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ID0212102500

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    2. Deutscher Bundestag — 121. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1955 6449 121. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1955. Nachruf des Präsidenten für den verstorbenen ehemaligen preußischen Ministerpräsidenten Dr. Otto Braun 6450 A Ergänzung der Tagesordnung . . 6450B, 6482 D, 6484 C Mitteilung über Vorlage der Verordnung M Nr. 3/55 über Preise für Milch 6450 B. Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Gründung eines Mittelstandsinstituts (Drucksache 1871) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz (Drucksache 1728), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung (Drucksache 1729), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufsausübung im Handel (Drucksache 1872), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel (Drucksache 1873) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Förderung der Mittelschichten (Drucksache 1959) 6450 B Schmücker (CDU/CSU), Anfragender 6450 C, 6467 D, 6468 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 6452 D D. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 6453 B, 6480 D Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Antragsteller . . . 6453 D, 6456 D, 6480 C Illerhaus (CDU/CSU), Antragsteller . 6458 C Wieninger (CDU/CSU), Antragsteller 6461 B Lange (Essen) (SPD), Antragsteiler 6463 D, 6468 A, 6482 B Stücklen (CDU/CSU) 6468 C, 6469 A, C, 6473 B, C, 6481 C Vizepräsident Dr. Schmid . . 6469 A, C, D Held (FDP) 6471 D, 6473 A, B, C Dr. Dresbach (CDU/CSU) . . 6473 A, 6478 A Dr. Strosche (GB/ BHE) 6474 A Scheel (FDP) 6479 A Regling (SPD) 6479 C, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6479 C Ausschußüberweisungen . . . 6481 A, C, 6482 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Internationalen Übereinkommen vom 25. Oktober 1952 über den Eisenbahnfrachtverkehr und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (Drucksache 1926) 6482 C Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen 6482 D Beratung des Entwurfs einer Sechsundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Vitamin-A-Acetat und Vitamin-A-Palmitat) (Drucksache 1867) 6482 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6482 D Beratung des Entwurfs einer Fünfundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Zollkontingent für Schienen) (Drucksache 1857) 6482 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6482 D (1 Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen — Aluminium-Zollkontingent 1956 — (Drucksache 1792) . . . 6482 D, 6484 C, 6483 A Brand (Remscheid) (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 6484 C Beschlußfassung 6483 A Redaktionelle Berichtigung des Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes 6483 A Beendigung der Bundestagsarbeit des Jahres 1955, Wünsche für Weihnachten und das neue Jahr: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6483 A Nächste Sitzung 6483 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6484 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen — Aluminium-Zollkontingent 1956 — (Drucksache 1792) 6484 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage 2 Drucksache 1972 (Vgl. S. 6482 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (AluminiumZollkontingent 1956) (Drucksache 1958) Berichterstatter: Abgeordneter Brand (Remscheid): Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1955 mit dem Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Aluminium-Zollkontingent 1956) befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Verordnungsentwurf der Bundesregierung zugestimmt. Bonn, den 15. Dezember 1955 Brand (Remscheid) Berichterstatter Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Luchtenberg 16. Dezember 1955 Mauk 16. Dezember 1955 Morgenthaler 16. Dezember 1955 Oetzel 16. Dezember 1955 Dr. Orth 16. Dezember 1955 Pelster 16. Dezember 1955 Dr. Pohle (Düsseldorf) 16. Dezember 1955 Dr. Preiss 16. Dezember 1955 Dr. Reichstein 16. Dezember 1955 Reitzner 16. Dezember 1955 Schmitt (Vockenhausen) 16. Dezember 1955 Dr. Schöne 16. Dezember 1955 Srock 16. Dezember 1955 Stauch 16. Dezember 1955 Wagner (Ludwigshafen) 16. Dezember 1955 Walz 16. Dezember 1955 Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. März 1956 Mensing 1. März1956 Dr. Starke 28. Februar 1956 Kiesinger 31. Januar 1956 Gemein 15. Januar 1956 Dr. Hammer 15. Januar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Dr. Bergmeyer 5. Januar 1956 Moll 1. Januar 1956 Peters 1. Januar 1956 Klingelhöfer 31. Dezember 1955 Kriedemann 31. Dezember 1955 Neumann 21. Dezember 1955 Feldmann 17. Dezember 1955 Heiland 17. Dezember 1955 Hörauf 17. Dezember 1955 Dr. Horlacher 17. Dezember 1955 Kutschera 17. Dezember 1955 Dr. Lenz (Godesberg) 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 17. Dezember 1955 Dr. Maier (Stuttgart) 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. Dezember 1955 Putzig 17. Dezember 1955 Rademacher 17. Dezember 1955 Frau Vietje 17. Dezember 1955 Welke 17. Dezember 1955 Berendsen 16. Dezember 1955 Dr. Conring 16. Dezember 1955 Jacobi 16. Dezember 1955 Klausner 16. Dezember 1955 Knobloch 16. Dezember 1955 Könen (Düsseldorf) 16. Dezember 1955 Koops 16. Dezember 1955 Dr. Kreyssig 16. Dezember 1955 Lenz (Brühl) 16. Dezember 1955 Lenz (Trossirgen) 16. Dezember 1955
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    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident, da müßte ich mich auf ein lukullisches Gespräch mit Ihnen einlassen, aber Lukullus hat bei Ihnen so viel Erfolge gezeigt, daß ich mir das ersparen kann.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Nun sind gerade wir Abgeordneten, die wir uns ganz besonders stark für die Durchsetzung der berechtigten mittelständischen Forderungen einsetzen, der Auffassung, daß es keine separate Mittelstandspolitik ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die ganze Wirtschaftspolitik geben kann und darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das haben wir immer durch unsere Einstellung hier im Hause bewiesen. Ich erinnere nur daran, daß wir gerade bei der Investitionshilfe, die draußen häufig nicht recht verstanden worden ist, deshalb zugestimmt haben, weil die Gesundung und die Leistungsfähigkeit der Grundstoffindustrie, Energie, Stahl, Eisen und Kohle, erst die Voraussetzungen sind für eine expansive Wirtschaft schlechthin. Aber wir meinen auch, Herr Wirtschaftsminister, daß nun diese Bereiche unserer Wirtschaft weitgehend saturiert sind. Man müßte jetzt darangehen, den Teil nachzuziehen, der bei dem Automatismus unserer Wirtschaft nicht den gleichen Erfolgsanteil hatte wie die übrige, die größere Wirtschaft.
    Nun appellieren wir immer an das Hohe Haus, an die Öffentlichkeit und an den Bundeswirtschaftsminister, daß die kleinen und mittleren Betriebe gefördert werden müßten. Dabei kommt zwangsläufig die Frage auf: Ist es denn wirklich volks-


