Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, in der Nacht vom 14. auf den 15. Dezember
starb in Locarno der letzte frei gewählte preußische Ministerpräsident, Dr. Otto Braun, im beinahe vollendeten 84. Lebensjahr.
Otto Braun wurde am 28. Januar 1872 in Königsberg geboren. Vom Jahre 1913 an gehörte er dem Preußischen, Landtag an. 1919 war er Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, und von 1920 bis 1933 war er Mitglied des Deutschen Reichstages. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches gehörte Otto Braun in Preußen zu den führenden Kräften, die es sich zur Aufgabe gesetzt hatten, Preußen und Deutschland als sozialen und freiheitlichen Rechtsstaat zu festigen. Im Jahre 1918 wurde Otto Braun als Minister für Landwirtschaft in die preußische Regierung berufen. 1920 bis 1932 war er preußischer Ministerpräsident. Im Juni 1932 wurde die Regierung Braun in Preußen durch das Zusammenspiel der extremen Flügel des Parlaments gestürzt und damit der Weg für die Machtübernahme Hitlers frei gemacht. Seit 1933 lebte Otto Braun im Exil in der Schweiz.
Mit Otto Braun ging ein Mann von uns, der sich als Abgeordneter des Preußischen Landtages, als Mitglied des Deutschen Reichstages, als Minister und Ministerpräsident von Preußen große Verdienste nicht nur um sein Land, sondern um das ganze deutsche Volk erworben hat. Es wäre Sache des Preußischen Landtages, dieses Mannes heute zu gedenken. Nun, da die Stimme Preußens verstummt ist, gereicht es dem Deutschen Bundestag zur Ehre, Otto Brauns als eines mannhaften Dieners des preußischen Staates dankbar zu gedenken. Sie haben sich zu Ehren des Toten erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich darf noch darauf aufmerksam machen, daß durch Beschluß des Hauses in der gestrigen Plenarsitzung die heutige Tagesordnung erweitert ist um den Punkt: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen, Drucksache 1972.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 15. Dezember 1955 gemäß § 20 Abs. 5 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten in der Fassung vom 10. Dezember 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 811) die Verordnung M Nr. 3/55 über Preise für Milch zur Bekanntgabe im Bundestag übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Damit sind wir bei der Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1:
a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Gründung eines Mittelstandsinstituts ;
b) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz ;
c) Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung ;
d) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufsausübung im Handel ;
e) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel ;
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Förderung der Mittelschichten .
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Gründung eines Mittelstandsinstituts hat das Wort der Abgeordnete Schmücker.
Schmücker , Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich einmal das Vergnügen macht, all die lobenden Prädikate zu sammeln, die in den vielen Versammlungen über den Mittelstand ausgeschüttet werden, der wird neidlos zugeben müssen, daß es geradezu eine Pracht ist, ein Mittelständler zu sein. Und wenn man dann noch anfängt, den Lebensstandard der Handwerker, der Kaufleute nach ihren Autos statistisch zu erfassen, dann muß man wohl zu der Ansicht gelangen, daß für diese Menschen das goldene Zeitalter angebrochen ist. Und wenn man in der gleichen Übertreibung die lange Liste der manchmal zu lauten Beschwerden aufschlägt, dann mag man sich am Ende wundern, daß es überhaupt noch Mittelständler gibt. Sie alle kennen den reichen Schatz der Worte, und ich möchte hoffen, daß den meisten von uns es langsam genug ist mit den vielfältigen Lob- und auch den vielfältigen Klageliedern. Was den Mittelstand selber betrifft, meine ich, hat er es gar nicht nötig, sein Schicksal auf Allgemeinplätzen zerreden zu lassen oder seine berechtigten Forderungen durch übertriebene Darstellungen unglaubwürdig zu machen. Der Mittelstand kann sich mit seinen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leistungen durchaus sehen lassen. Er ist nicht nur kein Restbestand einer vergangenen Welt, sondern beruht auf einem soziologischen Prinzip, das in die Zukunft weist. Die hohe soziologische Aufgabe des Mittelstandes ist es, in einer gesund gegliederten Wirtschaft das verbindende Element zu sein. Ein Volk, das starke Mittelschichten besitzt, kann nicht in Klassen auseinanderfallen, es ist widerstandsfähiger gegen Erschütterungen als Völker mit einer unausgeglichenen Struktur. Nicht daß unsere Mittelständler sich einbildeten, sie seien besser oder wichtiger als die Menschen anderer Gruppen! Nein, sie sind nur genau so wichtig! Und das mittelständische Prinzip zu wahren bedeutet, die Vielgestaltigkeit unserer Wirtschaft zu garantieren, und das, meine Damen und Herren, dient dem Nutzen aller Staatsbürger.
Das heißt für dieses Parlament, daß es in seine Arbeit alle die selbständigen Existenzen in landwirtschaftlichen, handwerklichen, kaufmännischen und sonstigen gewerblichen Unternehmen einbeziehen muß und deren Besonderheiten zu berücksichtigen hat. Es muß für den Bundestag und die Bundesregierung ein wichtiges und, ich meine, ein wichtiges soziales Anliegen sein, auch die freiberuflich Tätigen in ihre Arbeit einzubeziehen. Die breite Schicht der Beamten und Angestellten, die sich zum Mittelstand zählen, hat ebenfalls ein Anrecht darauf, bei uns Verständnis und Stütze zu finden, ich wiederhole es noch einmal: nicht weil sie etwas Besonderes oder Besseres wären, sondern weil sie lebenswichtige Teile des Ganzen sind. Ich möchte darum sagen: Unser Mittelstand ist nicht nur soziologisch wichtig, er ist geradezu unentbehrlich.
Da wir heute vorwiegend über die Probleme des gewerblichen Mittelstandes sprechen, lassen Sie
mich die beweisenden Beispiele auch aus diesem Bereich nehmen: Wir bilden uns nicht ein, daß man etwa Autos oder Dampfmaschinen in Handwerksstuben fabrizieren könnte. Aber ebensowenig ist es möglich, die mannigfaltigen Dienstleistungen und Spezialherstellungen etwa nur großwirtschaftlich zu betreiben. Die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Mittelstandes geht besonders deutlich aus der von ihm geleisteten Ausbildung des Nachwuchses hervor. In mittelständischen Betrieben und Büros werden gegenwärtig über 800 000 Lehrlinge ausgebildet. Schließlich beweist der seit 80 Jahren stabil gebliebene Anteil von über 99 % an den Betriebsstätten die volkswirtschaftliche Unentbehrlichkeit des Mittelstandes.
Jeder, der diese Zahlen erstmals hört, wird unwillkürlich die Frage stellen: Wenn das so ist, warum seid ihr dann so pessimistisch, und warum seid ihr dann so unzufrieden?
Nun, meine Damen und Herren, wir sind ja gar nicht pessimistisch. Die selbständige Arbeit in Handel, Handwerk und Gewerbe, in Landwirtschaft und freien Berufen hat gute Aussichten für die Zukunft. Wenn diese Aussichten sich nicht erfüllen sollten, dann nimmt die Geschichte durch unsere Schuld einen Lauf, der den Arbeiter wie den Funktionär wie den Wirtschaftsführer genau so erniedrigt wie den kleinen selbständigen Unternehmer. In unserer Freiheit sind wir alle aufeinander angewiesen.
Und unzufrieden, meine Damen und Herren? Ich habe neulich einmal gehört, daß der alte Metternich gesagt haben soll, das Höchste, was man in der Politik erreichen könne, sei eine mäßige Unzufriedenheit. Zugegeben, die Unzufriedenheit I wird manchmal überlaut betont. Derjenige tut Unrecht, der dabei jeden wirtschaftlichen Wiederaufstieg der letzten Jahre bestreitet. Aber es ist seit einiger Zeit — und nicht ganz ohne unsere Schuld, meine ich — modern geworden, mit lautstarken Methoden die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Ich halte diese Methoden für schlecht, egal wer sie gerade anwendet. Erfunden haben diese Methoden nicht die Mittelständler, nur haben sie häufig das Empfinden, daß die Offentlichkeit, bevor nicht demonstriert wird, auch gar keine Notiz nimmt. Aber erheben wir keine Vorwürfe, keine gegenseitigen Anklagen, sondern bemühen wir uns, durch gemeinsame Arbeit zum Ausgleich zu kommen! Wir haben niemals ein Hehl daraus gemacht, daß beim Wiederaufbau die Grundindustrie bevorzugt werden mußte. Der Großwirtschaft mußte ermöglicht werden, den internationalen Wettbewerb anzutreten. Aber wir meinen, daß es nun dringend an der Zeit ist, etwas für diejenigen zu tun, die bis jetzt warten mußten.
Wir sind in der CDU/CSU-Fraktion nicht untätig gewesen, auch wenn der Herr Kollege Dr. Schild in seinem Nachrichtendienst etwas Gegenteiliges andeutet. Wir haben überlegt, wir haben diskutiert mit allen Berufsgruppen, nicht nur mit unseren eigenen, und wir kommen heute mit konkreten Vorschlägen.
Die wesentlichste Erkenntnis aus unseren Beratungen scheint uns die zu sein, daß die Benachteiligungen der mittelständischen Wirtschaft keineswegs unvermeidbar sind. So wie in der Landwirtschaft die mittelständische Betriebsform ganz klar und für jeden sichtbar ihre Überlegenheit bewiesen hat, so wird nach unserer Überzeugung
die mittlere und kleinere Wirtschaft im gewerblichen Betrieb ebenfalls weiter vordringen, wenn ihr nur die gleichen Startbedingungen gegeben werden. Ein fairer Wettbewerb sollte das erste und wichtigste und, wenn er vorhanden ist, meinetwegen sogar das einzige Ordnungsprinzip unserer Wirtschaft sein.
Viele unterstellen, daß die Entwicklung, so wie sie gelaufen ist, natürliche Wege gegangen sei. Das ist falsch. Vor allem der Staat selber, und er noch mehr als die großwirtschaftliche Konkurrenz, hat aus seinem Schematismus heraus, ,den er nie wird ablegen können, den kleinen und mittleren Betrieb Jahrzehnt um Jahrzehnt schlechter gestellt. Ich darf an dieser Stelle und gerade unseren Mittelständlern einmal sagen: Was wir heute an Benachteiligungen unseres Mittelstandes aufzählen, ist nicht etwa das Ergebnis der Tätigkeit dieses Parlaments oder dieser Regierung, sondern das ist das Ergebnis vieler Jahrzehnte. Die berüchtigten, hin und wieder auch in den Protesten angezogenen „tausend Jahre" von 1933 bis 1945 haben einen nicht geringen Anteil an diesen Zurücksetzungen. Immerhin, in den meisten Fällen sind die Schlechterstellungen die Summe der sogenannten Nebensächlichkeiten und kleineren Übel, die bei den durchaus notwendigen Kompromissen bekanntlich immer wieder in Kauf genommen werden müssen. Die Summe gerade dieser Kleinigkeiten macht die Not des Mittelstandes aus. Wir müssen also jetzt darangehen, die vielen Fehler einer langen Vergangenheit zu beseitigen. Ich darf einmal ganz kurz einige dieser Fehler nennen.
Ich bin der Auffassung, daß unsere Verwaltung zwangsläufig, so wie sie aufgebaut ist, den Mittelstand immer wieder überspielen muß, weil sie nach Sach- und Fachtiteln aufgegliedert ist. Der Mittelstand muß überall sein, in jedem Ressort, und weil er überall ist, gerät er überall in die Minderheit. Und dann, meine Damen und Herren, sollten wir uns doch nichts vormachen! Erfahrung und Wissen hängen in der Regel mit dem Beruf zusammen. Beruf und Interesse sind aber nicht voneinander zu trennen. Wir tun immer so, als gebe es eine wirklich restlos objektive Betrachtung. Ich meine, es so etwas gar nicht geben kann. Wenn die Verwaltung gar direkte Förderungsleistungen für die Wirtschaft übernimmt, wird die Benachteiligung meistens noch krasser. Die meisten von Ihnen werden das Beispiel von Professor Röpke kennen, der einmal gesagt hat, die soziale Tarifgestaltung der Bundesbahn habe sehr viel dazu beigetragen, die Zusammenballungen der Großwirtschaft zu fördern, Zusammenballungen, deren Kosten praktisch die Allgemeinheit tragen muß.
Bei der Sozialgesetzgebung ist es leider nicht viel anders. Das Beispiel der 30er Jahre beweist es: die Arbeitslosigkeit erstreckte sich damals zum überwiegenden Teil auf die Großbetriebe. Das bedeutet, daß die kleinen Betriebe ihre Beschäftigten durchgehalten und damit praktisch die durch die Arbeitslosigkeit in den Großbetrieben entstandenen Kosten mitfinanziert haben. Ich betone ausdrücklich, daß das, was ich sage, natürlich nicht in vollem Umfange zutrifft. Aber das ist es ja gerade, daß bei den einzelnen Problemen immer wieder, ich möchte sagen, die Randerscheinungen, die Nebensächlichkeiten oder wie man es sonst im einzelnen nennen mag, übersehen werden und daß aus ihrer Summe sich die Benachteiligung für den Mittelstand ergibt.
Am deutlichsten zeigt sich die Benachteiligung des Mittelstandes in der Steuergesetzgebung. Wir haben es uns schon lange abgewöhnt, von direkten und indirekten Steuern zu sprechen, da alle Steuern irgendwie in die Preise einkalkuliert werden. Am deutlichsten zeigt sich die Benachteiligung bei der Umsatzsteuer. Ich meine hier nicht den Prozentsatz, der eine wichtige, aber nicht die allein entscheidende Rolle spielt. Ich meine vielmehr die kumulative Wirkung der Umsatzsteuer, durch die seit Jahrzehnten die Zusammenballungen und Konzentrierungen gefördert worden sind. Diese Wirkung kann, je nach der Wirtschaftsgruppe, zu einem Kalkulationsnachteil bis zu 15 '°/o führen. Dadurch ist eine Abwälzbarkeit gar nicht mehr gegeben. Die Entwicklung führt zu betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzentrationen, die jeder Vernunft widersprechen. Benachteiligt werden die Kleineren; sie haben praktisch die finanziellen Lasten zu tragen. Ein Beispiel zur Verdeutlichung. Wir haben einer Statistik, die in der letzten Woche veröffentlicht wurde, entnehmen können, daß der Kaffeeimporthandel den größeren Teil des Innenmarktes an sich gerissen hat. Das liegt daran, daß seine Kalkulation im Schnitt durch die Gestaltung der Umsatzsteuer um 4 bis 5 °/o günstiger ist. Das bedeutet auf das Kilo Kaffee immerhin 1 bis 1,20 DM, und was das heute ausmacht, wissen Sie genausogut wie ich. Sie kennen den Wechsel von selbständigen Kaufleuten zu Handelsvertretern. Auch das ist eine Folge unserer Umsatzsteuer. Ich könnte die Reihe der Beispiele erweitern; aber ich glaube, es genügt zur Begründung der Anfrage, wenn ich nur einmal die Stichpunkte anspreche. Man könnte auch auf die durch die Art der Vergabe der öffentlichen Aufträge bewirkte Zusammenballung und auf die, ich möchte sagen, etwas sture getrennte Behandlung des Gesellschaftsrechtes nach gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Gesichtspunkten hinweisen; man kann beides nur zusammen betrachten, wenn man der Wirklichkeit gerecht werden will.
Was ist nun gegen diese Dinge zu tun? Wir sind der Meinung, daß die Bundesregierung und vielleicht auch die Landesregierungen die institutionelle Verankerung des Mittelstandes erwägen sollten und daß eine Reihe wichtiger gesetzgeberischer Maßnahmen erfolgen müssen. Aber das Wesentlichste wird sein, daß man zunächst einmal an die Lösung der Grundsatzfragen herangeht. Darum haben wir uns darum bemüht, daß der Mittelstand in die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschung einbezogen wird. Die Wissenschaft ist heute unbestritten die Grundlage der Wirtschaft und auch der Wirtschaftspolitik. Wir müssen diese Wissenschaft finanziell und materiell in die Lage versetzen, den Mittelstand verstärkt in ihre Arbeit einzubeziehen. Dazu haben wir uns drei Möglichkeiten überlegt.
Da ist zunächst die sich anpreisende Möglichkeit eines Interesseninstituts, meinetwegen ein Institut wie das Gewerkschaftsinstitut oder das Industrieinstitut. Ich sage nichts gegen die Objektivität und den Wert dieser Institute, die auch von uns anerkannt werden. Aber ich glaube, daß man nicht so beginnen kann, sondern man muß vorher einmal ein von allen Seiten als wirklich objektiv anerkanntes Institut begründen.
Die zweite Möglichkeit wäre, eine Bundesanstalt einzurichten. Aber auch das scheint uns nicht der richtige Anfang zu sein.
Wir ziehen ein unabhängiges Universitätsinstitut vor. Wir erklären ausdrücklich, daß uns an der Freiheit der Forschung und Lehre gelegen ist. Der Resultate wegen, aber auch des Respektes wegen, den diese Resultate in der Öffentlichkeit haben müssen! Aber auch des Respektes wegen, dem diese Resultate im Mittelstand selbst begegnen müssen! Denn auch dem Mittelstand — das bekenne ich ganz offen — werden einige unangenehme Dinge gesagt werden müssen. Er ist keineswegs so homogen, wie der eine oder andere annehmen mag. Häufig ist es so, daß sich in ihm die Interessen gegenseitig sperren. Das möchten wir durch die Autorität eines unabhängigen Universitätsinstituts überwinden.
Wir haben vor etwa einem Jahr den Herrn Bundeswirtschaftsminister gebeten, sich dieser Pläne anzunehmen, und er hat das mit Begeisterung und viel Liebe — das darf ich hier ausdrücklich anerkennen und betonen — getan.
Wir wissen, seine Verhandlungen mit dem Lande Nordrhein-Westfalen sind so weit gediehen, daß es heute möglich sein sollte, der deutschen Offentlichkeit einen Bericht zu geben. Diesen Bericht zu erbitten, ist der Sinn unserer Großen Anfrage, wie sie Ihnen auf Drucksache 1871 vorliegt.
Meine Damen und Herren, ich habe zu Beginn gesagt, daß mit allgemeinen Reden dem Mittelstand nicht geholfen werden kann. Nach der Aufzählung konkreter Beispiele und realer Vorschläge glaube ich aber nicht in Gegensatz zu dem Beginn meiner Ausführungen zu kommen, wenn ich zum Schluß noch einmal darauf hinweise, daß Mittelstandspolitik, so wie wir sie auffassen, keine Interessenvertretung ist, sondern dem Vorteil des gan- f zen Volkes dient.
Wir sind fest davon überzeugt, daß die Möglichkeit der freien unternehmerischen Betätigung ein unverzichtbares Stück einer unteilbaren Freiheit ist. Freiheit existiert nur, wenn jeder tüchtige Mensch die Chance behält, sich wirtschaftlich selbständig zu machen. Nicht daß er persönlich diese Chance ergreift, sondern daß er sie ergreifen kann, macht jeden von uns, auch den in abhängiger Stellung tätigen Menschen, frei. Gibt es keinen wirtschaftlichen Aufstieg mehr von kleineren zu großen Aufgaben, dann verschwindet auch in unserer Gesellschaft der fließende Übergang, dann wird die gegen alle Spaltungen sichernde Klammer geschwächt. Im wohlverstandenen Interesse der eigenen Freiheit sollten daher alle Menschen, gleichgültig ob sie arm oder reich sind, einen Mittelstand wollen. Unsere Vorschläge, die wir Ihnen heute vorlegen, sind aus dieser Erkenntnis geformt. Wir bitten alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause um ihre Unterstützung.
Vor der Beantwortung der Großen Anfrage durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister hat nach § 47 der Geschäftsordnung der Herr Bundeskanzler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Den sehr klugen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schmücker , die ich namentlich deswegen als klug bezeichnen möchte, weil er die Zusammenhänge der Wünsche und der Nöte des Mittelstandes mit der gesamten Wirtschaft nicht außer acht läßt, sowie den Ausführungen in der Denkschrift,
die wahrscheinlich den meisten von Ihnen bekannt ist, kann man, glaube ich, in vielen Punkten durchaus beipflichten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird Ihnen im einzelnen antworten und wird auch darlegen, was im Bundeswirtschaftsministerium auf diesem Gebiete bis jetzt geschehen ist.
Ich möchte, meine verehrten Damen und Herren, einige Worte zu den einleitenden Ausführungen des Herrn Schmücker sagen, in denen er auf die sozialpolitische und die staatspolitische Notwendigkeit, den Mittelstand gesund zu erhalten, hinwies.
Den Begriff des gewerblichen Mittelstandes genau zu umreißen ist an sich schon schwer. Man wird da versuchen müssen, so gut es eben möglich ist, eine Abgrenzung zu finden. Zum Mittelstand
— ich glaube, da befinde ich mich in voller Obereinstimmung mit dem Herrn Kollegen Schmücker
— gehört nicht nur der gewerbliche Mittelstand, sondern gehört auch der bäuerliche Mittelstand und gehören die freien Berufe.
Ich möchte sehr nachdrücklich sagen, daß es auch mir als eine absolute Notwendigkeit erscheint, für eine gesunde Weiterentwicklung unseres Staates in dieser besonders kritischen Zeit — ich meine jetzt nicht außenpolitisch kritisch, sondern wirtschaftlich kritisch und kritisch auf dem Wege der technischen Entwicklung —, dafür zu sorgen, daß der Mittelstand, d. h. die Schicht unseres Volkes, die sich unter eigener Verantwortung selbständig das Leben aufbaut, erhalten und ihr die Möglichkeit gegeben wird, auch wirklich mitzuarbeiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zu den sachlichen Fragen im Laufe der Beratung dieses Morgens wohl noch eingehender Stellung nehmen können. In diesem Augenblick habe ich die Anfrage zu beantworten und nehme dazu wie folgt Stellung.
Seit dem 15. November 1954 steht das Bundesministerium für Wirtschaft mit dem Lande Nordrhein-Westfalen sowie mit den Städten und Universitäten Köln und Bonn wegen der Gründung eines Mittelstandsinstituts in Verhandlungen. Dieses Institut soll die Aufgabe haben, die Gesamtsituation des Mittelstandes unter soziologischen, volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen sowie wirtschafts- und finanzpolitischen Aspekten zu erforschen. Es soll, um wissenschaftliche, von Interessentengruppen und staatlicher Beeinflussung unabhängige Arbeit zu gewährleisten, in Anlehnung an eine der Landesuniversitäten errichtet werden.
Beim Lande Nordrhein-Westfalen bestanden zunächst Bedenken gegen ein derartiges universitätsgebundenes Institut. Sie wurden damit begründet, daß das neue Mittelstandsinstitut in eine unerwünschte Kollision mit dem Aufgabenbereich der bereits vorhandenen wirtschaftswissenschaftlichen Spezialinstitute treten werde. Daneben wurden besondere Garantien für die Unabhängigkeit der Institutsarbeit gegenüber mittelständischen Interessentengruppen und staatlicher Beeinflussung für notwendig gehalten. Schließlich wurde geltend gemacht, daß die starke Arbeitsüberlastung der als Institutsleiter in Betracht kommenden Hochschullehrer die Übernahme einer zusätzlichen Aufgabe des zu erwartenden Umfangs nicht gestatten werde. Im Verlauf der Verhandlungen konnten indessen diese Bedenken im wesentlichen ausgeräumt werden, so daß der Herr Kultusminister Schütz in einer Besprechung vom 10. Oktober 1955 seine Mitwirkung grundsätzlich zugesagt hat.
Es ist nunmehr vorgesehen, daß das Institut seinen Sitz in Köln haben soll, an seiner Leitung jedoch auch Professoren der Universität Bonn beteiligt werden sollen. Es ist die Rechtsform einer Stiftung in Aussicht genommen, da die Unabhängigkeit des Instituts auf diese Weise am sichersten gewährleistet erscheint. Die noch offenen Fragen sollen noch in diesem Jahr, nämlich in einer Besprechung, zu der das Land Nordrhein-Westfalen für den 19. Dezember 1955 geladen hat, geklärt werden.
Zu Nr. 2 der Anfrage. Mittel für das Institut können im Bundeshaushalt erst ausgeworfen werden, wenn endgültig feststeht, welche Gestalt das Institut erhalten soll, welche Summe insgesamt für seine Errichtung nötig ist und wie sich die Kosten auf die Träger des Instituts verteilen. Diese Fragen müssen in den zur Zeit laufenden Verhandlungen mit den Beteiligten zunächst geklärt werden. Sobald das geschehen ist, werde ich die Anträge auf Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel dem Herrn Bundesminister der Finanzen zuleiten.
Ich darf persönlich noch dazu sagen, daß dieses Mittelstandsinstitut ein Lieblingskind von mir ist, daß ich von seinem Wirken große Vorteile und vor allen Dingen eine sachlich ruhige Klärung der Verhältnisse erwarte. Ich glaube, im Rahmen dieser Institutsarbeit kann zuletzt auch die Plattform gefunden werden, auf der Parlament, Regierung, Wissenschaft und alle, denen das mittelständische Problem am Herzen liegt, zu guten Lösungen gelangen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU gehört. Ich nehme an, daß in die Beratung dieser Antwort eingetreten werden soll, schlage Ihnen aber vor, daß wir zunächst die in Punkt 1 der Tagesordnung unter b bis f aufgeführten weiteren Vorlagen hier einbringen. — Wenn Sie damit einverstanden sind, dann gebe ich dem Herrn Abgeordneten Schild das Wort zur Begründung des Entwurfs unter Punkt b, Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz, und des Entwurfs unter c, Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung.
Dr. Schild (DP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt, daß in der letzten Parlamentsdebatte dieses Jahres auch die Fragen des Mittelstandes, die im Verlauf des Jahres hier in ihrer Komplexität nicht zur Debatte gestanden haben, diejenige Bedeutung erhalten, die ihnen praktisch zukommt. Es hat mehrerer Anträge der verschiedensten Fraktionen bedurft, um zu dieser grundsätzlichen Debatte zu gelangen. Die Anträge, die die Fraktion der Deutschen Partei gestellt hat, betreffen eine Ergänzung des Grundgesetzes und eine wesentliche Reform und Ergänzung der Gewerbeordnung.
