Rede:
ID0212100600

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Metadaten
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  • date_rangeDatum: 16. Dezember 1955

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 121. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1955 6449 121. Sitzung Bonn, Freitag, den 16. Dezember 1955. Nachruf des Präsidenten für den verstorbenen ehemaligen preußischen Ministerpräsidenten Dr. Otto Braun 6450 A Ergänzung der Tagesordnung . . 6450B, 6482 D, 6484 C Mitteilung über Vorlage der Verordnung M Nr. 3/55 über Preise für Milch 6450 B. Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Gründung eines Mittelstandsinstituts (Drucksache 1871) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz (Drucksache 1728), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung (Drucksache 1729), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Berufsausübung im Handel (Drucksache 1872), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen den Betriebs- und Belegschaftshandel (Drucksache 1873) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Förderung der Mittelschichten (Drucksache 1959) 6450 B Schmücker (CDU/CSU), Anfragender 6450 C, 6467 D, 6468 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 6452 D D. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 6453 B, 6480 D Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Antragsteller . . . 6453 D, 6456 D, 6480 C Illerhaus (CDU/CSU), Antragsteller . 6458 C Wieninger (CDU/CSU), Antragsteller 6461 B Lange (Essen) (SPD), Antragsteiler 6463 D, 6468 A, 6482 B Stücklen (CDU/CSU) 6468 C, 6469 A, C, 6473 B, C, 6481 C Vizepräsident Dr. Schmid . . 6469 A, C, D Held (FDP) 6471 D, 6473 A, B, C Dr. Dresbach (CDU/CSU) . . 6473 A, 6478 A Dr. Strosche (GB/ BHE) 6474 A Scheel (FDP) 6479 A Regling (SPD) 6479 C, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6479 C Ausschußüberweisungen . . . 6481 A, C, 6482 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Internationalen Übereinkommen vom 25. Oktober 1952 über den Eisenbahnfrachtverkehr und über den Eisenbahn-Personen- und Gepäckverkehr (Drucksache 1926) 6482 C Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen 6482 D Beratung des Entwurfs einer Sechsundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Vitamin-A-Acetat und Vitamin-A-Palmitat) (Drucksache 1867) 6482 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6482 D Beratung des Entwurfs einer Fünfundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Zollkontingent für Schienen) (Drucksache 1857) 6482 D Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 6482 D (1 Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen — Aluminium-Zollkontingent 1956 — (Drucksache 1792) . . . 6482 D, 6484 C, 6483 A Brand (Remscheid) (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 6484 C Beschlußfassung 6483 A Redaktionelle Berichtigung des Gesetzes zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes 6483 A Beendigung der Bundestagsarbeit des Jahres 1955, Wünsche für Weihnachten und das neue Jahr: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6483 A Nächste Sitzung 6483 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6484 A Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen — Aluminium-Zollkontingent 1956 — (Drucksache 1792) 6484 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage 2 Drucksache 1972 (Vgl. S. 6482 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (AluminiumZollkontingent 1956) (Drucksache 1958) Berichterstatter: Abgeordneter Brand (Remscheid): Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1955 mit dem Entwurf einer Fünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Aluminium-Zollkontingent 1956) befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Verordnungsentwurf der Bundesregierung zugestimmt. Bonn, den 15. Dezember 1955 Brand (Remscheid) Berichterstatter Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Luchtenberg 16. Dezember 1955 Mauk 16. Dezember 1955 Morgenthaler 16. Dezember 1955 Oetzel 16. Dezember 1955 Dr. Orth 16. Dezember 1955 Pelster 16. Dezember 1955 Dr. Pohle (Düsseldorf) 16. Dezember 1955 Dr. Preiss 16. Dezember 1955 Dr. Reichstein 16. Dezember 1955 Reitzner 16. Dezember 1955 Schmitt (Vockenhausen) 16. Dezember 1955 Dr. Schöne 16. Dezember 1955 Srock 16. Dezember 1955 Stauch 16. Dezember 1955 Wagner (Ludwigshafen) 16. Dezember 1955 Walz 16. Dezember 1955 Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. März 1956 Mensing 1. März1956 Dr. Starke 28. Februar 1956 Kiesinger 31. Januar 1956 Gemein 15. Januar 1956 Dr. Hammer 15. Januar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Dr. Bergmeyer 5. Januar 1956 Moll 1. Januar 1956 Peters 1. Januar 1956 Klingelhöfer 31. Dezember 1955 Kriedemann 31. Dezember 1955 Neumann 21. Dezember 1955 Feldmann 17. Dezember 1955 Heiland 17. Dezember 1955 Hörauf 17. Dezember 1955 Dr. Horlacher 17. Dezember 1955 Kutschera 17. Dezember 1955 Dr. Lenz (Godesberg) 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 17. Dezember 1955 Dr. Maier (Stuttgart) 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. Dezember 1955 Putzig 17. Dezember 1955 Rademacher 17. Dezember 1955 Frau Vietje 17. Dezember 1955 Welke 17. Dezember 1955 Berendsen 16. Dezember 1955 Dr. Conring 16. Dezember 1955 Jacobi 16. Dezember 1955 Klausner 16. Dezember 1955 Knobloch 16. Dezember 1955 Könen (Düsseldorf) 16. Dezember 1955 Koops 16. Dezember 1955 Dr. Kreyssig 16. Dezember 1955 Lenz (Brühl) 16. Dezember 1955 Lenz (Trossirgen) 16. Dezember 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU gehört. Ich nehme an, daß in die Beratung dieser Antwort eingetreten werden soll, schlage Ihnen aber vor, daß wir zunächst die in Punkt 1 der Tagesordnung unter b bis f aufgeführten weiteren Vorlagen hier einbringen. — Wenn Sie damit einverstanden sind, dann gebe ich dem Herrn Abgeordneten Schild das Wort zur Begründung des Entwurfs unter Punkt b, Einfügung eines Art. 12 a in das Grundgesetz, und des Entwurfs unter c, Änderung der Titel I, II und III der Gewerbeordnung.
    Dr. Schild (Düsseldorf) (DP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt, daß in der letzten Parlamentsdebatte dieses Jahres auch die Fragen des Mittelstandes, die im Verlauf des Jahres hier in ihrer Komplexität nicht zur Debatte gestanden haben, diejenige Bedeutung erhalten, die ihnen praktisch zukommt. Es hat mehrerer Anträge der verschiedensten Fraktionen bedurft, um zu dieser grundsätzlichen Debatte zu gelangen. Die Anträge, die die Fraktion der Deutschen Partei gestellt hat, betreffen eine Ergänzung des Grundgesetzes und eine wesentliche Reform und Ergänzung der Gewerbeordnung.
    Beide Probleme lassen sich nur unter dem Gesamtaspekt der Politik der Bundesregierung und