    (Stücklen)

    wirtschaftlich unbedingt notwendig, daß die Aufgaben der Wirtschaft, die Bedarfsdeckung und Sicherstellung der Dienstleistungen, um nur zwei Begriffe zu nennen, mit diesen vielen Hunderttausenden von kleinen und mittleren Betrieben durchgeführt werden müssen, oder gäbe es nicht auch eine Möglichkeit, diese Aufgaben der Wirtschaft auf eine andere Art und Weise zu lösen, als das bisher bei uns der Fall war?
    Man könnte sich überlegen, ob man die Funktion des Handels, dieser vielen kleinen Einzelhändler, die wir haben, dadurch ersetzen kann, daß man die Versandhäuser, die Warenhäuser, die Konsumgenossenschaften auf- und ausbaut, daß man den Werk- und Behördenhandel fördert usw. Dadurch würde man also die Funktion des Handels auf andere Wirtschaftsträger übertragen. Im Bereich des Handwerks wäre das auch denkbar durch Regiebetriebe und durch Hilfsbetriebe der Industrie — deren wir sowieso schon viel zuviele haben — und darüber hinaus durch Konfektionsfirmen, durch Fabriken usw. Man könnte dann vielleicht feststellen, daß der wirtschaftliche Ablauf für den Verbraucher, für den Markt noch einigermaßen sichergestellt ist.
    Aber was würde eintreten? Ich möchte davon absehen, daß ohne Zweifel eine Verflachung und eine Schrumpfung der individuellen Leistung eintreten würde. Ich möchte auch davon, absehen, daß bei der Schrumpfung der vielen einzelnen Existenzen auch der Wettbewerb nicht mehr funktionieren würde.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Alle Bestimmungen im Kartellgesetz würden ins Leere stoßen, wenn die Zahl dieser einzelnen ) Existenzen nicht groß genug ist, so daß sie aus sich heraus schon einen eigenen Wettbewerb erzeugen könnten, den man weder gesetzlich schaffen, da die Zahl zu gering ist, noch gesetzlich verbieten kann.