Beide Probleme lassen sich nur unter dem Gesamtaspekt der Politik der Bundesregierung und
dieses Hohen Hauses für die Mittelschicht unseres Volkes betrachten. Wir sind deshalb dem Herrn Bundeskanzler außerordentlich dankbar, daß er heute bei dieser Debatte anwesend ist und daß er bereits eine grundsätzliche Erklärung zu der Mittelstandspolitik abgegeben hat. Wir sind auch dem Herrn Bundeswirtschaftsminister außerordentlich dankbar, daß wir heute einmal zu grundsätzlichen Fragen der Politik bezüglich der Mittelschichten kommen können.
Wir beschränken uns bei diesen grundsätzlichen Fragen auf die Probleme der selbständigen Mittelschicht. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß vom Standpunkt meiner politischen Freunde die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen Probleme der unselbständigen Mittelschicht heute nicht in diese Grundsatzdebatte einbezogen werden können, die wir für die selbständige Mittelschicht wünschen. Aber über beiden liegt doch eine gewisse Einheit ihrer gesellschaftlichen Struktur, ihres gesellschaftlichen Status im Zeitalter unserer industrialisierten Gesellschaft.
Was die selbständige und die unselbständige Mittelschicht in unserer Zeit noch eint, was ihr gemeinsames Anliegen ist, das ist die Tatsache, daß beide noch in unserer industrialisierten Zeit eine selbstbestimmte Arbeit ausüben, daß sie ihren Beruf, ihren beruflichen Tageslauf noch selbst bestimmen können, im Gegensatz zu all denjenigen Staatsbürgern, die in ihrem beruflichen, wirtschaftlichen und arbeitsmäßigen Dasein mehr oder weniger von der Apparatur, von der technischen Apparatur der Betriebe oder der Großverwaltungen und der sonstigen Massenkörper abhängig sind. Das ist das, was beide, den selbständigen und den unselbständigen Mittelstand, charakterisiert: daß es Persönlichkeiten sind, die ihr Berufs-, Arbeits- und Tagesleben von morgens bis abends noch selbständig bestimmen können und nicht von irgendeiner Apparatur unserer Zeit abhängig sind. Trotzdem sind die gesellschaftlichen, sozialen Probleme dieser großen Mittelschicht so vielgestaltig, daß man sie doch zum mindesten in die beiden Grundsatzprobleme der selbständigen Mittelschicht und der unselbständigen Mittelschicht aufteilen muß. In der heutigen Debatte wollen wir es mit den Problemen der selbständigen Mittelschicht zu tun haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in der vorigen Woche bei der Haushaltsdebatte dieses Hauses gesagt, daß die Bundesregierung durch den Mund des Herrn Bundesaußenministers und des Herrn Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede grundsätzliche Erklärungen über die Gestaltung unserer Gesellschaftsordnung hier in der westdeutschen Bundesrepublik abgegeben hat. Der Herr Bundesaußenminister hat in seiner Regierungserklärung über die Lage der Außenpolitik gesagt: Wir können uns auf die große Aufgabe — gemeint war die Aufgabe der Wiedervereinigung — nur vorbereiten, indem wir im Bereiche der Bundesrepublik fortfahren, die politische, soziale und ökonomische Ordnung zu festigen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede gegen Schluß erklärt: Der Geisteskampf zwischen Ost und West wird sich im wesentlichen darin abspielen, daß wir diesseits des Eisernen Vorhangs eine Gesellschaftsordnung schaffen, die in ihren Konturen eine klare Abgrenzung gegenüber der Gesellschaftsordnung des Ostens gewährleistet.
In diesem Geisteskampf zwischen Ost und West, den wir außenpolitisch und innenpolitisch auszufechten haben — wobei wir uns ernstlich überlegen müssen, wie wir diesen Kampf zu führen haben — zwischen der totalitären Gesellschafts- und Staatsauffassung und der demokratisch-freiheitlichen Gesellschafts- und Staatsauffassung, spielt gerade die Frage der selbständigen Mittelschicht die entscheidende Rolle. Sie ist deshalb nicht nur ein innenpolitisches, sondern auch ein außenpolitisches Anliegen. Die Konturen unserer Gesellschaftsordnung zu schaffen, die auch außenpolitisch klare Merkmale erkennen läßt, ist ein hervorragendes Postulat unserer Zeit.
Wenn jenseits des Eisernen Vorhangs das Element der Selbständigkeit in allen Schichten vernichtet wird, wenn es keine selbständigen Bauern, keine selbständigen Handwerker, Kaufleute und Gewerbetreibenden mehr geben darf, wenn drüben jenseits des Eisernen Vorhangs keine selbständigen freien Berufe mehr gewünscht werden und wenn wir diese Art der Gesellschaftsordnung — volkstümlich genannt — als die böse betrachten, dann müssen wir diesseits des Eisernen Vorhanges das Gegenteil vom Bösen tun, und das Gegenteil vom Bösen kann nur das Gute sein. Da es zwischen Böse und* Gut kein Kompromiß gibt — es sei denn, ein Pharisäer sucht danach —, kann man also diesseits des Eisernen Vorhangs nur das Gegenteil tun. Das Gegenteil ist in diesem Fall im Verhältnis zur Gesellschaftsordnung des Ostens, alle selbständigen Menschen diesseits des Eisernen Vorhanges in ihrer Lebens- und Spannkraft, in ihrer materiellen und sozialen Entwicklung so zu fördern und zu schützen, daß wir sagen können: Diese Gesellschaftsordnung ist deshalb die gute, weil sie das Gegenteil von der östlichen Gesellschaftsordnug ist. Die Grundlagen hierfür zu finden, die Elemente einer Gesellschaftsordnung, die die Selbständigen erhält, ist das Problem der Zeit.
Das ist aber auch die Frage an dieses Haus und an die Regierung: Mit welchen Mitteln, mit welchen Methoden, mit welchen Grundsätzen, mit welcher politischen Dynamik werden diese Dinge behandelt? Ich halte den Ausdruck „Mittelstandspolitik" nicht für ganz glücklich. Denn es gibt keinen Stand in unserer Gesellschaft, sondern wir haben nur noch Schichten von Staatsbürgern in unserer Gesellschaft. Das, was wir früher Stand genannt haben, färbt zwar immer noch in unserer Gesellschaftsordnung ab; aber echte Stände haben wir nicht. Ich erinnere an einen kleinen Zwischenfall in diesem Hause gelegentlich der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers im Jahre 1953, als der Vorsitzende der freien demokratischen Fraktion, der Kollege Dr. Dehler, in seinen Antworten auf die Regierungserklärung auch das Wort „Stände" gebrauchte und der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Abgeordneter Ollenhauer, fragte: Was sind denn Stände? In dem Zwiegespräch gab es keine irgendwie geartete Klärung darüber, was denn in unserer Zeit Stände sind. Gerade bei den politischen Erörterungen unserer Zeit zieht man das ständische Problem immer wieder in die Debatte, aber praktisch sind die Ansichten über das, was Stände sind oder sein können, sowohl in der Wissenschaft wie auch in unserer politischen Sprache sehr unterschiedlich, ich möchte beinahe sagen: noch völlig ungeklärt. Insofern gibt das Wort „Mittelstand" keine echte Begriffsabgrenzung, sondern wir müssen nach meiner persönlichen Auffassung, zumindest in der politischen Sprache,
mehr zu der Formulierung „Mittelschicht" kommen. Für diese Mittelschicht nun eine Art von grundsätzlicher Politik zu machen -- auch das muß an dieser Stelle gesagt werden —, eine Politik, die wir hier in diesem Hause nicht unter parteipolitischen Gesichtspunkten sehen dürfen, sondern die wir unabhängig von aller parteipolitischen Dynamik rein sachlich sehen müßten, für diese Mittelschicht eine klare Gesellschaftsordnung, die zukunftsträchtig ist, zu schaffen, ist das Anliegen der Zeit.
Nun sind in den vergangenen Jahren durch meine Fraktion bereits mehrere Anträge, die sich mit dem Grundsatzproblem befassen, auf den Tisch des Hauses gelegt und den Ausschüssen überwiesen worden. Einer dieser Anträge befaßte sich mit der Frage: Muß es oder soll es einen Minister für die selbständige Mittelschicht geben? Der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes hat sich bislang mit dieser Frage nicht befaßt. Wir sollten uns aber darüber klar sein, daß der Zusammenhang der Schichten in unserem Volk, die Organisation der Schichten, neben den reinen Parteiorganisationen eine immense Bedeutung hat. Sie sind nicht an der politischen Macht beteiligt — die politische Macht ruht nach dem Grundgesetz ausschließlich bei den Parteien —, aber trotzdem tragen sie in unserem Volke eine bestimmte Verantwortung. Auch die organisierten Gruppen der Mittelschicht tragen aus der Natur der Sache heraus eine Verantwortung. Sie haben auch die Möglichkeit einer bestimmten Beeinflussung der breiten Massen der Mittelschicht. Deshalb spielt in der Grundsatzfrage unserer Zeit: Wie soll unsere Gesellschaftsordnung diesseits des Eisernen Vorhangs aussehen? auch die Frage der Beteiligung der Schichten an der politischen Macht eine Rolle aus dem einfachen Grunde, weil sie organisiert sind und Verantwortung tragen, so oder so. Die beiden bisherigen politischen Auffassungen, daß Kabinettsminister einerseits politische Minister sind, und zum anderen, daß sie Sach- und Fachminister sind, reichen für die Entwicklung unserer gesamten Gesellschaftsordnung und Staatsverfassung nicht aus, sondern wir müßten uns überlegen — ich rege das lediglich an —, ob nicht darüber hinaus auch ein weitergehendes Postulat aus der Realität der Zeit heraus erfüllt werden muß. Auch ein Kabinett muß sich überlegen, ob es nicht bestimmte Minister für bestimmte Schichten in seinen Reihen haben muß. Der Herr Bundeskanzler hat dieses Problem erkannt, indem er einen der Herren Sonderminister damit beauftragt hat, sich mit den Fragen der unselbständigen Mittelschicht, mit den Fragen der sozialen und kulturellen Probleme zu befassen, die die unselbständige Mittelschicht angehen. Mit diesem Auftrag wird schon idas Problem angeschnitten, ohne daß damit gesagt sein soll, daß der Herr Bundesminister Schäfer nun etwa ein Exponent der unselbständigen Mittelschicht im Kabinett ist. Aber Sie ersehen aus diesem Auftrage, daß das Problem an sich im Raume steht. Es geht um die Beteiligung der Mittelschicht an der politischen Macht im Rahmen einer geordneten und wohldurchdachten Gesellschaftsordnung.
Das zweite, was meine politischen Freunde anstreben, ist die Schaffung eines nicht nur formalen, sondern auch materiellen Rechtes im Grundgesetz. Wir sollten einen Artikel in das Grundgesetz aufnehmen, durch den mehr oder weniger die Weisung erteilt wird, eine klare Politik für die Erhaltung der selbständigen Mittelschichten zu treiben. Das hat die Weimarer Verfassung getan. Der Art. 164 der Weimarer Verfassung über die Erhaltung und Förderung des Mittelstandes ist in das Grundgesetz nicht aufgenommen worden. Nun, der Charakter der Vorläufigkeit des Grundgesetzes wird wohl von diesem Hohen Hause noch, auf längere Zeiten hinaus nicht bestritten werden können. Aber mit Rücksicht auf die Grundlinien unserer Gesellschaftsordnung müssen bestimmte Fragen, die mit dieser Vorläufigkeit zusammenhängen, in eine völlig andere Sicht gestellt und nach außen hin auch glaubwürdiger gemacht werden. Sie dürfen nicht mehr verschwiegen werden, weil wir sonst den Charakter unserer Gesellschaftsordnung nach außen nicht klar genug darstellen.
Zu diesen Fragen gehört das Problem der Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der selbständigen Mittelschicht. Wir möchten, daß dieses Problem besonders beachtet wird. Durch die von uns vorgeschlagene Ergänzung dies Grundgesetzes wird das Lebensrecht des selbständigen Mittelstandes nicht nur zu einem Grundrecht, und durch sie wird auch nicht nur ein bestimmtes Weisungsrecht geschaffen, sondern durch diese Ergänzung sollen vor allem die strittigen Probleme gelöst werden, die in. unserer Gesellschaftsordnung nicht ausdiskutiert sind. Diese strittigen Probleme sind die Berufsordnungen, die Marktordnungen und die Wettbewerbsordnungen. Um diese Probleme geht es ja letzten Endes bei der Politik für die selbständigen Mittelschichten.
Wir wissen, daß darüber in unserem gesamten gesellschaftlichen Leben sehr verschiedene Ansichten herrschen. Die Ansicht, die in der Regel und nach allem, was wir in vergangenen Zeiten erlebt haben, ganz besonders prononciert vorgetragen wird, nämlich die Ansicht des Herrn Bundeswirtschaftsministers, ist die: möglichst wenige, vielleicht gar keine Berufsordnungen! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat wiederholt erklärt — und für seine Ansichten sind j a auch ganz bestimmte Propagandagremien geschaffen worden
daß man in der selbständigen Mittelschicht nach Möglichkeit von Berufsordnungen absehen solle, zumindest soweit der gewerbliche Teil in Betracht komme. Ich weise beispielsweise auf die Erklärung in Hamburg auf der Tagung des Einzelhandels hin, in der der Herr Bundeswirtschaftsminister es grundsätzlich ablehnte, eine Berufsordnung .für den Einzelhandel zu schaffen. Auf der Tagung des Handwerks am 9. Oktober dieses Jahres in Düsseldorf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister erklärt, die Berufsordnung des Handwerks, die Bundeshandwerksordnung, sei eine Auszeichnung für das Handwerk. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin immer noch der Ansicht, daß ein Gesetz keine Auszeichnung sein darf, sondern für Recht und Gerechtigkeit sorgen muß. Wir können diese Dinge nicht mit dem Motiv der Auszeichnung verknüpfen. Es handelt sich hier um Grundsatzfragen. In unserer industrialisierten Gesellschaft und Wirtschaft ist der selbständige Mittelstand ohne echte Berufsordnungen nicht zu fundieren. Die Probleme sind doch nicht damit abgetan, daß allzu vereinfachende Fragen gestellt werden: Ja, was soll ich in diesen Dingen machen? Wenn der industrielle Schuhfabrikant sich selbständig machen kann, wie er will, dann kann ich dem Schuheinzelhändler keine Fesseln anlegen, wenn er sich selbständig machen will. Wenn der industrielle Schuhfabrikant gar keine irgendwie gearteten öffentlich anerkannten Voraussetzungen mitbringen muß, um Schuhe zu fa-
brizieren, warum soll der Schuheinzelhändler derartige Voraussetzungen, um Schuhe sack- und fachgerecht verkaufen zu können, mitbringen, warum soll er eine Sachkunde- und Fachkundeprüfung ablegen?
Das heißt nach meiner Auffassung doch die ganze Situation etwas verharmlosen, Herr Bundeswirtschaftsminister. Wir haben eine Realität in der industriellen Wirtschaftsverfassung, und diese Realität heißt: Der Wettbewerb in der Industrie spielt sich nur unter Fachleuten ab. Ob diese Fachleute Techniker sind, ob sie Werbekaufleute, Marktbeobachter, Finanzierungsfachleute der Industrie sind: in jedem Fall spielt sich der Wettbewerb in der Industrie ausschließlich unter Fachleuten ab. Die Nichtfachleute können in der industriellen Wirtschaft niemals zum Zuge kommen. Dies ist eine Realität! Sie ist zwar durch kein Gesetz verankert und durch keine Berufsordnung irgendwie vorgeschrieben, aber es ist eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirklichkeit und damit ein Element der Wirtschaftsverfassung der Industrie geworden.
In der Frage der selbständigen Mittelschicht muß dieses Element natürlich von einer anderen Warte gesehen werden. Es ist leichter, unter 140 Schuhfabriken -- um nur einmal ein Beispiel anzugeben — das Wesen der berufsordnenden Fragen zu klären als unter 40 000 Schuhmachern oder 10 000 Schuheinzelhändlern.
Deshalb sind wir der Ansicht, daß die Fragen der Berufsordnungen im positiven Sinne in der Verfassung verankert werden müssen. Wir haben ja jetzt den Zustand, daß es nach Art. 12 des Grundgesetzes noch zweifelhaft ist, ob man derartige Berufsordnungen überhaupt durch Gesetz regeln kann. Wir haben ja den Streit vor dem Bundesverfassungsgericht, ob die Bundeshandwerksordnung in ihrer bisherigen Formulierung rechtsgültig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber noch nicht entschieden. Was würden wir nun tun, wenn es negativ entscheiden würde? Dem Hohen Hause bliebe doch praktisch nichts anderes übrig — wenn die Bundeshandwerksordnung Gesetz bleiben soll —, als dann eine Verfassungsänderung zu machen.
Nun, ich bin überzeugt, niemand, keine Partei in diesem Hause zweifelt daran, daß die Bundeshandwerksordnung ein Element der Gesellschaftsordnung darstellt, die von allen Kreisen unseres Volkes bejaht wird. Wenn man sie also bejaht, auch wenn unter Umständen das Bundesverfassungsgericht ein negatives Urteil fällen würde — was wir ja nicht wissen —, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig, als eine Verfassungsänderung zu beschließen. Das wäre nicht erforderlich, wenn beispielsweise der von uns vorgeschlagene Art. 12 a, der das Element der Berufsordnungen als ein Grundrecht verankern soll, angenommen würde. Er brächte eine weitere und endgültige Klarstellung. Dasselbe, was mit dem Grundrecht der Berufsordnungen gemeint ist, ist selbstverständlich auch mit dem Grundrecht der Marktordnungen und mit dem Grundrecht von Wettbewerbsordnungen gemeint. Auch diese Probleme hängen eng zusammen und sind Grundsatzfragen in bezug auf die Förderung der selbständigen Mittelschicht, der gewerblichen, der bäuerlichen und freiberuflichen Mittelschicht im Verhältnis zur Großindustrie, im Verhältnis zur Arbeiterschaft im Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die sich diesseits des Eisernen Vorhangs sehen lassen können muß und soll. I Deshalb bitten wir das Hohe Haus, diese Frage der Grundgesetzänderung einer ernsten Betrachtung zu unterziehen. Ich beantrage, die Vorlage betreffend Grundgesetzergänzung durch Aufnahme eines neuen Art. 12 a dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zu überweisen.
Ich möchte aber noch eine Erklärung meiner politischen Freunde zu dem Umfang des Berufsordnungsproblems abgeben. Ich beziehe mich da auf die vielseitigen Erklärungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, man könne nicht für jeden x-beliebigen Beruf, für jede Sparte eine Berufsordnung machen. Herr Bundeswirtschaftsminister, in dieser Frage sind wir mit Ihnen restlos einig. Aber es gibt ganz bestimmte große Gruppen, für die das Berufsordnungsproblem nun einmal ein aktuelles Anliegen unserer Zeit ist.
Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß für das Handwerk, für den Einzelhandel, für das Hotel- und Gaststättengewerbe und ebenfalls für das Bestattungsgewerbe, Herr Kollege Dresbach, selbstverständlich für die freien Berufe, in denen bisher Berufsordnungen Geltung hatten und eventuell in Zukunft haben müssen, Berufsordnungen geschaffen werden müssen. Viele ruhen ungeklärt im Schoße dieses Hauses. Ich erinnere an die Rechtsanwaltsordnung, ich erinnere an die von der Regierung vorgelegten Gesetzentwürfe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! — Herr Abgeordneter Dr. Dresbach, ich kann Ihnen jetzt das Wort nicht geben. Nach einer Übereinkunft können Sie erst fragen, wenn wir in die allgemeine Beratung eingetreten sind. Was Sie hier hören, ist eine Begründung. — Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Es liegen noch unerledigte Gesetzentwürfe über die selbständigen Berufe vor, die Rechtsanwaltsordnung, die Ordnung für Wirtschaftsprüfer; die Apothekerfrage ist nicht gelöst, die Frage der Architekten-Berufsordnung ist nicht gelöst. Also auch für die selbständigen, freien Berufe ist das Berufsordnungsproblem noch keineswegs grundsätzlich debattiert. Unter anderen sind in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20. Juli 1954 ungefähr 38 einzelne Sparten aufgeführt, für die Berufsordnungen gewünscht werden. Sie sind anscheinend vom Bundeswirtschaftsministerium benannt worden. Darunter sind Sparten, die völlig außer jeder Diskussion stehen. Für sie kommen Berufsordnungen nicht in Betracht.
Ferner hängt die Frage der Erhaltung der Selbständigen — und darum dreht es sich — doch nicht nur von materiellen, nicht nur von rechtlichen Voraussetzungen ab, sondern sie hängt doch vor allem von psychologischen Vorbedingungen ab. Was in unserer Zeit schwindet — und das liegt im Zuge des industrialisierten Zeitalters, aber auch im Zuge
des mehr oder weniger ausgeprägten Versorgungsstaates —, das sind der Wille, die Lust, die Liebe, die Freude und der Wagemut, selbständig zu werden, zu sein und zu bleiben.
Diese Frage der Lust, der Liebe und der Freude kann man nicht vordergründig sehen, man muß sie hintergründig sehen.
Mit anderen Worten, man muß auch diese Dinge von der politischen Ebene aus untermauern, die Geborgenheit und Sicherheit der Selbständigen genau so betrachten wie die Geborgenheit und Sicherheit der Unselbständigen.
Ein politisches Sicherheitsbewußtsein für die Selbständigen ist auch dann gegeben, wenn im Grundgesetz für sie ein Grundrecht vorgesehen ist. Auch darauf bauen sich die Einzelmaßnahmen auf, die in Gestalt der Berufsordnungen, der Wettbewerbsgesetze, der Altersversorgung usw. notwendig sind.
Der zweite Antrag, den ich hier namens meiner politischen Freunde zu vertreten habe, betrifft die Änderung bzw. Ergänzung der Gewerbeordnung. In dem Gesetzentwurf Drucksache 1729 wird das Problem der Gewerbefreiheit für die öffentlichen Körperschaften in Bund, Ländern und Gemeinden angeschnitten. Nach Art. 19 des Grundgesetzes gelten die Grundrechte des Staatsbürgers analog auch für die juristischen Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Wir sind der Auffassung, daß die Grundrechte, soweit die Gewerbebetätigung in Frage kommt, nicht ohne weiteres auf die öffentlichen Behörden anwendbar sind. Die Frage der Einschränkung der wirtschaftlichen Unternehmungen der öffentlichen Hand und der Regiebetriebe, ist in diesem Hause nichts Neues. Ich brauche auf den Umfang dieser Betätigung der öffentlichen Hand nicht hinzuweisen, weil darüber der Herr Bundesfinanzminister selber in den Vorbemerkungen zum letzten Haushalt entscheidende Angaben gemacht hat. In den Ländern ist die gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand ebenfalls nicht klein, und auch die Gemeinden machen immer wieder den Versuch, ihre Betätigung in der gewerblichen Wirtschaft weiter auszudehnen.
Meine politischen Freunde sind deshalb der Ansicht, daß der entsprechende Teil der Gewerbeordnung, nämlich der § 1, der von der Gewerbefreiheit in einer mehr gewerbepolizeilichen Tendenz handelt, gerade hinsichtlich der Betätigung der öffentlichen Hand in der Wirtschaft klare Vorschriften enthalten muß. Wir haben uns bei der Formulierung an die bayerische Gemeindeordnung angelehnt. Denn die bayerische Gemeindeordnung sieht eine ausgezeichnete Regelung für die Betätigung in den bayrischen Gemeinden vor, die uns geeignet erscheint, grundsätzlich auch in § 1 der Gewerbeordnung aufgenommen zu werden. Wir haben ferner vorgeschlagen, daß Regiebetriebe der öffentlichen Hand, die stillen Werkstätten, die für alle möglichen Sparten unterhalten werden, unter allen Umständen nur in dem Maß betrieben werden dürfen, welches aus Gründen der Geheimhaltung dienstlicher Vorgänge oder aus Gründen, die mit dem technischen Ablauf des Behördenbetriebes zusammenhängen, erforderlich ist.
Unter keinen Umständen dürfen Regiebetriebe der öffentlichen Hand etwa aus Lust und Liebe zu ihnen oder zur Versorgung irgendwelcher Freunde und Bekannten oder etwa, um der Kundschaft des privaten Gewerbes Konkurrenz zu machen, aufgezogen werden.
Der dritte Teil unserer Vorschläge befaßt sich mit der Berufsordnung für das Bestattungsgewerbe. Nun, man denkt im allgemeinen ja nicht gerne an diese Gruppe unserer Mitbürger. Das liegt im Zuge der Zeit. Allen Kollegen liegt eine Denkschrift vor, die die sachlichen Notwendigkeiten, die für eine Berufsordnung sprechen, im einzelnen aufführt. Ich möchte dazu betonen, daß der § 1, der die Einschränkung der Unternehmungen der öffentlichen Hand fordert, hiermit unmittelbar zusammenhängt; denn die Gemeinden gehen von Stufe zu Stufe immer mehr dazu über, eigene kommunale Bestattungsunternehmen einzurichten. Wenn man das verhindern und damit den Klagen der selbständigen Berufsangehörigen vorbeugen will, dann kann nur eine Berufsordnung für das Bestattungsgewerbe einen Ordnungszustand schaffen, der es dann den Gemeinden mit Fug und Recht verbietet, kommunale Bestattungsbetriebe einzurichten.
— Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe auch nicht vor, irgendwelche Ausdehnungen an Berufsordnungen derart zu befürworten, wie es aus Pressenotizen hervorgeht. Man kann die Dinge nicht bagatellisieren, indem man etwa glossiert „von der Wiege bis zum Grabe" oder „Prüfung der Pietät" oder in anderer Form. Damit ist es nicht gemacht. Hier liegt vielmehr ein echtes Anliegen einer würdigen Totenehrung in unseren Familien vor, die unter anderem auch davon abhängig ist, daß die Bestattung von Leuten vorgenommen wird, die sich dazu eignen.
— Nein, das weiß ich genau so gut wie Sie.
— Das kann auf dem Dorf auch viel einfacher gehen. Trotzdem geht es in den großen und mittleren Städten darum, eine echte, im Zuge der Zeit liegende Lösung zu finden.