    (Dr. Schild [Düsseldorf])

    dieses Hohen Hauses für die Mittelschicht unseres Volkes betrachten. Wir sind deshalb dem Herrn Bundeskanzler außerordentlich dankbar, daß er heute bei dieser Debatte anwesend ist und daß er bereits eine grundsätzliche Erklärung zu der Mittelstandspolitik abgegeben hat. Wir sind auch dem Herrn Bundeswirtschaftsminister außerordentlich dankbar, daß wir heute einmal zu grundsätzlichen Fragen der Politik bezüglich der Mittelschichten kommen können.
    Wir beschränken uns bei diesen grundsätzlichen Fragen auf die Probleme der selbständigen Mittelschicht. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß vom Standpunkt meiner politischen Freunde die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen Probleme der unselbständigen Mittelschicht heute nicht in diese Grundsatzdebatte einbezogen werden können, die wir für die selbständige Mittelschicht wünschen. Aber über beiden liegt doch eine gewisse Einheit ihrer gesellschaftlichen Struktur, ihres gesellschaftlichen Status im Zeitalter unserer industrialisierten Gesellschaft.
    Was die selbständige und die unselbständige Mittelschicht in unserer Zeit noch eint, was ihr gemeinsames Anliegen ist, das ist die Tatsache, daß beide noch in unserer industrialisierten Zeit eine selbstbestimmte Arbeit ausüben, daß sie ihren Beruf, ihren beruflichen Tageslauf noch selbst bestimmen können, im Gegensatz zu all denjenigen Staatsbürgern, die in ihrem beruflichen, wirtschaftlichen und arbeitsmäßigen Dasein mehr oder weniger von der Apparatur, von der technischen Apparatur der Betriebe oder der Großverwaltungen und der sonstigen Massenkörper abhängig sind. Das ist das, was beide, den selbständigen und den unselbständigen Mittelstand, charakterisiert: daß es Persönlichkeiten sind, die ihr Berufs-, Arbeits- und Tagesleben von morgens bis abends noch selbständig bestimmen können und nicht von irgendeiner Apparatur unserer Zeit abhängig sind. Trotzdem sind die gesellschaftlichen, sozialen Probleme dieser großen Mittelschicht so vielgestaltig, daß man sie doch zum mindesten in die beiden Grundsatzprobleme der selbständigen Mittelschicht und der unselbständigen Mittelschicht aufteilen muß. In der heutigen Debatte wollen wir es mit den Problemen der selbständigen Mittelschicht zu tun haben.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in der vorigen Woche bei der Haushaltsdebatte dieses Hauses gesagt, daß die Bundesregierung durch den Mund des Herrn Bundesaußenministers und des Herrn Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede grundsätzliche Erklärungen über die Gestaltung unserer Gesellschaftsordnung hier in der westdeutschen Bundesrepublik abgegeben hat. Der Herr Bundesaußenminister hat in seiner Regierungserklärung über die Lage der Außenpolitik gesagt: Wir können uns auf die große Aufgabe — gemeint war die Aufgabe der Wiedervereinigung — nur vorbereiten, indem wir im Bereiche der Bundesrepublik fortfahren, die politische, soziale und ökonomische Ordnung zu festigen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede gegen Schluß erklärt: Der Geisteskampf zwischen Ost und West wird sich im wesentlichen darin abspielen, daß wir diesseits des Eisernen Vorhangs eine Gesellschaftsordnung schaffen, die in ihren Konturen eine klare Abgrenzung gegenüber der Gesellschaftsordnung des Ostens gewährleistet.
    In diesem Geisteskampf zwischen Ost und West, den wir außenpolitisch und innenpolitisch auszufechten haben — wobei wir uns ernstlich überlegen müssen, wie wir diesen Kampf zu führen haben — zwischen der totalitären Gesellschafts- und Staatsauffassung und der demokratisch-freiheitlichen Gesellschafts- und Staatsauffassung, spielt gerade die Frage der selbständigen Mittelschicht die entscheidende Rolle. Sie ist deshalb nicht nur ein innenpolitisches, sondern auch ein außenpolitisches Anliegen. Die Konturen unserer Gesellschaftsordnung zu schaffen, die auch außenpolitisch klare Merkmale erkennen läßt, ist ein hervorragendes Postulat unserer Zeit.
    Wenn jenseits des Eisernen Vorhangs das Element der Selbständigkeit in allen Schichten vernichtet wird, wenn es keine selbständigen Bauern, keine selbständigen Handwerker, Kaufleute und Gewerbetreibenden mehr geben darf, wenn drüben jenseits des Eisernen Vorhangs keine selbständigen freien Berufe mehr gewünscht werden und wenn wir diese Art der Gesellschaftsordnung — volkstümlich genannt — als die böse betrachten, dann müssen wir diesseits des Eisernen Vorhanges das Gegenteil vom Bösen tun, und das Gegenteil vom Bösen kann nur das Gute sein. Da es zwischen Böse und* Gut kein Kompromiß gibt — es sei denn, ein Pharisäer sucht danach —, kann man also diesseits des Eisernen Vorhangs nur das Gegenteil tun. Das Gegenteil ist in diesem Fall im Verhältnis zur Gesellschaftsordnung des Ostens, alle selbständigen Menschen diesseits des Eisernen Vorhanges in ihrer Lebens- und Spannkraft, in ihrer materiellen und sozialen Entwicklung so zu fördern und zu schützen, daß wir sagen können: Diese Gesellschaftsordnung ist deshalb die gute, weil sie das Gegenteil von der östlichen Gesellschaftsordnug ist. Die Grundlagen hierfür zu finden, die Elemente einer Gesellschaftsordnung, die die Selbständigen erhält, ist das Problem der Zeit.
    Das ist aber auch die Frage an dieses Haus und an die Regierung: Mit welchen Mitteln, mit welchen Methoden, mit welchen Grundsätzen, mit welcher politischen Dynamik werden diese Dinge behandelt? Ich halte den Ausdruck „Mittelstandspolitik" nicht für ganz glücklich. Denn es gibt keinen Stand in unserer Gesellschaft, sondern wir haben nur noch Schichten von Staatsbürgern in unserer Gesellschaft. Das, was wir früher Stand genannt haben, färbt zwar immer noch in unserer Gesellschaftsordnung ab; aber echte Stände haben wir nicht. Ich erinnere an einen kleinen Zwischenfall in diesem Hause gelegentlich der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers im Jahre 1953, als der Vorsitzende der freien demokratischen Fraktion, der Kollege Dr. Dehler, in seinen Antworten auf die Regierungserklärung auch das Wort „Stände" gebrauchte und der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Abgeordneter Ollenhauer, fragte: Was sind denn Stände? In dem Zwiegespräch gab es keine irgendwie geartete Klärung darüber, was denn in unserer Zeit Stände sind. Gerade bei den politischen Erörterungen unserer Zeit zieht man das ständische Problem immer wieder in die Debatte, aber praktisch sind die Ansichten über das, was Stände sind oder sein können, sowohl in der Wissenschaft wie auch in unserer politischen Sprache sehr unterschiedlich, ich möchte beinahe sagen: noch völlig ungeklärt. Insofern gibt das Wort „Mittelstand" keine echte Begriffsabgrenzung, sondern wir müssen nach meiner persönlichen Auffassung, zumindest in der politischen Sprache,


