habe. In dem Finanzbericht 1961 ist ja die Änderung des Verhältnisses der indirekten zur direkten Steuer dargestellt. Dort sind aber die neuesten Ergebnisse noch nicht berücksichtigt. Die liegen inzwischen vor. Insofern sind Sie da zu entschuldigen. Trotzdem waren Ihre Zahlen von vornherein schon nicht richtig. Im Jahre 1952 — das erste Jahr, in dem sich die Maßnahmen der Bundesregierung auswirken konnten — betrug der Anteil der direkten Steuern 53 % und der der indirekten 47 %. Heute, 1961, hat sich der Anteil der direkten Steuern von damals 53 % auf 58 % erhöht — ich habe abgerundet —, und der Anteil der indirekten Steuern ist von damals 47 % auf 42 % gesunken. Sie sehen also, daß sich das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern zugunsten der direkten Steuern ändert. Das ist, wenn ich Herrn Ollenhauer früher einmal richtig verstanden habe, die Politik Ihrer Partei. Sie wollen lieber mehr direkte Steuern als indirekte Steuern.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314901800
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314901900
Bitte.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0314902000
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß man bei den Verbrauchssteuern die Mineralölsteuern ausmerzen muß? Denn sie haben durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz unbedingt Gebührencharakter bekommen — Verzeihung, das ist jetzt keine Frage mehr —; damit haben sie aufgehört, eine Verbrauchssteuer im alten Sinne zu sein, und damit fällt die Rechnung von Seuffert noch mehr zusammen.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314902100
Herr Kollege Dresbach, ich will hier nicht auf Einzelheiten kommen, sondern die Einzelheiten sollten wir bei dem jeweiligen Titel, bei dem jeweiligen Ansatz diskutieren. Ich weiß, Sie wollten mein Argument unterstreichen. Lassen Sie mich aber, bevor ich auf Einzelheiten eingehe, meine grundsätzlichen Ausführungen wegen des Verhältnisses der direkten Steuern zu den indirekten Steuern zu Ende führen.
Ich hatte gesagt, in der Amtszeit meines Kollegen Schäffer und meiner Amtszeit hat sich dieses Verhältnis bei den direkten Steuern von 53 % auf 58 % und bei den indirekten Steuern von 47 % auf 42 % entwickelt. Ich glaube, das ist genau in dem Sinne dessen, was Sie grundsätzlich anstreben, was Sie grundsätzlich gewollt haben. Ich persönlich habe noch eine etwas variierte Meinung; ich bin der Auffassung, daß das Verhältnis fifty-fifty im großen ganzen hier das richtige ist. Es ist ja erstaunlich, Herr Kollege Seuffert — auch das habe ich erst jetzt während meiner Amtszeit gelernt —, daß arme Länder dazu kommen, den indirekten Anteil zu bevorzugen, und reiche Länder dazu kommen, den direkten Anteil zu bevorzugen. Wir haben ja das Finanzministerkränzchen der sechs EWG-Minister, und darin sind auch die Italiener und die Luxemburger. Italien ist in dem Sinne ein ärmeres Land. Wenn Italien seinen Finanzbedarf überhaupt decken will, dann muß es sehr viel indirekte Steuern erheben, und so hat es die höchsten Sätze der indirekten Steuern und einen geringen Anteil von direkten Steuern.

(Abg. Seuffert: Und deswegen bleibt es arm!)

— Nein, es bleibt ja gar nicht arm. Verzeihung, Herr Kollege Seuffert, sagen Sie doch nicht aus Opposition etwas Falsches. Italien ist im Augenblick dabei, ein reiches Land zu werden. Es hat erhebliche Zahlungsbilanzüberschüsse. Es hat im letzten Jahr sein Sozialprodukt um 9 %, die Industrieproduktion um 17 %, gehoben. Es ist ja dabei, alle Dinge der Vergangenheit nachzuholen. Das hat damit dar nichts zu tun; diese Ihre Theorie ist ganz einfach nicht richtig.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314902200
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen Seuffert?

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0314902300
Herr Minister, darf ich dazu sagen, daß man die Armut oder den Reichtum eines



Seuffert
Landes nicht nach Zahlungsbilanzüberschüssen beurteilen kann.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das ist wiederholt und von vielen Seiten gesagt worden. Ich beurteile ihn nach dem Wohlstand des Volkes selbst, und da scheint mir in Italien noch sehr viel zu wünschen übrig zu sein.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314902400
Herr Kollege Seuffert, Sie haben mich soeben nur zur Hälfte gehört. Es ist schrecklich, wenn man nicht mehr zuhören kann. Ich habe gesagt, daß Italien sein Sozialprodukt im letzten Jahr um 9 % und seine Industrieproduktion um 17 % gesteigert habe. Die Steigerung des realen Sozialprodukts ist aber doch weiß Gott ein Zeichen wachsenden Reichtums; denn das ist, wie ich früher einmal gesagt habe, der Suppentopf, aus dem die Nation ißt. Dieser Suppentopf ist in Italien im letzten Jahr in der Industrieproduktion um 17 % voller geworden.
Ich habe aber neben Italien ein zweites Land genannt: Luxemburg. Luxemburg ist ein sehr reiches Land, und in Luxemburg haben wir einen sehr hohen Anteil direkter Steuern und einen sehr geringen Anteil indirekter Steuern. Ich bin nach wie vor der Meinung, in der Verzahnung zwischen menschlichen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Überlegungen ist der Satz 50 : 50 der richtige. Aber ganz im Sinne Ihrer Wünsche haben wir uns bei den direkten Steuern von 53 auf 58 % und bei den indirekten dementsprechend von 47 auf 42 % entwickelt. Ich glaube also, hier ist der Grundkonzeption, die Sie gestern abend angesprochen haben, durchaus Rechnung getragen.
Das möchte ich nur noch einmal zum Grundsätzlichen gesagt haben. Jetzt möchte ich noch kurz zu ein paar Einzelfragen Stellung nehmen.
Der Kollege Erler hat in seinem Gang quer durch den Gemüsegarten am ersten Tage auch mich, meine Politik und diesen Teil meiner Politik attakkiert. Ich habe ihm — ich saß gerade auf der Abgeordnetenseite — geantwortet. Er hat seine Behauptungen mit erhobener Stimme vorgetragen, und ich habe dabei an einen Satz eines alten Lehrers gedacht: Manchmal muß die Kraft der Behauptung die Schwäche des Beweises ersetzen. So war es in meinen Augen auch hier ein wenig. Er hat gesagt, soundso viele Dinge seien nicht erreicht worden, und er hat zunächst unsere Position hinsichtlich der Steuerreform attackiert. Das haben Sie, Herr Kollege Seuffert, ja gestern abend ein wenig aufgenommen.
Meine Damen und Herren, wenn ich das Wort Steuerreform und Große Steuerreform in so vieler Munde höre, auch in so vieler Unberufenen Munde — womit ich nicht Sie meine, Herr Seuffert, Sie sind ein sehr berufener Mann —, dann denke ich bei mir immer: Weiß er eigentlich, was er meint? Was ist denn die Große Steuerreform? Hat der Fragesteller sich überhaupt hinreichend Gedanken gemacht? Ich meine nicht Sie, Herr Seuffert, ich habe Sie ausgenommen.

(Abg. Seuffert: Darf ich fragen, Herr Minister: Welche Gedanken hat sich der Mann gemacht, der diese Worte seinerzeit in die Regierungserklärung aufgenommen hat?)

— Das ist eine Frage für sich.

(Zuruf von der SPD: Das glaube ich auch!)

Ich will nicht behaupten, daß diese Sünde, die ich hier nenne, eine einseitige Sünde der Opposition sei, sondern das ist ein Problem, das allgemein besteht. Wir sollten gerade im Sinne einer sachlichen Auseinandersetzung uns hier etwas sehr Konkretes denken.
Also die Frage: Was ist Große Steuerreform? Wenn ich mich, wie eben in kurzen Ausführungen dargelegt, vor einem Steuersystem sehe, bei dessen Anwendung wirtschaftspolitische Erfolge oder die Steigerung des Reichtums eines Volkes erzielt wurden, dann kann ich nicht sagen, daß das System an sich schon falsch sei und ich deswegen eine Reform vornehmen müsse. Reform um zu reformieren ist doch etwas Komisches. Das sollten wir alle nicht wollen. Frage also: Was muß denn noch gemacht werden?
Es ist von Ihnen, Herr Seuffert, gestern abend zunächst die Forderung nach einem einfachen Steuerrecht aufgestellt worden. Eine bemerkenswerte, eine begrüßenswerte, eine richtige Forderung. Aber gerade Sie als Experte wissen wie ich, daß bei hohen Steuern ein einfaches Steuerrecht gar nicht mehr möglich ist. Hohe Steuern erfordern große Kataloge von Ausnahmen. Sie selbst beantragen sie immer, alle beantragen sie hier im Hause, und dadurch wird ein Steuerrecht nicht einfacher.
Sie haben dann von der Durchforstungskommission gesprochen, die ich mal angekündigt hatte. Herr Seuffert, ich bin kein Mann, der jeden Tag in die Bütt geht, um das, was er tut, jeden Tag der Öffentlichkeit zu sagen. Diese Kommission leistet unter dem Vorsitz des Richters am Finanzgerichtshof, Harz, laufend Arbeit. Es ist mir versprochen worden, diese Arbeit noch in dieser Legislaturperiode bekanntzugeben. Es ist aber nicht etwa nichts getan worden. Ich habe keine leeren Worte gesagt — das zu tun, ist nicht meine Art —, sondern hier wird eine Arbeit geleistet. Aber ich sage schon jetzt, daß man davon keine Wunder erwarten darf und die Dinge morgen alle einfacher wären. So ist es nicht.
Sie haben dann von der Selbsteinschätzung gesprochen. Herr Kollege Seuffert, diese Dinge sind alle in der Mache. Es ist auch hier nicht so, daß da nichts getan würde. Das Problem hängt aufs engste mit der Mechanisierung der Steuerverwaltung zusammen; denn Selbstveranlagungen müssen ja kontrolliert werden. Wir haben die Vorstellung, daß an zentralen Stellen über eine moderne mechanische Apparatur die Kontrollen ausgeübt werden. Gerade während meines Urlaubs jetzt in Freudenstadt habe ich mit Oberfinanzpräsident Strobel in Stuttgart, wo diese Dinge geprüft werden, ein Gespräch über



Bundesfinanzminister Etzel
diese Probleme gehabt. Also auch das ist in der Mache. Es ist sicherlich keine Steuerreform, aber es ist eine Reform der Technik. Ich weiß auch um die Sorgen der Steuerbeamten, denen jedes neue Steuergesetz sicher neue Schwierigkeiten bereitet. Das muß gesehen werden.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Grundsätzlichen muß ich ein Wort zu einem Thema sagen, das sowohl von Herrn Kollegen Seuffert wie von Herrn Kollegen Kühlmann-Stumm hier aufgeworfen worden ist: Das Problem der Steuererhöhungen. Sie, Herr Seuffert haben gesagt: Solange wir noch im geltenden Recht Reserven haben, solange haben wir keinen Grund zu einer Steuererhöhung. Ich habe 1958, nachdem ich die Senkung vorgenommen hatte, gesagt, ich möchte in dieser Legislaturperiode bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ohne Erhöhung durchkommen. Wir stehen fast am Ende dieser Legislaturperiode. Ich habe mein Wort gehalten, obwohl daran immer wieder gezweifelt worden ist. Die Steuersenkungen des Jahres 1958 sind nicht wieder aufgehoben worden, sondern bestehengeblieben; es sind nur kleine strukturelle Veränderungen z. B. bei der Umsatzsteuer und der degressiven Abschreibung vorgenommen worden. Dafür waren aber andere, nicht fiskalische Gründe maßgebend.
Kein Mensch ist berechtigt, in dieser Stunde davon zu sprechen, daß ich, meine politischen Freunde oder sonst wer die Absicht habe, wegen der Entwicklungshilfe und des vermehrten VerteidigungsBeitrages im nächsten Jahr die Steuern zu erhöhen. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Seuffert, der Meinung, daß wir uns unser schönes Köpfchen darüber zerbrechen müssen, ob das Gesamtaufkommen an Steuern, das wir überall haben — hier tauchen Probleme der Finanzverfassung und der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern auf —, für die neuen Aufgaben ausreicht, vor die wir gestellt sind. Ich habe in meiner Haushaltsrede dafür schon die ersten Grundlagen geliefert. Ich habe über das Auseinanderklaffen der Schere von Einnahmen und Ausgaben gesprochen. Damit habe ich angedeutet, daß es Aufgabe des Jahres 1962 sein muß, an diese Probleme sofort heranzugehen.
Herr Kollege Seuffert, hier eine herzliche Bitte! Ihre Partei hat genau wie meine Einfluß auf Länder. Daß hier die Problematik liegt, wissen wir beide. Die Länder müssen zustimmen, wenn diese Probleme zwischen Bund und Ländern gelöst werden sollen. Die Länder müssen für das, was Sie gestern abend angeschnitten haben — keine Steuererhöhungen , gewonnen werden. Auch in unserem Steuersystem sind noch Reserven. Sie müssen ausgeschöptt werden, ehe man Steuererhöhungen vornimmt.
Herr Kollege Seuffert und Herr Kollege Kühlmann-Stumm, die Behauptung, Sie müßten sich gegen zwangsläufige Steuererhöhungen des Jahres 1962 wehren, ist absolut voreilig und greift den Ereignissen völlig voraus. Ich habe ganz andere Vorstellungen. Aber über die zu sprechen, ist müßig. Für die Lösung dieser Probleme ist legitim das
nächste Parlament zuständig, in dem Sie die entscheidende Verantwortung haben wollen. Sollten Sie sie erreichen — ich glaube das natürlich nicht —, dann ist Ihnen hier ein Exerzierfeld geboten, auf dem Sie eine ganze Menge Taktik und Strategie betreiben dürfen.
Sie haben dann gesagt, wir hätten überhaupt nichts getan. Ist das denn richtig? Herr Kollege Seuffert war loyal genug, gestern abend sofort zu sagen: Natürlich liegt ein gewisser Fortschritt im Steueränderungsgesetz 1958. In diesem Gesetz liegt
eine ganze Menge eingeschlossen. Wir haben dadie Steuern im Durchschnitt um 15 % und bei den Einkommensbeziehern bis zu 1000 DM je Monat sogar um 20 % gesenkt. Wir haben einen großen Teil der kleinen Leute aus der Steuerpflicht entlassen. Wenn davon Millionen wieder sehr schnell hineingewachsen sind, dann kann ich nur sagen: Gott sei Dank, daß sie mehr verdienen. Wir haben einen großen Vereinfachungseffekt dadurch ausgelöst, daß wir in der sogenannten Vorstufe — darin befinden sich 95 % aller Steuerpflichtigen — einen einheitlichen Satz von 20 % vorgesehen haben. Erst dann beginnt eine kurze Progression bis zu 53 %. Das war eine ganz wichtige Angelegenheit.
Liegt keine Steuerreform, liegt nichts Wesentliches in dem Splittingtarif bei der Ehegattenbesteuerung? Sie sagen: Hier lag ein Zwang durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor. Als wir den Splittingtarif schufen, wußten wir das auch. Aber wir haben ihn geschaffen. Die Tarifgestaltung in ihrem jetzigen Aufbau ist eine Sache, die außerordentlich wichtig geworden ist.
Sie haben von der Bevorzugung der Ausgaben für Kinder in der Ausbildung gesprochen. Das ist ein wichtiges Thema. Darüber zu diskutieren und dazu noch zusätzliche Lösungsvorschläge zu machen, scheint mir eine wertvolle Anregung zu sein. Ich bin gegenüber diesem Wunsch außerordentlich offen.
Die Frage, ob die Umsatzsteuer ad acta gelegt worden sei, hat mein Fraktionsfreund Dr. Dollinger bereits gut beantwortet. Er hat gesagt: keineswegs! Wir haben bei der Umsatzsteuer die Dinge vorwärtsgetrieben. Denken Sie doch an die große Umsatzsteuerdenkschrift, denken Sie an die Hartmann-Kommission, denken Sie an den Gesetzentwurf, den ich als Übungsgegenstand der Öffentlichkeit vorgelegt habe. Wenn die Dinge nicht in einer Legislaturperiode gelöst worden sind — einverstanden —, dann doch einfach deswegen, weil in einer Legislaturperiode dieses wichtigste Problem steuerlicher und auch wirtschaftspolitischer Maßnahmen seit 1948 überhaupt nicht überhastet behandelt werden darf und weil durch die Bildung des Gemeinsamen Marktes eine gewisse Koordinierung der Dinge zueinander und miteinander einfach notwendig geworden ist. Also: die Umsatzsteuer ist nicht ad acta gelegt. Sie wissen aus der Presse, wie sehr ich mich in meinem vorigen Urlaub bemüht habe, eine ergangene vorschnelle Entscheidung zu reparieren, und wie sie repariert worden ist. Der Entwurf ist der Öffentlichkeit vorgelegt worden. Das



Bundesfinanzminister Etzel
Problem der Mehrwertsteuer wird weiter behandelt und weiter der Lösung zugetrieben.
Nun zu den Problemen der Steuerreform überhaupt. Ich behaupte also, wir haben sie schrittweise eingeleitet. Wir haben eine ganze Menge gemacht. Ich habe von der Ehegattensteuer gesprochen, ich habe von der Tarifsenkung gesprochen, und ich habe von dem großen Werk der Umsatzsteuerreform gesprochen. Ich bin der Meinung, daß das grundsätzliche Problem der Freibeträge vorläufig schon einmal angeschnitten und in Richtung auf Förderung der Eigentumsstreuung vorwärtsgetrieben worden ist. Alles das ist gemacht. Wir haben die Freibeträge bei der Vermögensteuer für die Ehegatten verdoppelt und für Kinder vervierfacht. Das sind alles Schritte im Zuge einer systematischen Fortführung unserer Reformbemühungen.
Die Probleme Vermögensteuer, Gewerbesteuer und Erbschaftsteuer sind noch nicht gelöst. Sie sind natürlich in der Auseinandersetzung weitergetrieben worden, und wir stehen hier weiter, als wir am Anfang standen.
Eine Krux ist die Finanzverfassung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

(Abg. Dr. Dollinger: Sehr richtig!)

