Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zur ersten Plenarsitzung des Deutschen Bundes-
tages im neuen Jahr. Da es gute Wünsche kaum zu viel
geben kann, nutze ich gerne die Gelegenheit, Ihnen allen
persönlich und uns gemeinsam ein gutes und erfolgrei-
ches neues Jahr zu wünschen.
Der Kollege Franz Müntefering hat am vergangenen
Samstag seinen 70. Geburtstag gefeiert,
und einige Tage zuvor haben die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan und der Kollege Willi Zylajew runde
Geburtstage gefeiert. Im Namen des Hauses Ihnen alle
guten Wünsche für das neue Lebensjahr!
Bevor wir in unsere vereinbarte, ausgedruckte Tages-
ordnung eintreten, haben wir einen Geschäftsordnungs-
antrag zu behandeln. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung
um die Beratung ihres Antrags mit dem Titel „Umsatz-
steuerermäßigung für Hotellerie zurücknehmen“ zu er-
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weitern.
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Kol-
legen Volker Beck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bean-tragen, unseren Antrag „Umsatzsteuerermäßigung fürHotellerie zurücknehmen“ zusammen mit dem Einzel-plan des Bundesministeriums der Finanzen hiberaten. Als wir die Tagesordnung für dievereinbart haben, war das Wachstumsbeschlgesetz noch nicht verabschiedet und waren
Sie mögen jetzt einwenden – Kollege Kauder hat esir gerade auf meinem Weg zum Rednerpult hinterher-erufen –: Es geht um den Haushalt. Natürlich ist dasine haushaltsrelevante und eng im Zusammenhang mitem Bundeshaushalt stehende Frage. Aber ich möchtearan erinnern: In Ihrer letzten Koalition, Herr Kauder,aben Sie in ersten Lesungen des Bundeshaushaltes im-er wieder Anträge zugelassen, die noch nicht einmalm Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt standen.ch erinnere an das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2007,en Antrag der Koalition „Die weltweit letztenext100 westpazifischen Grauwale schützen“
und an 2006, wo es um Belarus nach den Präsident-schaftswahlen ging. Meine Damen und Herren: LassenSie diesen Antrag heute zu!
Die Umsatzsteuersenkung für Hotellerie ist Klientel-politik reinsten Wassers.im BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENr SPD sowie bei Abgeordneten derer heute zuse Wocheeunigungs-die Hinter-
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Volker Beck
Sie verfehlt das angebliche Ziel der Koalition, Steuer-vereinfachungen durchzuführen. Die Wirtschaftsver-bände – acht große Verbände – haben Ihnen diese Wocheeinen Brief geschrieben, in welchem sie eine Korrekturdieser Regelung verlangen; denn diese Regelung führtbei den Betrieben zu mehr Bürokratie. Der Aufwand fürReisekostenabrechnungen wird steigen. Ein Teil derKosten, nämlich die Frühstücksregelung, wird in Zu-kunft lohnsteuerpflichtig werden.
Herr Kollege Beck!
All diese Fragen zeigen, dass Ihr Gesetz das Ziel ver-
fehlt. Deshalb müssen wir heute im Rahmen der Haus-
haltsberatungen entsprechend darüber diskutieren, Herr
Präsident, weil die Sachlage damals nicht bekannt war.
Es ist wichtig, dass der Deutsche Bundestag in der ersten
Sitzungswoche des neuen Jahres eine entsprechende
Korrektur vornimmt und für die Betriebe und Unterneh-
men im Land Rechtsklarheit schafft.
Herr Kollege Beck, Sie wissen ja, dass mein besonde-
res Wohlwollen Sie jederzeit begleitet.
Ich muss Sie dennoch darauf aufmerksam machen, dass
Sie im Augenblick zur Geschäftsordnung reden und eine
Debatte zur Sache erst erfolgen kann, wenn der Punkt
aufgesetzt wurde.
Das ist richtig, Herr Präsident. Ich weiß, dass Sie im-
mer die notwendigen geschäftsleitenden Hinweise ge-
ben. Das schätze ich außerordentlich.
Ich habe ja auch begründet, warum heute hier, im Deut-
schen Bundestag, eine Debatte im Zusammenhang mit
dem Bundeshaushalt nach der Geschäftsordnung drin-
gend erforderlich ist.
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ür die Steuerbegünstigung für Übernachtungen gibt es
einen fachlichen Grund. Sie führt nicht zu Wachstum,
ondern zu mehr Bürokratie, und sie kostet den Staat
Milliarden Euro im Jahr. Es gibt kein vernünftiges Ar-
ument dafür, außer den 1,1 Millionen Argumenten in
er Schatzmeisterei der FDP.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten vom Deutschen
undestag, dass er sich mit dieser Frage unverzüglich, in
er ersten Sitzungswoche des Jahres, beschäftigt, weil
ie eine generelle Kritik an der Politik haben. Sie haben
en Eindruck, dass hier etwas nicht richtig läuft. Meine
ollegen von der FDP, diese Spende mag legal sein, in
rdnung ist sie deshalb noch lange nicht.
Deshalb fordere ich Sie, meine Damen und Herren
on der Koalition, auf: Drücken Sie diese Debatte heute
m Deutschen Bundestag nicht weg! Lassen Sie zu, dass
ir hier und heute über die Rücknahme dieser unseligen
teuerrechtlichen Klientelpolitik debattieren und unseren
ntrag zusammen mit dem Bundeshaushalt verabschie-
en können!
Meine Kollegen von der FDP, Ihnen sei geraten, die
pende an August Baron von Finck zurückzuüberwei-
en. Sie würden Ihrer Partei und der Demokratie in
eutschland damit einen Dienst erweisen.
Das Wort erhält nun der Kollege Peter Altmaier für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen isturchsichtig,
r ist unehrlich, er ist problematisch für die politischeultur, und er ist für die wirtschaftliche Entwicklungendenziell schädlich,
nd deshalb lehnen wir ihn ab.
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Peter Altmaier
Ich will diese Ablehnung im Einzelnen begründen: Erist durchsichtig. Herr Kollege Beck, das haben Sie selbstvorweggenommen.
Wir befinden uns in der Haushaltsdebatte. Es ist gera-dezu die Natur der Haushaltsdebatte, dass über alle poli-tisch relevanten Themen und Vorgänge im Rahmen derHaushaltsberatungen diskutiert werden kann: im Rah-men der Generalaussprache, im Rahmen der Aussprachezum Finanzteil, im Rahmen der Aussprache zum Wirt-schaftsteil. Sie hätten und Sie haben Möglichkeiten ohneEnde, die Themen, die Sie interessieren, zur Sprache zubringen.
Dass Sie gestern Abend einen in aller Eile zusammenge-stoppelten Antrag eingereicht haben, zeigt, dass es Ihnennicht um die Sache geht, sondern nur darum, einen billi-gen PR-Effekt zu erzielen. Dabei machen wir nicht mit.
Ihr Geschäftsordnungsantrag ist darüber hinaus inhöchstem Maße unehrlich, und zwar aus zwei Gründen.Der erste Grund: Sie tun so, als ob die Mehrwert-steuerermäßigung im Bereich des Hotelgewerbes überNacht vom Himmel gefallen ist, nachdem ein Unterneh-mer, der zufällig auch Hotels betreibt, an die FDP ge-spendet hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ehrlich-keit gebietet es, darauf hinzuweisen, dass diese Debattebegonnen hat, nachdem der damalige BundeskanzlerGerhard Schröder seinem damaligen französischen Prä-sidentenkollegen Chirac zugesagt hat, sich in der Euro-päischen Union dafür einzusetzen, dass genau diese Er-mäßigungen möglich werden. In der Folge hat rund dieHälfte aller europäischen Länder davon Gebrauch ge-macht.
Ich habe nicht gefragt, ob Bundeskanzler Schröder da-mals Spenden von irgendjemandem aus diesem Bereicherhalten hat.
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on der EWO Energietechnologie GmbH 40 000 Euro,on der Ersol AG 25 000 Euro,
on der Solon AG 20 000 Euro und von der Windparkohlbedacht GmbH 25 000 Euro.
Meine Damen und Herren, wenn das Argument, dasie eben vorgetragen haben, auch nur einen Funkenahrheit enthält, dann würde das bedeuten, dass Sie sichür die Frage der alternativen Energien nicht mehr ein-etzen dürfen, weil Sie die ganze Zeit von Unternehmen,ie damit Geld verdienen, Spenden entgegengenommenaben. So einfach ist das.
Kollege Altmaier, ich muss Sie darauf aufmerksam
achen, dass wir jetzt nicht die inhaltliche Debatte füh-
en, um deren Stattfinden es bei diesem Geschäftsord-
ungsantrag geht.
Herr Präsident! Danach werde ich mich richten. Sieerden aber bemerkt haben, dass sich meine Ausführun-
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Peter Altmaiergen im Gegensatz zu dem, was der Kollege Beck gesagthat, auf die Geschäftsordnung beziehen.Der letzte Gedanke ist, dass Ihr Antrag auch für diepolitische Kultur problematisch ist.
Über die in Rede stehende Maßnahme diskutieren wir inDeutschland seit über einem Jahr. Diese Forderung warim Wahlprogramm der FDP, im Wahlprogramm andererParteien, auch in dem der Linkspartei, wenn ich richtignachgelesen habe, enthalten.
Sie haben im Bundestagswahlkampf diese Forderung be-kämpft. Sie haben leider Gottes in puncto Wählerzustim-mung nicht recht bekommen; Sie haben die Bundestags-wahl verloren.Zu dieser Forderung hat ein Gesetzgebungsverfahrenstattgefunden. Im Gegensatz zur rot-grünen Koalition,die seit 1998 ständig Maßnahmen umgesetzt hat, die nieim Wahlprogramm standen, hat diese Koalition bisherausschließlich Maßnahmen umgesetzt, die schon vor derWahl in den Wahlprogrammen der Parteien standen. Da-bei wird es auch in absehbarer Zeit bleiben.
Sie haben in erster, zweiter und dritter Lesung imDeutschen Bundestag gegen diese Maßnahme argumen-tiert. Sie haben verloren. Sie haben im Bundesrat dage-gen argumentiert. Sie haben erneut verloren. Sie habenzum dritten Mal verloren. Irgendwann einmal muss manin der Demokratie dann auch zugeben können, dass manverloren hat; sonst wird man so schnell auch nicht wie-der gewinnen. Wir werden Ihren Antrag heute ablehnen,damit Sie Zeit haben, darüber nachzudenken, dass Sie inZukunft vielleicht das eine oder andere in Ihrer Vorge-hensweise ändern müssen.Vielen Dank.
Kollege Oppermann hat nun das Wort für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LieberKollege Altmaier, wer in der falschen Sache immer wie-der gewinnt, kann trotzdem der Verlierer sein.
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Ich weiß nicht, ob die Spenden von 820 000 Euro anie CSU und von 1,1 Millionen Euro an die FDP durcharon August von Finck mit dem Parteiengesetz verein-ar sind. Das wird der Präsident des Deutschen Bundes-ages prüfen. Wir warten das Ergebnis dieser Prüfung ab.Eines können wir aber schon heute feststellen: Dasehrwertsteuergeschenk für Hotelketten ist mit denrundsätzen des allgemeinen Wohls im demokratischennd sozialen Rechtsstaat in eklatanter Weise unverein-ar.
ieses allgemeine Wohl wird nicht durch die Summeächtiger Einzelinteressen definiert.
aßstab für das allgemeine Wohl ist vielmehr das grund-egende Bedürfnis der Menschen, ihren Lebensunterhaltus eigener Anstrengung zu verdienen und deshalb an Ar-eit, Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherheit teilzu-aben. Das ist der Maßstab und nicht die Interessen vonpothekern, von Hotelbesitzern, von Steuerberatern undnderen einzelnen Gruppen, die Sie bisher bedient haben.
In einer parlamentarischen Demokratie muss man zu-indest den Versuch unternehmen, für ein Gesetz einellgemeine Plausibilität zu bekommen. Ich sage Ihnen:as ist Ihnen beim Steuergeschenkgesetz nicht gelun-en. 15 von 16 Experten haben den Gesetzentwurf beier Anhörung abgelehnt.
er Finanzwissenschaftler Professor Homburg hat es alskonomischen Irrsinn bezeichnet, und Norbert Lammerton der CDU hat gesagt, es sei willkürlich, bürokratischnd unsinnig.
Ich frage Sie: Warum haben Sie dieses Gesetz trotz-em durchgesetzt? Sie haben es durchgesetzt, weil Sieie Interessen einer ganz bestimmten Gruppe befriedi-en wollen. Sie haben das allgemeine Wohl aus den Au-en verloren.
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Herr Kollege Oppermann, Sie wollten sicherlich auch
noch einen Satz zur Geschäftsordnung sagen.
Gerne. Ich habe verstanden, Herr Präsident. – Ich
finde es unerträglich, dass ein Milliardär mit einer Mil-
lionenspende maßgeblich Einfluss darauf nehmen kann,
was die Mehrheit hier im Bundestag beschließt.
Ich finde es schlimm, dass Sie damit den Anschein er-
weckt haben, als ob unser Staat käuflich sei.
Deshalb tragen Sie jetzt die Verantwortung und die Be-
weislast dafür, dass dieser böse Anschein einer gekauf-
ten Koalition widerlegt wird.
Wir fordern Folgendes:
Erstens. CSU und FDP müssen diese Spenden zu-
rückgeben. Auf diesem Geld liegt kein Segen.
Zweitens. Das mit dem Makel der Käuflichkeit behaf-
tete Mehrwertsteuergeschenk für Hotelketten muss auf-
gehoben werden.
Drittens. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben den Koali-
tionsvertrag verhandelt,
und deshalb tragen Sie Verantwortung dafür, dass für
den hemmungslosen Durchmarsch der Lobbyisten in
Deutschland alle Türen aufgemacht worden sind.
Ich fordere Sie auf: Machen Sie diese Türen wieder zu
und kehren Sie zurück zu einer Politik, die am allgemei-
nen Wohl interessiert ist!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihr
persönlicher politischer Aufstieg war verbunden mit
dem Ende der „Bimbesrepublik“ Deutschland.
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Für die FDP-Fraktion erhält nun der Kollege van
ssen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiraben Begründungen gehört, warum heute sofort überie Frage des reduzierten Mehrwertsteuersatzes disku-iert werden muss. Diese Notwendigkeit besteht nicht,ie ich Ihnen jetzt ganz schnell darlegen werde.
Mit dieser Frage hat sich unter anderem die Partei Dieinke befasst. Auf Seite 30 des Bundestagswahlpro-ramms der Linken, das mir vorliegt,
ordert sie den ermäßigten Umsatzsteuersatz von Prozent für Hotellerie und Gastronomie;
xakt so ist es.
Mir liegen die tourismuspolitischen Leitlinien derPD aus dem Jahre 1998 vor.
arin fordert die SPD den halbierten Mehrwertsteuer-atz für Gastronomie und Hotellerie.
Mir liegt der Antrag des Vorsitzenden der SPD-Frak-ion im Bayerischen Landtag, Franz Maget, und derraktion der SPD vom 18. Januar 2006 vor. Er hat fol-enden Inhalt:Die Staatsregierung wird aufgefordert, ihren Ein-fluss dahin gehend geltend zu machen, dass derBund für die Hotellerie den reduzierten Mehrwert-steuersatz in Höhe von 7 % einführt.o viel zur SPD.
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Jörg van Essen
Aber am allerschönsten sind die Grünen. Die Fraktionder Grünen im Bayerischen Landtag hat am 22. Aprilletzten Jahres mit breiter Mehrheit die Einführung einesermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Gastronomie undHotellerie gefordert.
Weil das, was der wirtschaftspolitische Sprecher derGrünen im Bayerischen Landtag dazu ausgeführt hat,richtig ist, würde ich ihn gerne persönlich zitieren:Wir setzen uns ein für die Einführung des ermäßig-ten Mehrwertsteuersatzes für Gaststätten und Ho-tels, nicht weil wir uns dadurch dann spürbar nied-rigere Preise für die Gaststätten- und Hotelgästeversprechen, sondern weil wir uns Impulse erwar-ten … in der Frage reguläre Arbeitsplätze … und …im Hinblick auf den dringend zur Beseitigung an-stehenden Investitionsstau … Auch geht es um …Wettbewerbsgleichheit im grenznahmen Raum wiein Metropolen.Außerdem weist er darauf hin, dass 22 der 27 EU-Mit-gliedstaaten den ermäßigten Mehrwertsteuersatz einge-führt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht des-sen, was ich gerade vorgetragen habe – die Linken for-dern den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, die SPD for-dert den ermäßigten Mehrwertsteuersatz,
bei den Grünen gibt es welche, die ihn absolut befürwor-ten –, muss ich sagen: Die Gründe, die Sie vorgetragenhaben, warum dieses Thema heute zu debattieren ist,gibt es offensichtlich gar nicht.
Ich weise alle Vorwürfe, die Sie erhoben haben, mitNachdruck zurück.
Der Skandal ist nicht, dass eine Parteispende angenom-men und ordnungsgemäß deklariert worden ist, sondernder Skandal ist das, was Sie hier und heute präsentieren.Vielen Dank.fHsKkW7taDGuUlSzHDgsSrahHilHgWkE
Nun erhält die Kollegin Frau Dr. Enkelmann das Wort
ür die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Fraktion Die Linke unterstützt den Ge-chäftsordnungsantrag der Grünen.Zur Ehrlichkeit, lieber Kollege van Essen, lieber Herrauder, gehört, dass man, wenn man denn schon zitiert,orrekt zitiert. Was steht in unserem Wahlprogramm?ir wollen, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz von Prozent ausgeweitet wird auf Produkte und Dienstleis-ungen für Kinder,
pothekenpflichtige Arzneimittel und arbeitsintensiveienstleistungen des Handwerks sowie Hotellerie undastronomie
nd dass kleine Unternehmen und Selbstständige diemsatzsteuer auf eine Rechnung erst nach dem Zah-ungseingang abzuführen haben.
o weit unser Wahlprogramm; ich stelle es Ihnen gerneur Verfügung.Die Entscheidung, die Mehrwertsteuer allein für dieotellerie abzusenken, wirft ein bezeichnendes Licht.
as ist genau das Problem: dass diese Entscheidung an-esichts dieser Spenden in einem völlig neuen Licht er-cheint. Auch die weiteren Forderungen der FDP nachteuersenkungen erscheinen jetzt in einem völlig ande-en Licht. Wir werden uns das sehr genau anschauen unduch die Spendentätigkeit danach sehr genau verfolgen.
Die Entscheidung hat Auswirkungen auf den Haus-alt. Deswegen ist es richtig, diesen Antrag im Zuge deraushaltsberatungen zu beraten.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,st nicht auch unter Ihnen der eine oder andere – viel-eicht auch unser Bundestagspräsident –, der vor demintergrund, dass es diese Spende aus der Hotellerie ge-eben hat, eine andere Entscheidung getroffen hätte?ürde es, auch angesichts des Protestes, der von außenommt, heute tatsächlich noch eine Mehrheit für diesentscheidung geben? Ich wage das zu bezweifeln.
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Dr. Dagmar Enkelmann
Eine Aufhebung dieser Entscheidung hätte genausoAuswirkungen auf den Haushalt. Deswegen ist es not-wendig, dass wir in dieser Haushaltsdebatte über diesenAntrag debattieren.Lieber Kollege Altmaier, Sie haben recht: Das Lob-byunwesen hat in den letzten Jahren unverschämte Aus-maße angenommen. Ich will daran erinnern, dass Vertre-ter von Lobbyunternehmen zum Beispiel an Gesetzenmitgearbeitet haben, in der letzten Wahlperiode unter an-derem an dem Entwurf zur Gesundheitsreform. Ich willdaran erinnern, dass es Gefälligkeitsgutachten gibt.Auch kennen wir Dankbarkeit in Form von Spendennicht erst seit der Spende an die FDP. Unter anderem ha-ben sich große Versicherungskonzerne sehr dankbar er-wiesen für Wohlverhalten angesichts der Einführung derRiester-Rente,
und zwar gegenüber allen Parteien in diesem Bundestagmit Ausnahme der Linken.Diese Spende an die FDP wirft ein schlechtes Lichtauf den Parlamentarismus, auf die Demokratie in diesemLand.
Wir müssen grundsätzlich klären, welche Spenden ange-nommen werden dürfen und wo wir als Politik sagen:Jetzt ist Schluss! Spenden von großen Unternehmen dür-fen nicht an Parteien gehen.
In den Medien ist jetzt von Käuflichkeit der Regie-rung die Rede. Sie, sehr geehrte Ministerinnen undMinister, haben vor diesem Parlament einen Amtseid ab-gelegt, dass Sie Schaden vom Volk abwenden, dass Sienur im Interesse des Volkes arbeiten wollen. DieseSpende wirft auch darauf ein anderes Licht: Sie müssenSchaden abwenden vom deutschen Volk und nicht vonIhren Parteien. Diese Spende ist unzulässig; sie mussdeswegen zurückgezahlt werden.Ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer stimmt fürden Geschäftsordnungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? – Wer stimmt dagegen? – Wer möchte sichder Stimme enthalten? – Damit ist der Geschäftsord-nungsantrag von der Mehrheit des Hauses abgelehnt.WADbWgtnUKkSSdWWilsSsbAinmggR1)
Für den nächsten Tagesordnungspunkt darf ich dieje-igen, die daran teilnehmen wollen, bitten, Platz zu neh-en, sodass wir dann mit der nachfolgenden Debatte be-innen können.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 unserer heuti-en Plenarsitzung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2010
– Drucksache 17/200 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind imahmen der Haushaltsberatung für die heutige Ausspra-Ergebnis siehe Seite 1145 C
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che im Anschluss an die Einbringung des Haushalts sie-beneinhalb Stunden, für Mittwoch achteinhalb Stunden,für Donnerstag wiederum siebeneinhalb und für Freitagdreieinhalb Stunden vorgesehen. Können wir das so ver-einbaren? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist dasso beschlossen.Das Wort zur Einbringung des Haushaltes erhält nunder Bundesminister der Finanzen, Dr. WolfgangSchäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Der Bundeshaushalt 2010, den wir heute in ersterLesung beraten, ist durch die Erschütterungen infolgeder Krise der internationalen Finanzmärkte und des tiefs-ten Wirtschaftseinbruchs in der Nachkriegszeit geprägt.Es war übrigens einer der Hauptgründe für die flächen-brandartige Ausbreitung der Finanzmarktkrise über dengesamten Globus, dass das Vertrauen als die wichtigsteKategorie, die es im Wirtschaftsleben im Allgemeinenund auf den Finanzmärkten im Besonderen gibt, nahezuuniversal gefährdet oder zerstört worden ist. Deshalb istes eine zentrale Aufgabe, Vertrauen zurückzugewinnen,Vertrauen, das bei den Menschen im Sog der Krise ver-loren gegangen oder zumindest erschüttert worden ist.Die Rückgewinnung von Vertrauen ist also eine zentralepsychologische Voraussetzung für die Überwindung die-ser Krise. Der Finanzpolitik kommt dabei eine beson-dere Rolle zu, nicht zuletzt weil Vertrauen durch verant-wortungsloses, von maßloser Gier geprägtes Verhalteneiniger im Finanzsektor an führender Stelle Tätiger mitzerstört worden ist.
Das hat im Übrigen damit zu tun, dass Geld und Wäh-rung eigentlich nichts anderes als geronnenes Vertrauensind. Beim Kredit kann man es sogar an der Bedeutungdes lateinischen Wortes unmittelbar erkennen. Vertrauenhängt nun entscheidend mit Nachhaltigkeit zusammen.Beides wiederum braucht eine funktionsfähige Ordnung.Nun besagen alle international verfügbaren empirischenErfahrungen zur Wirksamkeit der Wirtschafts- undFinanzpolitik, dass Politik immer dann erfolgreich ist,wenn sie nachhaltig orientiert ist, wenn sie sich im We-sentlichen auf das Setzen möglichst stabiler Rahmenbe-dingungen für Konsumenten und Wirtschaft und damiteben auf die Stabilisierung der Erwartungen und desVertrauens der Menschen konzentriert und wenn sie aufmassive diskretionäre Eingriffe des Staates verzichtet.Aber die schwerste Wirtschaftskrise in der Nachkriegs-zeit hat eine zeitweise Abkehr von diesem Credo not-wendig gemacht. Das ist die Lehre, die glücklicherweiseüberall aus den Erfahrungen mit der Weltwirtschafts-krise der 20er-Jahre gezogen worden ist. In einer Situa-tion, in der die Finanzmärkte ihre Funktionsfähigkeit zuverlieren drohten, musste der Staat als der letztmöglicheVertrauensanker eingreifen. Es war angesichts desschlagartigen Einbruchs der weltweiten Nachfrage wich-tig – man muss sich die Zahlen noch einmal vor AugenhürreaWsgasnkdhhebtdnJswi3iJc22OzegdiedgnmJrzl„DetszvA
Es ist nicht zuletzt den nationalen wie den internatio-alen massiven staatlichen Stützungspaketen zu verdan-en, dass sich die konjunkturellen Aussichten für dieeutsche Wirtschaft inzwischen wieder spürbar aufge-ellt haben. Nach dem scharfen Einbruch im Winter-albjahr 2008/2009 hat seit Frühjahr vergangenen Jahresin Erholungsprozess eingesetzt, der in den kommendeneiden Jahren, wenn auch vielleicht mit etwas reduzier-em Tempo, anhalten wird. Die meisten Experten gehenavon aus, dass das reale Bruttoinlandsprodukt nach ei-em Rückgang in Höhe von 5 Prozent im vergangenenahr – man muss immer wieder darauf hinweisen, dasso etwas bislang unvorstellbar in der Nachkriegszeitar; das ist einmalig; hoffentlich bleibt es auch dabei –n 2010 und 2011 wieder ein Wachstum zwischen 1 und Prozent aufweisen wird. Die Bundesregierung wirdhre aktuelle Wirtschaftsprognose für das kommendeahr im Jahreswirtschaftsbericht in der kommenden Wo-he vorlegen. Wir gingen zuletzt von 1,2 Prozent für010 aus, die Allianz-Gruppe beispielsweise von,8 Prozent, JP Morgan von 3,3 Prozent und der IMF imktober noch von 0,3 Prozent. Die große Bandbreiteeigt, dass die Unsicherheit über die künftige Wirtschafts-ntwicklung auch in Deutschland noch groß ist. Deswe-en bleibt es weiterhin richtig, dass wir – wie die Bun-eskanzlerin früh gesagt hat – auf Sicht fahren müssen.Neben der Konjunkturentwicklung im Allgemeinenst die Reaktion des Arbeitsmarktes im Besonderenine zentrale Unbekannte. Im Vergleich zum Vorjahr istie Zahl registrierter Arbeitsloser im Dezember vergan-enen Jahres um 116 000 Personen auf knapp 3,3 Millio-en Personen angestiegen. Ich muss übrigens noch ein-al daran erinnern, wo die Arbeitslosenzahl Mitte desahrzehnts noch lag, damit man das, relativ betrachtet,ichtig einordnet. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,8 Pro-ent. Sie ist – bei einem Rückgang der gesamtwirtschaft-ichen Leistungskraft um 5 Prozent darf man sagennur“ – um 0,4 Prozent höher als noch vor einem Jahr.ie Reaktion des Arbeitsmarktes auf den Konjunktur-inbruch war also glücklicherweise überraschend verhal-en.Die Ausweitung der Kurzarbeit, der Abbau von Über-tunden, das Abschmelzen von Guthaben auf Arbeits-eitkonten – das alles hat geholfen, die Beschäftigungs-erluste in 2009 zu begrenzen. Im Übrigen wurden dierbeitgeber auch strukturell entlastet, indem die Politik
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble:die Lohnnebenkosten gesenkt hat, insbesondere massivden Arbeitslosenversicherungsbeitrag.Viele Arbeitgeber hoffen auf eine rasche konjunktu-relle Erholung und haben versucht und versuchenweiterhin, ihr Fachpersonal zu halten, indem sie die Ar-beitszeiten der reduzierten Nachfrage anpassen. Die Ar-beitnehmer sind zu den damit einhergehenden Lohnver-zichten bereit; auch das muss man erwähnen. Das allesnennt man Flexibilisierung, und es funktioniert.Gleichwohl müssen wir davon ausgehen, dass die Ar-beitslosenzahlen in den beiden nächsten Jahren – in die-sem und im kommenden Jahr – steigen werden. Aber wirkönnen hoffen, dass sie nicht so dramatisch in die Höheschnellen werden wie in früheren Zeiten. Arbeitgeberund Arbeitnehmer haben gelernt, und beide Seiten zei-gen größere Flexibilität als in früheren Zeiten.Aber auch wenn sich die Einschätzung der wirtschaft-lichen Entwicklung im Vergleich zum letzten Frühjahrgebessert hat, ändert das an der historischen Dimensiondieser Krise nichts. Deshalb irrt jeder, der angesichts zu-nehmender positiver Wirtschaftsmeldungen glaubt, wirhätten die fatalen Folgen dieser schwersten Finanz- undWirtschaftskrise seit Bestehen der BundesrepublikDeutschland schon hinter uns gelassen. Tatsächlichbefinden wir uns noch in einer sehr ernsten und beispiel-losen wirtschaftlichen Gesamtsituation.Ich will es noch einmal sagen: Der globale Nachfra-geeinbruch hat uns in das tiefste Konjunkturtal seit Be-stehen der Bundesrepublik Deutschland geführt. Er hatuns besonders hart getroffen, weil wir auf den Weltmärk-ten stärker und erfolgreicher verflochten sind als andere.Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Folgen derKrise noch nicht überwunden sind, und das gilt insbe-sondere für die krisenbedingt dramatisch verschlechterteHaushaltssituation bei Bund, Ländern und Kommunen.Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen,dass der zweite Regierungsentwurf zum Haushalt 2010,den wir heute zur ersten Lesung vorlegen, ein Abbilddieser historischen Finanz- und Wirtschaftskrise ist.Aber er ist nicht nur ein Abbild dieser Krise, sondern zu-gleich ein weiterer Meilenstein zur Überwindung derKrise. Mit diesem Haushaltsentwurf werden für das Jahr2010 die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, umdie noch nicht gefestigte Wirtschaftsdynamik weiter zuunterstützen und so alles dafür zu tun
– ich komme gleich darauf, Herr Poß –, damit Deutsch-land gestärkt aus dieser Krise hervorgeht. Wir entspre-chen damit übrigens internationalen Vereinbarungen, dieinsbesondere im G-20-Kreis zur Überwindung der Krisebeschlossen wurden.Ich verstehe ja gut, dass in der öffentlichen Debatte,aber auch in diesem Hohen Hause viele gar nicht mehrüber das Jahr 2010 und seinen Haushalt, sondern amliebsten nur noch über das Jahr 2011 und die darauf fol-genden diskutieren möchten. Aber ich muss Sie enttäu-schen. Wir dürfen den zweiten Schritt nicht vor dem ers-ten tun, wenn wir nicht ins Stolpern geraten wollen.ggdsbVuthrgfsawuofcejsm–Wdsaamdl–s–IdNeuw
Das hat damit gar nichts zu tun. –
ir stellen den Haushaltsentwurf seit Jahrzehnten – je-enfalls wenn wir den Haushalt termingerecht aufge-tellt und keine Wahlen hatten – immer zur Jahresmitteuf. Wir stellen ihn immer auf der Grundlage der jeweilsktuellen Steuerschätzung auf. Die wird traditionell im-er in der ersten Maiwoche sein, und so wird es auch iniesem Jahr sein. Alles andere ist eine üble Unterstel-ung.
Ich werde Ihnen gleich belegen, wie sich innerhalb vonechs Monaten die Zahlen verändern. –
Gut, dann brauchen Sie das auch nicht zu bestreiten. –
ch will zeigen, wie die Krise auf den Bundeshaushalturchschlägt. Wir planen im Haushaltsentwurf mit einerettoneuverschuldung von 85,8 Milliarden Euro,
ine Größenordnung, die wir bisher nie gehabt habennd die deshalb mit Ernst und Eindringlichkeit erklärterden muss.
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble:
– Ganz ruhig, Zeit haben wir. – 85,8 Milliarden Eurosind eben keine Kleinigkeit. Sie sind bitter, notwendig,und sie sind ökonomisch richtig. Ich hatte bereits er-wähnt, dass es nach der Auffassung aller Sachverständi-gen, in Deutschland wie international, richtig ist, eine soschwere Wirtschaftskrise, die ihre Ursachen nicht inDeutschland hatte, mit den Mitteln der Finanzpolitikprozyklisch nicht noch zu verstärken, sondern antizy-klisch gegenzusteuern. Der Bund tut dies entschlossen.Ich will daran erinnern: Wir hätten nach der mittel-fristigen Finanzplanung, wie sie noch im Jahr 2008 be-schlossen worden ist, den Bundeshaushalt 2010 mit ei-ner Neuverschuldung von nur noch 6 Milliarden Eurogefahren. Für das Jahr 2011 war eine Nullneuverschul-dung für den Bundeshaushalt vorgesehen. Jetzt habenwir statt 6 Milliarden Euro eine Neuverschuldung von85,8 Milliarden Euro. Diese bedarf einer sauberen Erklä-rung. 43,5 Milliarden Euro sind krisenbedingte Steuer-mindereinnahmen allein für den Bund, 23,3 MilliardenEuro sind krisenbedingte Mehrausgaben für den Arbeits-markt, darunter 16 Milliarden Euro für den krisenbe-dingten zusätzlichen Zuschuss an die Bundesagentur fürArbeit.
Dann kommen die zusätzlichen Zuschüsse an die gesetz-lichen Krankenversicherungen in Höhe von insgesamt10,2 Milliarden Euro hinzu, einschließlich des beschlos-senen einmaligen zusätzlichen Zuschusses von3,9 Milliarden Euro. Wenn Sie jetzt noch die4 Milliarden Euro für die zwei Konjunkturpakete hinzu-nehmen, dann sind Sie bei fast 81 Milliarden Euro. Siesehen, dass die Differenz zwischen der mittelfristigenFinanzplanung und der Neuverschuldung im Haushalts-entwurf ausschließlich durch die Krise verursacht ist. ImÜbrigen ist der Grund für diese erhöhten Zuschüsse andie Bundesagentur für Arbeit und an die gesetzlicheKrankenversicherung doch wohl richtig. Er wird dochhoffentlich nicht infrage gestellt werden.Genauso wie es richtig war, dass wir den Finanzsek-tor zulasten des steuerfinanzierten öffentlichen Haus-halts überlebensfähig gemacht haben, ist es richtig, dasswir die sozialen Sicherungssysteme nicht mit den Folgendieser exorbitanten Wirtschaftskrise belasten, sonderndass wir entsprechende Zuschüsse im Bundeshaushaltübernehmen.