    (Abg. Raestrup: Sehr gut! Bravo!)

    Nun möchte ich die selbständigen Betriebe noch deshalb ansprechen, weil wir glauben, daß für einen gesund gegliederten demokratischen Staat diese selbständigen Bindeglieder vorhanden sein müssen. Wenn diese Bindeglieder nicht stark genug sind, dann werden die Fronten aufgerissen, die in überholter Terminologie einmal als „Proletariat" und als „Kapitalismus" angesprochen worden sind. Dann würde das eintreten, was wir als eine Verschärfung der Situation in klassenkämpferischer Hinsicht ansehen müßten.
    Der Herr Bundeskanzler hat bereits in seiner Regierungserklärung 1953 wie heute in dieser Bundestagssitzung gesagt:
    Wir müssen unter allen Umständen dafür sorgen, daß eines vermieden wird: das Auseinanderfallen des Volkes in zwei Schichten, in die Schicht der in der Wirtschaft führenden und die Schicht der in Großbetrieben tätigen oder in ihrer Existenz abhängigen Menschen.
    Diese Erklärung erhält ihr Gewicht nicht nur durch die wirtschaftliche, sondern in weit stärkerem Maße durch die soziologische und soziale Bedeutung des Mittelstandes. Wenn man sich eine Vorstellung über die Bedeutung des Mittelstandes für den demokratischen Staat und die Erhaltung des demokratischen Staates machen will, dann braucht man nur einen Blick in die sowjetische
    Besatzungszone hinüberzuwerfen, in die Bereiche der Ostblockstaaten, in die Bereiche des Kommunismus. Wir stellen dann fest, daß eine der vordringlichsten und ersten Maßnahmen zur Durchsetzung und zur Stabilisierung der kommunistischen Ideologie die Zerschlagung der kleinen und mittleren selbständigen Existenzen war.
    In der Sowjetzone haben sie angefangen mit der Aufteilung des Grundbesitzes unter dem Vorwand, kleine landwirtschaftliche Neubauernstellen schaffen zu wollen. In Wirklichkeit — das hat sich schon nach wenigen Jahren gezeigt — wollten sie damit die Kollektivierung einleiten. Es ging. weiter: sie haben die Funktion des Handels dadurch beschnitten, daß sie eine allmächtige Handelsorganisation, die HO, aufgebaut haben, dazu die Ausweitung der Konsumgenossenschaften. In ihrer Planwirtschaft haben sie alle Möglichkeiten in der Hand, um den Rest an selbständigen Existenzen noch abzuwürgen. Daß sie auch — und das darf ich hier doch einmal als Föderalist, als maßvoller Föderalist sagen -- —

    (Zuruf von der Mitte: Maßvoll? — Heiterkeit.)

    — Sie haben mich nie anders kennengelernt.

    (Abg. Hermsdorf: Das kann Ihnen Schwierigkeiten machen!)