Meine Damen und Herren, es ist dann der § 35 der Gewerbeordnung angeschnitten. In diesem § 35 dreht es sich darum, unzuverlässige Elemente aus der Wirtschaft auszuschalten und die Schließung eines Gewerbebetriebs zu ermöglichen. Es kann sich nicht nur darum handeln, daß wir im Zuge der Gewerbefreiheit die Errichtung von Betrieben nach bestimmten Ordnungen, aber dann freiheitlich zulassen, sondern im Sinne einer wirklichen Ordnung muß man auch dafür Vorsorge treffen, daß unzuverlässige Betriebe geschlossen werden können. Dafür gibt es für bestimmte Branchen schon jetzt Vorschriften. Diese Vorschriften grundsätzlich auf alle gewerblichen Betriebe auszudehnen, ist ein Anliegen, welches akut ist und welches auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister bejaht wird. Wir haben uns bei unseren Vorschlägen eng an das gehalten, was in den Diskussionen der letzten
Zeit zum Ausdruck kam und was auch in Entwürfen aus den Ministerien bereits vorgesehen ist. Das letzte, was der Gesetzentwurf vorsieht, ist eine Neuregelung der §§ 56 ff., die das ambulante Gewerbe, das Hausiergewerbe betreffen. Sie wissen alle, daß im 1. Bundestag diese Probleme der Änderung der Gewerbeordnung nicht erledigt worden sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat seit Existenz dieses Hauses in der zweiten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf über die Änderung der Gewerbeordnung bislang nicht vorgelegt, obwohl wichtige Anliegen schon aus der ersten Legislaturperiode ungeklärt geblieben sind. Deshalb ist es erforderlich, auch das Problem der Abgrenzung des Wanderlagergewerbes im Umherziehen, des Hausierhandels und alle diese Fragen erneut zu überprüfen. Wir stellen sie deshalb mit diesem Gesetzentwurf wieder zur Debatte mit der Bitte, auch diese Fragen zu klären.
Die Probleme der Gewerbeordnung sind damit nicht erschöpft.
Es ist erforderlich, daß auch andere noch anstehende Fragen geklärt werden. Ich erinnere an die Legitimationskarte für reisende Kaufleute. Ich erinnere auch an die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister geplante neue Berufsordnung für das Gewerbe im Umherziehen. Ich fasse das, was geplant ist, jedenfalls so auf, daß die vorgesehenen Bestimmungen über das Wanderlagergewerbe, das Hausiergewerbe neue Ordnung bringen sollen.
Ich bin der Auffassung, daß es höchste Zeit war, wenn wir uns in der letzten Sitzung des Bundestages in diesem Jahr zumindest für das Jahr 1956 vornehmen, alle Anträge zu den Fragen des Mittelstandes im Jahre 1956 eingehend zu beraten. Gerade in diesen Tagen haben die wirtschaftlichen Berufsorganisationen der selbständigen Mittelschicht in der Presse ihrem Unmut Ausdruck gegeben und erklärt: So, wie die Dinge bisher behandelt worden sind, geht es nicht weiter! Ich darf daran erinnern, daß der Zentralverband des Handwerks in seiner Pressekorrespondenz vor zwei bis drei Tagen eine Verlautbarung veröffentlicht hat, in der er mahnt und darum bittet, daß die grundsätzlichen Fragen, die mit der Förderung des Handwerks zusammenhängen, im Jahre 1956 mit einer größeren politischen Dynamik, in intensiverer Arbeit und mit einer größeren Klarheit erledigt werden. Die heutige Debatte soll dazu beitragen, daß zum Abschluß des Jahres 1955 dieses Hohe Haus gegenüber den vier Millionen Angehörigen der selbständigen Mittelschicht seinen Willen kundtut, die anstehenden Probleme in ihren Grundsätzen im Jahre 1956 endgültig zu lösen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der von der Fraktion der DP eingebrachten Gesetzentwürfe Drucksachen 1728 und 1729 gehört. Wir fahren in der Einbringung und Begründung der zu Punkt 1 der Tagesordnung vorliegenden Gesetzentwürfe fort. Ich rufe auf Punkt 1 d, Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufsausübung im Handel, Drucksache 1872. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Illerhaus.
Illerhaus , Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause wurde schon in der ersten Wahlperiode 1949, leider aber erst kurz vor deren Ablauf, mit Bundestagsdrucksache Nr. 4532 von der Fraktion der CDU/CSU der Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Ordnung im Einzelhandel vorgelegt. Er konnte damals wegen Zeitmangels nicht abschließend behandelt werden. Der jetzt vorliegende Initiativantrag über die Berufsausübung im Handel entspringt einem wiederholt, besonders vom Einzelhandel vorgetragenen dringenden Anliegen, das vom Parteitag der CDU am 22. April 1953 in Hamburg grundsätzlich als berechtigt anerkannt worden ist. Auch von fast allen anderen Parteien wurde dem Einzelhandel in dieser Richtung Unterstützung zugesagt. Der Gesetzentwurf, wie er Ihnen jetzt vorliegt, ist erst nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommen, an denen besonders unser verstorbener Kollege Griem beteiligt war, dessen Initiative ich an dieser Stelle dankbar gedenken möchte.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zunächst einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der sogenannten Gewerbefreiheit in Deutschland. Schon lange vor 1933 galt die Gewerbefreiheit nicht ausschließlich, sondern brachte für viele Gewerbe recht einschneidende Beschränkungen, die der unkontrollierten Ausübung eines Gewerbes entgegenwirken sollten. Dies galt auch während der Weimarer Republik, deren Verfassung in Art. 151 Abs. 3 die Freiheit des Handels und Gewerbes nach Maßgabe der Reichsgesetze gewährleistete. Das bedeutete also, daß jedermann jedes Gewerbe betreiben konnte, soweit der Staat dieses Recht nicht durch Gesetz beschränkte. Der Begriff der Gewerbefreiheit war und ist also nicht so zu verstehen, daß er schrankenlos gilt. Es wird mit dem Wort Gewerbefreiheit noch nichts über den Umfang der Gewerbeausübung im einzelnen ausgesagt.
In diesem hier vorgetragenen Sinne hat die Gewerbefreiheit im Grundsatz auch früher dort, wo es sich um besonders bedeutende und die Allgemeininteressen stark berührende Gewerbe handelte, Einschränkungen erfahren. Neben einer Reihe anderer Gesetze, wie beispielsweise dem Lebensmittelgesetz, wurde u. a. das Gesetz zum Schutze des Einzelhandels vom 12. Mai 1933 erlassen, das jedoch nicht als typisch nationalsozialistisch anzusehen ist, sondern vorbereitend bereits in den Jahren vorher ausgearbeitet worden war. Es ist wahrscheinlich durch die Krisenjahre nach 1930 notwendig geworden. Das Einzelhandelsschutzgesetz gab erstmals die Möglichkeit, eine vorherige Prüfung sowohl der Sachkunde als auch der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden vorzunehmen, während die Möglichkeit einer Untersagung des Gewerbebetriebes nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung erst nach der Eröffnung eines Gewerbebetriebes besteht, wenn sich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden herausgestellt hat. Insofern stellt die in der geplanten Neuformulierung des § 35 der Gewerbeordnung vorgesehene Möglichkeit für eine Gewerbeuntersagung keinen Ersatz für ein Berufsausübungsgesetz dar. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen
ist es einfach nicht zu vertreten, daß Verbraucher und damit die Allgemeinheit durch sachunkundige Elemente geschädigt werden müssen, bevor gegen solche Gewerbetreibende wirksam vorgegangen werden kann.
In den vergangenen Jahren ist wiederholt die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Einzelhandelsschutzgesetzes aufgeworfen worden, weil man glaubte, daß Art. 12 des Grundgesetzes einem solchen Gesetz entgegenstünde. Nachdem von verschiedenen Obergerichten zu diesem Fragenkomplex entgegengesetzte Entscheidungen ergangen sind, hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht in einem grundsätzlichen Urteil die Rechtsgültigkeit des Einzelhandelsschutzgesetzes in seiner jetzigen Form bejaht. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Urteilsbegründung u. a. aus, daß es die Berufszulassung nicht als Vollziehung der Berufswahl ansehe, sondern als den Beginn der Berufsausübung. Damit berühre die Einzelhandelserlaubnis nicht Ai t. 2 GG — freie Entfaltung der Persönlichkeit mit den Schranken der verfassungswidrigen Ordnung —, sondern lediglich Art. 12 Abs. 1, d. h. die Berufsausübung. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ermächtige den Gesetzgeber, die Bedingungen festzulegen, unter denen der Beruf ausgeübt werden dürfe. Diese Bedingungen müßten naturgemäß vom Beginn der Berufsausübung an, also schon bei der Berufsaufnahme, erfüllt sein. Es sei deshalb durchaus sinnvoll, wenn in einem vor der Berufsaufnahme stattfindenden Zulassungsverfahren geprüft werde, ob der Berufsbewerber den für die Ausübung des gewählten Berufs festgelegten Bedingungen entspreche, da ihm andernfalls die Berufsausübung von vornherein, also schon bei der Berufsaufnahme, untersagt werden müßte. Die Zulassung stehe somit in einem inneren Zusammenhang mit der Aufnahme des Berufs und sei damit notwendiger Bestandteil dieser. Aus Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 1 GG folge, daß der Gesetzgeber befugt sei, die Berufsaufnahme von der Erlaubnis einer Berufszulassung abhängig zu machen.
Aber auch die Regelung der Einschränkung der Berufsausübung durch den Gesetzgeber gilt nach Ansicht des BVG nicht schrankenlos. Art. 19 GG ziehe hier die verfassungsmäßige Grenze, wonach ein Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden dürfe. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Gesetzgeber eine völlige Zulassungs- oder Ausübungssperre verhängen würde. Auch die Bedürfnisprüfung oder eine zeitweilige Berufssperre wegen einer außerordentlichen Übersetzung sowie alle Zulassungsbeschränkungen, die nur den privaten Interessen einzelner Berufsstände, z. B. dem Schutz vor Wettbewerb, dienen, seien unrechtmäßig. Soweit aber ein derartiger Verstoß gegen das Grundgesetz nicht vorliege, sei der Gesetzgeber ermächtigt, Berufsausübungsvorschriften — meine Damen und Herren, ich betone ausdrücklich: nicht Berufsordnungs-, sondern Berufsausübungsvorschriften —, die für alle Betroffenen gleichmäßig gelten, zu erlassen. Hierzu rechnen auch die Zulassungsvoraussetzungen des Einzelhandelsschutzgesetzes hinsichtlich der Sachkunde und der persönlichen Zuverlässigkeit, da sie alle Betroffenen gleichmäßig erfüllen können. Das BVG hält sich nicht für berechtigt, insoweit in das pflichtmäßige Ermessen des Gesetzgebers, derartige Gewerbezulassungsvorschriften zu erlassen, einzugreifen.
Da auch der vorliegende Initiativantrag der CDU/CSU lediglich den Sachkundenachweis und die Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers fordert, .dürfte an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Berufsausübungsgesetzes nicht zu zweifeln sein.
Mir ist zwar bekannt, daß der Bundesgerichtshof in verschiedenen Gutachten, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Handwerksordnung befaßten, zu einer etwas abweichenden Auffassung gelangt ist. Er will einen Eingriff des Gesetzgebers in die Grundrechte nur dann als statthaft anerkennen, wenn und soweit übergeordnete Rechtsgründe einen solchen Eingriff zwingend erfordern. Mir scheint aber diese Argumentation nicht richtig zu sein, weil ganz außer acht gelassen wird, daß der Gesetzgeber nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich ermächtigt ist, die Berufsausübung durch Gesetz zu regeln. Soweit Grundrechte dabei nicht eingeschränkt werden — dies hat das Bundesverwaltungsgericht sehr präzise herausgearbeitet —, ist ein Berufsausübungsgesetz für den Handel als verfassungsgemäß anzusehen.
Die Notwendigkeit für den beschleunigten Erlaß des Berufsausübungsgesetzes für den Handel liegt darin begründet, daß endlich eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Berufsausübung geschaffen werden muß, nachdem seit 1945 unter dem Einfluß der Besatzungsmächte und durch die Zonenaufteilung völlig unterschiedliche gesetzliche Regelungen, in der früher amerikanisch besetzten Zone durch Proklamierung der schrankenlosen Gewerbefreiheit sogar ein gesetzloser Zustand Platz gegriffen haben. So ist das Einzelhandelsschutzgesetz gegenwärtig nur noch in den Ländern der früher französisch und britisch besetzten Zonen gültig. Im Lande Niedersachsen und im Lande Berlin sind außerdem eigene Gewerbezulassungsgesetze erlassen worden. Diesem unerfreulichen Rechtszustand kann nur durch die Wiederherstellung einer bundeseinheitlichen Regelung abgeholfen werden.
Die Vorlage des Gesetzentwurfs soll gleichzeitig der gesetzlichen Anerkennung des Einzelhandels und des Großhandels als Beruf dienen. Diese Handelszweige sehen in der Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe, deren Bedeutung wegen der ihr innewohnenden Schlüsselfunktion kaum bestritten sein dürfte, einen echten, der Verbraucherversorgung dienenden Beruf und wollen ihn als solchen gewertet wissen. Das Gesetz soll verhindern, daß durch eine schrankenlose Gewerbefreiheit der Einzelhandel und der Großhandel mehr und mehr zu einem Ausweichplatz und Versuchsfeld unlauterer Elemente degradiert werden.
Insbesondere für den Einzelhandel erweist sich ein Berufsausübungsgesetz als notwendig, weil er dem Verbraucher am unmittelbarsten gegenübertritt und deshalb unlautere Methoden einzelner Gewerbetreibender, die weder über die notwendige Sachkunde noch über die persönliche Zuverlässigkeit verfügen, das zwischen Verbraucher und Einzelhandel nun einmal erforderliche Vertrauensverhältnis ganz empfindlich stören. Für keinen anderen Beruf können solche gewichtigen Argumente für ein Berufsausübungsgesetz geltend gemacht werden wie für den Einzelhandel.
Aus den vorgenannten Gründen kann dieses Gesetz auch nicht als Berufungsfall für andere Berufszweige angesehen werden.
Gerade der Verbraucher, der einen wesentlichen Teil seines Einkommens zur Deckung des laufenden Bedarfs in die Geschäfte trägt, hat Anspruch auf sachkundige und kaufmännisch einwandfreie Beratung. Es ist in der heutigen .Zeit dem Verbraucher schlechterdings nicht zuzumuten, laufend über den Warenmarkt orientiert zu sein, daß er jede Type, die neu aufkommt, oder beispielsweise neue Textilien hinsichtlich ihrer Güte und Preiswürdigkeit beurteilen könnte. Hier muß er sich ganz auf seinen Einzelhandelskaufmann verlassen können. Voraussetzung wird aber immer sein, daß der Kaufmann schon vor Aufnahme seiner Tätigkeit auf Zuverlässigkeit und Sachkunde überprüft werden kann.
Die gleichen Voraussetzungen für den Großhandelskaufmann zu fordern, liegt in der Sorge begründet, daß vom Einzelhandel abgelehnte Bewerber in den Großhandel einströmen und dort Schaden stiften.
Neben dem Verbraucherschutz ist wesentliches Ziel des Berufsausübungsgesetzes die Leistungssteigerung und Sicherung eines echten Leistungswettbewerbs im Handel. Das Gesetz soll also kein Schutz- oder kein Sperrgesetz im Rahmen einer zünftlerischen Abgrenzung gegenüber neu hinzukommenden Konkurrenten sein, sondern es soll den Grundsatz des freien Wettbewerbs in der Weise verwirklichen helfen, daß dieser Wettbewerb von qualifizierten Kaufleuten und zum Nutzen der Allgemeinheit ausgeübt wird.
Es wird dem Handel verschiedentlich vorgeworfen, seine Rationalisierungsbestrebungen seien ungenügend, und er versäume, dort, wo es ginge, die Kosten herabzudrücken. Es wird aber verständlich, daß alle Rationalisierungsbestrebungen und die Bemühungen der Berufsverbände um eine weitere Rationalisierung nur dann von Erfolg gekrönt sein können, wenn sie mit Kaufleuten durchgeführt werden, die auch etwas davon verstehen.
Gelegentlich wird nun behauptet, das Berufsausübungsgesetz für den Handel stehe mit den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft nicht in Einklang. Diese Behauptung wäre richtig, wenn in dem Gesetz eine Bestimmung vorhanden wäre, die den Wettbewerb in irgendeiner Form beschränkt. Dies gilt also beispielsweise für den Einbau einer Bedürfnisprüfung oder die Einführung eines Numerus clausus. Bisher aber konnte noch niemand nachweisen, daß ein Gesetz, das lediglich die Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit erfordert, den Wettbewerb einschränkt. Im Gegenteil, das mit dem Gesetz angestrebte Ausleseprinzip, welches sich natürlich nur allmählich und auf längere Sicht auswirken kann, verstärkt den Wettbewerb, und zwar gerade den Leistungswettbewerb. Es wird auch niemand behaupten können, daß beispielsweise dort, wo das Einzelhandelsschutzgesetz auch heute noch gilt, im Handel kein Wettbewerb herrsche. Wir sehen also, daß ein Gesetz mit einem gesunden Ausleseprinzip, basierend auf Sachkunde und persönlicher Zuverlässigkeit, durchaus im Sinne der freien Markt- und Wettbewerbswirtschaft liegt und einer Festigung der derzeitigen Wirtschaftspolitik dient.
Auch im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hat eine Gruppe von Sachverständigen in einem Zusatzgutachten zu einem Gutachten des Beirats, das sich zur Frage des Wettbewerbs in gewissen Gewerben und Berufen geäußert hat, zum Ausdruck gebracht, daß es die Wettbewerbsidee überfordern hieße, wenn allein von ihr aus zu der Frage der Berufs- und Gewerbegesetze Stellung genommen würde.
Als Mindestvoraussetzung für die selbständige Errichtung oder Übernahme eines Handelsunternehmens sieht der Gesetzentwurf den Nachweis der Sachkunde und der persönlichen Zuverlässigkeit an, also Voraussetzungen, die durch die erwähnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als mit dem Grundgesetz in Einklang stehend erklärt worden sind. Eine irgendwie geartete Form der Bedürfnisprüfung wird nicht verlangt und würde auch von uns abgelehnt, meine Damen und Herren. Insoweit besteht also ein wesentlicher Unterschied zum Einzelhandelsschutzgesetz von 1933.
Der Sachkundenachweis soll für den Regelfall dadurch erbracht sein, daß die Kaufmannsgehilfenprüfung abgelegt sowie eine anschließende praktische Tätigkeit im Handel von mindestens zwei Jahren absolviert wird. Der Sachkundenachweis gilt auch dann als erbracht, wenn eine mindestens fünfjährige Tätigkeit im Handel, davon eine zweijährige leitende Tätigkeit, nachgewiesen wird. Eine besondere Prüfung, in der die Sachkunde nachzuweisen ist, soll nur in den Fällen stattfinden, in denen eine ordnungsgemäß abgeschlossene Lehre oder eine mehrjährige praktische Tätigkeit im Handel nicht nachgewiesen werden kann. Diese Prüfung soll von einer von der höheren Verwaltungsbehörde bestimmten,
ihrer Dienstaufsicht unterstehenden Behörde abgenommen werden, so daß auch hier abseits aller konkurrenzmäßigen Erwägungen volle Objektivität gewährleistet ist.
Für den Handel mit Lebensmitteln, Chemikalien, Arzneimitteln und Giften gilt der Nachweis der Sachkunde als erbracht, wenn eine Prüfung für den entsprechenden Warenzweig abgelegt und danach eine praktische Tätigkeit von mindestens zwei Jahren in einem Handelsbetrieb des entsprechenden Warenzweiges oder nach Ablegung der Kaufmannsgehilfenprüfung eine praktische Tätigkeit von mindestens drei Jahren in einem Handelsbetrieb des entsprechenden Warenzweiges ausgeübt worden ist. Zu überlegen wäre hier vielleicht, ob diese Vorschriften nicht auch auf den Buchhandel ausgedehnt werden müßten.
Die Prüfung der Zuverlässigkeit richtet sich nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten. Ein Gewerbetreibender wird insbesondere dann nicht als zuverlässig angesehen werden können, wenn er wegen Betruges oder wegen einer anderen Verletzung fremden Vermögens, wegen Wuchers, wegen groben Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder wegen wiederholter Verstöße gegen die für das betreffende Gewerbe geltenden Vorschriften rechtskräftig verurteilt worden ist.
Nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfs sind vereinzelt Stimmen der Kritik laut geworden, die Bedenken gegen verschiedene Bestimmungen erhoben haben. Diese Bedenken richten sich erstens gegen die Hereinnahme des Großhandels in dieses Gesetz, zweitens gegen den § 7 Abs. 5, der die Eröffnung von Zweigniederlassungen den gleichen Bedingungen unterwirft wie den Beginn eines Unternehmens, und drittens gegen den § 9, der die Weiterführung des Betriebes beim Tod des Betriebsinhabers durch die Erben regelt. Ich bin sicher, daß man, ohne dem Gesetz Gewalt anzutun, diese Bedenken in den Ausschußberatungen weitgehend berücksichtigen kann. Dies dürfte zum Teil lediglich eine Frage der Formulierung sein.
Nun noch ein kurzes Wort zu den Verfahrensfragen. Grundsätzlich kann jeder Handel betreiben, jedoch muß er dies der von der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbehörde unter Angabe der Art des Handelsbetriebes anzeigen. Die Verwaltungsbehörde muß innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eingang der Anzeige dem Beginn des Handelsbetriebes widersprechen, wenn die persönliche Zuverlässigkeit und die erforderliche Sachkunde nicht nachgewiesen werden können. Vor Ablauf der drei Monate darf der Handelsbetrieb nur begonnen werden, wenn die Verwaltungsbehörde dem Anmelder ausdrücklich mitteilt, daß sie der Eröffnung des Handelsbetriebes nicht widersprechen wird. Widerspricht die Verwaltungsbehörde, so darf der Handelsbetrieb nur begonnen werden, wenn der Widerspruch zurückgenommen oder seine Aufhebung durch gerichtliche Entscheidung unanfechtbar geworden ist. Gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörden sind selbstverständlich alle Rechtsmittel zulässig, die ) im Verwaltungsstreitverfahren vorgesehen sind. Damit ist also der volle Rechtsschutz für jedermann gesichert.
Ich habe versucht, Ihnen in großen Zügen die historische Entwicklung und auch die Notwendigkeit für den Erlaß eines Berufsausübungsgesetzes für den Handel aufzuzeigen. Gleichzeitig sollten meine Ausführungen Ihnen einen Überblick über die durch das Gesetz angestrebten Ziele und die für eine Handelstätigkeit notwendigen Voraussetzungen der Sachkunde und der persönlichen Zuverlässigkeit sowie über das vorgesehene Verfahren geben. Ich darf die Hoffnung aussprechen, daß das Hohe Haus dem Gesetzentwurf seine Zustimmung nicht versagt, sondern ihn so bald als möglich verabschiedet.
Ich stelle den Antrag, die Drucksache 1872 dem Ausschuß für Sonderfragen des gewerblichen Mittelstandes — federführend — und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort zur Begründung der Drucksache 1873, Ziffer 1 e der Tagesordnung: Entwurf eines Gesetzes gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel, hat der Abgeordnete Wieninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der hier zur Beratung stehende Antrag meiner Fraktion gegen den Betriebs-, Behörden- und Belegschaftshandel soll einem Übelstand innerhalb unserer Wirtschaft abhelfen. Wir glauben, daß der Bundestag sich der
Regelung dieser Frage annehmen sollte, weil die Ausbreitung dieses Handels eine Deroutierung innerhalb einer geordneten arbeitsteiligen Wirtschaft herbeiführt. Der Bundestag sollte sich dessen annehmen, weil dieser Werks- und Belegschaftshandel eine Quelle von Steuerhinterziehungsmöglichkeiten darstellt und weil er die Leistungsfähigkeit des Einzelhandels in einer solchen Weise beeinträchtigt, daß dadurch jeder, der nicht die Möglichkeit hat, diese Handelsart zu benutzen, in ungerechter Weise geschädigt wird.
Der Betriebshandel in seiner heutigen Form ist in der dunklen Zeit des Mangels an Verbrauchsgütern entstanden.
Die Kohleförderung wurde seinerzeit durch Sonderzuteilungen an Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen intensiviert. Im Rahmen der bekannten Devisenbonusaktion kamen damals den Betrieben und ihren Mitarbeitern Naturalvorteile zugute, und auch sonst behalf man sich allgemein durch mehr oder minder gewagte Kompensationen.
Diese Selbsthilfeaktionen mögen zu jener Zeit gerechtfertigt gewiesen sein. Die innere Berechtigung zu einer solchen autarken Wirtschaftsform ist aber weggefallen, seit ein normales, ausreichendes Angebot nicht mehr dazu zwingt. Man sollte also meinen, daß sich diese Entartung des Wirtschaftslebens von selbst wieder aufgehoben hätte. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der Betriebs-, Behörden- und Werkshandel blieb nicht nur bestehen, er dehnte sich in einer Weise aus, die gefahrdrohend genannt werden muß. Man braucht nicht zu fragen, was alles im Betriebshandel vertrieben wird. Vielmehr ist es besser und kürzer, danach zu fragen, was nicht gehandelt wird. Es sind dies kurz gesagt alle sozial kakulierten Artikel wie Schälmühlenerzeugnisse, Mehl, Fette, Zucker usw., also alles, was nur eine knappe Verdienstspanne zuläßt. Sonst wird alles, aber auch alles im Belegschaftshandel vertrieben, angefangen von allen Lebens- und Genußmitteln, Konserven, Wäsche, Schuhen, Kleidern und Ausstattungsgegenständen bis zu Foto-, Rundfunk- und Fernsehapparaten, ja bis zu ganzen Wohnungseinrichtungen.
Nach unseren Beobachtungen nimmt sich der Einsammlung von Aufträgen irgendein Mitglied der Belegschaft an — oft ist es auch der Betriebsrat —, verteilt dann die gelieferten Waren und übernimmt das Inkasso der Rechnung. Bei einem Mitarbeiterstand von einigen hundert Köpfen macht die Provision für Inkasso und Skonto in der Höhe von bis zu 5 °/o eine schöne Summe aus. Mir sind regelmäßige Nebenverdienste dieser Art von wöchentlich 200 bis 300 DM bekannt. Als Lieferanten treten meist sogenannte Rucksack- oder Dreirad-Grossisten auf, die auf diese Weise am Rande des normalen Wirtschaftsablaufs ihr Schäfchen scheren.
Wir sind Gegner derartiger zwielichtiger Geschäftspraktiken und streben das Verbot dieses Handelsgebarens an, und zwar aus folgenden Gründen. Die durch den Betriebs- und Belegschaftshandel geschaffenen Steuertatbestände werden kaum oder nur in völlig unzureichendem Maße beachtet. Dies gilt hinsichtlich der Einkommen-, der Gewerbe- und auch der Umsatzsteuer. Nach einer vorsichtigen behördlichen Schätzung ist der Steuerausfall auf jährlich 150 bis 200 Millionen DM zu veranschlagen.