    (Dr. Schild [Düsseldorf])

    mehr zu der Formulierung „Mittelschicht" kommen. Für diese Mittelschicht nun eine Art von grundsätzlicher Politik zu machen -- auch das muß an dieser Stelle gesagt werden —, eine Politik, die wir hier in diesem Hause nicht unter parteipolitischen Gesichtspunkten sehen dürfen, sondern die wir unabhängig von aller parteipolitischen Dynamik rein sachlich sehen müßten, für diese Mittelschicht eine klare Gesellschaftsordnung, die zukunftsträchtig ist, zu schaffen, ist das Anliegen der Zeit.
    Nun sind in den vergangenen Jahren durch meine Fraktion bereits mehrere Anträge, die sich mit dem Grundsatzproblem befassen, auf den Tisch des Hauses gelegt und den Ausschüssen überwiesen worden. Einer dieser Anträge befaßte sich mit der Frage: Muß es oder soll es einen Minister für die selbständige Mittelschicht geben? Der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes hat sich bislang mit dieser Frage nicht befaßt. Wir sollten uns aber darüber klar sein, daß der Zusammenhang der Schichten in unserem Volk, die Organisation der Schichten, neben den reinen Parteiorganisationen eine immense Bedeutung hat. Sie sind nicht an der politischen Macht beteiligt — die politische Macht ruht nach dem Grundgesetz ausschließlich bei den Parteien —, aber trotzdem tragen sie in unserem Volke eine bestimmte Verantwortung. Auch die organisierten Gruppen der Mittelschicht tragen aus der Natur der Sache heraus eine Verantwortung. Sie haben auch die Möglichkeit einer bestimmten Beeinflussung der breiten Massen der Mittelschicht. Deshalb spielt in der Grundsatzfrage unserer Zeit: Wie soll unsere Gesellschaftsordnung diesseits des Eisernen Vorhangs aussehen? auch die Frage der Beteiligung der Schichten an der politischen Macht eine Rolle aus dem einfachen Grunde, weil sie organisiert sind und Verantwortung tragen, so oder so. Die beiden bisherigen politischen Auffassungen, daß Kabinettsminister einerseits politische Minister sind, und zum anderen, daß sie Sach- und Fachminister sind, reichen für die Entwicklung unserer gesamten Gesellschaftsordnung und Staatsverfassung nicht aus, sondern wir müßten uns überlegen — ich rege das lediglich an —, ob nicht darüber hinaus auch ein weitergehendes Postulat aus der Realität der Zeit heraus erfüllt werden muß. Auch ein Kabinett muß sich überlegen, ob es nicht bestimmte Minister für bestimmte Schichten in seinen Reihen haben muß. Der Herr Bundeskanzler hat dieses Problem erkannt, indem er einen der Herren Sonderminister damit beauftragt hat, sich mit den Fragen der unselbständigen Mittelschicht, mit den Fragen der sozialen und kulturellen Probleme zu befassen, die die unselbständige Mittelschicht angehen. Mit diesem Auftrag wird schon idas Problem angeschnitten, ohne daß damit gesagt sein soll, daß der Herr Bundesminister Schäfer nun etwa ein Exponent der unselbständigen Mittelschicht im Kabinett ist. Aber Sie ersehen aus diesem Auftrage, daß das Problem an sich im Raume steht. Es geht um die Beteiligung der Mittelschicht an der politischen Macht im Rahmen einer geordneten und wohldurchdachten Gesellschaftsordnung.