    — Keinesfalls, Herr Kollege! — Ich möchte ausdrücklich betonen, daß eine der ersten Maßnahmen des Kommunismus auch darin bestand, die föderativen Elemente, die Länder, zu zerschlagen, um danach die alleinige und zentrale Herrschaft des Kummunismus aufrichten zu können.
    Wenn diese mittelständische Schicht zusammenschrumpft, ist sie nicht mehr in der Lage, das Bindeglied zwischen Kapital und Arbeit darzustellen. Damit würde eine krasse Trennung zwischen den an Zahl großen Schichten der sozial Abhängigen, der Unselbständigen — es handelt sich um Millionen —, und der kleinen Schicht des manchmal auch anonymen Kapitals entstehen. Aus diesen Gründen müssen wir dieser Entwicklung Einhalt gebieten und müssen alle Voraussetzungen schaffen, damit sie nicht eintreten kann. Denn jede Ideologie des Eigentumsbegriffes — und mag sie noch so aus dem Ethischen heraus begründet sein — müßte ins Leere stoßen und zusammenbrechen, wenn es nicht Millionen gäbe, die diesen Eigentumsbegriff praktizierten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aus all diesen Gründen glauben wir, daß die Erhaltung dieser selbständigen Existenzen eine zwingende staatspolitische Notwendigkeit ist.
    Und nun ein Wort, das weder an eine Person noch an ein Programm gerichtet ist! Jede Wirtschaftspolitik und Wirtschaftspraxis, die ohne Rücksicht auf die soziologische Strukturänderung eines Volkes nur den Wettbewerb anstrebt, wird, gewollt oder ungewollt, zum Wegbereiter einer Volkswirtschaft, die am Ende sozialistisch-kollektivistisch sein wird. Aus diesem Grunde glauben wir auch, daß die Soziale Marktwirtschaft nicht nur so zu verstehen ist, daß gegenüber dem sozial Schwachen in abhängiger Stellung die Rücksichtnahmen erfolgen müssen, die wir aus Gründen der Menschlichkeit, überhaupt aus unserer sozialen Einstellung heraus gewähren müssen, wir sind vielmehr der Meinung, daß die Soziale Marktwirtschaft eine Verpflichtung umfaßt gegenüber jenen schwäche-


    (Stücklen)

