Rede von
Dr.
Johannes-Helmut
Strosche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, da wir heute ganz allgemein die Probleme des Mittelstandes im weitesten Sinne des Wortes angeschnitten haben und hier debattieren, auch einige kurze grundsätzliche Ausführungen unsererseits dazu machen. Es besteht in diesem Hohen Hause wohl kein Zweifel darüber, daß im Zeitalter rasanter Technisierung und Industrialisierung, offensichtlicher ständischer Umschichtungen oder zumindest Gewichtsverlagerungen, verstärkter, oft neuartiger Wirtschaftstendenzen — freier Wettbewerb, Marktwirtschaft — usw., verstärkter räumlicher Ballungen und ähnlicher Strukturwandlungen, die noch durch unsere Nachkriegsverhältnisse beschleunigt wurden und werden und die — das möchte ich betonen — den Mittelstand selbst in Umfang wie Art, j a sogar bezüglich seiner gesellschaftlichen Funktion und Aufgabe abzuändern scheinen, irgendwie hier — um das viel zitierte Wort zu benützen — ein „Verlust der Mitte" zu drohen scheint, und zwar im Sinne einer Gefährdung eben jener Mittelschichten oder jenes Mittelstandes; über den Ausdruck kann man verschiedener Meinung sein. Dieser „Verlust der Mitte" droht insbesondere dort, wo der Mittelstand durch gewaltsame Entwurzelung aus den Angeln gehoben ist und dadurch zwangsläufig in die Gefahr gerät, nicht nur zu verarmen, zu vermassen, zu verproletarisieren, sondern auch sich zu radikalisieren, wenngleich wir in dieser Hinsicht etwas standfester sind als z. B. das benachbarte Frankreich. Es handelt sich so um Gefahren, die insbesondere die Kriegsopfer im weitesten Sinne des Wortes, also Heimatvertriebene, Flüchtlinge, Kriegssachgeschädigte, Währungsgeschädigte usw., bedrohen.
Der „Verlust der Mitte" droht ferner dort, wo es diesem Stand auch nach Erlebnis und Durchschreiten dieser Schicksale noch nicht gelungen ist, sich krisenfest einzuwurzeln oder echt eingegliedert zu werden. Er droht wohl dort, wo die Mittelschichten überhaupt existentiell erdrückt zu werden scheinen oder manchmal auch — das möchte ich sagen, und ich tue das bewußt, weil ich aus einem Grenzlandnotstandsgebiet komme — beinahe vergessen zu werden drohen.
Wir begrüßen daher seitens des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE alle theoretischen, aber noch mehr alle praktischen Maßnahmen zu einer Stützung, Erhaltung, Förderung und Rettung dieser
Mittelschichten, weil wir uns eben in Deutschland einen Verlust dieser Mitte weder wirtschaftlich noch seelisch, also, wenn ich das einmal so sagen darf, weder wirtschaftspolitisch noch kulturpolitisch leisten können. Denn dieser Mittelstand — das muß hier und heute gesagt werden — ist ein wichtiges Element jeder gesunden Staatsstruktur, einer stabil ausgewogenen Gesellschaftsstruktur, auch, wenn ich dieses Wort wieder einmal strapazieren darf, im Sinne unserer freiheitlich-abendländischen, uns gemeinsam eigenen Auffassung.
Wir freuen uns daher, daß sich z. B. einer der Herren Sonderminister offensichtlich mit diesen Fragen besonders beschäftigt. Wir freuen uns über die Tätigkeit unseres Bundestagsausschusses Nr. 24, der für Sonderfragen des Mittelstands zuständig und tätig ist. Wir sind auch darüber erfreut, daß diese Fragen und Probleme auch hier und heute diskutiert und damit eben als Kernprobleme von volkswirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung, von einem ganz besonderen soziologischen und wirtschaftlichen Gewicht vordringlich in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden.
Dabei muß aber unseres Erachtens — und das ist eine schwere Aufgabe — eine gesunde Mitte zwischen freiem Wettbewerb, gleicher Chance für alle, einem gesunden Ausleseprozeß auf der Basis des Leistungsprinzips auf der einen Seite und notwendigen regulierenden Maßnahmen von oben und von unten her auf der andern Seite gefunden werden. Dabei möchte ich unter „von unten her" ganz besonders die kommunale Ebene verstanden wissen! Es muß also eine Mitte gefunden werden, welche der Eigentumsbildung, der beruflichen Selbständigkeit und der typisch bürgerlichen Lebensart — diese im besten Sinne des Mittelstands gemeint — zu dienen und jede Verproletarisierung, vermassende Deklassierung und Zersetzung dieser Schichten zu verhindern und zu unterbinden hat. Sie muß dabei Entwicklungen beachten, die nun einmal in der Zeit liegen, die in die Zukunft weisen und einen gesunden Fortschritt ermöglichen, d. h.: restaurative Tendenzen verhindern.