Hier etwas zu tun, ist sicher ein Anliegen; ich stimme Ihnen völlig zu, Herr Seuffert. Hier habe ich wieder die gleiche Bitte wie vorhin. Es handelt sich um Zustimmungsfragen für die Länder. Der Bundesfinanzminister, die Bundesregierung und der Bundestag können hier nicht allein vorwärtsgehen, sondern müssen im Einverständnis mit den Ländern handeln. Und so weit sind wir bis zu diesem Augenblick noch nicht.
Wir haben inzwischen eine geänderte Struktur des Bedarfs. Ich erinnere an die Schere, die ich eben schon erwähnt und von der ich auch in der Haushaltsrede gesprochen habe. Sie muß zur Diskussion gestellt werden. Der Bedarf hat sich inzwischen gegenüber den Deckungsmitteln verändert.
Was die Gemeindefinanzen anbelangt, so habe ich auch davon in der Haushaltsrede gesprochen. Das Problem der Einheitswerte ist nicht gelöst worden. Es tut mir sehr leid, daß dem so ist. Ich hatte den Gesetzentwurf fertig, er ist dann politisch nicht durchgesetzt worden. Die Lösung des Problems der Einheitswerte ist die Voraussetzung für die Lösung der Gemeindefinanzprobleme und des Vermögensteuerproblems. Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Hier muß ein weiterer Schritt getan werden, und es wird einer der ersten Akte des nächsten Bundestages sein müssen, dieses Problem gesetzgeberisch so vorzubereiten, daß wir dann fünf Jahre später —solange dauert so etwas — wirklich die neuen Dinge haben können.
Wir haben in der Vergangenheit den Finanzausgleich der Länder untereinander neu geordnet und damit die finanzschwachen Länder auf die Beine gestellt. Das war eine ganz schwierige Sache, die überhaupt nicht mehr erwähnt wird. Die finanzschwachen Länder sind damit weitergekommen.
Das von uns eingebrachte Verkehrsfinanzgesetz und die von mir in der ersten Haushaltsrede abgegebene Erklärung, daß ich im Gegensatz zu der üblichen Regelung hier eine Zweckbindung anerkennen werde, ist die Grundlage für einen völlig neuen Straßenbau geworden, dafür, daß wir endlich ein Straßensystem bekommen, das dem neuen Verkehr angepaßt ist. Wie sich die Zahlen geändert haben, habe ich in meiner Haushaltsrede angeführt. Ich darf darauf verweisen, sie sind unverändert richtig.
Über die Probleme der Organschaft ist schon gesprochen worden. Die Probleme werden zur Zeit bei der Umsatzsteuer behandelt; bei den übrigen Steuern werden hier ganz andere Aspekte aufgeworfen, worüber wir uns unterhalten müssen.
Ich habe mir noch eine Menge aufgeschrieben, auch in bezug auf das, was Herr Kollege Erler gesagt hat. Ich will Ihre Zeit nicht mehr allzu lange in Anspruch nehmen. Ich will nur darauf hinweisen, daß der Sozialaufwand in all diesen Jahren eine ganz bedeutende Steigerung erfahren hat.
Ich möchte nur noch einmal einen Punkt unterstreichen, den mein Kollege Dollinger schon behandelte, nämlich die ewigen Angriffe der Opposition auf diese verdammte Bundesregierung und den Finanzminister mit ihren Wahlgeschenken. Wir sind angeblich die Partei und die Gruppe der Wahlgeschenke. Der Wahlgeschenke wegen werden die Ausgaben des Bundes immer höher. Meine Damen und Herren, das ist doch, ganz einfach und schlicht gesagt, nicht wahr. Das ist unrichtig. Versuchen Sie doch nicht, immer die Verantwortung auf uns zu lenken.

(Abg. Schoettle: Warum, Herr Minister, machen Sie jetzt einen Popanz, gegen den Sie kämpfen können. Die Angriffe erfolgen doch nicht von der Opposition allein!)

Nein, Herr Schoettle, ich will auch Ihnen helfen. Es hat keinen Zweck, in dieser Debatte über Ausgabenerhöhungen zu schimpfen, wenn solche Ausgabenerhöhungen von der Bundesregierung gebremst werden müssen, während die Ausgaben von der Opposition nach oben getrieben werden. Wie ist es denn in der Tat? Praktisch ist es doch so, daß es bei jedem Wunsch, der an mich herangetragen wird — auch von meinen Freunden — heißt: die SPD und die FDP haben schon einen entsprechenden Antrag im Hintergrund, wir müssen auch etwas tun.

(Zurufe.)

Das ist immer das Fundament für die gestellten Ansprüche. Beide Seiten des Hauses tun und wollen das also: wir müssen auch etwas tun!

(Abg. Ruf: Auch bei der FDP!)

— Auch bei der FDP, ich komme darauf, mit dem schönen Wort des Vorhaltens. Das ist doch nun leider so.
Ich bin — das müssen Sie mir zugeben, meine Kollegen — in den letzten Jahren in einer schwierigen Situation gewesen, weil die steigende Konjunktur — Gott sei Dank steigende Konjunktur! —



Bundesfinanzminister Etzel
natürlich zunehmende Steuereinnahmen brachte. Es gibt ein altes schönes Wort der Haushaltsleute, die sagen: Kasse macht sinnlich, Ich bin mir manchmal vorgekommen wie eine Pensionsmutter, die gegen die Sinnlichkeit ihrer weiblichen Zöglinge wirken muß.

(Heiterkeit.)

Ich habe mich bemüht, gegen diese Sinnlichkeit, die in der vollen Kasse begründet war, zu wirken. Ich glaube, es ist mir mehr als den Oppositionsgruppen gelungen. Ich machte Ihnen daraus keinen Vorwurf, wenn Sie den Mund hielten und mir nicht immer den Vorwurf machten, daß wir diejenigen wären, die die Ausgaben steigern. Das ist ja gar nicht so.
Ich habe schon vor ein paar Tagen in einer Zwischenfrage Herrn Kollegen Dahlgrün vorgehalten: Sie sagen dem Finanzminister, er solle sparen; Sie hatten ja eine Milliarde DM aus der Senkung von Steuern verlangt. Ich mußte Ihnen dann entgegenhalten: Es ist keine Partei in diesem Bundestag — auch Sie nicht, meine Herren von der SPD — so ausgabensinnlich wie die FDP.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314902500
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314902600
Bitte schön.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0314902700
Herr Bundesfinanzminister, Ihre Vorwürfe gegen die Opposition wegen ihrer angeblichen Ausgabensinnlichkeit

(Heiterkeit)

veranlaßt mich zu folgender Frage: Wo ist denn, Herr Bundesfinanzminister, nach Ihren persönlichen Erfahrungen die größte Ausgabensinnlichkeit zu beobachten gewesen — nach Ihren persönlichen Erfahrungen —, bei der Opposition, besonders bei ihrem Verhalten im Haushaltsausschuß, oder im Palais Schaumburg?

(Beifall bei der SPD.)


Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314902800
Herr Kollege Ritzel, das ist eine Abweichung vom Grundproblem.

(Widerspruch bei der SPD.)

Ich gebe dem Haushaltsausschuß, Ihnen, Herr Ritzel, Herrn Kollegen Schoettle und allen Mitgliedern von der SPD im Haushaltsausschuß absolut das Zeugnis, daß dort keine Ausgabensinnlichkeit bestanden hat. Das ist sicher.

(Aha! bei der SPD.)

Aber es geht Ihnen wie allen entsprechend gestellten Herren in allen Parteien: Die Ausgabensinnlichkeit besteht bei den Ressortvertretern, die ihre Spezialgebiete bearbeiten — berechtigterweise und legitimerweise —; wogegen wir Widerstand leisten müssen, weil wir den Zusammenhang sehen. Aber was nützt es mich, wenn diese Haltung im Haushaltsund Finanzausschuß keinen Niederschlag findet in den Anträgen, die jetzt — in dieser Stunde z. B. —
gestellt werden? Es ist doch furchtbar, wenn Sie hier sitzen und alle paar Minuten ein Saaldiener kommt und Ihnen einen neuen Antrag auf den Tisch wirft!

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dann kommt die peinliche Situation zustande, daß Herr Kühlmann -Stumm nicht einmal weiß, was seine eigenen Parteifreunde gemacht haben. Die FDP ist sicherlich eine Partei der Liberalen, der Individualitäten; aber Sie sollten sich doch soweit aufeinander abstimmen, daß eine einheitliche Politik gemacht wird. Aber da Sie schließlich zu Ihrer Entschuldigung gesagt haben — Sie sind alter Soldat, wie ich aus dem Handbuch ersehen habe —, man müsse ein wenig vorhalten — ich verstehe diesen Ausdruck —, glaube ich doch, daß Sie Ihren Männern, die soweit vorgehalten haben, wie das hier geschehen ist, ganz gewaltig auf die Finger geklopft hätten. Tun Sie das bitte auch hier. Es ist doch komisch, zu sagen: „Wir verlangen 1 Milliarde Steuern weniger", und dann laufend in den Ausschüssen — was jetzt noch hinzugekommen ist, will ich gar nicht nennen — noch einmal zwei bis drei Milliarden zusätzliche Ausgabenwünsche zu produzieren. Das, Herr Kollege Kühlmann-Stumm, geht einfach nicht. Ich wünsche mir eine einheitliche Haltung. Wenn Ihre Partei gesagt hätte: „Ihr gebt immer mehr Geld aus, ihr hättet statt dessen sparen sollen!", und Sie nicht selber ständig Ausgabenwünsche vorgebracht hätten, wäre meine Position im Widerstand entscheidend gestärkt worden. Dann hätte ich nicht befürchten müssen, daß die eine oder andere Gruppe bei uns ausbricht und mit der Opposition stimmt, und einen Kompromiß suchen müssen. Dann hätte ich das felsenfeste Fundament gehabt, das ich gebraucht hätte. Da liegt ein großes Versäumnis der Opposition, wie Sie verstehen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314902900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten KühimannStumm?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314903000
Bitte schön!

Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm (FDP):
Rede ID: ID0314903100
Zu dem Antrag bezüglich der Milch, der uns vorgehalten worden ist! Es ist nur genau dasselbe beantragt worden, was die Regierung für 1960 bereits nachträglich genehmigt hat.

(Zurufe: Frage!)

— Ich bin hier apostrophiert worden, und ich muß ja antworten.

(Widerspruch.)


Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314903200
Meine Damen und Herren, ich ringe doch um die Ehrlichkeit der Diskussion, und die Diskussion bleibt nicht mehr ehrlich, — —

(Zurufe von der SPD.)

— Sofort, er hat ja nicht gefragt. Ich ringe um die Ehrlichkeit der Diskussion.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314903300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stoltenberg?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314903400
Ich will Ihre Frage beantworten, aber erst meinen Gedanken zu Ende führen.
Es ist doch wichtig und richtig: Ausgabenerhöhungen können uns, die wir die Verantwortung für das Gesamte tragen, sehr unangenehm werden. Wenn die Ausgaben trotzdem erfolgen, kann Kritik geübt werden. Aber Kritik darf nur üben, wer selber Disziplin hält. Ich bescheinige herzlich gern, daß das einzelne Abgeordnete in allen Fraktionen getan haben, auch Sie Herr Ritzel. Aber es kommt doch letzten Endes darauf an, was die Fraktionen tun, und die tun etwas anderes. Das ist doch wichtig.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314903500
Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stoltenberg?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314903600
Bitte schön!

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0314903700
Zu dem Einwand des Herrn Kollegen Ritzel! Trifft es zu, daß nach einer Berechnung der Bundesregierung die Annahme sämtlicher Anträge der Sozialdemokratie seit 1957 zu Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen in der Größenordnung von 7 Milliarden DM jährlich geführt hätte?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314903800
Ich habe die Anträge zusammengestellt. Das ist doch ganz furchtbar, und deshalb lassen wir doch diesen Teil. Das stimmt doch einfach nicht. Die größte Disziplin bei den sogenannten Wahlgeschenken hat die Bundesregierung, gestützt durch die Regierungsparteien, geübt und üben müssen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314903900
Gestatten Sie ein Frage des Abgeordneten Kreitmeyer?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314904000
Bitte schön!

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0314904100
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Ihnen entgangen ist, daß alle so „sinnlich" steigernden Anträge der Freien Demokraten sich ausschließlich auf Kriegsfolgelasten bezogen, die mit zunehmendem Lauf der Jahre abnehmen? Ist Ihnen dabei entgangen, daß wir Ihnen gleichzeitig anboten, sämtliche Ausgabenreste bis auf 5 % zu streichen, um die Ressorts zu zwingen, ihre Situation neu zu überdenken? Ist Ihnen ebenfalls entgangen, daß wir eine Entscheidung durch Gesetz, welche die Dynamisierung unserer Ausgaben automatisch mit sich bringt — wir hatten als einzige den Mut dazu —, ablehnten und vorschlugen, als Ersatz die Betreffenden durch einmalige Gesetze dieses Hauses entsprechend der Lage zu unterstützen? Ist das nicht eine Rechtfertigung unserer solidesten Unterstützung, die wir Ihnen als Opposition gegeben haben?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314904200
Herr Kollege Kreitmeyer! Ich muß leider bestreiten, daß Ihre Behauptungen richtig sind. Ich habe hier eine Aufstellung, die heißt „Übersicht über die zur Zeit noch in zuständigen Fachausschüssen des Deutschen Bundestages vorliegenden Anträge und Initiativentwürfe der FDP mit finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt". Diese habe ich mir in meinem Hause machen lassen. Sie haben gesagt: Es sind alle Anträge wegen Kriegsfolgelasten gestellt worden. Ich will Ihnen nur die drei ersten Positionen der Aufstellung vorlesen.
Im Antrag auf Drucksache 1283 (neu) heißt es:
Die Umsätze aus der Tätigkeit als Handelsvertreter oder Makler;
die Umsätze aus frei-beruflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes.
Ist das eine Kriegsfolgenlast?
Die Auswirkung des Antrages auf Drucksache 1520 — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes — würde 11,5 Millionen DM betragen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Auf Grund des Antrages auf Drucksache 799 — Finanzierung des Kindergeldgesetzes — ergibt sich eine Summe von 740 Millionen DM. Ist das eine Kriegsfolgenlast??

(Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)

Bleiben wir doch in der Diskussion ehrlich. Darum geht es mir und um nicht mehr. Sünder sind wir alle. Werfen Sie uns nicht vor, wir seien allein Sünder.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0314904300
Herr Bundesminister! Ist Ihnen entgangen, daß ich Ihnen nicht vorgeworfen habe, daß Sie allein Sünder sind, sondern daß ich Ihnen nur entgegnet habe, daß wir die entscheidende Dynamisierung der Ausgaben, unter der auch Sie leiden, abgelehnt haben? Wollen Sie bitte dazu Stellung nehmen!

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314904400
Verzeihung! Sie haben eben behauptet, Ihre zusätzlichen Anträge seien im wesentlichen Anträge auf Grund von Folgen des Krieges.

(Abg. Kreitmeyer: Ausgaben, Herr Finanzminister, nicht Mindereinnahmen! — Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch dasselbe!)

Für die Rationalisierung der Betriebe wollen Sie 300 Millionen DM an Subventionen zusätzlich haben. Herr Kollege Kreitmeyer, ich glaube, solche Diskussionen sollten Sie nicht führen, ehe Sie nicht sorgfältig die Situation geprüft haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sage nichts, was ich nicht geprüft habe. (Abg. Ruf: Die FDP hat immer überboten!)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314904500
Der Herr Abgeordnete Ritzel möchte eine Frage an Sie stellen!

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314904600
Bitte sehr!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0314904700
Darf ich fragen, Herr Minister, ob
Sie in bezug auf die von der sozialdemokratischen
Opposition gestellten Anträge bereit sind, anzuerkennen, daß es sich um die Folgen eines Ringens
in den Ausschüssen handelt, bei dem die Sozialdemokraten darauf bedacht waren, dem Etat im
ganzen an verschiedenen Punkten ein anderes Gesicht zu geben, um dadurch eine Verteilung des Gewichts herbeizuführen, und daß es nach der Ablehnung der Anträge in den Ausschüssen eine logische Konsequenz ist, daß die Sozialdemokraten versuchen, das, was sie im Ausschuß nicht erreichen konnten, hier mit den Mitteln der Überzeugung im Plenum zu erreichen, ohne daß damit eine uferlose Methode gegenüber der Finanzpolitik verbunden ist?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314904800
Herr Kollege Ritzel! Ich weiß nicht genau, was Sie meinen. Wenn Sie meinen, daß im Wehrhaushalt noch große Reserven steckten und deswegen Reserven gegeben seien für andere Ausgaben, dann muß ich das zurückweisen. Wenn Sie sonstige Dinge meinen, dann sind Sie sicherlich weder hier im Plenum — ich auch nicht; aber ich habe mich genau informiert, was geschehen ist — noch in allen Ausschüssen gewesen. Was Sie fragen, lasse ich gelten. Im Haushaltsausschuß ist das Bemühen so gewesen, wie es in Ihrer Frage zum Ausdruck kam. Ich behaupte ja nur, dieses Bemühen ist innerhalb der Gesamtheit der SPD nicht gelungen. Dabei konzediere ich Ihnen, daß die SPD wahrscheinlich dank Ihres Bemühens vielmehr Ausgleichsanträge gestellt hat als die FDP. Das will ich Ihnen gern bescheinigen.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich will niemanden angreifen. Aber ich will mich dagegen wehren, daß hier falsche Behauptungen aufgestellt werden und daß wir zu Unrecht angegriffen werden. Dagegen wehre ich mich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314904900
Der Herr Abgeordnete Ritzel möchte eine weitere Frage stellen.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314905000
Bitte!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0314905100
Eine letzte Frage zur Aufklärung dessen, was Sie soeben gesagt haben, Herr Bundesfinanzminister! Ein praktisches Beispiel!