Das ist übrigens nichts anderes als soziale Symmetrie beider Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise.Ich will daran erinnern, dass noch im Umfeld desG-20-Treffens in Pittsburgh im September vergangenenJlsdtHtgbgtsdWn–nterjwzBgIcgVgWddejsuftkWu–rß
Ich glaube, Herr Kollege Poß, angesichts der nochicht überwundenen Wirtschaftskrise – wir stimmen in-ernational völlig überein, dass wir im Laufe des Jahresine klug dosierte Exit-Strategie finden müssen – war esichtig, zu Beginn des Jahres einen zusätzlichen kon-unkturellen Impuls in der Größenordnung von etwaseniger als 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu set-en. Genau das tun wir durch das Zusammenspiel vonürgerentlastungsgesetz und Wachstumsbeschleuni-ungsgesetz.
ch finde, dass die Debatte über das, was wir tun, ein biss-hen verzerrt ist.Zu der Geschäftsordnungsdebatte, die Sie geradeeführt haben, will ich folgende Bemerkung hinzufügen:erehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann über jedeesetzliche Maßnahme unterschiedlicher Meinung sein.ir haben gesehen, wie sich die Forderungen im Spiegeler Wahlprogramme erhöhen. Wir haben auch erlebt,ass es mit der Konsistenz von Wahlaussagen bei deninzelnen Parteien unterschiedlich ist. All das will ichetzt nicht bewerten. Angesichts des Ernstes der Wirt-chafts- und Finanzlage, mit der wir konfrontiert sind,nd der Sorgen in unserer Bevölkerung will ich aber da-ür werben, dass wir dieses Parlament und die demokra-ischen Institutionen dieses Verfassungsstaates nicht alsäuflich darstellen.
ehret den Anfängen! Überlegen Sie gut, was Sie tun,nd überlegen Sie, wessen Geschäft Sie dabei betreiben!
Ja, ja. Die Welt und auch wir, Deutschland, haben ge-ade, Herr Kollege Trittin – das will ich Ihnen mit gro-em Ernst sagen –, übereinstimmend aus der Weltwirt-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble:schaftskrise der 20er-Jahre des vergangenen Jahr-hunderts die richtigen Lehren gezogen.
Wir sollten aus dem Scheitern der parlamentarischenDemokratie in der Weimarer Republik im Feuer der Dif-famierung der demokratischen Institutionen durch dieRadikalen von rechts und links nicht die falschen Lehrenziehen, sondern wir sollten daraus die richtigen Erkennt-nisse gewinnen.
Im Übrigen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, willich zu manchen öffentlichen Debatten eine weitere Be-merkung machen. Wir haben nach der Bundestagswahldie Regierungsbildung in ungewöhnlich kurzer Zeit voll-zogen, und das Kabinett hat den Entwurf des Bundes-haushalts 2010 in einer ungewöhnlich kurzen Zeit aufge-stellt; das haben viele zunächst gar nicht für möglichgehalten. Das war möglich, weil wir uns entschieden ha-ben – auch das war für eine neue Regierung nicht selbst-verständlich –, dass wir die Ansätze des ersten Regie-rungsentwurfs, den wir noch in der vergangenenLegislaturperiode, nämlich im Juli 2009, aufgestellt ha-ben, lediglich um die im Koalitionsvertrag vereinbartenSofortmaßnahmen zum 1. Januar 2010 ergänzen.Es ist in diesem Zusammenhang kritisiert worden,dass wir auf die Fortschreibung der mittelfristigenFinanzplanung verzichtet haben.
– Es ist in Ordnung, dass man so etwas kritisiert. Ichsetze mich mit diesem Argument auseinander. – Es istunstreitig, dass das, was wir tun, durch die geltende Ge-setzeslage gedeckt ist. Ich will Ihnen sagen, warum ichmich dazu entschieden habe, so zu verfahren: weil es an-dernfalls noch Monate gedauert hätte, bis wir einenHaushaltsplan mit einer fortgeschriebenen mittelfristi-gen Finanzplanung aufgestellt hätten. Wir könnten dannselbst in einigen Monaten noch nicht einmal die ersteLesung durchführen. Wir hätten vor Jahresmitte keinenverabschiedeten Haushalt, und wir müssten bis in diezweite Jahreshälfte hinein mit den Regeln zur vorläufi-gen Haushaltsführung arbeiten. Das ist in einer so unsi-cheren konjunkturellen Lage nicht zu verantworten.Deshalb haben wir uns für ein anderes Verfahren ent-schieden.
Damit man sich nun bei der Einbringung auch einmaldie grundsätzliche Struktur dieses Haushaltes vor Augenführen kann, ist es vielleicht einfach einmal wichtig, jen-seits der hohen Neuverschuldung und der Gesamtausga-ben und -einnahmen die wesentlichen Ausgabenblöckedes Bundeshaushaltes zur Kenntnis zu nehmen.sRcEvEt–mhbdh2bsdlhu1Hl1s3hebnhuwewedsG
Nein, man muss es zur Kenntnis nehmen. Dann weißan nämlich auch, welche Spielräume man im Haushaltat.An zweiter Stelle stehen gleich die Zinsausgaben. Sieetragen in diesem Bundeshaushalt 38 Milliarden Euro;as entspricht 11,7 Prozent.Die Personalausgaben belaufen sich im Bundeshaus-alt, wenn man alles zusammenrechnet, auf insgesamt8 Milliarden Euro; das entspricht 8,6 Prozent.Die Ausgaben für flexibilisierte Verwaltungsaufga-en, wiederum alle zusammengerechnet, summierenich auf 16,1 Milliarden Euro; das entspricht 4,9 Prozentes Bundeshaushaltes.Die Verteidigungsausgaben belaufen sich auf 31,1 Mil-iarden Euro; das entspricht 9,6 Prozent des Bundeshaus-altes.Die Leistungen für Bildung, Wissenschaft, Forschungnd kulturelle Angelegenheiten belaufen sich auf5,4 Milliarden Euro; das entspricht 4,7 Prozent desaushaltes.Die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit be-aufen sich auf 5,8 Milliarden Euro; das entspricht,8 Prozent des Bundeshaushaltes.Die Investitionen für den Verkehrsbereich belaufenich auf insgesamt 12,6 Milliarden Euro; das entspricht,9 Prozent.Die Ausgaben für Umweltschutz, Klima und Nach-altigkeit belaufen sich auf 1,58 Milliarden Euro; dasntspricht knapp 0,5 Prozent des Bundeshaushaltes.Ich habe hier jetzt nur einmal die großen Ausgaben-löcke bzw. die Eckdaten des Bundeshaushaltes be-annt, damit man ein Stück weit weiß, wofür im Bundes-aushalt die wesentlichen Leistungen in der Strukturnserer föderalen Ordnung erbracht werden.Noch einmal zurück: Der vorliegende Haushaltsent-urf mit seiner krisenbedingten Rekordneuverschuldungntspricht wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten. Wenn,as allgemeiner nationaler wie internationaler Annahmentspricht und was wir alle dringend hoffen, die Krise iniesem Jahr zu Ende geht, dann werden wir diese Neuver-chuldung ab 2011 den Regeln der Schuldenbremse desrundgesetzes entsprechend zurückführen müssen.
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble:Das wird übrigens kein abrupter Kurswechsel sein, weilja die, wie ich finde, klugen Regelungen, die wir imZuge der Föderalismusreform II in das Grundgesetz ein-gefügt haben, eine allmähliche Rückführung einer zu ho-hen Neuverschuldung vorsehen. Wir müssen bis 2016die Schuldenbremse einhalten, also ein strukturelles De-fizit im Bundeshaushalt von maximal 0,35 Prozent desBruttoinlandsproduktes erreichen. Diese Rückführungder Schulden muss in gleichen Jahresraten über sechsJahre verteilt geschehen. Das ist kein abrupter Kurs-wechsel.Ausgehend von einem strukturellen Defizit von etwa70 Milliarden Euro im Bundeshaushalt in diesem Jahr– das strukturelle Defizit berechnet sich etwas anders alsdie Gesamtneuverschuldung –, das bis 2016 in gleichenJahresraten auf 10 Milliarden Euro zurückgeführt wer-den muss, reden wir immer noch von einem strukturellenDefizit von 60 Milliarden Euro im Jahre 2011 und von50 Milliarden Euro im Jahr 2012. Es sollte also niemandvon einem abrupten Kurswechsel sprechen. Somit bietetdiese Schuldenbremse einen entscheidenden Bausteinfür eine richtige Exit-Strategie, deren prinzipielle Leitli-nien im europäischen wie im weltweiten G-20-Rahmengenerell unbestritten sind.Es wird gleichwohl, auch wenn es eine allmählicheRückführung ist, eine finanzpolitische Herkulesaufgabesein. Aber sie muss gemeistert werden. Die Bundesre-gierung ist entschlossen, die Anforderungen des Grund-gesetzes zu erfüllen. Uns allen muss klar sein, dass dieseAufgabe mit den herkömmlichen haushalterischen Maß-nahmen allein nicht zu bewältigen sein wird. Deswegenhabe ich die Struktureckdaten des Bundeshaushalts kurzerwähnt.Die Aufgabe wird übrigens im Laufe der Jahre nichtkleiner. Wegen des Wirkungsmechanismus der grundge-setzlichen Bremse wird sie von Jahr zu Jahr größer. Des-wegen wird es im Laufe der Jahre nicht ohne gesetzlicheMaßnahmen gehen. Aber das muss dann gründlich undSchritt für Schritt bedacht, öffentlich diskutiert und vorallen Dingen so begründet werden, dass die Bürgerinnenund Bürger unseres Landes das nachvollziehen können.Deshalb noch einmal: Es macht keinen Sinn, jetzt ein-zelne Vorschläge isoliert in die öffentlich-politischeArena zu werfen mit der absehbaren Folge, dass sie al-lenfalls zerredet werden. Damit wäre am Ende nieman-dem weitergeholfen.Kurzfristige, vorübergehende Erhöhung der Neuver-schuldung zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zurBekämpfung noch schlimmerer Folgen des Wirtschafts-einbruchs und mittelfristige Reduzierung dieser Neuver-schuldung sind also keine Gegensätze und bedeuten kei-nen Kurswechsel, sondern sind insgesamt Ausdruck einerauf Nachhaltigkeit und stabile Rahmenbedingungen an-gelegten Ordnungspolitik. Im Übrigen ist Generationen-gerechtigkeit gerade vor dem Hintergrund einer demo-grafischen Entwicklung, wie wir sie in Deutschland undauch in weiten Teilen Europas erleben, genauso ein Gebotder Finanzpolitik wie etwa der Umweltpolitik. Anderen-falls gibt es weder Nachhaltigkeit noch Generationenge-rechtigkeit.–aVuWellDd–dvSBtterD–KgddiDhzdaJSswkmGwW
Ich rede die ganze Zeit dazu. – Nur ein glaubwürdiger,uf Konsolidierung angelegter Kurs stärkt am Ende dasertrauen von Konsumenten, Investoren, Finanzmärktennd allen anderen wirtschaftlichen Akteuren in denirtschaftsstandort Deutschland.
Für stabiles Wachstum sind stabile Staatsfinanzen un-rlässlich. Ohne Haushaltskonsolidierung werden dieangfristigen Inflationserwartungen und damit auch dieangfristigen Zinsen steigen.
eswegen ist es so wichtig, dass wir in dieser Konsoli-ierungspolitik glaubwürdig sind.
Übrigens: Wenn die Zinsen steigen, werden sich auch das muss man wissen – die Refinanzierungsbe-ingungen der Unternehmen und des Staates dauerhafterschlechtern. Weil dies weltweit alle mit erheblicherorge erfüllt, müssen Deutschland und Europa ihreneitrag im Sinne der Nachhaltigkeit glaubwürdig leis-en.Dem entspricht, dass auch der Europäische Stabili-äts- und Wachstumspakt Konsolidierung verlangt. Es istine glückliche Fügung, dass sich das sehr gut mit unse-er nationalen Schuldenregel deckt. Im Jahre 2013 musseutschland die Grenze für das gesamtstaatliche Defizit dabei geht es um das Defizit von Bund, Ländern,ommunen und gesetzlichen Sozialversicherungen ins-esamt – in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandspro-ukts wieder einhalten. Wir haben im vergangenen Jahriese Grenze mit 3,2 Prozent überschritten. Wir werdenm laufenden Jahr voraussichtlich ein gesamtstaatlichesefizit von knapp 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktsaben. Das muss ab dem Jahre 2011 sukzessive wiederurückgeführt werden.Im Übrigen liegt es in unserem ureigenen Interesse,ass die Stabilität des Euro und seine Glaubwürdigkeituf den internationalen Märkten auch in den kommendenahren erhalten werden. Gegenüber viel anfänglicherkepsis in den 90er-Jahren bei Einführung einer europäi-chen Währung ist inzwischen unbestritten, dass die Aus-irkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise noch vielatastrophaler gewesen wären, wenn wir nicht eine ge-einsame europäische Währung gehabt hätten.
erade angesichts der Verschiebungen der globalen Ge-ichte im 21. Jahrhundert, die durch diese Finanz- undirtschaftskrise wohl noch erheblich beschleunigt wer-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble:den, ist es im europäischen wie im deutschen Interessegeradezu lebensnotwendig, dass unsere gemeinsame eu-ropäische Währung ihre Glaubwürdigkeit bewahrt undangesichts möglicher erratischer Entwicklungen auf denWeltfinanzmärkten ein stabilisierendes Element bleibt.Dass Deutschland eine besondere Verantwortung fürdie Stabilität des Euro hat, braucht angesichts des Ge-wichts der deutschen Wirtschaft im europäischen Ver-bund nicht eigens begründet zu werden. Deswegen sinddie Empfehlungen der Europäischen Kommission zurRückführung unseres gesamtstaatlichen Defizits und zurEinhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hilf-reich. Wir werden uns dafür einsetzen, dass alle anderenin Europa diese Empfehlungen akzeptieren und umset-zen. Das wird für einzelne Mitgliedsländer unterschied-lich schwierige Herausforderungen beinhalten. Aber esgibt dazu keine verantwortbare Alternative. Damit wirdas glaubwürdig vertreten können, müssen wir uns na-türlich selbst an die europäischen Regeln halten. Auchdazu gibt es keine bessere Alternative.Wir müssen im Übrigen neben dem diffizilen Austa-rieren fiskalischer und geldpolitischer Exit-Strategienauch die Bemühungen um die weitere Finanzmarktsta-bilisierung national, europäisch und international fort-setzen. Ich will Ihnen eine erschöpfende Darstellung deranstehenden Arbeiten ersparen. Aber ich will doch ei-nige Bemerkungen dazu machen, weil öffentlich gele-gentlich der Eindruck erweckt wird, es sei in den zurück-liegenden Monaten gar nichts geschehen. Das ist einfachgrundfalsch.Die Bundesregierung wird im Laufe dieses Jahres dievorliegenden europarechtlichen Änderungen der Ban-ken- und Kapitaladäquanzrichtlinie in nationales Rechtumsetzen. Damit werden Lehren aus der Finanzmarkt-krise gezogen und wichtige Akzente für eine weitereStabilisierung der Märkte und für die Stärkung der Ban-kenlandschaft gesetzt. Zum Beispiel wird mit den neueneuropaweit geltenden Prinzipien zur Anerkennung vonKapitalbestandteilen als Kernkapital die Kapitalbasis derBanken zuverlässig und dauerhaft gestärkt. Banken dür-fen in Verbriefungen nur noch investieren, wenn der ur-sprüngliche Kreditgeber einen Anteil von wenigstens5 Prozent der mit der Transaktion übertragenen Risikenbehält. Damit wird das Eigeninteresse der Beteiligten er-höht, die sich aus einer Verbriefung ergebenen Risikensorgfältiger als bisher zu bedenken. Dass das in der Ver-gangenheit nicht der Fall war, war eine der Ursachen derKrise.Die Bundesregierung wird darüber hinaus noch imersten Quartal einen Gesetzentwurf beschließen, der diePrinzipien zur Vergütungspolitik des Financial StabilityBoards umsetzt und die Selbstverpflichtungserklärungder größten deutschen Banken und Versicherungsunter-nehmen, die dankenswerterweise im vergangenen Jahrausgesprochen worden ist, auf eine gesetzliche Grund-lage stellt. Eine kurzfristige und konsequente Umset-zung der Prinzipien soll dazu beitragen, das Vertrauender Bevölkerung und der Politik in den Finanzsektor zustärken, ohne dass die Wettbewerbsbedingungen auf dengmtsesrtwvslfAbIvsdvmgsRsaawsztMeSeWsdiuEfnzasnsgsmMsGS
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Neben der Überwindung der akuten Krise bleibt übri-gens die Sicherung und Stärkung der internationalenWettbewerbsfähigkeit unseres Landes eine zentraleHerausforderung für Politik und Wirtschaft. Wir werdenin Zukunft angesichts der weltweiten Entwicklung, abervor allen Dingen auch angesichts unserer demografi-schen Veränderungen noch mehr in Qualität und Quanti-tät von Bildung und Forschung investieren müssen, umdas Wachstumspotenzial Deutschlands zu verbessern.Unsere Position hat sich zwar seit PISA 2000 und 2003verbessert; aber wir schneiden im OECD-Vergleich beischulischen Leistungen immer noch nur knapp über odernahe dem Durchschnitt ab. Wir müssen diese gesamt-staatliche Aufgabe – das ist ein eigenes Thema; ich willes an dieser Stelle nicht vertiefen – im Rahmen unsererbewährten föderalen Ordnung bewältigen.Jedenfalls hat die Koalition deshalb einen zusätzli-chen Beitrag des Bundes verabredet, nämlich in dieserLegislaturperiode insgesamt zusätzlich 12 MilliardenEuro – 12 Milliarden für die gesamte Legislaturperiode,nicht in Jahresbeträgen – für Bildung und Forschung ein-zusetzen. Wir setzen mit dem vorliegenden Haushalts-entwurf eine erste Tranche von 750 Millionen Euro – fürvier Jahre sind dies 3 Milliarden Euro; das ist ein Viertelder Gesamtverabredung – um.dDtlFthhGsAusWDKezWsifDfKNJuwVDrpzZtiahdwavVeebLewg
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Übrigens wird solches Verhalten am ehesten vermit-telt, indem es andere vorleben. Das ist die Funktion vonEliten. Aber das ist ein weites Feld. Dort gab es in denzurückliegenden Jahren erhebliches Versagen; auch dasist wahr. Trotzdem bleibt das für die Zukunft notwendig.Es muss uns zu denken geben, dass das Vertrauen derMenschen in die soziale Marktwirtschaft – Umfragenbelegen das – gelitten hat. Deswegen ist es wichtig, dasswir uns in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wiederund wieder der Grundlagen unserer Freiheit und unsererOrdnung der sozialen Marktwirtschaft vergewissern.Freiheit, Gerechtigkeit und soziale Verantwortung sinddie Grundlagen dieser sozialen Marktwirtschaft.Auslöser der Krise war übrigens nicht die sozialeMarktwirtschaft, sondern die Verletzung zentralermarktwirtschaftlicher Prinzipien wie Haftung und Ver-antwortung.
Deswegen sind die Probleme bei aller Tragweite nichtein Beleg für eine Krise der sozialen Marktwirtschaft,sondern sie stehen für eine Krise im System, und wirmüssen sie durch eine Bestärkung der Grundlagen unse-rer Ordnung überwinden.Im Grundsatz ist die Überlegenheit der sozialenMarktwirtschaft in Europa und weit darüber hinaus nichtmehr bestritten. Das war in früheren Zeiten anders. Ichhabe vor kurzem mit großem Interesse und der mir eige-nen Fähigkeit, mich ein Stück weit ironisch zu freuen,einen Kommentar des Wirtschaftsnobelpreisträgers PaulKrugman in der New York Times gelesen. Krugman istbisher nicht unbedingt als Vertreter der Reaganomics be-kannt geworden. Er schreibt mit viel Überzeugungskraftin der New York Times – ich empfehle diesen Kommen-tar zur Lektüre –, die Amerikaner sollten das europäi-sche Modell der sozialen Marktwirtschaft ein bisschenernster nehmen. Vieles sei in Europa viel erfolgreicher,als man in den Vereinigten Staaten von Amerika gele-gentlich glaube.
Damit sind nicht alle Probleme in Europa gelöst.Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn dasschon in Amerika von einem so bedeutenden Vertreterder Wirtschaftswissenschaft so gesehen wird, dann soll-ten wir daraus die Überzeugung ableiten, dass wir imRahmen der sozialen Marktwirtschaft
für Nachhaltigkeit, für Wettbewerbsfähigkeit, für Leis-tungsfähigkeit und für soziale Gerechtigkeit in unseremLand auch für die kommenden Generationen sorgenkönnen.
hdcvEsmh3eDlmJDwmwhweDbuwiTdsüdt1)
Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich Ihnen das
on den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte
rgebnis der Wahl eines Mitglieds des Parlamentari-
chen Kontrollgremiums bekannt: abgegebene Stim-
en 586, davon gültige Stimmen 581, ungültig 5. Mit Ja
aben gestimmt 320, mit Nein haben gestimmt 226,
5 Kolleginnen und Kollegen haben sich der Stimme
nthalten.1)
amit hat der Kollege Wolfgang Nešković die erforder-
iche Mehrheit erhalten und ist zum Mitglied des Parla-
entarischen Kontrollgremiums gewählt.
In der Aussprache erhält als Erster der Kollege
oachim Poß für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrr. Schäuble, mit Ihrer Rede haben Sie zumindest be-iesen, dass Sie sich in den langen Jahren Ihrer parla-entarischen Tätigkeit eine gewisse Raffinesse ange-öhnen mussten – ich meine das positiv –; denn Sieaben in einer für die Koalition so schwierigen Situationie dieser eine staatspolitische, pathetische Vorlesunginer Haushaltsrede vorgezogen.
as ist das, was Ihnen nach all der Unbill noch übriglieb. Und dann diese großen Worte: Glaubwürdigkeitnd andere. Das Problem ist aber – Herr Schäuble, Sieissen das –, dass die Öffentlichkeit bei dieser Koalitionn den letzten Wochen nur Theater erlebt hat. Das letztereffen im Borchardt war die Krönung. Eine Zeitung hatazu geschrieben: „Programm statt Prosecco“. Mit die-em Theater konnten Sie die Öffentlichkeit doch nichtberzeugen. Das ist das Problem, vor dem Sie stehen.
Ihnen fehlt eine klare Orientierung nach vorne. Wo istenn jenseits der pathetischen Worte die Wachstumsstra-egie für das nächste Jahrzehnt?
Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 3
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Joachim PoßWo sind die Überlegungen, wie man Stabilität undWachstum zum Wohle unseres Volkes miteinander ver-bindet? Nichts ist dazu heute von Ihnen gekommen.Auch in dieser Rede war null und nichts dazu zu regis-trieren.
Wie gesagt, das, was Sie geboten haben, war Ablen-kung; denn ein werteorientiertes Verhalten kann man Ih-nen so nicht attestieren.Die Politik der Klientelregierung Merkel wird zur Be-drohung unserer Zukunft. Darum geht es in diesen Ta-gen.
Jeden Tag wird klarer – das ist belegt; lesen Sie doch dieZeitungen –, wie eng die neue Koalition mit Lobbyisten,mit bestimmten Wirtschaftsinteressen, mit einzelnenKlientelgruppen verbändelt ist. Das betrifft nicht nur dieFDP, sondern auch die CDU/CSU.
Neu ist das übrigens nicht. Die Namen Kohl undStrauß, Lambsdorff und Möllemann
stehen für große Spendenskandale und schwarze Kassenin den 80er- und 90er-Jahren. Der Strauß-SpeziSchreiber – einigen hier persönlich bekannt –
steht gerade in Augsburg vor Gericht. Das heißt, die Ge-schichte holt die Klientelkoalition ein. Die Melodie vonder gekauften Republik ertönt wieder.
Da gibt es durchaus geschichtliche Parallelen. 1982– ich erinnere mich, Herr Schäuble, mit Ihnen und ande-ren hier im Deutschen Bundestag an diese Zeit – riefHelmut Kohl die „geistig-moralische Erneuerung“ ausund entging dann im Flick-Parteispendenskandal nach ei-ner Falschaussage nur knapp seinem Rücktritt. Das wardamals der Beleg für die „geistig-moralische Wende“, sowie er sie sich vorgestellt hat.2010 ruft wieder jemand aus einer solchen Koalitioneine geistig-politische Wende aus. Diesmal ist es HerrWesterwelle.Jetzt wissen wir auch, welchen Staat und welche Ge-sellschaft sich Herr Westerwelle darunter vorstellt: Steu-ersenkungen für wenige zulasten von Kindergärten undSchulen in den Städten, zulasten der Beschäftigung vonLehrern und Polizisten in den Ländern. Das, HerrWesterwelle, ist jenseits großer Worte faktisch Ihre„geistig-politische Wende“.
Klarheit seitens des Bundesfinanzministers über denWeg aus der hohen öffentlichen Verschuldung, die we-gwbrdaJg2rEersWnhaFzMmwdsdwMsWnbhtKGzsudmbdscDsf
Warum verfolgen Sie denn einen solch bedrohlicheneg? Es ist nicht einzusehen, warum offenkundig nichtur Sie, sondern auch Frau Merkel da mitmachen. Sieaben sich in die Falle einer übereilten und falschen Ko-litionsvereinbarung begeben. Die ach so geschickterau Merkel als unsere Bundeskanzlerin ist in der Tatum ersten Mal in der Gefahr, politisch unterzugehen.an kommt aus diesen Festlegungen offenkundig nichtehr heraus. Man will ja auch nicht heraus. Schließlichird von allen Seiten Druck gemacht. Ein großer Me-ienkonzern steht dabei an der Spitze. Andere Wirt-chaftsverbände äußern sich jeden Tag dazu. Es wird fürie Öffentlichkeit in diesen Tagen immer deutlicher,em Sie sich eigentlich verpflichtet fühlen, Frauerkel. Sie fühlen sich nicht in erster Linie den Men-chen verpflichtet, die Sie gewählt haben und für derenohlergehen Sie zu sorgen haben, sondern offenkundigur den Interessen Ihrer Klientel. Einem kann angst undange werden, wenn man das beobachtet.
Herr Schäuble, bis zum heutigen Tage in den Medienochgelobt, enttäuscht im Amt des Bundesfinanzminis-ers mehr und mehr. Da, wo Peer Steinbrück für klareante stand, taktiert Schäuble aus parteipolitischenründen. Sehr wahrscheinlich kommt er wegen des Ge-erres, das wir tagtäglich erleben, gar nicht umhin, sicho zu verhalten.Aber einige Dinge haben Bedeutung für die Zukunftnseres Landes. Herr Schäuble hat am Anfang seine Be-enken zum sogenannten Stufentarif in der Einkom-ensteuer durchaus formuliert. Jetzt hat er nachgege-en. Mit dem nun von ihm akzeptierten Stufentarif beier Einkommensteuer wird die Abkehr vom Sozial-taatsprinzip, von der Besteuerung nach der wirtschaftli-hen Leistungsfähigkeit in Deutschland eingeleitet.
as bedeutet ein weiteres Stück Abkehr vom Sozial-taat, dessen Sicherheit wir brauchen und den wir auchinanzieren müssen.
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Joachim Poß
Unser Sozialstaat hat nicht nur einen Preis, er hat aucheinen Wert. Diesen Wert müssen Sie langsam erkennen.Dieser Sozialstaat darf nicht von Ihnen Stück für Stückzerstört werden vor dem Hintergrund des Wahlergebnis-ses, das Sie in diese Lage versetzt hat.
Sie haben auch von Nachhaltigkeit gesprochen, HerrSchäuble. Diese Regierung besitzt keine nachhaltigeWachstumsstrategie im Interesse von Investitionen undArbeitsplätzen. Diese Regierung lebt von der Hand inden Mund. Das kann man exemplarisch festmachen.Über die Steuerentlastung für Hotels ist in den letz-ten Tagen schon ausführlich berichtet worden. Im Übri-gen wurde dies nicht nur von der FDP gefordert; dieCSU war auch an vorderster Front. Im Bayernkurier hatsich Herr Fahrenschon bereits im letzten Jahr dafür ge-lobt, dass er Herrn Steinbrück bedrängt hat, diesenQuatsch mitzumachen. „Quatsch“ stand natürlich nichtim Bayernkurier; so nenne ich es.Unerträglich war es mit der CSU auch schon zumEnde der Großen Koalition. Wir haben die Erbschaft-steuer gerettet zur Finanzierung von Bildung in denLändern.
Wenn die Sozialdemokraten nicht gewesen wären, FrauMerkel, dann hätten Sie auch da nachgegeben, und dannwäre das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer in Höhevon 4 Milliarden Euro mit steigendem Potenzial de factoweg gewesen.
So ist es doch. Es wurde immer quietschiger.Wessen Interessen wurden da eigentlich vertreten?Die Betroffenen wohnen nicht alle am Starnberger See,manche wohnen auch in der Schweiz, aber sie betreibenihre Geschäfte nach wie vor über München. Es könnennoch manche Unappetitlichkeiten zum Vorschein kom-men. Das ist die Klientelpolitik der CSU, die die Volks-partei in den letzten Jahren nur geschauspielert hat. Jetztwird sichtbar, was hinter der CSU steckt, und deswegenist sie in einer Krise. Das sage ich gar nicht hämisch;denn wir Sozialdemokraten stehen auch nicht so gut da.Es gibt auch in unserer Partei Diskussionen. Da bin ichganz ehrlich. Das abzustreiten, hätte keinen Zweck.Aber Sie sind – vor allem zu Stoibers Zeiten – gesprun-gen, wenn in München bei der Allianz oder bei Siemensgepfiffen wurde. Das haben wir doch bei jeder Verhand-lung in der Großen Koalition gemerkt.
Bemerkenswert ist, wie die Wirtschaftsverbände aufdie Nachfolger von Kohl, Strauß und Lambsdorff in denletzten Tagen Druck gemacht haben. Jetzt werdenMerkel, Seehofer und Westerwelle bedrängt und müssenden Druck aushalten, der schon früher üblich war. Unterdiesem Druck haben Sie sich, Frau Merkel, dann imHSfiKvrgnttPlelimmLwWSIKassKhsIpsgRgkfto
Herr Kollege, ich will inhaltlich nicht auf Ihre Rede
ingehen, sondern nur auf einen Punkt, der mich persön-
ch und menschlich sehr betrübt. Sie haben mich jetzt
ehrfach – aus Ihrer Sicht ist das ein schwerer Vorwurf –
it unserem verstorbenen Ehrenvorsitzenden Graf
ambsdorff verglichen. Ich möchte Ihnen, weil er vor
enigen Wochen gestorben ist, in aller Ruhe sagen:
enn Sie meinen, Sie würden mich beschimpfen, indem
ie mich mit Graf Lambsdorff vergleichen, so möchte ich
hnen sagen, dass Sie mir damit gerade ein wunderbares
ompliment gemacht haben.
Herr Westerwelle, ich wollte damit nicht auf die be-chtliche Lebensleistung des Grafen Lambsdorff zuprechen kommen. Ich war im Flick-Untersuchungsaus-chuss, ich habe die Vernehmungen von Lambsdorff undohl miterlebt und sie dort teilweise mitbefragt. Ichabe darauf hingewiesen, dass Sie ein Nachfolger despäteren Parteivorsitzenden Lambsdorff sind und dasshre Partei über eine gewisse Erfahrung in der Klientel-olitik verfügt. Auch Graf Lambsdorff – bei all seinenonstigen Verdiensten – war da durchaus erfahren; dennrundlos ist er damals nicht als Wirtschaftsminister deregierung Kohl zurückgetreten. Freiwillig ist das nichteschehen.Es beschädigt in meinen Augen auch nicht das Anden-en an Herrn Lambsdorff, wenn man einwandfrei zutref-ende Tatbestände mit den jetzigen Vorgängen in den his-risch richtigen Zusammenhang stellt. Darum ging es.
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1148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Michael Meister ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich möchte zunächst einmal im Namen derUnionsfraktion Danke sagen, dass wir hier und heutediese Plenardebatte zur Einbringung des Bundeshaus-halts führen können. Es ist richtig, dass die Bundesregie-rung den Etatentwurf zügig vorgelegt hat; denn auch imJahre 2010 sind wir nach wie vor mit den Folgen derWirtschafts- und Finanzkrise konfrontiert. Wir müssenKlarheit schaffen und dafür sorgen, dass die Investitio-nen, die wir tätigen wollen, eine gesetzliche Grundlagehaben und getätigt werden können. Es ist ein wichtigesSignal, dass wir heute beginnen, diese Grundlage zuschaffen. Ich sage der Bundesregierung für die zügigeVorlage des Etatentwurfes nochmals Danke.
Wir haben seitens der neuen Bundesregierung in Per-son des Bundesfinanzministers einen neuen Stil erlebt.Er hat diese Vorlage zuerst dem Haushaltsausschuss desDeutschen Bundestages vorgestellt und ist dann an dieÖffentlichkeit gegangen. Ich glaube, dass wir alle diesenStil der Bundesregierung, des Bundesfinanzministerssehr positiv bewerten. Das ist eine neue Form des Um-gangs zwischen Regierung und Parlament. Auch dafürmöchte ich Danke sagen.
Ich rate uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Stilauch im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüs-sen an den Tag zu legen.Ich muss sagen, Herr Kollege Poß: Der Haushaltsent-wurf, der uns jetzt vorliegt, entspricht mit Ausnahme derSofortmaßnahmen aus dem Koalitionsvertrag eins zueins der Vorlage von Herrn Steinbrück vom Sommervergangenen Jahres. Ich hätte von Ihnen erwartet, dassSie ein Wort dazu sagen, dass Sie hinter dieser Vorlagestehen. Sie aber versuchen, sich von Ihrer eigenen Poli-tik still und heimlich durch Polemik zu entfernen.
Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie ha-ben wesentliche Mitverantwortung für diesen Haushalt.
– Natürlich haben Sie wesentliche Mitverantwortung fürdiesen Haushalt, bis auf die Sofortmaßnahmen.
iese Sofortmaßnahmen bedeuten eine wesentlichentlastung der Familien in diesem Land.
ie führen dazu, dass Unternehmen in einer sehr schwie-igen Lage – im Jahre 2009 gab es mehr als 30 000 Un-ernehmensinsolvenzen –
icht noch weiter durch Steuergesetze in die Insolvenz-efahr oder in Sanierungsschwierigkeiten getrieben wer-en, und sie ermöglichen gerade mittelständischen Un-ernehmen die Generationennachfolge. Deshalb ist dieseolitik richtig.
s ist gut, dass Sie diese Maßnahmen in der aktuellenrise nicht länger verhindern konnten.