Dabei sollte, abgesehen von begrüßenswerten Forschungen und Forschungsinstituten für Mittelstandsfragen und anderen Prüfungsgremien, vor allem untersucht werden, wie durch einheitliche gesetzgeberische Maßnahmen dem Mittelstand — stets inklusive freiberuflich Tätige! — durch sinnvolle Regelung der Berufsausübung, steuerliche Erleichterungen, gewerbefördernde kreditpolitische und sozialpolitische Maßnahmen — es ist hier das Problem der Alterssicherung angesprochen worden — tatsächlich geholfen werden kann, also sozusagen von oben her.
Dabei sollten aber auch auf der Kommunalebene, also von unten her, die Dinge nicht einschlafen. In dieser Ebene kann im Bereich des öffentlichen Auftragswesens sehr viel geleistet werden. Denken Sie daran, daß man auf der kommunalen Ebene Aufträge streuen und auf möglichst viele kleinere Existenzen verteilen kann. Zum Beispiel sollte die Frage geprüft werden, ob man bei solchen kommunalen Vergaben, also bei Aufträgen der öffentlichen Hand, nicht Lieferungsgenossenschaften kleiner Handwerker bilden könnte. Auf dieser Ebene kann auch eine beschränkte Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand stattfinden; dabei kann ferner auch eine
mittelstandförderliche Personalpolitik betrieben werden. Hierbei denke ich insbesondere an ältere arbeitslose Angestellte, an Schwerkriegsbeschädigte usw. Auch eine gewerbeförderliche Steuerpolitik bezüglich der Grund- und Gewerbesteuer kann im kommunalen Sektor angepeilt werden. Das alles vermag auch von unten her ein dem Mittelstand förderliches Klima — übrigens auch im Wohnungsbau — zu schaffen und damit auch dem, das sage ich ganz offen, am meisten gefährdeten Zweig dieses Personenkreises — das sind nun zwangsläufig die Heimatverjagten, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigten — zu helfen.
Dabei sollten aber im Mittelstandsblock selbst — wenn ich einmal diesen Begriff gebrauchen darf — weniger jene offensichtliche Konkurrenzangst und neiderfüllte, egoistische Ressentiments da und dort Platz greifen und jene besitzegoistischen Abkapselungen im Sinne eines falsch verstandenen Zunft- und Gildengeistes wirksam werden — davon können wir nämlich auch auf der unteren Ebene ein Lied singen —,
sondern es sollten ein hilfsbereites Standesbewußtsein und ein kameradschaftliches Einstehen für alle unverschuldet unter die Räder des Schicksals Gekommenen im Bereich dieses Standes selbst Platz greifen.
Gleichzeitig sollte sich — auch das scheint manchmal verkümmert zu sein — das Bewußtsein durchsetzen, daß dem freien Wettbewerb und dem Leistungsprinzip natürlich manche Tür und manches Tor geöffnet werden müssen. Also auch aus den Mittelstandsschichten selbst könnten zusätzliche gesunde Antriebskräfte frei werden.
All das, was man „Fensteranträge" oder „Fensteranregungen" nennen könnte, deklamatorische Schmeicheleien, ohne verfassungsrechtlich hieb- und stichfest zu sein, oder mittelständische Minnesänger aller Art, perfektionistische Anwandlungen zwecks übergebührlicher Einschränkung gerade des freien Wettbewerbs und eines gesunden Leistungsprinzips mit dem verborgenen Ziel, immer auch einzelne Spielarten oder Zweige mittelständischer Erwerbsmöglichkeiten abzuwürgen, — das sind standes-, aber auch gesamtpolitische Fehlzündungen, wenn ich so sagen darf!
Sie sind nicht am Platz auch im Hinblick auf viele gesamtdeutsche Probleme und Zukunftsaufgaben wirtschaftlicher und soziologischer Art, bei denen, so möchten wir meinen, gerade diese mittelständischen Schichten eine ganz besondere Rolle zu spielen haben werden. Gerade ein gesunder und innerlich gefestigter Mittelstand wird an jenem Tag, den wir alle mit heißem Herzen ersehnen und erhoffen, eine hervorragende Rolle spielen müssen im Sinne eines nicht nur sozialpolitischen — wenn ich so sagen darf — Transformators.