    Das zweite, was meine politischen Freunde anstreben, ist die Schaffung eines nicht nur formalen, sondern auch materiellen Rechtes im Grundgesetz. Wir sollten einen Artikel in das Grundgesetz aufnehmen, durch den mehr oder weniger die Weisung erteilt wird, eine klare Politik für die Erhaltung der selbständigen Mittelschichten zu treiben. Das hat die Weimarer Verfassung getan. Der Art. 164 der Weimarer Verfassung über die Erhaltung und Förderung des Mittelstandes ist in das Grundgesetz nicht aufgenommen worden. Nun, der Charakter der Vorläufigkeit des Grundgesetzes wird wohl von diesem Hohen Hause noch, auf längere Zeiten hinaus nicht bestritten werden können. Aber mit Rücksicht auf die Grundlinien unserer Gesellschaftsordnung müssen bestimmte Fragen, die mit dieser Vorläufigkeit zusammenhängen, in eine völlig andere Sicht gestellt und nach außen hin auch glaubwürdiger gemacht werden. Sie dürfen nicht mehr verschwiegen werden, weil wir sonst den Charakter unserer Gesellschaftsordnung nach außen nicht klar genug darstellen.
    Zu diesen Fragen gehört das Problem der Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der selbständigen Mittelschicht. Wir möchten, daß dieses Problem besonders beachtet wird. Durch die von uns vorgeschlagene Ergänzung dies Grundgesetzes wird das Lebensrecht des selbständigen Mittelstandes nicht nur zu einem Grundrecht, und durch sie wird auch nicht nur ein bestimmtes Weisungsrecht geschaffen, sondern durch diese Ergänzung sollen vor allem die strittigen Probleme gelöst werden, die in. unserer Gesellschaftsordnung nicht ausdiskutiert sind. Diese strittigen Probleme sind die Berufsordnungen, die Marktordnungen und die Wettbewerbsordnungen. Um diese Probleme geht es ja letzten Endes bei der Politik für die selbständigen Mittelschichten.
    Wir wissen, daß darüber in unserem gesamten gesellschaftlichen Leben sehr verschiedene Ansichten herrschen. Die Ansicht, die in der Regel und nach allem, was wir in vergangenen Zeiten erlebt haben, ganz besonders prononciert vorgetragen wird, nämlich die Ansicht des Herrn Bundeswirtschaftsministers, ist die: möglichst wenige, vielleicht gar keine Berufsordnungen! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat wiederholt erklärt — und für seine Ansichten sind j a auch ganz bestimmte Propagandagremien geschaffen worden
    daß man in der selbständigen Mittelschicht nach Möglichkeit von Berufsordnungen absehen solle, zumindest soweit der gewerbliche Teil in Betracht komme. Ich weise beispielsweise auf die Erklärung in Hamburg auf der Tagung des Einzelhandels hin, in der der Herr Bundeswirtschaftsminister es grundsätzlich ablehnte, eine Berufsordnung .für den Einzelhandel zu schaffen. Auf der Tagung des Handwerks am 9. Oktober dieses Jahres in Düsseldorf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister erklärt, die Berufsordnung des Handwerks, die Bundeshandwerksordnung, sei eine Auszeichnung für das Handwerk. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin immer noch der Ansicht, daß ein Gesetz keine Auszeichnung sein darf, sondern für Recht und Gerechtigkeit sorgen muß. Wir können diese Dinge nicht mit dem Motiv der Auszeichnung verknüpfen. Es handelt sich hier um Grundsatzfragen. In unserer industrialisierten Gesellschaft und Wirtschaft ist der selbständige Mittelstand ohne echte Berufsordnungen nicht zu fundieren. Die Probleme sind doch nicht damit abgetan, daß allzu vereinfachende Fragen gestellt werden: Ja, was soll ich in diesen Dingen machen? Wenn der industrielle Schuhfabrikant sich selbständig machen kann, wie er will, dann kann ich dem Schuheinzelhändler keine Fesseln anlegen, wenn er sich selbständig machen will. Wenn der industrielle Schuhfabrikant gar keine irgendwie gearteten öffentlich anerkannten Voraussetzungen mitbringen muß, um Schuhe zu fa-