Natürlich können wir uns in dieser Debatte auch aufin anderes Niveau begeben. Sie, Herr Poß, fordern hierlarheit ein, vergessen aber, in Ihrer direkten Nachbar-chaft, nämlich im Rahmen der Kommunalwahl in Dort-und, darauf hinzuweisen, was haushalterisch bevor-teht.
ch finde, wir sollten in dieser Debatte einen anderen Stilflegen, weil dieses Niveau dem Ernst der Lage in unse-em Lande nicht gerecht wird. Wir sollten vielmehrrnsthaft über die Frage diskutieren, wie Haushaltsan-ätze auszusehen haben.Wir waren in dieser Krise der letzte Vertrauensanker.ir waren die Letzten, die versucht haben, wieder Ver-rauen in die Finanzmärkte zu schaffen. Was Sie hiereute Morgen abgeliefert haben, war allerdings ein we-entlicher Beitrag dazu, das letzte noch vorhandene Ver-rauen zu zerstören.
ch frage Sie: Wer soll denn Vertrauen schaffen, wennicht, wie es gegenwärtig geschieht, die Staaten und dieolitik? Sie leisten der Krisenbewältigung einen Bären-ienst. Kommen Sie wieder zu Bewusstsein, tragen Sieitverantwortung, und machen Sie auch einmal Vor-chläge, wie mit dieser Krise umgegangen werden soll!
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In Ihrer gesamten Rede haben Sie keinen eigenen Vor-schlag vorgetragen. Das ist kein Beitrag zur Bewälti-gung der Krise.
Als Zwischenbilanz muss ich sagen, dass ich mitdem, was wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren er-reicht haben, recht zufrieden bin. Was den Arbeits-markt betrifft, so hätte sich damals niemand träumenlassen, dass die Arbeitslosenzahl zum jetzigen Zeitpunktso niedrig ist. Die meisten haben uns vor einem Jahr eineZahl in der Größenordnung von 5 Millionen vorherge-sagt. Wir stehen jetzt deutlich besser da.
Das zeigt, dass sich die Tarifpartner verantwortlich ver-halten. Aber auch wir haben unseren Beitrag geleistetdadurch, dass wir Arbeit nicht teurer gemacht haben,und durch unser Angebot des Kurzarbeitergeldes. Dasfindet sich in diesem Haushalt wieder. Das war Politikfür die Menschen in Deutschland.
Wir wissen alle nicht, wie es mit dem Wachstumweitergeht; die Schätzungen gehen an dieser Stelle weitauseinander. Ich glaube, wenn wir das Ziel der Haus-haltskonsolidierung ernst nehmen, sollten wir alles da-für tun, Politik für mehr Wachstum in diesem Land zumachen. Es gibt einige Themen, bei denen Sie gesperrthaben: eine Energiepolitik, die es ermöglicht, langfristigzu planen, sodass Investoren investieren können;
Bürokratieabbau, nicht nur formal, sondern auch inhalt-lich; steuerliche Erleichterungen, um die Leistungsträgerzu mehr Leistung zu motivieren.
Hier müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit wirzusätzliches Wachstum in diesem Land aktivieren undüber zusätzliches Wachstum einen Beitrag zur Haus-haltskonsolidierung leisten.
Ich sage ausdrücklich: Ich halte es für richtig, dasswir die Menschen zu Beginn dieses Jahres in einem Um-fang von über 20 Milliarden Euro entlastet haben. Wirsollten weniger darüber diskutieren, was wir in der Zu-kunft tun wollen, und lieber darauf aufmerksam machen,was zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist.
Ich glaube, dass die Kollegen von der SPD an dieserStelle bedenken sollten, dass sie drei Viertel der Maß-ndadSEtttAWwDRhgsedttrweetamdfEnasdGwDDMpdads
Ich will noch etwas über die Zukunft sagen. Es gibt iner Bevölkerung massive Sorgen im Hinblick auf dieeldwertstabilität. Deshalb wird es wichtig sein, dassir jenseits aller Detaildebatten das klare Signal setzen:er Deutsche Bundestag steht für Geldwertstabilität.
as heißt, wir müssen uns eins zu eins zu denaastricht-Kriterien und zur Unabhängigkeit der Euro-äischen Zentralbank bekennen. Wir müssen die Konsoli-ierungsverpflichtungen aus dem Vertrag von Maastrichtufnehmen und ernst nehmen. Das ist keine Schwächunges Staates, sondern eine Stärkung der Zukunft der Men-chen in diesem Land.
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Dr. Michael MeisterWir haben die Schuldenbremse beschlossen. Vieletragen entschuldigend vor, wir müssten konsolidieren,weil es diese Schuldenbremse gibt. Ich möchte konsoli-dieren, damit wir auch in Zukunft ein Land haben, dasein festes Fundament für seinen Wohlstand hat. Wennwir die Haushalte nicht konsolidieren, wird das Funda-ment des Wohlstands verloren gehen.
Wenn wir nicht dafür sorgen, dass unser Staat, indem erdie Schulden zurückführt,
handlungsfähig bleibt, werden wir auch die Vorausset-zungen für den Sozialstaat nicht wahren können. Des-halb ist Konsolidierungspolitik Sozialpolitik für diesesLand, wenn wir sie denn als nachhaltig verstehen.
– Jetzt ist Ihr Ruf: Wo denn? Wir diskutieren heute denHaushalt 2010. Wir alle haben gehört, dass es im Hin-blick auf die Wachstumsschätzungen noch ungeheuerschwierig ist, vorherzusagen, was kommen wird. Welt-weit gibt es nach wie vor Blasenbildungen.
Aufgrund der Ungleichgewichte an verschiedenen Stel-len der Weltwirtschaft wäre es fahrlässig, jetzt auch nochden einzigen stabilen Anker unserer Volkswirtschaft, denBinnenkonsum, zu beschädigen.Aber wir müssen natürlich für die Zeit nach der Krisedarüber nachdenken, wie wir konsolidieren. Dazu sageich Ihnen relativ klar und deutlich: Wir brauchen hier einschlüssiges Gesamtkonzept, das mit dem Haushalt desJahres 2011 für die Zeit der mittelfristigen Finanzpla-nung kommen muss. Dabei können wir nicht nur einsei-tig sparen, sondern müssen gleichzeitig darauf achten,dass Beschäftigung und Wachstum stabil bleiben. Siehaben Anfang des Jahrtausends in der rot-grünen Koali-tion vorgeführt, was passiert, wenn man nur spart – dasist notwendig, aber nicht hinreichend –: Dann endet manmit keinem Wachstum – Nullwachstum hieß es damals –,mit steigender Arbeitslosigkeit und mit wachsendenHaushaltsbelastungen.
Dies werden wir vermeiden, indem wir eine klugeWachstumsstrategie mit der notwendigen sparsamenHaushaltsführung zusammenbinden. Dieses Konzeptwerden wir zusammen mit dem Haushalt 2011 diskutie-ren.
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eshalb sind wir der Meinung, dass es nicht ausreicht,ber diese Problembeschreibung nur zu reden; vielmehrüssen wir das Steuerrecht in Deutschland vereinfa-hen. Wir wollen dieses Problem angehen.
ch bin auch nicht der Meinung, dass wir Menschen dazuotivieren, mit uns gemeinsam aus dieser Krise heraus-ugehen, wenn wir ihnen das Signal geben, dass alles,as sie zusätzlich tun, mit einer extrem hohen Grenzbe-teuerung belastet wird. Deshalb müssen wir auch dieserage angehen.
uch an dieser Stelle kommt es wieder darauf an, nichtur die einzelnen Ziele für richtig zu erachten, sondernas Ziel eines einfacheren und leistungsgerechterenteuersystems auch mit der Frage der Haushaltskonsoli-ierung zusammenzubinden und daraus ein Gesamtwerku machen, damit es mittel- und langfristig bei den Men-chen glaubwürdig ankommt. Dies muss das Bestrebenieser Koalition sein, und deshalb werden wir gemein-am ein Konsolidierungskonzept und ein Steuerreform-onzept vorlegen.
Ich glaube Ihnen ja, dass Sie das Zutrauen an die Men-chen in diesem Land nicht haben. Wir haben das Ver-rauen in die Menschen dieses Landes, und wir wollenie Menschen in diesem Sinne motivieren, dass Sie die-es Problem mit uns gemeinsam angehen.
Meine Damen und Herren, wir können über jeden ein-elnen Titel reden, wir können über jede Haushaltsposi-ion streiten. Aber tun wir es bitte in der Sache, am In-alt orientiert, tragen wir die Argumente gegeneinander
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Dr. Michael Meistervor, aber bitte nicht in dem Stil, dass jeweils unterstelltwird, dass der andere es nicht ehrlich meine und nichtaufrichtig vortrage; dies führt uns alle nicht weiter.
Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen im Haus-haltsausschuss, lieber Kollege Barthle, dass sie vielleichtnoch die eine oder andere Million, vielleicht auch Mil-liarde finden, damit wir die jetzige Neuverschuldungzurückführen können. Wenn wir in diesem Geiste mit-einander sprechen, dann werden wir auch erfolgreicheHaushaltsberatungen haben.Vielen Dank.
Die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch hat nun das Wort für
die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir diskutieren seit heute Morgen darüber, wieschwarz-gelbe Politik funktioniert: Reiche Leute könnensich per Großspende ihre Politik direkt bestellen. Armehaben keine Chancen. – Mövenpick zahlte vor Beginnder Koalitionsverhandlungen eine Millionenspende andie FDP. Daraufhin beschloss die Koalition, dass derMehrwertsteuersatz für Übernachtungen gesenkt wird.Dieses Beispiel zeigt, dass Politik nicht mehr gewähltwird; sie wird bestellt. Eine Verkäuferin bei Lidl hatnicht die Möglichkeit, per Großspende Politik zu bestel-len. Darum werden ihre Interessen von Schwarz-Gelbauch nicht berücksichtigt.
Wer so handelt wie Schwarz-Gelb – Politik nachSpendenhöhe –, der legt die Axt an die Wurzel der De-mokratie. Damit finden wir uns nicht ab.
Wir brauchen ein Gesetz, das die Bestechung von Par-teien und Abgeordneten verbietet.
Der FDP kann ich nur empfehlen, die Millionenspendefür einen gemeinnützigen Zweck zu spenden; denn wennSie diese Spende behalten, dann werden Sie zu Recht alsMövenpick-Partei in die Geschichte eingehen.
Die Konstruktionsfehler dieses Haushaltes sindschnell erklärt: Erstens. Der Koalitionsvertrag vonSchwarz-Gelb sieht in den nächsten Jahren Steuersen-kungen in Höhe von 24 Milliarden Euro vor. Das istnuZbHmEPrlddmgBghSdsKGkKlknswitdnRdnglldhzZMcarlWd
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ie Tatsache, dass Sie von der SPD angesichts einer Fi-anzplanung, die bis zu Ihrem Ausscheiden aus der Bun-esregierung – das haben Sie bisher anscheinend nochicht ganz bemerkt – eine Neuverschuldung in Höhe von50 Milliarden Euro vorsah, hier erzählen, wie schlechtnd schlimm das alles ist, zeigt: Sie wollen von demchuldenberg, den Sie hinterlassen haben, mit möglichstroßer Lautstärke und möglichst wenig Inhalt ablenken.
Wie ist es denn in der Vergangenheit gewesen? Immerenn die Notwendigkeit zu Reformen bestand, hattean nicht ein einziges Mal den Mut, etwa mit dergenda 2010 die Baustelle aufzumachen. Daher hat manie mit mehr Geld zugeschüttet. Im Endeffekt hat manafür immer wieder neues Geld gebraucht. Sie wollenun – das sollten Sie den Bürgern auch sagen – eigent-ich denselben Weg gehen. Sie wollen unsere Steuerre-orm mit einem Entlastungsvolumen von 19,5 Milliar-en Euro – das werden wir noch wuppen; das steht so imoalitionsvertrag und wurde im November letzten Jah-es von der Bundeskanzlerin genau dargelegt und bestä-igt – nicht mittragen. Sie wollen sie aber nicht nur des-alb nicht, weil Sie gegen Steuersenkungen sind.ielmehr brauchen Sie das Geld, um die nächsten Aus-abenideen zu verfestigen. Es wird wieder wie folgtein: Sie erzählen uns zu Beginn der ersten Lesung, wiechlimm und wie schrecklich das alles sei und dass manparen müsse.
ber den ganzen heutigen Nachmittag, morgen, über-orgen und am Freitag werden Sie in den Debatten überie Einzeletats wieder mehr Geld fordern.
as ist der Grund: Sie wollen den Bürgern mehr Geldus der Tasche ziehen.
s geht Ihnen nicht um das Sparen, sondern nur darum,hre Ausgabenpolitik, die die Menschen weiterhin nurevormundet, fortsetzen zu können. Deswegen sind Sieegen Steuersenkungen. Sie wollen am liebsten alleöglichen Steuern erhöhen.
Wir wollen das alles nicht.
enn wir sind in unserem Land an folgendem Punkt an-elangt – auch das gehört zur Wahrheit der Zahlen –:hne dass es darum geht, einen Schuldigen zu finden,üssen wir sehen, dass in diesem Jahr die Sozialausga-
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Otto Frickeben und die Zinsausgaben, die aus diesem Haushalt ge-leistet werden müssen, 100 Prozent der Steuereinnah-men, also alle, beanspruchen. Wie können Sie angesichtsdieser Lage unseres Staates, den Sie uns so überlassen ha-ben – welches Bild machen Sie sich eigentlich? –, glau-ben, dass wir mit Ihrer alten Politik weiterkämen? WennSie irgendwann wieder an der Regierung wären, würdenSie wahrscheinlich überraschenderweise feststellen: Estut uns leid, aber wir müssen wieder einmal die Mehr-wertsteuer erhöhen. – So sieht doch Ihre Politik aus. Un-sere dagegen ist ganz anders.
Der Haushalt 2010 ist für alle sehr schwierig. HerrKollege Schneider hat das in der letzten Debatte deutlichgesagt. Wir müssen im Haushalt 2010 aber mit dem an-fangen, was Mentalitätswechsel genannt wird, eigentlichaber nichts anderes als Sparen heißt, und zwar nicht imSinne eines Kaputtsparens – ich weiß, dass das Ihrnächster Vorwurf sein wird –, sondern eines klugen Spa-rens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,Sie sollten einmal Ihren Kopf anstrengen und sich über-legen, wie das geschehen kann, statt sich hier nur gemüt-lich zu räkeln und andere Politiker zu diffamieren.
Der Mentalitätswechsel fängt bei dem an, was die FDPin der Vergangenheit als Oppositionspartei immer getanhat, nämlich bei dem Einbringen von konkreten Vor-schlägen.
– Frau Künast, wenn Sie Politik nicht vertragen, danngehen Sie lieber raus in den Berliner Winter. Das ist viel-leicht schöner für Sie, auf jeden Fall aber für die hierAnwesenden.
Wenn Sie ernsthafte Oppositionspolitik machen undnicht nur daherreden wollen, wie Herr Kollege Poß, denich jetzt leider nicht sehe – vermutlich ist er in sich ge-gangen und überlegt sich noch einmal, was er da gesagthat –, es getan hat, dann machen Sie konkrete Vor-schläge. Zeigen Sie, dass Sie Ihre Arbeit mit dem Kopfmachen und nicht mit anderen Körperteilen.Gilt das, was zu dem Sparbuch gesagt wurde, noch?– Wir haben als Oppositionsfraktion das Sparbuch 2009,2awuSivWfswAdtMazGIdtDvJFHmw–madmmS
nd wir wissen aufgrund der Schuldenbremse und destabilitätspaktes sogar, wie viel wir sparen müssen. Abermmer dann, wenn es beim Sparen konkret wird, kommton Ihnen nichts.
ir als Koalition sind offen für Vorschläge Ihrerseits,ür Sparvorschläge, die, wie es der Finanzminister ge-agt hat, über die ganze Bandbreite gehen. Denn seienir doch ehrlich. Bei den meisten heißt es immer noch:ls Politiker bin ich nicht für das Sparen zuständig, son-ern höchstens dafür, hier und da ein Geschenk zu ver-eilen.
Meine Bitte an die Bürger lautet: Wann immer Sie dereinung sind, der Staat müsse hier oder da mehr Geldusgeben und dass wir an der einen oder anderen Stelleu wenig tun, dann sagen Sie gleichzeitig, wo wir daseld hernehmen sollen und wie viel Sie entsprechendhrer Leistungsfähigkeit dafür zu tun bereit sind.
Herr Minister, Sie wissen, dass die Koalitionäre undie Arbeitsgruppe Haushalt Sie bei den ersten Vorberei-ungsschritten in diesem Jahr, die im Ansatz schon dasenken hinsichtlich der Mammutaufgaben, die wir nochor uns haben, beinhalten, unterstützen. Im vergangenenahr, als wir das noch allein machen konnten, hat dieDP-Fraktion mit ihrem Sparbuch Vorschläge für denaushalt 2009 vorgelegt. Das geht in diesem Jahr nichtehr, weil wir einen Koalitionspartner haben, mit demir vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Ich weiß, dass ihr es mit der vertrauensvollen Zusam-enarbeit nicht so sehr hattet. Wir handhaben das etwasnders.
Herr Minister, wir erwarten von Ihnen aber auch, dassie Liste, an der Sie im Ministerium arbeiten lassen,öglichst breit aufgestellt ist, dass sie ein großes Volu-en hat und die Möglichkeit eröffnet, die weiterenteuerentlastungen in Höhe von 19,5 Milliarden Euro so
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Otto Frickein die Haushalte einzuarbeiten, dass das zusätzlicheNetto vom Brutto, was wir dem Bürger für die nächstenvier Jahre im Koalitionsvertrag versprochen haben, auchumgesetzt werden kann. Sie haben die Koalitionsfraktio-nen dabei an Ihrer Seite, und zwar nicht nur bei Schön-wetterpolitik oder der Verteilung von drei zusätzlichenMehrwertsteuerprozentpunkten, sondern dann, wenn eswindet, stürmt und schneit und wir dieses Land für dieZukunft fit machen.Warum wollen wir eigentlich einen fitten Staat?Selbst wenn man, wie Sie, Herr Trittin, nicht mehr anWachstum glaubt, dann glaubt man doch immer noch da-ran, dass man diesen Staat umbauen muss. Wir werdenes nicht schaffen, diesen Staat umzubauen, indem wirimmer wieder neue Subventionen gewähren.
Sie von Rot-Grün – von den Linken rede ich gar nichtmehr – greifen dem Bürger in die Tasche, ziehen ihm ei-nen Zehneuroschein heraus, holen einen Fünfeuroschein,stecken ihm einen Fünfeuroschein in die andere Tascheund sagen: Freu Dich, denn wir haben Dir etwas gege-ben. – Wir wollen das nicht, wir wollen mehr Netto fürden Bürger, wir wollen endlich eine Wende in der Aus-gabenpolitik und wir wollen aufhören, dem Bürger vor-zumachen, der Staat könne alles. Der Bürger ist es, deralles – wirklich alles – kann – wenn man ihn denn lässt.Herzlichen Dank.
Alexander Bonde ist der nächste Redner für das
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Koalition gelingt mit dem Haushalt 2010 eine Re-kordverschuldung von historischer Dimension. Die Neu-verschuldung im Haushalt beträgt 86 Milliarden Euro,hinzu kommen Schattenhaushalte, die, nach dem, wasder Finanzminister zugibt, ein Volumen von 14 Milliar-den Euro haben. Wenn man alles zusammenrechnet, wasim Hause Schäuble unter den Teppich gekehrt wird, dannist man schon bei 130 Milliarden Euro, weil 30 Milliar-den Euro reale Verschuldung für die Bankenrettung inIhrer Rechnung nie eine Rolle spielen. Die Verschuldungdes Bundes reißt unter Ihrer Ägide, Frau Merkel, die1-Billion-Euro-Marke. Eigentlich liegt es in Ihrer Verant-wortung, ehrlich darüber zu reden, was dieser Haushaltfür unsere Kinder, unsere Enkel und unsere Urenkelheißt, die diese Veranstaltung bezahlen.
Wenn Sie hier von Verantwortung und Generationen-gerechtigkeit sprechen, dann müssen Sie auch darübersprechen, ob dieser Haushalt der großen Verantwortunggerecht wird und ob Sie als Bundesregierung alles dafürtun, damit dieser Haushalt auch die Interessen derjeni-gsKtsiidmwddBEmMegbMisn0bEaSlnzssekvnutte4dSdöHdSS
Damit sind wir an dem Punkt, was man verantwort-ich in diesem Haushalt machen kann. Warum gehen Sieicht an einen Bereich, wo Sie eine doppelte Rendite er-ielen können? Warum leisten wir uns den Irrsinn in die-em Bundeshaushalt, den Sie hier verabschieden, mas-ive klimaschädliche Subventionen zu zahlen? Ich wills einmal zusammenfassen: Das Umweltbundesamt kal-uliert mit 42 Milliarden Euro umweltschädlichen Sub-entionen im Bundeshaushalt. Warum tun Sie das in ei-er Situation, in der Klimawandel eine harte Realität istnd in der wir hart kämpfen müssen, alles Mögliche zuun, um den Klimawandel zu stoppen, und wir gleichzei-ig eine Rekordverschuldung haben? Warum legen Sieinen Haushalt vor, der nach der Logik funktioniert: Mit2 Milliarden Euro Steuergeld, die ich nicht habe, för-ere ich umweltschädliches Handeln, um mit weiteremteuergeld, das ich auch nicht habe, wenigstens einigeer Auswirkungen wieder auszugleichen? Das ist diekologische und ökonomische Logik Ihres Haushaltes,err Schäuble. Das macht keinen Sinn.
Das Problem ist, dass Ihre Zukunftsbetrachtung miter NRW-Wahl endet. Warum machen Sie eigentlichteuergeschenke in Höhe von 20 Milliarden Euro, dieie laut Koalitionsvertrag und auf Beharren Ihres Koali-
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Alexander Bondetionspartners mit Geld bezahlen wollen, das Sie auf dieRekordverschuldung draufpacken?Ich will noch einmal die Relation verständlich ma-chen: 325 Milliarden Euro Ausgaben, davon 100 Mil-liarden Euro auf Pump. Jeder Mensch weiß, dass ein sol-cher Schuldenberg nicht abbaubar ist, wenn man auchnoch die Einnahmeseite kaputtmacht.
Herr Schäuble, wenn Sie ehrlich sind, dann müssen Siezugeben, dass ich recht habe.Ich verlange von Ihnen in solch einer Situation eineehrliche Aussage, etwa: Ja, wir als Politiker werden sa-gen müssen, dass in dieser Krise starke Schultern mehrtragen müssen, dass wir keine Luft für Steuersenkungenhaben und dass es vielmehr darum gehen wird, wie dieLasten gemeinsam solidarisch getragen werden: Auf die-jenigen, die es in dieser Gesellschaft gut haben, kommteine besondere Verantwortung zu, deshalb müssen wirüber die Höhe des Spitzensteuersatzes reden, und des-halb müssen wir über eine befristete Vermögensabgabereden. – Alles andere ist unehrlich und geht an das Fun-dament dieser Gesellschaft.
Lassen Sie uns einmal über ein paar andere Irrsinnig-keiten reden, die hier ebenfalls verteidigt werden.Schauen wir uns einmal den Bereich der Subventionenan, die Sie sich hier weiter munter leisten. Ich bin übri-gens wirklich überzeugt, dass Sie in der Frage der Gene-rationengerechtigkeit nicht ehrlich argumentieren. Sonstwürden Sie sich nämlich fragen: Wovon haben unsereKinder mehr? Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kin-der mehr davon haben, dass die Gemeinde das Schul-haus sanieren kann, als davon, dass das Überraschungseiweiter einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegt.
Ich bin überzeugt davon, dass unsere Kinder mehr davonhaben, dass sich die Länder ordentliche Lehrerinnen undLehrer leisten können, als davon, dass Baron von Finckdie nächste Steuererleichterung bekommt.
Die „Steuerdrohung“ in Ihrem Haushaltsentwurf istein massiver Angriff auf die Kommunalfinanzen. Ichweiß nicht, auf welchen Neujahrsempfängen Sie unter-wegs waren. Unabhängig vom Parteibuch klagen dochjede Bürgermeisterin und jeder Bürgermeister über diemassiven Auswirkungen, die Ihre Politik hat. Mit Ver-laub, als Landsmann, Herr Kollege Schäuble: Bei denNeujahrsempfängen in Ihrem Wahlkreis habe ich dielautesten Klagen gehört, und das hat doch einen Grund.
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ie als Koalition stehen jedenfalls immer auf der fal-chen Seite.
Es gibt übrigens einen Grund dafür, dass Sie diesesahr eine Rekordverschuldung wollen; das geben Sielle nicht zu. Es ist spannend, zu lesen, was alles geschrie-en wird. Gestern hat Dr. Hermann Otto Solms, Vorsit-ender des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen derDP-Bundestagsfraktion, an seinen Fraktionsvorstand ge-chrieben – das ist erhellend; es steht auf Seite 4 –:In der Struktur kann die Konsolidierung aber erstmit dem Haushalt 2011 beginnen.Dafür spricht zum einen die Mechanik der neuenSchuldenbremse.r erklärt sie dann kurz und schreibt weiter:Die strukturelle Kreditaufnahme des Jahres 2010 istalso die Ausgangsbasis für den Konsolidierungs-pfad bis 2016.uf Deutsch gesagt: Bitte, dieses Jahr eine möglichstohe, eine Rekordverschuldung, dann wird es späterämlich einfacher, zu sparen, und wir können diecheißschulden
n die nächste Regierung abschieben. Und wir habenichts mehr damit zu tun. Sie verschleiern hier mit Ihreranzen Konsolidierungsstrategie bewusst, was für eineperation hier läuft.
Sie von der FDP haben im Wahlkampf eine Schul-enreduzierung versprochen. Wir wissen jetzt alle, dassamit nur Ihre Parteikasse gemeint sein kann.
er Begriff „Hotellobby“ hat eine ganz neue Bedeutungekommen, wie man feststellt, wenn man sich auf derechten Seite des Parlaments umschaut.
ragen Sie einmal, was eigentlich die Wirtschaft zu Ih-en Geschenken sagt. Fragen Sie einmal, was all die Un-ernehmen machen, für die es deutlich teurer wird. Sie
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Alexander Bondehaben dieses Geschenk entgegen aller ökonomischenVernunft durchgesetzt. Sie haben sich auf die Seite IhrerSteuerspezies und Spendenspezies gestellt und ebennicht auf die Seite derjenigen, die in diesem Land mitharter Arbeit Wohlstand generieren wollen.
Sie verstehen vielleicht etwas von Vetternwirtschaft,aber nicht von Wirtschaft. Das haben Sie mit dieserMaßnahme bewiesen.
Ob BDI, DIHK oder der Zentralverband des Deut-schen Handwerks – alle fordern von Ihnen: Schaffen Siediesen Unfug so schnell wie möglich ab! Wir habenheute Morgen versucht, Ihnen die Möglichkeit hierzu zugeben. Dem entsprechenden Geschäftsordnungsantraghaben Sie mit Ihrer Mehrheit die Zustimmung verwei-gert. Wir werden Sie da treiben. Sie wissen, dass in IhrenReihen genügend Personen wissen, was für einen UnfugSie da angestellt haben. Sie wissen auch, welches Lichtdieser Vorgang auf die Bundesrepublik wirft.Die Frau Kanzlerin ist nicht mehr da, aber sie weiß,welchen Begriff eine schwäbische Hausfrau wählt, wennman sie bittet, den Vorgang – Steuern für jemanden sen-ken und dann von diesem Millionenspenden annehmen –zu beschreiben. Mit Verlaub, die Wahrnehmung derschwäbischen Hausfrau unterscheidet sich da nicht sehrvon der einer afghanischen Hausfrau, um einmal einenVergleich zu wählen, der auch in den Sphären, in denenHerr Westerwelle schwebt, verstanden wird.Ich frage mich schon, wie der Außenminister, wenn erdaheim als Parteivorsitzender solche Spenden annimmt,mit so einer Geschichte im Gepäck auf der Welt fürGood Governance werben will.
Ich frage mich, wie ein Entwicklungsminister weltweitRegierungen zu guter Regierungsführung ermahnenwill, wenn er zu Hause als Generalsekretär solche Spen-den angenommen hat.Ich finde das dröhnende Schweigen der Kanzlerinund das dröhnende Verteidigen dieses Vorgangs durchdie CDU-Fußtruppen schon bedenklich. Sie wissen, esist nicht sauber, was hier passiert ist. Sie wissen, diesesGesetz ist bar jeglicher ökonomischer Sinnhaftigkeit.Hier hat sich Klientelpolitik durchgesetzt. Das kann sichkein Land in dieser Welt leisten.Kehren Sie um! Geben Sie die Spende zurück! Undmachen Sie endlich eine ordentliche Politik, von der dieWirtschaft etwas hat, und nicht nur Ihre Sponsoren!Vielen Dank.
CDtohtdvlzdIWdmeiddsgrigTBßesWsSvnujmKWgt
ann ist das Ihre Entscheidung.
ch bin aber überzeugt: Schon die Wählerinnen undähler bei der NRW-Wahl werden Ihnen die Quittungafür erteilen. Dieser sehe ich ganz gelassen entgegen.In den Reden, vor allem in der vom Bundesfinanz-inister, war viel über die aktuelle Krisensituation, dies zu bewältigen gilt, zu hören. In dieser Krisensituationst tatsächlich rasches Handeln notwendig. Deshalb be-anke auch ich mich beim Bundesfinanzminister dafür,ass er den Entwurf für den Bundeshaushalt 2010 sochnell eingebracht hat. Das zeugt zum einen von derroßen Kontinuität des Unionshandelns und zum ande-en von der großen Verantwortung, die der FDP-Partnern dieser Koalition wahrnimmt. Das möchte ich einmalanz deutlich sagen; denn die Bereitschaft, in weiteneilen den von der Vorgängerregierung aufgestelltenundeshaushalt zu übernehmen, ist Ausweis eines gro-en Verantwortungsbewusstseins.Die Kritik der Opposition, wenn sie denn überhauptrnst zu nehmen ist, macht sich ja an dem allerersten Ge-etz fest, das wir beschlossen haben, nämlich demachstumsbeschleunigungsgesetz. Herr Poß, mit die-em Gesetz einher gehen für den Bund im Jahr 2010teuerausfälle bzw. Mehrausgaben mit einem Volumenon knapp 4 Milliarden Euro. Gäbe es dieses Gesetzicht, könnten wir die Nettokreditaufnahme vielleichtm 4 Milliarden Euro absenken. Wenn Sie mir heute undetzt die Zusicherung geben, dass Sie dann, wenn wir dasachen, mit Ihrer Kritik aufhören, dann nehme ich Ihreritik ernst, andernfalls nicht.
enn Sie mir diese Zusicherung geben, dann können wirerne auf dieser Basis in die Haushaltsberatungen eintre-en und uns Ende März wieder sprechen.
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Norbert Barthle
– Nein, nein!Meine Damen und Herren, wir werden diesen Haus-halt sehr zügig beraten und uns damit der Fessel der vor-läufigen Haushaltsführung entledigen. Das stärkt auchdie Kräfte, die wir zur Überwindung der aktuellen Krisebenötigen. Von daher ist es ganz wichtig, so zu verfah-ren.Dennoch muss ich sagen: Der Haushalt 2010 ist we-der ein „Wunschhaushalt“ noch ein „Wünschehaushalt“.Gäbe es diese aktuelle Krise nicht, dann hätten wir Par-lamentarier es geschafft – davon bin ich überzeugt –, diein der mittelfristigen Finanzplanung vorgegebene undauch vom Finanzminister wiederholte Wegmarke, näm-lich eine Schuldenaufnahme von maximal 6 MilliardenEuro, deutlich zu unterschreiten. Ich bin überzeugt, wirwären sogar bei Null angekommen.Aber wir leben nicht unter einer Käseglocke. Wirmüssen uns mit der aktuellen Krisensituation auseinan-dersetzen. Deshalb lassen wir die automatischen Stabi-lisatoren wirken. Steuermindereinnahmen und steigendeAusgaben für die Arbeitsplatzsicherung werden durcheine höhere Kreditaufnahme aufgefangen. Außerdemhaben wir gezielte konjunkturstützende Maßnahmen be-schlossen, und zwar mit Teilen der Opposition. Das alleswar richtig, um wieder positiver in die Zukunft blickenzu können.Ich lade auch Sie, meine Damen und Herren von derOpposition, zu Beginn des Jahres 2010 dazu ein, sich dieaktuellen Arbeitsmarktzahlen, die aktuelle BIP-Entwick-lung und die unterschiedlichen Prognosen anzuschauen.Ich sage als Mitglied der Union nicht ganz ohne Stolz:Wer hätte noch vor einem halben Jahr gedacht, dass wirbereits beim Haushaltsabschluss 2009 deutliche Wachs-tumsimpulse realisieren können – statt knapp 50 Milliar-den Euro Neuverschulung 35 Milliarden Euro? Das isteine tolle Leistung. Deshalb sind wir überzeugt: Es warrichtig, so zu handeln. Wir können die ersten zartenPflänzchen einer wirtschaftlichen Ernte einbringen, undwir werden den erfolgreichen Kurs der neuen Koali-tionsregierung weiter fortführen.
Wenn ich aus dem linken Lager die Unkenrufe bezüg-lich angeblicher sozialer Kälte der neuen Koalition höre,dann kann ich mich nur fragen, wie das begründet ist.