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)

Gestern abend hat es die Mehrheit dieses Hauses abgelehnt, einen Ansatz auf dem Gebiete der Förderung der Volksgesundheitspflege zu erhöhen. Vorher waren Bemühungen im Haushaltsausschuß in dieser Beziehung gescheitert, entsprechende Anträge waren dort abgelehnt worden. Ist es da nun die Vertretung eines legalen Anliegens oder nicht,
daß wir versuchen, hier 85 000 DM mehr für die Förderung der Volksgesundheit zu bekommen, und kann man da in Bausch und Bogen derartige Verurteilungen aussprechen?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314905200
Herr Kollege Ritzel, Ihr ganzes Bemühen ist legal. Sie können hier jeden Ausgabenwunsch legal vortragen. Sie dürfen nur nicht uns, wenn wir weniger Ausgaben bewilligt haben, als Sie insgesamt gewünscht haben, einen Vorwurf machen, wir gäben zu viel aus. Darum geht es. Ich glaube aber, wir sollten diesen Teil der Debatte nunmehr abbrechen.
Ich will noch einen Teil Ihrer Ausführungen beantworten und Ihnen dabei das Bemühen bescheinigen, das bei Ihnen vorhanden gewesen ist. Ich habe mir noch viel aufgeschrieben. Ich rede aber schon zu lange und will abkürzen. Ich bitte Sie nur, die Dinge auf einen sachlichen Gehalt zurückzuführen.
Herr Kollege Jürgensen, das, was Sie hier heute morgen vorgetragen haben, hat mich menschlich enttäuscht und peinlich berührt. Es ist richtig, daß die Situation der Zollbeamten — der Stellenkegel, ihre Einstufung, die Stellenbewertung — ein Problem ist, das sehr ernst diskutiert werden muß. Sie haben auch richtig gesagt, daß der Bundesfinanzminister im Jahre 1958 in seinen Reden erklärt habe, hier bestünden Probleme und hier müßten Verbesserungen vorgenommen werden. Gut! Der Bundesfinanzminister hat also sehr bald zu Beginn seiner Tätigkeit — auch ein neuer Minister muß sich erst einarbeiten — dieses Problem gesehen. Ich bin im Jahre 1958 zum erstenmal Finanzminister gewesen. Daß ich da die Probleme nicht sogleich lösen konnte, ist klar. Aber von der ersten Stunde an habe ich gesagt: Der Stellenkegel für die Zöllner muß besser werden. Das ist meine Politik, und es ist mir peinlich, Herr Kollege Jürgensen, wenn gerade Sie, der Sie sich sonst durch Sachlichkeit auszeichnen, hier sagen, erst in Mainz sei ich hier auf Vordermann gebracht worden, erst in Mainz hätten die Zöllner mir dieses Problem dargetan. Herr Kollege Jürgensen, in Mainz ging es nicht um den Stellenkegel. Im Gegenteil, in Mainz ist anerkannt worden, daß der Bundesfinanzminister hier eine richtige Haltung einnehme. In Mainz ging es um die Höhe der damaligen Gehaltserhöhung. Darum ging es ganz allein, und das hat mit dem, was Sie hier heute morgen gesagt haben, überhaupt nichts zu tun. Sie hätten deshalb Mainz besser weggelassen.
Als ich im Jahre 1958 erschien, mußte ich zur Behandlung der Problematik, die hier jetzt diskutiert wird, erst einmal die Festung reif schießen. Denn ich glaube nicht, daß der Haushaltsausschuß im ganzen, wie er damals war, am ersten Tage bereit gewesen wäre, mir die heute beantragten Bewilligungen zu gewähren. Das glaube ich nicht. Sie wissen, daß später die Haushalte der Jahre 1959 und 1960 — gerade Sie wissen es — Überrollungshaushalte waren, daß sie also für diese Dinge gar keine entscheidenden Möglichkeiten eröffneten.
Der Bund der Zollbeamten hat die ganzen Jahre bis heute unverändert gesagt: Da liegt der Bundes-



Bundesfinanzminister Etzel
finanzminister mit seinem Verlangen völlig richtig. — Ich bin es gewesen, der diese Dinge von der ersten Stunde an vorwärtsgetrieben hat.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Als ich dem Bund der Zollbeamten in einer Unterredung eines Tages sagte, ich beabsichtige eine sogenannte Hebung von 10% aller Stellen, da waren die Herren beglückt und schüttelten mir dankbar die Hände. Daß später — Kasse macht sinnlich, der Appetit kommt beim Essen — dann die gleichen Herren, ohne überhaupt mit mir über zusätzliche Wünsche zu sprechen,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

an Sie, an die Abgeordneten herangetreten sind, das habe ich, wie Sie gesagt haben, mit Recht kritisiert. Das geht natürlich unter keinen Umständen. Herr Kollege Jürgensen, Sie kommen aus Hamburg. Da gibt es viele Zöllner. Aber ich muß doch in Anspruch nehmen, daß der Antrag auf 10%ige Stellenhebung ein Antrag gewesen ist, der von mir gekommen ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Von der Bundesregierung!)

Ich habe diesen Vorschlag zuerst gemacht und nicht Sie.
Dann haben Sie allerdings — und daß Sie das getan haben, war peinlich — im Haushaltsausschuß den Gedanken von weiteren 1800 Stellenhebungen zur Diskussion gestellt, ohne daß die Beamten vorher mit mir gesprochen hätten. Sie haben selbst von vornherein gesagt, Sie wollten diesen Gedanken noch nicht zum Antrag erheben. Das Ergebnis der Diskussion war auch bei Ihren Freunden, Herr Jürgensen — das will ich jetzt Ihnen, Herr Ritzel, bescheinigen —, daß sie gesagt haben: So geht das nicht; es muß erst einmal eine Untersuchung über die Stellenbewertung stattfinden. Die ist uns aufgegeben worden. Herr Schoettle, Sie sitzen da und bestätigen mir das. Erst dann wollen wir, wie auch Ihre Freunde erklärten, über weitere Wünsche sprechen. Das ist es, was ich als peinlich empfunden habe, weil herausklang, als ob Sie der große Geschenkgeber für die Zollbeamten mit den 1800 Stellenhebungen gewesen wären und als ob dieser verdammte Bundesfinanzminister mal wieder nein gesagt hätte. So war es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314905300
Herr Abgeordneter Jürgensen möchte eine Zwischenfrage stellen, Herr Minister.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314905400
Ja, bitte!

Nikolaus Jürgensen (SPD):
Rede ID: ID0314905500
Herr Bundesfinanzminister, ist es Ihnen entgangen, daß ich auch soeben in meinen Ausführungen nicht von einem Antrag im Haushaltsausschuß, sondern nur von einem Vorschlag meinerseits gesprochen habe?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314905600
Ein einziger Satz noch zu diesem Thema. Sie haben gesagt, nur jeder zweite Zöllner könne befördert werden. Das ist nicht richtig.

(Abg. Jürgensen: Im Grenzaufsichtsdienst!)

— Die kommen doch nachher in den allgemeinen Dienst. Der Grenzaufsichtsdienst ist der Eingangsdienst. Wenn sie ihn hinter sich haben, kommen sie in den allgemeinen Dienst. Dann gibt es natürlich weitere Beförderungen. Das bitte ich zu sehen, damit keine falschen Eindrücke entstehen. Das kommt sonst in die Protokolle, in die Zollzeitung, und dann ist alles anders, als es in Wirklichkeit gewesen ist. Ich mußte das richtigstellen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung, daß ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe. Ich glaube aber, daß ich das Wichtigste zu der Diskussion gesagt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0314905700
Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0314905800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesfinanzminister auf frühere grundsätzliche Ausführungen Bezug genommen und für die dritte Lesung dieses Haushalts noch grundsätzliche Darlegungen angekündigt hat, ist es nicht meine Absicht, solche grundsätzlichen Auseinandersetzungen jetzt noch meinerseits zu beginnen. Ich möchte aber für den angekündigten Fortgang dieser Diskussion zwei Dinge zur Berücksichtigung und zur eventuellen Klärung hervorheben. Diese zwei Dinge stehen zwischen uns und unterscheiden uns. Das ist eine grundsätzliche Frage der Betrachtungsweise, und das zweite betrifft die aktuelle Frage der derzeitigen Finanzsituation.
Vorweg muß ich allerdings feststellen, daß der Herr Bundesfinanzminister auf meinen Hinweis betreffend die steuerliche Behandlung der Fördergesellschaften mit keinem Wort eingegangen ist. Dabei liegt, wie ich gestern mit allem Ernst gesagt habe, ein eklatanter Fall der bewußten Umgehung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor.
Auf der anderen Seite danke ich dem Herrn Bundesfinanzminister für seine freundliche Haltung bezüglich der steuerlichen Behandlung von Ausbildungskosten. Ich hoffe, daß wir diese Angelegenheit vielleicht noch beschleunigt vorwärtsbringen können.
Nun die zwei Punkte, die klargestellt werden sollten. Was den Unterschied der Betrachtungsweise, insbesondere den Unterschied der wirtschaftlichen Auswirkungen von Steuergesetzen und das, was dabei wünschenswert wäre, betrifft, so ist die Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers z. B. dadurch gekennzeichnet, daß er den Spitzensatz der Einkommensteuer in den Vereinigten Staaten in einen un-



Seuffert
mittelbaren Zusammenhang mit der Tatsache gebracht hat, daß das Sozialprodukt in den Vereinigten Staaten in diesem Jahr nur um 3 % gewachsen sei. Er hält das also offenbar für ungefähr den entscheidendsten Faktor, der für die Zunahme des Sozialprodukts wesentlich ist. Diese Anschauung halten wir für falsch; das möchte ich hervorgehoben haben.
Es ist bekannt, daß das Sozialprodukt der Vereinigten Staaten sowohl in seinem Gesamtvolumen wie in seinem Pro-Kopf-Betrag ein Niveau erreicht hat, bei dem man sich überhaupt die Frage stellen kann, ob darauf eine solche Zuwachsrate, wie sie in anderen Ländern tatsächlich vorkommt, noch möglich ist. Sicherlich kann aber die Frage des Zuwachses des Sozialprodukts nicht nur im Zusammenhang mit dem Spitzensatz der Einkommensteuer gesehen werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat die Entwicklung des Sozialprodukts im Jahre 1960 bei uns ein Wunder des Jahres 1960 genannt. Es ist richtig, das Sozialprodukt ist nach den vorläufigen Berechnungen real um 8 % gestiegen, nominal um 11 %. Es ist ebenso richtig, Herr Bundesfinanzminister, daß der sogenannte Preisindex des Sozialprodukts — ich habe die dankenswerten Analysen der Bundesbank genau gelesen —, d. h. der Abstand zwischen dem realen und dem nominalen Zuwachs — und das scheint mir eine entscheidende Ziffer für den Geldwert zu sein —, im Jahre 1960 um 3,1 % gestiegen ist. Das zwingt mich zu einer etwas weniger optimistischen Betrachtung.
Es ist weiter richtig, daß die Entwicklung des Masseneinkommens hinter der Zuwachsrate des Sozialprodukts fühlbar zurückgeblieben ist, und es ist ferner richtig, daß seit 1955 und 1956, den Jahren, in denen sich die unheilvolle sogenannte Kapitalmarktförderung besonders schlimm ausgewirkt hat, die Sparrate des Privateinkommens in diesem Jahr erstmals wieder zurückgegangen ist. Das ist für mich immer ein Alarmzeichen in der Gesamtsituation. Dieser Rückgang ist erfolgt trotz der wegen des allgemein hohen Zinsniveaus außerordentlich hohen Sparzinsen des Jahres 1960, Zinsen, die dieser Sparrate natürlich zugute gekommen sind.
In bezug auf den Zusammenhang zwischen dem Spitzensatz der Einkommensteuer und der Entwicklung des Sozialprodukts besteht ein grundsätzlicher Unterschied in unserer Betrachtungsweise.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben dann vom breaking point, d. h. von der optimalen Höhe des Spitzensatzes gesprochen. Ich will Ihnen ohne weiteres zugeben, daß man sich eine solche optimale Höhe in der Gegend von 50 % ausrechnen kann, obwohl Sie durchaus sehen, daß andere Staaten und andere Volkswirtschaften auch weitaus höhere Sätze für durchaus tragbar halten.
Aber ich habe in diesem Hause schon wiederholt die Frage so gestellt — und darauf möchte ich zurückkommen —: Wenn ich etwa einen Spitzenbelastungssatz von 50 oder 52 % für richtig halte und erreichen will, wie hoch darf dann höchstens die Belastung des Durchschnittseinkommens sein?
Wenn der Satz für das Durchschnittseinkommen bereits 20 % beträgt, dann kann der Spitzensatz nicht so niedrig sein wie 52 oder 53 %.
In den Vereinigten Staaten hat man dagegen eine Belastung des Durchschnittseinkommens erheblich unter 20 % und einen Spitzensatz, der weit über 52, 53 % hinausgeht, für richtig gehalten. Dieses Verhältnis bitte ich festzuhalten.
Ich will jetzt nicht auf die Entwicklung des Verhältnisses zwischen direkten und indirekten Steuern eingehen. Wie Sie den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers entnommen haben werden, ist dieses Verhältnis tatsächlich in einem stetigen Fluß begriffen. Es ist richtig, daß im Augenblick — das kann sich vielleicht auf einen ganz kurzen Zeitraum beziehen — der Trend auf die Erhöhung des Anteils der direkten Steuern hinausläuft. Das liegt z. B. daran, daß wir jetzt praktisch eine gewisse Nachversteuerung haben, weil sich jetzt die Sonderabschreibungen bei den abgeschriebenen Anlagen und bei der vollständigen Ausnützung sehr vieler Kapazitäten, die ja zum Teil auf Touren von 120 % laufen, in der Steuer bemerkbar machen, nämlich nachversteuert werden müssen. Ich will also darauf nicht weiter eingehen.
Ich habe übrigens beim Nachlesen des Protokolls den Grund für eine gewisse Kontroverse entdeckt, die wir, glaube ich, Herr Kollege Niederalt, gestern abend über die Erhöhungsziffer des Haushalts hatten. Das möchte ich hier klarstellen. Die Kontroverse war darauf zurückzuführen, daß Sie die 1500 Millionen Entwicklungsanleihen nicht mitgerechnet haben wollen, daß ich sie aber mitgerechnet hatte. Deswegen differierten unsere Ziffern.
Ich möchte aber auf die aktuelle Frage nun noch mit einigen Worten der Klarstellung zurückkommen. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, daß der Herr Bundesfinanzminister in der dritten Lesung, wie angekündigt, auch zu dieser Frage noch Stellung nehmen sollte, oder ob ich feststellen kann, daß er diese Frage praktisch bereits beantwortet hat, nämlich die Frage, welche Konsequenzen aus der vorauszusehenden Entwicklung unserer Finanzlage in bezug auf Steuererhöhungen oder in bezug auf andere Maßnahmen gezogen werden können oder müssen. Ich habe niemals erwartet, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie im Jahre 1961 Steuererhöhungen vorschlagen werden.
Auf der anderen Seite sind wir uns doch — und das geht auch aus Ihren Erklärungen klar hervor — darüber einig, daß die derzeitige elastische Ausgleichung des Bundeshaushalts aus Konjunktureinnahmen nicht als Dauerzustand vorausgesetzt werden kann und daß auf jeden Fall weitere Verpflichtungen auf uns zukommen, die selbst bei Fortdauer der Konjunktur nicht einfach auf diese Weise befriedigt werden können. Wir sind uns, wenn ich das feststellen darf, also darin einig, daß im Jahre 1962 ein solches Finanzproblem entstehen kann oder voraussichtlich entstehen wird. Ich glaube Ihre Bemerkung hierzu weiter dahin gehend verstanden zu haben, daß Sie darüber nicht jetzt, sondern lieber erst 1962 reden wollen. Das ist vollkommen ver-



Seuffert
ständlich. Aber ich glaube, so einfach kann man es doch nicht machen. Etwas Klarheit muß man darüber schaffen. Ich habe gestern gesagt, die Frage, die zu entscheiden sein werde, sei die grundsätzliche Frage der Steuerpolitik, die auch in diesem Wahljahr 1961 zur Entscheidung steht, nämlich die: Werden in dem von beiden Seiten als möglich oder sogar wahrscheinlich vorausgesetzten Fall eines solchen Finanzbedarfs die Reserven ausgeschöpft, die im Jahre 1958 durch die Steuergeschenke entstanden sind, oder hält man an der Verteilung, die 1958 erfolgt ist, fest und greift dafür zu anderen Steuererhöhungen für das gesamte, das Massen- und Durchschnittseinkommen? Das ist die Frage, die zu entscheiden ist.
Sie haben, wenn ich richtig verstanden habe, den Versuch gemacht, diesem Problem dadurch auszuweichen, daß Sie gesagt haben: Dann kann ich den Bedarf, der hier auftritt, weder durch Ausschöpfung der Reserven noch durch andere Steuererhöhungen decken, sondern dann muß ich mir das eben bei den Ländern beschaffen. Das war wohl Ihre Antwort, und Sie haben uns gleich zur Mitarbeit dabei eingeladen.
Ich glaube nicht, daß diese Antwort ausreicht, Herr Bundesfinanzminister. Es ist richtig, daß auch die Länder im Augenblick viel Geld in der Kasse haben. Auf der anderen Seite ist aber auch richtig, daß sie selbst und vor allen Dingen ihre Gemeinden sehr viele Aufgaben zu bewältigen haben. Es ist wohl auch festzustellen, daß die Länder tatsächlich in einem gewissen Umfang bereit sind, an der Erfüllung der Aufgaben, die sich dem Bund stellen — Entwicklungshilfe usw. —, mitzuwirken. Aber ich glaube nicht, daß Ihre ausweichende Andeutung dieser Möglichkeit davon entheben kann, eine klare Antwort auf die Frage, die sich tatsächlich stellt, zu geben.
Sie selbst, Herr Bundesfinanzminister, haben bereits angedeutet, daß dieses Ausweichen auf die Länder das Problem gar nicht lösen könnte, daß trotzdem noch ein Bedarf bestehen würde, dessen Art der Befriedigung Sie vorsichtig, aber, wie mir scheint, doch deutlich in der Richtung der Alternative auf allgemeine Steuererhöhungen beantwortet haben.

(Abg. Ruf: Stimmt ja gar nicht! Das hat er nicht getan!)