    (Dr. Schild [Düsseldorf])

    brizieren, warum soll der Schuheinzelhändler derartige Voraussetzungen, um Schuhe sack- und fachgerecht verkaufen zu können, mitbringen, warum soll er eine Sachkunde- und Fachkundeprüfung ablegen?
    Das heißt nach meiner Auffassung doch die ganze Situation etwas verharmlosen, Herr Bundeswirtschaftsminister. Wir haben eine Realität in der industriellen Wirtschaftsverfassung, und diese Realität heißt: Der Wettbewerb in der Industrie spielt sich nur unter Fachleuten ab. Ob diese Fachleute Techniker sind, ob sie Werbekaufleute, Marktbeobachter, Finanzierungsfachleute der Industrie sind: in jedem Fall spielt sich der Wettbewerb in der Industrie ausschließlich unter Fachleuten ab. Die Nichtfachleute können in der industriellen Wirtschaft niemals zum Zuge kommen. Dies ist eine Realität! Sie ist zwar durch kein Gesetz verankert und durch keine Berufsordnung irgendwie vorgeschrieben, aber es ist eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirklichkeit und damit ein Element der Wirtschaftsverfassung der Industrie geworden.
    In der Frage der selbständigen Mittelschicht muß dieses Element natürlich von einer anderen Warte gesehen werden. Es ist leichter, unter 140 Schuhfabriken -- um nur einmal ein Beispiel anzugeben — das Wesen der berufsordnenden Fragen zu klären als unter 40 000 Schuhmachern oder 10 000 Schuheinzelhändlern.
    Deshalb sind wir der Ansicht, daß die Fragen der Berufsordnungen im positiven Sinne in der Verfassung verankert werden müssen. Wir haben ja jetzt den Zustand, daß es nach Art. 12 des Grundgesetzes noch zweifelhaft ist, ob man derartige Berufsordnungen überhaupt durch Gesetz regeln kann. Wir haben ja den Streit vor dem Bundesverfassungsgericht, ob die Bundeshandwerksordnung in ihrer bisherigen Formulierung rechtsgültig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber noch nicht entschieden. Was würden wir nun tun, wenn es negativ entscheiden würde? Dem Hohen Hause bliebe doch praktisch nichts anderes übrig — wenn die Bundeshandwerksordnung Gesetz bleiben soll —, als dann eine Verfassungsänderung zu machen.
    Nun, ich bin überzeugt, niemand, keine Partei in diesem Hause zweifelt daran, daß die Bundeshandwerksordnung ein Element der Gesellschaftsordnung darstellt, die von allen Kreisen unseres Volkes bejaht wird. Wenn man sie also bejaht, auch wenn unter Umständen das Bundesverfassungsgericht ein negatives Urteil fällen würde — was wir ja nicht wissen —, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig, als eine Verfassungsänderung zu beschließen. Das wäre nicht erforderlich, wenn beispielsweise der von uns vorgeschlagene Art. 12 a, der das Element der Berufsordnungen als ein Grundrecht verankern soll, angenommen würde. Er brächte eine weitere und endgültige Klarstellung. Dasselbe, was mit dem Grundrecht der Berufsordnungen gemeint ist, ist selbstverständlich auch mit dem Grundrecht der Marktordnungen und mit dem Grundrecht von Wettbewerbsordnungen gemeint. Auch diese Probleme hängen eng zusammen und sind Grundsatzfragen in bezug auf die Förderung der selbständigen Mittelschicht, der gewerblichen, der bäuerlichen und freiberuflichen Mittelschicht im Verhältnis zur Großindustrie, im Verhältnis zur Arbeiterschaft im Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die sich diesseits des Eisernen Vorhangs sehen lassen können muß und soll. I Deshalb bitten wir das Hohe Haus, diese Frage der Grundgesetzänderung einer ernsten Betrachtung zu unterziehen. Ich beantrage, die Vorlage betreffend Grundgesetzergänzung durch Aufnahme eines neuen Art. 12 a dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zu überweisen.
    Ich möchte aber noch eine Erklärung meiner politischen Freunde zu dem Umfang des Berufsordnungsproblems abgeben. Ich beziehe mich da auf die vielseitigen Erklärungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, man könne nicht für jeden x-beliebigen Beruf, für jede Sparte eine Berufsordnung machen. Herr Bundeswirtschaftsminister, in dieser Frage sind wir mit Ihnen restlos einig. Aber es gibt ganz bestimmte große Gruppen, für die das Berufsordnungsproblem nun einmal ein aktuelles Anliegen unserer Zeit ist.