Der Haushalt 2010 ist allerdings – auch das sage ichdeutlich – kein Wünschehaushalt. Allein durch haus-haltspolitische Zurückhaltung und strikte Prioritätenset-zung werden Perspektiven geschaffen. Denn wir allewissen, dass das jetzige Volumen der Nettokreditauf-nahme auf Dauer nicht so hoch bleiben kann. Deshalbwerden wir zielstrebig wieder auf den Konsolidierungs-kurs einschwenken, den wir bereits aus der Vorgänger-rsdtsaheFdrddsSwj2GSMdsdb2dWkvMiaedN1wDFnswIT
ir werden beweisen, dass wir das noch einmal schaffenönnen. Wir werden diese erfolgreiche Politik im Sinneon Stabilität und Nachhaltigkeit fortsetzen. Das ist einarkenzeichen der Union; dafür stehen wir.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einen kleinen Blickns europäische Ausland werfen, nicht um von der Krisebzulenken, sondern um zu beweisen, dass unser Wegrfolgreich ist.In Großbritannien, einem wirtschaftspolitisch be-eutsamen Land, das nicht zur Eurozone gehört, liegt dieeuverschulung im zweistelligen Bereich: 2010 sind es2,9 Prozent, 2011 sind es 11,1 Prozent. Großbritannienill die 3-Prozent-Grenze 2014/2015 wieder einhalten.ie Briten sind aufgrund ihres Finanzplatzes von derinanzkrise schwer betroffen. Deshalb wird es auch dortur mit schmerzhaften Maßnahmen gelingen, diese Kon-olidierung zu erreichen.Schauen wir nach Irland. 2010 und ebenfalls 2011ird die Neuverschuldung bei 14,7 Prozent liegen. Dieren wollen bis zum Jahr 2014 wieder auf den „Pfad derugend“ zurückkehren. Auch für sie wird es schwer
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Norbert Barthlewerden, diesen Weg zu beschreiten; denn die Schulden-standsquote in Irland liegt bei 100 Prozent.Wie wichtig es ist, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeitund Nachhaltigkeit in der Finanz- und Wirtschaftspolitikzu bewahren, zeigt auch das Beispiel Griechenland. Die-ses Beispiel hat uns in den vergangenen Wochen vorAugen geführt, wie schnell die Glaubwürdigkeit einesLandes verloren gehen kann.Lassen Sie uns nach Frankreich schauen. Frankreichwird im Jahre 2010 bei einer Neuverschuldung von8,2 Prozent und im Jahre 2011 bei einer Neuverschul-dung von 7,7 Prozent liegen. Wie Deutschland willFrankreich bereits 2013 das Defizitkriterium wieder ein-halten. Auch für Frankreich gilt: Dieses Ziel ist nur mitstrikten Konsolidierungsmaßnahmen zu erreichen.Ich sage in aller Deutlichkeit: Es war eine großartigeLeistung, die Maastricht-Kriterien einzuziehen. In die-sem Zusammenhang will ich an Helmut Kohl und TheoWaigel erinnern. Es war auch eine großartige Leistung,die Schuldenbremse im Grundgesetz zu verankern. Bei-des zusammen wird dazu führen, dass allen Ausreißver-suchen und allen Versuchungen, zu einer weicheren Po-litik zu gelangen, Einhalt geboten wird.Jetzt schlägt die Stunde des Euro. Wenn der Eurodiese Feuertaufe besteht, die mit dieser Krise einhergeht,dann wird er sich – davon bin ich überzeugt – zu einerinternational stabilen und zuverlässigen Währung entwi-ckeln. Davon profitieren wir alle. Auch das gehört zu un-serem Konzept einer weiteren Konsolidierung.
Ich habe bereits erwähnt, dass der Haushalt 2010 keinWünschehaushalt ist. Mit Blick auf die Beratungenmöchte ich betonen: Wer in dieser angespannten Lageneue Ausgaben vorschlagen möchte, der ist selbstver-ständlich dazu aufgerufen, eine Idee zur Gegenfinanzie-rung zu präsentieren. Denn nur so können wir die golde-nen Regeln, die wir in unserem Koalitionsvertragvereinbart haben, einhalten. Diese Regeln sind für unsParlamentarier eine wichtige Leitlinie, die uns für dieanstehenden Haushaltsberatungen eine Orientierung ge-ben.Es wird immer wieder über die Frage diskutiert: Wasist mit den Steuersenkungen? Ich sage Ihnen klipp undklar: An dieser Stelle sind wir von der Union gar nicht soweit von der FDP entfernt, wie immer wieder der An-schein zu erwecken versucht wird.
Denn eines ist vollkommen klar: Auch wir wollen eineSteuerstrukturreform; auch wir wollen die Abflachungdes Mittelstandsbauchs; auch wir wollen die Bekämp-fung der kalten Progression.
Auch die Kanzlerin hat dies gerade in den letzten Tagenbetont.
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Wir stellen uns in den anstehenden Beratungen dererantwortung – das sind zwei Seiten einer Medaille –,en Haushalt konsequent zu konsolidieren und gleich-eitig Spielräume für weitere Entlastungen der Bürgerin-en und Bürger zu schaffen. Das ist die erfolgreiche Po-itik der Union; das ist die erfolgreiche Politik der FDP.as wird auch die erfolgreiche Politik dieser christlich-iberalen Koalition sein. Wir haben dazu die Kraft unden politischen Willen. Wir werden das in die Tat umset-en.Danke.
Carsten Schneider spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn man die Rede von Herrn Barthle verfolgt, dannat man den Eindruck, dass darin viel Autosuggestionnd wenig Realität enthalten ist. Der Herr Minister hat ineiner Einbringungsrede sehr pathetisch geredet, ohneonkret zu werden. Die FDP hält Sonntagsreden – ichage gleich auch noch, warum –, in denen sie Verspre-hungen macht, als sei sie immer noch nicht in der Re-ierung angekommen, und die Union macht alles mit.
Als Erstes muss man sich die Frage stellen: Wo stehenir? Aufgrund der Konjunkturprogramme, für die SPD-inister maßgeblich verantwortlich waren – ich nenneas Kurzarbeitergeld, aber auch die Investitionsmaßnah-en, die auf Peer Steinbrück zurückgehen –, war dieage im Jahre 2009 besser, als es prognostiziert wurde.err Schäuble, Sie haben 15 Milliarden Euro wenigerreditaufnahme verbuchen können, als vorhergesagturde. Damit hat die FDP nicht viel zu tun gehabt. Dasinzige Gesetz, das Sie bisher gemacht haben, wird dazuühren, dass die eingesparten 15 Milliarden Euro, die imahr 2010 einen Basiseffekt in Höhe von 10 Milliardenuro haben, verjuxt und verpulvert werden – beispiels-eise an Hoteliers –, ohne dass es einen nennenswertenachstumseffekt gibt.
Das ist eine neue Währungseinheit: Für 1 Millionuro bekommt man 1 Milliarde Euro. Das gibt es an-
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Carsten Schneider
scheinend nur bei der FDP. Ich frage mich nur, ob esdiese Million jetzt jährlich gibt oder ob Sie die 1-Mil-liarde-Lobbyvergünstigung wieder aufheben.75 Milliarden Euro betrüge die Nettoneuverschul-dung auch – das gebe ich zu –, wenn die SPD noch ander Regierung wäre. Das ist krisenbedingt. 10 MilliardenEuro packen Sie obendrauf. Bei einer jährlichen Durch-schnittsverzinsung von 4 Prozent – der jährliche Durch-schnitt wird in etwa so sein; die Zinsen werden wiedersteigen – macht dies jedes Jahr Mehrkosten in Höhe von400 Millionen Euro aus, die Sie zukünftigen Generatio-nen aufbürden.
Sie halten Sonntagsreden. Wenn es nach der FDP ge-gangen wäre, dann hätten wir jetzt ein Grundgesetz, dasgar keine Neuverschuldung zulässt. Richtig? Ihr Punktwar doch immer – um ein bisschen ökonomisch zu den-ken –: Die Neuverschuldung muss null betragen; allesandere ist schlecht.
Wir – auch Teile der Union wollten das – haben danndurchgesetzt, dass man konjunkturreagibel vorgehenkann.Was würden Sie heute eigentlich machen? Was wäreIhre ökonomische Antwort? Wo würden Sie sparen? Ichwarte, insbesondere nachdem Sie vier Monate – manweiß nicht so richtig, ob Sie nun zusammen regierenoder nur gemeinsam die Pöstchen besetzen – in einerKoalition sind, darauf, dass Sie sagen, was denn nunkommt. Herr Minister Schäuble hat heute darüber ge-sprochen, wie wichtig Vertrauen insgesamt und auch fürdie wirtschaftlichen Akteure ist.
Dem widerspreche ich nicht; das nehme ich sehr gerneauf. Dann müssen Sie aber auch bei den Bürgerinnenund Bürgern in diesem Land Vertrauen für die Politik,die Sie machen, schaffen, indem Sie sagen, was Sie tunwollen. Darum drücken Sie sich herum.
Sie wissen, Sie müssen im nächsten Jahr 10 bis15 Milliarden Euro sparen, um die Regelungen zurSchuldenbremse einzuhalten. Sparen kann eine Einnah-meverbesserung bedeuten. Sparen kann man auch beiden Ausgaben. Sie sagen nicht, was Sie wollen.
Herr Schäuble hat vorhin gesagt: Das machen wir lieberein bisschen später, dann bekommt das keiner mit; dasist besser, ansonsten wird es nur zerredet.bMrkHfbjBntkEjsdtHkSBfdvrVtgddedtEaDwmVdw
Meine Damen und Herren, was diesem Land bis 2016evorsteht, um die europäischen Regelungen und dieaßgaben der deutschen Verfassung umzusetzen, da-über kann man nicht einfach mal im Hinterzimmer dis-utieren. Man kann nicht einfach kommen und sagen:oppla, hier bin ich; diese und jene Maßnahme gilt jetztür diese Zeit.Hier hätte es einer ehrlichen Wahlauseinandersetzungedurft. Das haben Sie nicht gemacht. Das fällt Ihnenetzt auf die Füße. Ich weiß nicht, wie viele Treffen miteglückwünschungen und Beweihräucherungen Sieoch abhalten wollen. Sie haben zu Beginn der Koali-ion, zu dem Zeitpunkt, an dem man es tun muss, nichtlar gesagt, was die Herausforderungen sind und was iminzelnen umgesetzt werden muss. Das tun Sie auchetzt nicht. Sie verschieben das immer weiter. Sie ver-chieben es jetzt auf die Steuerschätzung im Mai. Nur,ie findet kurz vor der nordrhein-westfälischen Land-agswahl statt.
err Schäuble, Sie haben gesagt, für 2010 müssten Sieeine mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Da habenie recht. Aber für 2011 müssen Sie das tun.
Sie haben im Rahmen der goldenen Regeln – Herrarthle hat sie eben hier zitiert – das Top-down-Prinzipestgelegt. Sie sagen also, wie hoch die maximale Kre-itaufnahme ist, und dann sagen Sie den Ressorts, wieiel sie bekommen. Sie haben ein Haushaltsaufstellungs-undschreiben herumgeschickt – das ist der Beginn dererhandlungen –, in dem nichts davon steht. Außer Rhe-orik und Ankündigungen, dass alles schwierig wird undespart werden muss, steht keine politische Entschei-ung der Regierung, wohin es gehen soll, am Beginnieses Verfahrens.Das wollen Sie innerhalb eines Monats nach der Steu-rschätzung machen. Was wird die Steuerschätzungenn bringen? Wir wissen, das strukturelle Defizit be-rägt 70 Milliarden Euro. Vielleicht sind es 72 Milliardenuro, vielleicht sind es 68 Milliarden Euro. Dies ändertber nichts an der Substanz.
as ist angekündigter Wahlbetrug vor einer Landtags-ahl. Anders kann ich das – es tut mir leid – nicht for-ulieren.
Wir sind nicht irgendjemand. Das ist die größteolkswirtschaft Europas. Wir treffen wichtige Entschei-ungen. Bald kommt das Jahr 2012. 2013 steht schonieder eine Wahl an. Ich weiß nicht, wann Sie mit der
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Wahrheit herausrücken wollen. Sie müssen diese Ant-worten aber geben, gerade auch im europäischen Kon-text. Wenn Sie weiterhin wollen, dass wir uns niedrigverschulden, dass die Leute uns vertrauen und Geld ge-ben, dann müssen Sie einen klaren Fahrplan haben.Nichts haben Sie! Sie riskieren eine Inflation. Sie riskie-ren steigende Zinsen. Sie riskieren, dass das Spargutha-ben der kleinen Leute nichts mehr wert sein wird.
Ich weiß nicht, was für Sie noch wichtig ist. Wir ha-ben noch viele Landtagswahlen, vielleicht gibt es nocheine Oberbürgermeisterwahl oder eine Kreistagswahl inBuxtehude. Denn danach wird jetzt die BundesrepublikDeutschland geführt. Das ist ein Trauerspiel.
Die FDP ist ja nun wirklich mein Liebling. Sie habenimmer ein sogenanntes Sparbuch vorgelegt. Ich muss Ih-nen sagen: Wir befinden uns am Beginn der Beratungendes Haushalts. Ich habe nicht gehört, was Sie machenwollen. Ich habe nicht vernommen, welche Veränderun-gen Sie vornehmen wollen. Die schon genannten 10 Mil-liarden Euro haben Sie verjuxt; das ist gegessen. AberSie haben einmal ein großes Paket mit Sparvorschlägeneingebracht, das jetzt, nachdem Sie an der Regierungsind, nichts mehr wert ist. Das gibt es nicht mehr! Siewollten Stellen von Staatssekretären streichen. Das Ent-wicklungshilfeministerium wollten Sie abschaffen.
Ich sehe Herrn Niebel hier. Es konnte gar nicht schnellgenug gehen, dass er – von langer Hand geplant – Abtei-lungsleiter wird und den Ministerjob annimmt. Keinendieser Vorschläge bringen Sie ein. Es ist nur heiße Luft.
Finanzpolitisch haben Sie sich damit jeglicher Seriositätberaubt.Ich bin gespannt. Wir werden Ihnen Vorschläge, zu-mindest die, die Ministerien, Öffentlichkeitsarbeit,Staatssekretäre etc. betreffen, vorlegen. Sie können sichdazu verhalten.
Aber Sie haben die Pöstchen ja schon alle besetzt. Tutmir leid, Otto, dass es für dich nicht geklappt hat. Aberfür alle anderen, die sich jetzt breit machen, ist genug da-bei gewesen.
Ich befürchte, dass Sie im Mai feststellen werden:Wir haben nur noch einen Monat Zeit bis zum Beschlussd1swAsrittdroaallmddswAIsSpIt
Sie haben die Chance, das auszuschließen. Sagen Sieoch vor der Wahl, damit die Menschen Klarheit haben,ass Sie das nicht tun werden, dass der Arbeitslosenver-icherungsbeitrag und die Sozialabgaben nicht erhöhterden. Tun Sie das? Bekommen wir darauf eine klarentwort?
ch höre nichts!Der Haushalt 2010, den Sie vorlegen, hat eine Grund-ubstanz, die noch aus unserer Regierungszeit stammt.ie haben sofort Ihre Lobbygeschenke obendrauf ge-ackt.
ch zitiere die Süddeutsche Zeitung:Nicht erst seit Westerwelles Geschwurbel von einergeistig-politischen Wende scheint es, als sei dieseRegierung seltsam aus der Zeit gefallen. Vielleichtist das Bündnis aus einer kraftlosen CDU, einer un-berechenbaren CSU und einer hypertrophen FDPeinfach die falsche Regierung für die Probleme dernächsten Jahre.Ich glaube, der Autor hat recht.
Carl-Ludwig Thiele spricht jetzt für die FDP-Frak-ion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter HerrKollege Schneider, ich glaube, die Bürger haben richtigentschieden, dass Sie der christliberalen Koalition denAuftrag gegeben haben, unser Land zu regieren und mitneuen Weichenstellungen in eine bessere Zukunft zuführen. Ich glaube, das sehen die Bürger nach wie vorso, insbesondere, wenn sie die eine oder andere Rede derOpposition heute gehört haben.
Wer beim Thema Kindergeld davon spricht, dass dieRegierung Geld verjuxt und verjubelt, der sieht dieWirklichkeit unseres Landes durch eine falsche Brille.Die Bundesrepublik Deutschland hat im vergangenenJahr den stärksten Wachstumseinbruch in der Ge-schichte unseres Landes erlebt. 5 Prozent weniger sinderwirtschaftet worden. Was bedeutet das eigentlich? DerWachstumseinbruch bedeutet in realen Zahlen, dass imletzten Jahr 120 bis 130 Milliarden Euro weniger erwirt-schaftet wurden als im Vorjahr. Das sind unvorstellbareZahlen. Zudem ist von diesem Wachstumseinbruch nichtjeder betroffen. Viele bekommen davon real gar nichtsmit. Das bedeutet aber, dass diejenigen, die von diesemWachstumseinbruch betroffen sind, umso stärker betrof-fen sind. Hunderttausende Menschen haben ihrenArbeitsplatz verloren, befinden sich in Kurzarbeit, muss-ten Insolvenz anmelden oder haben Angst um ihren Ar-beitsplatz. Deshalb besteht die Hauptaufgabe der Politikdarin, die Weichen auf Wachstum zu stellen. Dies ist dereinzige Weg, um bestehende Arbeitsplätze zu sichernund den Rahmen dafür bereitzustellen, dass neue Ar-beitsplätze geschaffen werden können.Für dieses Jahr wird zum Glück wieder mit einemWachstum gerechnet. Die Regierung sagt aktuell, eskönnten 1,5 Prozent werden. Das weiß aber keiner ge-nau, weil das gesamte Jahr noch vor uns liegt. Es kannauch anders kommen. Die Politik muss die Weichen sostellen, dass es besser wird. Unsere Aufgabe ist es, dieRahmenbedingungen zu verbessern. Dafür setzen wiruns ein.
Wachstum lässt sich nur erreichen, wenn in unseremLand etwas erwirtschaftet wird. Hierbei darf die Politiknicht übersehen, dass nicht der Staat die Gelder erwirt-schaftet, die zum Bruttoinlandsprodukt und damit zuSteuern und Sozialeinnahmen führen. Das Brutto-inlandsprodukt wird in unserem Land Tag für Tag vonzig Millionen Menschen erwirtschaftet, die mit ihrer Tat-kraft den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien si-cherstellen. Nur wenn diese Menschen positiv nachvorne schauen und anpacken, dann verfügt unser Ge-meinwesen über die Kraft, die nötig ist, damit wir denSchwächeren in unserer Gesellschaft in dem Maße hel-fen können, wie sie es benötigen.Deshalb ist es die erste Aufgabe der Politik, an dieseLeistungsträger in unserer Gesellschaft zu denken, andie Mittelschicht, an diejenigen, die jeden Tag in allenBrssDBdFwEfcBdGtJdetwlDtLWutd–stdttuübKH
eshalb war eines der zentralen Themen des letztenundestagswahlkampfes, ob sich die Politik mehr umas Verteilen oder das Erwirtschaften kümmern muss.ür uns steht fest: Nur wenn in unserem Land etwas er-irtschaftet wird, dann kann auch verteilt werden.Vielen Menschen fällt es aufgrund eines niedrigeninkommens schwer, den notwendigen Lebensunterhaltür sich und ihre Familien aufzubringen. Deshalb brau-hen diese Bürger mehr Netto vom Brutto. Norbertarthle, in diesem Zusammenhang danke ich dir füreine klaren Worte.Schauen wir uns noch einmal an, was in der Zeit derroßen Koalition passiert ist: Da wurde ein sogenann-es Bürgerentlastungsgesetz beschlossen – im letztenahr mit Wirkung ab diesem Jahr – mit einer Entlastunger Bürger in Höhe von 10 Milliarden Euro. Dann wurdein Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabili-ät in Deutschland beschlossen. Der Eingangssteuersatzurde gesenkt und der Grundfreibetrag erhöht. Die Ent-astung der Bürger betrug 6 Milliarden Euro pro Jahr.as geschah in Verantwortung der Großen Koalition.
Damals hat die SPD noch gesagt: Wenn wir die Leis-ungsträger, auch die kleinen Leistungsträger in unseremand, entlasten, dann ist das der richtige Weg zu mehrachstum und Beschäftigung. Deshalb ist es mir absolutnerklärlich, warum das, was vor der letzten Bundes-agswahl gegolten hat, aus Sicht der SPD jetzt, wo sie iner Opposition sitzt, nicht mehr gilt.
Herr Poß, wenn es vor der Wahl richtig war, die Bürgerteuerlich zu entlasten, dann ist diese steuerliche Entlas-ung – das müssen Sie zur Kenntnis nehmen – auch nacher Wahl genauso richtig.
In diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld hal-en wir es für falsch, mit voller Kraft auf die Bremse zureten. Dafür ist die Konjunktur noch viel zu gefährdetnd noch nicht sicher genug. Wir werden den Haushaltberarbeiten. Verschwendung wird herausgestrichen, wiremühen uns um eine sparsame Haushaltsführung.
Deshalb finde ich es richtig, dass die christliberaleoalition die Weichen eindeutig gestellt hat und dies imaushaltsentwurf berücksichtigt wurde:
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Carl-Ludwig ThieleErstens. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetzwurden Steuern insbesondere für Familien gesenkt.
Zweitens. Die Ausgaben für Bildung sind erhöht wor-den.Drittens. Leistungsträger, die für ihr Alter vorgesorgthaben, können, wenn sie arbeitslos werden, von dem,was sie für sich selbst erarbeitet haben, mehr für ihre ei-gene Sicherheit behalten, da das Schonvermögen erhöhtwurde. Das alles haben wir in diesen Haushaltsentwurfeingearbeitet. Trotzdem ist die vorgesehene Neuverschul-dung niedriger als das, was Finanzminister Steinbrückim Sommer letzten Jahres vorgeschlagen hat.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, füruns Liberale sind Steuersenkung und Reduzierung derStaatsausgaben zwei Seiten derselben Medaille. Dieswerden wir jetzt im Frühjahr 2010 beim Haushalt 2010und im Herbst bei der Aufstellung des Haushaltes 2011berücksichtigen.Herzlichen Dank.
Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat das Wort für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist zwar Haushaltsdebatte, aber die Öffentlichkeit unddie Regierung diskutieren vor allem über die Steuern.Nicht nur, dass es von Unfähigkeit zeugt, wie Sie regie-ren. Nein, Sie versuchen auch, zu überspielen, dass es ander Zeit wäre, zu fragen, ob der Kurs so wie bisher bei-behalten werden soll, also Umverteilung von unten nachoben, oder ob endlich Nein gesagt und damit Schluss ge-macht wird.
Bei dem, was bisher heute gesagt wurde, auch zu derFrage, ob die Maßnahmen zur Bewältigung der Kriserichtig waren oder nicht, war schmerzhaft festzustellen,dass Sie sich bis heute weigern, eine der wichtigstenkonjunkturpolitischen Maßnahmen endlich durchzuset-zen, nämlich die Stärkung der Binnennachfrage. Dafürbrauchen wir erst einmal einen Mindestlohn.
Wir fordern in dieser Legislaturperiode einen Stunden-lohn von 10 Euro. Wir sind froh, dass die Gewerkschaf-ten ihre Forderungen der Realität anpassen werden. Einesolche Maßnahme wäre notwendig.Sie aber machen eine reine Klientelpolitik. Die Ban-ken und die Manager wurden wohlbedacht. Dafür hattenwir im letzten Jahr eine Rekordverschuldung und visie-ren in diesem Jahr wieder eine an. Aber auch in der bis-hWmtagCcHWpnesJi2fVndhzNnDhpsdmrzBr1wskdmIweaaSt
Drittens. Ich komme zur Einkommensteuer und damitum sogenannten Steuerstreit. Die FDP fordert mehretto vom Brutto. Aber das, was Sie hier fordern, istichts anderes als die Aufkündigung des Sozialstaats.as werden wir nicht zulassen.
Leider ist es so, dass Rot-Grün und Große Koalitionier schon wesentliche Vorarbeiten geleistet haben: Teil-rivatisierung von gesetzlicher Kranken- und Rentenver-icherung – auch das wurde mit Spenden belohnt – under Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung.Das Prinzip der direkten Besteuerung von Einkom-en und Vermögen wird seit Jahren zugunsten der indi-ekten Besteuerung über verbrauchsabhängige Steuernurückgefahren. Das ist ein Skandal. Sie ziehen allenürgerinnen und Bürgern über die indirekte Besteue-ung, über die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf9 Prozent, das Geld aus der Tasche. Überproportionalerden aber diejenigen belastet, die Monat für Monatehen müssen, wie sie mit ihrem Geld überhaupt aus-ommen. Sie erklären, finanziert würden damit unter an-erem die Steuersenkungen für die großen Unterneh-en. 8 Milliarden Euro hat das netto gekostet. Das warhnen das locker wert.Das Sozialstaatsprinzip besagt: Besteuerung nach derirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Schauen wir unsinmal an, was das bei der FDP heißt. Diejenigen, diecht Stunden arbeiten und deren Lohn trotzdem nichtusreicht, zahlen keine Steuern. Sie wären froh, wenn sieteuern zahlen könnten. Auch die 10 Prozent der ärms-en Steuerpflichtigen werden überhaupt nicht entlastet.
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Dr. Barbara HöllDie 10 Prozent der reichsten Steuerzahler allerdings miteinem zu versteuernden Jahreseinkommen von über76 000 Euro dürften sich nach dem FDP-Modell übereine jährliche Steuerentlastung von 12 000 Euro freuen.12 000 Euro Steuerentlastung, das ist Klientelpolitik pur.
Wenn man beim Steuerstreit hier so tut, als ob es um ei-nen Finanzierungsvorbehalt geht, so darf man sich natür-lich nicht täuschen lassen; denn in Ihrem Ziel sind Siesich einig: Umverteilung von unten nach oben. Das leh-nen wir ab.
Wir haben Ihnen Vorschläge vorgelegt – wir werdendas weiterhin machen –, wie man in der Krise Geld ein-nehmen kann. Auch die Verursacher der Krise sollenzahlen. Wir fordern eine sozial gerechte Einkommen-steuerreform mit Anhebung des Spitzensteuersatzes aufdas Kohl’sche Niveau von 53 Prozent. Außerdem for-dern wir eine Vermögensteuer als Millionärsbesteue-rung, eine Besteuerung der Bonuszahlungen bei Bankenund Finanzinstituten als Sonderabgabe, eine Finanz-transaktionsteuer und eine Reform der Erbschaftsteuer.Das sind konkrete Antworten. Sie liegen vor. Lassen Sieuns darüber diskutieren und endlich umkehren auf demWeg der Umverteilung von unten nach oben. Hierhin ge-hört ein Stoppschild. Denn sonst entziehen Sie Bürgerin-nen und Bürgern Bildung, Sport und Kultur, indem SieLänder und Kommunen in den Ruin treiben. Dass Ein-richtungen, zum Beispiel Schwimmbäder, geschlossenwerden müssen und Freizeitangebote gestrichen werden,entzieht den Menschen Teilhabe am gesellschaftlichenLeben. Das lehnen wir ab.Ich danke Ihnen.
Der Kollege Bartholomäus Kalb hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Wenn man die Rednerinnen undRedner der Opposition hört, dann hat man den Eindruck,sie seien heilfroh, dass sie nicht in der Verantwortungstehen.
Insbesondere bei den SPD-Rednern hat man den Ein-druck, dass sie geradezu dankbar sind, in dieser schwe-ren Zeit aus der Verantwortung entlassen worden zusein.
Wir mussten im Herbst 2008 und im Jahr 2009 eineVielzahl von Maßnahmen zur Abwendung der größtenGefahren aus der weltweiten Finanz- und Wirtschafts-kdzufsAuhtdddbFkwggulzmtDgdndündrRüVsVmddubtswkblivA
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Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir unserenKindern keinen Schuldenberg hinterlassen dürfen, dersie erdrückt.
Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der demografi-schen Entwicklung. Die Schultern, die diese Lasten ein-mal tragen müssen, werden immer weniger.muSbtBJhdWvnDgWawbsnWtrsWfhsnelKVgwmgTRhsH
Allerdings müssen wir gerade im Hinblick auf die de-ografische Entwicklung und die Leistungsfähigkeitnserer Volkswirtschaft, sobald es irgendwie geht,pielräume schaffen, um auch im Steuer- und Abgaben-ereich Korrekturen vornehmen zu können.Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen: Die Belas-ung des Einzelnen durch Steuern und Abgaben wird inezug auf die Fachkräftegewinnung in den kommendenahren und Jahrzehnten zur entscheidenden Größe. Ichabe beim Deutschen Arbeitgebertag, ohne dass es Wi-erspruch gegeben hätte, gesagt: Ich meine, dass dieettbewerbsfähigkeit Deutschlands in Zukunft mehron der Belastung des Einzelnen als etwa von der Unter-ehmensteuerbelastung abhängen wird.Bestens ausgebildete junge Menschen dürfen wir ineutschland künftig nicht mit so hohen Steuern und Ab-aben belasten, dass sie lieber ins Ausland abwandern.ir stehen hier vor Riesenherausforderungen, könnenber nur einen Schritt nach dem anderen machen.Aber auch global gesehen hat Deutschland Verant-ortung: Deutschland muss der währungspolitische Sta-ilitätsanker im Euroraum sein. Die währungspoliti-chen Spannungen und Verwerfungen im Euroraumehmen zu; ich brauche nur Griechenland zu nennen.ir müssen vorangehen und konsequent einen Stabili-ätskurs beschreiten, mit dem wir die Maastricht-Krite-ien zeitnah wieder einhalten.Die Menschen erwarten von uns, dass wir solide wirt-chaften und Inflationsgefahren abwehren, dass wir dieährung stabil halten. Zu solidem Wirtschaften gehörtür mich, dass wir den Umfang der Investitionen stabilalten. Wir müssen die Leistungsfähigkeit unserer Infra-truktur erhalten und sie weiter ausbauen. Desinvestitio-en wären nichts anderes als verdeckte Verschuldung.Der dramatische Anstieg der Nettokreditaufnahme istin Spiegelbild der Wirtschafts- und Finanzkrise. Frei-ich stellt man sich die Frage, ob alle Akteure aus derrise und von der Krise gelernt haben und bereit sind,orkehrungen zu treffen, um künftigen Krisen vorzubeu-en.Der Finanzminister hat wesentliche Punkte genannt,o Maßnahmen ergriffen werden müssen, und Ziele for-uliert; doch die Bereitschaft, gemeinsam internationalültige Regeln festzulegen, scheint bereits von Tag zuag weniger ausgeprägt zu sein. Trotz alledem, dass wiregeln und Vorschriften erlassen müssen, bleibt festzu-alten: Keine Vorschrift, keine Regel wird in der Lageein, verantwortungsvolles Handeln zu ersetzen.Ich danke Ihnen.
Damit beenden wir die Debatte zur Einbringung desaushalts und kommen zum Geschäftsbereich des Bun-
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desministeriums für Bildung und Forschung, Einzel-plan 30.Als Erste hat Bundesministerin Dr. Annette Schavandas Wort.Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 30, Bildungund Forschung, spiegelt die konsequente Fortsetzung derModernisierung und Internationalisierung unserer Poli-tik für bessere Bildung, für mehr Bildungsgerechtigkeitund für starke Forschung als Grundlage der Innovations-fähigkeit unseres Landes wider.Wir verbinden zusätzliche Investitionen für Bildungund Forschung in Höhe von 12 Milliarden Euro in dieserLegislaturperiode mit zukunftsfähigen Konzepten imHinblick auf bessere Bildung, mehr Bildungsgerechtig-keit und die Weiterentwicklung des Forschungsstandor-tes Deutschland.Wir sind davon überzeugt – der Bundesfinanzministerhat heute Morgen darauf aufmerksam gemacht –, dasswir uns gerade jetzt, in Zeiten wirtschaftlicher Krise,ganz besonders um die Quellen des künftigen Wohl-stands, um das Wohlergehen künftiger Generationenkümmern müssen.
– Eigentlich kann man nichts dagegen sagen, nichtwahr?Wir – damit möchte ich noch einmal Bezug nehmenauf heute Vormittag –, damit meine ich die Bundesregie-rung gemeinsam mit vielen Akteuren, den Kommunenund den Ländern. Bildung muss eine gesamtstaatlicheAufgabe werden; denn niemand in diesem Land hat Ver-ständnis dafür, wenn sich die Politik darüber streitet, werwas tun darf, statt zu tun, was notwendig ist.
Der Bildungsgipfel 2008 in Dresden und der Bil-dungsgipfel 2009 in Berlin waren wichtige Meilensteineauf diesem Weg. Eine föderale Ordnung ist kein Hinder-nis für gute Bildungspolitik, für eine BildungsrepublikDeutschland. Die Verfassungen vieler europäischer Län-der sehen eine föderale Ordnung vor. Die Kollegen ausdiesen Ländern sagen uns: Wir sind in einer vergleichba-ren Situation. Die Kunst besteht darin, eine überzeu-gende Agenda für Reformen zur Modernisierung undeine stabile, verlässliche finanzielle Perspektive zuschaffen. Auf diese Bundesregierung ist Verlass, wennes um die Verlässlichkeit der finanziellen Perspektiveund der Konzepte geht.
Die Bundesregierung – die Bundeskanzlerin persön-lich – hat beim Bildungsgipfel den Ländern erklärt – soenBdbüshuwdmklrsabSTTgdbuannNsKdigbfzfwimhDdddCi
Damit ist auch klar: Wir arbeiten zusammen, wenn esm Finanzen geht, und wir arbeiten auch zusammen,enn es um die Inhalte geht. Ich begrüße deshalb aus-rücklich die Stellungnahme des Präsidenten der Kultus-inisterkonferenz aus den letzten Tagen, die besagt, wirönnten es schaffen, im Jahr 2014 erstmals in Deutsch-and ein gemeinsames Abitur zu machen. Das sind dieichtigen Signale: mehr Vergleichbarkeit bei Schulab-chlüssen. Dies ermutigt auch die Bürger – dass wir vor-nkommen, wenn es um mehr Vergleichbarkeit und Mo-ilität geht.
Der Blick in den Koalitionsvertrag und auch in dietruktur des Haushalts macht deutlich, dass beim großenhema Bildung für diese christlich-liberale Koalition einhema ganz besonders im Vordergrund steht: Bildungs-erechtigkeit. Mit einem kurzen Satz gesagt: Niemandarf verloren gehen. Jedes Kind, das in diesem wohlha-enden Land mit der Erfahrung aufwächst, an Bildungnd Kultur nicht teilhaben zu können, weil Geld oderufmerksame Erwachsene fehlen, die ihm den Weg eb-en, ist ein Hinweis darauf, dass wir noch nicht gut ge-ug sind. Wir wissen, es gibt noch viele Kinder, in derenähe kein Erwachsener ist, der Sorge dafür trägt, dassie den Weg hin zu den Möglichkeiten von Bildung undultur finden. Wir wissen auch, es gibt viele Kinder, beienen es an finanziellen Möglichkeiten fehlt. Das stehtm Zentrum unserer Bildungspolitik: Sorge dafür zu tra-en, dass jedes Kind die Chance auf Bildung und Kulturekommt. Niemand darf verloren gehen.