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt urteilt, „daß bei dieser Art der Warenverteilung mangels Verbuchung durch die Abnehmer die Aufdeckung dieser Umstände unwahrscheinlich ist". Wenn es hoch kommt, werden die Umsatzziffern zu einem Steuersatz für den Großhandel, nämlich zu 1 , nicht aber zu 4 %, wie es für den Kleinhandel, für den Verkauf an den Letztverbraucher vorgeschrieben ist, versteuert.
Die von den Personen, die als Verteiler in den Betrieben tätig sind, erzielten Provisionen und sonstigen Gewinne werden erfahrungsgemäß dem Finanzamt überhaupt nicht gemeldet.
Wir stellen aber auf diesem Gebiete nicht nur eine Schädigung des Gesamtinteresses unseres Volkes auf steuerlicher Ebene fest. Der gesamte Einzelhandel und damit auch der Großhandel werden durch diese Verkaufsform auf das schwerste in Mitleidenschaft gezogen. Dem Betriebs- und Belegschaftshandel wäre jede Basis der Wirksamkeit schlagartig entzogen, wenn er unter den gleichen Wettbewerbs- und Startbedingungen arbeiten müßte wie der reguläre Handel,
wenn er ein komplettes Warensortiment, wie es der Käufer nach dem Grundsatz der freien Konsumwahl verlangt, halten müßte, statt sich auf eine Reihe leicht verkäuflicher Standardartikel zu beschränken.
Er wäre lahmgelegt, wenn er auch so, wie das der Einzelhandel tun muß, alle sozial kalkulierten Massenkonsumgüter anbieten würde. Er wäre nicht möglich, wenn er so wie der reguläre Handel Gehälter, Mieten, Sozialabgaben, Lagerkosten, Kreditgebühren, Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer, Heizung, Beleuchtung, Versicherungsspesen und alle anderen Generalien zu tragen hätte. Schließlich würde er verschwinden, wenn die Agenten und Vermittler in den Betrieben so wie der reguläre Handel ihren Lebensunterhalt aus dieser Tätigkeit bestreiten müßten, statt ihn von ihren Arbeitgebern für eine vernachlässigte Haupttätigkeit entgegenzunehmen.
Nur wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt wären, könnte von gleichen Wettbewerbsbedingungen gesprochen werden. Diese Wettbewerbsungleichheit stellt aber eine Gefahr für unsere ganze Volkswirtschaft dar, weil ihr Leistungsniveau von dem Grad der Spezialisierung der wirtschaftlichen und sozialen Funktionen abhängt. Die Rückbildung dieser Spezialisierung muß sich unwirtschaftlich auswirken. Der Handel innerhalb der Betriebe und Behörden stellt eine solche Rückbildung in unserer in höchstem Grade spezialisierten und dadurch aus unzähligen Abhängigkeitsverhältnissen bestehenden Volkswirtschaft dar und vermindert zwangsläufig unseren relativ hohen Leistungsstandard.
Ganz abgesehen also von den berechtigten Interessen des regulären Handels behaupten wir, daß die ganze breite Schicht der Käuferschaft, also alle, die beim Einzelhandel kaufen müssen, durch den Handel in den Betrieben und Behörden in ihren Interessen geschädigt werden.
Wenn beispielsweise in einer kleinen Stadt mit einem größeren Industriegebiet bei den Umsätzen des Einzelhandels in den Artikeln, die nicht sozial kalkuliert sind und die deswegen einen gewissen Rentabilitätsausgleich ergeben würden, eine spürbare Umsatzschrumpfung eintritt, dann ist dieser Einzelhandel nicht mehr so leistungsfähig, wie es notwendig wäre. Dann bedeutet das, daß die Sondervorteile einzelner, nämlich der Käufer im Betriebs- und Belegschaftshandel, durch entsprechend höhere Preise von allen anderen getragen werden müßten. Die Besserstellung eines relativ kleinen Kreises von Verbrauchern hat damit eine Schlechterstellung aller anderen zur Folge. Die mit den erzielten Sondervorteilen verbundene Umschich- tung des Realeinkommens geht unterschiedslos zu Lasten der gesamten Bevölkerung. Dabei werden Sozialrentner und Wohlfahrtsbefürsorgte am härtesten betroffen. Mit anderen Worten: der Betriebshandel ist der Versuch eines Teiles der Verbraucher, eine Verbesserung ihres Lebensstandards auf Kosten der breiten Masse der Verbraucher zu erreichen, die sich gegen diese Belastung praktisch nicht zur Wehr setzen können. Deshalb bezeichnen wir die Auswirkungen dieser Entartung des Handels als unsozial.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß die beiden großen Sozialpartner der Wirtschaft, Gewerkschaften und Industrie, den Werkhandel ablehnen. Die Gewerkschaften sind in wiederholten Äußerungen, darunter in Ausführungen der Gewerkschaftszeitung „Der Bund", gegen den Werkhandel aufgetreten, und der Bundesverband der Deutschen Industrie hat erst in jüngster Zeit dagegen Stellung genommen.
Meine Damen und Herren, verabschieden wir dieses Gesetz, damit auf dem Gebiete der Güterverteilung klare und stabile Verhältnisse eintreten, damit unsoziales Preisgefälle vermieden wird und damit gleiches Recht für alle eintritt!
Wir beantragen, den vorliegenden Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — und dem Ausschuß für Fragen des Mittelstandes sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung zu überweisen.
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 1 f der Tagesordnung: Förderung der Mittelschichten — Drucksache 1959 — hat der Abgeordnete Lange.
Lange (SPD), Antragsteller: Herr PräsiPräsident! Meine Damen und Herren! Uns beschäftigt heute ein Problem, das zweifellos seine besondere soziologische Bedeutung hat. Die Einleitung der heutigen Debatte hat schon gezeigt, wie schwierig im Grunde genommen die Bestimmung des Begriffs ist, den man verwenden will, um den Komplex zu umschreiben, den man hier soziologisch, gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch erfassen will. Wir müßten uns von vornherein darüber verständigen, was wir hier wirklich wollen.
Wenn wir von dem Begriff Mittelstand ausgehen, werden zum Teil Vorstellungen erweckt, die nach rückwärts weisen, im Gegensatz zu der Formulierung, die Kollege Schmücker gebraucht hat, das sei etwas in die Zukunft Weisendes.
— Wir werden uns darüber, Herr Kollege Schmükker, sowieso noch zu unterhalten haben.
Wir dürfen auf der anderen Seite nicht vergessen, daß der Stand seinem Ursprung nach der demokratischen Grundordnung nicht entspricht, nicht aus der demokratischen Ordnung erwachsen ist. Das müssen wir, glaube ich, in diesem Zusammenhang einmal sehr deutlich sagen.
-- Herr Schild, Sie werden den Beweis dafür erbringen müssen.
Wir müssen uns weiter darüber klar sein, daß wir in der demokratischen Grundordnung als der Voraussetzung für das Provisorium Bundesrepublik die Grundrechte immer an den einzelnen Staatsbürger binden, so daß wir von dorther Sonderrechte oder Gruppenrechte im eigentlichen Sinn des Wortes nicht schaffen können. Zu einem Teil klang aus den Begründungen heraus — es war für mich jedenfalls auch aus den Begründungen des Kollegen Schild erkennbar —, daß außer den an den einzelnen Staatsbürger gebundenen Grundrechten Gruppenrechte — ich will noch gar nicht von Vorrechten oder Privilegien sprechen — geschaffen werden sollten. Sie entsprechen zwar dem Grundrecht, das an den einzelnen Staatsbürger, an jeden Deutschen usw. — wir können uns ja immer wieder auf den Verfassungstext beziehen — gebunden ist, drohen aber unter Umständen, diese demokratische Grundordnung — Gleichheit vor Gesetz und Gericht — zu durchlöchern. Das, glaube ich, müssen wir uns bei diesen Betrachtungen
i) immer wieder vor Augen führen, um nicht auf Abwege zu geraten, die mit unseren gesellschaftspolitischen und demokratischen Vorstellungen nicht zu vereinbaren sind. Das wollte ich mit allem Nachdruck von vornherein gesagt haben.
Ich habe mich immerhin darüber gefreut, daß Kollege Schild statt des Begriffs Mittelstand schon einen anderen Hilfsbegriff, den wir Sozialdemokraten seit Jahr und Tag benutzen, verwendet hat — daß er der Weisheit letzter Schluß ist, will ich gar nicht behaupten —, nämlich den Begriff der Mittelschichten. Dieser Begriff ist nicht ständisch abgegrenzt und entspricht den soziologischen Gegebenheiten weit besser als der Begriff des Standes oder auch der des Berufsstandes.
Damit habe ich gleichzeitig die Begründung dafür gegeben, warum wir von der Förderung der Mittelschichten statt volkstümlich von Mittelstand reden. Allerdings sind in der breiten Masse unserer Bevölkerung unterschiedliche Vorstellungen über den Inhalt dieses Begriffs vorhanden. Nach meiner Überzeugung haben wir als Gesetzgeber die Aufgabe, uns von vornherein über Begriffsinhalte zu verständigen, um festzustellen, ob wir das gleiche meinen; denn nur auf dieser Basis läßt sich miteinander reden und verhandeln.
Von hierher gesehen läßt sich nach der Überzeugung, die wir Sozialdemokraten vertreten, wegen des von mir aufgezeigten Charakters des Grundgesetzes ein solcher Art. 12 a einfach nicht einbauen, auch wenn einmal so etwas in der Weimarer Verfassung als Art. 164 gestanden haben sollte, Herr Kollege Schild. Ich bin vielmehr der Meinung und kann das auch für meine politischen Freunde sagen — ich glaube, damit weitgehend auch die Meinung des Hauses zu treffen —, daß das im Grunde Anliegen der allgemeinen Politik ist, man könnte sagen, der Wirtschaftspolitik, der Steuer- und Finanzpolitik, der Kreditpolitik, der Sozialpolitik im besonderen. Das, glaube ich, muß man hier sehen, und da hat, das ist völlig unbestritten, der Bund nach dem Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung.
Wenn man also von der Erkenntnis ausgeht, daß die kleinen und mittleren selbständig Schaffenden im Handwerk, im Handel, in der übrigen gewerblichen Wirtschaft, d. h. im übrigen kleinen und mittleren Gewerbe und in den freien Berufen eine gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Bedeutung haben — von der Landwirtschaft will ich hier einmal absehen, weil sie in ein anderes Ressort hineingehört; aber das Problem muß dort ähnlich behandelt werden —, muß man auch vom Politischen her etwas tun, damit eine breite Schicht auf Arbeitseigentum gegründeter Existenzen geschaffen oder ihre Erhaltung gewährleistet wird, und zwar durch die Maßnahmen der allgemeinen Politik. Diese Gruppen dürfen in ihrer Existenzsicherung von der allgemeinen Politik nicht beeinträchtigt werden. Nach meiner Überzeugung kommt es entscheidend darauf an, daß wir hier konservierende Tendenzen nicht in den Vordergrund treten lassen; entsprechend dem Stand von Wirtschaft und Technik müssen wir zu in die Zukunft weisenden Gesetzgebungsakten oder sonstigen Akten der Politik kommen. Es kann uns nicht daran liegen, etwas, was im Aussterben begriffen ist, durch Stützungsmaßnahmen noch künstlich aufrechtzuerhalten. Das kann unter keinen Umständen der Sinn einer wie immer gearteten Politik sein, denn jede Politik muß im Gesamtinteresse des Volkes liegen. Das ist die entscheidende Voraussetzung: nicht nur im Interesse der Gruppen, sondern im Interesse des gesamten Volkes! Nur so kann nach unserer Überzeugung vorgegangen werden.
Alles in allem also: nicht restaurierende, nicht konservierende Tendenzen, sondern in die Zukunft weisende fortschrittliche Tendenzen müssen hier wirksam werden. Deshalb, Herr Kollege Schild: wenn wir uns alle miteinander um eine diesen Prinzipien entsprechende Politik bemühten, könnten wir das Anliegen, das Sie mit der beantragten Grundgesetzänderung verfolgen, besser und für die demokratische Grundordnung entschieden gefahrloser erfüllen, als wenn wir anfingen, für wie immer begrenzte Gruppen Sonderrechte oder Sonderbestimmungen in die Verfassung einzubauen. Das zöge sofort Wünsche anderer Gruppen nach sich, wodurch die allgemeine Konstruktion des Grundgesetzes ernsthaft durchlöchert werden könnte. Das zum Begriff und zum Grundsätzlichen.
Ich darf Sie versichern, daß das, was ich hier ausgeführt habe, durchaus auch die Auffassung meiner Fraktion ist. In einem Nachrichtendienst des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks ist die zweifelnde Frage gestellt worden, ob das, was hier gesagt werde, auch für die Fraktionen verbindlich sei und inwieweit die Fraktionsprominenz oder die Parteiprominenz dazu etwas zu sagen habe. Ich als sozialdemokratischer Sprecher kann mit gutem Gewissen auf unser Aktionsprogramm hinweisen. Was ich hier vertrete, bewegt sich durchaus im Rahmen dieses Aktionsprogramms. Es ist für die Sozialdemokratische Partei verbind-
lich. Es bedarf also nicht besonderer Erhärtungen. Diejenigen, die solche Zweifel haben, sollten sich über den Charakter erstens des Parlaments und zweitens der politischen Parteien etwas genauer unterrichten, damit sie wissen, daß das, was hier gesagt wird, für die Fraktionen und die Parteien nur im Rahmen der von den Parteien gefaßten Beschlüsse verbindlich ist. Ich glaubte diese Bemerkung machen zu müssen, damit nicht in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck über eine solche Aussage entsteht.
Nun zu den nächsten Dingen, die uns hier bewegen! Ich darf ohne Einschränkung als quer durch die Fraktionen gehende Meinung feststellen — jedenfalls ist das im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes einmal so zum Ausdruck gebracht worden —, daß wir uns mit der Regierung einmal grundsätzlich darüber unterhalten wollen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, wonach die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden kann, notwendig macht. Bis heute ist es zu dieser Unterhaltung nicht gekommen. Ich will die Gründe gar nicht untersuchen. Wir sollten trotz allem — deshalb unser Antrag unter Ziffer 1 a — die Regierung auffordern, zu prüfen, ob und in welchem Umfang bei Berücksichtigung aller Verfassungsbestimmungen für den Geltungsbereich des Grundgesetzes einheitliche gesetzgeberische Maßnahmen zur Regelung der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes erforderlich sind und nach welchen Grundsätzen sie zu treffen sind. Wir müssen uns der Gefahr bewußt werden, die sich aus lauter Einzelregelungen ergeben kann. Die Regierung sollte von sich aus einmal sagen, wie nach ihrer Meinung das Recht der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ohne Einschränkung des Grundrechts — siehe Art. 19 — geregelt werden muß. Darauf kommt es uns an. Da wir quer durch die Fraktionen in dieser Frage schon einmal einheitlicher Meinung waren, bitte ich das Haus, sich unserem Ersuchen anzuschließen, damit die Regierung einmal ganz deutlich sagt, was sie sich vorstellt. Wir können trotz der verschiedenen Hinweise auf die Verfassungsklage zur Handwerksordnung nicht warten, bis das Verfassungsgericht in der einen oder in der anderen Frage entschieden hat. Es kommt darauf an, festzustellen, welche Vorstellungen die Regierung, dieses Haus und die einzelnen Fraktionen in dieser Frage haben, damit die Gesetze, die die Berufsausübung regeln, nach einheitlichen Grundsätzen erlassen werden.
Man muß sich darüber im klaren sein, daß man einige wenige Grundsätze aufzustellen hat. Einer dieser Grundsätze kann die Sicherung bzw. die Nichtgefährdung der Volksgesundheit sein. Ein anderer Grundsatz kann sein: keine Gefährdung Dritter. In diesem Zusammenhang ist sehr sorgfältig zu prüfen, wo die Begrenzung liegen muß. Ich deute das jetzt nur an, ohne in die Diskussion einzutreten, die wir ja nachher, wenn die Regierung uns ihre Auffassung dargelegt hat — nicht heute, sondern wenn sie diese Frage geprüft hat —, werden führen müssen. Wir könnten dann drittens — das ist aber besonders sorgfältig zu prüfen — im Hinblick auf Nachwuchsausbildung und Leistungssicherung in der Volkswirtschaft einige Überlegungen anstellen, die aber, wie gesagt, nicht von vornherein zu sehr in die Breite gehen dürfen. Ich verweise auf die Fülle von Wünschen nach
Berufsordnung, die im Laufe dieser Jahre auf uns zugekommen sind, deren größten Teil wohl alle im Hause für ungerechtfertigt halten, weil sie nicht Anliegen der Allgemeinheit sind, sondern aus einem Schutzdenken geboren sind und besondere Sicherungen für bestimmte Gruppen schaffen wollen. Das sollte dieses Haus unter keinen Umständen mitmachen. Deshalb muß einmal sehr deutlich auch nach außen hin gesagt werden, was in dieser Richtung nach dem Grundgesetz vertretbar ist.
Nun wissen wir, daß die Krankheit — ich sage bewußt: die Krankheit — der Mittelschichten zu einem großen Teil darauf zurückzuführen ist, daß sie im wesentlichen keine im Grund und Boden und im Sacheigentum gegründete Fundierung mehr haben; von betrieblichen Einrichtungen, Werkzeugen, Maschinen will ich einmal absehen; das ist ja nicht die Sicherung. Wir wissen, daß diese ursprüngliche Grundlage der Existenz durch Krieg und in der Nachkriegszeit weitgehend vernichtet worden ist. Wir wissen auf der anderen Seite, daß die kleinen und mittleren Betriebe ihre Existenzfähigkeit, ja ihre Existenznotwendigkeit als Zubringerbetriebe und Dienstleistungsbetriebe gegenüber der großbetrieblich organisierten Wirtschaft unter Beweis gestellt haben, und zwar quer durch alle Industriestaaten. Es besteht also ein besonderes Interesse daran, auch die in diesen kleinen und mittleren Betrieben liegenden volkswirtschaftlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.
Die öffentliche Hand mußte, wie heute morgen Herr Kollege Schmücker ausgeführt hat, zuerst ein mal die Grundstoffindustrien, die großen Industrien unterstützen. Nach der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953, ebenso aber auch nach der Erklärung des Oppositionsführers muß die öffentliche Hand den Betrieben, die bei der gegenwärtigen Struktur des Kapitalmarktes und des Banken-systems und der Verflechtung des Bankensystems mit der Währungspolitik auf normale Art und Weise nicht an die für die Umstellung, Rationalisierung usw. notwendigen Mittel kommen, diese Mittel auf andere Art zu für sie tragbaren Bedingungen zur Verfügung stellen. Deshalb ist in Punkt 1 b unseres Antrags die Forderung, einheitliche gesetzgeberische Grundlagen für eine diese Gruppen wirksam fördernde Kreditpolitik von Bund und Ländern zu schaffen. Die Antragsteller sind sich darüber klar, daß wir nicht die Möglichkeit haben, die Länder oder andere Stellen durch die Gesetzgebung zu zwingen, sondern daß eine solche Förderung nur in Übereinstimmung mit diesen Stellen durch Vereinbarungen erreicht werden kann. Aber entscheidend sollte sein, diese Kreditpolitik im Rahmen einer Volkswirtschaft nach einheitlichen Gesichtspunkten zu steuern, die den Grundsätzen der gesamten Politik entsprechen.
Der Bund hat in dieser Beziehung in einem bestimmten, beschränkten Umfange Möglichkeiten, und zwar durch Verbesserung der Bürgschaftsaktionen, die auf die weit stärkere Förderung der Klein- und Kleinstkredite abzielen müssen; denn diese Kredite sind heute für die Banken kaum von Interesse. Die Banken gehen auf größere Kreditvolumen aus, weil ihre Verwaltungsarbeit dabei wesentlich geringer ist. Solche Klein- und Kleinstkredite müßten im Bankensystem bis zu einem gewissen Umfange abgesichert werden, nicht auf dem Wege über die Ausfallbürgschaften, weil dort Schwierigkeiten entstanden sind, sondern möglicherweise — nur um einmal anzudeuten, was man
sich vorstellen kann — auf dem Wege über selbstschuldnerische Bürgschaften der öffentlichen Hand. Über die Einzelheiten müßten wir uns noch unterhalten. Wir werden dann sehen, wieweit in dieser Frage hier im Haus Übereinstimmung zu erzielen ist und wieweit das, was in diesem Hause von den verschiedenen Parteien gesagt worden ist, nur schöne Worte sind oder ob der Wille zur Tat dahintersteht.
Von besonderem Interesse für diese kleinen und mittleren Existenzen ist das, was wir gemeinhin unter Gewerbeförderung zusammenfassen. Hier muß der gleiche Grundsatz Platz greifen, der für die Kreditpolitik Anwendung findet. Wir sind uns klar über die Notwendigkeit einheitlicher Steuerung der Forschungsaufgaben, die kleine und mittlere Betriebe mit neuen Werkstoffen, mit andersartigen Werkstoffen zu betreiben hätten, die andere Bearbeitungsmethoden, andere Bearbeitungsmaschinen oder Bearbeitungswerkzeuge erforderlich machen. Auch das hängt wieder eng mit der für den einzelnen Betrieb notwendigen Kreditpolitik zusammen. Da wäre beispielsweise schon ein Ansatzpunkt für das gegeben, was hier heute morgen unter der Überschrift Mittelstandsinstitut behandelt worden ist.
Aber das wäre nur ein Teil dieser Aufgabe. Aus der allgemeinen Forschungsarbeit für diese kleinen und mittleren Betriebe werden sich andere Kostensituationen durch veränderte Bearbeitungsgrundlagen, andere Werkstoffe usw. ergeben. Die von einem auch als Instrument der Wirtschaftspolitik schlechthin gedachten, aber unabhängigen Forschungsinstitut gewonnenen Erkenntnisse müssen hinausgehen in die Öffentlichkeit, in die beteiligten Gruppen mit ihren Verbänden, Wirtschaftsorganisationen usw., damit von dort her unmittelbare betriebsnahe Gewerbeförderung erfolgen kann. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verlangt aber von uns allen, daß wir einheitliche Voraussetzungen quer durch Bund und Länder schaffen, um auch so der gesellschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Schichten weitgehend Rechnung zu tragen.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich auch ein Wort zu dem hier heute morgen zitierten Mittelstandsinstitut sagen. Wir sind der Meinung, daß nicht nur dieses Haus oder die Regierung, daß nicht nur die Öffentlichkeit wissen muß, wie der soziologische Hintergrund dieser Mittelschichten aussieht, der kleinen und mittleren Selbständigen im Handwerk, im Handel und im übrigen kleineren und mittleren Gewerbe, in den freien Berufen und auch in der Landwirtschaft. Vielmehr kommt es darauf an, überhaupt einmal, als Voraussetzung für eine entsprechende allgemeine Politik, die Veränderungen gesellschaftlicher Art, die sich in der jüngeren Geschichte ergeben haben, zu durchleuchten. Daraus wird sich ergeben, welche anders-gearteten politischen Maßnahmen erforderlich sind, ob man mit den allgemeinen Vorstellungen, die in den Köpfen unserer Bevölkerung geistern, noch zurechtkommt, ob wir also hier nicht ganz andere Mittel einsetzen und ganz andere Maßnahmen ergreifen müssen, um den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden.
Die Sozialdemokratische Partei ist unter allen Umständen bereit — das habe ich eingangs schon gesagt, und das hat sie in ihrem Aktionsprogramm sehr deutlich gemacht —, das kleine und mittlere
Privateigentum zu fördern. Sie erkennt auf der anderen Seite auch die gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Selbständigen an, weil neben der ursprünglichen sozialen Frage der Lohnarbeiter und neben der sozialen Frage der Angestelltenschaft auch nach der Meinung der Sozialdemokratischen Partei — und zwar nicht erst seit heute, sondern das ist schon von Kurt Schumacher im Jahre 1945 sehr deutlich gesagt worden — eine echte soziale Frage auch für diese Mittelschichten und damit für das gesamte Volk entstanden ist.
Über all diese Erwägungen hinaus, die ich einleitend vorgetragen habe, über die Begriffsbestimmungen und die Notwendigkeit, diese Aufgaben zu lösen, Aufgaben, die ein zentrales Institut, wie es hier gedacht ist, haben sollte, kommt es uns in diesem Zusammenhang darauf an, erkennbar zu machen: hier liegt eine wissenschaftliche Forschungsaufgabe, die für unsere Gesamtpolitik wichtig ist, die aber auch das gesamte Volk umfassen muß, und die Mittelschichten müssen in diesen Forschungsauftrag einbezogen werden. So können wissenschaftliche Grundlagen für praktische, politische Maßnahmen erarbeitet werden. Dabei muß, das möchte ich noch einmal mit allem Nachdruck unterstreichen, die Unabhängigkeit eines solchen Instituts von der einen wie von der anderen Seite gewährleistet sein, von der allgemein staatlichen wie von der Länderseite und von der Interessenseite. Darüber müßte man sich einmal unterhalten, und ich glaube, man könnte es! In diesem Zusammenhang können also solche Möglichkeiten einer einheitlichen Gewerbeförderung geschaffen werden. In welchem Umfang die Voraussetzungen dazu gegeben sein werden, das soll uns die Regierung einmal sagen.
Nun zu einem letzten Punkt, zu der Frage, ob einer gesetzlichen Regelung der Alterssicherung für die selbständig Schaffenden verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen und wie sie gegebenenfalls ausgeräumt werden können. Wir sagen das deshalb in dieser Form, nicht, weil wir — nicht nur in diesem Falle, sondern auch in einigen anderen Fällen — nicht einen Gesetzentwurf auf den Tisch des Hauses hätten legen können, sondern um die Regierung entsprechend tätig werden zu lassen. Wir kennen in diesem Zusammenhang eine ganze Menge von Einwendungen, Gutachten und Ähnliches. Gerade im Hinblick auf die gesetzliche Alterssicherung der Selbständigen hört man immer wieder von verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir haben also alle Veranlassung, zu fordern, daß die Regierung auch diese Frage einmal klärt; denn wir wissen nicht, wie das Bundesverfassungsgericht die anhängigen Verfassungsklagen entscheiden wird, — denken wir nur an die Schornsteinfeger.