    (Abg. Dr. Dresbach: Für die gewerblichen Totengräber ist es nicht aktuell! — Heiterkeit.)

    Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß für das Handwerk, für den Einzelhandel, für das Hotel- und Gaststättengewerbe und ebenfalls für das Bestattungsgewerbe, Herr Kollege Dresbach, selbstverständlich für die freien Berufe, in denen bisher Berufsordnungen Geltung hatten und eventuell in Zukunft haben müssen, Berufsordnungen geschaffen werden müssen. Viele ruhen ungeklärt im Schoße dieses Hauses. Ich erinnere an die Rechtsanwaltsordnung, ich erinnere an die von der Regierung vorgelegten Gesetzentwürfe.

    (Abg. Dr. Dresbach tritt an ein Saalmikrophon.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! — Herr Abgeordneter Dr. Dresbach, ich kann Ihnen jetzt das Wort nicht geben. Nach einer Übereinkunft können Sie erst fragen, wenn wir in die allgemeine Beratung eingetreten sind. Was Sie hier hören, ist eine Begründung. — Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter!

(Heiterkeit.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Es liegen noch unerledigte Gesetzentwürfe über die selbständigen Berufe vor, die Rechtsanwaltsordnung, die Ordnung für Wirtschaftsprüfer; die Apothekerfrage ist nicht gelöst, die Frage der Architekten-Berufsordnung ist nicht gelöst. Also auch für die selbständigen, freien Berufe ist das Berufsordnungsproblem noch keineswegs grundsätzlich debattiert. Unter anderen sind in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20. Juli 1954 ungefähr 38 einzelne Sparten aufgeführt, für die Berufsordnungen gewünscht werden. Sie sind anscheinend vom Bundeswirtschaftsministerium benannt worden. Darunter sind Sparten, die völlig außer jeder Diskussion stehen. Für sie kommen Berufsordnungen nicht in Betracht.
    Ferner hängt die Frage der Erhaltung der Selbständigen — und darum dreht es sich — doch nicht nur von materiellen, nicht nur von rechtlichen Voraussetzungen ab, sondern sie hängt doch vor allem von psychologischen Vorbedingungen ab. Was in unserer Zeit schwindet — und das liegt im Zuge des industrialisierten Zeitalters, aber auch im Zuge


    (Dr. Schild [Düsseldorf])

    des mehr oder weniger ausgeprägten Versorgungsstaates —, das sind der Wille, die Lust, die Liebe, die Freude und der Wagemut, selbständig zu werden, zu sein und zu bleiben.

    (Unruhe und Zurufe von der SPD.)