Deshalb auch die Initiativen, die sich im Bereich derrühkindlichen Bildung im Land immer stärker durchset-en. Deshalb die Initiative „Lernen vor Ort“, die uns hel-en wird, lokale Bildungspartnerschaften zu schaffen –eil das Thema „Mehr Bildungsgerechtigkeit“ keinesst, das einfach nur an Schule delegiert werden kann. Esuss im Zentrum gesellschaftlicher Bemühungen ste-en, darauf zu achten, dass kein Kind verloren geht.eshalb die Idee der lokalen Bildungspartnerschaften.Bildungspolitik erfolgt aus der Perspektive der Kin-er und Jugendlichen, weil wir davon überzeugt sind,ass Bildung nicht irgendwelchen Interessen dient, son-ern Kindern und Jugendlichen hilft, sich zu entfalten,hancen in dieser Gesellschaft wahrzunehmen. Bildungst für uns Bürgerrecht.
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan: Wir werden in den nächsten Jahren erhebliche Verän-derungen, einen Wandel im Bildungssystem, erleben.Dazu trägt die Demografie, die Bevölkerungsentwick-lung, bei, dazu trägt auch ein verändertes, weiterentwi-ckeltes Verständnis unserer Bildungseinrichtungen bei.Das Viersäulenmodell ist vorbei. Jede Bildungsinstitu-tion wird sich auch herausgefordert fühlen, kreativ mitdem Thema „Lebenslanges Lernen“ umzugehen, undAngebote zur Weiterbildung machen. Die Quote derer,die an Weiterbildung teilnehmen, muss deutlich höherwerden. Ein wichtiger Akzent wird die Neuentwicklungund Erhöhung der Bildungsprämie sein: mehr Investitio-nen, um Anreize für Bildung zu schaffen. Aber ichglaube, man kann in diesem Zusammenhang auch fest-stellen, dass wir kreative Institutionen in unserer Gesell-schaft haben – ich denke etwa an die Weiterbildungsträ-ger und an die Tradition der Volkshochschulen –, mitdenen wir auch in diesem Bereich, der sich in Deutsch-land über viele Jahre nur schleppend entwickeln konnte,weiterkommen können. Weiterbildung ist ein Bereichder Bildungsrepublik, der so bedeutsam ist wie die be-rufliche oder die akademische Bildung.Bildung ist auch immer stärker Thema unserer inter-nationalen Beziehungen. Viele Länder wollen im Be-reich der beruflichen Bildung mit uns kooperieren. Dieberufliche Bildung ist das Flaggschiff des Bildungssys-tems in Deutschland, und das wird es auch in den nächs-ten Jahren bleiben, weil es der beste Weg ist, um zuhochqualifizierten Fachkräften in unseren Unternehmenund in den bei uns vertretenen Branchen zu kommen.Ich sage ausdrücklich: Die Zahl derer, die sich um ei-nen Ausbildungsplatz bewerben, wird aus demografi-schen Gründen zurückgehen. Dennoch darf nicht nach-gelassen werden, auch in diesem und im nächsten Jahrausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen,damit jeder Jugendliche, der sich bewirbt, die Chance zueiner qualifizierten Ausbildung hat.
Ich nenne beim Thema Bildung im internationalenKontext aber ausdrücklich auch spezielle Kooperatio-nen. Ich denke etwa an die deutsch-türkische Universi-tät, auf die wir gerade hinarbeiten und von der wir hof-fen, dass sie in den nächsten Monaten eine Stufe derKonkretion erreichen wird. Hochschulen sind Teil unse-rer Internationalisierungsstrategie. Dazu gehören spezi-elle Bildungskooperationen mit Blick auf viele türkischeKinder und Jugendliche, die in Deutschland leben undvon denen wir überzeugt sind – das, was in allen unserenProgrammen steht, ist richtig –: Für sie ist es wichtig,souverän über die deutsche Sprache zu verfügen.Mit der Sprache allein ist es aber nicht getan. Wirmüssen darüber hinaus auch die Stärken dieser Kinderund Jugendlichen im Blick haben. Das meine ich mitBildungskooperation. Auch das muss in der Bildungsre-publik Deutschland selbstverständlich werden.
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Abschließend komme ich zu den wichtigsten Akzen-en in der Forschungspolitik. Ich werde in den kommen-en Wochen das Rahmenprogramm „Forschung für dieachhaltigkeit“ und das Rahmenprogramm „Gesund-eitsforschung: Forschung für den Menschen“ für dieächsten Jahre vorstellen. Die Hightech-Strategie wirduf die fünf Schwerpunkte Energie und Klima sowie Ge-undheit, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit kon-entriert. Sicherheitsforschung ist auch Teil unserer in-ernationalen Kooperationen, zum Beispiel mit Israel.ir haben gerade gestern bei der Regierungskonsulta-on über gemeinsame Programme in diesem Feld ge-prochen.Die Hightech-Strategie wird keine nationale Angele-enheit bleiben. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dassir sie auch auf europäischer Ebene einbringen wollen.ie für die Finanzierung notwendigen Mittel sind in die-em Haushalt 2010 deutlich abgebildet.Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und der Pakt fürorschung und Innovation sind weitere Punkte. Deseiteren – auch das ist, finde ich, ein wichtiger Akzent –ollen wir bei der Internationalisierung einen Schwer-unkt auf die Schwellen- und Entwicklungsländer set-en.Diese Impulse machen deutlich: Es gibt nicht nur po-itische Verantwortung für gute Bildung und eine starkeorschung. Wir sind davon überzeugt, dass in beidemiel Potenzial und Kreativität steckt und beides auch un-eren internationalen Kooperationen zugutekommt. Wirbernehmen damit ein Stück weit Verantwortung in in-ernationalen Entwicklungsprozessen. Wir sind über-eugt, dass gute Bildung und eine starke Forschung imigenen Land und international den Beitrag mit dereisten Substanz für künftige Generationen darstellen.Vielen Dank.
Der Kollege Ernst Dieter Rossmann hat das Wort fürie SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin Schavan, Sie haben sich wirklich Mühegegeben, Bildungseuphorie zu verbreiten. Aber habenSie eigentlich ein Gespür dafür, warum das alles imLand nicht zündet? Ich gebe Ihnen eine politisch-psy-chologische Beratung: Solange Sie sich so verlässlichüber Brutto und Netto, niedrige Mehrwertsteuersätze fürHotelketten und andere Steuern streiten, kann es trotz Ih-rer Bemühungen keine Bildungseuphorie in Deutschlandgeben. Sie müssen das im Zusammenhang sehen.
Sie haben gesagt, Sie seien verlässlich. Wir befürchten,dass Sie verlässlich im Streit sind. Die Chancen, dassIhre Prognose, Bildung werde zu einem gemeinsamenAnliegen, in Erfüllung geht, stehen daher schlecht. Mankann es auch härter sagen: Wie wollen Sie auf gesamt-staatlicher Ebene, bei Bund, Ländern, Kommunen, Be-geisterung für Bildung hervorrufen, wenn Sie gleichzei-tig den Ländern und Kommunen Mittel wegnehmen, diesie brauchen, um in eine gesamtstaatliche kooperativeBildungsoffensive einzusteigen? Ich will das an einemBeispiel konkretisieren. Ein kleines Land wie Schles-wig-Holstein verliert nun jährlich 60 Millionen Euro beiden Landesfinanzen. Damit könnten 800 Lehrer finan-ziert werden. Die Kommunen verlieren insgesamt70 Millionen Euro. Dafür könnten über 1 000 Erziehe-rinnen und Erzieher eingestellt werden. Glauben Sie,dass Sie so eine Bildungseuphorie in Bund, Ländern undKommunen erzeugen können? Das wird so nicht gehen.
Es steht noch mehr Schlimmes in Aussicht. Ihre ver-meintliche Einigung, dass der Bund 40 Prozent der Bil-dungsausgaben finanziert, stellt keine passende Antwortauf das strukturelle Bildungsdefizit bei Ländern undKommunen dar. Dieses Defizit vergrößert sich aufgrundIhrer Steuerpolitik noch. Sie rechnen das schön. Länderund Kommunen kommen zu ganz anderen Berechnun-gen. Eine gemeinsame Bildungsrepublik sieht andersaus. Sie muss ehrlicher sein und finanziell anders unter-legt sein.Man muss aber auch bei den Zeitabläufen ehrlichbleiben. Frau Schavan, ich kann Ihnen den Vorwurf nichtersparen: Diese Bundesregierung hat schon viel Zeit ver-schenkt, indem sie von Gipfel zu Gipfel nur das Flach-land entdeckt hat; denn auf den bisherigen Bildungsgip-feln ist nicht wirklich etwas verabredet worden. Daswissen auch die Hochschulen, die Schulen, die Kommu-nen und die übrige Bildungsrepublik.Schauen wir uns einmal den Hochschulbereich ge-nauer an. Schon vor fast einem Jahr sind die Studentenmit ihrer Bologna-Kritik vorstellig geworden. Aber wasist bisher passiert? Ein Datum im April wird in Aussichtgestellt. Das ist verschenkte Zeit. Sie bemerken inzwi-schen selber, dass sich diese verschenkte Zeit auch imHaushaltsentwurf niederschlägt. Ich weiß nicht, ob esHaushälter gibt, die sich an so etwas erinnern können.ASvzHwmdWbssdbsBwdmCBOKdDdak4saddgB2sWjzgwpad
ir finden, es ist kein gutes Zeichen, dass es diesen Ka-inettsvorbehalt gegen die eigene Ministerin gibt.
Aber nicht nur in struktureller und prozessualer Hin-icht haben wir Kritik anzubringen, sondern auch bei be-timmten inhaltlichen Orientierungen. Ich will das fürie Sozialdemokratie und – da es um die Bildungsrepu-lik geht – für viele andere mehr an zwei bis drei Bei-pielen erläutern.Wenn Bildungsgerechtigkeit nicht nur ein wohlfeileregriff bleiben soll, dann müssen wir die Frage stellen,as eigentlich gerechter ist: Ist ein System gerecht, inem man die Chancen von Kindern davon abhängigacht, dass die Eltern gespart haben? Ist es gerecht, diehancen von Kindern davon abhängig zu machen, wieildungsgutscheine über das Land verstreut werden?der wären nicht starke und gute Schulen für starkeinder am gerechtesten? Starke Schulen für starke Kin-er – das ist es!
as ist unser konzeptioneller Ansatz. Besser als Bil-ungssparen und Bildungsgutscheine ist es, Schulsozial-rbeit so zu fördern, dass es gute Ganztagsschulen gebenann. Es gibt dafür ein Beispiel aus rot-grüner Zeit. Mit Milliarden Euro wurde eine strukturelle Ganztags-chulentwicklung in Gang gesetzt, die mittlerweile breitnerkannt ist. Wenn Sie noch einmal etwas über die Güteieser Entwicklung nachlesen wollen, dann können Sieas in einer soeben von Frau Ministerin Schavan heraus-egebenen Broschüre tun.Man kann weiterhin fragen, ob ein wirklich starkesAföG oder ein dubioses Stipendienprogramm für00 000 Menschen gerechter ist und mehr Bildungsre-erven an den Stellen, an denen es nötig ist, mobilisiert.äre nicht mehr gewonnen, wenn man die Familien, dieetzt nicht vom BAföG profitieren, weil sie vermeintlichu viel verdienen, obwohl sie zur unteren Mittelschichtehören, durch deutlich erhöhte Freibeträge fördernürde? Bei der Alternative eines dubiosen Stipendien-rogramms für 200 000 Menschen und eines Rechts-nspruchs auf BAföG-Förderung für 200 000 mehr istie Entscheidung für uns klar: Nur das BAföG kann die
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Dr. Ernst Dieter Rossmannrichtige Weichenstellung für soziale Gerechtigkeit undBildungsgerechtigkeit sein.
Auch darin sehen wir einen Unterschied zu dem, wasdiese Bundesregierung hier einbringt.Aber es muss nicht nur Kritik sein. Frau Ministerin,wir wollen gegenüber der Koalition auch gerne anerken-nen, dass bei der Berufseinstiegsorientierung ab Klasse 7zusätzliche 50 Millionen Euro sehr gezielt eingesetztwerden. Das unterstützen wir, und das wollen wir gernenoch verstärken. Es müssen aber kooperative Ansätzegefunden werden, mit denen die guten Ideen zur Ein-stiegsqualifizierung und zur Berufsorientierung so um-gesetzt werden, dass vollwertige Ausbildungsangebotedaraus erwachsen; dafür muss das gesamte System desÜbergangs von der Schule in den Beruf durchforstetwerden. Dazu brauchen Sie nicht nur die Kooperationvon Bund, Ländern und Kommunen, sondern auch dieder Tarifpartner.Diese brauchen Sie auch bei dem Übergang von derArbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung. Daskam uns bei dem, was Sie zum Bildungsaufbruch darge-legt haben, zu kurz. Wir müssen die Fachkräftequalifi-zierung mit allen uns zur Verfügung stehenden Instru-menten voranbringen, weil uns sonst die Zeit wegläuft.Sonst ist die Fachkräftelücke schneller da, als die politi-schen Anstrengungen dieser Bundesregierung ihr entge-genwirken können.
Frau Ministerin, Sie haben die Gesamtstaatlichkeitbeschworen, und es ist Ihnen nicht abzusprechen, dassSie an bestimmten Stellen Anflüge von Ehrlichkeit ha-ben.
Einen dieser Anflüge hatten Sie, als Sie sagten, dass dasim Rahmen der Föderalismusreform I vereinbarte Ko-operationsverbot, das ein hessischer Ministerpräsidentbrutalstmöglich in die politische Debatte eingebrachthatte, ein Fehler war. Das wollen wir ausdrücklich aner-kennen.
Wir möchten Ihnen Gelegenheit geben, diesen Fehlerzu korrigieren. Wir können das Grundgesetz, wo Ein-sicht gewachsen ist, auch wieder ändern. Als sozialde-mokratische Opposition wollen wir gerne alles dafür tun,dass dieser Ministerin keine weiteren Fehler unterlaufen.Danke.
Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Kollegin Ulrike
Flach das Wort.
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Dieser Einzelplan spiegelt das natürlich wider; dennir sind jetzt bei 10,9 Milliarden Euro. Das sind immer-in 702 Millionen Euro mehr als letztes Jahr unter Ihrergide. Man muss in Erinnerung rufen: Frau Bulmahnatte zweieinhalb Milliarden Euro weniger. Ich weißicht, woher Sie immer Ihre frohgemute Kritik nehmen.n dieser Stelle ist wirklich ein Aufwuchs da, den wirmmer gefordert haben.
atte 12 Milliarden Euro werden bis 2013 für Bildungnd Forschung ausgegeben.
enau dieser Punkt ist es, der dem widerspricht, was Sieen Leuten immer weiszumachen versuchen. Natürlichird investiert, und zwar in die Fläche. Herr Rossmann,er Fehler der Föderalismusreform liegt doch bei Ihnen.ätten Sie damals mit uns gestimmt, wären wir nicht iner Situation.
nsofern finde ich: Dass es uns jetzt gelingen wird, diese2 Milliarden Euro für Investitionen in der Fläche be-eitzustellen, ist ein großer Fortschritt, Frau Schavan. Ichoffe, dass uns dies in nächster Zukunft gelingen wird.
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Ulrike FlachAusgesprochen wichtig für uns war die finanzielleAbsicherung des Hochschulpakts, der Exzellenzini-tiative und des Paktes für Forschung.
– Eben. Dass wir dieses trotz der harten Zeiten weitergetan haben, ist etwas, was uns beide erfreuen sollte,Herr Hagemann. Das ist nicht immer selbstverständlichgewesen.
Der Bund steigt in ein Stipendiensystem ein, das10 Prozent der begabtesten Studierenden ein Stipendiumgarantiert. Damit vervierfacht sich die Zahl der Geför-derten. Dieses Stipendiensystem – auch das will ich andieser Stelle sehr deutlich sagen – ist ein Kernelement li-beraler Bildungspolitik. Wir haben dies hineinverhan-delt, und wir sind stolz auf dieses Stipendiensystem. Ichmöchte Sie einfach einmal an Folgendes erinnern: In60 Jahren Bundesrepublik mit sozialdemokratischer,grüner und CDU-Beteiligung sind wir zu dem magerenErgebnis gekommen, dass es junge Menschen gibt, dieeine Begabtenförderung von nur 80 Euro bekommen.Das ist Ihr Ergebnis.
Wir setzen jetzt ein Stipendiensystem dagegen. Überle-gen wir uns doch einmal vor diesem Hintergrund, was inNordrhein-Westfalen abläuft.
Wir haben dank der privaten Initiative – die Leute kom-men zu uns, nicht wir zu ihnen; das ist übrigens der Un-terschied – inzwischen 1 400 Studierende seit dem letz-ten Herbst, die ein Stipendium von 300 Euro im Monatbekommen. Das ist doch etwas.
Ich bin an dieser Stelle ganz der Meinung meiner ge-schätzten Kollegin Edelgard Bulmahn, die gesagt hat: Eswird Zeit, dass endlich der Spruch des Verfassungsge-richts erfüllt wird. – Selbstverständlich müssen wir Sti-pendiensysteme entwickeln. Wer, wie wir, für Studien-gebühren ist, ist selbstverständlich dazu verpflichtet,Stipendien bereitzustellen. Wir tun dies – das ist einesehr typisch liberale Lösung – mit Beteiligung der Wirt-schaft; denn die will die Leute doch einstellen. Das ha-ben wir hineinverhandelt, das ist ein Aufstiegsmotor fürjunge begabte Menschen. Ich denke an meine Heimat-stadt Duisburg und die Uni von Essen nebenan. JederDritte, der dort ein Stipendium erhält, ist ein Studieren-der – auch das einmal in Ihre Richtung – mit Migrations-hintergrund. Ich frage mich, warum Linke, Sozialdemo-kraten und Grüne gegen dieses Stipendiensystem sind.Das sind doch gerade die Menschen, die wir mitnehmenwollen. Es sind doch nicht meine Kinder; die brauchenkein Stipendium.Sw––MddseswugFksIvHnmHWrJwUngvvdwlr
Na, die sind ja da; die haben es ja. Frau Sitte, ich ladeie ein: Kommen Sie mit mir nach Duisburg. Sprechenir mit dem Rektor.
1 400 seit zwei Monaten. Bitte schön!
Es hat doch gerade erst angefangen. – Ich bitte sehr:achen Sie einmal einen Ausflug dahin. Reisen bildet.Ebenso passt sicherlich nicht in Ihr Weltbild, dass wiras BAföG erhöhen werden,
ass die Aufstiegsförderung verbessert wird, dass es Zu-chüsse für Begabtenförderungswerke gibt. Das ist dochtwas, was den Geist dieser Koalition ausmacht. Dasollten Sie einfach einmal akzeptieren. Wir wären froh,enn an dieser Stelle einmal Wahrheit über uns kämend nicht einfach nur Verdunkelung.Wir wissen, dass wir noch viel vor uns haben. Dazuehört das große Thema steuerliche Förderung füruE. Ich will auch an dieser Stelle als Haushälter sehrlar sagen: Es wird sehr schwierig werden, das durchzu-etzen.
ch setze da auf die Durchschlagskraft meiner Kollegenon der CDU.
elfen Sie uns, dass wir das schaffen. Das ist nämlich ei-es der Kernelemente unseres Koalitionsvertrages.Abschließend möchte ich Ihnen einen weiteren Punktit auf den Weg geben – auch dies ist ein Punkt, der beiaushältern normalerweise nicht so beliebt ist –: dasissenschaftsfreiheitsgesetz. Ich fühle mich als Libe-ale verpflichtet, dafür zu sorgen, dass nach diesen vierahren ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz umgesetzt seinird, und zwar haushalterisch.
nser Gegner an dieser Stelle ist natürlich der Finanzmi-ister und nicht die Bildungsministerin, um das einmalanz klar zu sagen.Das sind die wichtigsten Punkte, die wir gemeinsamereinbart haben. Wir haben uns eben große Aufgabenorgenommen. Ich glaube, dieses Land ist es wert, Bil-ung und Forschung wirklich zu dem zu machen, wasir alle in Sonntagsreden immer versprechen. Wir wol-en es. Wir stehen dafür. Messen Sie uns bitte in vier Jah-en daran, ob wir es auch so umgesetzt haben.
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Ulrike Flach
Die Kollegin Dr. Petra Sitte hat jetzt das Wort für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich willes noch einmal auf den Punkt bringen: In diversen Gut-achten wurde der Politik in der letzten Zeit sehr genauvorgerechnet, wie viel Geld für gute Bildung in diesemLand fehlt: 6 Milliarden Euro für Kindertagesstätten,8 Milliarden Euro bei Schulen, 3,5 Milliarden Euro inder Berufsbildung, 5 Milliarden Euro an den Hochschu-len und letztlich 14 Milliarden Euro in der Weiterbil-dung. Das heißt, jährlich müssten 37 Milliarden Euro in-vestiert werden. Ich erinnere alle in diesem Hause daran,dass Bildung der Leitstrahl war, auf dem alle Parteiendurch den Wahlkampf navigierten.Noch auf dem Bildungsgipfel 2008 haben Bund undLänder vereinbart, 7 Prozent des Bruttoinlandspro-duktes für Bildung auszugeben. Das wären damals30 Milliarden Euro gewesen. Mittlerweile haben wireine Krise gehabt, und das Bruttoinlandsprodukt ist et-was gesunken, weshalb eigentlich etwas weniger Geldfür Bildung zur Verfügung stehen müsste. Weniger Geldfür Bildung könnte aber bedeuten, dass sich der nächsteBildungsgipfel auf eine Summe verständigt, die in derNähe dieser 30 Milliarden Euro liegt.Im Vorfeld des Bildungsgipfels ein Jahr später hat derVorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, GenosseKurt Beck, von notwendigen Mehrausgaben von 25 bis28 Milliarden Euro gesprochen. Herr Pinkwart von derFDP aus Nordrhein-Westfalen hat ihm zugestimmt undgesagt: Ja, seriös sind 25 bis 28 Milliarden Euro. – Wasist auf dem Weihnachtsgipfel 2009 wirklich herausge-kommen? 13 Milliarden Euro – aber nicht für ein Jahr,sondern bis 2015. Von den notwendigen 37 MilliardenEuro blieben nur 13 Milliarden Euro übrig, und die auchnur unter Zuhilfenahme diverser Rechentricks von Fi-nanzministern. Gott sei Dank hat die Öffentlichkeit, ins-besondere die Bildungsöffentlichkeit, sehr schnell dage-gengehalten. Ich sage Ihnen: Diese 13 Milliarden Eurosind eben nicht Ausdruck einer Bildungsrepublik, son-dern ein schwarz-gelbes Nachtschattengewächs.
Da ist nichts mit Verlässlichkeit, Frau Schavan.Nun freuen Sie sich darüber – auch Frau Flach vonder FDP rühmt es –, dass Ihr Haushalt um 6,9 Prozentsteigt. Da staunt der Laie, und der Fachmann oder dieFachfrau wundert sich; denn die Steigerung des gesam-ten Bundeshaushaltes liegt bei 7,3 Prozent. Wenn manwirklich so viel Wert auf Bildung legen würde, dannmdDB7ddeaEmAddgfnbwsgEbbmwRzkwdDVsDLagte–NhdI5
as heißt, auch unter diesem Blickwinkel ergibt sich dieerpflichtung für den Bund, sich jetzt und heute vieltärker bei der Bildungsfinanzierung zu engagieren.
er Bund müsste also eigentlich die Steuerausfälle deränder kompensieren, da diese höher als beim Bundusfallen.Auf dem Bildungsgipfel wurde leider keine zwin-ende Vereinbarung getroffen, wie die Länder ihren An-il aufbringen sollen. Den Ländern sitzt dann ab 2012 das sei angemerkt – auch noch die Schuldenbremse imacken. Damit ist ihnen verwehrt, mehr Bildung durchöhere Kreditaufnahme zu finanzieren. Wissen Sie, wasas bedeutet?
n meinem Land, in Sachsen-Anhalt, sitzen derzeit1 000 Studierende auf 34 000 Studienplätzen.
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Dr. Petra SitteNun müsste ja durch den Kurswechsel bei der Umset-zung des Bologna-Prozesses, den alle den Studierendenwährend des Streiks versprochen haben, zusätzlich nochein 15-prozentiger Aufwuchs bei der Ausstattung unddem Personal an den Universitäten eingerechnet werden.Das findet aber nicht statt, weil den Ländern die Mitteldafür fehlen. Insofern, Frau Flach und Herr Hagemann,ist der Hochschulpakt eben nicht abgesichert, was dieLänderseite betrifft. Die Folge in meinem Land ist, dassder Finanzminister von der SPD sagt: Ich will in dennächsten Jahren 1 239 Stellen im Bildungsbereich strei-chen bzw. die Personalkosten um 20 Prozent absenken. –Das würde natürlich dazu führen, dass sich die Studien-bedingungen durch schlechtere Betreuungsverhältnissenoch weiter verschlechtern werden.
Es ist also nichts mit Kurskorrektur und Verbesserungnach der Bologna-Misere.Einer Studienreform sollte vor diesem Hintergrundgegenüber der Exzellenzinitiative ganz klare Prioritäteingeräumt werden. Deshalb haben wir gesagt: Für unsist es derzeit nicht akzeptabel, Milliarden Euro in dieExzellenzinitiative zu stecken, weil dadurch das Hoch-schulwesen weiter segmentiert wird. Die für die Exzel-lenzinitiative vorgesehenen Summen sollten vielmehrzugunsten des Hochschulpakts transferiert werden. Dannkönnte man den verschulten Bachelor mit seinen zahlrei-chen Prüfungen – für diejenigen, die das nicht so genauwissen: Das ist der Abschluss nach drei Jahren – ent-schlacken, die Regelstudienzeiten korrigieren, die Mobi-lität der Studierenden fördern und für einen sicheren Zu-gang vom Bachelor zum Master sorgen.Nun reden Sie von einer Erhöhung des BAföG um2 Prozent. Wie würde sich eine solche Erhöhung konkretbei den Studierenden auswirken? Alle einschlägigen Or-ganisationen wie beispielsweise Studentenwerk und Ge-werkschaft für Erziehung und Wissenschaft haben Ihnenja vorgerechnet, dass es mindestens eine 5-prozentigeErhöhung geben müsste, um die Preisentwicklung abzu-federn. Zugleich wollen Sie erreichen, dass künftig50 Prozent eines Jahrgangs das Studium aufnehmen. Dasheißt doch nichts weiter, als dass Sie das BAföG be-darfsgerecht umgestalten und um einem elternunabhän-gigen Sockel erweitern müssen, sonst erreichen Sie ein-kommensschwache Familien ja überhaupt nicht.
All das gehört zu den Forderungen, die im Rahmendes Bildungsstreiks erhoben wurden. All das findet sichaber in diesem Haushalt nicht wieder. Somit bringt ernicht mehr Bildungsgerechtigkeit mit sich.Meine Damen und Herren, die Qualifizierung vonLehre und Forschung sowie die Verbesserung der Ar-beits- und Studienbedingungen der Hochschulangehöri-gen sind unter diesen Voraussetzungen nicht zu schaffen.Forschung und Lehre sind hochkommunikative undkooperative Prozesse. Beide haben sich in den letztenJahren infolge neuer technischer und technologischerMöglichkeiten verändert. Fachleute sagen, die großenEhWvSALuBDtdircAwsSwPFftzphrEdstr–FsliaguSSJdrrmm
Dazu erwarten wir Initiativen von der Bundesregie-ung. Sie aber packen in den Haushalt nur Versatzstücke.s ist beispielsweise vom „Qualitätspakt Lehre“ und voner „Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses“ zu le-en. Wenn man nachfragt, bekommt man keine vernünf-ige Antwort; denn Sie haben noch nichts konkret vorbe-eitet oder mit den Ländern abgestimmt.
Ich höre Ihnen später noch einmal zu.Meine Damen und Herren, auch bei den Ausgaben fürorschung und Entwicklung ist die Bundesregierungchlicht und ergreifend schief gewickelt. Mit den Mil-iarden der Hightech-Strategie werden nach wie vornsbesondere Großunternehmen massiv unterstützt, vorllem Global Player. Deren unternehmerische Kernauf-abe wäre eigentlich, Forschung und Entwicklung zunterstützen. Von den 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, dieie, Frau Minister, im Zusammenhang mit der Hightech-trategie versprochen haben, ist nichts übrig geblieben.edenfalls können Sie das nicht genau beziffern. Statt-essen sagen Sie, es dauere noch ein bisschen, bis sieichtig wirke.Sichtbar wird im Haushalt hingegen, dass die Förde-ung innovativer kleiner und mittelständischer Unterneh-en deutlich hinter der Förderung von Großunterneh-en zurückbleibt. Klar wird auch – insofern habe ich
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Dr. Petra Sitteaufgehorcht, als Sie von einem Rahmenprogramm fürnachhaltige Forschung gesprochen haben –, dass in Ih-rem Haushalt Energieforschungen im fossilen undnuklearen bzw. Fusionssektor mit doppelt so hohenSummen gefördert werden wie erneuerbare Energienund Effizienzforschungen.Letztlich ist – auch darauf will ich aufmerksam ma-chen – Ihre Politik derzeit insofern grenzwertig, als dieuniversitäre Grundlagenforschung in den letzten Jah-ren eine kritische Untergrenze erreicht hat. Wenn wir fürdie Grundlagenforschung an den Universitäten undHochschulen nicht mehr tun, gehen diese auch denaußeruniversitären Forschungseinrichtungen als Partnerverloren. Das ist zurzeit besonders im Osten ziemlichdramatisch spürbar. Deshalb fordern wir ein Sonderpro-gramm für die gezielte Förderung der Grundlagenfor-schung in Ostdeutschland.
Ich komme zum Schluss. Wenn diese Bundesregie-rung wirklich positiv in die Bildungsgeschichte des Lan-des eingehen will, dann muss sie konsequent gegen dieUnterfinanzierung des Bildungssystems vorgehen. Wirsagen: Schluss mit dem nervigen bildungspolitischenArmdrücken zwischen Bund und Ländern! Da hat HerrRossmann recht. Korrigieren Sie den Fehler, den Sie beider Föderalismusreform mit dem Kooperationsverbotgemacht haben; schaffen Sie es wieder ab!
Frau Kollegin!
Dafür haben Sie unsere Unterstützung. – Das war
mein letzter Satz. Danke schön, Frau Präsidentin.
Priska Hinz hat jetzt das Wort für die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Auch ich bin erstaunt, welche Angebote man gleichzu Beginn dieser Debatte bekommt. – Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Die Koalition behauptet– auch Frau Schavan hat das vorhin getan –, dass Bil-dung ein Schwerpunktthema im Koalitionsvertrag undim Haushaltsplan ist. Wenn man sich den Haushalt ge-nauer anschaut, dann stellt man fest, dass ein Aufwuchsin Höhe von 750 Millionen Euro zwar ein Schritt in dierichtige Richtung ist, aber mehr auch nicht. Denn derGesamtetat steigt um 7,3 Prozent; der Einzelplan aller-dings nur um 6,9 Prozent. Das heißt doch im Klartext– die Zahlen beweisen es –: Bildung verliert im Bundes-haushalt an Gewicht. So sieht es mit Ihrer Prioritätenset-zung aus.Dawdi2EhwkadlbuHd2itKltn1dvzzdgmhuMtrd–dis
Sie haben sich vorgenommen, bis 2013 zu regieren.as ist zwar eher ein Schreckgespenst, das da umgeht,ber ich will einmal annehmen, dass es so kommt. Sieollen dann bis 2013 12 Milliarden Euro mehr für Bil-ung und Forschung ausgeben. Nach dem mageren Startn diesem Jahr müssten Sie dafür ab nächstem Jahr bis013 dauerhaft 1,5 Milliarden Euro zusätzlich in dieseminzelplan verankern. Gleichzeitig muss der Bundes-aushalt jährlich um 10 Milliarden Euro konsolidierterden, damit die Schuldenbremse eingehalten werdenann. Seit Sonntag kündigen Sie wieder unverdrossenn, es gebe Steuersenkungen. Das erhöht Ihre Glaubwür-igkeit in Sachen Bildungsrepublik wirklich nicht. Ver-ässlichkeit bedeutet etwas anderes, als ein Wachstums-eschleunigungsgesetz zu beschließen, das den Ländernnd Kommunen jährlich 3,9 Milliarden Euro entzieht.err Rossmann, ich mache die Größenordnung mit an-eren Zahlen deutlich: Das entspricht bundesweit85 000 Studienplätzen oder 570 000 Kitaplätzen. Dasst die Wahrheit und die Realität, denen sich die Koali-ion stellen sollte.
Der Bildungsgipfel, die Herzensangelegenheit deranzlerin, hat auch kein positives Ergebnis gebracht –eider, sage ich. Die Finanzierungslücke im Bildungssys-em wurde auf 13 Milliarden Euro kleingerechnet. Auchach der zweiten Hügelbesteigung gab es über diese3 Milliarden Euro keine Vereinbarung mit den Län-ern. Nein, es gab nichts. Weder wurden Programmeerabredet noch wurden Finanzregelungen getroffen, dieeigen, wie man bis 2015 das 10-Prozent-Ziel – 7 Pro-ent Bildung und 3 Prozent Forschung – erreichen will.Das schlägt sich jetzt auch in Ihrem Einzelplan nie-er, Frau Schavan. Darüber können Sie überhaupt nichtlücklich sein. Im Haushalt gibt es zahlreiche Sperrver-erke, unter anderem bei der Stärkung der Leistungsfä-igkeit des Bildungswesens, beim Qualitätspakt Lehrend bei der Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses.aßgebliche Teile des Bildungsetats sind also im wahrs-en Sinne des Wortes durch das Versagen des Regie-ungshandelns gekennzeichnet. Das müssen Sie auch inen Haushaltsdebatten zur Kenntnis nehmen.
Die Regierung hat es nicht geschafft, Regelungen miten Ländern zu vereinbaren, dass sich diese Etatpostenm Haushalt tatsächlich als Programmposten nieder-chlagen.
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Priska Hinz
Es gibt keine Einigung. Deswegen ist alles auf Eis ge-legt. Das ist aber keine Bildungsrepublik. EineBildungsrepublik müsste durch einen Aufbruch ge-kennzeichnet sein, der sich in entsprechenden Haushalts-zahlen und in einem glaubwürdigen Etat niederschlägt.Das findet aber leider nicht statt.