Wir müssen auch bedenken, daß zwei Kriege und zwei Inflationen und eine Wirtschaftskrise, die auch nicht spurlos an uns vorübergegangen ist, sondern einiges Unangenehme einschließlich des Tausendjährigen Reiches mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen im Gefolge gehabt hat, hinter uns liegen. Wir wissen doch, daß die Menschen — ich denke vor allem an die Kleinen und Kleinsten: die Ein-Mann-Betriebe usw. — gar nicht alle so gegen die Wechselfälle des Lebens gesichert sind, wie man das gemeinhin annimmt. Sie brauchen eine Sicherung im Alter. Sie haben auf Grund einer Arbeitsleistung, die sie genau wie die andern im
Arbeitsprozeß dieser arbeitsteiligen Gesellschaft Tätigen im Interesse aller erbracht haben, einen Rechtsanspruch auf Existenzsicherung im Alter.
Die Frage ist nur, wie soll man diese Alterssicherung gestalten, bis zu welcher Höhe erachtet man eine gesetzliche Sicherung für notwendig, und über welchen Rahmen hinaus überläßt man es dem einzelnen, sich zusätzlich auf andere Art — wie immer — Sicherungen zu schaffen. Nur sollten wir die Selbständigen davor bewahren, daß sie im Alter — solche Beispiele gibt es viele — ihren Betrieb aufzuzehren gezwungen sind, um so ihre Existenz zu sichern. Das liegt nicht im allgemeinen und nicht im volkswirtschaftlichen Interesse, das liegt im Grunde genommen auch nicht im Interesse der Betroffenen. Wir müssen die Voraussetzungen zur Sicherung eines gleichmäßigen und stetigen Wachstums des Sozialproduktes schaffen. Das wird dann auch eine gleichmäßige Erweiterung der Lebensmöglichkeiten mit sich bringen. So werden dann auch die Voraussetzungen für die gesetzliche Alterssicherung erhalten bleiben. Dazu soll uns aber die Bundesregierung ihre Meinung sagen.
Nun darf ich noch einige Bemerkungen anfügen, die sich aus den Begründungen ergeben, die vorhin hier gegeben worden sind. Wir werden mit besonderer Sorgfalt zu prüfen haben, was sich die Fraktion der DP bei ihrer Novelle zur Gewerbeordnung in bezug auf die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, in bezug auf die Regiebetriebe — sie gibt es nicht nur bei der öffentlichen Hand, sondern auch bei anderen — und in bezug auf die Gewerbeuntersagungsmöglichkeiten vorstellt. Ich darf daran erinnern, daß der Bundestag während seiner ersten Legislaturperiode einen Auftrag an die Regierung gegeben hat, die Frage der Gewerbeuntersagung zu prüfen. Hier wird also offiziell von der Regierung noch etwas auf uns zukommen.
Zweitens hat die Regierung — ich war damals Berichterstatter; deshalb täuscht mich mein Erinnerungsvermögen hier wahrscheinlich nicht — außer der Aufgabe, die Frage des ambulanten Gewerbes, § 56 ff., zu prüfen, auch die Aufgabe, die gesamte Gewerbeordnung entsprechend dem heutigen Stand von Wirtschaft und Technik neu zu fassen, also neu zu kodifizieren. Dieses Gesetzgebungswerk würde, gleichgültig von welcher Regierung und gleichgültig in welcher Legislaturperiode, noch auf uns zukommen. Wir sollten also Stückarbeit weitgehend vermeiden und sollten möglichst einheitliche, dem heutigen Stand von Wirtschaft und Technik entsprechende gesetzliche Normen schaffen. Dabei sollten wir uns auch hüten, zuviel Einschränkungen zu machen; denn in jedem Falle spricht nach dem Grundgesetz und auch nach unserer Überzeugung die Vermutung zuerst einmal für die Freiheit. Das ist demokratischer Grundsatz. Inwieweit dann der Staat diese Freiheit im Interesse aller einzuschränken hat, das bedarf einer außerordentlich sorgfältigen Prüfung, wobei wir uns vor allem davor schützen müssen, in irgendwelches Kästchendenken zu geraten.
Nichts über das Bestattungsgewerbe! Dazu hat hier mein Fraktionsfreund und -kollege Walter Menzel schon einmal etwas gesagt. Wie sich das die DP vorstellt, scheint mir das völlig unmöglich zu sein. Man wird also im einzelnen prüfen, ob überhaupt eine Berechtigung darinsteckt; ich kann sie vorläufig aus diesen Formulierungen und Begründungen noch nicht erkennen. Mit dem, was hier für das Bestattungsgewerbe gemacht wird, kommen wir vermutlich völlig ins Gedränge durch eine Fülle anderer Forderungen, die das Haus, wenn es nicht gegen das Interesse der Gesamtheit handeln will, überhaupt nicht erfüllen kann.
Noch eine Bemerkung zu dem CDU-Antrag; sie bezieht sich gleichzeitig — es tut mir außerordentlich leid, Herr Kollege Illerhaus — auch auf den Gesetzentwurf über die Berufsausübung im Handel. Der DP-Entwurf greift einen Berufsstand mit 250 000 Selbständigen zwar nicht in der Gänze, aber in gewissen Teilen an; er will dem ambulanten Handel bestimmte Beschränkungen auferlegen. Nun, wir haben Lebensmittelgesetze, wir haben dafür eine Behörde, die diese Dinge zu überwachen hat. Da ist es völlig gleichgültig, wo der Verkauf erfolgt, wenn nur alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Ich habe den Eindruck, daß Sie, Herr Illerhaus, bei Ihrem Entwurf mit dem ambulanten Handel unter Umständen ähnliches vorhaben. Wenn wir hier über Handel reden, müssen wir die Frage stellen: Wer betätigt sich im Handel? Sie haben hier nicht gesagt: Einzelhandel, stationärer Einzelhandel. Sie haben nicht gesagt: Großhandel. Der Exporthandel ist bei Ihnen sowieso draußengeblieben. Sie haben auch einen andern Zweig nicht darin, nämlich die Handelsvertreter.
Wenn man überhaupt der Meinung ist, daß man ein so geartetes Gesetz über die Berufsausübung im Handel braucht, muß man eine sehr sorgfältige Prüfung vornehmen. Sie haben vorhin selbst von dem Gleichheitsgrundsatz gesprochen und gesagt, daß keine Einschränkung eines Grundrechts in seinem Wesensgehalt vorgenommen werden dürfe; siehe Art. 19 des Grundgesetzes. Wir müssen also — deshalb komme ich dazu — sehr sorgfältig prüfen, ob hier nicht in der Tat eine Einschränkung eines Grundrechts in seinem Wesensgehalt vorgenommen wird.
Aber ich sage mit allem Nachdruck, daß das, was im DP-Antrag liegt, mir politisch viel gefährlicher scheint. Der Kollege Schild hat von dem Gegensatz Ost-West, Gut-Böse usw. gesprochen. Mit der „Bejahung der Verneinung" einer Politik können wir keine Politik machen. Die Ablehnung der einen Seite bedeutet noch nicht, daß wir schon etwas Besseres haben. Das haben wir dem „Tausendjährigen Reich" gegenüber alle miteinander erlebt. Wir waren gegen das „Tausendjährige Reich". Darin waren wir vielleicht einig. Wir waren aber nicht darin einig: Wie soll das aussehen, was danach kommt?
Wir müssen positiv an die Dinge herangehen und können eine solche Gegenüberstellung auf keinen Fall machen, wenn wir hier eine lebensfähige Sozialordnung schaffen wollen, die eben nicht der positive Abklatsch des drüben Negativen oder umgekehrt der negative Abklatsch des drüben positiv Aufgefaßten sein soll. Wenn man Eigentum schützen will, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Schild, muß man daran denken: das Eigentum liegt in der Tat auch bei den kleinsten der Selbständigen, und dazu gehört das Wandergewerbe zweifellos. Verdient dieses Arbeitseigentum keinen Schutz?
Wenn man sich — das bezwecken Sie doch mit Ihrem Antrag auf Änderung des Grundgesetzes — auf der einen Seite gegen die Aufsaugung durch die Großbetriebe schützen will, kann man nicht auf der andern Seite selber die Absicht haben, kleinere
und kleinste, die man noch im eigenen Bereich hat, von den mittleren und größeren mittleren Betrieben aufsaugen zu lassen. Dias darf unter gar keinen Umständen Platz greifen. Entweder man bekennt sich uneingeschränkt zur Sicherung des kleinen und mittleren Eigentums und läßt das auch uneingeschränkt gelten, oder aber man sagt sehr deutlich: wir wollen jetzt, da wir von der Notwendigkeit einer Ausweitung nicht mehr überzeugt sind und wir auch nicht wollen, daß die, die jetzt da sind, ihren Besitzstand verlieren, einen Schutz in einem bestimmten Umfang. Wenn man das will, soll man es sagen und das nicht mit irgendwelchen allgemein-politischen Anliegen verbrämen, die mit dieser Sache in Wirklichkeit nichts zu tun haben und die im Grunde genommen nur „weiße Salbe" oder ein Sand-in-die-Augen-Streuen bedeuten.
— Ich habe nicht gesagt, daß Sie das wollen. Ich habe nur gesagt: so etwas lese ich zu einem Teil auch wegen der nicht vorhandenen Darlegung hier heraus.
— Es wird also Ihre Aufgabe sein, Herr Schmücker, mit Ihren Freunden uns hier klarzumachen, daß es für Sie ein solches Naturschutzparkdenken nicht gibt oder daß keiner in diesem Hause einen solchen Naturschutzpark — —
— S i e haben es gesagt, aber die gesetzlichen Bestimmungen, die Sie hier vorgeschlagen haben, lassen mich das vorläufig noch nicht erkennen.
Man muß also mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß ein Naturschutzparkdenken hier nicht am Platze ist und so etwas im allgemeinen Interesse nicht vertreten und verkündet werden kann.
— Nein, nicht nur Sicherung und Erhaltung! Auch Förderung im Hinblick auf morgen und übermorgen! Aber die Erhaltung ist nicht so zu verstehen, daß Nichtlebensfähiges mit aller Gewalt erhalten werden muß. Das müssen Sie in diesem Zusammenhang zugestehen, Herr Stücklen, denn sonst ist unsere ganze Politik rückschrittlich. Was wir wollen, ist eine in die Zukunft weisende Politik, wobei zu bedenken ist, daß eine breite Schicht im Arbeitseigentum begründeter Existenzen auch eine wesentliche Sicherung für die Demokratie schlechthin sein kann. Das ist sozialdemokratische Auffassung.
Für diese im Eigentum gegründeten Schichten gibt es für uns niemals einen Numerus clausus; vielmehr muß man auch dem Nachwuchs die Möglichkeiten zur selbständigen wirtschaftlichen Betätigung eröffnen.
Auf der anderen Seite haben wir alle miteinander hier in diesem Hause die Pflicht, diese Gruppen und Schichten, die in Deutschland zu einem Teil einmal eine nicht sehr glückliche Rolle gespielt haben, auf ihre verantwortliche staatsbürgerliche Aufgabe hinzuweisen. Diese Gruppen sind genau so Staatsbürger wie alle anderen auch und müssen diese staatsbürgerliche Aufgabe übernehmen; sie dürfen also nicht aus Indifferenz gegenüber Gesellschaft und Staat, und zwar hier gegenüber dem demokratischen Staat, - —
— Völlig richtig! Ich sage es hier nur,. weil es sich hier um die Mittelschichten handelt und weil wir noch Erinnerungen an NS-HAGO haben. Das dürfen wir nicht außer acht lassen.
— Unseligen Angedenkens, ja, aber diese Erinnerungen sind da! Ich meine, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten hier nicht so tun, als ob solche gesellschaftspolitischen und geschichtlichen Erfahrungen nicht vorhanden wären. Es kommt darauf an, aus diesen Erfahrungen zu lernen. — Bitte, Sie schütteln den Kopf, Herr Illerhaus, aber Sie sind doch im Grunde der gleichen Meinung, vermute ich. — Es kommt also darauf an, aus diesen gesellschaftlichen Erfahrungen zu lernen, damit wir den Leuten die Gefahren aufzeigen, die sich ergeben können, wenn sie Rattenfängern nachlaufen. Was sie ursprünglich einmal geglaubt haben, ist nicht eingetreten, sondern das Gegenteil ist geschehen: sie sind noch mehr getreten worden, als sie vorher sich getreten glaubten.
Deshalb muß man auch diese Gruppen und Schichten viel stärker, als sie selbst zum Teil dazu bereit sind — ein Teil ist dazu bereit, aber dieser Teil muß vergrößert werden —, an die allgemeinen staatspolitischen und staatsbürgerlichen Aufgaben heranführen, damit wir auch von der Erziehungsseite her die im Arbeitseigentum gegründeten Existenzen sichern und damit wir auch aus dieser Sicht echte und überzeugte Demokraten haben.
— Entschuldigen Sie, hier meine ich es im Sinne der Sicherung der demokratischen Ordnung, nämlich bei den Angehörigen dieser Gruppen demokratische Einstellung zu sichern, aber nicht durch Privilegien, sondern durch gleiche Chancen, die jeder nach seinen Anlagen, Neigungen und Fähigkeiten nutzen muß. Wenn wir eine Politik in diesem Sinne betreiben, dann wird diese Politik die Mittelschichten und die übrigen Schaffenden in unserem Volke gleichermaßen fördern und in ihrer Existenz sichern.
Nun darf ich noch eine technische Bemerkung machen. Ich bitte Sie, über den Antrag, den wir hier vorgelegt haben, nach Möglichkeit — nach Möglichkeit, sage ich; ich weiß nicht, ob Sie einmal von der Gepflogenheit des Hauses abgehen können — sofort zu beschließen, da keine Sachauseinandersetzung in den Ausschüssen notwendig ist. Hier geht es einfach darum, die Bundesregierung aufzufordern: Bitte prüft! Auch nach der Debatte über die Konjunkturpolitik sind Anträge zwar den Ausschüssen überwiesen, im Ausschuß aber ohne Sachberatung behandelt und angenommen warden. Wenn wir wirksam etwas tun wollen, sollten wir sofort beschließen, die Regierung — hier und heute! — zu bitten, diese Frage zu prüfen.
Schmücke( : Herr Lange, ist es nicht besser, wenn wir diese Dinge im Ausschuß diskutieren, weil wir dann doch viel mehr in die Tiefe gehen können?
Lange (SPD), Antragsteller: Herr Schmücker, ich habe nichts dagegen, daß die Problematik diskutiert wird. Ich bin nur der Meinung: wenn wir jetzt erst des langen und breiten unter uns diskutieren, haben wir nicht als Diskussionsgrundlage die Auffassung der Regierung. Uns kommt es darauf an, nachher in den Ausschüssen die Auffassungen der Regierung zur Grundlage der Aussprache zu machen. Wir fordern die Regierung auf, möglichst bald, spätestens bis zum 30. Juni nächsten Jahres, zu berichten und da, wo sie glaubt, es zu können, auch die entsprechenden Gesetzentwürfe vorzulegen. Von da her, Herr Schmücker, halten wir es für nötig, daß die Regierung so schnell wie möglich handelt, damit auch von ihr nachher nichts Unbilliges hinsichtlich des Termins verlangt wird. Sie — und auch wir — haben heute einiges dazu sehr deutlich gesagt. Sie sitzen in .der Koalition; Sie hätten über die politischen Möglichkeiten, die Sie haben, einen Einfluß auf die Regierung ausüben, vielleicht auch schon einiges in diesem Zusammenhang zuwege bringen können. Aber wenn das bis zur Stunde nicht geschehen ist, sollten wir, meine ich, nicht noch mehr dadurch verzögern, daß wir diese Anträge jetzt den Ausschüssen überweisen.
Es ist ja nicht so, daß nichts geschehen wäre!
Lange (SPD), Antragsteller: Entschuldigen Sie, so habe ich das auch nicht gesagt — daß nichts geschehen sei —; ich habe das anders formuliert.
Ich habe zunächst eine Bitte vorgetragen — nicht einmal einen Antrag; aber Sie mögen es ruhig auch als Antrag werten. Wenn Sie sich nicht, entschließen können, diesem Antrag heute zuzustimmen, dann müssen — ich darf, da ich das jetzt nicht schriftlich machen kann, bitten, daß es oben mit angemerkt wird — die Einzelanträge unseres Antrages Drucksache 1959 wie folgt überwiesen werden:
1 a) an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — wegen des Grundgesetzes — und, da es sich hier entscheidend um ein wirtschaftspolitisches Anliegen handelt, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der federführend sein soll;
1 b) und 1 c) ebenfalls an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, und zwar, wenn auch andere Ausschüsse eingeschaltet werden sollen, als federführenden Ausschuß;
1 d) an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Sozialpolitik.
Mein Anliegen jedoch ist — noch einmal, meine Damen und Herren! —: bitte beschließen Sie heute, sofort!
Nun zu den anderen Anträgen. Soweit mir die Planungen des Ältestenrats bekanntgeworden sind, ist vorgesehen, den Antrag Drucksache 1728 dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zu überweisen. Mit diesem Antrag wird — von den verfassungsrechtlichen Dingen abgesehen — eine so entscheidende wirtschaftspolitische Frage aufgeworfen, daß dabei der Ausschuß für Wirtschaftspolitik unter allen Umständen eingeschaltet werden muß, und zwar würde ich da den Wirtschaftsausschuß sogar federführend sehen wollen.
Natürlich muß auch bei dem anderen Antrag, der die Gewerbeordnung berührt, der Wirtschaftspolitische Ausschuß federführend sein.
Das erhebe ich also zum Antrag.
Bei den beiden anderen Anträgen ist es klar.
Ich meine, man sollte so verfahren und in wirtschaftspolitischen Fragen auch tatsächlich das Organ, das hier im Hause dafür als sachverständig ausersehen ist, zuständig machen.
Noch einmal meine Bitte: Beschließen Sie heute, den Antrag Drucksache 1959 hier anzunehmen. Dann ist die Regierung imstande, schnell zu arbeiten, und wir können uns zu gegebener Zeit, ohne Stückwerk zu machen, über allgemeine Grundsätze und sich aus ihnen ergebende gesetzgeberische Notwendigkeiten unterhalten.
Meine Damen und Herren! Die Anträge sind eingebracht und begründet. Wir haben nunmehr die Beantwortung der Frage 1 a seitens der Bundesregierung — —
— Dann haben wir jetzt in die allgemeine Aussprache einzutreten. Bis jetzt haben sich sechs Redner gemeldet. Ich denke, daß sich im Laufe der Zeit noch mehr melden werden. Es steht im Belieben des Hauses, die Dauer der Sitzung am heutigen Freitag zu bestimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Ankündigung des Herrn Präsidenten geht ohne Zweifel hervor, daß sich die Redner nach Möglichkeit mit Wortmeldungen und in ihren Ausführungen zurückhalten sollten. Ich möchte das schon in Anbetracht dessen, daß die heutige Sitzung die letzte Sitzung dieses Jahres und die letzte vor Weihnachten ist, gern respektieren und mich so weit wie möglich kurz fassen. Aber die Redner, die vor mir gesprochen haben, haben doch einige grundlegende Erklärungen abgegeben. Ich möchte auch im Namen meiner politischen Freunde noch einiges Grundlegendes hinzufügen, soweit ich dazu in der Lage bin und soweit es überhaupt noch möglich ist.
Es ist erfreulich, daß über den Begriff des Mittelstandes, darüber, was zum Mittelstand gehört und was nicht, in diesem Hause weitestgehend Übereinstimmung herrscht, vom Herrn Bundeskanzler angefangen über sämtliche Fraktionen dieses Hauses. Auch ich bin der Meinung, daß nicht nur der gewerbliche Mittelstand in den politischen und wirtschaftlichen Begriff Mittelstand hineingehört, sondern auch die freien Berufe, der unselbständige Mittelstand, die Landwirtschaft und vor allen Dingen auch — das möchte ich zur Klarstellung sagen — nicht nur Handwerk, Handel, Verkehrsgewerbe, Gaststättengewerbe, sondern auch die kleine und mittlere Industrie.
Das ist auch von uns immer gemeint. Wenn ich meinen Freund Raestrup ansehe, der sich immer mit mahnender Stimme als Mittelständler behauptet hat und auch weiterhin erfolgreich behaupten wird, dann glaube ich, daß er doch mit ein Prototyp des Vertreters einer gesunden mittelständischen Industrie sein könnte.
— Herr Pferdmenges ist doch schon in Pension;
Sie können ihn heute nicht mehr so strapazieren.
Herr Abgeordneter, ich habe den Eindruck, daß Sie damit unserem Kollegen Pferdmenges unrecht tun.
Wieso?
Ich habe den Eindruck, daß er sich hier nicht in Pension befindet, —
Nicht in politischer Pension!
— sondern daß er sich hier als ein ausgesprochen tätiger Mensch erwiesen hat.
Da stimme ich zu; es war nur auf die Berufsausübung abgestellt. Ich glaube, da sind wir uns einig.
Aber nun liegen die Anträge der Fraktionen der Deutschen Partei, der CDU/CSU und der SPD dem Hause vor. Zur Grundgesetzänderung möchte ich im Namen meiner politischen Freunde eigentlich nur sagen, daß wir der Auffassung sind, wir sollten erst einmal alle Möglichkeiten des Grundgesetzes erschöpfen. Wenn das Grundgesetz keine ausreichenden Möglichkeiten gibt, die notwendige Gesetzgebung auf dem Gebiete des Mittelstands durchzuführen, sollte man beim konkreten Fall an eine Grundgesetzänderung herangehen. Wenn einmal die Handwerksordnung aus Gründen, die uns nicht einleuchtend sind, wieder vor dieses Haus käme,- weil sie vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden ist, dann wäre, glaube ich, der Zeitpunkt gekommen, daß wir uns über die Frage der Erweiterung und Ergänzung des Grundgesetzes unterhalten müßten. Wir sind der Meinung, daß die Handwerksordnung in das Grundgesetz hineinpaßt. Wir haben auch bei der Verabschiedung der Handwerksordnung diese Gesichtspunkte so weit wie möglich in Rechnung gestellt. Über die Systematik des Grundgesetzes sollten sich einmal unsere Juristen unterhalten, vor allen Dingen die Mitglieder unseres Hauses, die mit im Parlamentarischen Rat waren, die also wissen, aus welchem Geist, aus welcher Systematik heraus das Grundgesetz damals geschaffen worden ist.
Nun möchte ich aber auch noch ein Wort zu dem Antrag auf Schaffung eines Mittelstandsministers sagen, Herr Dr. Schild, der eigentlich schon in den Ausschüssen liegt, und zwar deshalb, weil dieser Antrag damals ohne Diskussion im Hause verabschiedet worden ist. Wir sind der Meinung, daß ein eigener Ressortminister für den Mittelstand unangebracht ist, weil dann ein gefährlicher Dualismus zwischen dem Ressortminister für Wirtschaft und dem separaten Ressort eines Mittelstandsministers entstehen würde.
Das kann nicht im Interesse unserer Volkswirtschaft liegen und würde auch dem Mittelstand nichts nützen. Es wird aber dringend erforderlich sein, daß die allgemeine und insbesondere die wirtschafts-, sozial- und die steuerpolitische Gesetzgebung schon in der Entstehung auf ihre Auswirkung auf die Klein- und mittelständischen Betriebe hin überprüft wird.
Was für die Großbetriebe durchaus richtig und angebracht sein mag, kann für die kleine und mittlere Wirtschaft existenzgefährdend und wettbewerbshemmend sein. Was im Falle Klöckner und Mannesmann und für Neckermann richtig ist, braucht für die kleineren und die mittleren Betriebe noch lange nicht richtig zu sein.
Herr Wirtschaftsminister, Sie haben einmal das Wort vom Hecht im Karpfenteich gesprochen und haben damit Neckermann oder Versandhäuser schlechthin gemeint. Gewiß brauchen wir Hechte im Karpfenteich, nur mit dem Unterschied, daß wir, wenn wir den Teich ablassen, nicht eine Hechternte, sondern eine Karpfenernte haben wollen. So weit wollen wir die Hechte zurückdrängen!
Karpfen haben weniger Gräten!
Sie ziehen also auch Karpfen vor, Herr Präsident. Das darf ich, übertragen auf die wirtschaftspolitische Situation, so auslegen, daß Sie auch meiner Meinung sind und besonders die Berücksichtigung der kleineren und mittleren Betriebe mit Betonung ausgesprochen haben.
Ich dachte lediglich im Hinblick auf Sylvester!
Herr Präsident, da müßte ich mich auf ein lukullisches Gespräch mit Ihnen einlassen, aber Lukullus hat bei Ihnen so viel Erfolge gezeigt, daß ich mir das ersparen kann.
Nun sind gerade wir Abgeordneten, die wir uns ganz besonders stark für die Durchsetzung der berechtigten mittelständischen Forderungen einsetzen, der Auffassung, daß es keine separate Mittelstandspolitik ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die ganze Wirtschaftspolitik geben kann und darf.
Das haben wir immer durch unsere Einstellung hier im Hause bewiesen. Ich erinnere nur daran, daß wir gerade bei der Investitionshilfe, die draußen häufig nicht recht verstanden worden ist, deshalb zugestimmt haben, weil die Gesundung und die Leistungsfähigkeit der Grundstoffindustrie, Energie, Stahl, Eisen und Kohle, erst die Voraussetzungen sind für eine expansive Wirtschaft schlechthin. Aber wir meinen auch, Herr Wirtschaftsminister, daß nun diese Bereiche unserer Wirtschaft weitgehend saturiert sind. Man müßte jetzt darangehen, den Teil nachzuziehen, der bei dem Automatismus unserer Wirtschaft nicht den gleichen Erfolgsanteil hatte wie die übrige, die größere Wirtschaft.
Nun appellieren wir immer an das Hohe Haus, an die Öffentlichkeit und an den Bundeswirtschaftsminister, daß die kleinen und mittleren Betriebe gefördert werden müßten. Dabei kommt zwangsläufig die Frage auf: Ist es denn wirklich volks-
wirtschaftlich unbedingt notwendig, daß die Aufgaben der Wirtschaft, die Bedarfsdeckung und Sicherstellung der Dienstleistungen, um nur zwei Begriffe zu nennen, mit diesen vielen Hunderttausenden von kleinen und mittleren Betrieben durchgeführt werden müssen, oder gäbe es nicht auch eine Möglichkeit, diese Aufgaben der Wirtschaft auf eine andere Art und Weise zu lösen, als das bisher bei uns der Fall war?