Nun zu den vorliegenden Anträgen und Anfragen im einzelnen. Der Frage der Gründung eines Mittelstandsinstituts stehen wir durchaus positiv gegenüber. Wir sind für die Errichtung eines durch Bundesmittel geförderten Mittelstandsinstituts in — wie wir soeben gehört haben — Köln und in engster Verbindung mit der Universität Bonn. Wir möchten aber gleich heute bitten, dafür zu sorgen, daß ein solches Institut — Sie wissen, derartige Institute haben es oft in sich — immer lebensnah, zeit- und aufgabenbezogen bleibt, daß es die freien Berufe nicht vergißt, daß es einschlägige Fragen in Richtung Wiedervereinigung nicht ganz aus den Augen verliert und daß es sich insbesondere auch mit den strukturellen Fragen in Berlin und im Grenz- und Zonengrenzgebiet beschäftigt, einem Gebiet, sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, das sich hinsichtlich der Frachthilfen für die mittelständische Wirtschaft nicht ganz bevorzugt vorkommt, sondern immer noch das Gefühl hat, hier ein wenig vergessen und benachteiligt zu sein.
Mit der Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz, die mit dem Gesetzentwurf der DP-Fraktion verlangt wird, können wir uns nicht befreunden. Erhaltungs-, Förderungs- und Schutzmaßnahmen für ein en Stand oder e in e bestimmte Schicht gehören unserer Meinung nach nicht in das Grundgesetz.
Mit gleichem Recht könnte man einmal die ketzerische Frage stellen, ob dann nicht auch zumindest eine Berechtigung dafür bestünde, auf lange Zeit existente, durch langfortwirkende Schicksalsschläge und zwangsläufige Strukturveränderungen neu gebildete soziale Schichten — manche sprechen von einem „fünften Stand" nach 1945 — irgendwie ins Grundgesetz einzubauen oder etwa vertriebene Volksgruppen, die zweifellos, das werden Sie nicht bestreiten, eines besonderen Schutzes, einer besonderen Erhaltung und Förderung bedürfen, grundgesetzlich zu verankern. Aber die Grundgesetzartikel — siehe Art. 1 Abs. 3 — sind keine Deklamationen, keine Direktiven oder Deklarationen, wie es zum Teil die Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 waren, sondern sind — auch das ist hier heute schon gesagt worden — unmittelbar geltendes, einklagbares Bundesrecht, stets auf den einzelnen Staatsbürger bezogen. Programmsätze zur Förderung des Mittelstandes im Grundgesetz wären also ein gewisser Rückschritt — ich sage bewußt: Rückschritt — zur Weimarer Verfassung und im übrigen ein Nachteil für unsere Rechtspraxis. Dabei möchte ich bewußt nicht auf Art. 74 Nr. 11 unseres Grundgesetzes eingehen, der sich mit der konkurrierenden Gesetzgebung im Felde des Rechts der Wirtschaft befaßt, wozu bekanntlich — siehe „Monatsschrift für Deutsches Recht", 1954, Seite 536 — ein recht aufschlußreiches Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Deklarationen also derartiger Prägung für den Mittelstand im Grundgesetz wären einseitige Akzentsetzungen, die alles andere als befriedigend und gerecht wären. Fragen wir uns doch: was helfen sie denn praktisch?. Da sind wir doch eher dafür, ordnende, lenkende Eingriffe von oben und unten und aus der Schichtung selbst heraus vorzunehmen, die durch das öffentliche Wohl nun einmal geboten erscheinen, dabei aber — das ist entscheidend — schutzwürdige Interessen anderer Gruppen nicht zu verkürzen. Da sind wir dafür, praktische Hilfen im Bereich der kommunalen Mittelstandspolitik gegen Überlastung und Aufsaugung der mittelständischen Schichten zu befürworten. Wir würden uns freuen, wenn eine gewisse kameradschaftliche Selbsthilfe und Solidarität in diesen mittelständischen Schichten immer mehr Platz griffe.