Im Übrigen hat die schwarz-gelbe Bildungspolitikeine extreme soziale Schlagseite und enthält nichts inpuncto Bildungsgerechtigkeit. Sie schwächen den so-zialen Zusammenhalt und die Möglichkeiten von Chan-cengerechtigkeit. Das Thema Stipendiensystem istschon angesprochen worden. Sie wollen 280 MillionenEuro – im Moment liegen sie noch auf Eis – für diejeni-gen ausgeben, die schon heute zu den Bildungsgewin-nern gehören. Daneben soll ein Miniprogramm zumBAföG aufgelegt werden. Mit dem Geld aber, das Siefür Stipendien vorsehen, könnte eine 10-prozentigeBAföG-Erhöhung in 2010 und 2011 für diejenigen fi-nanziert werden, die Unterstützung und den Mut brau-chen, ein Studium überhaupt zu beginnen. Darauf müss-ten Sie den Schwerpunkt legen.
Auch mit den Bildungsgutscheinen und dem Konzeptdes Zukunftskontos bauen Sie Transfers aus, statt in dieBildungsinfrastruktur zu investieren.
Ich sage Ihnen: Mit der Privatisierung der Bildung undder Verhinderung der Finanzierung öffentlicher Güterwerden Sie Schiffbruch erleiden; denn das hat nichts mitTeilhabegerechtigkeit und nichts mit Bildungsgerechtig-keit zu tun.
Sie lassen die Schulden wachsen, senken den Anteilder Bildungsausgaben und schwächen dadurch den ge-sellschaftlichen Zusammenhalt. Der Titel Ihres Koali-tionsvertrages lautet allerdings: „Wachstum. Bildung.Zusammenhalt.“ Damit haben Sie etwas anderes ver-sprochen, als Sie jetzt tun. Die Bevölkerung und auchwir haben eigentlich etwas anderes erwartet. Ich finde,zu Recht. Hier haben Sie bis zum Ende der Haushaltsbe-ratungen noch Hausaufgaben zu machen.Danke schön.
Jetzt hat der Kollege Albert Rupprecht das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
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n der Forschung geben wir sowohl bei der institutionel-en Förderung als auch bei der Projektförderung Gas.ei der institutionellen Förderung gibt es zusätzlicheittel für Forschungseinrichtungen, und zwar 3 Prozentehr für den Pakt für Forschung und Innovation. Da-it forcieren wir den Weg von Ministerin Schavan, denie seit 2005 eingeschlagen hat.Es gehört zur Fairness, zu sagen, dass wir bereits inen vergangenen Jahren Erhebliches erreicht haben. Wiraben erreicht, dass durch die Exzellenzinitiative über 000 hochqualifizierte neue Wissenschaftler hinzuge-onnen wurden. Das stärkt den Forschungsstandorteutschland erheblich. So begrüßt DFG-Präsident Pro-essor Kleiner, dass – ich zitiere -durch die Fortsetzung der Exzellenzinitiative undihren substanziellen Mittelzuwachs die beeindru-ckende Aufbruchstimmung in der Wissenschaft undan unseren Hochschulen weitergetragen
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Albert Rupprecht
und ein äußerst vielversprechender Wettbewerb umweitere zukunftsträchtige Ideen, Projekte und Ein-richtungen in Gang gesetzt werden können.Auch beim zweiten Standbein, bei der Projektförde-rung, haben wir unter Ministerin Schavan einiges er-reicht und geben in den nächsten vier Jahren zusätzlichGas. Wir brauchen uns als Deutsche nicht zu verstecken.Wir sind in vielen Bereichen Weltspitze: Wir haben einefantastische Infrastruktur im Bereich der Klimafor-schung. Bei der Klimafolgenbewältigung sind deutscheForscher weltweit führend. Auch wenn es darum geht,den weltweiten Artenschwund bei Pflanzen und Tierenzu stoppen oder die weltweite Versorgung mit Wasserund Ernährung zu sichern, sind deutsche Forscher vornedabei. Wir sind spitze im Bereich der erneuerbaren Ener-gien, bei den Umweltforschungen und in der Gesund-heitsforschung. Das ist ein Verdienst der MinisterinSchavan und des Parlaments in den vergangenen Jahren.Trotzdem legen wir auch bei der Projektförderung inden nächsten Jahren kräftig zu. Die Menschen inDeutschland werden älter, und damit wird das Alter einSchwerpunkt der medizinischen Forschung, zum Bei-spiel die Demenzforschung. Der Titel „Gesundheit undMedizin“ wächst um 18 Prozent. Der Titel „Biomedizi-nische Forschung“ wächst um 10 Prozent. Wir bauen zu-dem ein Zentrum für neurodegenerative Erkrankungenin Bonn, ein Diabeteszentrum in München und ein Zen-trum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.Im Bereich Klima, Energie und Umwelt wollen wirunseren weltweiten Spitzenplatz ausbauen
und geben bei der Klimaforschung 14 Prozent und beiden Umwelttechnologien 12 Prozent mehr aus. AlsSchwerpunkte sind zum Beispiel Fotovoltaik der zwei-ten Generation und Elektromobilität zu nennen.Auch bei den Schlüsseltechnologien werden wir un-sere erfolgreiche Förderstrategie fortsetzen und die Mit-tel um 14 Prozent steigern. So bauen wir unsere interna-tionale Spitzenposition bei den optischen Technologienebenfalls weiter aus. Wir steigern die Mittel bei neuenWerkstoffen und im Bereich der Nanotechnologie um20 Prozent.Dieser Haushalt steht für Forschung und Innovation.Dies geschieht aus der festen bürgerlichen Überzeugungheraus, dass wir nur durch eine Konzentration der Mittelauf Bildung, Forschung
und Innovation Wohlstand dauerhaft sichern können.
Aber Geld alleine reicht in der Tat nicht aus. Es be-darf auch einer positiven Grundstimmung in der Gesell-schaft, keiner naiven Technologiegläubigkeit, sonderneiner konstruktiven, neugierigen Grundstimmung demtechnischen Fortschritt gegenüber. Auch dafür steht dieczBtswDfSHeuwMZr1BEezdwSzsgwsvauMvtmmuSsdb
Ich freue mich, dass in diesem Haushalt ein Auf-uchs festzustellen ist. Damit wird die Tradition fortge-etzt, die seit elf Jahren besteht, Frau Flach, meine sehrerehrten Damen und Herren, dass jedes Jahr die Mittelufgestockt werden. Anders war das in den Jahren 1996nd 1997, als die letzte schwarz-gelbe Regierung dieittel nicht aufgestockt und auch nicht auf gleichem Ni-eau gehalten, sondern abgebaut hat. Diese Mittel muss-en erst nach und nach wieder erhöht werden. Daranuss noch einmal erinnert werden.Lieber Kollege Rupprecht, wenn Sie einige Maßnah-en wie die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschungnd Innovation und die vielen Programme der Hightech-trategie nennen, dann ist das doch die Darstellung des-en, was wir in der Großen Koalition in Diskussionenurchgesetzt haben. Wir haben es positiv nach vorne ge-racht, Frau Ministerin. Das muss herausgestellt und un-
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Klaus Hagemannterstrichen werden. Sie sind auf dem richtigen Weg. Aneinigen Stellen könnte man aber noch etwas drauflegen.Es muss gesagt werden, dass Sie bisher nur geplanthaben, diese Mittel auszugeben. Das steht nur auf demPapier und ist noch nicht ausverhandelt. Es ist nicht ga-rantiert, dass diese Mittel auch fließen werden.
Ich nenne einige Hemmnisse, die heute früh schon he-rausgestellt wurden – da bin ich derselben Meinung wieFrau Hinz –: Der Bund allein wird eine Neuverschul-dung von 100 Milliarden Euro haben, 86 MilliardenEuro plus 14 Milliarden Euro in den Schattenhaushalten.Wir wissen gar nicht, wie die weitere finanzielle Ent-wicklung aussehen wird. Die gesamtstaatliche Neuver-schuldung beträgt fast 145 Milliarden Euro, da wir dieVerschuldung von Ländern und Gemeinden noch hinzu-rechnen müssen.Im Haushaltsrundschreiben für 2011 schreibt MinisterSchäuble – ich zitiere aus der Presse –, dass alle Ministe-rien einsparen müssen, auch das Ministerium für Bil-dung und Forschung. Davon gehe ich aus, HerrRupprecht. Auch wenn Sie das fest vereinbart haben,noch steht im Bundesgesetzblatt nicht, wie das sein wird.Außerdem hat das Ministerium eine globale Minder-ausgabe von 175 Millionen Euro zu bewältigen. AlleMinisterien müssen einsparen. Warum wird uns nicht ge-sagt, wo Sie einsparen wollen, wo die Entwicklung indiesem Bereich hingeht? Uns wurde noch keine mittel-fristige Finanzplanung vorgelegt. Wo muss eingespartwerden? Das interessiert uns schon. Wir können unsnicht auf die eiernden Antworten, die wir hier von HerrnSchäuble bekommen haben, verlassen.Immer wird uns der Tag der Verkündung der Steuer-schätzung vorgehalten; wie eine Monstranz wird er vor-neweg getragen, als sei der Tag, an dem die Steuerschät-zung vorliegt, ein Heilstag. Nein, es geht um die Wahl inNordrhein-Westfalen, um das nebenbei noch einmal an-zuführen.
Man kann fast von einem Regierungsmikado spre-chen. Sie kennen das Spiel Mikado: Wer sich zuerst be-wegt, fliegt raus. Nun, so schlimm wird es nicht sein,Frau Schavan. Sie werden schon nicht rausfliegen; aberwer sich bewegt, dem werden die Mittel gekürzt. Warumsagen Sie uns nicht konkret, was Sie in den nächstenJahren vorhaben, wenn Sie einsparen müssen? Dasstrukturelle Defizit wird in den nächsten Jahren70 Milliarden Euro jährlich betragen. Wir haben zusätz-lich die Schuldenbremse. Die Länder werden noch stär-ker herangezogen. Wo wollen Sie einsparen? Sie fahrenim Bildungsbereich genauso wie in anderen Bereichenmit angezogener Handbremse.Die Höhe der Mittel wurde im Rahmen des Bildungs-gipfels, auf den Sie sich immer berufen, noch nicht end-gültig ausgehandelt. Es ist noch nicht klar, welche derMwnqgrgmBiwu–AdbdraCsKkEkpedHDfMDApidDKBsW
iese Länder müssen viele Milliarden an Steuergeldernür die Sanierung ihrer Landesbanken aufbringen. Dieseittel fehlen in den Bereichen Bildung und Forschung.arüber können Sie nicht hinweggehen.Zudem muss viel Geld aufgewendet werden, um dentommüll zu beseitigen. Davon ist auch unser Einzel-lan betroffen, Frau Ministerin. Das Thema Asse ist abernzwischen dem Umweltministerium übertragen wor-en.
afür sind viele Milliarden – ich erinnere an die WAK inarlsruhe – notwendig.
Ein weiterer Punkt – er wurde schon herausgestellt –:ildungspolitik ist Länder- und Kommunalsache. Sieind mit Ihrer Gesetzgebung, mit dem sogenanntenachstumsbeschleunigungsgesetz, dafür verantwortlich,
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Klaus Hagemanndass den Kommunen weniger Mittel zur Verfügung ge-stellt werden, Mittel, die sie für ihre Schulen, für dieKindergärten und Kindertagesstätten brauchen. DieseMittel aber fehlen. Gerade auf den Neujahrsempfängen,auf denen zurzeit alle Abgeordneten zu finden sind, wirdvon den Bürgermeistern in den Kommunen, gerade auchin meinem Wahlkreis – das wird in anderen Wahlkreisennicht anders sein –, auch von CDU-Bürgermeistern, kri-tisiert, dass ihnen der Bund weniger Mittel zukommenlässt.Es gab für die Kommunen einen Lichtblick: dasGanztagsschulprogramm. Warum wird das nicht fort-geführt? Alle Kommunen sind für diese Mittel dankbar.Sie waren damals dagegen, Frau Ministerin, als Sie nochLandesministerin waren; Herr Koch war sowieso dage-gen.Es gab aus Sicht der Kommunen einen weiterenLichtblick: das Konjunkturprogramm II, mit dem Mittelzur Verfügung gestellt wurden. Warum wird das nichtweitergeführt, um Schulen, Kitas oder Sporteinrichtun-gen energetisch zu sanieren?Ein anderer Lichtblick aus Sicht der Kommunen istdas 4-Milliarden-Euro-Programm zum Ausbau der Kin-derbetreuung. Frühkindliche Bildung ist besonderswichtig. Dafür müssen Mittel zur Verfügung gestelltwerden. Da wird aber meiner Ansicht nach zu Recht be-klagt: Das Geld reicht nicht aus, damit wir den Rechts-anspruch auf einen Kindergartenplatz umsetzen können.Da besteht Handlungsbedarf. Das gilt auch für die Aus-bildung von ausreichend Erzieherinnen und Erziehern.
Hier sind also viele Gebiete anzusprechen. Es gehtnatürlich auch darum, wie Ihre Programme umgesetztwerden, Frau Ministerin. An dieser Stelle hapert es beieiner Reihe von Programmen. Ich denke etwa an dasFreiwillige Technische Jahr, jetzt Technikum. Bisherist ein einziger Platz geschaffen worden.Ich kann noch andere Bereiche erwähnen. Ich denkebeispielsweise an den Weiterbildungsbereich. Im ver-gangenen Jahr sind 178 000 Euro für Prämien, aber3,8 Millionen Euro für Werbung und Verwaltung ausge-geben worden. An diesen Punkten zeigt sich, dass meineFrage berechtigt ist: Inwieweit schaffen Sie es, die Mit-tel, die auf dem Papier stehen, sinnvoll einzusetzen?
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Ich erinnere
an einen anderen Punkt. Viele junge Leute fragen: Was
passiert, wenn es nicht genügend Ausbildungsplätze
gibt? Die Bundesagentur für Arbeit weist auf dieses Pro-
blem hin. Was sind Ihre Initiativen, damit die jungen
Leute nicht auf der Straße stehen und keine Perspektive
haben?
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Meine Damen und Herren von der ver-ammelten Linken hier in diesem Hohen Haus! Es istirklich unglaublich, was Sie hier alles an den Haarenerbeiziehen.
Sie können noch so sehr Ihr ideologisches Trommel-euer entfachen, und gerade die Sozialdemokraten kön-en vorgaukeln, sie hätten die letzten elf Jahre in diesemand nicht regiert. Nein! Die Kernbotschaft dieser Bun-esregierung der Mitte ist klar, kurz und prägnant: Inier Jahren wollen wir Deutschland in der Bildung ge-echter, in der Forschung dynamischer und in der Tech-ologie stärker machen. Das ist die zentrale Botschaftieser Bundesregierung der Mitte.
750 Millionen Euro nehmen wir für Bildung, For-chung und Technologie mehr in die Hand, davon allein02 Millionen im Haushalt des Bildungs- und For-chungsministeriums. Das ist eine Steigerung um Prozent in einem Haushalt von 11 Milliarden Euro.as ist in Zeiten der Krise die richtige Antwort. Das istn Zeiten der Krise ein Handlungspaket, das auf dieenschen, auf ihre Fähigkeiten und auf ihre Talenteetzt. Das ist in Zeiten der Krise ein mutiges Investi-ionsprogramm.
Mit der Fortsetzung des Hochschulpaktes, der Exzel-enzinitiative und des Pakts für Forschung und Innova-ion sowie der Stärkung der Hightech-Strategie bringenir unseren Wissenschaftsstandort Deutschlandoran. Die Stärkung der Spitzenforschung in den neuenundesländern mit zusätzlichen 15 Millionen Euro iniesem Haushalt ist ein Zeichen dafür. Die Projektmitteln den Zukunftsbereichen Lebenswissenschaften, Klima,mwelt und neue Technologien werden um 13 Prozentrhöht. Zentral wichtig ist der Bereich der neuen Tech-ologien; hier steigen die Mittel um 14 Prozent. Wirollen in der ersten Liga der Forschungs- und Spitzen-echnologie spielen. Dafür steht diese Bundesregierung.
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Patrick Meinhardt
Um das zu erreichen, brauchen wir viele Diskussio-nen in der ganzen Breite der Gesellschaft, der Wissen-schaft und der Wirtschaft. Das gilt auch für die steuerli-che Forschungs- und Entwicklungsförderung. Hierwerden wir nicht irgendwo am grünen Tisch, sondern imDialog den bestmöglichen Weg ausloten, um eine opti-male Förderung insbesondere der kleinen und mittlerenUnternehmen zu erreichen. Denn diesen Wettbewerbs-nachteil bei der FuE-Förderung müssen wir beseitigen,wenn wir als Technologieland durchstarten wollen.Wir sind ein Land, in dem viel zu viele verborgeneTalente schlummern.
Das muss Konsequenzen für eine moderne Bildungspoli-tik haben. Diese Bundesregierung wird alle Anstrengun-gen unternehmen, um die Förderung von Begabung undHochbegabung voranzutreiben. Ab und zu hat man denVerdacht, dass man die Begriffe „Elite“ und „Leistung“in unserem Land nicht mehr benutzen darf. Wir brau-chen Leistungs- und Begabungseliten. Wir müssenjunge Menschen unabhängig vom Geldbeutel ihrer El-tern und allein orientiert an ihren Talenten fördern. Dasist eine gerechte Bildungspolitik.
Für uns ist dies Handlungsauftrag. Deswegen werdenwir die Begabtenförderung in der beruflichen Bildungum sage und schreibe 55 Prozent erhöhen. Deswegenwerden wir den Begabtenförderungswerken in diesemHaushalt eine Erhöhung um 33 Prozent zukommen las-sen, damit das Büchergeld von 80 Euro auf 300 Euro er-höht werden kann. Deswegen werden wir am 1. Oktoberdieses Jahres in ein nationales Stipendienprogramm ein-steigen. Wir werden die Zahl der Stipendiaten verfünffa-chen. Für uns ist es unsozial, wenn junge Menschennicht die Förderung erhalten, die sie brauchen.
Nur mit dem Dreiklang aus einem intelligenten Bil-dungssparen, einem nationalen Stipendienprogramm undeiner BAföG-Modernisierung erreichen wir unser Ziel.Deswegen ist es richtig, dass bei der Masterförderungdie Altersgrenze von 30 Jahren fällt, dass die Kinderbe-treuungszeiten stärker berücksichtigt werden, dass einstarkes Meister-BAföG existiert und ausgebaut wird,dass die Förderkonditionen für Schüler verbessert wer-den, dass eingetragene Lebenspartnerschaften förde-rungsrechtlich gleichgestellt werden und dass die Freibe-träge und Bedarfssätze angehoben werden. Klar, auchwir hätten uns 1 Prozent mehr bei den Freibeträgen undBedarfssätzen vorstellen können. Aber wissen Sie, wasbWvsisuldtEddwcVdPkdBHczWnemWdWdugWU
Der Qualitätspakt Lehre, die kritische Weiterentwick-ung des Bologna-Prozesses, die massive Weiterbil-ungsoffensive mit der Einführung eines Zukunftskon-os, das Fortbildungsprogramm für Erzieherinnen undrzieher, die Modernisierung der beruflichen Bildung,ie Förderung der Berufsorientierung an Schulen under Ausbildungsqualifizierung, um dem Bug von Altbe-erbern entgegenzuwirken, die Stärkung der frühkindli-hen Bildung, die Stärkung von E-Learning durch eineerdoppelung des Haushaltsansatzes für neue Medien iner Bildung – all das hat für diese Regierung der Mitteriorität. Unsere Antwort auf diese Wirtschaftskriseann sich auch die Opposition merken: Bildung, Bil-ung, Bildung.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Ekin Deligöz, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Meinhardt, Sie haben über Gerechtigkeit gespro-hen und Modelle zur Begabtenförderung und zur Spit-enförderung sowie Stipendienprogramme aufgezählt.enn Sie es mit der Gerechtigkeit wirklich ernst mei-en, müssen Sie aber auch die andere Seite der Medaillerwähnen. Genau das habe ich in Ihrer Rede jedoch ver-isst.
as ist mit den 20 Prozent der Migrantenkinder, dieie Schule ohne Abschluss verlassen?
as ist mit all den Kindern, die im Rahmen der Bil-ungspolitik auf der Strecke bleiben
nd keine Chance auf Stipendienprogramme oder Be-abtenförderung haben?
as ist mit all den Kindern, die von Anfang an staatlichenterstützung brauchen, angefangen bei der Kinderbe-
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Ekin Deligöztreuung über die Sprachförderung bis hin zu einer gutenGrund- und Ganztagsschule?
Diese Kinder kommen in Ihrem Konzept von Gerechtig-keit nicht vor. Das vermisse ich.
Frau Schavan, Sie haben eine Rede gehalten, die sehrschön geklungen hat.
Sie haben die Dinge schöngeredet und manche Zahlenschöngerechnet. Die Lage, die Sie beschrieben haben, istaber in Wirklichkeit nicht so schön. Und deshalb habenSie auch allerdings keine angemessenen Antworten. Sieverschieben alles, was zu tun ist, in eine möglichst ferneZukunft. Sie waren in Ihrer gesamten Rede an keinereinzigen Stelle verbindlich. Nirgendwo haben Sie ausrei-chend konkrete Ansätze vorgetragen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Sie haben zwei Bil-dungsgipfel durchgeführt. Eigentlich ist durch die bei-den Bildungsgipfel aber nur eines erreicht worden: dassder finanzielle Mehrbedarf für Bildung und Forschungvon rund 60 Milliarden Euro, die einmal veranschlagtwaren, auf 13 Milliarden Euro heruntergerechnet wurde.Würde man noch zwei Bildungsgipfel durchführen,würde man wahrscheinlich feststellen, dass wir über-haupt kein Geld mehr in die Hand nehmen müssen oderdass womöglich sogar noch Sparpotenziale bestehen.
Das ist Ihre Art, Bildungspolitik zu machen. Das ist abernicht die Bildungspolitik, die wir in diesem Land brau-chen.
Was wir brauchen, ist eine Gesamtaufstellung, einGesamtkonzept. Es gibt genug Felder, in denen es kon-krete Bedarfe gibt. Dabei geht es um klar bezifferbareSachinvestitionen, erforderliches Personal, Qualität,Qualifizierung, Studien- und Ausbildungsförderung,Transparenz in der Bildungspolitik und eine Zusammen-arbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Hier brau-chen wir eine dezidierte Gesamtaufstellung. Sie dagegenhaben uns vor den Weihnachtsferien gezeigt, dass Bil-dungspolitik für Sie Verhandlungsmasse ist. Sie habenuns gezeigt, dass Sie um die BIP-Quoten lieber feil-schen. Sie haben damit deutlich gemacht, dass Sie umdie Zukunftschancen der Kinder in diesem Land, auchmeiner Kinder, lieber feilschen, als eine ernsthafte Bil-dungspolitik zu betreiben. Frau Schavan, das ist wedergSgsbbdLdhdicvrdnrddWspfsAdKwpSDmnSasztbdSDh
Leider vermisse ich auch in fachlicher Hinsicht eineewisse Navigation; der Navigator scheint Ihnen tat-ächlich abhandengekommen zu sein.Ich nenne Ihnen einige Beispiele. Soziale Hürdeneim Zugang zur Uni werden nicht systematisch abge-aut, wenn man lediglich ein Stipendiensystem und Bil-ungs- oder Zukunftskonten einführt. Was wir in diesemand brauchen, ist eine vernünftige Weiterentwicklunges BAföG. Indem Sie das BAföG um 2 Prozent erhö-en, können Sie wirklich niemanden davon überzeugen,ass dies eine Reform oder gar eine Weiterentwicklungst. Halten Sie die Menschen doch nicht für dumm!Ein anderes Beispiel sind die bundesweit verbindli-hen, vergleichbaren Sprachtests für Kinder mit einererpflichtenden Förderung. Wie soll denn eine Förde-ung durchgeführt werden, wenn Sie den Kommunen beier frühkindlichen Förderung jegliche Luft zum Atmenehmen? Wie soll denn eine verbindliche Sprachförde-ung funktionieren, wenn Sie durch ein Instrument wieas Betreuungsgeld das Signal aussenden, dass es gera-ezu bestraft wird, wenn Kinder gefördert werden?
ie soll das funktionieren? Erklären Sie das einmal, undtehen Sie dazu. Das Betreuungsgeld ist eine bildungs-olitische Katastrophe. Das, was Sie sich wünschen,unktioniert nicht, weil Sie die Kommunen im Stich las-en, und es funktioniert nicht, wenn Bildung nicht vonnfang an, also bereits im Kindergarten und in der Kin-erkrippe, als solche definiert wird.Noch ein Beispiel. Der Hochschulpakt hat einenonstruktionsfehler. Er bringt pro Studienplatz viel zuenig und setzt keinerlei Anreize, zusätzliche Studien-lätze zu schaffen oder gar die Qualität zu erhöhen, dietudienbedingungen in diesem Land also zu verbessern.ie Bologna-Reform bringt nun einmal nicht das, wasan sich von ihr erhofft hat; das müssen Sie zur Kennt-is nehmen. Das zeigen uns auch die Forderungen dertudierenden, die auf die Straße gehen.Wir brauchen mehr Studienplätze, wir brauchen aberuch eine Debatte über die Qualität und verbindliche Lö-ungsansätze in diesem Bereich. Wir brauchen eine kon-ertierte Aktion, eine effiziente, finanzstarke Überarbei-ung. Reine Absichtserklärungen reichen nicht.
Ein letztes Wort auch von mir zum Kooperationsver-ot. Das Kooperationsverbot war ein Fehler. Sie habenas inzwischen eingesehen, Frau Schavan, und es ehrtie, dass Sie das eingestehen. Das reicht aber nicht. Eineummheit wie das Kooperationsverbot darf keinen Platzaben in der Politik, schon gar nicht in der Bildungspoli-
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Ekin Deligöztik. Das Kooperationsverbot geht zulasten der Kinder.Sie sind es den Eltern, den Kindern, den Schülern, denStudierenden – allen, die davon betroffen sind – schul-dig, dass Sie an dieser Stelle nacharbeiten. Da ist nocheine Menge zu tun.Einen Aufbruch habe ich aus Ihrer Rede leider nichtheraushören können. Einen solchen Aufbruch brauchenwir aber in diesem Land.
Das Wort hat nun Uwe Schummer für die CDU/CSU-
Fraktion.
Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Herren!Bildung ist ein Schlüssel zur persönlichen Entfal-tung, zur sozialen Gerechtigkeit und zum Wohl-stand … Bildung ermöglicht Aufstieg und schafftZusammenhalt. Deshalb wollen wir die Bildungsre-publik Deutschland.Das sind die Kernsätze der Präambel des Koalitionsver-trages. Damit skizzieren wir sehr eindeutig das zentraleProjekt christlich-liberaler Politik
und die Erkenntnis: Menschen sind unser Potenzial.Auch in der Wirtschaft sieht man es mittlerweile so,dass Arbeitnehmer keine reinen Kostenfaktoren sind, dieman eliminiert, sondern Aktivposten im Unternehmen,Innovationsfaktoren im Unternehmen. Wir wissen, dass83 Prozent aller Patente, die in Deutschland entwickeltwerden, von in Unternehmen Beschäftigten kommen.Darauf müssen wir setzen. Eine zentrale Voraussetzungdafür ist, dass wir eine Bildungsrepublik sind.
Es wäre undenkbar, dass die arabischen Länder ihre Öl-vorräte im Wüstensand versickern lassen. Es wäre un-denkbar, dass die Südafrikaner ihre Goldschätze nichtnutzen. Für uns muss es undenkbar sein, dass wir unserPotenzial – den Menschen – nicht entsprechend fördern,aber auch fordern. Die Erkenntnis aus der Börsenkriseist doch: Wir müssen weniger an der Börse spekulierenund stärker in Menschen investieren.Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln beziffertdie Einkommensverluste und die Auftragsverluste derdeutschen Unternehmen, die durch Facharbeitermangelund Ingenieurmangel entstehen, schon heute auf18,5 Milliarden Euro jährlich. Wir müssen aufpassen,dass dieses Wachstumshemmnis durch die demografi-sche Entwicklung nicht noch größer wird. 2008 verlie-ßekrWvuHsmgbdmaMusiHgawgsHAdGdWmmuhbwMadbNeübamBe
Man muss nicht nur nach vorne schauen: 2003 – aucha ist die Wahrheit sehr konkret – saßen Sie von denrünen in der ersten Reihe, als mit den Hartz-Gesetzenie gesamte Berufsberatung, die Berufsorientierung, dieeiterbildung in Grund und Boden geschossen wurde.In der Weltwirtschaftskrise, die wir derzeit haben,üssen wir uns fragen: Woher kommen wir, und wasussten wir aufbauen, was Rot-Grün in Weiterbildungnd Berufsorientierung an verbrannter Erde hinterlassenatte? Wer Zukunft sichern will, muss früh fordern undei der Berufsorientierung früh fördern. Daher ist esichtig, dass im aktuellen Haushalt die Ausgaben für dieodernisierung und Stärkung der beruflichen Bildunguf 190 Millionen Euro fast verdoppelt werden.
Ich mache es an einem Programm ganz konkret fest,as wir gemeinsam mit dem Handwerk und vielen Ver-änden noch in der Großen Koalition entwickelt haben:icht zwei Monate, sondern zwei Jahre vor der Schul-ntlassung soll eine frühzeitige Berufsorientierung inberbetrieblichen Ausbildungswerkstätten stattfinden,ei Kolping oder wo auch immer. Zwar kann man nichtlle 342 Berufsbilder in der Schule vortragen, aber zu-indest die wichtigsten Berufsfelder in 14 Tagenerufsorientierung mit pädagogischer Begleitung undinem Profiling am Ende kennenlernen. Dann schaut
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Uwe Schummerman eben – in den Bereichen Holz, Metall, Hauswirt-schaft, Gartenbau, Verwaltung –, was die Talente, Eigen-schaften und Fähigkeiten sind und wie die zwei Jahre inder Schule genutzt werden können, um den Übergangvon der allgemeinen Bildung in die berufliche Qualifi-zierung zielgenauer zu gestalten.Knapp 76 000 Schülerinnen und Schüler haben diesesProgramm im letzten Jahr durchlaufen. Die Mittel fürdieses Programm werden im neuen Haushalt verfünf-facht, hinzu kommen die Ausgaben im Bereich Arbeitund Soziales. So werden wir erstmals in der Lage sein,diese frühzeitige Berufsorientierung flächendeckend al-len Schülerinnen und Schüler anzubieten. Nach Aussagedes Berufsbildungsinstituts ist die Abbrecherquote auchdurch diese Maßnahmen von 25 Prozent auf 19 Prozentabgebaut worden. Das heißt, sie finden schneller einevernünftige berufliche Qualifizierung, wenn man früh-zeitig solche Instrumente einsetzt.
Sie schimpfen immer über das Bildungssparen, daswir doch gemeinsam mit der Merkel-Regierung in denletzten Jahren durch die Öffnung des Vermögensbil-dungsgesetzes durchgesetzt haben: für die Erwerbstäti-gen, die aufgrund der Hebelwirkung ihrer eigenenBeiträge die Arbeitgeberbeiträge, die Zinsen und diesteuerfinanzierten Prämien nutzen können.
– Wir schließen jetzt die Lücke, verehrter HerrRossmann, von der Geburt bis zur Erwerbstätigkeit, weilbereits früher Bildungssparen möglich sein sollte.
Wenn diese 150 Euro als Startkapital bereitgestelltwerden, dann für alle. Aber dann lasst uns doch einmalkreativ überlegen, statt nur zu schimpfen. Wie kann mandenn ein solches Bildungskonto weiter nutzen, beispiels-weise diskriminierungsfrei für Bildungsschecks, die manüber das Bildungskonto transferieren könnte? Man kanndem Geld ja nicht ansehen, ob es öffentlich geförderteMittel oder privat angesparte Gelder sind. Oder warumsoll das Schulstarterpaket, das wir gemeinsam bis zumAbitur durchgesetzt haben, nicht über das Bildungskontolaufen können? Dies könnte auch für das Betreuungsgeldgelten.Herr Rossmann, Sie haben im Grunde eine starkeSchulsozialarbeit – da bin ich an Ihrer Seite – starken El-tern, die starke Kinder erziehen, als Alternative gegen-übergestellt. Bei Letzterem sind wir nicht auf Ihrer Seite.
Wir wollen das nicht gegen die Eltern ausspielen, son-dern wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern, damit sieentscheiden können, wie sie die Mittel einsetzen undnutzen.
Liebe Frau Hinz, Sie sind charmant, wenn Sie nicht imlenarsaal sind; aber hier im Plenum ist es unerträglich.
Die Oppositionsfraktionen haben in dieser Debatterei Schlüsselbegriffe gebracht: kostenfrei, billig undmsonst. Die Bildungspolitik, die wir anstreben, mussinanziell barrierefrei sein, Qualität schaffen und lebens-anges Lernen ermöglichen. Dafür stehen wir.
Das Wort hat nun Kollegen René Röspel für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Das ist meine erste Haushaltsrede als Opposi-ionspolitiker,
as mich gleichwohl nicht daran hindert, das Erfreuli-he im Etat zu erkennen und auch zu benennen. Frauchavan, ausdrücklich freue ich mich, dass es Ihnen ge-ingt, eine fünfte oder auch sechste Stufe einer Raketeu zünden, die die Forschung in Deutschland voranbrin-en soll. Aber es sei mir auch erlaubt, darauf hinzuwei-en, wer diese Rakete denn gestartet hat – wir haben ge-ade ein paar Zahlen von dem Kollegen gehört –: Alsot-Grün 1998 die Regierung übernahm, gab es keinetartrampe und auch keine Rakete in Sachen Forschung.einerzeit hatten der damalige Forschungsministerüttgers und Herr Kohl die Ausgaben für Bildung undorschung gesenkt.
ir haben das erst wieder mühsam aufbauen müssen.ie Startphase einer Rakete ist immer die schwierigste.ir haben auch Widerstände überwinden müssen. Weras nicht glauben mag, kann es in den Protokollen desundestags nachlesen, beispielsweise als wir das Ganz-agsschulprogramm diskutiert haben, das in allen Kom-unen gut ankommt und über das viele froh sind. Wennan einige Reden heute hört, könnte man glauben, dasss die jetzige Koalition erfunden hätte. Das ist aber nichter Fall. Aber geschenkt; es sei Ihnen unbenommen,ass Sie sich mit fremden Federn schmücken.