Man könnte sich überlegen, ob man die Funktion des Handels, dieser vielen kleinen Einzelhändler, die wir haben, dadurch ersetzen kann, daß man die Versandhäuser, die Warenhäuser, die Konsumgenossenschaften auf- und ausbaut, daß man den Werk- und Behördenhandel fördert usw. Dadurch würde man also die Funktion des Handels auf andere Wirtschaftsträger übertragen. Im Bereich des Handwerks wäre das auch denkbar durch Regiebetriebe und durch Hilfsbetriebe der Industrie — deren wir sowieso schon viel zuviele haben — und darüber hinaus durch Konfektionsfirmen, durch Fabriken usw. Man könnte dann vielleicht feststellen, daß der wirtschaftliche Ablauf für den Verbraucher, für den Markt noch einigermaßen sichergestellt ist.
Aber was würde eintreten? Ich möchte davon absehen, daß ohne Zweifel eine Verflachung und eine Schrumpfung der individuellen Leistung eintreten würde. Ich möchte auch davon, absehen, daß bei der Schrumpfung der vielen einzelnen Existenzen auch der Wettbewerb nicht mehr funktionieren würde.
Alle Bestimmungen im Kartellgesetz würden ins Leere stoßen, wenn die Zahl dieser einzelnen ) Existenzen nicht groß genug ist, so daß sie aus sich heraus schon einen eigenen Wettbewerb erzeugen könnten, den man weder gesetzlich schaffen, da die Zahl zu gering ist, noch gesetzlich verbieten kann.
Nun möchte ich die selbständigen Betriebe noch deshalb ansprechen, weil wir glauben, daß für einen gesund gegliederten demokratischen Staat diese selbständigen Bindeglieder vorhanden sein müssen. Wenn diese Bindeglieder nicht stark genug sind, dann werden die Fronten aufgerissen, die in überholter Terminologie einmal als „Proletariat" und als „Kapitalismus" angesprochen worden sind. Dann würde das eintreten, was wir als eine Verschärfung der Situation in klassenkämpferischer Hinsicht ansehen müßten.
Der Herr Bundeskanzler hat bereits in seiner Regierungserklärung 1953 wie heute in dieser Bundestagssitzung gesagt:
Wir müssen unter allen Umständen dafür sorgen, daß eines vermieden wird: das Auseinanderfallen des Volkes in zwei Schichten, in die Schicht der in der Wirtschaft führenden und die Schicht der in Großbetrieben tätigen oder in ihrer Existenz abhängigen Menschen.
Diese Erklärung erhält ihr Gewicht nicht nur durch die wirtschaftliche, sondern in weit stärkerem Maße durch die soziologische und soziale Bedeutung des Mittelstandes. Wenn man sich eine Vorstellung über die Bedeutung des Mittelstandes für den demokratischen Staat und die Erhaltung des demokratischen Staates machen will, dann braucht man nur einen Blick in die sowjetische
Besatzungszone hinüberzuwerfen, in die Bereiche der Ostblockstaaten, in die Bereiche des Kommunismus. Wir stellen dann fest, daß eine der vordringlichsten und ersten Maßnahmen zur Durchsetzung und zur Stabilisierung der kommunistischen Ideologie die Zerschlagung der kleinen und mittleren selbständigen Existenzen war.
In der Sowjetzone haben sie angefangen mit der Aufteilung des Grundbesitzes unter dem Vorwand, kleine landwirtschaftliche Neubauernstellen schaffen zu wollen. In Wirklichkeit — das hat sich schon nach wenigen Jahren gezeigt — wollten sie damit die Kollektivierung einleiten. Es ging. weiter: sie haben die Funktion des Handels dadurch beschnitten, daß sie eine allmächtige Handelsorganisation, die HO, aufgebaut haben, dazu die Ausweitung der Konsumgenossenschaften. In ihrer Planwirtschaft haben sie alle Möglichkeiten in der Hand, um den Rest an selbständigen Existenzen noch abzuwürgen. Daß sie auch — und das darf ich hier doch einmal als Föderalist, als maßvoller Föderalist sagen -- —
— Sie haben mich nie anders kennengelernt.
— Keinesfalls, Herr Kollege! — Ich möchte ausdrücklich betonen, daß eine der ersten Maßnahmen des Kommunismus auch darin bestand, die föderativen Elemente, die Länder, zu zerschlagen, um danach die alleinige und zentrale Herrschaft des Kummunismus aufrichten zu können.
Wenn diese mittelständische Schicht zusammenschrumpft, ist sie nicht mehr in der Lage, das Bindeglied zwischen Kapital und Arbeit darzustellen. Damit würde eine krasse Trennung zwischen den an Zahl großen Schichten der sozial Abhängigen, der Unselbständigen — es handelt sich um Millionen —, und der kleinen Schicht des manchmal auch anonymen Kapitals entstehen. Aus diesen Gründen müssen wir dieser Entwicklung Einhalt gebieten und müssen alle Voraussetzungen schaffen, damit sie nicht eintreten kann. Denn jede Ideologie des Eigentumsbegriffes — und mag sie noch so aus dem Ethischen heraus begründet sein — müßte ins Leere stoßen und zusammenbrechen, wenn es nicht Millionen gäbe, die diesen Eigentumsbegriff praktizierten.
Aus all diesen Gründen glauben wir, daß die Erhaltung dieser selbständigen Existenzen eine zwingende staatspolitische Notwendigkeit ist.
Und nun ein Wort, das weder an eine Person noch an ein Programm gerichtet ist! Jede Wirtschaftspolitik und Wirtschaftspraxis, die ohne Rücksicht auf die soziologische Strukturänderung eines Volkes nur den Wettbewerb anstrebt, wird, gewollt oder ungewollt, zum Wegbereiter einer Volkswirtschaft, die am Ende sozialistisch-kollektivistisch sein wird. Aus diesem Grunde glauben wir auch, daß die Soziale Marktwirtschaft nicht nur so zu verstehen ist, daß gegenüber dem sozial Schwachen in abhängiger Stellung die Rücksichtnahmen erfolgen müssen, die wir aus Gründen der Menschlichkeit, überhaupt aus unserer sozialen Einstellung heraus gewähren müssen, wir sind vielmehr der Meinung, daß die Soziale Marktwirtschaft eine Verpflichtung umfaßt gegenüber jenen schwäche-
ren Mitbewerbern, die in unserer Wirtschaft stehen, sozial zu sein. Wenn wir darüber einig sind, dann kann ich mir im wesentlichen das ersparen, was ich zu diesem Punkt noch sagen wollte. Ich bin manchmal der Auffassung, Herr Wirtschaftsminister, daß das mittelständische Gewissen in Ihrem Hause etwas verkümmert ist. Es wäre gut, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dieses mittelständische Gewissen sehr wach und seine Stimme unüberhörbar zu machen.
Diese Überlegungen haben auch dazu geführt, daß wir heute dem Hause die Anträge betreffend Gründung eines Mittelstandsinstituts und die Berufsausübung im Handel sowie den Entwurf eines Gesetzes gegen den Werks- und Belegschaftshandel vorgelegt haben. Wir haben aber darüber hinaus noch eine ganze Reihe von dringenden Anliegen, von denen wir ebenfalls hoffen, daß wir sie in diesem Bundestag noch mit Erfolg aufgreifen können.
Vor allen Dingen meine ich hier steuerliche Maßnahmen und hier ganz besonders die Umsatzsteuer mit ihrer kumulativen und Konzentrationswirkung, die im System liegt, darüber hinaus aber auch noch eine sehr ernsthafte Forderung, die wir hier einmal aussprechen müssen, nämlich auf Änderung der heutigen Form der Gewerbesteuer. Wir wissen, daß die Gewerbesteuer neben der Grundsteuer A und noch eine Hauptstütze für den Haushalt der Kommunen darstellt, und wir wissen auch, daß wir diese Steuer nicht abschaffen und nicht reduzieren können, wenn wir nicht einen Ersatz dafür bieten. Aber wenn wir uns gleichzeitig überlegen, was aus diesem kommunalen Haushalt bestritten werden soll, dann kommen wir sicher zu der einheitlichen Auffassung, daß es in der Hauptsache gemeinnützige und soziale Aufgaben sind, die ein kommunaler Haushalt zu erfüllen hat, z. B. der Bau von Krankenhäusern, von Fürsorgeeinrichtungen, von Altersheimen, von Schulhäusern, von Kindergärten. Das alles sind Aufgaben, für die sich jeder Gemeindebürger mitverantwortlich fühlen muß, weil er selber daran einen Anteil hat und weil es keine Entlassung aus der sozialen Verantwortung gibt. Die soziale Verantwortung ist unteilbar. Jeder muß zur Erfüllung sozialer Aufgaben herangezogen werden, der dazu einkommensmäßig in der Lage ist. Das müßte die Grundlage für eine Revision auf dem Gebiete der Gewerbesteuer sein, die sich heute ohne Zweifel für einen Großteil unserer gewerblichen Betriebe als eine zusätzliche Einkommensteuer auswirkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf steuerlichem Gebiete nur noch die Einkommensteuer ansprechen. Man muß auch hier klar sehen, daß das Einkommen, der Ertrag eines mittelständischen Betriebes in erster Linie zur Deckung des eigenen Bedarfs, des Lebensunterhalts dient und daß darüber hinaus zuwenig, ja manchmal nichts übrigbleibt, um die notwendigen Investierungen, um die notwendigen Rationalisierungen in den Betrieben durchzuführen. Deshalb müssen wir versuchen, fühlbare Erleichterungen durchzusetzen.
Zur Kreditfrage darf ich noch feststellen — auch der Herr Kollege Lange hat sie sehr breit angesprochen; wir sind mit ihm weitestgehend einig —: die Kreditgewährung für die kleinen und mittleren Betriebe hat bisher schlecht funktioniert. Die
Garantiegemeinschaften, die im Bundesgebiet für Handwerk, Handel und Fremdenverkehr geschaffen worden sind, sind ein sehr erfolgversprechender Anfang. Ich möchte dem Herrn Wirtschaftsminister gegenüber dankbar anerkennen, daß gerade die Garantiegemeinschaften der richtige Weg für eine ausreichende Kreditversorgung waren und sind. Darüber hinaus ist es allerdings so, daß unser heutiges Banksystem und unser heutiges Kapitalmarktsystem für diese kleinen Personalkredite, die aber mittel- und langfristig sein müßten, nicht funktioniert. Deshalb haben wir uns überlegt — und wir haben diese Überlegungen auch in einem Antrag, den wir schon in Berlin behandelt haben, niedergelegt —, ob es nicht richtig wäre, für den Mittelstand eine eigene emissionsfähige Bank zu schaffen. Dann hätte man die Möglichkeit, gezielte Maßnahmen zu treffen, und man hätte auch die Gewißheit, daß diese Kredite ausreichend gestreut würden.
Ich möchte nun zum Schluß kommen. Wenn die Anträge, die bereits in Berlin gestellt und bereits den Ausschüssen überwiesen worden waren, und die uns heute zur Beratung vorgelegten Anträge erfolgreich behandelt werden, dann kann man wohl sagen, daß auch der 2. Deutsche Bundestag sich seiner Verpflichtung gegenüber den kleinen und mittleren gewerblichen Betrieben bewußt war, daß er seine Aufgabe auch in dieser Richtung erfüllt hat, und wir können beruhigt sein, daß wir damit einen weiteren Pfeiler zur Erhaltung unserer Demokratie gestärkt und gefestigt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Held.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn uns heute der Antrag der DP Drucksache 1728 zur ersten Beratung in diesem Hohen Hause vorgelegt wird, dann ist das ein weiterer Versuch, den mittelständischen Kreisen der Landwirtschaft, des Handwerks, des Handels und Gewerbes, den kleinen und mittleren Betrieben der Industrie und den freien Berufen zu helfen. Dieser Antrag läuft darauf hinaus, im Grundgesetz der Bundesrepublik durch einen Zusatzartikel etwas zu verankern, was für viele Kollegen dieses Parlamentes eine Selbstverständlichkeit sein wird. Ich glaube, daß die Kollegen, die diese Ansicht vertreten, sich mehr oder weniger auf alle Fraktionen verteilen.
Es kommt meines Erachtens nicht so sehr darauf an, daß dieser Wille ausdrücklich im Grundgesetz festgelegt wird. Damit ist den Kreisen des Mittelstandes sehr wenig gedient,
weil in diesem Antrag keine präzisen und bestimmten Angaben enthalten sind, welche Verpflichtungen die Bundesregierung oder das Parlament dem Mittelstand gegenüber zu erfüllen hat. Mit anderen Worten, es ist in diesem Antrag nichts davon gesagt, wie und durch welche Maßnahmen die Bundesregierung dieser Verpflichtung gerecht werden soll in bezug auf Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen und vor Überforderungen durch öffentliche Lasten. Es ist auch kein Wort darüber gesagt, wie diese mittelständischen Kreise gefördert werden sollen oder wie z. B. die Altersvorsorge gesetzlich geregelt werden soll.
Etwas Festes und Greifbares, wie man so zu sagen pflegt, ist in diesem Antrag also nicht enthalten, auch nichts, worauf sich der einzelne Mittelständler berufen oder einen Rechtsanspruch geltend machen könnte. Es ist nicht gesagt, welchen Schutz des Staates er in Anspruch nehmen kann.
Das soll zwar kein Vorwurf gegen die Antragsteller sein; aber mir und meinen politischen Freunden wäre es lieber gewesen, wenn man uns nicht dieses gummiartige Gebilde mit allgemeinen, schönen Worten, die im einzelnen wenig oder nichts bedeuten, vorgelegt, sondern wohlfundierte und berechtigte Forderungen zum Ausdruck gebracht hätte, mit denen die einzelnen Kreise des Mittelstandes etwas anfangen könnten. Schöne und gute Worte haben wir lange Jahre gehört, besonders vor den Wahlen. Wir sollten nun endlich einmal Taten zeigen.
Wenn ich anfangs von einem weiteren Versuch gesprochen habe, den dieser Antrag bedeute, den mittelständischen Kreisen zu helfen, so wissen wir alle, daß derartige Versuche in diesem Hause schon sehr oft gemacht worden sind, aber leider nur allzuwenig an Schutz und staatlicher Hilfe für die betroffenen Kreise gebracht haben. Das mag ein ausgesprochenes Pech sein, um nicht gerade zu sagen, daß bei vielen von uns der gute Wille fehlt, die mittelständischen Belange mehr zu beachten.
Es erhebt sich die Frage: hat dieses Haus in seiner Mehrheit überhaupt erkannt, daß es notwendig ist, ja sogar staatspolitisch und wirtschaftspolitisch erforderlich ist, daß dieser seit Jahren zum Teil kranke und notleidende deutsche Mittelstand die besondere Aufmerksamkeit, die besondere Pflege und Hilfe des Staates erfährt? Bei dieser Gelegenheit habe ich von einem „kranken und notleidenden" Teil des Mittelstands gesprochen. Das mögen für manche von Ihnen Worte sein, die sie mir nicht so ohne weiteres abnehmen werden. Ich nehme Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das durchaus nicht übel, auch dann nicht, wenn Sie mir zunächst antworten, das sei übertrieben oder entspreche nicht den Tatsachen. Darum gestatten Sie mir einige Ausführungen über die Erfahrungen, die ich als Handwerker und Einzelhändler in den letzten Jahren nach der Währungsreform hierbei gemacht habe. Ich habe mich bei einer amtlichen Stelle danach erkundigt, wieviel Betriebe der Landwirtschaft, des Einzelhandels und des Handwerks wir nach der letzten amtlichen Zählung insgesamt in der Bundesrepublik haben. Das ist die Zahl von 3 229 255. Ferner habe ich mich erkundigt, wie viele Betriebe davon in der Größenklasse mit einem bis vier Beschäftigten liegen. Das ist die Zahl von 2 711 503, oder 84 % aller Betriebe, die bis zu vier Mitarbeiter beschäftigen. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß in vielen dieser Betriebe auch die eigene Frau, der Sohn oder die Tochter darunter fällt, hat man erst ein rechtes Bild von der Bedeutung dieser Betriebe.
Wie ist nun die wirtschaftliche Lage in diesen Betrieben des Handwerks, der Landwirtschaft und des Einzelhandels? Sie hatten bisher keine Möglichkeit, die notwendigen Investitionen vorzunehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, da ihnen nicht die steuerlichen Möglichkeiten oder geeignete Kredite, wie sie anderen Teilen der Wirtschaft geboten waren, zur Verfügung standen, ihnen, die von morgens bis abends ihre Pflicht tun und sich bemühen, auch allen Anforderungen der öffentlichen Hand gerecht zu werden, wo der Inhaber sich noch nach Feierabend oder sonntags hinsetzt, um seine Bücher in Ordnung zu bringen, und wo in vielen Fällen noch die alten Eltern mit versorgt werden müssen, die bei der Währungsreform all ihren Lebensverdienst verloren haben. Dazu gehören auch die vielen jungen Anfänger, die sich bemühen, für sich und ihre Familie eine eigene Existenz aufzubauen. Diese alle zähle ich zu denen, die seit Jahren darauf warten, daß wir endlich einmal Maßnahmen treffen, die diese Kreise lebensfähig erhalten.
Wenn wir das erkannt haben, sollte es nicht allzu schwer sein, in derselben Schnelligkeit wie beim Soldatengesetz diesem dringenden Wunsch nachzukommen. Was hilft es, daß von Zeit zu Zeit in diesem Hohen Hause derartige Anträge vorgelegt werden und angesichts der Tatsache, daß es sich dabei um eine bedeutende Stimmenzahl handelt, die sich keine Partei verscherzen möchte, sich bei allen Parteien wohlwollende Redner finden? Man ist sich oft interfraktionell einig, diese Anträge ohne Aussprache möglichst vielen Ausschüssen zu überweisen, manchmal mit dem Ergebnis, daß man entweder gar nichts oder zumindest lange Zeit nichts wieder davon hört und sieht. Diese Feststellung habe ich in der Zeit gemacht, in der ich diesem Hause als Abgeordneter angehöre.
Ich denke dabei — wenn ich die Ausschüsse erwähnt habe — an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, dem ich angehöre. Es ist fast ein Jahr her, daß diesem Ausschuß als allein zuständigem der Antrag betreffend Bildung eines Mittelstandsministeriums überwiesen wurde. Dabei war meiner Ansicht nach daran gedacht, einmal gründlich zu überlegen und zu beraten, ob es zur intensiven Förderung aller mittelständischen Belange zweckmäßig ist, ein eigenes Ministerium zu haben. Der Ausschuß konnte aber bisher diese Angelegenheit nicht behandeln, da der Herr Bundeswirtschaftsminister, der daran teilnehmen möchte, bisher noch keine Zeit dafür gefunden hat. Obwohl der Herr Minister bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck bringt, er sei der wirkliche Mittelstandsminister, hat er — und das kann ich nicht verstehen — für den einzigen Ausschuß, in dem dieser Antrag beraten werden soll, bisher keine Zeit gefunden. Seine Liebe und sein Gefühl der Zugehörigkeit zum Mittelstand scheinen mir auch deshalb nicht besonders groß zu sein, weil man in dem Nachrichtendienst „Mittelschicht" vom 7. September 1955 lesen kann, daß er auf einer Jubiläumsfeier einer größeren Industriefirma sich in geradezu ironischer Weise über die bestehende Handwerksordnung ausgelassen hat.
Lassen Sie mich nun eine kurze Betrachtung zu den sechs Anträgen anstellen, die auf der heutigen Tagesordnung stehen.
Wenn man diese insgesamt ganz objektiv betrachtet, muß man offen zugeben, daß in allen diesen Anträgen keine direkte Hilfe, besonders keine finanzielle Hilfe für den einzelnen erkennbar ist.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege, ein Wort zur Aufklärung! Das Wort des Herrn Ministers vor dieser Fabrik lag nahe; denn der Gründer dieser Maschinenfabrik war ein Musiklehrer gewesen.
Herr Abgeordneter Dresbach, das lockert zwar die Debatte auf, aber es ist keine Frage.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!
Das soll nicht bedeuten, daß ich diese Anträge ablehne. Im Gegenteil, ich werde bei allen Anträgen eine positive Haltung einnehmen,
denn in ihren Grundgedanken halte ich sie für richtig. Insbesondere denke ich dabei an die Berufsordnung für den Handel, die hauptsächlich zum Schutze der Käufer notwendig ist, damit endlich einmal die unsauberen Elemente ausgeschieden werden, die in der Regel überall nur kurze Zeit auftauchen und die glauben, durch ihre Aufdringlichkeit und Raffinesse die Unkenntnis der Verbraucher zu ihrem Vorteil mißbrauchen zu können.
Auch dem Betriebs- und Belegschaftshandel muß schnellstens Einhalt geboten werden. Gerade jetzt zu Weihnachten kann man wieder deutlich beobachten, welchen Umfang er schon angenommen hat zum Schaden derjenigen, die ordnungsmäßig ihre Steuern bezahlen, die darüber hinaus einen erheblichen Anteil an dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben jeder Gemeinde haben und die sich bemühen, durch die Gestaltung ihrer Schaufenster und Läden das Stadtbild zu verschönern.
Dies alles ist zwar richtig und wird auch von mir unterstützt. Aber ich halte es für dringender, einmal das nachzuholen, was seit der Währungsreform in steuerlicher Hinsicht für die mittelständische Wirtschaft bis jetzt versäumt ist, damit auch diese Kreise wieder wettbewerbsfähig werden. Dazu hat meine Fraktion bereits vor einiger Zeit mehrere Anträge gestellt, die zur Zeit in den Ausschüssen beraten werden. Ich erinnere daran, daß wir beantragt haben, die Vergünstigung für den nicht entnommenen Gewinn wieder einzuführen, daß wir für die mithelfende Ehefrau einen höheren Freibetrag gefordert haben. Denn was der Herr Bundesfinanzminister vorgeschlagen hat — einen Betrag von jährlich 800 DM —, ist nach unserer Ansicht geradezu beschämend. Dann unser Antrag zur Einkommensteuersenkung, der unseren Wunsch zum Ausdruck bringt dabei die kleinen Einkommen besonders zu berücksichtigen. Wir hoffen, daß diese Anträge baldmöglichst dem Hohen Hause zur zweiten und dritten Beratung vorgelegt und zugunsten des Mittelstandes entschieden werden,--
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Held, Sie haben soeben erklärt, Sie seien der Meinung, daß bei einer kommenden Steuersenkung die kleinen und mittleren Einkommen besonders berücksichtigt werden sollten. Ist das auch die Meinung Ihrer Fraktion?
Ich darf Ihnen sagen, daß das auch die Meinung meiner Fraktion ist.
Darf ich noch eine Zwischenfrage stellen?
Bitte sehr!
Noch eine Frage!
Dann sind also die Berichte in der „FDK", der amtlichen Korrespondenz der Freien Demokratischen Partei, nicht richtig, in denen eine zehnprozentige lineare Steuersenkung verlangt wird?
Herr Kollege Stücklen, darauf darf ich Ihnen antworten: wenn man von „linear" spricht, dann gibt es auch gebogene Linien, die man auch als linear bezeichnen kann.
Nun also, meine Damen und Herren, die Debatte ist sehr aufgelockert! Fahren Sie nun bitte fort!
Ich darf wiederholen: wir hoffen, daß diese Anträge baldmöglichst dem Hohen Hause zur zweiten und dritten Beratung vorgelegt und zugunsten des Mittelstandes entschieden werden, damit durch die weiteren angemessenen Kredite für die mittelständische Wirtschaft, die wir von der Bundesregierung erwarten, endlich einmal die Möglichkeit einer Eigenkapitalbildung geschaffen wird. Wir sind der Ansicht, daß die Altersvorsorge durch Eigenkapital besser ist als eine gesetzliche Alterssicherung. Das entspricht auch dem Wesen und der inneren Haltung eines Mittelständlers. Wir Freien Demokraten stehen auf dem Standpunkt, daß dem Steuerzahler von seinem erarbeiteten Gelde soviel wie nur eben möglich zu belassen ist; der Staat soll nur so viel von ihm verlangen, wie er bei sparsamster Verwaltung unbedingt nötig hat. Dadurch würden die Worte: Fleiß, Tüchtigkeit und Sparsamkeit am besten wieder Sinn und Zweck erhalten.
Nicht zuletzt gauben wir, daß unser Antrag auf Streichung, nicht auf Senkung, der Verbrauchsteuern eine Maßnahme ist, die zur Hauptsache den mittelständischen Kreisen zugute kommt und gleichfalls einen Abbau der Verwaltung ermöglicht.
Gleichzeitig möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, daß wir bei der nächsten Steuerdebatte eine grundsätzliche Änderung der Gewerbesteuer etwa in der Form vorschlagen werden, daß für die Zukunft nicht nur die Handwerker und die Gewerbetreibenden, sondern auch diejenigen Bürger einer Gemeinde zur Abgabe herangezogen werden, die ein bestimmtes Einkommen haben.
Weiter glauben wir, daß es zur Förderung des Mittelstandes zweckmäßig und notwendig ist, eine Reform der Umsatzsteuer vorzunehmen. Auf jeden Fall werden wir bestrebt sein, schon in absehbarer Zeit den Vorschlag zu machen, daß die kleinsten und kleinen Umsätze überhaupt umsatzsteuerfrei werden. Wir tun das, weil wir die Erkenntnis gewonnen haben, daß es heute viele alte Landwirte, Handwerker, Einzelhändler und Gewerbetreibende gibt, die sich redlich bemühen, in ihrem hohen Alter noch selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, die man aber durch die Abgabe der Umsatzsteuer dazu zwingt, die öffentliche Fürsorge in
Anspruch zu nehmen. Wir halten es daher auch im Interesse des Staates für richtiger, bei diesen Menschen auf die Umsatzsteuer zu verzichten.