    Diese Frage der Lust, der Liebe und der Freude kann man nicht vordergründig sehen, man muß sie hintergründig sehen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Mit anderen Worten, man muß auch diese Dinge von der politischen Ebene aus untermauern, die Geborgenheit und Sicherheit der Selbständigen genau so betrachten wie die Geborgenheit und Sicherheit der Unselbständigen.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Ein politisches Sicherheitsbewußtsein für die Selbständigen ist auch dann gegeben, wenn im Grundgesetz für sie ein Grundrecht vorgesehen ist. Auch darauf bauen sich die Einzelmaßnahmen auf, die in Gestalt der Berufsordnungen, der Wettbewerbsgesetze, der Altersversorgung usw. notwendig sind.
    Der zweite Antrag, den ich hier namens meiner politischen Freunde zu vertreten habe, betrifft die Änderung bzw. Ergänzung der Gewerbeordnung. In dem Gesetzentwurf Drucksache 1729 wird das Problem der Gewerbefreiheit für die öffentlichen Körperschaften in Bund, Ländern und Gemeinden angeschnitten. Nach Art. 19 des Grundgesetzes gelten die Grundrechte des Staatsbürgers analog auch für die juristischen Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Wir sind der Auffassung, daß die Grundrechte, soweit die Gewerbebetätigung in Frage kommt, nicht ohne weiteres auf die öffentlichen Behörden anwendbar sind. Die Frage der Einschränkung der wirtschaftlichen Unternehmungen der öffentlichen Hand und der Regiebetriebe, ist in diesem Hause nichts Neues. Ich brauche auf den Umfang dieser Betätigung der öffentlichen Hand nicht hinzuweisen, weil darüber der Herr Bundesfinanzminister selber in den Vorbemerkungen zum letzten Haushalt entscheidende Angaben gemacht hat. In den Ländern ist die gewerbliche Betätigung der öffentlichen Hand ebenfalls nicht klein, und auch die Gemeinden machen immer wieder den Versuch, ihre Betätigung in der gewerblichen Wirtschaft weiter auszudehnen.
    Meine politischen Freunde sind deshalb der Ansicht, daß der entsprechende Teil der Gewerbeordnung, nämlich der § 1, der von der Gewerbefreiheit in einer mehr gewerbepolizeilichen Tendenz handelt, gerade hinsichtlich der Betätigung der öffentlichen Hand in der Wirtschaft klare Vorschriften enthalten muß. Wir haben uns bei der Formulierung an die bayerische Gemeindeordnung angelehnt. Denn die bayerische Gemeindeordnung sieht eine ausgezeichnete Regelung für die Betätigung in den bayrischen Gemeinden vor, die uns geeignet erscheint, grundsätzlich auch in § 1 der Gewerbeordnung aufgenommen zu werden. Wir haben ferner vorgeschlagen, daß Regiebetriebe der öffentlichen Hand, die stillen Werkstätten, die für alle möglichen Sparten unterhalten werden, unter allen Umständen nur in dem Maß betrieben werden dürfen, welches aus Gründen der Geheimhaltung dienstlicher Vorgänge oder aus Gründen, die mit dem technischen Ablauf des Behördenbetriebes zusammenhängen, erforderlich ist.
    Unter keinen Umständen dürfen Regiebetriebe der öffentlichen Hand etwa aus Lust und Liebe zu ihnen oder zur Versorgung irgendwelcher Freunde und Bekannten oder etwa, um der Kundschaft des privaten Gewerbes Konkurrenz zu machen, aufgezogen werden.
    Der dritte Teil unserer Vorschläge befaßt sich mit der Berufsordnung für das Bestattungsgewerbe. Nun, man denkt im allgemeinen ja nicht gerne an diese Gruppe unserer Mitbürger. Das liegt im Zuge der Zeit. Allen Kollegen liegt eine Denkschrift vor, die die sachlichen Notwendigkeiten, die für eine Berufsordnung sprechen, im einzelnen aufführt. Ich möchte dazu betonen, daß der § 1, der die Einschränkung der Unternehmungen der öffentlichen Hand fordert, hiermit unmittelbar zusammenhängt; denn die Gemeinden gehen von Stufe zu Stufe immer mehr dazu über, eigene kommunale Bestattungsunternehmen einzurichten. Wenn man das verhindern und damit den Klagen der selbständigen Berufsangehörigen vorbeugen will, dann kann nur eine Berufsordnung für das Bestattungsgewerbe einen Ordnungszustand schaffen, der es dann den Gemeinden mit Fug und Recht verbietet, kommunale Bestattungsbetriebe einzurichten.

    (Abg. Dr. Dresbach: Sie wollen doch nicht auch noch die kommunalen Friedhöfe abschaffen?!)

    — Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe auch nicht vor, irgendwelche Ausdehnungen an Berufsordnungen derart zu befürworten, wie es aus Pressenotizen hervorgeht. Man kann die Dinge nicht bagatellisieren, indem man etwa glossiert „von der Wiege bis zum Grabe" oder „Prüfung der Pietät" oder in anderer Form. Damit ist es nicht gemacht. Hier liegt vielmehr ein echtes Anliegen einer würdigen Totenehrung in unseren Familien vor, die unter anderem auch davon abhängig ist, daß die Bestattung von Leuten vorgenommen wird, die sich dazu eignen.