Ich will nach ehrlichem Lob allerdings auch ehrlicheritik im Forschungsbereich vorbringen und stakkato-rtig einige Beispiele nennen. Erstes Beispiel: In dericherheitsforschung erhöhen Sie gegenüber dem Etatus dem Jahr 2008 mit 18 Millionen Euro die Ausgaben
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René Röspelauf nunmehr 55 Millionen Euro. Wir haben als Sozialde-mokraten die Sicherheitsforschung stets sehr kritisch ge-sehen, weil wir fürchten, dass eine militärische Nutzungmöglich ist, und weil sie zu technikzentriert erscheint.Wir brauchen in diesem Bereich aber einen ganzheitli-chen Blick.Ich nenne ein Beispiel. Wir diskutieren zurzeit sehrviel über Nacktscanner. Gleichzeitig wird das deutscheSicherheitspersonal an Flughäfen demotivierend misera-bel bezahlt. Die Israelis setzen auch auf Technologie,aber sie setzen den Schwerpunkt auf den Menschen. Siehaben gut ausgebildetes und gut bezahltes Sicherheits-personal.
In der Gesamtbetrachtung kann es also nicht nur umTechnologie gehen, sondern wir brauchen einen ganz-heitlichen Blick. Im Sicherheitsbereich geht es aber vorallen Dingen um die Vermeidung von Konflikten undKrisen. Leider finden wir in diesem Etat nichts zu demBereich Friedens- und Konfliktforschung. Er kommtschlicht und einfach nicht vor. Das werden wir nicht zu-lassen. Wir fordern ausdrücklich Verbesserungen im Be-reich der Friedens- und Konfliktforschung.
Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen. DerEtat für innovative Dienstleistungen und Arbeitsfor-schung stagniert leider, wie ein Vergleich dieses Haus-haltes mit dem des Vorjahres zeigt. Wir wissen aber ausGutachten, dass der Bereich wissensintensive Dienstleis-tungen einer der Wachstumsmotoren der Zukunft ist,was Arbeitsplätze und Technologien anbelangt. Wie wirin Zukunft arbeiten und erwerbstätig sein werden, isteine zentrale Frage. Dafür brauchen wir Forschung undExpertise. Deswegen halten wir es für notwendig, dassdieser Bereich stärker gefördert wird.Als drittes Beispiel nenne ich die Energietechnolo-gien. Auch hier gibt es keine Veränderungen gegenüberdem Vorjahr. Das ist sträflich, weil auch das ein Wachs-tumsbereich ist. Hinzu kommt, dass die Hälfte der58 Millionen, die in den Haushalt eingestellt sind, inKernfusion und Atomenergieforschung fließen. Das istfalsch. Wir müssten eigentlich aus der Erfahrung lernen.Gleichzeitig redet diese schwarz-gelbe Koalition da-von, die Bedingungen für die Einspeisung von regenera-tivem Strom dramatisch zu verschlechtern. Damit wer-den die Menschen davon abgehalten, sich entsprechendeAnlagen aufs Dach zu stellen.
Gleichzeitig wird über die Verlängerung der Laufzei-ten von Atomkraftwerken gesprochen. Im BergwerkAsse gibt es 125 000 Fässer mit schwach- oder mittelra-dioaktivem – man weiß es nicht genau – Müll. Jedes Jahreiner Verlängerung der Laufzeiten bedeutet Tausendevon Fässern zusätzlich. Wir haben 172 Millionen Eurofür den Rückbau kerntechnischer Anlagen in diesenHaushalt einstellen müssen, und dabei handelt es sichnur um Forschungsreaktoren.–sm3RdfvwüAwfwFMadobEafwdgsvzdmrsAfcVhV
Stellen Sie eine Zwischenfrage, statt einfach herumzu-chreien.Für Asse – seit 2008 fällt Asse glücklicherweise nichtehr unter diesen Etat – waren Kosten in Höhe von50 Millionen Euro im Etat enthalten. Umweltministeröttgen wird sich darum kümmern müssen, wie er beien auf 2 Milliarden Euro geschätzten Kosten die Atom-ässer wieder aus der Asse herausbekommt. Das ist un-erantwortlich.
Herr Kollege, Sie haben eine Zwischenfrage ge-
ünscht. Jetzt gibt es sie.
Herr Kollege, ich finde es unglaublich, wenn Sie hier
ber Dinge sprechen, von denen Sie offensichtlich keine
hnung haben. Wissen Sie, was in Asse eingelagert ist,
er das dort eingerichtet hat und die Verantwortung da-
ür trägt, und wer seinerzeit Ministerpräsident und Um-
eltminister war? Jetzt stellen Sie es so hin, als würde
rau Schavan die Verantwortung dafür tragen.
Diese Bundesregierung muss jetzt sehen, dass sie den
ist dort herausschafft. Sie sollten sich auf der Zeit-
chse vor Augen führen, wer wirklich in Niedersachsen
ie politische Verantwortung hatte. Wie viele Millionen
der gar Milliarden sind für irgendein Theater ausgege-
en worden, das Sie veranstaltet haben, um die nukleare
ntsorgung in Deutschland zu behindern? Wenn Sie das
lles als gefährlich bezeichnen, dann müssen Sie sich
ragen, warum Sie den Schaden nicht rechtzeitig abge-
endet haben. Was haben Sie konkret gemacht, als Sie
ie Regierungsverantwortung hier und in Niedersachsen
etragen haben?
Sie können gerne im Protokoll nachlesen, was ich ge-agt habe. Das ist etwas völlig anderes als das, was Sieersuchen mir zu unterstellen. Ich habe gesagt, dass bisum Jahr 2008 die Mittel für den Bereich Asse II überie Helmholtz-Gesellschaft im Haushalt des Bundes-inisteriums für Bildung und Forschung etatisiert wa-en. Ich habe keine Schuldzuweisung vorgenommen,ondern gesagt, dass wir froh sein können, dass wir dieusgabenpolitik – bisher 350 Millionen Euro – nichtortsetzen müssen. In den letzten Jahrzehnten haben si-herlich mehrere Personen und nicht nur eine Personerantwortung getragen; hier gebe ich Ihnen recht. Ichabe aber auch nichts anderes behauptet. Das ist keinorwurf an Frau Schavan. Wenn ich mir allerdings die
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René Röspelschwarz-gelbe Politik anschaue, dann stelle ich fest, dassSie es sind, die weiteren Atommüll produzieren wollen,obwohl Sie noch keine Antwort darauf haben, wo dieserMüll gelagert werden soll.
Diese Regierung wird in den nächsten Jahren vor demProblem stehen, mindestens 2,5 Milliarden Euro dafürauszugeben, dass alle Bundesregierungen und Landes-regierungen zuvor falsch gehandelt haben und Atommüllunterirdisch gelagert haben. Wo der Atommüll gelagertwerden soll, wird die Kernfrage sein. Darüber werdenwir in den nächsten Jahren noch diskutieren.Bitte, Herr Schirmbeck, wenn Sie weiter fragenmöchten.
– Ich erwarte Gegenbeispiele, die meine Position wider-legen.
Ich erlaube noch eine Nachfrage. Aber dann sollte mit
dem Dialog Schluss sein.
Bitte, Herr Schirmbeck.
Herr Kollege, sind Sie bereit, zuzugestehen, dass in
Asse schwach Wärme entwickelnde Abfallstoffe aus
medizinischen Einrichtungen eingelagert sind, und sind
Sie bereit, Vorschläge zu machen, wo diese Abfälle gela-
gert werden sollen?
In Asse sind 125 000 Fässer mit schwach radioakti-
vem Müll gelagert. Ich kann mich an das Datum meiner
Frage, die ich dem Ministerium gestellt habe, nicht mehr
erinnern. Die Antwort lautet aber sinngemäß, dass es
sich überwiegend nicht um medizinisch-technischen
Müll, sondern um betrieblichen Müll handelt. Der Anteil
des medizinischen Mülls wie Krankenhausabfälle am
Atommüll liegt bei 2 oder 3 Prozent. Die genauen Zah-
len liefere ich Ihnen gerne nach. Jedenfalls ist der Anteil
verschwindend gering. Mit dem, was Sie gerade vorge-
tragen haben, liegen Sie völlig falsch. Es tut mir leid.
In der letzten Minute meiner Redezeit möchte ich Sie
ausdrücklich loben. Ich finde es richtig und wichtig, dass
Sie den von der SPD auf den Weg gebrachten Pakt für
Forschung und Innovation weiterhin fördern und aus-
bauen. Die Forschungsorganisationen sind wichtig und
brauchen mehr Geld. Es geht allerdings nicht nur um fi-
nanzielle Verbesserungen. Vielmehr brauchen wir auch
junge Menschen, die begeistert Forschung betreiben.
Herr Meinhardt und Frau Schavan, Ihre Worte habe ich
sehr wohl vernommen, dass Sie jedem jungen Menschen
eine Chance geben wollen. Meine Erfahrungen, die ich
mit meinen beiden schulpflichtigen Kindern in Nord-
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Es gibt sicherlich positive Ansätze im Forschungsetat.
ber Bildung und Forschung müssen als Einheit gese-
en werden. Bei der Bildung funktioniert Schwarz-Gelb
berhaupt nicht, sondern verschlimmert die Situation.
eswegen hat das Land Schwarz-Gelb nicht verdient.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Eckhardt Rehberg für die
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord-eten! Es ist natürlich schwierig, Realitäten anzuerken-en. Kollege Hagemann, mich verwundert, wie schnellie sich in die Büsche schlagen. Wenn Sie sich deninzelplan 30 ganz genau anschauen – das ist bei dennderen Einzelplänen ähnlich –, dann stellen Sie fest,ass der Haushaltsentwurf vom Juni 2009 die Basis dar-tellt. Hinzu kommt das – ich glaube, das liegt Ihnen be-onders schwer im Magen –, was CDU/CSU und FDPm Koalitionsvertrag draufgelegt haben. Wir haben unsefragt, was in Deutschland die drängendsten Problemem Bereich von Bildung und Forschung sind und wie wiriesen begegnen können. Diese Richtung passt Ihnenicht. Ich will Ihnen einen guten Rat geben: Man kanniele Haare in einer Suppe finden. Aber die Gefahr ist,ass die Suppe kalt wird, bevor man alle gefunden hat.
Ich möchte einen Satz zu den Steuern sagen. Herrossmann, aber auch Frau Sitte, ich kann mich noch gutn den Juni 2000 erinnern, als Sie, Rot-Grün, im Stil derBasta-Politik“, eine Steuerreform durchgedrückt ha-
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Eckhardt Rehbergben, die zu einem Minus bei der Körperschaftsteuer, ins-besondere aber bei der Gewerbesteuer geführt hat.
– Sie haben mit den Stimmen aus Schwerin im Bundes-rat zu dem Minus von 24 Milliarden Euro im Jahr 2001gegenüber 2000 beigetragen, weil Sie insbesondere gro-ßen deutschen Kapitalgesellschaften die Möglichkeitgegeben haben, ihre Beteiligungen insbesondere imAusland steuerfrei zu veräußern. Das war Ihre Politik!
Alleine in Mecklenburg-Vorpommern haben sich beivielen Kommunen die Gewerbesteuereinnahmen hal-biert und erst fünf Jahre später wieder erholt. Das gehörtauch zur Wahrheit bei der Steuerpolitik. HerrHagemann, sagen Sie, wenn Sie bei den Neujahrsemp-fängen sind, dass es im Jahr 2010 Steuerentlastungen inHöhe von insgesamt 25 Milliarden Euro gibt, von denenzwei Drittel auf Schwarz-Rot und ein Drittel auf diechristlich-liberale Koalition entfallen.
Ihnen passt unsere Richtung nicht. Es passt Ihnen,Frau Hinz, nicht, dass Sie sich 2005 mit Rot-Grün ausder Regierung verabschiedet haben.
– Sie sind abgewählt worden, und das war richtig so, da-mit Deutschland eine bessere Zukunft hat.
Wir haben jetzt einen Etat von knapp 11 MilliardenEuro. Herr Kollege Hagemann, wie hätten Sie debattiert,wenn wir – was haushälterisch unsinnig gewesen wäre –die kompletten 3 Milliarden Euro von heute auf morgensofort obendrauf gepackt hätten. Sie haben in der ganzenDebatte eines verschwiegen: Wir haben 750 MillionenEuro an Barmitteln eingestellt, davon 35 Millionen Euroin anderen Haushalten,
und die Verpflichtungsermächtigungen haben wir deut-lich erhöht, über 2 Milliarden Euro. Die Verpflichtungs-ermächtigungen zeigen, dass unsere Politik keine Ein-tagsfliege ist, sondern über die nächsten Jahre mit einemAufwuchs im Barabfluss von bis zu 3 Milliarden Europer annum kontinuierlich fortgesetzt werden soll. Sowerden wir im Jahre 2015 auch das 10-Prozent-Ziel er-reichen.
Was sind die Herausforderungen? Herr KollegeHagemann, Sie haben über Ausbildungsplätze gespro-chen. Es gibt allein 30 Millionen Euro für ein Pro-gramm, mit dem Ausbildungsplätze insbesondere instrukturschwachen Regionen gefördert werden sollen.Außerdem stocken wir die Mittel für die Berufsorientie-rung auf. Das ist völlig neu. 2008 gab es dafür keineMittel, im ersten Entwurf des Haushaltsgesetzes imJsdAkdondlsLddKutmv––FBudeimddrIsdDdpdSset
Ja, Sie in Sachsen-Anhalt.
Ja, dort wurde ein großer Sprung bei PISA gemacht.
rau Kollegin Sitte, das ist eigentlich gar nicht Sache desundes. Aber wir nehmen Geld für die Sprachförderungnd die frühkindliche Bildung in die Hand. Aber – auchas muss ich deutlich sagen – es kann nicht so sein, wies manchmal an der einen oder anderen Stelle der Fallst, dass nämlich der Bund Geld in die Hand nimmt undanche Länder sich aus dem Staub machen.Es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen,ass das Geld, das wir an die Länder durchreichen, auchort ankommt, wo es hingehört.
Herr Rossmann, Sie haben gesagt, es fehle Begeiste-ung für Bildung und wir weckten keine Begeisterung.ch bin der Auffassung, dass Bildung eine gesamtgesell-chaftliche Aufgabe ist. Das kommt mir bei Ihnen voner ganz linken Seite immer viel zu kurz.
azu gehören Eltern und Großeltern, die sich ihren Kin-ern und der schulischen Erziehung ihrer Kinder ver-flichtet fühlen. Dazu gehört die Begleitung durch Kin-erkrippen, durch Kindergärten, durch Horte und durchchulen. Dazu gehören gute Rahmenbedingungen. Ichage Ihnen ganz klar: Vor Begeisterung kommt für michin Wort in diesem Bereich, und das heißt „Verpflich-ung“. Bildung und Erziehung junger Menschen in
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Eckhardt RehbergDeutschland ist Verpflichtung für die ganze Gesell-schaft.Herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz, Einzelplan 10.Das Wort hat Bundesministerin Ilse Aigner.
Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Land-wirtschaft und Verbraucherschutz:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft sind – das kann man, glaube ich, nicht oft genugsagen – Kernfragen einer modernen Gesellschaft und un-serer Zukunft. Ich kann nur immer wieder davor warnen,diese Themen gegeneinander auszuspielen. Meine festeÜberzeugung ist, dass man diese Bereiche nur gemein-sam gestalten kann.
Allen, die das nicht glauben oder nicht sehen, kann ichnur empfehlen, die Grüne Woche zu besuchen. Hier tref-fen sich Erzeuger und Verbraucherinnen und Verbrau-cher hunderttausendfach. Es gibt hier kein Gegeneinan-der, sondern ein kräftiges Miteinander.In Deutschland haben wir im Vergleich zu anderenLändern eine komfortable Situation. Das sage ich insbe-sondere mit Blick auf Haiti. Ich möchte in diesem Rah-men zusichern, dass unser Haus gemeinsam mit der FAOversuchen wird, nach Wegen zu suchen, wie wir die mit-tel- und langfristige Ernährungssicherung in diesemLand unterstützen können. Das halte ich für eine zwin-gende Verpflichtung.
Auch wenn in Deutschland die Ernährungsfrage keineFrage des Überlebens ist, so ist sie für mich doch einezentrale Frage. Sie sollte und muss einen sehr hohen ge-sellschaftlichen Stellenwert haben. Lebensmittel sindnicht nur irgendeine Handelsware. Es geht um eine Ver-sorgung mit gesunden Lebensmitteln. Dazu gehört einestabile Landwirtschaft, die existieren kann. Beides ge-hört zusammen.
Ich finde, wir dürfen diese Grundfragen nicht unter-schätzen. Wir müssen diese in der Öffentlichkeit immerwieder deutlich machen. Wenn ich „wir“ sage, dannmeine ich nicht irgendjemanden, sondern damit meineich ganz bewusst uns Abgeordnete, die wir in der Ver-antwortung stehen. Wir müssen für diese Themen imLande werben. Das ist eine Zukunftsfrage.duAfW5zTEmlrhFBmmViVbcbtdsWEtmermzdjAlPimswmBdiwpmw
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Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird das Geld des Etatsmit der Gießkanne ausgeschüttet, aber nicht zielgerichtetverteilt.Das Grünlandprogramm ist einer der Kerne IhrerPolitik. Dafür werden in diesem und im nächsten Jahr750 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Vom Bau-ernverband wird das natürlich begrüßt – wer verteilt, er-hält auch Zuspruch –, aber durchaus nicht von allenLandwirten. Wer die DLG-Wintertagung verfolgt hat,weiß, dass Dr. Hesse, ein renommierter Agrarwissen-schaftler, dieses Programm als „ordnungspolitischenSündenfall“ bezeichnet.
– Stellen Sie eine Frage, Herr Kollege Bleser, oder las-sen Sie mich in meiner Rede fortfahren!
Carl-Albrecht Bartmer, Präsident der DLG, bezeichnetedas Programm als „Placebo“ für die Milchbetriebe. Ichfinde, beide haben recht – leider.Frau Ministerin, Ihr Grünlandprogramm steht zu-nächst für kurzfristige Mitnahmeeffekte statt für sinn-volle Investitionen in die Zukunft des Milchsektors. Siebegleiten den erforderlichen Strukturwandel nicht; nein,Sie bremsen ihn regelrecht aus. Darüber hinaus habenSie zu der Entwicklung auf dem Milchmarkt durch Ihrezögerlichen Aussagen in erheblicher Weise beigetragen,sodass viele Milchbauern verunsichert worden sind. Wirerinnern uns noch an erfolglose runde Tische und an Ihrezögerlichen Aussagen zur Milchquote. Letztendlich warIhre Position nicht zu halten. Aber die Diskussion hatdafür gesorgt, dass die Quotenkosten um 20 Prozent ge-stiegen sind. Damit haben Sie allen deutschen Milchbau-ern schweren Schaden zugefügt. Das sollten Sie erken-nen. Gerade Sie und die CSU sind dafür verantwortlich,während andere, beispielsweise an sich immer koopera-tiv denkende Kollegen aus der CDU, Ihre Ansicht nichtin jedem Falle vertreten haben; das muss ich denen zu-gutehalten.Sie verteilen jetzt weiße Salbe und Pflaster. Das wirdaber den betroffenen Betrieben nicht in entscheidenderWeise helfen. Das Programm ist im Wesentlichen an denIAdpeBgsddGiSsBmdasHSmGednmdShfDer7DSwMJalrrmgMueVadEm
Ich frage mich allen Ernstes aber auch, wie die FDPls Koalitionspartner, der auf Markt- und unternehmeri-che Freiheiten setzt, dieses Spielchen mitmachen kann.err Geisen, ich zitiere einmal aus einem Schreiben, dasie von einem Fleischrinderhalter aus der Eifel bekom-en haben: Wir gönnen den Milchviehhaltern diesesrünlandprogramm. Aber lassen Sie nicht zu, dass sichine Zweiklassengesellschaft bildet. Wir beanspruchenie gleiche Prämie für alle Großvieheinheiten. Es darficht sein, dass durch lauthalsiges Geschrei und De-onstrationen einer gewissen Milchlobby Politiker inie Knie gezwungen werden.Herr Geisen, was ist eigentlich mit den Ziegen- undchafhaltern? Die Einzelbetriebe bzw. einzelnen Halteraben in diesem Jahr erhebliche Kosten durch die Ein-ührung der elektronischen Einzeltierkennzeichnung.afür bekommen sie nichts. Und was war mit den Sau-nhaltern und den Schweinemästern in den letzten Jah-en? Deren Zahl ist innerhalb von zehn Jahren um3 000 auf nunmehr 68 000 Betriebe zurückgegangen.a hat ein dramatischer Strukturwandel stattgefunden.ie haben keine Unterstützung erhalten. Ich befürchte,er sich im Agrarsektor zu den Grundprinzipien derarktwirtschaft bekennt, hat in diesem und im nächstenahr Pech gehabt. Darum fordere ich Sie von der FDPuf: Bringen Sie diesen konfusen Haushaltsansatz end-ich in Ordnung und sorgen Sie dafür, dass eine zielge-ichtete Politik betrieben wird! Bekennen Sie sich zu Ih-en Grundprinzipien!Frau Ministerin, die politischen Vorschläge, die Sieachen, sind nicht zukunftsweisend, sondern rückwärts-ewandt. Wir brauchen kurz- und mittelfristig eineilchpolitik, die der Wettbewerbssituation gerecht wirdnd die vor allen Dingen die Wettbewerbsfähigkeit derinzelnen Milcherzeuger stärkt. Nehmen Sie doch dieorschläge aus dem Vorbericht des Bundeskartellamtesuf! Sorgen Sie dafür, dass die Landwirte gefördert wer-en – das ist nach EU-Recht mit 500 000 Euro prorzeugergemeinschaft möglich –, wenn sie Erzeugerge-einschaften gründen! Erstellen Sie dafür einen konkre-
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Dr. Wilhelm Priesmeierten Ansatz und fördern Sie damit die Wettbewerbsfähig-keit der Landwirte! Sorgen Sie im Wettbewerbsrechtdafür, dass die Molkereien als weiterverarbeitender Sek-tor auf Augenhöhe mit dem Lebensmitteleinzelhandelverhandeln können! Wenn Sie das tun, dann braucht mankeine exorbitanten Ausgaben in Millionenhöhe, dieletztendlich in verschiedenen Bereichen unter Mitnah-meeffekten verpuffen.
Ich fordere von Ihnen ein Unterstützungsprogrammund ein Strukturprogramm, die den Anforderungen ge-recht werden. Die Gießkanne hat bekanntlich längst aus-gedient, und sie ist auch nicht groß genug, um alle An-sprüche zu bedienen.Frau Aigner, wir haben mit Spannung Ihre Rede aufder Grünen Woche erwartet. Wir hätten uns einige präg-nante Aussagen zur Weiterentwicklung der Gemeinsa-men Agrarpolitik nach 2013 gewünscht. Aber diesbe-züglich war von Ihnen nicht viel zu vernehmen. Den ansich begrüßenswerten Vorschlag der neuen Agrarminis-terin aus Schleswig-Holstein haben Sie mit der Bemer-kung, es sei noch viel zu früh, darüber nachzudenken,nicht weiter kommentiert. Sie haben gesagt, dass Sie beiden Verhandlungen harte Auseinandersetzungen undschwere Verteilungskämpfe erwarten. Das ist richtig. Siewollen eine starke erste Säule, die ausgewogen ausge-richtet ist. Auch das ist aus Ihrer Sicht richtig. Aber Siewissen wie auch wir ganz genau, dass das historischeModell der Direktzahlung längst ausgedient hat. Daswerden Sie politisch nicht mehr legitimieren und nichtmehr begründen können.Die neuen Aufgaben und Herausforderungen sind– Sie haben vorhin einige genannt – Klimaschutz, Biodi-versität, Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und flächen-deckende Landwirtschaft. Die Leistungen in Bezug aufdiese öffentlichen Güter müssen den Landwirten auch inZukunft vergolten werden und sollten nicht pauschal ab-gerechnet werden. Dazu hätte ich mir einige Aussagengewünscht.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Frau Ministerin, Sie eröffnen keine politischen Per-
spektiven. Sie halten bei passender Gelegenheit Schön-
wetterreden. Sie bieten tolle Broschüren und bunte Ka-
lender aus dem BMELV an. Aber Sie haben keine
Antworten auf die drängenden Fragen des Agrarsektors.
Zu Ihrer Politik kann ich nur sagen: Mangelhaft!
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Heinz-Peter Haustein für
die FDP-Fraktion.
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nter dem Motto dieses im Volksmund üblichenpruchs möchte ich mich heute mit dem Einzelplan 10,undesministerium für Ernährung, Landwirtschaft underbraucherschutz, beschäftigen.Die Zahlen sind ernüchternd. Der Etat für diesenichtigen Bereich umfasst 5,8 Milliarden Euro. Genauenommen, handelt es sich um das Wichtigste über-aupt; denn wenn die Ernährung im Land nicht stimmt,ann kann man alles andere vergessen.
5,8 Milliarden Euro entsprechen 1,9 Prozent des Ge-amtetats in Höhe von 325,4 Milliarden Euro. Wennan sich anschaut, wie groß der Anteil des sozialenereichs an diesem Einzelplan 10 ist, dann ergibt sichin ganz anderes Bild. Im Einzelnen handelt es sich hier-ei um folgende Posten: Zuschüsse zur Alterssicherunger Landwirte: 2,28 Milliarden Euro; Zuschüsse zurandwirtschaftlichen Unfallversicherung: 200 Millionenuro; Zuschüsse zur Gewährung einer Rente an Klein-andwirte: 44,5 Millionen Euro; Zuschüsse an die Trägerer Krankenversicherung: 1,25 Milliarden Euro; Zu-chüsse zur Zusatzaltersversorgung für Arbeitnehmer iner Land- und Forstwirtschaft: 24,5 Millionen Euro. Daseißt, alles in allem fließen rund 65 Prozent des Einzel-lans 10 in den sozialen Bereich.
ieht man dann noch die Kosten für das Ministeriumzw. die Verwaltung – das muss ja sein – ab, dann ver-leiben diesem Ministerium zur freien Politikgestaltungund 2 Milliarden Euro. Das ist wahrlich nicht viel. Aberir haben Glück gehabt: Seitdem es eine christlich-libe-ale Koalition gibt, hat auch dieses Ministerium einehristlich-liberale Handschrift.
iese ist wesentlich besser als die von 2002 bis 2005.
Dieser Haushalt trägt auch eine liberale Handschrift,umindest beim Grünlandmilchprogramm. Diesesrogramm ist eine gute Sache; denn es hilft den Milch-auern, durch diese Krise zu kommen. Es war äußerstichtig, dass man da etwas getan hat. Auch hier zeigtich eine liberale Handschrift.Ein weiterer Punkt, der den Liberalen am Herzeniegt, sind die Liquiditätshilfekredite für die Bauern. Die
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Heinz-Peter HausteinPolitik muss in einer Krise helfen. Wir tun es, natürlichunter Leitung der sehr verehrten und geschätzten Minis-terin Frau Aigner, die sehr dynamisch handelt.
Auch der Zuschuss zur landwirtschaftlichen Unfall-versicherung ist zu erwähnen. Er trägt dazu bei, dass dieLohnnebenkosten der Landwirte gleich hoch bleiben.An all diesen Beispielen sieht man, wie wichtig es ist,dass die FDP hier mitredet; wie wichtig es ist, dass überdeutschen Äckern und Feldern ein neuer Wind weht undes auch in diesem Bereich aufwärtsgeht. Es ist wichtig,in der Krise zu helfen. Andere vor uns haben im Bereichder Autoindustrie geholfen. Deshalb möchte ich mit ei-nem Trost für die gebeutelte Autoindustrie, mit einemweiteren Spruch enden: Ist das Geld bis Herbst nichtsauer, kauft sich einen Benz der Bauer.In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erz-gebirge!
Das Wort hat nun Kollege Roland Claus für die Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Etat des Bundesministeriums für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz spiegelt au-thentisch die Haushaltspolitik der Bundesregierung wi-der. Er ist Teil eines Ganzen; man muss leider sagen:eines trefflich misslungenen Ganzen.
Wie der Gesamtetat ist auch der Einzelplan 10 ein Ver-such, die Öffentlichkeit zu täuschen.
Sie haben für Ihren Etat einen Begriff in die Öffentlich-keit gesetzt, nämlich den Begriff des Antikrisenhaus-halts. Sie versuchen, der Öffentlichkeit irgendwie beizu-bringen, dass wir uns auf der einen Seite in einemabsoluten Schuldenrekordjahr befinden und dass auf deranderen Seite mit der Schuldenbremse, mit Ihrer FataMorgana von übermorgen, künftighin alles wieder gutwerden soll. Sparen ab Neujahr, aber wo? Wenn wir unsden Einzelplan 10 anschauen, stellen wir fest: Er ist einsehr überschaubares Werk. Wo soll denn da in den Di-mensionen, um die es künftig geht, gespart werden?Doch nicht etwa bei den Agrarsozialfonds? Wenn Sieuns die Steuerschätzung im Mai jetzt ständig als Alibivorhalten und sagen: „Erst dann können wir Ihnen dieWahrheit sagen“, so wird Ihnen das hier im Hause nie-mdaBeimhfBtdbcBilmdttfMshlbvNdedDdsksBürdWnst
Ich will zwei Schwerpunkte aus dem Einzelplan 10ufgreifen, zum einen die Agrarpolitik am Beispiel vonodenverkäufen besonders in Ostdeutschland – ein aktu-lles Thema – und zum anderen den Verbraucherschutzn Zeiten der Krise, wozu ich, was ich ehrlich gestehenuss, nach den herzhaften Worten der Frau Ministerineute etwas mehr erwartet hätte.Zu den Verkäufen von Böden und Seen. Die Mittelür das bundeseigene Unternehmen BVVG – dies heißtodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH; das soll-en wir unseren Zuhörern mitteilen – sind zwar nicht iniesem Etat veranschlagt; aber dieses Unternehmen hatekanntlich großen Einfluss auf die Entwicklung ländli-her Räume. Wir finden, die Bodenverkaufspolitik derundesregierung hat inzwischen zerstörerische Folgennsbesondere für Ostdeutschland. Das wollen wir deut-ich sagen und auf keinen Fall hinnehmen.
Wir haben es mit einer Explosion der Bodenpreise,it einem Run auf die verbliebenen 400 000 Hektar undamit vor allem mit einer Gefährdung der Agrarbe-riebe im Osten zu tun.Ich will deutlich sagen: Die Geschichte der Agrarun-ernehmen in Ostdeutschland ist weitgehend eine Er-olgsgeschichte. Diese Bäuerinnen und Bauern und ihreitstreiterinnen und Mitstreiter haben große gesell-chaftliche und ökonomische Umbrüche gemeistert. Sieaben Umbruchserfahrung gesammelt, die anderen Tei-en Deutschlands, vor allen in ländlichen Räumen, nochevorstehen wird. Das alles passt natürlich einem Teilon Ihnen nicht, weil es sich hierbei häufig um dieachfolgeunternehmen von landwirtschaftlichen Pro-uktionsgenossenschaften handelt. Dazu will ich Ihnenines sagen: Hören Sie endlich auf, die agrarischen Pro-uzenten gegeneinander in Stellung zu bringen.
as ist der falsche Weg. Wir müssen gemeinsam han-eln.In Ihrem Koalitionsvertrag – der einen weiteren An-chlag dieser Art enthält; der Einigungsvertrag hat be-anntlich den Fortbestand der Bodenreform festge-chrieben – überraschen Sie die Öffentlichkeit mit derildung einer Arbeitsgruppe, die das alles noch einmalberprüfen soll. Dazu sagen wir Ihnen: Das ist ein weite-er Akt von Lobbyismus. Das lassen wir Ihnen nichturchgehen.
ir fordern: Kein weiterer Verkauf ehemals volkseige-er Flächen, sondern faire Verpachtung, keine Boden-pekulationen, sondern Stärkung regionaler Produzen-en!
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Roland ClausZum Verbraucherschutz in den Zeiten der Krise. Ichmuss leider feststellen: Dem Verbraucherschutz geht eswie dem Datenschutz. Es gibt dafür Behörden und Sonn-tagsreden, und es gibt – das will ich ausdrücklich aner-kennen – sehr viele ehrenamtlich und hauptamtlich En-gagierte. Dennoch findet Daten- und Verbraucherschutzfaktisch nicht statt. Verbraucherinnen und Verbrauchersind den Anbietern von Produkten und Dienstleistungenweitgehend schutzlos ausgeliefert, und diese nutzen ihreMonopolstellung doppelt: zum einen in der Diskriminie-rung von Verbraucherinnen und Verbrauchern und zumanderen auch in der Diskriminierung von Kleinprodu-zentinnen und -produzenten. Am Beispiel der Milchwird Ihnen das mein Kollege Süßmair später noch erläu-tern. Wir fordern für diesen Etat eine bessere finanzielleAusstattung der Verbraucherschutzverbände, mehr Geldfür das Bundesinstitut für Risikoforschung – entspre-chende Anträge werden Sie bekommen, einschließlichder Gegenfinanzierung – und mehr Aufsicht und Kon-trolle gegenüber den Monopolisten in der Lebensmittel-branche.Frau Bundesministerin, ich hatte es eingangs schonerwähnt: Sie haben ziemlich klare Worte an die Adresseder Banken und deren Kundenberatung gerichtet, die wirunterstützen. In Ihrer Rede sagten Sie, ein Weiter-so darfes nicht geben. Sie fanden die Vorgänge beschämend.Ich warte schon seit zwei Jahren darauf, dass sich einmaljemand anfängt zu schämen, der für den Laden zuständigist.
Sie werden auch die Unterstützung der Vorsitzenden derVerbraucherschutzministerkonferenz bekommen. Daswar im vergangenen Jahr die Berliner Senatorin KatrinLompscher. In diesem Jahr ist die Vorsitzende der Kon-ferenz die Ministerin Anita Tack aus Brandenburg.Beide sind Mitglied der Linken.Wir verstehen allerdings Ihre Kritik, Frau Aigner,auch als eine Kritik an Ihrem Kollegen FinanzministerSchäuble. Denn wozu müssen Sie so harsche Worte wäh-len? Doch nur deshalb, weil er seine Hausaufgaben nichtmacht.
Wenn wir uns alle so übermütig einig sind, was die Ma-nagerschelte betrifft – da mache ich gerne mit –, dannmöchte ich doch daran erinnern, dass es dieser DeutscheBundestag war, der 2004 die Zulassung all jener Finanz-produkte veranlasst und beschlossen hat, über deren Fol-gen wir uns jetzt aufregen. Das kam nicht vom Himmelgefallen, das war eine politische Entscheidung. WennBeschämung angebracht ist, dann müssen auch Sie andieser Stelle mitwirken.