Zum Schluß habe ich die Bitte und den Wunsch an Sie alle, daß die Beratungen jetzt und in der Zukunft in dieser Beziehung ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit, aber in der vollen Erkenntnis der dringenden Notwendigkeit mit dem gemeinsamen Willen geführt werden, in absehbarer Zeit wieder einen gesunden und lebensfähigen Mittelstand in Deutschland zu schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach. — Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter Dresbach, ich sehe, daß sich Herr Dr. Strosche zuerst gemeldet hat.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, da wir heute ganz allgemein die Probleme des Mittelstandes im weitesten Sinne des Wortes angeschnitten haben und hier debattieren, auch einige kurze grundsätzliche Ausführungen unsererseits dazu machen. Es besteht in diesem Hohen Hause wohl kein Zweifel darüber, daß im Zeitalter rasanter Technisierung und Industrialisierung, offensichtlicher ständischer Umschichtungen oder zumindest Gewichtsverlagerungen, verstärkter, oft neuartiger Wirtschaftstendenzen — freier Wettbewerb, Marktwirtschaft — usw., verstärkter räumlicher Ballungen und ähnlicher Strukturwandlungen, die noch durch unsere Nachkriegsverhältnisse beschleunigt wurden und werden und die — das möchte ich betonen — den Mittelstand selbst in Umfang wie Art, j a sogar bezüglich seiner gesellschaftlichen Funktion und Aufgabe abzuändern scheinen, irgendwie hier — um das viel zitierte Wort zu benützen — ein „Verlust der Mitte" zu drohen scheint, und zwar im Sinne einer Gefährdung eben jener Mittelschichten oder jenes Mittelstandes; über den Ausdruck kann man verschiedener Meinung sein. Dieser „Verlust der Mitte" droht insbesondere dort, wo der Mittelstand durch gewaltsame Entwurzelung aus den Angeln gehoben ist und dadurch zwangsläufig in die Gefahr gerät, nicht nur zu verarmen, zu vermassen, zu verproletarisieren, sondern auch sich zu radikalisieren, wenngleich wir in dieser Hinsicht etwas standfester sind als z. B. das benachbarte Frankreich. Es handelt sich so um Gefahren, die insbesondere die Kriegsopfer im weitesten Sinne des Wortes, also Heimatvertriebene, Flüchtlinge, Kriegssachgeschädigte, Währungsgeschädigte usw., bedrohen.
Der „Verlust der Mitte" droht ferner dort, wo es diesem Stand auch nach Erlebnis und Durchschreiten dieser Schicksale noch nicht gelungen ist, sich krisenfest einzuwurzeln oder echt eingegliedert zu werden. Er droht wohl dort, wo die Mittelschichten überhaupt existentiell erdrückt zu werden scheinen oder manchmal auch — das möchte ich sagen, und ich tue das bewußt, weil ich aus einem Grenzlandnotstandsgebiet komme — beinahe vergessen zu werden drohen.
Wir begrüßen daher seitens des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE alle theoretischen, aber noch mehr alle praktischen Maßnahmen zu einer Stützung, Erhaltung, Förderung und Rettung dieser
Mittelschichten, weil wir uns eben in Deutschland einen Verlust dieser Mitte weder wirtschaftlich noch seelisch, also, wenn ich das einmal so sagen darf, weder wirtschaftspolitisch noch kulturpolitisch leisten können. Denn dieser Mittelstand — das muß hier und heute gesagt werden — ist ein wichtiges Element jeder gesunden Staatsstruktur, einer stabil ausgewogenen Gesellschaftsstruktur, auch, wenn ich dieses Wort wieder einmal strapazieren darf, im Sinne unserer freiheitlich-abendländischen, uns gemeinsam eigenen Auffassung.
Wir freuen uns daher, daß sich z. B. einer der Herren Sonderminister offensichtlich mit diesen Fragen besonders beschäftigt. Wir freuen uns über die Tätigkeit unseres Bundestagsausschusses Nr. 24, der für Sonderfragen des Mittelstands zuständig und tätig ist. Wir sind auch darüber erfreut, daß diese Fragen und Probleme auch hier und heute diskutiert und damit eben als Kernprobleme von volkswirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung, von einem ganz besonderen soziologischen und wirtschaftlichen Gewicht vordringlich in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden.
Dabei muß aber unseres Erachtens — und das ist eine schwere Aufgabe — eine gesunde Mitte zwischen freiem Wettbewerb, gleicher Chance für alle, einem gesunden Ausleseprozeß auf der Basis des Leistungsprinzips auf der einen Seite und notwendigen regulierenden Maßnahmen von oben und von unten her auf der andern Seite gefunden werden. Dabei möchte ich unter „von unten her" ganz besonders die kommunale Ebene verstanden wissen! Es muß also eine Mitte gefunden werden, welche der Eigentumsbildung, der beruflichen Selbständigkeit und der typisch bürgerlichen Lebensart — diese im besten Sinne des Mittelstands gemeint — zu dienen und jede Verproletarisierung, vermassende Deklassierung und Zersetzung dieser Schichten zu verhindern und zu unterbinden hat. Sie muß dabei Entwicklungen beachten, die nun einmal in der Zeit liegen, die in die Zukunft weisen und einen gesunden Fortschritt ermöglichen, d. h.: restaurative Tendenzen verhindern.
Dabei sollte, abgesehen von begrüßenswerten Forschungen und Forschungsinstituten für Mittelstandsfragen und anderen Prüfungsgremien, vor allem untersucht werden, wie durch einheitliche gesetzgeberische Maßnahmen dem Mittelstand — stets inklusive freiberuflich Tätige! — durch sinnvolle Regelung der Berufsausübung, steuerliche Erleichterungen, gewerbefördernde kreditpolitische und sozialpolitische Maßnahmen — es ist hier das Problem der Alterssicherung angesprochen worden — tatsächlich geholfen werden kann, also sozusagen von oben her.
Dabei sollten aber auch auf der Kommunalebene, also von unten her, die Dinge nicht einschlafen. In dieser Ebene kann im Bereich des öffentlichen Auftragswesens sehr viel geleistet werden. Denken Sie daran, daß man auf der kommunalen Ebene Aufträge streuen und auf möglichst viele kleinere Existenzen verteilen kann. Zum Beispiel sollte die Frage geprüft werden, ob man bei solchen kommunalen Vergaben, also bei Aufträgen der öffentlichen Hand, nicht Lieferungsgenossenschaften kleiner Handwerker bilden könnte. Auf dieser Ebene kann auch eine beschränkte Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand stattfinden; dabei kann ferner auch eine
mittelstandförderliche Personalpolitik betrieben werden. Hierbei denke ich insbesondere an ältere arbeitslose Angestellte, an Schwerkriegsbeschädigte usw. Auch eine gewerbeförderliche Steuerpolitik bezüglich der Grund- und Gewerbesteuer kann im kommunalen Sektor angepeilt werden. Das alles vermag auch von unten her ein dem Mittelstand förderliches Klima — übrigens auch im Wohnungsbau — zu schaffen und damit auch dem, das sage ich ganz offen, am meisten gefährdeten Zweig dieses Personenkreises — das sind nun zwangsläufig die Heimatverjagten, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigten — zu helfen.
Dabei sollten aber im Mittelstandsblock selbst — wenn ich einmal diesen Begriff gebrauchen darf — weniger jene offensichtliche Konkurrenzangst und neiderfüllte, egoistische Ressentiments da und dort Platz greifen und jene besitzegoistischen Abkapselungen im Sinne eines falsch verstandenen Zunft- und Gildengeistes wirksam werden — davon können wir nämlich auch auf der unteren Ebene ein Lied singen —,
sondern es sollten ein hilfsbereites Standesbewußtsein und ein kameradschaftliches Einstehen für alle unverschuldet unter die Räder des Schicksals Gekommenen im Bereich dieses Standes selbst Platz greifen.
Gleichzeitig sollte sich — auch das scheint manchmal verkümmert zu sein — das Bewußtsein durchsetzen, daß dem freien Wettbewerb und dem Leistungsprinzip natürlich manche Tür und manches Tor geöffnet werden müssen. Also auch aus den Mittelstandsschichten selbst könnten zusätzliche gesunde Antriebskräfte frei werden.
All das, was man „Fensteranträge" oder „Fensteranregungen" nennen könnte, deklamatorische Schmeicheleien, ohne verfassungsrechtlich hieb- und stichfest zu sein, oder mittelständische Minnesänger aller Art, perfektionistische Anwandlungen zwecks übergebührlicher Einschränkung gerade des freien Wettbewerbs und eines gesunden Leistungsprinzips mit dem verborgenen Ziel, immer auch einzelne Spielarten oder Zweige mittelständischer Erwerbsmöglichkeiten abzuwürgen, — das sind standes-, aber auch gesamtpolitische Fehlzündungen, wenn ich so sagen darf!
Sie sind nicht am Platz auch im Hinblick auf viele gesamtdeutsche Probleme und Zukunftsaufgaben wirtschaftlicher und soziologischer Art, bei denen, so möchten wir meinen, gerade diese mittelständischen Schichten eine ganz besondere Rolle zu spielen haben werden. Gerade ein gesunder und innerlich gefestigter Mittelstand wird an jenem Tag, den wir alle mit heißem Herzen ersehnen und erhoffen, eine hervorragende Rolle spielen müssen im Sinne eines nicht nur sozialpolitischen — wenn ich so sagen darf — Transformators.
Nun zu den vorliegenden Anträgen und Anfragen im einzelnen. Der Frage der Gründung eines Mittelstandsinstituts stehen wir durchaus positiv gegenüber. Wir sind für die Errichtung eines durch Bundesmittel geförderten Mittelstandsinstituts in — wie wir soeben gehört haben — Köln und in engster Verbindung mit der Universität Bonn. Wir möchten aber gleich heute bitten, dafür zu sorgen, daß ein solches Institut — Sie wissen, derartige Institute haben es oft in sich — immer lebensnah, zeit- und aufgabenbezogen bleibt, daß es die freien Berufe nicht vergißt, daß es einschlägige Fragen in Richtung Wiedervereinigung nicht ganz aus den Augen verliert und daß es sich insbesondere auch mit den strukturellen Fragen in Berlin und im Grenz- und Zonengrenzgebiet beschäftigt, einem Gebiet, sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, das sich hinsichtlich der Frachthilfen für die mittelständische Wirtschaft nicht ganz bevorzugt vorkommt, sondern immer noch das Gefühl hat, hier ein wenig vergessen und benachteiligt zu sein.
Mit der Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz, die mit dem Gesetzentwurf der DP-Fraktion verlangt wird, können wir uns nicht befreunden. Erhaltungs-, Förderungs- und Schutzmaßnahmen für ein en Stand oder e in e bestimmte Schicht gehören unserer Meinung nach nicht in das Grundgesetz.
Mit gleichem Recht könnte man einmal die ketzerische Frage stellen, ob dann nicht auch zumindest eine Berechtigung dafür bestünde, auf lange Zeit existente, durch langfortwirkende Schicksalsschläge und zwangsläufige Strukturveränderungen neu gebildete soziale Schichten — manche sprechen von einem „fünften Stand" nach 1945 — irgendwie ins Grundgesetz einzubauen oder etwa vertriebene Volksgruppen, die zweifellos, das werden Sie nicht bestreiten, eines besonderen Schutzes, einer besonderen Erhaltung und Förderung bedürfen, grundgesetzlich zu verankern. Aber die Grundgesetzartikel — siehe Art. 1 Abs. 3 — sind keine Deklamationen, keine Direktiven oder Deklarationen, wie es zum Teil die Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 waren, sondern sind — auch das ist hier heute schon gesagt worden — unmittelbar geltendes, einklagbares Bundesrecht, stets auf den einzelnen Staatsbürger bezogen. Programmsätze zur Förderung des Mittelstandes im Grundgesetz wären also ein gewisser Rückschritt — ich sage bewußt: Rückschritt — zur Weimarer Verfassung und im übrigen ein Nachteil für unsere Rechtspraxis. Dabei möchte ich bewußt nicht auf Art. 74 Nr. 11 unseres Grundgesetzes eingehen, der sich mit der konkurrierenden Gesetzgebung im Felde des Rechts der Wirtschaft befaßt, wozu bekanntlich — siehe „Monatsschrift für Deutsches Recht", 1954, Seite 536 — ein recht aufschlußreiches Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Deklarationen also derartiger Prägung für den Mittelstand im Grundgesetz wären einseitige Akzentsetzungen, die alles andere als befriedigend und gerecht wären. Fragen wir uns doch: was helfen sie denn praktisch?. Da sind wir doch eher dafür, ordnende, lenkende Eingriffe von oben und unten und aus der Schichtung selbst heraus vorzunehmen, die durch das öffentliche Wohl nun einmal geboten erscheinen, dabei aber — das ist entscheidend — schutzwürdige Interessen anderer Gruppen nicht zu verkürzen. Da sind wir dafür, praktische Hilfen im Bereich der kommunalen Mittelstandspolitik gegen Überlastung und Aufsaugung der mittelständischen Schichten zu befürworten. Wir würden uns freuen, wenn eine gewisse kameradschaftliche Selbsthilfe und Solidarität in diesen mittelständischen Schichten immer mehr Platz griffe.
Hier könnten sich diese Schichten einmal ein wenig besser zeigen, einen besseren Korpsgeist, wenn ich so sagen darf, an den Tag legen als manchmal in der sogenannten „Grünen Front", wo man, wie bedauerlicherweise vermerkt werden mußte, etwa gegenüber heimatvertriebenen Bauern so wenig an Standesbewußtsein und an kameradschaftlichem Gefühl hat sichtbar werden lassen.
Im übrigen genügt unserer Auffassung nach Art. 12 in der jetzigen Fassung des Grundgesetzes. Er entspricht der Grundtendenz unserer Verfassung und dem Willen vor allem der Verfassunggeber. Ich möchte hier auf die Ausführungen unseres verehrten Kollegen Professor Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat Bezug nehmen.
Hinsichtlich des Gesetzentwurfs der DP zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung möchte ich namens meiner Fraktion folgendes sagen. Dieser Gesetzentwurf hat positive, im ersten Teil, und auch negative Züge, im zweiten Teil. In Art. 1 Ziffer 1, wo die Einfügung der Absätze 3 bis 6 in § 1 der Gewerbeordnung verlangt wird, sind zweifellos sehr viele unterstützungswerte Anregungen gegeben, die Einschränkung der Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand, Regiebetriebe, Behördenhandel usw. betreffen. Wir sind
— auch in Erinnerung an bayerische Verhältnisse — gern bereit, hier Einzelheiten nicht nur zu diskutieren, sondern praktisch aufzugreifen. Es wird aber auch hier manches im Ausschuß noch geklärt und diskutiert werden müssen, z. B. auch die Frage, ob diese Bestimmungen systematisch überhaupt in den Gewerbefreiheitsparagraphen
— wenn ich ihn einmal so nennen darf — passen.
Bezüglich der Einführung eines § 30 d, der sogenannten „Leichenbestattungstragikomödie", möchte ich mich kurz fassen. Dafür haben wohl die meisten von uns kein großes Verständnis.
Ich verstehe nicht, was dieser „Schild bürgerstreich"
eigentlich dabei soll. Eine Konzession für das Bestattungsgewerbe, warum, weshalb, weswegen? Wo sind allgemein empfundene, die Empörung weitester Volkskreise erregende Verstöße gegen treuhänderische Sorgfalt und menschliche Empfindungen seitens der Bestatter sichtbar geworden? Was sollen denn hier Begriffe wie „persönliche Zuverlässigkeit"? Ein dehnbarer Begriff, eine unnötige Einschränkung der Gewerbefreiheit! Hier genügt § 421 StGB über das Berufsverbot wegen Mißbrauchs von Gewerbe und Beruf unseres Erachttens durchaus.
Was soll eine von der obersten Landesbehörde anerkannte Bestatterprüfung? Wenn ich das Wort schon höre!
Weiter wird eine mindestens fünfjährige Tätigkeit in Bestattungsbetrieben gefordert.
Das ist eine schlechte Geschichte, und ich glaube, wir sollten auch auf die erstaunliche Tatsache achten, daß hiernach eine Konzessionierung des Bestattungsgewerbes von engeren Voraussetzungen abhängig gemacht werden würde als z. B. bisher die Konzessionierung der Installierung und Leitung eines Privatkrankenhauses nach § 30 der Gewerbeordnung.
Was soll das? Sind das Anregungen einer neu sich bildenden Zunft oder Gilde von Leichenbittern,
oder was sollen wir damit? Das lehnen wir grundsätzlich ab.
Betreffend § 35, Untersagung der Ausübung eines Gewerbes bei Unzuverlässigkeit und aus anderen Gründen, haben wir einige gewichtige Bedenken, erstens grundsätzlich gegen die Ausweitung und Perfektionierung des § 35 im Sinne eines Rückschritts und eines Abweichens von gewissen gewerbefreiheitlichen Prinzipien und zweitens in Richtung geplanter Anhörung von Handwerks-, Industrie- und Handelskammern oder zuständigen Prüfungsverbänden. Verzeihen Sie mir, meine Damen und Herren, wenn ich hier ganz offen sage: in dieser Richtung haben gerade wir schon so viele böse Erfahrungen gesammelt, daß wir skeptisch sind, wenn wir das nur hören; denn bei den Prüfungen der Bedarfsfrage für die Installierung von irgendwelchen Betrieben haben wir seitens solcher Gremien sehr oft Entscheidungen erleben müssen, die weniger nach sachlichen Gesichtspunkten gefällt worden sind als vielmehr aus einer gewissen Konkurrenzangst heraus.
Betreffend § 56 Abs. 2 und § 56 a Abs. 1 kommen wir gleichfalls zu einer Ablehnung. Wir sehen darin eine Niederknüppelung des ambulanten Handels und Gewerbes durch den Entzug seiner Handelsmöglichkeit mit Bijouterien, mit Fleisch- und Wurstwaren, Brot- und Backwaren, Pelz- und Rauchwaren, Funk- und Fernsehgeräten, Bandagen und Bruchbändern. Auf Kosten der sozial Schwächeren und zum Teil am schwersten Ringenden — und, das ist kein Geheimnis, darunter sind viele Heimatvertriebene, Flüchtlinge und mancher Spätheimkehrer, der irgendwie nicht im alten Beruf festen Fuß fassen kann --- soll hier etwas installiert werden, das uns eben nicht gut erscheint. Mittels ungerechtfertigter, ich möchte sagen, unkollegialer Abschnürung von Existenzmöglichkeiten des ambulanten Gewerbes will man sich hier unbequemer Konkurrenz entledigen, auf Kosten der Schwächeren und wider den Willen bestimmter nicht unerheblicher Käuferschichten, die es nun einmal bei uns gibt. In Bayern ist das eine alte Sache, und es wird überall so sein. Auf Jahrmärkten, Vierteljahrsmärkten, Wochenmärkten und Festmärkten laufen die Leute vom Land nun einmal lieber an eine Bude als in einen noch so schön aufgemachten Laden, in den sie sich vielleicht gar nicht hineintrauen. Diese Übung sollten wir nicht zerstören, ganz abgesehen davon, daß hier gegen gewisse Grundprinzipien des freien Wettbewerbs verstoßen wird.
Noch schlimmer kommt es in § 56 a Abs. 1 Ziffern 6 bis 10. Hier geht es sogar dem armen Scherenschleifer an den Kragen. Hier wird die letzte — ich möchte einmal für sie plädieren —
schöne Romantik auch bei diesen Dingen „abgestochen".
Lassen wir den Scherenschleifer leben! Wir sind mit dieser Regelung nicht einverstanden. Wir möchten unsere Wochenmärkte nicht derart reglementiert sehen, daß hungrige Marktbesucher und Schaulustige aus Stadt und Land in die Läden bugsiert werden. Das ist zuviel des Guten. Damit sind wir nicht einverstanden.
Herr Kollege Schild, Sie haben einmal gegen den Totalitarismus gewettert. Auch ein Perfektionismus in dieser Richtung hat zumindest gewisse Berührungspunkte mit totalitären Neigungen. Lassen wir hier eine gewisse Freiheit und einen lebensnahen Spielraum!
Hinsichtlich des CDU/CSU-Gesetzentwurfs über die Berufsausübung im Handel gibt es eine Fülle von Bedenken. Ich will einmal ganz davon absehen, daß auch hier vielleicht ein unfreundlicher Akt gegen den ambulanten Handel sichtbar wird. Auf jeden Fall sollen doch zwischen Einzel- und Großhandel auf der einen Seite und den anderen — einschließlich der Handelsvertreter — differenzierende Schranken errichtet werden, die sich nicht immer gut auswirken würden. Vergünstigungen des Groß- und Einzelhandels gegenüber dem ambulanten Handel, mit dem man doch hoffentlich nicht „unlautere Elemente" kumulativ bezeichnen will, sind eine fragwürdige Geschichte. Ungleiche Startbedingungen scheinen sich herauszubilden. Ein Numerus clausus gegen weiteren Zuzug zu einzelnen Handelssparten wird sichtbar.
Dabei ist die Gefahr gegeben, daß sich gerade unqualifizierte oder tatsächlich gestrandete Existenzen nach dem ambulanten Handel abgedrängt sehen und hier wiederum eine Überfüllung verursachen, unter der dann diese Menschen selbst besonders zu leiden beginnen. Generell ist da nicht viel geholfen. Auf Kosten bestimmter Sparten wird in diesem Bereich eine gewisse Strukturverschiebung vollzogen. Das gefällt uns nicht. Man wird sich im einzelnen darüber unterhalten müssen.
In bezug auf Ihren Zwischenruf, daß das nicht stimme, möchte ich Ihnen sagen, daß sich vor allem die Kollegen, die in dem zuständigen Ausschuß tätig sind, von Ihnen gern belehren lassen werden. Wir haben diese Bedenken und teilen sie heute bereits mit, ganz abgesehen davon, daß auch hier wieder der Begriff der Zuverlässigkeit, der dehnbar, kautschukähnlich ist, aufkreuzt und daß uns auch gewisse Überspannungen hinsichtlich der Anforderung von Sachkunde nicht vertretbar erscheinen. Diese Anregungen widerstreben, so meinen wir, letztlich doch einer echten Gleichheit im Felde der Berufsausübung, dem Bemühen um einen freien, gesunden Wettbewerb und gleiche Berufschancen und dann jener Ausgeglichenheit und Solidarität im Stande selbst, die sich gerade im Felde der Berufsordnung und der Berufsausübung widerspiegeln sollte, so schwierig das auch angesichts der Natur des Menschen sein mag. Im übrigen bleibt es durchaus fraglich, ob der Verbraucher an einer derartigen bundeseinheitlichen Regelung wirklich sehr interessiert ist und ob derartige Gesetze der von uns allen angestrebten Verwaltungsvereinfachung dienlich sind.
Hinsichtlich des Betriebs-, Behörden- und Belegschaftshandels sind wir der Auffassung, daß sich über diesen Entwurf durchaus reden läßt.
Angesichts der offensichtlichen Steuerausfälle, der negativen Auswirkungen für den Einzelhandel, der Verletzung des Prinzips gleicher Wettbewerbschancen und einer sozialen Gerechtigkeit im Felde der Güterverteilung sind hier Dinge angesprochen, die genau geprüft werden müssen und die zweifellos positiv zu bewerten sind, obgleich man auch hier gesamtsoziale Auswirkungen reiflich wird prüfen und auswägen müssen. Zu dieser Prüfung im einschlägigen Ausschuß sind wir gern bereit.
Zum Schluß zum SPD-Antrag betreffend Förderung der Mittelschichten, Drucksache 1959. Wir halten diesen Antrag für einen durchaus vernünftigen Vorschlag einer notwendigen Prüfung aller Tatbestände und praktischen Hilfsmöglichkeiten bezüglich Berufsausübung, allgemein fördernder, zielgesteuerter Kreditpolitik, allgemeiner Gewerbeförderung und einer gesetzlichen Alterssicherung sämtlicher frei Schaffenden. In dem Antrag ist bekanntlich die Aufforderung an die Regierung enthalten, das Prüfungsergebnis vorzulegen und die sich aus ihm ergebenden gesetzlichen Vorlagen zu unterbreiten. Wir glauben, daß diese Anregung auf lange Sicht vielleicht doch wirksamer ist als grundsätzliche Deklarationen, perfektionierende Reglementierungen, Numeri clausi, also theoretische oder mehr Ärgernis, Verstimmung, gegenseitige Feindseligkeit als echten praktischen Nutzen erzeugende Vorschläge, die man da und dort hört, die ja oft — auch in diesen Schichten selbst — auf Kosten der sozial Schwächeren gemacht werden und in Richtung auf den geringsten Widerstand zu laufen scheinen.
Eine wirkliche Hilfe für den Mittelstand ist immerdar ratsam, und ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß wir gestern, meine sehr verehrten Damen und Herren von dieser Seite des Hauses , die Möglichkeit hatten, wenn auch auf einem kleinen, aber doch empfindsamen Sektor echte Hilfe zu leisten, nämlich bei der Beratung des Kindergeldergänzungsgesetzes, und zwar bei § 10 Ziffer 8 für den landwirtschaftlichen und insbesondere den gewerblichen Mittelstand. Da haben wir uns gewundert, daß es gerade auf dieser Seite, die heute so viele Vorschläge zur Gesundung des Mittelstandes vorlegt, Ablehnungen und Enthaltungen gegeben hat.
Wir sind im übrigen durchaus bereit, einen Sofortbeschluß über den SPD-Antrag mit herbeizuführen.
Trotz unserer skeptischen, zum Teil ablehnenden Haltung zu den vorliegenden Anträgen, insbesondere denen der DP, sind wir angesichts der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer sinnvollen, d. h. praktisch helfenden Lösung der so wichtigen Mittelstandsfragen — und gerade den Heimatvertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsopfern liegen diese Fragen besonders am Herzen — bereit, an der Beratung der vorliegenden Materie konstruktiv, d. h. anregend, fördernd, aber auch abwehrend, immer aber — dessen dürfen Sie versichert sein — gewissenhaft mitzuarbeiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Lange hat die Korrespondenz des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zitiert, und die hat bekanntlich Bedenken geäußert, ob die Redner, die hier zum Wort kämen, zur Fraktionsprominenz gehörten. Ich gebe hier kund und zu wissen, daß ich nicht zur Fraktionsprominenz gehöre;
aber ich halte mich für das, was Georg Herwegh einmal in die Verse gekleidet hat:
Ich bin ein freier Mann und singe
Mich wohl in keine Fürstengruft.
Und ich singe mich auch in keine Fraktions- und in keine Standesgruft hinein; ich singe mich vielleicht einmal von meinem Bundestagsmandat herab.
Aber dann gilt für mich das alte studentische Lied: Wer die Wahrheit kennet und saget sie nicht,
Der ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht. Frei ist der Bursch!
Verehrte Damen und Herren, der Vorschlag, einen Art. 12 a in das Grundgesetz einzufügen, ist ja wohl aus der Existenzangst entstanden, womit ich aber unseren Kollegen Schild nicht unter die Schüler von Kierkegaard oder vielleicht sogar von Sartre einreihen möchte.
Einige kurze Worte dazu! Es sind nicht Neuheiten, sondern Unterstreichungen der Worte, die die Vorredner gebraucht haben.
Das Grundgesetz kennt keine Berufsgruppen; es kennt überhaupt. keine Gruppen. Es hat ja auch nicht den Räteartikel der Weimarer Verfassung wieder aufgenommen. Das ist im Parlamentarischen Rat nicht ohne Sinn geschehen. Deshalb ist der Art. 12 a systemwidrig. Verehrter Herr Dr. Schild, er ist doch praktisch eine Gruppenprivilegierung und eine Gruppenwertung,
und ich persönlich möchte vor einer Gruppenwertung, überhaupt vor einer Standeswertung warnen.