— Ich drücke mich vorsichtig aus. Aber ich habe den
Eindruck, daß gewisse Passagen in der Rede des
Herrn Bundesfinanzministers so zu verstehen waren.
Ich möchte es jetzt bei diesen Feststellungen bewenden lassen. So scheint mir jedenfalls die Frage, wenn sie beantwortet ist, jetzt von Ihnen beantwortet zu sein. Wenn sie anders beantwortet werden sollte, wenn eine klarere Antwort gegeben werden sollte, so möchte ich sehr bitten, das in der dritten Lesung des Haushalts noch zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314905900
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314906000
Das Haus hat Anspruch darauf, daß die Diskussion über diesen Einzelplan jetzt zum Ende kommt. Deswegen werde ich keine großen Ausführungen mehr machen. Ich möchte zu zwei Fragen mit wenigen Worten Stellung nehmen.
Die erste Frage betrifft die Fördergesellschaften. Da habe ich Sie weder gestern abend noch heute morgen verstanden. Ich weiß nichts davon, daß die steuerliche Behandlung in irgendeinem Gegensatz zu dem Verfassungsgerichtsurteil stünde. Mir ist darüber nie eine Mitteilung gemacht worden. Wenn Sie irgendeinen Verdacht haben, so sagen Sie mir das bitte. Ich bin gern bereit, das zu prüfen. Jedenfalls — ich habe auch meine Herren gefragt — wissen wir nichts davon. — Soweit Frage Nr. 1.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314906100
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Seuffert?

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314906200
Bitte!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0314906300
Darf ich nur mit einem Wort klarstellen, daß das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt hat: Eine steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden verstößt gegen die Verfassung. Hier werden Gesellschaften gegründet, die zwar als steuerbegünstigte Berufsverbände auftreten oder sich als solche tarnen, aber ganz offensichtlich nur zu dem Zweck bestehen, Wahlspenden, Parteispenden steuerlich abzugsfähig durchlaufen zu lassen, was eben das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet hat.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314906400
Ich kann nur wieder sagen: ich weiß nichts davon. Tarnungen sind ohnehin steuergesetzwidrige Tatbestände. Wenn Sie etwas wissen oder vermuten, sagen Sie es mir bitte konkret. Ich bin bereit, es dann zu prüfen. Wir sind entschlossen, das Verfassungsgericht zu respektieren.
Der zweite Teil Ihrer Ausführungen schien mir darauf hinauszulaufen, als ob ich in einer verklausulierten Form der Frage über Steuererhöhungen im Jahre 1962 ausgewichen sei. Ich möchte eindeutig sagen, daß ich glaube, in meiner Antwort nirgendwo ausgewichen zu sein. Sie haben zunächst gesagt, in der Zukunft entstünden laufend finanzielle Probleme. Ganz sicher ist das der Fall. Ich nenne ,die Entwicklungshilfe, ich nenne den Verteidigungsbeitrag. Das sind finanzielle Probleme. Die andere Seite ist die Deckung dieser Aufwendungen. In den Deckungsmöglichkeiten gibt es natürlich nicht nur das Länderproblem; da gebe ich Ihnen recht. Es gibt aber auch dieses Problem, und das habe ich angedeutet. Mit den Ländern ist bisher darüber nicht gesprochen worden. Warum nicht? Weil das Bündel der Probleme zur Stunde so ungeklärt ist, daß kein Mensch voraussehen kann,



Bundesfinanzminister Etzel
welche Anforderungen an uns herantreten werden, und wir diese Anforderungen natürlich auch im Rahmen halten müssen. Es wird auch in Zukunft weitere Steigerungen der Einnahmen geben, wenn auch vielleicht in anderem Ausmaß als bisher. Auch sie müßten natürlich herangezogen werden. Und wenn irgendwelche anderen Dinge in Frage kämen, müßte darüber gesprochen werden. Bisher sehe ich sie nicht und kündige daher für das Jahr 1962 keine Steuererhöhungen an. Das möchte ich ganz eindeutig sagen.

(Abg. Seuffert: Das hat auch niemand erwartet!)

— Nein, nicht nur aus Wahlgründen; ich würde das auch tun, wenn keine Wahl wäre. — Der Finanzminister hat immer gesagt: wenn Sie ihm Ausgaben schaffen, muß er sie decken durch Einsparungen, durch andere Lastenverteilung oder durch Steuern. Das ist ein Problem, vor dem der Finanzminister Jahr für Jahr immer wieder in der gleichen Weise steht. Jedenfalls möchte ich nicht im Raum stehenlassen — deswegen bin ich noch einmal heraufgegangen —, als ob nur wegen der Wahl Steuererhöhungen, die notwendig wären, nicht angekündigt worden seien.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314906500
Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0314906600
Herr Präsident! Meine Damen I und Herren! Ich möchte mich dem Beispiel des Herrn Bundesfinanzministers anschließen und die Debatte nicht verlängern. Im Interesse der Öffentlichkeit möchte ich aber doch eins hier ganz deutlich herausstellen: Herr Bundesfinanzminister, es ging in meiner Frage — wenn Sie das Wort „Kriegsfolgelasten" zu eng gesehen haben, nur im Rahmen des Art. 120 des Grundgesetzes — darum, daß es sich hier auch um Ausgaben handelt wie um die Kriegsopferversorgung und ähnliche Dinge, für die wir deshalb die Verantwortung übernehmen, weil sie auslaufende Posten sind und weil sie ,den Haushalt in Zukunft entlasten.
Ein zweites: Ich habe darauf hingewiesen, daß
wir Ihnen entsprechende Kompensationen angeboten haben, von denen Sie leider keinen Gebrauch
gemacht haben und auch bis heute nicht Gebrauch
machen wollen. Unter diesen Umständen müssen
wir uns aber, glaube ich, dagegen wehren und verwahren, daß wir in Anlehnung an das von Ihnen
geprägte Wort „Kasse macht sinnlich" Sie zu sinnlosen Ausgaben veranlassen wollten. Sie sind sehr
überlegt, sehr berechnet und dienen dem Ganzen
unseres Volkes. Was Einzelheiten anbelangt, wer-
den wir sie überprüfen und Ihnen noch die Antwort
geben. Aber es könnte nur in Ihrem Interesse sein,
Herr Bundesfinanzminister, Mindereinnahmen zu
veranlassen, um das Urübel zu beheben. Wie recht
wir haben, beweist die Antwort auf die Drucksache
2439. Ich glaube, wir haben leider auch bei anderen
Leuten den Eindruck „Kasse macht sinnlich" erweckt
weil wir ohne Not mehr als 4 Milliarden DM Vorschösse für Güter geleistet haben, die teilweise anderthalb und zwei Jahre noch nicht geliefert sind.

(Abg. Niederalt: Haben Sie schon einmal etwas von Konjunkturpolitik gehört?)

— Das ist gerade widerlegt, daß dieses System der Konjunkturpolitik ein Heilmittel gegen die Ursache ist, an der wir wirklich leiden: gegen den Zahlungsbilanzüberschuß. Das wird nur durch das Mittel behoben, das auch wir anerkennen und das man jetzt auch angewendet hat: die Aufwertung. Ich möchte aber, wie gesagt, die Debatte nicht ausweiten. Es genügt, zu sagen: Kasse macht sinnlich; unsere Einnahmeminderungen waren glänzend zu verkraften.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314906700
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Franz Etzel (CDU):
Rede ID: ID0314906800
Herr Kreitmeyer, ich muß Ihnen leider noch einmal entgegentreten. Sie haben jetzt wieder gesagt: Kriegsfolgelasten und ähnliche Dinge. Verstehen Sie unter ähnlichen Dingen eine zusätzliche Senkung des Großhandelssteuersatzes von 1 auf 3/4 % mit einer Auswirkung von 113 Millionen? Verstehen Sie unter ähnlichen Dingen die weitere Erhöhung des Freibetrages nach § 7 a des Umsatzsteuergesetzes mit einer Auswirkung von 312 Millionen? Verstehen Sie unter ähnlichen Dingen die Unterstützung der Selbsthilfe durch Investitionserleichterung bei der Rationalisierung der Betriebe gleich 300 Millionen? Verstehen Sie unter ähnlichen Dingen die Erhöhung der Qualitätsprämie für Milch auf 4 Pfennig je Kilogramm gleich 172 Millionen DM? Verstehen Sie unter ähnlichen Dingen die Stundung der Vermögensabgabe für Betriebe, bei denen eine Deckung des Vergleichsaufwandes durch den Betriebsertrag nicht erreicht wurde, gleich 190 Millionen? Das kann man nicht!
Was Sie über die Deckung gesagt haben, stimmt auch nicht. Der praktische Deckungsvorschlag war der von Herrn Atzenroth auf Senkung der Umsatzsteuer um 1 Milliarde. Senkung der Steuer scheint mir kein Deckungsvorschlag zu sein. Wenn Sie gesagt haben, Sie seien für die Beseitigung der dynamischen Renten, und darin läge eine Deckung — —ja, Herr Kreitmeyer, wenn man so Ausgabenpolitik macht, daß beschlossene Gesetze einfach eliminiert werden, dann können wir allerdings nicht weiter diskutieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die Politik der FDP! — Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314906900
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme damit zur Abstimmung. Wer Ziffer 1 des Ausschußantrages, d. h. dem Einzelplan 08, die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen. Angenommen!

Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich komme zu Ziffer 2. Wer den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck 490 für erledigt erklären will — —

(Abg. Rasner: Entschließungen in der dritten Lesung! — Zuruf von der SPD: Das scheint mir ein Irrtum zu sein!)

— Ich halte das, Herr Abgeordneter Rasner, nicht für einen Entschließungsantrag, überhaupt nicht für eine neue Entschließung, sondern es handelt sich um eine Entschließung, die vor längerer Zeit — vor einem Jahr, wie mir gesagt wird — dem Haushaltsausschuß überwiesen, von ihm sachgemäß behandelt wurde und nun für erledigt erklärt werden soll. Das hat also nichts mit einer Entschließung zu diesem Haushalt zu tun; sie wird nur aus diesem Anlaß behandelt. — Wer also dem Antrag des Ausschusses, diese Entschließung nunmehr für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ehe ich zum nächsten Haushalt komme, habe ich Punkt IV der Tagesordnung aufzurufen:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle und der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 2571) .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann fahren wir in der Haushaltsberatung fort. Ich rufe auf:
Einzelplan 09 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft (Drucksache 2508)

und erteile Herr Abgeordneten Müller (Ravensburg) das Wort als Berichterstatter.

Karl Müller (SPD):
Rede ID: ID0314907000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Mündlichen Bericht auf Drucksache 2508 muß ich noch einige Erklärungen anfügen.
Die Überprüfung des Wirtschaftsministeriums durch den Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung wurde im Herbst 1960 abgeschlossen und das Ergebnis in einem Gutachten dem Haushaltsausschuß zur Kenntnis gebracht. Die Vorschläge des Bundesbeauftragten zur besseren und zweckmäßigeren Organisation des Ministeriums beschränken sich auf Unterabteilungen und Referate, während die Zahl der bestehenden acht Abteilungen nicht beanstandet wurde. Insgesamt schließt der Einzelplan 09 für 1961 mit 148 311 400 DM ab. Davon entfallen auf das Ministerium und die ihm nachgeordneten Verwaltungsbehörden 51 422 200 DM, auf die drei wissenschaftlich-technischen Anstalten des Geschäftsbereichs 39 359 700 DM und auf die Fonds des Wirtschaftsressorts 57 529 500 DM. Insgesamt sind die Ausgaben gegenüber 1960 um 27 708 800
DM gestiegen; die Einnahmen vermehrten sich von 11 681 000 DM auf 13 140 000 DM.
In dem Mündlichen Bericht über die Beratung des Einzelplanes 09 im Haushaltsausschuß fällt auf, daß im Stellenplan des Tit. 101 wesentliche Änderungen eingetreten sind. Statt der erhofften Verringerung des Personalstandes ist gegenüber dem Stellenplan von 1960 eine Erhöhung um 32 Planstellen und eine beträchtliche Zahl von Stellenhebungen zu verzeichnen. Bei den Angestellten, die im einzelnen nicht ausgewiesen sind, beträgt der Zugang 46 Stellen, während bei der Gruppe Arbeiter eine Verringerung um 25 Stellen eingetreten ist. Es darf jedoch nicht der Verdacht aufkommen, daß die Erhöhung der Planstellen dadurch finanziert werden soll, daß man die Stellen der Mindestbesoldeten abbaut. Vielleicht könnte man annehmen, daß das Ministerium seiner eigenen Konjunkturpolitik zum Opfer gefallen ist und nicht mehr die notwendige Anzahl Reinigungspersonal finden konnte.
Der Gesamtpersonalstand im Jahre 1961 beläuft sich auf 617 Beamte, 821 Angestellte und 170 Arbeiter; insgesamt sind das 1608 Beschäftigte gegenüber 1555 im Jahre 1960. Die Stellenhebungen und die Umwandlung von Angestellten- in Beamtenstellen werden damit begründet, daß insbesondere für die Entwicklungshilfe und die Notstandsplanung eine bessere Ausstattung erforderlich sei und daß die Leitungen der Referate und die Stellen der Sachbearbeiter nicht unterwertig besetzt sein sollten. Bei den Angestellten handelt es sich in der Hauptsache um eine Vermehrung der Schreibkräfte.
Einige Bemerkungen zu Kap. 02, und zwar zunächst zum Ansatz des Tit. 602. Der Haushaltsausschuß nahm hier eine Erhöhung von 9 auf 11 Millionen DM vor, damit die Beteiligung des Bundes an Auslandsmessen und -ausstellungen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft besser gefördert werden könne.
Die Aufstockung des Tit. 605 war erforderlich, weil die bisher aus dem ERP-Plan für Zwecke der Forschung zur Verfügung stehenden Mittel gekürzt wurden, Neu hinzugenommen wurde eine Bindungsermächtigung bis zur Höhe von 4 Millionen DM.
Wegen erheblicher Reste, die noch zur Verfügung stehen, wurde der Tit. 606 um 400 000 DM gekürzt.
Die drei wissenschaftlichen technischen Anstalten des Bundesministeriums - die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die Bundesanstalt für Materialprüfung und die Bundesanstalt für Bodenforschung – werden 1961 weiter ausgebaut. Hervorzuheben ist die Personalvermehrung bei der Bundesanstalt für Bodenforschung von bisher 92 auf 138 Bedienstete. Die Geologen dieser Anstalt werden vorzugsweise für Aufgaben der Entwicklungshilfe eingesetzt.
Im Einzelplan 09 ist dann noch ein Kap. 10 neu ausgebracht. Es handelt sich dabei um einen vorläufigen Haushaltsplan für das noch zu errichtende Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen.
Namens des Haushaltsausschusses darf ich bitten, den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2503 anzunehmen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314907100
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile als weiterem Berichterstatter dem Herrn Abgeordneten Gewandt das Wort.

(Abg. Gewandt: Ich verzichte!)

— Wie ich soeben höre, erübrigt sich ein weiterer Bericht.
Damit kommen wir zur Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kurlbaum!

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0314907200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme gern die Anwesenheit des Herrn Bundesfinanzministers zur Gelegenheit, am Anfang meiner Ausführungen doch noch mit einigen Worten auf das einzugehen, was der Herr Bundesfinanzminister hier auch zu wirtschaftspolitischen Problemen gesagt hat. Ich muß ganz offen sagen, daß mich zwei Bemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers geradezu entsetzt haben. Einmal das Wort: „Neidsteuer"! In diesem Zusammenhang kann ich den Bundesfinanzminister nur auf die zahlreichen Äußerungen sowohl aus kirchlichen als auch aus sachverständigen akademischen Kreisen zur Frage der exorbitanten Vermögenskonzentration in der Bundesrepublik hinweisen. Nach der Debatte in der ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung bei Arbeitnehmern hatte ich den Eindruck, daß hier weitgehend Übereinstimmung zumindest in der Zielsetzung bestehe.

(Zuruf rechts.)