    ren Mitbewerbern, die in unserer Wirtschaft stehen, sozial zu sein. Wenn wir darüber einig sind, dann kann ich mir im wesentlichen das ersparen, was ich zu diesem Punkt noch sagen wollte. Ich bin manchmal der Auffassung, Herr Wirtschaftsminister, daß das mittelständische Gewissen in Ihrem Hause etwas verkümmert ist. Es wäre gut, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dieses mittelständische Gewissen sehr wach und seine Stimme unüberhörbar zu machen.
    Diese Überlegungen haben auch dazu geführt, daß wir heute dem Hause die Anträge betreffend Gründung eines Mittelstandsinstituts und die Berufsausübung im Handel sowie den Entwurf eines Gesetzes gegen den Werks- und Belegschaftshandel vorgelegt haben. Wir haben aber darüber hinaus noch eine ganze Reihe von dringenden Anliegen, von denen wir ebenfalls hoffen, daß wir sie in diesem Bundestag noch mit Erfolg aufgreifen können.
    Vor allen Dingen meine ich hier steuerliche Maßnahmen und hier ganz besonders die Umsatzsteuer mit ihrer kumulativen und Konzentrationswirkung, die im System liegt, darüber hinaus aber auch noch eine sehr ernsthafte Forderung, die wir hier einmal aussprechen müssen, nämlich auf Änderung der heutigen Form der Gewerbesteuer. Wir wissen, daß die Gewerbesteuer neben der Grundsteuer A und noch eine Hauptstütze für den Haushalt der Kommunen darstellt, und wir wissen auch, daß wir diese Steuer nicht abschaffen und nicht reduzieren können, wenn wir nicht einen Ersatz dafür bieten. Aber wenn wir uns gleichzeitig überlegen, was aus diesem kommunalen Haushalt bestritten werden soll, dann kommen wir sicher zu der einheitlichen Auffassung, daß es in der Hauptsache gemeinnützige und soziale Aufgaben sind, die ein kommunaler Haushalt zu erfüllen hat, z. B. der Bau von Krankenhäusern, von Fürsorgeeinrichtungen, von Altersheimen, von Schulhäusern, von Kindergärten. Das alles sind Aufgaben, für die sich jeder Gemeindebürger mitverantwortlich fühlen muß, weil er selber daran einen Anteil hat und weil es keine Entlassung aus der sozialen Verantwortung gibt. Die soziale Verantwortung ist unteilbar. Jeder muß zur Erfüllung sozialer Aufgaben herangezogen werden, der dazu einkommensmäßig in der Lage ist. Das müßte die Grundlage für eine Revision auf dem Gebiete der Gewerbesteuer sein, die sich heute ohne Zweifel für einen Großteil unserer gewerblichen Betriebe als eine zusätzliche Einkommensteuer auswirkt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf steuerlichem Gebiete nur noch die Einkommensteuer ansprechen. Man muß auch hier klar sehen, daß das Einkommen, der Ertrag eines mittelständischen Betriebes in erster Linie zur Deckung des eigenen Bedarfs, des Lebensunterhalts dient und daß darüber hinaus zuwenig, ja manchmal nichts übrigbleibt, um die notwendigen Investierungen, um die notwendigen Rationalisierungen in den Betrieben durchzuführen. Deshalb müssen wir versuchen, fühlbare Erleichterungen durchzusetzen.
    Zur Kreditfrage darf ich noch feststellen — auch der Herr Kollege Lange hat sie sehr breit angesprochen; wir sind mit ihm weitestgehend einig —: die Kreditgewährung für die kleinen und mittleren Betriebe hat bisher schlecht funktioniert. Die
    Garantiegemeinschaften, die im Bundesgebiet für Handwerk, Handel und Fremdenverkehr geschaffen worden sind, sind ein sehr erfolgversprechender Anfang. Ich möchte dem Herrn Wirtschaftsminister gegenüber dankbar anerkennen, daß gerade die Garantiegemeinschaften der richtige Weg für eine ausreichende Kreditversorgung waren und sind. Darüber hinaus ist es allerdings so, daß unser heutiges Banksystem und unser heutiges Kapitalmarktsystem für diese kleinen Personalkredite, die aber mittel- und langfristig sein müßten, nicht funktioniert. Deshalb haben wir uns überlegt — und wir haben diese Überlegungen auch in einem Antrag, den wir schon in Berlin behandelt haben, niedergelegt —, ob es nicht richtig wäre, für den Mittelstand eine eigene emissionsfähige Bank zu schaffen. Dann hätte man die Möglichkeit, gezielte Maßnahmen zu treffen, und man hätte auch die Gewißheit, daß diese Kredite ausreichend gestreut würden.
    Ich möchte nun zum Schluß kommen. Wenn die Anträge, die bereits in Berlin gestellt und bereits den Ausschüssen überwiesen worden waren, und die uns heute zur Beratung vorgelegten Anträge erfolgreich behandelt werden, dann kann man wohl sagen, daß auch der 2. Deutsche Bundestag sich seiner Verpflichtung gegenüber den kleinen und mittleren gewerblichen Betrieben bewußt war, daß er seine Aufgabe auch in dieser Richtung erfüllt hat, und wir können beruhigt sein, daß wir damit einen weiteren Pfeiler zur Erhaltung unserer Demokratie gestärkt und gefestigt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Held.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Held


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn uns heute der Antrag der DP Drucksache 1728 zur ersten Beratung in diesem Hohen Hause vorgelegt wird, dann ist das ein weiterer Versuch, den mittelständischen Kreisen der Landwirtschaft, des Handwerks, des Handels und Gewerbes, den kleinen und mittleren Betrieben der Industrie und den freien Berufen zu helfen. Dieser Antrag läuft darauf hinaus, im Grundgesetz der Bundesrepublik durch einen Zusatzartikel etwas zu verankern, was für viele Kollegen dieses Parlamentes eine Selbstverständlichkeit sein wird. Ich glaube, daß die Kollegen, die diese Ansicht vertreten, sich mehr oder weniger auf alle Fraktionen verteilen.
    Es kommt meines Erachtens nicht so sehr darauf an, daß dieser Wille ausdrücklich im Grundgesetz festgelegt wird. Damit ist den Kreisen des Mittelstandes sehr wenig gedient,