Hier könnten sich diese Schichten einmal ein wenig besser zeigen, einen besseren Korpsgeist, wenn ich so sagen darf, an den Tag legen als manchmal in der sogenannten „Grünen Front", wo man, wie bedauerlicherweise vermerkt werden mußte, etwa gegenüber heimatvertriebenen Bauern so wenig an Standesbewußtsein und an kameradschaftlichem Gefühl hat sichtbar werden lassen.
Im übrigen genügt unserer Auffassung nach Art. 12 in der jetzigen Fassung des Grundgesetzes. Er entspricht der Grundtendenz unserer Verfassung und dem Willen vor allem der Verfassunggeber. Ich möchte hier auf die Ausführungen unseres verehrten Kollegen Professor Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat Bezug nehmen.
Hinsichtlich des Gesetzentwurfs der DP zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung möchte ich namens meiner Fraktion folgendes sagen. Dieser Gesetzentwurf hat positive, im ersten Teil, und auch negative Züge, im zweiten Teil. In Art. 1 Ziffer 1, wo die Einfügung der Absätze 3 bis 6 in § 1 der Gewerbeordnung verlangt wird, sind zweifellos sehr viele unterstützungswerte Anregungen gegeben, die Einschränkung der Wirtschaftsbetätigung der öffentlichen Hand, Regiebetriebe, Behördenhandel usw. betreffen. Wir sind
— auch in Erinnerung an bayerische Verhältnisse — gern bereit, hier Einzelheiten nicht nur zu diskutieren, sondern praktisch aufzugreifen. Es wird aber auch hier manches im Ausschuß noch geklärt und diskutiert werden müssen, z. B. auch die Frage, ob diese Bestimmungen systematisch überhaupt in den Gewerbefreiheitsparagraphen
— wenn ich ihn einmal so nennen darf — passen.
Bezüglich der Einführung eines § 30 d, der sogenannten „Leichenbestattungstragikomödie", möchte ich mich kurz fassen. Dafür haben wohl die meisten von uns kein großes Verständnis.
Ich verstehe nicht, was dieser „Schild bürgerstreich"
eigentlich dabei soll. Eine Konzession für das Bestattungsgewerbe, warum, weshalb, weswegen? Wo sind allgemein empfundene, die Empörung weitester Volkskreise erregende Verstöße gegen treuhänderische Sorgfalt und menschliche Empfindungen seitens der Bestatter sichtbar geworden? Was sollen denn hier Begriffe wie „persönliche Zuverlässigkeit"? Ein dehnbarer Begriff, eine unnötige Einschränkung der Gewerbefreiheit! Hier genügt § 421 StGB über das Berufsverbot wegen Mißbrauchs von Gewerbe und Beruf unseres Erachttens durchaus.
Was soll eine von der obersten Landesbehörde anerkannte Bestatterprüfung? Wenn ich das Wort schon höre!
Weiter wird eine mindestens fünfjährige Tätigkeit in Bestattungsbetrieben gefordert.
Das ist eine schlechte Geschichte, und ich glaube, wir sollten auch auf die erstaunliche Tatsache achten, daß hiernach eine Konzessionierung des Bestattungsgewerbes von engeren Voraussetzungen abhängig gemacht werden würde als z. B. bisher die Konzessionierung der Installierung und Leitung eines Privatkrankenhauses nach § 30 der Gewerbeordnung.
Was soll das? Sind das Anregungen einer neu sich bildenden Zunft oder Gilde von Leichenbittern,
oder was sollen wir damit? Das lehnen wir grundsätzlich ab.
Betreffend § 35, Untersagung der Ausübung eines Gewerbes bei Unzuverlässigkeit und aus anderen Gründen, haben wir einige gewichtige Bedenken, erstens grundsätzlich gegen die Ausweitung und Perfektionierung des § 35 im Sinne eines Rückschritts und eines Abweichens von gewissen gewerbefreiheitlichen Prinzipien und zweitens in Richtung geplanter Anhörung von Handwerks-, Industrie- und Handelskammern oder zuständigen Prüfungsverbänden. Verzeihen Sie mir, meine Damen und Herren, wenn ich hier ganz offen sage: in dieser Richtung haben gerade wir schon so viele böse Erfahrungen gesammelt, daß wir skeptisch sind, wenn wir das nur hören; denn bei den Prüfungen der Bedarfsfrage für die Installierung von irgendwelchen Betrieben haben wir seitens solcher Gremien sehr oft Entscheidungen erleben müssen, die weniger nach sachlichen Gesichtspunkten gefällt worden sind als vielmehr aus einer gewissen Konkurrenzangst heraus.