— Das ist auch ein Stück Steuerpolitik. Ich glaube, daß es sehr gefährlich ist, hier das Wort „Neidsteuer" in die Diskussion zu werfen. Herr Bundesfinanzminister, Sie erschweren damit, glaube ich, die sachliche Diskussion über dieses Problem.
Das zweite, was mich auch sehr enttäuscht hat, ist, daß der Herr Bundesfinanzminister am Anfang seiner Ausführungen von der sicherlich bemerkenswerten Steigerung des realen Sozialprodukts im Jahre 1960 und von dem Wirtschaftssystem gesprochen hat, das seine Partei geschaffen habe, und nun dieses System dem Wirtschaftssystem des Ostens gegenübergestellt hat. Herr Bundesfinanzminister, steht denn das System hier überhaupt zur Diskussion? Hier stehen doch die Unterschiede zwischen den wirtschaftspolitischen Auffassungen Ihrer Fraktion und unserer Fraktion zur Diskussion. Diese Diskussion nun in einen Vergleich des hier herrschenden wirtschaftlichen Systems mit dem des Ostens zu verschieben, bedeutet doch eine gefährliche Verschiebung der Gesamtdiskussion.
Ich möchte auch noch etwas zu der Zunahme des Sozialprodukts sagen. Herr Bundesfinanzminister, worum geht es denn bei den wirklichen Unterschieden in unseren Auffassungen zur Wirtschaftspolitik? Wir haben im vergangenen Jahr — die Zahl ist sicher richtig — eine Zunahme des realen Sozialprodukts von etwa 8 % gehabt. Ich weise aber darauf hin, daß wir z. B. im Jahre 1958 etwas weniger als 2 1/2 % Zuwachs gehabt haben. Herr Bundesfinanzminister, darum geht es! Die wirklichen Meinungsverschiedenheiten drehen sich darum, ob es Mittel und Wege gibt, mehr Stetigkeit in den Zuwachs des Sozialprodukts zu bringen. Ich gebe zu, daß das ein schwieriges Problem ist, aber darum ringen wir gemeinsam, und in der Beurteilung der Frage, wie und ob man das überhaupt bewerkstelligen kann, liegen die Meinungsverschiedenheiten. Abgesehen von den Mitteln und Wegen, die wir einschlagen wollen, um das Sozialprodukt mit mehr Stetigkeit zu steigern und damit insgesamt schnelleren Fortschritt zu sichern, besteht weiter auch eine Meinungsverschiedenheit über eine bessere Einkommens- und Vermögensverteilung. Es gibt praktisch überhaupt keine ernst zu nehmenden Menschen mehr, die die Dinge leidlich sachverständig kennen und die die jetzige Vermögensverteilung zu rechtfertigen versuchten. Es wird nur noch darüber gestritten werden können, mit welchen Mitteln man zu einer besseren Vermögensverteilung in der Bundesrepublik kommen kann. Und da halte ich das Wort „Neidkomplex", „Neidsteuer" für etwas ganz Gefährliches.
Nun aber zu unserer Auseinandersetzung mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister! Wir hatten vor zwei Tagen eine sehr sachliche Diskussion über das aktuellste wirtschaftspolitische Thema dieser Tage, über die D-Mark-Aufwertung. Von unserer Seite ist schon zum Ausdruck gebracht worden, daß mit der D-Mark-Aufwertung bestenfalls nur ein Teilproblem gelöst worden ist, nämlich nur das Problem, was mit dem chronisch gewordenen Ausfuhrüberschuß oder, wie man es auch nennen kann, Einfuhrdefizit geschehen soll. Es bleibt das Problem des auch nunmehr noch andauernden Investitionsbooms, es bleibt die das Preisniveau gefährdende Übernachfrage der Unternehmer auf dem Gebiet der Investitionsgüter.
Es bleibt noch ein weiteres Problem. Wir haben im Zusammenhang mit unseren konjunkturpolitischen Sorgen in den letzten Monaten und Jahren eine sehr fruchtbare Diskussion in der Öffentlichkeit über das Thema Konjunkturpolitik überhaupt gehabt. Es hat da eine Menge Gutachten gegeben. Schon im Jahre 1956 hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ein oder, ich glaube, sogar zwei Gutachten auf den Tisch gelegt. Dann hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums im Jahre 1960 ein Gutachten vorgelegt. Der Industrie- und Handelstag hat beachtliche Vorschläge gemacht, ebenso zahlreiche andere Sachverständige. Wir fragen die Bundesregierung: Wie stellt sie sich die Auswertung aller dieser Vorschläge vor? Wir kommen doch einfach auf die Dauer nicht darum herum, endlich einmal die Grundlagen für eine langfristige Konjunkturpolitik festzulegen. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zitieren, das das christlich-demokratische Mitglied des Europäischen Parlaments van Campen schon im Jahre 1958 in einem Bericht niedergelegt hat. Er hat gesagt:
Die Konjunkturpolitik äußert sich also nicht nur als ein gelegentliches Eingreifen, wenn es brennt, sondern sie ist als wesentlicher Ausdruck einer auf lange Sicht ausgerichteten Wirtschaftspolitik zu betrachten.



Kurlbaum
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich diese Aufwertung bis zu einem gewissen Grade auch als ein zweifellos notwendiges, sicherlich begrenzt wirksames, aber doch nur als ein gelegentliches „Eingreifen-wenn-es-brennt" charakterisierte. Soll es im übrigen dabei bleiben, daß der Bundeswirtschaftsminister sich im wesentlichen darauf beschränkt, nur den Sozialpartnern gut zuzureden? Soll es dabei bleiben, daß die Verantwortung im wesentlichen bei der Bundesnotenbank bleibt, nachdem durch die Stellungnahme aller Sachverständigen klargestellt ist, daß die Bundesnotenbank angesichts der freien Konvertibilität der Währungen, d. h. angesichts des freien Zahlungs- und Kapitalverkehrs über die Grenzen, allein nicht mehr in der Lage ist, hiermit fertig zu werden?
Wir möchten also, meine Damen und Herren von der Fraktion der Regierungspartei und Herr Bundeswirtschaftsminister, davor warnen, nun zu sagen: Wir haben jetzt eine Aufwertung gemacht, und das genügt; jetzt kann alles so weitergehen wie bisher. Wir sind der Auffassung, daß das nicht möglich ist, daß das sogar gefährlich wäre.
Nun noch ein offenes Wort gerade zu der speziellen Situation, in der wir uns in dieser Zeit befinden. Wer weiß denn wirklich, ob die 5%ige Aufwertung der Deutschen Mark schon haargenau ins Ziel treffen wird! Wir wollen uns jeder Schwarzmalerei enthalten.

(Abg. Dr. Conring: Richtig!)

Wir haben das Problem der vorherigen Abschätzung, der Dosierung dieser Aufwertung immer für sehr schwierig gehalten. Wir müssen auch heute noch zugeben: es ist in der Tat ein schwieriges Problem. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie mir darin zustimmen — und ich freue mich darüber —, ergibt sich daraus logischerweise die Frage: Was muß geschehen, wenn das Ausmaß der Aufwertung sich nicht als ausreichend erweist? Dieser Verdacht ist im Ausland teilweise schon geäußert worden. Dann müssen doch andere konjunkturpolitische Mittel zum Wirken gebracht werden. Gerade, wenn man die Spekulation verhindern will, sich dieses Problems zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu bemächtigen, muß klar sein, daß diese Bundesregierung gewillt ist, mit dem Instrumentarium der allgemeinen Konjunkturpolitik nachzustoßen, falls das Ausmaß der Aufwertung nicht ausreichend ist. Ich brauche über die Einzelheiten nicht zu reden. Sie sind aus den vielen Gutachten bekannt. Aber bisher ist überhaupt noch nicht kundgeworden, daß die Bundesregierung gewillt ist, von diesem Instrumentarium Gebrauch zu machen. Ich glaube, daß es sehr gut wäre, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister ein klärendes Wort in dieser Frage spräche.
Eine Aufklärung ist auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt notwendig. Ich habe das Memorandum der USA-Regierung sehr sorgfältig gelesen und lege es so aus, daß es der Standpunkt der USA-Regierung ist, daß ein solcher chronischer Ausfuhrüberschuß durch einen entsprechenden langfristigen Kapitalexport mindestens kompensiert werden muß. Nun wissen wir noch nicht, in welchem Umfang die D-Mark-Aufwertung den bisherigen, zwei Jahre alten Exportüberschuß von 5 Milliarden DM pro Jahr wird reduzieren können. Es erwartet uns aber dann eine schwierige Aufgabe, wenn man in Zukunft mit der konkreten Forderung an uns herantreten wird: Was ihr nicht durch die Aufwertung weggebracht habt, muß entweder als Verteidigungsbeitrag oder als Beitrag für die Entwicklungshilfe langfristig als Kapitalausfuhr exportiert werden. Bitte, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, das wirft schwierige Fragen auf: Zunächst einmal vom Standpunkt der Aufbringung im Inland, sodann auch deshalb, weil es natürlich zu einer Einschränkung des inländischen Investitionsvolumens führen muß. Auch von dieser Seite her wäre es also sehr nützlich, wenn wir hier — heute vielleicht noch nicht im einzelnen, aber doch im allgemeinen — hören würden, wie der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Problem steht und wie man dieses Problem weiterbehandeln will.
Wir sind uns dabei völlig darüber klar, daß es sich hierbei um ein so bedeutsames und um ein so delikates Thema handelt, daß es wirklich nur in einer guten Zusammenarbeit zwischen allen Parteien gelöst werden kann. Wir stellen uns für einen sachlichen Meinungsaustausch jederzeit gern zur Verfügung. Um so mehr habe ich bedauert, daß in der gestrigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Herr Jürgen Kern — meiner Ansicht nach etwas voreilig und offensichtlich nach unzureichender Unterrichtung — die Haltung unserer Partei völlig fehlgedeutet und diese angebliche Haltung unserer Partei dann mit der Bundestagswahl in Zusammenhang gebracht hat. Meine Damen und Herren, ich habe soeben schon ausgeführt, wieviel uns daran liegt, die Währungsfragen aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Darum sollten wir alle gemeinsam bestrebt sein. Um so mehr hat es mich gefreut, daß gerade in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wie auch in den übrigen großen Blättern die Bonner Berichterstatter sehr sachlich über die vorgestrige Debatte und unsere Haltung berichtet haben.
Mit diesem Problem hängt unmittelbar ein weiteres Problem zusammen, nämlich die Frage der Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus überhaupt. Wir alle wissen — jedenfalls diejenigen, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben —, daß man das allgemeine Preisniveau nur stabil halten kann, wenn Preiserhöhungen, die in lohnintensiven Wirtschaftszweigen bei steigendem Lohnniveau notwendig sein können, durch gleichgewichtige Preissenkungen in anderen Wirtschaftszweigen ausgeglichen werden, die unterdurchschnittlich lohnintensiv sind und in erster Linie am technischen und am organisatorischen Fortschritt unserer Wirtschaft teilnehmen. Das sind gleichzeitig die überdurchschnittlich kapitalintensiven Unternehmungen, im wesentlichen in der Praxis die Großunternehmen, deren schnell steigende Ertäge, wie wir auch alle wissen, sehr stark mit Beschränkungen des Wettbewerbes zusammenhängen.



Kurlbaum
Es handelt sich hier sogar um zwei Probleme. Erstes Problem: Wenn es uns nicht gelingt, Preissenkungen in größerem Umfange gerade bei diesen hochrentablen Großunternehmungen durchzusetzen, wird es uns nicht möglich sein, die innere Kaufkraft der D-Mark langfristig zu erhalten. Weiter wird es uns auch nicht gelingen, ein zweites Problem zu lösen, nämlich die schnelle Vermögenskonzentration gerade bei diesen Großunternehmen einzudämmen. Auch hier würde es uns interessieren, welche konkrete Vorstellungen die Bundesregierung hat, um das Problem der Preissenkungen dieser Großunternehmen energischer auf die Hörner zu nehmen, als das bisher geschehen ist.
Meine Damen und Herren! Kommen Sie mir bitte nicht mit zwei Einwendungen, und sagen Sie nicht: Aber die Tarifpartner haben ja auch eine Verantwortung in diesem Zusammenhang! — Gut, kein vernünftiger Mensch wird diese Verantwortung bestreiten, aber wir befinden uns hier im Bundestag, und hier handelt es sich in erster Linie um die Verantwortung der Bundesregierung und nicht um die Verantwortung der Sozialpartner. Es wäre ein schlechtes Vorgehen, wenn die Bundesregierung immer wartete, daß die Sozialpartner vorangehen, und die Sozialpartner immer warteten, daß die Bundesregierung mit konjunkturpolitischen Maßnahmen vorangeht.
Kommen Sie auch bitte nicht mit einem zweiten Einwand, den ich vorwegnehmen möchte, daß Sie sagen: Es gibt auch in anderen Ländern eine schleichende Inflation oder sogar eine etwas größere Inflation als die schleichende Inflation, wie wir sie hier pro Jahr haben. Wir befinden uns in der Bundesrepublik in einer besonderen Lage in zweierlei Hinsicht: Erstens hat unsere Bevölkerung in der jüngsten Geschichte zwei Währungskatastrophen miterlebt. Das ist der eine wichtige Gesichtspunkt. Zweitens bemühen wir uns ja gerade gemeinsam, zu einer besseren Vermögensstreuung zu kommen. Der Bundeswirtschaftsminister hat gestern auf die 136 Milliarden DM im Nennwert angelegten Vermögen hingewiesen. Die große Masse der kleinen Einkommensbezieher spart vor allem in solchen Anlagen, und eine Vermögensbildung in diesen Schichten ist nur möglich, wenn wir zu einer hervorragenden Sicherung der inneren Kaufkraft unserer Währung kommen.
Nun noch weitere Beispiele! Wir haben uns vorgenommen, das Kartellgesetz zu verbessern. Wir werden nach Ostern — so hoffe ich — hier eine Debatte in erster Lesung über unsere Anträge zum Kartellgesetz haben. Deshalb ' möchte ich heute hier nichts darüber sagen, weil ich das nicht für gut halte mit Rücksicht auf die Ökonomie der Zeit.
Aber ich möchte gern auf andere einzelne Vorgänge zu sprechen kommen, bei denen es die Bundesregierung unterlassen hat, mindestens ihren guten Willen zu zeigen, um etwas für Preissenkungen gerade durch diese großen Unternehmungen zu tun. Es hat mich besonders enttäuscht, daß in der Süddeutschen Zeitung von gestern zu lesen war, Vertreter der großen Mineralölfirmen hätten unmittelbar nach der D-Mark-Aufwertung erklärt, der Anteil des Rohölpreises am Endverbraucherpreis für Benzin und Dieselöl sei so gering, daß eine Senkung der Tankstellenpreise überhaupt nicht in Frage komme; denn das wirke sich nur in der Größenordnung von 0,2 Pf aus. Hoffentlich stimmt das. Ich bin da etwas skeptisch. Ich wäre von solchen Presseverlautbarungen mehr überzeugt, wenn diese Gesellschaften sich einmal entschließen könnten, komplett die Bestandteile ihrer Preiskalkulation bekanntzugeben.

(Abg. Illerhaus: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

- Sie können gleich etwas sagen. Ich möchte nur noch ein paar Sätze dazu sagen, um dieses Bild vollständig zu machen.
Dagegen weist derselbe Vertreter darauf hin, daß nunmehr wahrscheinlich für die freien Tankstellen ein billigerer Einkauf möglich sein werde. Eine sehr merkwürdige Feststellung! Denn wenn man beide Feststellungen — die Feststellung bezüglich der Konzern-Tankstellen, wenn ich sie so nennen darf, und die Erklärung bezüglich der freien Tankstellen — ernst nimmt, kommt man zu dem Schluß, daß die Verarbeitung des Rohöls in der Bundesrepublik nunmehr gegenüber der Verarbeitung des Rohöls außerhalb der Bundesrepublik nicht mehr konkurrenzfähig sein soll, was ja wohl kein Mensch glauben wird.
Die Sache hat wahrscheinlich einen ganz anderen Grund. Natürlich spielt hier der Einkauf des Rohöls eine Rolle. Hier gibt es eine interessante Feststellung in einem Organ des Mineralöl-Verbandes. Danach gibt es Unterschiede in den Rohölpreisen je nachdem, ob es sich um Rohöl der internationalen Konzerne oder auf der anderen Seite um Rohöl von Außenseitern des Westens oder um Rohöl aus dem Osten handelt. Die Unterschiede können nach dieser Quelle bis zu 40 % von oben gerechnet betragen. Ich möchte nur einmal die Frage aufwerfen: wäre es nicht sehr gut, wenn sich die Bundesregierung gerade angesichts dieser neu geschaffenen Lage einmal wieder mit den Mineralölpreisen in der Bundesrepublik befaßte? Vielleicht könnte sie doch einmal die Frage erwägen, ob man nicht auch z. B. die niedrigeren Preise dieser Angebote, sei es von den Außenseitern im Westen, sei es aus dem Osten, in den Verhandlungen zu einem Preisdruck verwenden könnte. — Bitte, Herr Illerhaus, wenn Sie jetzt etwas dazu sagen wollen!

Joseph Illerhaus (CDU):
Rede ID: ID0314907300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314907400
Herr Abgeordneter Illerhaus zu einer Zwischenfrage!

Joseph Illerhaus (CDU):
Rede ID: ID0314907500
Herr Kollege Kurlbaum, Sie monieren vielleicht mit Recht die Stellungnahme der Mineralölindustrie, die kurz nach der D-MarkAufwertung verlauten läßt, daß wahrscheinlich eine Preisermäßigung nicht drin sei. Glauben Sie nicht, daß es Ihrer Fraktion und Ihnen gut anstünde, zu

Illerhaus
gleicher Zeit die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr hier anzuführen und zu sagen: Es ist nicht gut, wenn man direkt nach der D-Mark-Aufwertung erklärt: Die Aufwertung. interessiert uns überhaupt nicht; unsere Lohnerhöhungsansprüche bleiben bestehen?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0314907600
Herr Illerhaus, ich habe vorhin ausdrücklich anerkannt, daß beide Sozialpartner eine echte Verantwortung haben. Das habe ich ausdrücklich anerkannt. Aber ich glaube, wir sollten den Problemen nicht dadurch ausweichen, daß wir sagen: Wir brauchen das Problem A nicht anzupacken, weil jemand anders das Problem B nicht anpackt. Damit kommen wir in der Diskussion doch nicht weiter.

(Abg. Illerhaus: Aber Sie müssen auch beide ansprechen, nicht nur einen!)

— Richtig, richtig! Das habe ich ja getan!
Nun aber noch eine weitere Bemerkung zur Mineralölindustrie. Ich habe der Statistik entnommen, daß der Umsatz in Benzin in den letzten sechs Jahren auf das Fünffache gestiegen ist. Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion und auch Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Sie nicht der Meinung, daß in einer Verfünffachung der Produktion ein ungeheurer Rationalisierungseffekt und damit eine ungeheure Chance für eine wesentliche Verbilligung liegen muß?
In diesem Zusammenhang noch ein anderer Vorgang, der zwar nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium betrifft, sondern auch das Bundesverkehrsministerium. Der Wirtschaftsausschuß des Bundestages hat sich im Herbst mit Recht für die Tankstellen an den Autobahnen interessiert. Dabei hat sich folgendes Seltsame herausgestellt. Die Gesellschaft für Nebenbetriebe, ein öffentliches Unternehmern, das in den Bereich des Bundesverkehrsministers gehört, hat — wir wissen noch nicht, wann, wir würden es aber gern wissen — einen Vertrag mit den großen Mineralölgesellschaften abgeschlossen, der diesen bis zum Jahre 1969 das Recht garantiert, ausschließlich Tankstellen an den Autobahnen zu errichten. Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, das ist auch ein Stück Verbraucher- und ein Stück Mittelstandspolitik.

(Abg. Schmücker: Das kritisieren wir ja mit Ihnen!)

- Herr Schmücker, ich anerkenne durchaus, daß Sie das auch kritisiert haben. Aber ich habe mich für berechtigt gehalten, das heute zu erwähnen, weil, seit Sie als Vorsitzender Anfang November einen Brief geschrieben haben, man möge uns Einzelheiten von diesem seltsamen Vorgang mitteilen, bis heute keinerlei Nachricht eingegangen ist. Ich glaube, daß das sehr schlecht ist.
Inzwischen hat man der Presse entnommen, daß in dem Vertrag stehen soll — hören Sie sich das einmal an -, daß nur Mineralölgesellschaften das Recht haben sollen, Tankstellen an den Autobahnen zu errichten, die mit mindestens 2 1/2% an der gesamten Benzinproduktion in der Bundesrepublik beteiligt sind. Meine Damen und Herren, welcher Geist hat sich das ausgedacht, und wer — ich möchte es wirklich gern wissen — dieses Abkommen zu verantworten? Den müßte man doch wirklich an den Pranger stellen.