    (Unruhe. — Abg. Dr. Dresbach: Herr Schild, haben Sie ganz vergessen, daß Ihr Vater vom Dorf stammt?)

    — Nein, das weiß ich genau so gut wie Sie.

    (Abg. Dr. Dresbach: Auf dem Dorf geht es doch viel einfacher! — Heiterkeit und Beifall.)

    — Das kann auf dem Dorf auch viel einfacher gehen. Trotzdem geht es in den großen und mittleren Städten darum, eine echte, im Zuge der Zeit liegende Lösung zu finden.
    Meine Damen und Herren, es ist dann der § 35 der Gewerbeordnung angeschnitten. In diesem § 35 dreht es sich darum, unzuverlässige Elemente aus der Wirtschaft auszuschalten und die Schließung eines Gewerbebetriebs zu ermöglichen. Es kann sich nicht nur darum handeln, daß wir im Zuge der Gewerbefreiheit die Errichtung von Betrieben nach bestimmten Ordnungen, aber dann freiheitlich zulassen, sondern im Sinne einer wirklichen Ordnung muß man auch dafür Vorsorge treffen, daß unzuverlässige Betriebe geschlossen werden können. Dafür gibt es für bestimmte Branchen schon jetzt Vorschriften. Diese Vorschriften grundsätzlich auf alle gewerblichen Betriebe auszudehnen, ist ein Anliegen, welches akut ist und welches auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister bejaht wird. Wir haben uns bei unseren Vorschlägen eng an das gehalten, was in den Diskussionen der letzten


    (Dr. Schild [Düsseldorf])

    Zeit zum Ausdruck kam und was auch in Entwürfen aus den Ministerien bereits vorgesehen ist. Das letzte, was der Gesetzentwurf vorsieht, ist eine Neuregelung der §§ 56 ff., die das ambulante Gewerbe, das Hausiergewerbe betreffen. Sie wissen alle, daß im 1. Bundestag diese Probleme der Änderung der Gewerbeordnung nicht erledigt worden sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat seit Existenz dieses Hauses in der zweiten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf über die Änderung der Gewerbeordnung bislang nicht vorgelegt, obwohl wichtige Anliegen schon aus der ersten Legislaturperiode ungeklärt geblieben sind. Deshalb ist es erforderlich, auch das Problem der Abgrenzung des Wanderlagergewerbes im Umherziehen, des Hausierhandels und alle diese Fragen erneut zu überprüfen. Wir stellen sie deshalb mit diesem Gesetzentwurf wieder zur Debatte mit der Bitte, auch diese Fragen zu klären.
    Die Probleme der Gewerbeordnung sind damit nicht erschöpft.

    (Zurufe von der SPD und vom GB/ BHE: Aber wir sind erschöpft! — Heiterkeit.)

    Es ist erforderlich, daß auch andere noch anstehende Fragen geklärt werden. Ich erinnere an die Legitimationskarte für reisende Kaufleute. Ich erinnere auch an die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister geplante neue Berufsordnung für das Gewerbe im Umherziehen. Ich fasse das, was geplant ist, jedenfalls so auf, daß die vorgesehenen Bestimmungen über das Wanderlagergewerbe, das Hausiergewerbe neue Ordnung bringen sollen.
    Ich bin der Auffassung, daß es höchste Zeit war, wenn wir uns in der letzten Sitzung des Bundestages in diesem Jahr zumindest für das Jahr 1956 vornehmen, alle Anträge zu den Fragen des Mittelstandes im Jahre 1956 eingehend zu beraten. Gerade in diesen Tagen haben die wirtschaftlichen Berufsorganisationen der selbständigen Mittelschicht in der Presse ihrem Unmut Ausdruck gegeben und erklärt: So, wie die Dinge bisher behandelt worden sind, geht es nicht weiter! Ich darf daran erinnern, daß der Zentralverband des Handwerks in seiner Pressekorrespondenz vor zwei bis drei Tagen eine Verlautbarung veröffentlicht hat, in der er mahnt und darum bittet, daß die grundsätzlichen Fragen, die mit der Förderung des Handwerks zusammenhängen, im Jahre 1956 mit einer größeren politischen Dynamik, in intensiverer Arbeit und mit einer größeren Klarheit erledigt werden. Die heutige Debatte soll dazu beitragen, daß zum Abschluß des Jahres 1955 dieses Hohe Haus gegenüber den vier Millionen Angehörigen der selbständigen Mittelschicht seinen Willen kundtut, die anstehenden Probleme in ihren Grundsätzen im Jahre 1956 endgültig zu lösen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)