Betreffend § 56 Abs. 2 und § 56 a Abs. 1 kommen wir gleichfalls zu einer Ablehnung. Wir sehen darin eine Niederknüppelung des ambulanten Handels und Gewerbes durch den Entzug seiner Handelsmöglichkeit mit Bijouterien, mit Fleisch- und Wurstwaren, Brot- und Backwaren, Pelz- und Rauchwaren, Funk- und Fernsehgeräten, Bandagen und Bruchbändern. Auf Kosten der sozial Schwächeren und zum Teil am schwersten Ringenden — und, das ist kein Geheimnis, darunter sind viele Heimatvertriebene, Flüchtlinge und mancher Spätheimkehrer, der irgendwie nicht im alten Beruf festen Fuß fassen kann --- soll hier etwas installiert werden, das uns eben nicht gut erscheint. Mittels ungerechtfertigter, ich möchte sagen, unkollegialer Abschnürung von Existenzmöglichkeiten des ambulanten Gewerbes will man sich hier unbequemer Konkurrenz entledigen, auf Kosten der Schwächeren und wider den Willen bestimmter nicht unerheblicher Käuferschichten, die es nun einmal bei uns gibt. In Bayern ist das eine alte Sache, und es wird überall so sein. Auf Jahrmärkten, Vierteljahrsmärkten, Wochenmärkten und Festmärkten laufen die Leute vom Land nun einmal lieber an eine Bude als in einen noch so schön aufgemachten Laden, in den sie sich vielleicht gar nicht hineintrauen. Diese Übung sollten wir nicht zerstören, ganz abgesehen davon, daß hier gegen gewisse Grundprinzipien des freien Wettbewerbs verstoßen wird.
Noch schlimmer kommt es in § 56 a Abs. 1 Ziffern 6 bis 10. Hier geht es sogar dem armen Scherenschleifer an den Kragen. Hier wird die letzte — ich möchte einmal für sie plädieren —
schöne Romantik auch bei diesen Dingen „abgestochen".
Lassen wir den Scherenschleifer leben! Wir sind mit dieser Regelung nicht einverstanden. Wir möchten unsere Wochenmärkte nicht derart reglementiert sehen, daß hungrige Marktbesucher und Schaulustige aus Stadt und Land in die Läden bugsiert werden. Das ist zuviel des Guten. Damit sind wir nicht einverstanden.
Herr Kollege Schild, Sie haben einmal gegen den Totalitarismus gewettert. Auch ein Perfektionismus in dieser Richtung hat zumindest gewisse Berührungspunkte mit totalitären Neigungen. Lassen wir hier eine gewisse Freiheit und einen lebensnahen Spielraum!
Hinsichtlich des CDU/CSU-Gesetzentwurfs über die Berufsausübung im Handel gibt es eine Fülle von Bedenken. Ich will einmal ganz davon absehen, daß auch hier vielleicht ein unfreundlicher Akt gegen den ambulanten Handel sichtbar wird. Auf jeden Fall sollen doch zwischen Einzel- und Großhandel auf der einen Seite und den anderen — einschließlich der Handelsvertreter — differenzierende Schranken errichtet werden, die sich nicht immer gut auswirken würden. Vergünstigungen des Groß- und Einzelhandels gegenüber dem ambulanten Handel, mit dem man doch hoffentlich nicht „unlautere Elemente" kumulativ bezeichnen will, sind eine fragwürdige Geschichte. Ungleiche Startbedingungen scheinen sich herauszubilden. Ein Numerus clausus gegen weiteren Zuzug zu einzelnen Handelssparten wird sichtbar.
Dabei ist die Gefahr gegeben, daß sich gerade unqualifizierte oder tatsächlich gestrandete Existenzen nach dem ambulanten Handel abgedrängt sehen und hier wiederum eine Überfüllung verursachen, unter der dann diese Menschen selbst besonders zu leiden beginnen. Generell ist da nicht viel geholfen. Auf Kosten bestimmter Sparten wird in diesem Bereich eine gewisse Strukturverschiebung vollzogen. Das gefällt uns nicht. Man wird sich im einzelnen darüber unterhalten müssen.