(Sehr gut! rechts.)

Das scheint mir tatsächlich notwendig zu sein. (Zuruf von der SPD: Wieviel Schmiergeld?)

Ein weiteres Beispiel, auch eine Unterlassungssünde. Ich habe es als etwas sehr Schlechtes empfunden, daß es die Bundesregierung und dieses Parlament zugelassen haben, daß wir uns an der Zollsenkung innerhalb der EWG bisher nur mit 5 % beteiligt haben. Sie wissen, daß die anderen EWG-Partner ihre Zölle gegenüber den übrigen EWG-Partnern inzwischen schon um dreimal 10 % gesenkt haben,

(Abg. Dr. Elbrächter: Wir sind doch immer vorangegangen!)

während wir es so gemacht haben, daß wir uns darauf berufen haben: Wir haben ja schon früher eine 25prozentige Zollsenkung gemacht — bitte sehr, Herr Illerhaus, ich weiß das genau —, und weil wir früher schon einmal um 25 % gesenkt haben, warten wir zunächst ab, bis die übrigen diesen Vorsprung eingeholt haben. Dadurch sind wir jetzt zu dem Ergebnis gekommen, daß wir nun erst gleichgezogen haben. Es hätte uns niemand gehindert, in dieser konjunkturellen Situation wesentlich mehr zu tun. Es widersprach keineswegs dem Vertrag, z. B. zu sagen: Wir gehen nunmehr von unserem 75prozentigen Zollniveau aus, das sich bereits eingespielt hatte, und senken dieses 75prozentige Zollniveau für die gewerblichen Güter auch um je ein Zehntel. Dann hätten wir es heute schon um 22 1/2 % gesenkt, und dann wären wir inzwischen nicht erst bei 75 % angelangt, sondern wären schon bei 52 1/2 % der früheren Zölle. Das hätte völlig in unserem Ermessen gelegen. Wir hätten sogar auf null heruntergehen können, wenn wir gewollt hätten. Ich will nur sagen, wie die Rechtslage war, und ich bin der Meinung, daß man in einer solchen Boom-situation wie der jetzigen von einem solchen Mittel hätte Gebrauch machen müssen.
Ich möchte auch noch auf das zu sprechen kommen, was Herr Dollinger gesagt hat und was auch der Herr Bundeswirtschaftsminister zur Frage der Konzentration erklärt hat, weil auch das letzten Endes in die uns brennend interessierenden Fragen gehört. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben in Ihrer Rede vorgestern als Beispiel der Aktivität der Bundesregierung auf dem Gebiete der Konzentration in der Wirtschaft lediglich auf die geplante Einengung der Voraussetzungen bei der Organschaft Bezug genommen. Wir sind der Meinung, daß zumindest die Wirkung dieser Maßnahme sehr schwer im voraus beurteilt werden kann. Denn man kann ebensogut auch so argumentieren, daß man sagt: Eine solche Maßnahme wird den Anreiz zum Aufkauf der Minderheiten unter Umständen noch beschleunigen.



Kurlbaum
Ich bin in dieser Vermutung durch eine interessante Pressemitteilung vor ein paar Tagen bestärkt worden. Da ist in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft eines bekannten Konzerns von der Verwaltung mitgeteilt worden, daß man gerne bereit sei, den Minderheitsaktionären dieser Tochtergesellschaften ihre Aktien in Aktien der Mutter umzutauschen. Der Berliner würde dazu sagen: „Nachtigall, ick hör dir trapsen." Sie verstehen, wie das gemeint ist.
Ich bin also der Meinung, daß das Problem mit der Einengung der Voraussetzungen für die Organschaft nicht abschließend gelöst werden kann. Ich bin der Auffassung, daß es nur durch eine wirkliche Umsatzsteuersystemreform gelöst werden kann. Herr Dollinger hat das Problem heute hier angesprochen und hat von der EWG gesprochen. Ich stimme Herrn Dollinger völlig zu: Hier wird eine Abstimmung mit den Absichten der EWG notwendig sein. Aber, meine Damen und Herren, das enthebt uns doch nicht der Notwendigkeit, daß nun wirklich auch einmal ein Vorschlag zustande kommt, der diskussionsreif ist. Der Vorschlag des Bundesfinanzministeriums hatte noch so viele Mängel, daß man das von ihm, glaube ich, nicht sagen kann. Die Tatsache, daß man eine Abstimmung innerhalb der EWG versuchen muß, enthebt uns nicht der Notwendigkeit, einen eigenen Vorschlag in die Debatte zu werfen. Die Aussichten und Notwendigkeiten sind ziemlich klar, weil Sachverständige heute schon erklärt haben, daß das Problem der Entlastung des grenzüberschreitenden Verkehrs von jeglichen Abgaben, also von Umsatzsteuerabgaben und von Zöllen, praktisch nur mit einer sogenannten Mehrwertsteuer gelöst werden kann. Wir würden bei der Beibehaltung des jetzigen Umsatzsteuersystems niemals dazu kommen, daß beim grenzüberschreitenden Warenverkehr innerhalb der EWG die Waren praktisch die Grenze passieren könnten, ohne die Zollbürokratie in Tätigkeit zu setzen.
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort, auf das ich auch entscheidenden Wert lege. Es liegt im Sinne der Demokratie, daß Reformen im Parlament nur durchgesetzt werden können, wenn die Offentlichkeit diese Aufgabe versteht und ihr das Problem sichtbar gemacht worden ist. Das ist einer der Gründe, warum wir Sozialdemokraten immer entscheidenden Wert darauf gelegt haben, daß wir in der Frage der Publizität der großen Gesellschaften weiterkommen. Ich möchte hier gar keinen Zweifel bestehenlassen: Wir halten die kleine Aktienrechtsreform auf diesem Gebiete für völlig unzureichend. Lediglich mit der Veröffentlichung der Umsatzziffern ist insbesondere bei den großen Unternehmungen praktisch gar nichts getan. Wir legen den allergrößten Wert darauf, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Frakton, daß noch in diesem Bundestag, nachdem nunmehr wirklich zweifelhaft geworden ist, ob die Aktienrechtsreform in ihrer ganzen Größe verabschiedet werden kann, wenigstens die vordringlichsten Teilgebiete verabschiedet werden. Sie haben das hei früherer Gelegenheit leider abgelehnt. Vielleicht revidieren Sie diesen Entschluß
noch einmal angesichts des Zeitablaufs und des Programms, das sowohl der Wirtschaftspolitische Ausschuß als auch der Rechtsausschuß zu erledigen haben. Hoffentlich unterstützen Sie uns darin, daß wir nunmehr wenigstens den Teil der Aktienrechtsreform verabschieden können, der uns eine verbesserte Publizität sichert und damit, glaube ich, einem dringenden Bedürfnis unter dem Gesichtspunkt der Realisierung der Demokratie Rechnung trägt. Wir sind wirklich davon überzeugt, daß die Durchsetzung der Demokratie gegenüber den Großmächten der Wirtschaft eines der Probleme ist, von deren Lösung letzten Endes überhaupt der Bestand der westlichen Demokratie abhängen wird. An Ihrer wirtschaftspolitischen Einstellung zu diesem Problem werden wir, meine Damen und Herren von der Regierungspartei und Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihre Einstellung zur Demokratie im Ganzen messen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314907700
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0314907800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst einige Worte zu den Ausführungen sagen, die Sie an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet haben. Herr Kollege Kurlbaum gab zu, daß eine Steigerung des Bruttosozialprodukts um realiter 8 % zweifellos eine beachtliche Leistung sei. Aber er wies darauf hin, daß in den zurückliegenden Jahren auch schon geringere Ziffern zu verzeichnen gewesen sind. Das ist, möchte ich sagen, selbstverständlich; denn einen geradlinigen Verlauf kann es nicht geben. Bei einem Vergleich zwischen 1956 und 1960, also etwa eine Legislaturperiode, beträgt der Zuwachs realiter 25 %. Ich meine, das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann. Wenn Sie das einmal auf einen Zeitraum von 12 bis 15 Jahren verlängern, ergibt sich eine Verdoppelung des Sozialprodukts und damit praktisch der Lebensmöglichkeiten des deutschen Volkes.
Nun noch einige Ziffern zu der Einkommens- und Vermögensverteilung. Ich habe wiederholt gesagt, daß ich der letzte bin, der Maßstäbe göttlicher Gerechtigkeit anwenden könnte oder der sie überhaupt wüßte. Ich darf aber immerhin einige Zahlen vorlesen, die charakteristisch genug sind. Das Volkseinkommen, also das Nettosozialprodukt zu Faktorkosten, ist in diesen vier Jahren von 1956 bis 1960 wieder um 41,2 % gestiegen; das Masseneinkommen, also Nettolöhne, Gehälter, Renten, Unterstützungen, Pensionen, ist um 40,8 % gestiegen — das gesamte Volkseinkommen als um 41,2 % und das Masseneinkommen um 40,8 %. Man kann also sagen: es ist völlig identisch. Damit ist aber nicht gesagt, daß es nun wirklich der Weisheit letzter Schluß wäre.
Nun komme ich zu den Ausführungen, die an den Wirtschaftsminister gerichtet waren. Herr Kollege Dr. Deist hat bei der vorgestrigen Debatte ein Zitat von mir gebracht, wo ich gesagt habe:



Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Die Aufwertung löst nicht alle unsere Probleme. Es ist kein Allheilmittel, und es ist sicher nur ein Teilstück der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, die auf Stabilität ausgerichtet ist.
Aber ich glaube, die Wirkung der Aufwertung geht doch über das, was Sie richtig als eine mögliche Heilung — mindestens tendenziell — der Handels-und Zahlungsbilanzüberschüsse gekennzeichnet haben, hinaus. Ich bin der Meinung, daß vor allen Dingen über die Importpreise — die Importe sind bekanntlich erleichtert und verbilligt, und nicht nur die Fertigwaren, sondern auch die Rohstoffe, die dann ja wieder Posten in der Fertigung sind — ein dämpfender Einfluß auch auf das deutsche Preisniveau ausgeübt wird, also nicht nur auf die Importpreise selbst, sondern auch auf das deutsche Preisniveau.
Ich soll jetzt zwar nicht die Sozialpartner ansprechen, darf aber wenigstens in Klammern vermerken, daß das natürlich ein Problem ist, das unbedingt mit dazugehört. Es gehört zur Verantwortung der Regierung, in der Stunde der Aufwertung die Sozialpartner anzusprechen — nicht ihre Autonomie einzuschränken, aber sie anzusprechen und sie bei ihrer Verantwortung zu packen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Mehr will ich in diesem Augenblick nicht tun.
Im übrigen habe ich nicht nur immer von den Löhnen und Gehältern gesprochen. Im Gegenteil, ich habe gesagt — ich weiß nicht, in welcher Sitzung das gewesen ist —: Ich bin überzeugt, daß auch die Einkommen der Selbständigen um den gleichen Prozentsatz gestiegen sind wie die Einkommen der Lohn- und Gehaltsempfänger. Sowohl der Finanzminister als auch ich haben die deutsche Wirtschaft wiederholt darauf hingewiesen, daß es zwar verständlich ist, daß investiert und rationalisiert wird, vor allen Dingen im Zeichen des Arbeitskräftemangels, daß man aber eben auch nicht mehr rationalisieren kann, als eine Volkswirtschaft potentielle Mittel für diesen Zweck bereitstellt.
Ich komme nun zur Konjunkturpolitik. Ich bekenne mich dazu — ich bin selbst zitiert worden —, daß die Konjunkturpolitik mit der Aufwertung erst wieder griffiger geworden ist. Das gilt sowohl für die Politik der Bundesnotenbank, die Geld- und Kreditpolitik, als auch für die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik der Regierung. Das Wirtschaftsministerium weiß allerdings — und nicht das Bundeswirtschaftsministerium allein, wie Aussprachen auf internationaler Ebene zeigen —, wie schwierig es ist, eine wirksame Konjunkturpolitik nur auf nationaler Ebene zu betreiben. Das soll die Verantwortung bestimmt nicht mindern, aber das Schwergewicht verlagert sich zweifellos immer mehr auf die internationale Ebene, und hier ist es gerade das Bundeswirtschaftsministerium gewesen, das vor allen anderen europäischen Ländern — das kann ich füglich sagen - eine sehr starke Initiative entwickelt hat. Nicht nur daß der Konjunkturpolitische Ausschuß bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht ganz zufällig von Staatssekretär Müller-Armack geleitet wird, das Wirtschaftsministerium hat geradezu einen Katalog, eine umfassende Denkschrift über den Kodex des richtigen konjunkturpolitischen Verhaltens vorgelegt.
Sie haben ja in Straßburg Gelegenheit, diese Politik auf höherer Ebene, sei es für die EWG, sei es auf noch umfassenderer Grundlage, zu unterstützen und zu fördern. Im Rahmen der Verlängerung der OEEC, also der OECD, wird das Problem der Konjunkturpolitik in Paris noch einmal besonders behandelt und sicher auch unterstrichen werden.
Unter diesem Aspekt bedauere ich sehr, daß uns ein konjunkturpolitisches Instrument nicht mehr zur Verfügung steht: die Autonomie der Zollpolitik. Das wird dann geheilt, wenn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wirklich eine liberale Politik nach außen betreibt,

(Beifall bei der CDU/CSU)

vor allen Dingen eine liberale Zollpolitik. Ich kann Sie nur ermuntern, den Bestrebungen der Bundesregierung, die mit aller Anstrengung tätig ist, um diese liberale Politik nach außen durchzusetzen, auch in Straßburg Geltung und Nachdruck zu verleihen. Ich habe den Eindruck, daß in Straßburg nicht immer ganz so stark darauf gedrückt wird. Ich meine hier gar keine Partei, sondern die deutschen Vertreter schlechthin, damit überhaupt nach außen der Wille zu einer liberalen Politik gestärkt wird. Denken Sie z. B. an die Verkürzung der Pristen. Bei dem Bestreben, die Erfüllung der Vertragsziele der EWG zu beschleunigen, war uns vor Augen gestellt worden — und das war für mich gerade das Verlockende —, daß damit sofort eine 20%ige Senkung des Außentarifs Platz greifen wird. Die Zöllner haben sich durchgesetzt. Sie sind bekanntlich schon Sünder seit Jesus Christus.

(Heiterkeit.)

Es ist nichts daraus geworden, und es ist meiner Ansicht nach wirklich fast eine fade Ausrede, wenn man jetzt auf die Dillon-Runde verweist und sagt: im Zuge der Gegenseitigkeit sind wir bereit, auch um 20 % zu senken. So habe ich es mir jedenfalls nicht vorgestellt, sonst hätte ich persönlich meine Zustimmung zu einer Beschleunigung nicht gegeben, weil das einfach nicht zusammenpaßt.
Damit möchte ich gleich zu einem anderen Punkt Stellung nehmen. Sie haben gerügt, daß wir innerhalb der EWG die inneren Zölle nicht weiter gesenkt hätten. Das ist richtig, sie sind bisher um 30 % auf 70 gesenkt worden, und Sie meinen, wir hätten auf 52 senken können oder dürfen. Ich habe es nicht so genau errechnet; ich nehme an, es stimmt. Aber selbst wenn wir es gekonnt und gedurft hätten, dann hätte ich das nicht getan, und zwar um nicht den diskriminatorischen Effekt zwischen außen und innen noch zu verstärken. Uns muß alles darin liegen, unbeschadet des inneren Ablaufs in der EWG — und da ist ja eine gewisse Automatik in Kraft --, nach außen die Zölle herunterzubringen, und zwar gegenseitig zwischen EWG und EFTA, am liebsten innerhalb einer atlantischen Gemeinschaft, um den diskriminierenden Effekt so gering wie möglich zu halten. Daraus kann man einen Vorwurf gegen uns nicht herleiten.



Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
Wenn Sie nun in Zusammenhang mit der Aufwertung sagen, die 5 % träfen nicht haargenau ins Ziel, dann haben Sie völlig recht.

(Abg. Kurlbaum: Ich habe nur gesagt, ich weiß es noch nicht!)

— Ja, es könnte sein, daß sie nicht ins Ziel treffen. Das ist richtig. Aber so ganz von ungefähr kommen ja diese 5 % nicht. Als wir uns im Herbst vorigen Jahres, im September/Oktober, über eine gleiche Maßnahme unterhielten, haben wir sehr sorgfältige Vergleiche über die Kaufkraft der einzelnen Vahrungen angestellt, und wir sind seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, daß 7 % wahrscheinlich das richtige Maß wären, wenn es nicht in eine echte Benachteiligung umschlagen sollte. In der Zwischenzeit dürften die Exportpreise sicher um 2 % gestiegen sein, so daß wir glaubten, mit 5 % in etwa richtig zu liegen, — ohne einen Eid darauf leisten zu können, daß es ziffernmäßig, statistisch unbedingt genau richtig ist.
Ich bin aber sehr unglücklich darüber, daß in der deutschen, aber auch in der ausländischen Presse schon wieder der Verdacht geäußert wird, daß diese Aufwertung nicht ausreiche. Oft sind es sogar die gleichen Leute, die sich mit allen Mitteln gegen die Aufwertung gestemmt haben und die jetzt mit dem Argument kommen: Wenn schon Aufwertung, dann ist es zu wenig. Diese Logik ist nicht zwingend. Sie stammt nicht von Ihnen, Herr Kurlbaum. Ich möchte aber hier doch erklären: Mit diesen Gerede, daß die Aufwertung nicht hinreichend sei, facht man ja geradezu die Spekulation neu an. Wenn ich gar von
amerikanischer Seile höre, daß das zwar ein Schritt in der richtigen Richtung sei, daß er aber unvollkommen oder unzureichend sei, dann muß ich sagen: Wenn wieder Dollars in die D-Mark drängen, dann ist .das ungefähr das sicherste Mittel, um das zu erreichen, aber nicht, um es abzuwehren und die Zahlungsbilanziiberschüsse abzubauen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich kann nicht darauf verzichten, das hier zu sagen.
Nun die Stabilisierung des Preisniveaus! Ich habe vorhin schon gesagt, daß es meiner Meinung nach in dieser Richtung wirkt. Wenn Sie die Messeberichte von Frankfurt und von Offenbach lasen, dann lauten sie ja ziemlich einheitlich dahin: stabile Preise, Mengenkonjunktur zu stabilen Preisen, Exportchancen geringer oder Exporte mäßiger. Das ist ja genau das, was wir erreichen wollten und was sich bei den Messen offenbar schon als wirksam abgezeichnet hat. Ob das genügend ist, weiß ich nicht; das wird sich erst noch zeigen.