    (Abg. Dr. Dresbach: Sehr richtig!)

    weil in diesem Antrag keine präzisen und bestimmten Angaben enthalten sind, welche Verpflichtungen die Bundesregierung oder das Parlament dem Mittelstand gegenüber zu erfüllen hat. Mit anderen Worten, es ist in diesem Antrag nichts davon gesagt, wie und durch welche Maßnahmen die Bundesregierung dieser Verpflichtung gerecht werden soll in bezug auf Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen und vor Überforderungen durch öffentliche Lasten. Es ist auch kein Wort darüber gesagt, wie diese mittelständischen Kreise gefördert werden sollen oder wie z. B. die Altersvorsorge gesetzlich geregelt werden soll.


    (Held)

    Etwas Festes und Greifbares, wie man so zu sagen pflegt, ist in diesem Antrag also nicht enthalten, auch nichts, worauf sich der einzelne Mittelständler berufen oder einen Rechtsanspruch geltend machen könnte. Es ist nicht gesagt, welchen Schutz des Staates er in Anspruch nehmen kann.
    Das soll zwar kein Vorwurf gegen die Antragsteller sein; aber mir und meinen politischen Freunden wäre es lieber gewesen, wenn man uns nicht dieses gummiartige Gebilde mit allgemeinen, schönen Worten, die im einzelnen wenig oder nichts bedeuten, vorgelegt, sondern wohlfundierte und berechtigte Forderungen zum Ausdruck gebracht hätte, mit denen die einzelnen Kreise des Mittelstandes etwas anfangen könnten. Schöne und gute Worte haben wir lange Jahre gehört, besonders vor den Wahlen. Wir sollten nun endlich einmal Taten zeigen.
    Wenn ich anfangs von einem weiteren Versuch gesprochen habe, den dieser Antrag bedeute, den mittelständischen Kreisen zu helfen, so wissen wir alle, daß derartige Versuche in diesem Hause schon sehr oft gemacht worden sind, aber leider nur allzuwenig an Schutz und staatlicher Hilfe für die betroffenen Kreise gebracht haben. Das mag ein ausgesprochenes Pech sein, um nicht gerade zu sagen, daß bei vielen von uns der gute Wille fehlt, die mittelständischen Belange mehr zu beachten.