In bezug auf Ihren Zwischenruf, daß das nicht stimme, möchte ich Ihnen sagen, daß sich vor allem die Kollegen, die in dem zuständigen Ausschuß tätig sind, von Ihnen gern belehren lassen werden. Wir haben diese Bedenken und teilen sie heute bereits mit, ganz abgesehen davon, daß auch hier wieder der Begriff der Zuverlässigkeit, der dehnbar, kautschukähnlich ist, aufkreuzt und daß uns auch gewisse Überspannungen hinsichtlich der Anforderung von Sachkunde nicht vertretbar erscheinen. Diese Anregungen widerstreben, so meinen wir, letztlich doch einer echten Gleichheit im Felde der Berufsausübung, dem Bemühen um einen freien, gesunden Wettbewerb und gleiche Berufschancen und dann jener Ausgeglichenheit und Solidarität im Stande selbst, die sich gerade im Felde der Berufsordnung und der Berufsausübung widerspiegeln sollte, so schwierig das auch angesichts der Natur des Menschen sein mag. Im übrigen bleibt es durchaus fraglich, ob der Verbraucher an einer derartigen bundeseinheitlichen Regelung wirklich sehr interessiert ist und ob derartige Gesetze der von uns allen angestrebten Verwaltungsvereinfachung dienlich sind.
Hinsichtlich des Betriebs-, Behörden- und Belegschaftshandels sind wir der Auffassung, daß sich über diesen Entwurf durchaus reden läßt.
Angesichts der offensichtlichen Steuerausfälle, der negativen Auswirkungen für den Einzelhandel, der Verletzung des Prinzips gleicher Wettbewerbschancen und einer sozialen Gerechtigkeit im Felde der Güterverteilung sind hier Dinge angesprochen, die genau geprüft werden müssen und die zweifellos positiv zu bewerten sind, obgleich man auch hier gesamtsoziale Auswirkungen reiflich wird prüfen und auswägen müssen. Zu dieser Prüfung im einschlägigen Ausschuß sind wir gern bereit.
Zum Schluß zum SPD-Antrag betreffend Förderung der Mittelschichten, Drucksache 1959. Wir halten diesen Antrag für einen durchaus vernünftigen Vorschlag einer notwendigen Prüfung aller Tatbestände und praktischen Hilfsmöglichkeiten bezüglich Berufsausübung, allgemein fördernder, zielgesteuerter Kreditpolitik, allgemeiner Gewerbeförderung und einer gesetzlichen Alterssicherung sämtlicher frei Schaffenden. In dem Antrag ist bekanntlich die Aufforderung an die Regierung enthalten, das Prüfungsergebnis vorzulegen und die sich aus ihm ergebenden gesetzlichen Vorlagen zu unterbreiten. Wir glauben, daß diese Anregung auf lange Sicht vielleicht doch wirksamer ist als grundsätzliche Deklarationen, perfektionierende Reglementierungen, Numeri clausi, also theoretische oder mehr Ärgernis, Verstimmung, gegenseitige Feindseligkeit als echten praktischen Nutzen erzeugende Vorschläge, die man da und dort hört, die ja oft — auch in diesen Schichten selbst — auf Kosten der sozial Schwächeren gemacht werden und in Richtung auf den geringsten Widerstand zu laufen scheinen.
Eine wirkliche Hilfe für den Mittelstand ist immerdar ratsam, und ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß wir gestern, meine sehr verehrten Damen und Herren von dieser Seite des Hauses , die Möglichkeit hatten, wenn auch auf einem kleinen, aber doch empfindsamen Sektor echte Hilfe zu leisten, nämlich bei der Beratung des Kindergeldergänzungsgesetzes, und zwar bei § 10 Ziffer 8 für den landwirtschaftlichen und insbesondere den gewerblichen Mittelstand. Da haben wir uns gewundert, daß es gerade auf dieser Seite, die heute so viele Vorschläge zur Gesundung des Mittelstandes vorlegt, Ablehnungen und Enthaltungen gegeben hat.
Wir sind im übrigen durchaus bereit, einen Sofortbeschluß über den SPD-Antrag mit herbeizuführen.
Trotz unserer skeptischen, zum Teil ablehnenden Haltung zu den vorliegenden Anträgen, insbesondere denen der DP, sind wir angesichts der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer sinnvollen, d. h. praktisch helfenden Lösung der so wichtigen Mittelstandsfragen — und gerade den Heimatvertriebenen, Flüchtlingen und Kriegsopfern liegen diese Fragen besonders am Herzen — bereit, an der Beratung der vorliegenden Materie konstruktiv, d. h. anregend, fördernd, aber auch abwehrend, immer aber — dessen dürfen Sie versichert sein — gewissenhaft mitzuarbeiten.