(Abg. Leber: Wie ist es mit den Importpreisen? Da ist die Spanne schon verdaut worden!)

Bei cien Importpreisen hat man sich genau wie wahrscheinlich bei manchen Exporten geeinigt; der eine hat gesagt: Ich will nicht den ganzen Verlust tragen, und dann hat der andere gesagt: Ich partizipiere mit der Hälfte. Ich finde, das ist ein faires kaufmännisches Geschäft, und ich habe zunächst gar nichts dagegen einzuwenden. Ich glaube aber, daß bei Neuabschlüssen, die in der Zukunft getätigt werden, angesichts des Wettbewerbs, der ja vor allen Dingen auch innerhalb der EWG immer stärker werden wird, die Verbilligung durch den Import voll auf das deutsche Preisniveau durchschlagen wird. Ich kann es mir nicht anders denken.

(Abg. Leber: Wenn eine Verbilligung eintritt! Im Augenblick sieht's gar nicht so aus. Die ausländischen Erzeuger haben sich dem deutschen Preisniveau angeglichen!)

— Selbst wenn einige dabei waren, die glaubten, so operieren zu müssen, aber glauben Sie denn wirklich, daß in einer Marktwirtschaft, in der weltoffenen Wirtschaft solche Tendenzen durchzuhalten wären? Das ist doch völlig unmöglich. Wenn Sie schon glauben, sich jetzt zur Marktwirtschaft bekennen zu müssen, dann müssen Sie auch die Gesetze der Marktwirtschaft anerkennen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Leber: Wenn die nur so funktionieren würde!)

Ich bin mit Herrn Kollegen Kurlbaum durchaus der Meinung — hier ist schon oft darüber diskutiert worden —, daß sich bei allgemeinem stabilem Preisniveau im Zuge der Mengenkonjunktur und vor allen Dingen der modernen Technik bei typisierten. Massengütern, bei langlebigen Gebrauchsgütern usw. sinkende Preise durchsetzen müßten. Aber Sie können dem Wirtschaftsministerium nicht sagen, daß es etwa diese Tendenz nicht unterstützen möchte oder gar eine besondere Preispolitik für Großunternehmen, Mittelunternehmen und Kleinunternehmen treiben soll. So ist die Sache nicht zu packen. Ich darf aber z. B. daran erinnern, daß jetzt das Bundeskartellamt bei den Fernsehgeräten eingegriffen und die Preisbindung aufgehoben hat. Sie kennen meine Meinung, daß nach meiner festen Überzeugung die Preisbindung kein sehr langes Leben mehr haben wird.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Dann brauchen wir uns über dieses leidige Thema nicht mehr zu unterhalten.
Was die Ölpreise anlangt, so möchte ich annehmen, daß Sie die Preise für Benzin und Dieselkraftstoff meinen und nicht Rohöl und Heizöl; denn das ist trotz der Steuer, die wir darauf gelegt haben, billiger als in allen anderen europäischen Ländern. Bei den Treibstoffpreisen haben Sie ein Problem angerührt, das auch das Mißvergnügen des Bundeswirtschaftsministeriums ausgelöst und schon seit einem Jahr zu einer verstärkten Aktivität geführt hat: das ist nämlich die Frage der Tankstellen auf den Autobahnen. Der Ausschließlichkeitsvertrag ist nicht von der Bundesregierung abgeschlossen worden, sondern von der sogenannten GSN, das ist die Gesellschaft für Nebenbetriebe. Ich will den Namen nicht nennen; unter vier Augen kann ich Ihnen sogar sagen, wer ihn abgeschlossen hat.

(Heiterkeit.)

Aber wir stehen jetzt in Verhandlungen. Ich glaube,
Ihnen heute schon zusagen zu können, daß auch die
Autobahnen in zunehmendem Maße, und zwar nach



Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
den gleichen Grundsätzen und im gleichen Verhältnis wie auf den anderen Verkehrsstraßen, mit freien Tankstellen versorgt werden, so daß auch hier nichts grundsätzlich Neues angeschnitten ist. Seit einem Jahr haben wir in diese Blase hineingestochen und wollen endlich einmal sehen, daß sich die Sache auch hier durchsetzt.
Was die Konzentration anlangt, so ist die Organschaft, die ich vorgestern genannt habe, nicht das einzige, aber immerhin ein wesentliches Mittel; denn wenn Sie die Umsätze der organverbundenen Betriebe mit den Umsätzen der nicht organverbundenen vergleichen, wissen Sie genau, daß sich mit der Umsatzsteuerbefreiung auf diesem Sektor immerhin ein wichtiger Grundsatz durchzusetzen beginnt; ich hoffe, im Bundestag mit entsprechender Mehrheit.
Über die Umsatzsteuer brauchen wir uns nicht zu unterhalten; das ist bekannt genug. Man scheut sich, auszusprechen, daß hier eine Reform notwendig ist, um zu einer Wettbewerbsgleichheit, zu gleichen Startbedingungen zu gelangen. Ich bin durchaus damit einverstanden, daß wir uns — sicher nicht mehr in dieser Legislaturperiode, aber in der nächsten; wir werden uns ja wiedersehen — dann auch über das Schachtelprivileg und ähnliches unterhalten.
Mit Ihnen bin ich der Meinung, daß die Aktienrechtsreform nach Möglichkeit, vor allen Dingen aber in den gesellschaftspolitisch entscheidenden Teilen, verabschiedet werden sollte. Ich freue mich, daß unsere Auseinandersetzung wirklich in ruhiger Sachlichkeit verlaufen konnte. Ich ziehe immerhin aus dieser Tatsache den Schluß, daß Sie willens sind, dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministers zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Heiterkeit.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314907900
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmücker.

Dr. Kurt Schmücker (CDU):
Rede ID: ID0314908000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben gesagt, seit Christus seien die Zöllner Sünder. Ich glaube, wir sind allzumal Sünder. Wenn die Zöllner schon zitiert wurden, dann sollten wir zu ihrer Ehre doch feststellen, daß sie immerhin besser als die Pharisäer sind.
Herr Kurlbaum, ich bitte um Entschuldigung, daß ich zu Beginn Ihrer Ausführungen nicht hier sein konnte. Ich war im Vermittlungsausschuß. Sie wissen, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß wegen des Außenwirtschaftsgesetzes angerufen hat.
Ich stimme mit Ihnen völlig in der kritischen Beurteilung der Angelegenheit der Autobahnnebenbetriebe überein. Es ist unser dringender Wunsch, daß derartige Verträge künftig nicht mehr geschlossen werden. Man sollte sich überlegen, ob man nicht eine frühere Auflösung der Verträge erzielen kann.
Zur Frage der Aufwertung! Herr Kurlbaum, wir haben niemals gesagt, daß die Veränderung von Wechselkursen zum konjunkturpolitischen Instrumentarium gehöre. Aber wir haben festgestellt, daß das konjunkturpolitische Instrumentarium, besonders wenn es rein monetär angelegt wird, kaum ausreichen kann bei einer so schlechten intervalutarischen Ordnung, wie wir sie hatten. Insofern möchte ich die Ausführungen von Herrn Minister Erhard unterstützen. Wir können jetzt die Dinge etwas griffiger anpacken und das konjunkturpolitische Instrumentarium wieder gebrauchen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß vorher bei vielen Maßnahmen — wie sagt man vulgär? — die Schüsse nach hinten losgingen.
Nun zur Organschaft! Ich habe manchmal folgenden Eindruck. Wenn wir eine Maßnahme vorschlagen, wollen Sie von der SPD darüber gar nicht mehr sprechen, sondern bereits einen Schritt weitergehen. Sie fragen uns: Warum tut ihr nicht das und das? Wenn wir einen Gesamtkomplex vorlegen — wie bei der Aktienrechtsreform —, dann sagen Sie: Wir wollen eine Teillösung. Legen wir Ihnen eine Teillösung vor, dann sagen Sie: Wir wollen eine Gesamtlösung. So kann man natürlich andauernd diskutieren.
Wir haben den Organschaftsvorschlag deswegen eingebracht, weil wir meinen, daß er sich in Übereinstimmung mit einer Steuer befindet, die sich am Mehrwert orientiert. Dann treten die Organschaftsprobleme nicht mehr auf. Ich weiß sehr wohl, daß man es als Gefahr hinstellen kann, daß unter dem Druck dieser neuen Bestimmungen Vollfusionierungen vorgenommen werden. Lassen Sie mich ganz offen folgendes sagen. Wenn das so in aller Offenheit geschieht, dann bin ich nur froh darüber. Dann wissen wir nämlich, wer hinter den einzelnen Firmennamen steht. Heute ist der Tatbestand kaum anders. Es gehören doch auch diese Unternehmungen zu dem großen Komplex von Unternehmen, bei denen nur ganz wenige wissen, wer dahintersteht. Dann ist es mir im Interesse der Markttransparenz schon lieber, zu sehen, wem was gehört.
Dann haben Sie darüber gesprochen, wir sollten uns mehr Mühe geben, die hochrentablen Unternehmen über eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer stärker anzufassen, und zwar mit dem Ziel einer Preisstabilisierung, einer Preisermäßigung. Herr Kurlbaum, ich würde Ihnen gern zustimmen. Ich glaube aber nicht, daß das auf diesem Weg geht. Wenn sich diese Unternehmen heute schon in einer Marktsituation befinden, die es ihnen erlaubt, derart hohe Renditen zu erwirtschaften, dann werden sie auch eine höhere Steuer verkraften. Auf diesem Wege kommen Sie dem Problem nicht bei.

(Abg. Kurlbaum: Ich habe vom Kartellgesetz gesprochen!)

— Ich glaube auch nicht, daß es allein vom Kartellgesetz her geht. Ich bin der Meinung, daß wir etwas anderes tun müssen. Ich komme darauf noch zurück.
Ich glaube, wir sollten den steuerlichen Druck so anlegen, daß diese Unternehmen gezwungen werden, zu einer Normalkapitalisierung zu kommen. Das würde bedeuten, daß Sie genötigt sind, auf eine



Schmücker
Rendite hin zu wirtschaften. Heute wirtschaften sie in der Mehrheit im Hinblick auf einen möglichen Kursgewinn. Darin liegt der große Vorteil, den diese Unternehmen haben. Ich möchte meinen, daß wir unsere Bemühungen nicht von der Einkommen- und Körperschaftsteuer her ansetzen sollten. Wir sollten unsere Bemühungen von einer anderen Seite her ansetzen, um die Unternehmen von der Unterkapitalisierung zu einer Normalkapitalisierung zu bringen. Hier würden sich die rein wirtschaftlichen Überlegungen auch mit unseren gesellschaftspolitischen Überlegungen der breiten Streuung des Eigentums treffen.
Sie haben gefragt, warum nicht mehr getan worden sei, und Sie haben das Kartellgesetz erwähnt. Lieber Herr Kollege Kurlbaum, der Vorwurf, daß nicht mehr getan worden sei, trifft auch uns. Das würde nämlich heißen, daß auch der Wirtschaftsausschuß etwas mehr hätte tun sollen. Ich meine, wir sind einigermaßen fleißig gewesen. Wir haben in diesem Bundestag bisher 50 Gesetze federführend beraten und 31 Gesetzentwürfe mitberaten und verabschiedet. Darunter befinden sich so wichtige Gesetze wie das Volkswagenwerk-Gesetz, das Sparprämien-Gesetz, die Gewerbeordnung, die Kleine Aktienrechtsreform — die Ihnen ja nicht genügt und uns auch nicht; sonst wollten wir ja nicht die Große hinterher haben —, das Zollkontingent-Gesetz für feste Brennstoffe, das Kreditwesen-Gesetz, das Kriegswaffen-Gesetz usw. Ich glaube, bei der Fülle dieses Materials wäre es kaum möglich gewesen, noch wesentlich mehr zu tun. Wenn Sie diese Liste einmal durchsehen, dann stellen Sie, meine ich, doch fest, daß in ihr wesentliche Gesetze in dem Sinne, wie Sie sie gefordert haben, im Sinne der Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse und des Abbaus wirtschaftlicher Macht enthalten sind.
Meine Damen und Herren, ich darf es sehr kurz machen. Der Herr Minister sagte vorhin, er wolle Ihnen etwas unter vier Augen sagen. Wir haben durch einen Zuruf zum Ausdruck gebracht, er könnte das auch in diesem kleinen Kreis tun; wir sind ja nur noch ein erweiterter Ausschuß, der hier zusammensitzt. — Nach wie vor liegt uns daran, daß wir die Struktur unserer Wirtschaft gesund erhalten oder, wenn Sie es anders ausdrücken wollen, besser gestalten. Wir haben dafür das Gesetz eingebracht, nach dem eine Untersuchungskommission eingesetzt wird, die uns die Unterlagen über die Konzentration erarbeiten soll. Meine Damen und Herren, wenn dieses Gesetz die Unterlagen erarbeiten soll, dann würde ich es irgendwie für widersinnig erachten, wenn man in strittigen Fragen schon vorweg etwas tun würde.
Natürlich haben wir Punkte, bei denen wir schon vorgehen können. Ich nannte Ihnen die Organschaft, und ich habe Ihnen vorhin einige Gesetze vorgelesen, die wir auch im Sinne der Dekonzentration im Wirtschaftsausschuß schon verabschiedet haben. Aber wir sollten doch versuchen, hier erst einmal alles abzuwägen, damit wir nicht falsche Schritte tun. Denn es kommt doch darauf an, daß wir die Besserung der wirtschaftlichen Struktur bei gleichzeitiger Erhaltung der Vollbeschäftigung und bei
gleichzeitiger stetiger Besserung unseres Lebensstandard erstreben. Wenn wir hier unvorsichtig vorgehen und, sagen wir mal: die Investitionsmöglichkeit aus irgendeinem Neidkomplex heraus wesentlich beschränken würden, dann könnte das Auswirkungen auf die Volkswirtschaft haben, unter denen auch die Arbeitnehmer und die Mittelständler zu leiden hätten. Ich meine, daß man hier alles zusammen sehen müßte und Schritt für Schritt und Zug um Zug vorgehen sollte. Sie können sich darauf verlassen, daß wir unserem Programmpunkt getreu weiter an der Besserung der Wirtschaftsstruktur arbeiten und versuchen werden, die besten Wege zu finden, um die Beteiligung breitester Schichten am wirtschaftlichen Vermögen sicherzustellen.
Und hier, Herr Kurlbaum, unterscheiden wir uns ja von Ihnen. Ich gebe Ihnen zu, daß Sie genauso ernst wie wir daran arbeiten, die Machtkonzentration in der Wirtschaft zu beseitigen. Aber wir wollen den einzelnen Bürger unmittelbar beteiligen. Wir wissen, daß das riskant ist und daß man einige Jahre, vielleicht zehn Jahre und mehr braucht, um volle Wirkung zu erzielen. Wir sind ebenso überzeugt, daß es falsch wäre, wenn wir Ihren, den sogenannten Deist-Weg gehen, den Menschen zwar Zertifikate in die Hand drücken, aber Kapitalsammelstellen schaffen würden, die dann ja für sich wieder solche Großkapitalisten wären, die wieder als Zentralstelle den Dirigismus in die Wirtschaft hineintragen könnten. Darum glauben wir, daß es richtig ist, mit unserem Wirtschaftsminister zusammen die Politik weiterzuführen, die wir so erfolgreich in den letzten Jahren geführt haben.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich hoffe mit Ihnen, daß die SPD Ihrem Haushalt zustimmt. Für uns ist das eine Ehrensache!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314908100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dahlgrün.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0314908200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige wenige kurze Ausführungen zu einzelnen Punkten aus der vorhergegangenen Debatte. Ich nehme als ersten Punkt die Aktienrechtsreform. Herr Kurlbaum hat zum Ausdruck gebracht, daß es seine Fraktion begrüßen würde, wenn das von der SPD eingebrachte Vorschaltgesetz zur Aktienrechtsreform noch in diesem Bundestag erledigt werden könnte, während sich Herr Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard die Verabschiedung der gesamten Reform gewünscht hat. Sehe ich die Dinge richtig, so ist es nach meiner persönlichen Meinung ausgeschlossen, die Aktienrechtsreform bei der knappen zur Verfügung stehenden Zeit noch in diesem Bundestag zu verabschieden. Es wäre auch nicht gut, ein so wichtiges Grundgesetz der Wirtschaft — so möchte ich die Aktienrechtsreform einmal bezeichnen —, ein so wichtiges Ordnungsgesetz der Wirtschaft irgendwie unter Zeitdruck in Hetze zu behandeln.