    (Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Es erhebt sich die Frage: hat dieses Haus in seiner Mehrheit überhaupt erkannt, daß es notwendig ist, ja sogar staatspolitisch und wirtschaftspolitisch erforderlich ist, daß dieser seit Jahren zum Teil kranke und notleidende deutsche Mittelstand die besondere Aufmerksamkeit, die besondere Pflege und Hilfe des Staates erfährt? Bei dieser Gelegenheit habe ich von einem „kranken und notleidenden" Teil des Mittelstands gesprochen. Das mögen für manche von Ihnen Worte sein, die sie mir nicht so ohne weiteres abnehmen werden. Ich nehme Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das durchaus nicht übel, auch dann nicht, wenn Sie mir zunächst antworten, das sei übertrieben oder entspreche nicht den Tatsachen. Darum gestatten Sie mir einige Ausführungen über die Erfahrungen, die ich als Handwerker und Einzelhändler in den letzten Jahren nach der Währungsreform hierbei gemacht habe. Ich habe mich bei einer amtlichen Stelle danach erkundigt, wieviel Betriebe der Landwirtschaft, des Einzelhandels und des Handwerks wir nach der letzten amtlichen Zählung insgesamt in der Bundesrepublik haben. Das ist die Zahl von 3 229 255. Ferner habe ich mich erkundigt, wie viele Betriebe davon in der Größenklasse mit einem bis vier Beschäftigten liegen. Das ist die Zahl von 2 711 503, oder 84 % aller Betriebe, die bis zu vier Mitarbeiter beschäftigen. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß in vielen dieser Betriebe auch die eigene Frau, der Sohn oder die Tochter darunter fällt, hat man erst ein rechtes Bild von der Bedeutung dieser Betriebe.
    Wie ist nun die wirtschaftliche Lage in diesen Betrieben des Handwerks, der Landwirtschaft und des Einzelhandels? Sie hatten bisher keine Möglichkeit, die notwendigen Investitionen vorzunehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, da ihnen nicht die steuerlichen Möglichkeiten oder geeignete Kredite, wie sie anderen Teilen der Wirtschaft geboten waren, zur Verfügung standen, ihnen, die von morgens bis abends ihre Pflicht tun und sich bemühen, auch allen Anforderungen der öffentlichen Hand gerecht zu werden, wo der Inhaber sich noch nach Feierabend oder sonntags hinsetzt, um seine Bücher in Ordnung zu bringen, und wo in vielen Fällen noch die alten Eltern mit versorgt werden müssen, die bei der Währungsreform all ihren Lebensverdienst verloren haben. Dazu gehören auch die vielen jungen Anfänger, die sich bemühen, für sich und ihre Familie eine eigene Existenz aufzubauen. Diese alle zähle ich zu denen, die seit Jahren darauf warten, daß wir endlich einmal Maßnahmen treffen, die diese Kreise lebensfähig erhalten.
    Wenn wir das erkannt haben, sollte es nicht allzu schwer sein, in derselben Schnelligkeit wie beim Soldatengesetz diesem dringenden Wunsch nachzukommen. Was hilft es, daß von Zeit zu Zeit in diesem Hohen Hause derartige Anträge vorgelegt werden und angesichts der Tatsache, daß es sich dabei um eine bedeutende Stimmenzahl handelt, die sich keine Partei verscherzen möchte, sich bei allen Parteien wohlwollende Redner finden? Man ist sich oft interfraktionell einig, diese Anträge ohne Aussprache möglichst vielen Ausschüssen zu überweisen, manchmal mit dem Ergebnis, daß man entweder gar nichts oder zumindest lange Zeit nichts wieder davon hört und sieht. Diese Feststellung habe ich in der Zeit gemacht, in der ich diesem Hause als Abgeordneter angehöre.
    Ich denke dabei — wenn ich die Ausschüsse erwähnt habe — an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes, dem ich angehöre. Es ist fast ein Jahr her, daß diesem Ausschuß als allein zuständigem der Antrag betreffend Bildung eines Mittelstandsministeriums überwiesen wurde. Dabei war meiner Ansicht nach daran gedacht, einmal gründlich zu überlegen und zu beraten, ob es zur intensiven Förderung aller mittelständischen Belange zweckmäßig ist, ein eigenes Ministerium zu haben. Der Ausschuß konnte aber bisher diese Angelegenheit nicht behandeln, da der Herr Bundeswirtschaftsminister, der daran teilnehmen möchte, bisher noch keine Zeit dafür gefunden hat. Obwohl der Herr Minister bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck bringt, er sei der wirkliche Mittelstandsminister, hat er — und das kann ich nicht verstehen — für den einzigen Ausschuß, in dem dieser Antrag beraten werden soll, bisher keine Zeit gefunden. Seine Liebe und sein Gefühl der Zugehörigkeit zum Mittelstand scheinen mir auch deshalb nicht besonders groß zu sein, weil man in dem Nachrichtendienst „Mittelschicht" vom 7. September 1955 lesen kann, daß er auf einer Jubiläumsfeier einer größeren Industriefirma sich in geradezu ironischer Weise über die bestehende Handwerksordnung ausgelassen hat.
    Lassen Sie mich nun eine kurze Betrachtung zu den sechs Anträgen anstellen, die auf der heutigen Tagesordnung stehen.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Kollege!)

    Wenn man diese insgesamt ganz objektiv betrachtet, muß man offen zugeben, daß in allen diesen Anträgen keine direkte Hilfe, besonders keine finanzielle Hilfe für den einzelnen erkennbar ist.