Vieleicht haben Sie aus Ihrem Studium noch eine Erinnerung an Friedrich List, der sich einmal dagegen gewandt hat, daß man vom primitiven Produktivitätsstandpunkt her bewerten wollte, und der sagte: dann müßte ja der Schweinemäster über dem Schulmeister stehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte aber auch —Herr Stücklen, das geht etwas an Ihre Adresse—vor der Verletzung des Legitimitätsprinzips der Demokratie warnen, und dieses Legitimitätsprinzip der Demokratie sehe ich ausschließlich im allgemeinen Wahlrecht. Wenn Sie ständische und rätische Elemente in das Verfassungsrecht hineinbringen, nähern Sie sich bedenklich den Volksdemokratien.
— Sie haben es nicht expressis verbis gesagt. Dann liegt es an meiner Dummheit, daß ich Sie nicht gut verstanden habe.
Zum Thema Gewerbefreiheit! Es hat nie eine absolute Gewerbefreiheit gegeben, auch nicht unter der freiesten Gewerbeordnung, nämlich der des Norddeutschen Bundes von 1869. Wir haben immer konzessionspflichtige und laufbahnpflichtige Berufe und Gewerbe gehabt, und zwar vom Gesichtspunkt der Gefährlichkeit für die Mitmenschheit und vom Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses. Ja, meine Damen und Herren, der Standpunkt der Gefährlichkeit eines Berufes! Ich könnte mir vorstellen, daß man den Beruf des Gesetzgebers, also den ides Bundestagsabgeordneten, für einen sehr gefährlichen Beruf hält;
denn wir sollen ja schließlich mal nach dem Willen der Deutschen Partei über die Wiedereinführung der Todesstrafe beschließen und auch über die allgemeine Wehrpflicht. Also, meine Damen und Herren, wie steht es mit einem Befähigungsnachweis und einer Berufsordnung für Parlamentarier?
Nun aber zum öffentlichen Interesse! Seitdem jener Satz durch die Welt geklungen ist „Gemeinnutz geht vor Eigennutz" — und es gibt Herren in diesem Hause, die diese Klingel sehr lebhaft gerührt haben —,
ist die Neigung vorhanden, nun alles Tun und Treiben als im öffentlichen Interesse liegend zu sehen.
Darf ich hier etwas Travestierendes einfügen. Es ist nicht neu, ich habe es schon häufig gebraucht, aber ich möchte dieses Wort, das ich für ein Bonmot halte, auch dem Hohen Hause nicht vorenthalten. In der gewöhnlichen Sprache könnte ich sagen, daß ich in meinem Leben — ich bin jetzt 61 Jahre alt — beträchtliche Teile meines Einkommens vertrunken habe;
aber in der Sprache des öffentlichen Interesses würde das ungefähr heißen: Ich habe fortlaufend Leistungen vollbracht für die Aufrechterhaltung des biologisch, völkisch und grenzwirtschaftlich so unendlich wichtigen Moselweinbaues.
Vom öffentlichen Interesse führt nun ein konsequenter Weg zur öffentlich-rechtlichen Regelung. Ich will einmal den Versuch unternehmen, eine Formulierung des Grundgesetzes in einen juristischen Begriff umzugießen. In Art. 18 steht die Formulierung „freiheitliche demokratische Grundordnung". Meine Damen und Herren, ist das eine poetische Deklamation, ist das ein PaulskirchenAtavismus,
oder ist es ein juristischer Begriff? Ich gaube, nach der dialektischen Methode kann man hier doch wohl eine Antithese zum totalitären Staat erblikken. Was war das Wesen des totalitären Staates? Doch folgendes: daß er das Recht nahm und es auch ausübte, jeden Lebensvorgang durch zwingendes
öffentliches Recht zu regeln. Meine Damen und Herren, dann bedeutet für mich „freiheitliche demokratische Grundordnung": weitgehend das Leben durch das privatrechtliche Vertragswesen regeln zu lassen!
Ich mache hier aber darauf aufmerksam: jede Marktordnung, jede Berufsordnung bedeutet das Setzen von öffentlichem Recht, bedeutet die Einengung des freiheitlich-demokratischen Raumes.
Jedes Setzen von öffentlichem Recht bedeutet Vermehrung der Verwaltungsfunktionen,
und zwar nicht nur bei der Hoheitsverwaltung, sondern auch bei der körperschaftlichen Verwaltung und bei der Verbandsbürokratie.
Meine Damen und Herren, wer uns hier jeden Tag eine neue Berufsordnung und eine neue Marktordnung vorsetzen will, verliert den moralischen Hosenboden für den Ruf nach der Verwaltungsvereinfachung. — Bitte, meine Herren, ich könnte hier noch sehr viel drastischer werden!
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur ganz wenige Sätze an meinen verehrten Kollegen Stücklen, und zwar zu einem Spezialproblem, das er angesprochen hat. Seine sonst so plastische Ausdrucksweise verdünnte sich zu weit unverbindlicheren Formulierungen, als es darum ging, dem Mittelstand konkrete Hilfe zu geben, in dem Augenblick nämlich, als er die Steuerprobleme ansprach. Ich habe Ihre Worte, glaube ich, richtig im Gedächtnis, lieber Herr Kollege Stücklen. Sie haben gesagt: Wir müssen uns auch einmal mit der Einkommensteuer befassen. — Das ist furchtbar einfach! Sie können das auf Grund eines Antrags tun, den wir gestellt haben und der darauf hinausläuft, die Einkommensteuer um 10 % zu senken und außerdem § 10 a in der Fassung von 1950 wieder einzuführen. Verlassen Sie sich darauf, das ist die wirksamste Hilfe für den Mittelstand; denn alle hier erwähnten Mittelständler — alle — sind entweder einkommen- oder lohnsteuerpflichtig, und alle würden davon begünstigt. Die großen Einkommen fallen nicht unter unseren Antrag. Wir haben ja ausdrücklich die Senkung nur der Einkommensteuer verlangt, und die großen Einkommen sind im allgemeinen körperschaftsteuerpflichtig, — wenn ich einmal Ihren Fraktionskollegen Pferdmenges ausnehmen darf.
— Wollen Sie, lieber Kollege Kurlbaum, etwa jeden Fall durch eine perfektionistische Besteuerung für jeden einzelnen Menschen regeln? Das ist doch wohl nicht möglich. Wir wollen mit unseren Maßnahmen die gesamten mittelständischen Bereiche treffen. Ich glaube, es unterliegt gar keinem Zweifel, daß im Mittelstand unser Antrag auch so aufgefaßt worden ist. Das ist doch völlig klar. Im übrigen lassen wir ja über Einzelheiten
der Steuersenkung mit uns reden. Ich möchte nur unseren Kollegen Stücklen einmal auf seine Formulierung festlegen und möchte sagen, er hat in dem Zusammenhang eine besonders wertvolle Aufgabe; denn seine ihm angeborene Überzeugungskraft sollte es ihm nicht schwer machen, seinen engeren Fraktionskollegen Schäffer — der ja eigentlich Scheffler heißen müßte —
davon zu überzeugen, daß es ihm gerade im Augenblick leichtfallen sollte, einer solchen Forderung nachzukommen. Denn hier entscheidet sich, welchem Prinzip wir den Vorrang geben wollen: dem Recht des Staatsbürgers auf Eigentumsbildung oder der Kapitalbildung des Staates. Hier ist die Grenze, hier ist der Scheidepunkt, um den es geht. Deswegen möchte ich Sie, Herr Stücklen, besonders aufrufen, dem Mittelstand dadurch zu helfen, daß Sie sich in dieser Frage besonders kräftig mit uns gemeinsam einsetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man hier die überaus zahlreichen leeren Bänke betrachtet, dann kann man fast daran zweifeln, daß das gesamte Hohe Haus sich um die Nöte, die wiederum vorgetragen sind, Sorgen macht.
Herr Abgeordneter, einen Augenblick! Der Präsident war leider in der mißlichen Lage, einer Reihe von Ausschüssen die Genehmigung zum Tagen während des Plenums geben zu müssen. Das erklärt — wenigstens zum Teil —, daß das Haus hier nicht so voll besetzt ist, wie es der Bedeutung des Anlasses entspricht. Ich darf aber bei dieser Gelegenheit bitten, daß dieses Nebenhertagen der Ausschüsse auf die unbedingte Notwendigkeit eingeschränkt wird. Da wir heute den letzten Plenartag haben, stand ich vor der Notwendigkeit, diese Genehmigung zu erteilen. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, Herr Abgeordneter, das im Augenblick auch zu bedenken.
Ich danke sogar für diesen Hinweis, und ich glaube, es ist auch für die Offentlichkeit gut, das zu wissen.
Ich bin trotz alledem der Meinung, daß es gar nicht sehr sinn- und zweckvoll ist, wenn wir alle Jahre wieder solche Debatten führen und immer wieder nur Debatten. Es fehlen doch die Taten und die Bereitschaft und der gute Wille im Parlament und besonders in der Regierung selber. Denn wir haben — das bleibt doch festzustellen — diese Debatten Jahr für Jahr nur wiederholend über uns ergehen lassen. Bei der Gesetzgebung, bei der Verwaltung selber fehlt es aber an der notwendigen Bereitschaft.
Um nur eins herauszugreifen, was heute morgen auch angesprochen wurde: das Vergabewesen. Was nützt es dem Mittelstand, wenn gesagt wird: jawohl, er soll beteiligt werden, und wenn bei der Ausschreibung auch eine Reihe von Betrieben aufgefordert werden?! Die Termine sind schon zu kurz. Ich könnte das mit Zahlen belegen; ich will das hier nicht weiter ausführen. Die Termine werden nachher verlängert, weil die Unterlagen nicht
I da sind. — Das nützt nichts, gerade wenn man will, daß Arbeitsgemeinschaften von kleineren und mittleren Betrieben sich zusammentun, um sich an größeren Aufträgen zu beteiligen. Sie brauchen eine gewisse Zeit und vielleicht mehr Zeit als ein Großbetrieb, der diesen Auftrag aus seiner laufenden Produktion erledigen kann. Die Arbeitsgemeinschaft, die sich aus mehreren Leuten zusammensetzt, muß sich nun einmal mehr Materialsorgen machen, um Lieferanten bekümmern usw. Sie braucht jedenfalls mehr Zeit. Das sollte bis zu den letzten Dienststellen bekannt sein, wenn wirklich der gute Wille und die Bereitschaft, sich für die besonderen Belange der kleineren Betriebe einzusetzen, vorhanden ist. Da liegt hauptsächlich die Schwierigkeit, und da könnte geholfen werden. Es ist weiterhin völlig falsch, daß man bei der Vergabe von größeren Aufträgen kleinere Posten sammelt, so daß die Arbeitsgemeinschaft nachher gezwungen ist, die Güter verzettelt durch ganz Deutschland zu schicken. Wenn Aufträge von Norddeutschland nach Süddeutschland gehen und umgekehrt, dann ist das keine Hilfe, •dann ist das eine weitere Belastung, die von vornherein dazu führen kann, daß schon bei der Ausschreibung diese handwerklichen Arbeitsgemeinschaften gar nicht zum Zuge kommen.
Wir haben weiter gern zur Kenntnis genommen, daß hier von Steuersenkungen gesprochen wurde, insbesondere in der Richtung, die Steuer für die kleineren und mittleren Einkommen zu senken. Da das nun von mehreren Parteien gesagt wird, haben wir gewisse Hoffnungen, daß unser Antrag, Drucksache 1695, der bereits ein Vierteljahr dem Hause vorliegt und der selbstverständlich auch noch geändert werden kann, ihre Zustimmung findet. Darin ist nämlich vorgesehen, daß gerade die kleineren und mittleren Einkommen von der in Aussicht stehenden Steuersenkung profitieren sollen.
Ich möchte nur noch ein Sachgebiet aus der gesamten Diskussion aufgreifen, und zwar den Betriebs- und Behördenhandel. Auch wir sind dagegen, daß diese Auswüchse, die nun einmal zu verzeichnen sind, sich weiter fortsetzen. Aber wir sind auch der Meinung, daß aus den betroffenen Gruppen selbst manches geschehen könnte, um diesen Handel einzudämmen. Ganz besonders berührt es komisch, daß eine mittelständische Einkaufsgenossenschaft in ihrem kurz vor Weihnachten herausgegebenen Rundschreiben zur Kenntnis gibt, daß sich jeder, der für sich oder auch für Freunde Geschenke vom Bügeleisen bis zum Fernsehapparat, Ladeneinrichtungen usw. benötigt, vertrauensvoll an diese Einkaufsgenossenschaft wenden möge. Ich will damit nur sagen: Es gibt auch hier Mißstände, die zunächst in den eigenen Reihen ausgeräumt werden sollen, bevor wir Hilfe von Parlament und Regierung wünschen.
Aber es gibt tatsächlich genügend Belastungen, die wir gemeinsam beseitigen könnten. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß wir gestern die Gelegenheit gehabt hätten, einen sehr großen Übelstand bei der Aufbringung der Mittel gemäß dem Kindergeldgesetz zu beseitigen. Meine Fraktion war dazu bereit. Wenn wir das alle gemeinsam gewollt hätten, dann hätten wir heute schon den mittleren Schichten etwas als echte Hilfe auf den Weihnachtstisch legen können.
— Wir haben in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht, daß wir von der Bundesregierung zunächst eine Übersicht wünschen. Ich glaube, es ist auch nicht ganz unbekannt, wie wir über die Altersversorgung denken: daß wir zunächst für die Übergangslösung, für die bestehende HandwerkerAltersversorgung sind. Darüber hinaus aber denken wir uns eine allgemeine Alterssicherung für alle selbständig Schaffenden. Das allerdings beinhaltet unser Antrag noch nicht. Er ist aber ausgearbeitet und wird dem Hohen Hause bald vorgelegt werden.
Abschließend möchte ich sagen: Ich bin der Meinung, daß wir weniger allgemeine Debatten führen, aber mehr Bereitschaft bei der Gesetzgebung zeigen sollten. Wenn wir alle, meine Damen und Herren, die wir nur noch in dieser geringen Anzahl hier geblieben sind, uns gegenseitig geloben, bei den Ausschußarbeiten ständig an das zu denken, was hier zum wiederholten Male gesagt worden ist, dann ist mir nicht bange und dann habe ich die Hoffnung, daß außer den vielen Reden auch endlich einmal etwas Positives geschieht.
Das Wort hat der Abgeordnete Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die Diskussion zu verlängern. Ich will vielmehr lediglich beantragen, den Antrag Drucksache 1729 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführendem und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es würde auch nicht in Ihrem Interesse liegen, wenn ich jetzt zu allen Anträgen im speziellen Stellung nehmen wollte oder sollte. Ich bin selbstverständlich bereit, jede Frage im Mittelstandsausschuß zu erörtern und den Standpunkt der Regierung darzulegen. Ich kann nur sagen: hinsichtlich der Änderung des Grundgesetzes ist die Regierung selbstverständlich der hier fast allgemein zum Ausdruck gekommenen Meinung. Ich glaube, es besteht auch darüber Übereinstimmung, daß der Mittelstand durch die Wirtschaftspolitik, durch die Finanzpolitik wie überhaupt durch alle Regierungsmaßnahmen gefördert werden soll. Der Wert des Mittelstandes, gerade des selbständigen und freien Mittelstandes, ist unbestritten.
Aus diesem Grunde begrüße ich alle Maßnahmen, die geeignet erscheinen, die Leistungskraft des Mittelstandes zu stärken und ihm, soweit dem nicht steuerliche oder strukturelle Bedingungen entgegenstehen, zu gleichen Startbedingungen im Wettbewerb zu verhelfen. Ein selbständiger Mittelstand, der sich auf Leistung gründet, wird auch Bestand haben. In diesem Sinne bekenne ich mich — ohne daß ein Wirtschaftsminister Interessen zu vertreten hat — hier doch noch einmal als Mittelstandsminister. Mein Gewissen, das hier angesprochen worden ist, — —
) — Ja, das ist sehr viel geteilt! Wie viele Gewissen soll ich eigentlich in meiner Seele tragen,
wenn ich für alle zu sorgen habe, was doch die Aufgabe des Wirtschaftsministers ist! Aus diesem Grunde möchte ich meinen, ich sollte es mit Wilhelm Tell halten, der sagt: Es sind mir alles gleich liebe Kinder! Ich glaube, das ist die einzig vernünftige und die einzig sittliche Haltung eines Wirtschaftsministers.
Im ganzen habe ich mich über die heutige Diskussion im Bundestag deshalb gefreut, weil sie im Grundsatz doch eine sehr gleichartig positive Haltung zu den mittelständischen Problemen hat erkennen lassen. Wie es selbstverständlich ist, hoffe und wünsche ich, daß wir in den weiteren Beratungen dieser Anträge im Mittelstandsausschuß, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß und wo auch immer glückliche Lösungen nicht zuletzt auch für den deutschen Mittelstand finden werden.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache zu Punkt 1. Damit ist die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 1871, erledigt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Überweisungsanträge. Ich rufe der Reihe nach auf.
Zunächst 1 b: Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung eines Artikels 12 a in das Grundgesetz, ) Drucksache 1728. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht
— federführend — und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Fragen des Mittelstandes und Wirtschaftspolitik. Wer diesen Überweisungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Überweisungen sind beschlossen.
1 c: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung, Drucksache 1729. Hier liegen zwei verschiedene Vorschläge darüber vor, welcher Ausschuß federführend sein soll. Der Herr Abgeordnete Schild hat vorgeschlagen, der Ausschuß für Wirtschaftspolitik solle federführend sein. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Ausschuß für Fragen des Mittelstandes federführend sein zu lassen.
— Sie sind einverstanden, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend sein soll?
Ich höre keinen Widerspruch. Dann unterstelle ich, daß das Haus damit einverstanden ist, daß für diesen Gesetzentwurf der Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend ist und daß mitberatend sein sollen der Ausschuß für Fragen des Mittelstandes, der Ausschuß für Kommunalpolitik und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
1 d: Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausübung im Handel, Drucksache 1872. Hier ist der
Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführend I vorgesehen.
— So ist es hier vermerkt, das ist die Abrede im Ältestenrat. Haben Sie einen anderen Vorschlag?
— Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident, auch im Ältestenrat waren wir der Meinung — es ist von keiner Seite widersprochen worden —, daß der Antrag unter Punkt 1 d dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführendem Ausschuß überwiesen werden sollte. Meine Fraktion wird sich für diese Überweisung einsetzen.
Meine Damen und Herren, auf meiner Vorlage ist der Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführender Ausschuß angegeben. Wollen Sie etwas anderes beantragen, Herr Abgeordneter? -- Sie wollen, daß die Federführung beim Ausschuß für Wirtschaftspolitik liegt.
— Dann müssen wir darüber abstimmen. Der Kollege Stücklen beantragt, den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführenden Ausschuß zu benennen, während der Kollege Lange die Federführung dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zuweisen will.
Ich lasse also zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Stücklen abstimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführenden Ausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —
— Einen Hammelsprung wollen wir doch nicht riskieren. Ich glaube, das Haus kann sich darauf einigen, daß das erste die Mehrheit war.
— Sie erheben also Widerspruch. Dann versuchen wir es erst einmal mit Aufstehen. Wer dafür ist, daß diese Vorlage an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführenden Ausschuß überwiesen wird, möge sich von seinem Sitz erheben. — Gegenprobe! — Trotz der schwachen Besetzung des Hauses war das erste die Mehrheit. Damit brauchen wir also über den Antrag des Herrn Abgeordneten Lange nicht mehr abstimmen zu lassen.
Ich sehe zu meinem Kummer, daß hier auch wieder vier Ausschüsse beteiligt werden sollen, obwohl in der Geschäftsordnung so ziemlich das Gegenteil davon steht. Neben dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes als federführendem Ausschuß sind hier als mitberatende Ausschüsse der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Ausschuß für Kommunalpolitik
und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht aufgeführt. Will jemand der Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik widersprechen?
Wer ist dagegen, daß die Vorlage an den Ausschuß für Kommunalpolitik überwiesen wird? — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Ausschuß für Kommunalpolitik wird hier gestrichen. Die Überweisung erfolgt nur an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Jetzt kommen wir zur Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel, Drucksache 1873. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht als mitberatenden Ausschuß vorgeschlagen.
— Sie beantragen auch die Überweisung an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes.
Ich höre keinen Widerspruch. Dann wird die Vorlage auch dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zur Mitberatung überwiesen.
Dann ist beantragt, den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Förderung der Mittelschichten — Drucksache 1959 — an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Soll das heißen, daß dieser Ausschuß federführend sein soll?
Bitte, Herr Abgeordneter!
Einen Moment, Herr Kollege Schmücker. Herr Präsident, ich hatte vorhin beantragt, heute über diesen Antrag zu entscheiden. Wenn man glaubt, heute darüber nicht entscheiden zu können, dann sollte der ganze Komplex dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführendem Ausschuß und dem Mittelstandsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Bei der Beratung des Punktes 1 a unseres Antrags sollte der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und bei der Beratung des Punktes 1 d der Ausschuß für Sozialpolitik noch mitbeteiligt werden.
Herr Präsident, ich bitte, festzustellen, ob Neigung vorhanden ist, jetzt den Antrag anzunehmen und ihn der Regierung zu überweisen oder ob man auf einer vorherigen Ausschußberatung besteht.
Ich müßte dann über die Annahme oder Ablehnung des Antrags entscheiden lassen. Wenn der Antrag abgelehnt ist, dann kann ich ihn auch nicht mehr überweisen lassen. Ich würde doch bitten, Herr Abgeordneter Lange, sich zu entscheiden; denn wenn der Antrag jetzt abgelehnt wird, dann kann ich ihn doch nicht mehr überweisen. Sie können also entweder den Antrag auf Abstimmung oder den Antrag auf Überweisung stellen. Ich bitte, sich zu entscheiden.
Es wird also Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß beantragt.
Dann lasse ich zunächst einmal über den Antrag abstimmen, den Antrag dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß zu überweisen. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das scheint mir denn doch die Minderheit zu sein. Federführend ist also der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, mitberatend der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, der Ausschuß für Mittelstandsfragen und der Ausschuß für Sozialpolitik.
— Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht nur zu Ziffer 1 a, Ausschuß für Sozialpolitik nur zu Ziffer 1 d. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit ist der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Internationalen Übereinkommen vom 25. Oktober 1952 über den Eisenbahnfrachtverkehr und über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr .
Auf mündliche Einbringung der Vorlage wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die erste Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Entwurfs einer Sechsundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 1867).
Auch hier wird auf Einbringung und Begründung verzichtet. Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Entwurfs einer Fünfundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderunbahn-Personen- und -Gepäckverkehr .
Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung. -- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Schriftlicher Bericht *) des Ausschusses für
Außenhandelsfragen über den
') Siehe Anlage 2.
Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksachen 1958, 1972).
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Der Berichterstatter verzichtet. — Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung.
Ich lasse über den Antrag des Ausschusses abstimmen, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1958 zuzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich muß das Haus noch von folgendem informieren. Es wird mir mitgeteilt, daß bei dem Gesetz zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes ein Redaktionsfehler unterlaufen ist, der noch richtiggestellt werden muß. In § 2 ist statt „März" zu lesen: „Dezember". Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Richtigstellung. — Ich darf unterstellen, daß das Haus einverstanden ist.
Nun, meine Damen und Herren, sind wir nicht nur am Ende dieser Tagesordnung, sondern auch am Ende unserer Arbeit in diesem Jahre 1955. Wir haben nicht den Brauch — und ich halte das für richtig —, daß wir am Ende des Jahres einen Rückblick über das geben, was wir hier getan haben. Das lesen Sie alles sehr viel genauer in den Neujahrsartikeln. Aber vielleicht erlauben Sie mir doch, hier zum Schluß einige Sätze zu sagen.
Wir haben uns in diesem Hause in diesem Jahr schwer gemüht. Ich erinnere an die Ratifizierung der Pariser Verträge, auch an das, was uns gegeben wurde: die Herstellung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Ich erinnere an die Beendigung des Status quo an der Saar und an die Aufmerksamkeit und die Anteilnahme, mit der wir die beiden Genfer Konferenzen verfolgt haben. Ich erinnere an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Moskau, der das Haus einmütig zugestimmt hat. Ich erinnere an die vielen Debatten zur Festigung der deutschen Wirtschaft, zu denen auch die Debatte dieses Vormittags einen Beitrag geliefert hat. Ich erinnere an die fortdauernden
Bemühungen von allen Seiten des Hauses zur Verbesserung der sozialen Leistungen, zur Angleichung des Lebensniveaus der sozial Schwachen und der Benachteiligten an die Fortschritte und an die Verbesserung unseres wirtschaftlichen Lebens. Ich erinnere daran, daß uns hier in diesem Hause die ersten Wehrgesetze beschäftigt haben. Und ich erinnere daran, daß wir auch in diesem Jahr wieder den Verlust teurer Freunde und geschätzter Kollegen zu beklagen gehabt haben.
Wir beenden ein. Jahr der Arbeit und der Mühe mit dem Gedenken an diejenigen Söhne und Töchter unseres Volkes, die noch auf die Heimkehr warten, und wir beenden dieses Jahr insbesondere mit dem Gedenken an diejenigen, die unter der Not der Trennung und der Spaltung — der leider auch am Ende dieses Jahres weiterbestehenden Spaltung Deutschlands -- und aller Bedrückung, Einengung und Unfreiheit, die daraus stammt, besonders zu leiden haben.
Ich danke heute am Schluß dieser letzten Sitzung des Jahres Ihnen allen, meine Damen und Herren, insbesondere den Ausschußvorsitzenden, den vielen Berichterstattern und allen Kollegen, die sich im besonderen der Angelegenheiten des Hauses angenommen haben. Ohne ihre Hingabe ist die Arbeit dieses Hauses nicht denkbar. Ich danke vor allem für die stille und treue Mitarbeit, die viele Mitglieder dieses Hauses geleistet haben. Sie kann nicht immer in entsprechender und ihrem Wert angemessener Weise öffentlich hier in die Erscheinung treten.
Ich danke auch für die treue Mitarbeit den Angehörigen unserer Verwaltung.
Nun, meine Damen und Herren, bleibt mir nichts anderes zum Schluß dieses Jahres, als Ihnen allen mit Ihren Familien ein frohes Christfest und ein gesegnetes neues Jahr zu wünschen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 12. Januar 1956, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.