Dr. Dahlgrün
Auf der anderen Seite aber möchte ich ganz klar — ich glaube, dabei im Einverständnis mit meiner Fraktion der Freien Demokratischen Partei zu handeln — der SPD sagen, daß wir nun aber endgültig auf Grund der Erfahrungen den Geschmack an Vorschaltgesetzen verloren haben. Es ist wirklich nicht möglich, an solch wichtigen Gesetzesvorlagen immer weiter mit Vorschaltgesetzen herumzuflicken. Das ist noch schlechter als alles andere. Unser Wunsch und unsere Vorstellung davon, wie es weitergehen soll, gehen dahin, daß wir uns die Neuvorlage des Aktiengesetzes möglichst frühzeitig im 4. Bundestag wünschen, damit dieses wichtige Gesetz wirklich in aller Ruhe beraten werden kann.
Nach dieser Vorbemerkung zum Aktiengesetz gestatten Sie mir noch einige Worte zu der Klage, die Herr Kollege Kurlbaum hier über die Einkommens-und Vermögensverteilung geführt hat. Sie hätte seiner Auffassung nach besser sein können. Er brachte dabei zum Ausdruck, daß er nur die Mittel für strittig halte. Meine Damen und Herren, man sollte bei der Gelegenheit einer solchen Haushaltsdebatte ruhig einmal sagen, daß man früher, in vergangenen Jahren, hier mit aller Heftigkeit über Wirtschaftsformen und Wirtschaftssysteme gestritten hat. Das ist heute vorbei. Man streitet über das bessere Wirtschaftssystem gar nicht mehr, nachdem die Marktwirtschaft im Verlaufe der letzten Jahre diesen Streit der Meinungen „hie Marktwirtschaft, hie Planwirtschaft" mit so überzeugenden Erfolgen, ich möchte sagen, einfach überrollt hat.
Bei solch einer Gelegenheit ist es nützlich und gut, wenn man sich einmal erinnert, wie es eigentlich vor 13, 14 Jahren war, als rund um uns herum alles in Trümmern lag, als wir vor dem Flüchtlingselend standen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir doch sagen, daß wir damals für den Wiederaufbau mit Zeiträumen von 30 oder 50 Jahren gerechnet haben, ganz abgesehen von vielen, die überhaupt resigniert hatten. Durch dieses Wirtschaftssystem, das früher mit der Planwirtschaft in Streit lag und meiner Ansicht nach heute wegen seiner Erfolge — seiner eindeutigen, klaren Erfolge - von dem früher überzeugtesten Planwirtschaftler nicht mehr verdammt werden kann, haben wir den Wiederaufbau bis zum heutigen Tage geschafft.
Nun ich bin absolut mit Herrn Kurlbaum der Meinung, daß trotz aller errungenen Erfolge in den vergangenen Jahren manche Unebenheiten aufgetreten sind, daß manches, möglicherweise sogar vieles, gar nicht so gelaufen ist, wie wir uns das erhofft hatten oder wie wir es erstrebt haben. Das gilt auch für den Sektor Einkommens- und Vermögensverteilung. Die Ungerechtigkeiten, die heute noch vorliegen, sollte man wirklich nicht leicht nehmen. Aber eines darf zur Beseitigung etwa vorhandener Fehler unter keinen Umständen geschehen: Es darf nicht das alte, verrostete Planungsmesser hergenommen und zur Operation angesetzt werden, mit dem — von Staat oder von der Verwaltung — unter Mißachtung des Eigentums Vermögen oder Einkommen beschnitten wird, um es angeblich in gerechter Weise umzuschichten — wie der schaurig schöne Fachausdruck heißt — und nach einer Gerechtigkeitsvorstellung, die gar nicht gerecht sein kann, an anderer Stelle als mehr oder minder großes Stück zuzulegen. So geht es nach meiner Ansicht nicht. Die Folge solcher Operationen wäre ohne jeden Zweifel der Tod des Patienten „Privateigentum" an einer Sepsis.
Nach meiner Ansicht muß etwas ganz anderes geschehen und ist etwas ganz anderes vonnöten: die Stärkung des Glaubens jedes einzelnen Bürgers an die Kraft der eigenen Initiative und die Stärkung des Willens zur eigenverantwortlichen Mitarbeit. Wenn Sie in dieser Richtung etwas tun, werden Sie auch das Zeitgefühl der Leere und das Gefühl der Unzufriedenheit überwinden helfen. Es ist doch richtig, daß die vielleicht in der einen oder anderen Weise noch nicht ganz durchgeführte beste Einkommens- und Vermögensverteilung — wenn ich diesen schlechten Ausdruck hier einmal gebrauchen darf — gewisse Gefühle des Mißbehagens und der Ungeduld hervorgerufen hat. Wir sehen den Wert des alten Weisheitswortes, daß Geld allein nicht glücklich macht. Wir haben trotz aller Erfolge, die wir zu verzeichnen haben, immer wieder Unzufriedene und eine gewisse Unzufriedenheit an dem Verlauf. Wenn jeder einzelne an seine eigene Kraft und seine eigene Mitverantwortung glaubt, dann, meine ich, kommen wir schon hin, und wenn der Staat in dieser Richtung Voraussetzungen zu schaffen versucht, was seine Pflicht ist — manches hat er auch in der Vergangenheit schon in dieser Richtung getan —, dann kann der Bundeswirtschaftsminister auf seinem Sektor damit rechnen, daß wir Freien Demokraten ihn immer voll unterstützen werden. Aber gegenüber allen Bestrebungen, ein kleines Stückchen Planwirtschaft vielleicht doch durch die Hintertür hereinzuholen und den einen oder anderen dieser überholten Gedanken in die Marktwirtschaft einzuschmuggeln, sind wir — das muß ich Ihnen offen sagen — sehr hellhörig, und wir sind auch hellhörig, wenn solche Dinge „linksaußen" bei der Regierungspartei passieren.
Ich will hier nicht in aller Breite auf die Beschlüsse der christlich-sozialen Arbeitnehmerschaft in Königswinter eingehen, ich will hier nicht aus dem Ahlener Programm zitieren, ich will auch nicht die Interviewbestätigung meines sehr hoch geschätzten Kollegen Katzer

(Zuruf von der SPD: Von rechtsaußen sieht das natürlich nach linksaußen aus!)

hier in aller Breite anführen, daß seine Gruppe noch links von der SPD stände; das hat er immerhin dem Journalisten auf Fragen gesagt. Ich weiß, daß auch die SPD nicht sehr begeistert davon war. Diese Dinge sind viel zu bekannt. Ich möchte nur eine einzige, sehr bedenkliche, gerade in der letzten Zeit in dieser Richtung gemachte Äußerung hier anführen. Ich möchte das hier sagen, weil sich Herr Kurlbaum und Herr Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Erhard über die Gewerkschaften und ihre Stellung - wenigstens am Rande - in einem Dialog unterhalten haben. Herr Katzer hat in Königswinter zu allem Überfluß erklärt, die voreilige Ablehnung des Vorschlages einer Industriegewerkschaft auf



Dr. Dahlgrün
Einführung eines Solidaritätsbeitrages werde von ihm sehr bedauert.

(Zuruf von der SPD: Ist von niemand gefordert worden!)

— Nun schön, es ist angeregt oder in die Diskussion gebracht worden. Immerhin hat Herr Katzer ganz deutlich gemacht, wo sein Platz ist, nämlich „linksaußen". Herr Kollege Katzer hat uns aber gleich auch die Begründung für die Richtigkeit unserer, seiner Meinung nach voreiligen Ablehnung dieses gewerkschaftlichen Verlangens mitgeliefert. Er hat nämlich erklärt — ich darf zitieren —, man müsse prüfen, wie diese im Ansatz richtige Grundidee einer institutionellen Verankerung der Arbeitnehmerschaft in der gesellschaftlichen Ordnung zu verwirklichen sei.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren! Das ist es gerade; bei
einer institutionellen Verankerung der Gewerkschaften geht naturnotwendig ihre Freiheit verloren.

(Abg. Winkelheide: Sie müssen doch Gewerkschaften und Arbeitnehmer unterscheiden!)

- Ich werde es Ihnen gleich sagen.

(Unruhe bei der CDU/CSU und der SPD. — Zuruf von der SPD: Sie stehen doch rechtsaußen!)

Sie verlieren so zwangsläufig ihre verfassungsmäßig garantierte Freiheit und Autonomie, und am Ende wird die Staatsgewerkschaft stehen. Da haben Sie sehr recht, Herr Kollege, es ist nicht die Staatsgewerkschaft allein, sondern es kommen selbstverständlich dann auch staatliche Vereinigungen der Arbeitgeberverbände. Das ist immer dasselbe.

(Zuruf von der SPD: Machen Sie sich doch keine Sorgen um die Gewerkschaften!)

Freie Gewerkschaften und freie Arbeitgeber verlieren ihre Freiheit immer gleichzeitig. Deshalb mache ich mir auch Sorge um die Gewerkschaften. Im Totenschein der beiden Institutionen oder Organisationen steht immer dasselbe Datum. Das hat uns die Geschichte gezeigt.
Ich freue mich jedoch aufrichtig — und deshalb habe ich keine großen Sorgen vor diesen Bestrebungen —, daß es einige Gewerkschaften gegeben hat, die ein sehr gutes Gefühl für diese freiheitlichen Gedanken hatten und solche Forderungen einer Gewerkschaft mit Leidenschaft abgelehnt haben. Aber ich bin der Meinung, man muß auch den Anfängen wehren.
Ich wollte das hier einmal zum Ausdruck bringen und möchte im übrigen nur noch sagen, daß die Fraktion der Freien Demokraten dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums zustimmen wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314908300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (CDU):
Rede ID: ID0314908400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur eine ganz kurze Bemerkung machen und Ihre Aufmerksamkeit auf den Tit. 602 bei den Allgemeinen Ausgaben des Bundeswirtschaftsministeriums lenken, der noch mit Sicherheit eine sehr erhebliche Ausgabensteigerung bringen wird. Es handelt sich um den Titel „Deutsche Beteiligung an ausländischen Messen". Es ist bereits angekündigt worden, daß wir uns an der großen Ausstellung in Moskau beteiligen werden. Nach meinen Informationen durfte sich dann der deutsche Beitrag nach den bisherigen Feststellungen auf mindestens 12 Millionen DM belaufen, d. h. mehr, als gegenwärtig im gesamten Titel für alle deutschen Messebeteiligungen im Ausland überhaupt ausgebracht ist. Mir scheint es notwendig zu sein, hierzu einige Bemerkungen zu machen. Es bleibt natürlich nicht bei den Ausgaben in Höhe von 12 Millionen DM, sondern nach sehr vorsichtigen Schätzungen werden sich die Gesamtkosten allein des deutschen Pavillons auf dieser Messe auf mindestens 60 Millionen, wahrscheinlich sogar auf 70 und mehr Millionen DM belaufen. Wir sind bei dem Ausbau dieses Pavillons — das alles ist Ihnen ja nicht unbekannt - völlig auf die Preise angewiesen, die uns die russische Seite vorschreibt; denn sie allein bestimmt, was wir zu zahlen haben, was wir für jeden Nagel und für jede Leiste auszugeben haben. Daß man diese Gelegenheit zu einer kräftigen Schröpfung der kapitalistischen Devisenspender benutzt, ist auch nich ganz unbekannt.
Ich gebe nun zu erwägen, ob es überhaupt angebracht erscheint, daß Mittel in einer derartigen Höhe für eine einmalige Ausstellung von kurzer Dauer ausgegeben werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Im Bundeshaushalt stehen vielleicht nur 12 bis 15 Millionen DM, die dann überplanmäßig im Laufe dieses Sommers noch dem Haushaltsausschuß -
nehme ich an — und dem Außenhandelsausschuß vorgelegt werden. Aber das, was die deutsche Industrie dafür zusätzlich aufzubringen hat — die anderen drei Viertel oder, besser gesagt, vier Fünftel der Summe -, sind ja alles Gelder, die aus Abschreibungen entnommen werden, d. h. sie belasten den Bundesfinanzminister indirekt. Daher tritt eine Gesamtbelastung von mindestens 60 Millionen DM ein.
Begründet wird es damit, daß die anderen, die Franzosen, die Engländer, es auch machen und wir folglich nicht zurückstehen können. Die lachenden Dritten dabei sind im Grunde genommen die Leute in Moskau, die sich freuen, daß hier ein solcher Wettbewerb stattfindet, der, glaube ich, ihnen allein von Vorteil ist.
Ich verkenne nicht die Notwendigkeit politischer Rücksichten. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß hier außenpolitische Rücksichten eine erhebliche Rolle spielen. Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal die Frage erheben: Steht ein solcher Prestige-Wettbewerb mit diesen ungeheuren Kosten,
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 149, Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1961 8513
Dr. Vogel
die er verursacht, noch in einem richtigen Verhältnis zu dem Zweck, der damit erreicht werden soll?

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! — Unter gar keinen Umständen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314908500
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 09 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. + Enthaltungen?
— Bei einer Enthaltung mit Mehrheit angenommen!
Es ist interfraktionell vereinbart worden, nun von der ursprünglichen Reihenfolge abzugehen und als nächstes den Einzelplan 19 zu behandeln. Ich rufe also auf:
Einzelplan 19 — Bundesverfassungsgericht (Drucksache 2514).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Tamblé als Berichterstatter. — Ich sehe, der Herr Berichterstatter ist nicht im Saal. Wird auf den Bericht verzichtet? — Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Einzelplan 19 — Bundesverfassungsgericht — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Es ist vereinbart worden, nunmehr die Einzelpläne 20 und 27 aufzurufen. Ich komme zum
Einzelplan 20 — Bundesrechnungshof (Drucksache 2515)

und erteile dem Abgeordneten Kisters als Berichterstatter das Wort. — Herr Kisters ist nicht im Saal. Wird auf den Bericht verzichtet? — Das ist der Fall. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 20 — Bundesrechnungshof — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme zum
Einzelplan 27 — Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen (Drucksache 2519)

und erteile das Wort dem Abgeordneten Hermsdorf als Berichterstatter. — Auch er ist nicht im Saale. Es wird auf den Bericht verzichtet, nehme ich an. — Das ist der Fall. — Wird das Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall.
Wer dem Einzelplan 27 Geschäftsbereich des
Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Es ist vereinbart worden, nunmehr die Einzelpläne 32, 33, 35 und 40 zu behandeln. Ich komme zum
Einzelplan 32 — Bundesschuld (Drucksache 2523) .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Windelen. Wünscht er das Wort?

(Zurufe.)

— Das Haus verzichtet auf Berichterstattung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Einzelplan 32 — Bundesschuld — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zum
Einzelplan 33 — Versorgung (Drucksachen 2524, zu 2524)

und da zum Umdruck 813. Wünscht der Berichterstatter, der Abgeordnete Seidel (Fürth), das Wort?
— Das ist nicht der Fall. Auf Berichterstattung wird verzichtet. In der Aussprache hat das Wort Abgeordneter Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0314908600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde es sehr kurz machen. Wir beantragen auf Umdruck 813, die Darstellung, die wir bisher in der Öffentlichkeit gegeben haben, zu ändern. Wir sind der Überzeugung, daß die unrichtigen Vorstellungen über unseren Wehretat nicht zuletzt darauf beruhen, daß wir es nicht fertigbringen, organisatorisch diese einzelnen Posten, die auf unseren ganzen Haushaltsplan verteilt sind, so in das Auge des Betrachters zu rücken, daß sie wirklich auch in der Zahl eine imposante Summe ausmachen, wie es sich im Effekt verhält. Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir den Änderungsantrag gesehen wissen; materiell soll sich nichts ändern.
Zum zweiten, Herr Bundesfinanzminister, habe ich noch eine spezielle Bitte. Durch den Einzelplan 33
— Versorgung — wird ein Personenkreis angesprochen, bezüglich dessen wir die gesetzliche Regelung möglichst noch in dieser Legislaturperiode abschließen wollen. Ich bitte, zum gemeinsamen Verständnis dieser sehr schwierigen Materie alle Damen und Herren des Hauses sich mit folgenden Übersichten zu versehen:
1. Eine Gegenüberstellung der Besoldungsordnung C und A, um zu erkennen, was die Überführung von Besoldungsordnung C nach A für den einzelnen Betroffenen bedeutet. Die Ausmaße hier zu schildern, will ich mich jetzt enthalten; es wird später dazu Gelegenheit sein.
2. Zur Beurteilung des durch das Bundesverfassungsgericht obsolet gewordenen Beförderungsschnitts für aktive Beamte, Richter und Offiziere der Bundeswehr ebenfalls eine Gegenüberstellung des Beförderungsschnitts für Beamte in seiner Auswirkung zu den Soldaten. Sie werden erstaunt sein, daß drei Beförderungen sieben gegenüberstehen. Deshalb sollte mit einer dritten Novelle zu diesem Gesetz die Unterschiedlichkeit zur Zufriedenheit aller beseitigt werden.



Kreitmeyer
Dieser Antrag liegt bestimmt auch im Bereich der fiskalischen Möglichkeiten 60%.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0314908700
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Ich komme damit zur Abstimmung, zuerst über den Umdruck 813 der Fraktion der FDP, der soeben begründet worden ist. Ich nehme an, wir können im ganzen abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 813 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 33 — Versorgung —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zum
Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 2525).
Wünscht der Berichterstatter, der Abgeordnete Dr. Stecker, das Wort? — Das ist nicht der Fall. — Das Haus verzichtet auf den Bericht. Wird das Wort zur Sache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 35 — Verteidigungslasten — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zum
Einzelplan 40 — Soziale Kriegsfolgeleistungen (Drucksache 2527).
Wünscht der Berichterstatter, der Abgeordnete Gewandt, das Wort? —

(Abg. Gewandt: Ich beziehe mich auf den Bericht!)

— Er bezieht sich auf den Schriftlichen Bericht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Einzelplan 40 — Soziale Kriegsfolgeleistungen — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? —
Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, Weiteres können wir nicht mehr behandeln.

(Widerspruch.)

— Meine Damen und Herren, wir können keinen Haushalt mehr behandeln. Es ist keiner da. Oder haben Sie einen Haushalt, den wir behandeln können?

(Zurufe: Einzelplan 28!)

— Wenn Sie bereit sind, ihn ohne den Minister zu behandeln, der nicht wußte, daß es so frühzeitig sein würde, gut!
Ich komme zu Einzelplan 28:

(Drucksache 2520. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kreitmeyer als Berichterstatter. (Abg. Kreitmeyer: Ich bitte, auf den Bericht verzichten zu dürfen! Es hat sich nichts geändert!)

— Das Haus ist mit dem Verzicht auf den Bericht einverstanden. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Einzelplan 28 - -

(Abg. Schmitt-Vockenhausen meldet sich zum Wort.)

— Jetzt sind wir in der Abstimmung. Also jetzt sind Sie wirklich zu spät, Herr Kollege Schmitt.
Wer dem Einzelplan 28 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen, aber bei zahlreichen Gegenstimmen rechts und links angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Beratung.
In Abweichung von der ursprünglichen Planung berufe ich die nächste Plenarsitzung bereits auf Dienstag, den 14. März, 15.00 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.