Der Einzelplan 10 ist ein Beleg für schlechte Agrar- undVerbraucherschutzpolitik. Das muss sich ändern, und daskann sich ändern.Zum Schluss will ich Ihnen sagen, Frau Ministerin:Ihr Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz ist noch immer ein zweigeteiltes, mit denSiitNDsRSlsBfmfkvaSddWdwaRögtdawdbdri
Das Wort hat nun Friedrich Ostendorff für die Frak-ion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meineamen und Herren! Was ist eigentlich das agrarpoliti-che Leitbild dieser Bundesregierung? Wenn man Ihreneden zur Grünen Woche zuhört, hat man den Eindruck,ie hätten den Buchtitel Fleisch ist mein Gemüse zum al-einigen Leitbild gemacht.
Es ist schon atemberaubend, wie Sie, Frau Ministerin,ich bei dieser Frage von Ihren eigenen Leuten wie Peterleser, vom Bauernverband und der Fleischlobby vor-ühren lassen. Noch im Dezember hatten Sie zum Kli-aschutz reduzierten Fleischkonsum empfohlen. Wirinden das sehr richtig. Zum Start der Grünen Wocheam aber die Kehrtwende unter dem Motto: Alle redenom Klima, nur wir vom Schweinebraten. Da waren Sieuf einmal wieder ganz dicht an der Seite von Herrnonnleitner, der erst gestern, auf dem Milchabend, wie-er verkündete: Wer kein Fleisch isst, kann nicht klarenken.
ie zu besten CMA-Zeiten preisen Sie auf einmal wie-er den ungebremsten Fleischkonsum und erklärenörtlich:Wir müssen Treibhausgase aus der Landwirtschaftin Kauf nehmen.Als hätte es den Gipfel in Kopenhagen nicht gegeben,ls gäbe es kein 2-Grad-Ziel der Bundeskanzlerin, deregierung und der sie tragenden Koalition, rechnen Sieffentlich den Anteil der Landwirtschaft an den Klima-asen, der laut Umweltbundesamt 13 bis 15 Prozent be-rägt, auf abenteuerliche 6 Prozent herunter und erklärenie Landwirtschaft kurzerhand als vom Klimaschutzusgenommen. Bei Ihrem klimapolitischen Blindflugerden Sie von einer FDP unterstützt, die am liebstenen Dieselverbrauch mit Steuergeldern zusätzlich ankur-eln würde. Welch ein Wahnsinn, Frau Happach-Kasan,en Dieselverbrauch mit Steuergeldern zu subventionie-en! So sind Sie, Frau Ministerin, in dieser Woche in dasnternationale Agrarministertreffen zu Landwirtschaft
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Friedrich Ostendorffund Klimawandel hier in Berlin eingestiegen. Entspre-chend dürftig waren die Ergebnisse.Frau Ministerin, Ihr Ziel scheint es zu sein, Deutsch-land zum Fleischexportweltmeister zu machen. IhrePartner dabei sind die Wesjohanns dieser Welt, derenSlogan ist: Mit der Wahrheit machen wir das beste Ge-schäft. Sie nennen ihre Betriebe „Wiesenhof“, obwohlsie in Wahrheit „Qualhof“ heißen müssten, und machendie Bauerfamilien zu Lohnarbeitern auf ihren eigenenHöfen. Wissen Sie eigentlich, was auf dem Land los ist,wo die Agrarindustrie ihre Hähnchen-, Hühner-,Schweine-, Puten- und Ziegenbatterien errichten will?Es herrscht Krieg zwischen den Dorfbewohnern und denInvestoren. Das ist die Realität.
Wir überschwemmen die Welt mit billigem Fleisch;wir plündern die Welt für unsere Futtermittel aus, zerstö-ren das Klima, und Sie feiern das auf dem Erlebnisbau-ernhof der Grünen Woche als Erfolg. Welch ein Irrsinn!
Dabei hat die Landwirtschaft ein gewaltiges Poten-zial, nicht nur klimaneutral zu werden, sondern aktivKlimaschutz zu betreiben. Die Landwirtschaft kanneine echte Zukunftsbranche werden. Dafür müssen wiraber jetzt umsteuern: Wir müssen auf Regionalität stattauf den Weltmarkt setzen, auf Grünland statt auf Mais,auf ökologische Anbauverfahren statt auf Kunstdünger,auf gutes statt auf unbegrenzt viel Fleisch,
auf Bauernhöfe statt auf Agrarfabriken. Das ist die Auf-gabe der Zukunft. Wir müssen den derzeitigen Vernich-tungsfeldzug gegen die bäuerliche Landwirtschaftendlich stoppen.Es geht hier nicht um Nostalgie. Es geht nicht um Ro-mantik. Es geht auch nicht um ein paar Bauern wiemich. Es geht darum, dass wir drauf und dran sind, mitder bäuerlichen Landwirtschaft die Form der Landwirt-schaft zu verlieren, die im Weltagrarbericht im Hinblickauf Klimawandel, Ressourcenschutz, Armut, Hungerund soziale Gerechtigkeit als das Zukunftsmodell he-rausgestellt wurde.Wir alle zusammen können diese Entwicklung stop-pen. Das erfordert aber eine klare Richtungsentschei-dung und Führungskraft. Beides vermissen wir bei Ih-nen, Frau Ministerin Aigner.
Sie sind die Ministerin aller Bäuerinnen und Bauern undnicht nur die Ministerin des Deutschen Bauernverban-des. Die Agrarreform 2013 darf nicht darauf hinauslau-fen, dass weiterhin vor allem die Großbetriebe profitie-ren, dass weiterhin 80 Prozent der Fördermittel an20 Prozent der Betriebe fließen und weiterhin 70 Prozentder Betriebe, eben die kleinen, nur 10 Prozent der Geldererhalten. Künftig dürfen nur noch Betriebe mit Steuer-gNrsGSudIdztdcuMPWSgkwHscezuMuGgMwcMhasIzSmSp
Da fragt man sich, was BASF und Monsanto wohl lo-kergemacht haben, um ihre Lieblingsprodukte Amflorand MON 810 in den Koalitionsvertrag zu bekommen.
eine Damen und Herren von der FDP, Sie machen dieolitik leider zu einem schmuddeligen Krämerladen.ir erwarten von Ihnen, Frau Aigner, mehr als diesechmalspurklientelpolitik. Wir erwarten, dass Sie dieroße Mehrheit der Deutschen vertreten, die nun einmaleine Gentechnik auf dem Acker und auf dem Tellerill.
andeln Sie danach, dann werden auch wir Sie unter-tützen.Gleiches gilt für die Milch. Ob die bäuerliche Mil-herzeugung bei uns weiterbestehen wird oder nicht, istine Frage der politischen Rahmenbedingungen. Die set-en momentan nur Sie von der Koalition. Erzählen Siens nicht, es sei ein Naturgesetz, dass die bäuerlicheilchwirtschaft verschwinden muss. Sagen Sie klippnd klar, was Sie wollen. Stehen Sie dazu!Es ist ja nun nicht so, dass Sie mit den öffentlicheneldern aus dem Agrarhaushalt besonders sparsam um-ehen. 750 Millionen Euro für die Milchbauern sind eineenge Geld, mit dem Zukunftsimpulse für die Land-irtschaft hätten gesetzt werden können. Aber was ma-hen Sie damit? Sie erfinden die Abwrackprämie fürilchbauern. Für meine Frau daheim mit 30 Küheneißt das: 1 Cent pro Liter für zwei Jahre – und dann abuf den Schrotthaufen mit der bäuerlichen Milchwirt-chaft. Ihnen fehlt der Gestaltungswille. Ihnen fehlen diedeen. Das versuchen Sie mit kopflosem Geldausgebenu kaschieren.Frau Aigner, erkennen Sie, dass Sie von Herrnonnleitner schlecht beraten worden sind, oder warumusste der Kopf des Bauernverbands in Ihrem Haus,taatssekretär Lindemann, an diesem Wochenende solötzlich seinen Hut nehmen? Ihre Vorgängerin, Renate
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Friedrich OstendorffKünast, hat mit der Agrarwende den richtigen Weg ein-geschlagen.
Sie hat den Bäuerinnen und Bauern eine Zukunftsper-spektive aufgezeigt. Knüpfen Sie daran an! ÜbernehmenSie die Führung in dieser Richtung! Richten Sie IhrenHaushalt entsprechend aus! Stärken Sie die wirklich in-novativen Kräfte in der Landwirtschaft. Nehmen Sie zurKenntnis, dass es neben dem Bauernverband noch an-dere Kräfte gibt. Überlassen Sie die Folklore dem Bau-ernverband und Herrn Bleser. Dann werden Sie auchmeine und unsere Unterstützung haben.Schönen Dank.
Herr Kollege Ostendorff, dies war zwar nicht Ihre
erste Rede im Deutschen Bundestag, aber immerhin in
dieser Legislaturperiode. Seien Sie uns wieder willkom-
men! Gute Zusammenarbeit!
Das Wort hat nun Kollege Georg Schirmbeck für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wenn man fünfeinhalb Stunden hier gesessen undsich die Beiträge aller Redner angehört hat, dann hatman den Eindruck, hier sei Schizophrenie ausgebrochen.Wir reden auf der einen Seite von Krise, von einer Re-kordverschuldung und von Finanzierungsproblemen.Auf der anderen Seite erklären die Redner, wir müsstennoch dies und das machen, hier müsse mehr Geld zurVerfügung gestellt werden, da müssten statt einer halbenMilliarde 5 Milliarden Euro bereitgestellt werden usw.usf.Wir befinden uns in einer Haushaltsdebatte. DieWahrheit ist: Egal wer hier regiert – das gilt auch, wennSie morgen regieren würden –, wir werden auf Dauerweniger Geld haben. Wir haben nämlich Folgendeskomplett ausgeblendet: Wir sind eine rapide alterndeGesellschaft. Die demografische Entwicklung ist in un-seren Haushaltsbilanzen gar nicht berücksichtigt. Dasheißt, selbst wenn das, was wir uns wünschen, dass es inden nächsten Jahren zu einer guten wirtschaftlichen Ent-wicklung kommt, tatsächlich eintrifft, werden die Pro-bleme nicht weniger. Es gibt also überhaupt keine Alter-native dazu, mit weniger Geld oder, um im Jargon derLinken zu bleiben, mit weniger Kohle effizienter zu ar-beiten. Deshalb müssen wir uns gar nicht vorwerfen, werwas nicht kann. Dass die Opposition immer die besserenKonzepte hat und die Regierung unfähig ist, das ist in je-dem Parlament so. Darüber muss man doch nicht in denersten zwei Minuten jeder Rede sprechen.Sddo4wtibsdhuwImwoihmadmdAldVbeiGmjhRESHhcSBtgld
o schnell ändert sich das. Wenn man so Politik macht,err Kelber, dann wird man unglaubwürdig und dannat man einigen Grund, sich zu schämen.
Es geht also darum, mit weniger Geld mehr zu ma-hen. Die Stiftung Warentest beispielsweise baut einetiftung auf. Das führt auf Dauer dazu, dass aus demundeshaushalt weniger Mittel an die Stiftung Waren-est fließen werden, die Stiftung Wartentest unabhängi-er sein wird, sie also aus sich heraus ihre verdienstvol-en Aufgaben wahrnehmen kann. Das ist die Politik, voner ich gesprochen habe.
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Georg SchirmbeckIm Wahlkampf wurde oft über das Milchprogrammgesprochen. Das wurde den Parteien abverlangt. Auchich habe viele Briefe von Bäuerinnen und Bauern be-kommen, die ich gut kenne. Ich habe allen gleichlautendgeantwortet: Ich verspreche euch vor der Wahl nichts,was ich nach der Wahl nicht halten kann. Wenn es ein al-ternatives, überzeugendes Milchprogramm gäbe, wäre esdoch gerade für CDU/CSU und FDP naheliegend, zu sa-gen, dass wir es umsetzen. Ehrlich gesagt, gibt es diesesProgramm noch nicht.Nehmen wir einmal die Fakten, die Wahrheit zurKenntnis. In Osnabrück haben wir eine Buchstelle beimLandvolk. Dort kann man genau sehen, welcher Betriebmit welchen Deckungsbeiträgen auskommt. Wenn Siezwei im Hinblick auf die Inhaber und deren Ausbildungvergleichbare Betriebe betrachten, dann müssen Sie fest-stellen, dass der eine Betrieb mit 20 Cent Deckungsbei-trag auskommt und der andere mehr als 30 Cent braucht,um im grünen Bereich zu sein. Jetzt frage ich Sie: Wol-len wir diese Unterschiede, dieses unterschiedliche un-ternehmerische Geschick mit Steuermitteln ausgleichen?Herr Ostendorff, Sie haben eben gesagt, wir hättenkein Leitziel. Ich nenne Ihnen ein Leitziel. Wissen Sie,warum ich mich engagiere? Weil ich überzeugt bin vonder Idee Ludwig Erhards von der sozialen Marktwirt-schaft. Um dafür zu kämpfen, sitze ich mit meinenFreunden im Deutschen Bundestag. Das wollen wir um-setzen.
Wenn wir eine besondere Krisenentwicklung sehen,dann ist es doch naheliegend, unter dem Leitmotiv dersozialen Marktwirtschaft das eine oder andere anSchwierigkeiten abzumildern. Das und nichts anderesmachen wir mit diesen 750 Millionen Euro.
Ich sage deutlich: Es gibt zu den Strukturveränderun-gen gerade in der Milchwirtschaft keine Alternative; dasist eine kurzfristige Hilfe. Hilfe leisten wir auch in Be-reichen, wo sie dauerhaft wirkt. Wenn wir beispielsweisein der landwirtschaftlichen Unfallversicherung dieMittel erheblich aufstocken, dann führt das nicht nurdazu, dass wir mittelfristig, vielleicht sogar langfristig,keine höheren Beiträge brauchen, sondern auch dazu,dass wir die landwirtschaftliche Unfallversicherunglangfristig krisenfest machen. Damit helfen wir denBäuerinnen und Bauern und dem Bundeshaushalt. Auchdas ist die richtige Politik.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Steiner von den Grünen?
Nein, das möchte ich jetzt nicht. Mit der KolleginSteiner kann ich in Osnabrück über alles sprechen. Wirbrauchen hier keine Stadtratspolitik zu machen.BwsrubegnrWwdmrAgddgnMWwdsggtslsdgDbüddhdbsbLbd
Hier ist über den Agrardiesel gesprochen worden.eim Agrardiesel stellt sich gar nicht die Frage nacheiteren steuerlichen Vergünstigungen. Beim Agrardie-el brauchen wir vielmehr eine europäische Harmonisie-ung. Wir brauchen eine Agrardieselbesteuerung wie innseren Hauptwettbewerbsländern. Wenn wir diese ha-en, dann werden wir uns beim Agrardiesel sehr schnellinig.Ich habe über Sparen gesprochen. Ich habe darüberesprochen, wie bescheiden die Ressourcen in denächsten Jahren sein werden. Jetzt gibt es durchaus Be-eiche, in denen Geld eingenommen wird. Von unsererirtschaft müssen Verschmutzungszertifikate gekaufterden. Dadurch kommen erhebliche Mittel in den Bun-eshaushalt. Diese Mittel werden für Umweltschutz-aßnahmen ausgegeben. Das ist richtig; das ist im Inte-esse von Ressourcenschonung und Umweltschutz.
ber man muss sich schon fragen, was mit den Mittelneschieht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wiriese Mittel viel lieber – ich sage es einmal so – südlicher Sahara einsetzen und uns dann fragen, wo die Mitteleblieben sind, statt sie in Deutschland gezielt in Maß-ahmen einzusetzen. Ich gehe davon aus – das hat dieinisterin angekündigt –, dass es demnächst einenaldklimafonds in Deutschland geben wird. Denn wennir unsere Forstwirtschaft zukunftsfest machen, dannient uns das hier ganz konkret, dann dient das der deut-chen Forstwirtschaft und dem Umweltschutz.
Wir haben in unserem Haushalt in jedem Jahr einenrößeren Ansatz. Das betrifft die Gemeinschaftsauf-abe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs-enschutzes“. Nach den Zahlen, die wir jetzt beraten,ind wir in der Lage, hierfür 100 Millionen Euro zusätz-ich zur Verfügung zu stellen. Vor dem Hintergrund des-en, was ich eingangs sagte, betone ich: Ich glaube nicht,ass wir diese Zahl werden halten können, und ichlaube auch nicht, dass wir sie zukünftig halten werden.enn wenn wir weniger Ressourcen zur Verfügung ha-en, werden wir uns an der einen oder anderen Stelleberlegen müssen, wo wir einsparen. Ich sage das aucheshalb, weil es schon heute Länder gibt, die gar nicht iner Lage sind, alle Mittel, die ihnen zustehen, abzurufen.
Ein weiterer Punkt, über den wir uns noch zu unter-alten haben, ist die Absatzförderung. Nach dem Urteiles Bundesverfassungsgerichts ist es nicht möglich, dieisherige gesetzliche Regelung beizubehalten. Wir müs-en also zu einer freiwilligen Lösung kommen. Ich wäreereit, gemeinsam mit den Arbeitskreisen Finanzen undandwirtschaft zu überlegen, wie man der Wirtschafteim Start helfen kann. Das setzt aber voraus, dass sichie Wirtschaft bei der Absatzförderung auch selber
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Georg Schirmbeckengagiert. Manch einer, der in diesem Bereich tätig ist,sollte sich einmal fragen, ob er dem Berufsstand mit sei-ner Erbsenzählerei, Kleinkariertheit oder Borniertheitwirklich hilft. Ich fordere ein Umdenken. Wir könnennur dann öffentliche Mittel zur Verfügung stellen, wennauch die Wirtschaft bereit ist, sich zu beteiligen.
Auch dies gehört zum Leitbild der sozialen Marktwirt-schaft, die wir vertreten.Herzlichen Dank.
Mir liegen zwei Anmeldungen zu Kurzinterventionen
vor. Zunächst hat der Kollege Ulrich Kelber das Wort.
Deswegen ist es immer gut, verschiedene Informa-
tionsquellen zur Verfügung zu haben, Herr Kollege
Schirmbeck. – In der Tat hat es damals aufgrund des spe-
zifischen Wunsches von Herrn Kauder, der Stiftung
Warentest einen einmaligen Stiftungszuschuss zukom-
men zu lassen, eine Kontaktaufnahme der CDU/CSU-
Fraktion mit der Stiftung Warentest gegeben. Es wurde
ein Betrag von 125 Millionen Euro übermittelt. Dann
folgte die Rückfrage, die wir bestätigt haben.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, zu recherchieren,
zum Beispiel im Internet, hätten Sie sich die Pressemit-
teilung, die Sie gerade erwähnt haben, in Gänze ausdru-
cken können. Sie ist vom 21. November 2008, und sie
lautet wie folgt:
Zu dem Beschluss des Haushaltsausschusses, die
Stiftung Warentest mit zusätzlichem Stiftungskapi-
tal in Höhe von 50 Millionen Euro auszustatten, er-
klären der stellvertretende Vorsitzende der SPD-
Bundestagsfraktion Ulrich Kelber und die Spreche-
rin … Waltraud Wolff: …
So steht es im Original, das man finden kann.
Herr Kollege Schirmbeck, ich bin gespannt, ob Sie
zwei Dinge unterstützen. Erstens frage ich Sie, ob Sie
der Meinung sind, dass das Ministerium endlich einer
Aufgabe nachkommen sollte, die es schon seit längerer
Zeit hat, nämlich ein Gutachten bzw. eine Studie zur Ge-
samtfinanzierung des Verbraucherschutzes in Deutsch-
land zu erstellen, statt nur einen Einzelzuschuss zu ge-
währen.
Zweitens frage ich Sie, ob Sie entsprechenden Anträ-
gen der Opposition folgen werden. Seit Ausbruch der
Krise liegen zum Beispiel im Bereich der unabhängigen
Finanzberatung große Aufgaben vor uns. Bei diesem
Thema bewegt sich in der CDU nichts. Es wäre besser,
Sie würden sich hier einsetzen, statt falsch aus Presse-
mitteilungen zu zitieren.
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Herr Kollege Schirmbeck, bitte.
Herr Kollege Kelber, Sie kommen aus Bonn; das istatürlich das Zentrum der Welt. Ich komme aus demandkreis Osnabrück, aus Ohrbeck, aber so ein Handyabe ich auch. Ich werde Ihnen die ausgedruckte Presse-rklärung, die uns im Ausschuss vorgelegen hat, zur Ver-ügung stellen. Dann können Sie sich selber davon über-eugen. Ich habe überhaupt nicht den Ehrgeiz, Ihnenrgendetwas unterzuschieben, was so nicht war.Frau Kollegin Steiner, Sie kommen aus der Stadtsnabrück, ich aus dem Landkreis Osnabrück; das mussan schon unterscheiden.
ir haben aber eines gemeinsam: Wir lesen dieselbeeitung.Der Präsident des Europäischen Parlaments war aufinem Hof im Osnabrücker Land, der von fünf Familien,
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Georg SchirmbeckKleinbauern, die sich zusammengeschlossen haben, ge-führt wird. Der Großteil der Fläche, die sie bewirtschaf-ten, ist Pachtfläche. Vor den anwesenden Pressevertre-tern hat der Sprecher dieser Bauern erklärt, er kommemit 19 Cent pro Liter Milch aus. Das ist einer, der mitdieser Truppe erfolgreich ist. Er ist auch kein Spinner. Erist in der Milchwirtschaft unterwegs. Im OsnabrückerLand kennen ihn alle. Wenn Sie Fragen haben, gehen Siezu ihm. Frau Ministerin und ich sind gemeinsam da ge-wesen. Die Familie ist sehr aufgeschlossen. So wie ichdie kenne, wird man Ihnen genau erklären, wie sich dasverhält. Im Übrigen: Wenn wir mit dem Zug nach Hausefahren, können wir in Ruhe darüber sprechen.
Das Wort hat nun Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! 81 Prozent der Bun-desbürger wollen ein neues Regierungsprogramm. Dasist das Ergebnis einer Emnid-Umfrage aus der letztenWoche. Warum ist das so? Weil diese Bundesregierungkopf- und konzeptionslos agiert. Das zeigt auch derHaushaltsentwurf: Es gibt keine Richtung, keine Linie,keine Vorstellung von der Zukunft. So kann man wederdie Gegenwart meistern noch die Zukunft gestalten.Wer die Wirtschaft, auch die Landwirtschaft, zukunfts-fähiger machen will, muss den Markt vom Endabnehmeraus denken, also vom Verbraucher aus. Verbraucherpolitikaber, Frau Ministerin, kommt im Haushaltsentwurf kaumvor. Zwar werden großzügig Steuergelder verteilt – derEtat des BMELV wird wider die Vernunft um572 Millionen Euro erhöht –; aber für verbraucherpoliti-sche Maßnahmen sind mit 148 Millionen Euro geradeeinmal 2,5 Prozent des Etats des BMELV vorgesehen.Zum Vergleich: Für den Posten „Sonstiges“ sind im Tor-tendiagramm des Haushalts des BMELV 469 MillionenEuro angegeben. – So weit zum Stellenwert, den Ver-braucher für diese Bundesregierung haben. Es ist schonfrech, wenn die zuständige Staatssekretärin behauptet,für den Verbraucherschutz werde viel getan. Es ist eingroßer Unterschied, ob man viel ankündigt oder wirklichetwas tut.
Die Verbraucherpolitik der schwarz-gelben Bundesre-gierung ist weder gegenwarts- noch zukunftsfähig; dennaus den verheerenden Folgen, die die Bankenkrise fürdie Verbraucher hat, werden keine Konsequenzen gezo-gen. Kein Cent mehr ist für die Verbraucherzentralenund ihren Bundesverband vorgesehen. Dabei musstengerade sie den Beratungsbedarf der Verbraucher in derKrise auffangen. Sie konnten dies aufgrund der knappenfinanziellen Ausstattung leider nur unzureichend leisten;von der Einrichtung eines Marktwächters gar nicht zu re-den. Der Bankenskandal hat gezeigt, wie wichtig eineunneFsfsbmnNdtLgGTVOnRNrfdbdldwBkkbfDtnbbefsggf
achdem nun auch Lidl Milch von Kühen anbietet, beienen auf die Verfütterung von gentechnisch veränder-en Pflanzen verzichtet wird, müsste doch auch deretzte begriffen haben, dass dies ein Marktsegment mitroßem Potenzial ist. Die Verbraucher wollen keineentechnik auf dem Feld und erst recht nicht auf demeller. Um ihre Wahlfreiheit nutzen zu können, müssenerbraucher endlich korrekt und verständlich über dashne-Gentechnik-Angebot informiert werden.Ein dritter Punkt: Im Wahlkampf hat sich die CSUoch mit ihrer Unterstützung für die gentechnikfreienegionen überschlagen. Was ist daraus geworden?ichts als leere Worte. Neben der rechtlichen Absiche-ung brauchen wir auch eine bessere Vernetzung. Wirordern, dass dafür Mittel eingestellt werden; denn inen GVO-freien Regionen wird das angebaut, was Ver-raucher wollen.
Ein vierter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ister nachhaltige Konsum. Dieses wichtige Thema ist mitächerlichen 500 000 Euro angesetzt. Auch wenn sichiese Bundesregierung den Herausforderungen Klima-andel, Wirtschaftskrise und Sozialdumping verweigert:ei den Verbrauchern ist diese Botschaft längst ange-ommen. Sie wollen mit bewusstem Konsum zu einemlimafreundlicheren und sozialverträglicheren Markteitragen. Sie wollen Produkte von Unternehmen kau-en, die faire Löhne zahlen und die Umwelt schonen.as ist gut und hat bei vielen Unternehmen bereits posi-ive Entwicklungen eingeleitet. Aber auch das soge-annte Greenwashing hat zugenommen. Es ist schwer zueurteilen, welche Aussagen seriös sind. Verbraucherrauchen Aufklärung und klare Definitionen. Wir wollenine Datenbank, die als nachhaltig beworbene Produkteür die Verbraucher vergleichbar und bewertbar macht.Ein fünfter Punkt ist, dass wir die Verbraucherfor-chung brauchen. Sie wollen doch immer den mündi-en, gut informierten Verbraucher. Aber wenn es darumeht, Verbrauchern verständliche Informationen zur Ver-ügung zu stellen, dann verweigert sich diese Bundes-
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Elvira Drobinski-Weißregierung. Als Beispiele nenne ich die Nährwertampelund den Finanz-TÜV. Informationen müssen aber ver-ständlich sein. Wir brauchen Untersuchungen darüber,welche Informationen für Verbraucher wichtig sind undwie sie aussehen müssen. Dafür benötigen wir Mittel.Hier aber herrscht ein großer Mangel an Problembe-wusstsein auf der schwarz-gelben Seite. So gibt die Mi-nisterin den Verbrauchern selbst die Schuld an Lebens-mittelimitaten wie dem Analogkäse. Zwar bin auch ichder Meinung, dass uns Essen endlich wieder mehr wertsein muss. Es gibt viele Beispiele dafür, dass das Preis-dumping im Lebensmittelbereich zulasten der Qualitätgeht. Die Qualität muss aber für Verbraucher auch er-kennbar sein. Der Preis ist auf den ersten Blick erkenn-bar; bei Imitaten ist das nicht so leicht. Solange dies soist, können wir die Verbraucher nicht als „Billigheimer“geißeln.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Verschwendungvon Steuergeldern, Zukunfts- und Perspektivlosigkeitzeichnen diesen Haushaltsentwurf aus. Wir haben einKonzept: Wir wollen einen zukunftsfähigen Haushalt,setzen neue Schwerpunkte und werden Ihnen zeigen,welch enormes Einsparungspotenzial es gibt. WillyBrandt hat einmal gesagt, der beste Weg, die Zukunft vo-rauszusagen, sei, sie zu gestalten. Von Gestaltungswillenfehlt aber bei diesem Haushaltsentwurf jede Spur.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Rainer Erdel für die FDP-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi-nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letztenStunde hat man sehr viel über die Agrarpolitik gehört:Man hat sehr viel gehört, was richtig ist, und man hatsehr viel gehört, was falsch ist. – Es wurden unterschied-liche Vorwürfe gemacht, und ich fange gleich mit demletzten Vorwurf an: Frau Kollegin, wenn Sie der Bundes-regierung vorwerfen, sie habe beim Klimaschutz ver-sagt, dann muss ich darauf hinweisen, dass sich die neueBundesregierung bereits vor der Klimakonferenz in Ko-penhagen ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt hat und diesesZiel auch erreichen wird. Es waren gerade sozialistischeLänder, die einen Erfolg dieser Klimakonferenz verhin-dert haben.
Wir alle sind – mit unterschiedlicher Ausprägung –vom Ergebnis der Konferenz in Kopenhagen nicht be-geistert. Aber wir müssen uns trotz aller Diskussionenüber eines klar werden: Uns stehen 12 Prozent der Erd-oberfläche für die Produktion von Lebensmitteln zurVerfügung. Der Rest unserer Erde sind Permafrost,WdMhBhLnlewnzTBsbwtragsDdsfUfpdkscdwFsdedagaWBsl
Das Ziel dieser Bundesregierung ist es, mit dem So-ortprogramm die Auswüchse einer fehlgeleiteten Agrar-olitik – dafür mache ich auch Frau Ministerin Künast,ie Sie sehr lobend erwähnt haben, verantwortlich – zuorrigieren, um als nächsten Schritt unsere Landwirt-chaft für die Zeit nach 2013 wettbewerbsfähig zu ma-hen. 2013 ist das Schlüsseljahr. Wir müssen erreichen,ass unsere Landwirtschaft im europäischen Wettbe-erb mithalten kann. Wenn der Liter Agrardiesel inrankreich mit 0,7 Cent und in Irland mit 4,7 Cent be-teuert wird und gleichzeitig die Mehrwertsteuersätze iniesen Ländern geringer sind als bei uns, dann haben wirs mit einer sehr starken Wettbewerbsverzerrung zu tun,ie wir korrigieren müssen.
Wir sind mit dem Sofortprogramm Landwirtschaftuf dem richtigen Weg. Wir versuchen, Fehlentwicklun-en zu korrigieren, die im agrarpolitischen Bereich, aberuch in den Folgen der Wirtschaftskrise begründet sind.ir werden die Weichen stellen – dazu hat diese neueundesregierung die Kraft –, um die deutsche Landwirt-chaft im europäischen Wettbewerb für die internationa-en Märkte der Zukunft fit zu machen.Vielen Dank.
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1196 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Herr Kollege Erdel, dies war Ihre erste Rede im Deut-
schen Bundestag. Meine Gratulation und unsere herzli-
chen Wünsche für eine gute Zusammenarbeit!
Das Wort hat nun Kollege Alexander Süßmair für die
Fraktion Die Linke.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundes-
ministerin Aigner! Meine Damen und Herren! Der Preis-
verfall bei der Milch im vergangenen Jahr hat die Land-
wirtschaft hart getroffen. Wie in meiner Heimat Bayern
steht vielen Milchbetrieben in ganz Deutschland das
Wasser bis zum Hals. Ihre Existenz ist massiv bedroht.
Die Bundesregierung will den Landwirten mit insge-
samt 750 Millionen Euro Soforthilfe helfen. Damit soll,
so Ministerin Aigner, der unerwartet massive Verfall der
Erzeugerpreise aufgefangen werden. 500 Millionen Euro
soll den Landwirten in den nächsten beiden Jahren in
Form einer Grünland- und Kuhprämie gewährt werden.
Mit einem Zuschuss zur Unfallversicherung in Höhe von
200 Millionen Euro sollen die Beiträge für die Bauern
um etwa 45 Prozent gesenkt werden. Die restlichen
50 Millionen Euro sollen für verbilligte Kredite ausge-
geben werden. Der Preisverfall bei der Milch durch ein
Überangebot kam aber alles andere als unerwartet, Frau
Bundesministerin Aigner. Das Desaster in der Agrarpoli-
tik hat unter Schwarz-Rot begonnen und findet seine
Fortsetzung unter Schwarz-Gelb. Sie werfen mit dem
Sofortprogramm 750 Millionen Euro auf den Tisch
– Geld, das die Bäuerinnen und Bauern sicherlich gerne
nehmen und dringend brauchen –, aber lediglich zur Be-
ruhigung der Lage. Es handelt sich nicht um ein Pro-
gramm, das hilft, die strukturelle Krise zu überwinden.
Die Milchbetriebe haben durch den Erzeugerpreisver-
fall innerhalb eines Jahres 10 Cent pro Kilo verloren.
Das sind gut ein Drittel ihrer Einnahmen. Allein auf
Deutschland bezogen, handelt es sich um Milliardenver-
luste. Die 350 Millionen Euro aus dem Sofortprogramm
für die Milchbetriebe sind daher nicht mehr als ein Trop-
fen auf den heißen Stein. Bis zu 45 Prozent der Milchbe-
triebe sind wirtschaftlich akut gefährdet. Meine Damen
und Herren von der Koalition, Sie waren nicht bereit, die
Möglichkeiten zu nutzen und etwas mehr in Richtung ei-
ner marktgerechten Milchpolitik zu gehen. So ist es
durchaus mit den europäischen Rahmenbedingungen
vereinbar, die Quotenerhöhungen nicht an die Milcher-
zeuger weiterzugeben, sondern in die nationale Quoten-
reserve zu stecken. Die Milcherzeuger, die ihre Quote
überliefern, werden weiterhin durch die Saldierung be-
lohnt. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition,
waren nicht bereit, Vorschläge zur Abschaffung der Sal-
dierung ernsthaft zu prüfen.
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Ich möchte Sie an die Demonstrationen der Milch-
äuerinnen im Sommer 2009 erinnern. Es waren keine
emonstrationen für mehr staatliche Hilfsgelder. Es wa-
en Demonstrationen für gerechte Rahmenbedingungen
uf dem Milchmarkt und faire Erzeugerpreise; das ist
atsache.
ir von der Linken sind der Meinung, dass die Milchbe-
riebe etwa 40 Cent pro Kilo brauchen, um ihre Existenz
achhaltig zu sichern. Ihr einziges Konzept ist blankes
offen auf den Weltmarkt. Der Markt soll es richten.
ber alle Märkte brauchen – das wurde durch die Fi-
anz- und Wirtschaftskrise klar verdeutlicht – staatliche
ahmenbedingungen. Die Erkenntnis ist: Der reine
arkt funktioniert nicht.
Wenn Sie diese Politik nicht ändern, werden die Be-
riebe kaputtgehen, weil sie diesen ruinösen Wettbewerb
icht überstehen können. Das wichtigste Ziel aus Sicht
er Linken bleibt daher die Schaffung von Rahmenbe-
ingungen auf den Agrarmärkten, die für die Bildung
erechter und fairer Erzeugerpreise sorgen. Wir brau-
hen eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion,
ie die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln ge-
ährleistet sowie die Wahrnehmung ökologischer und
ozialer Aufgaben und die Sicherung von Arbeitsplätzen
m ländlichen Raum übernimmt.
Das Allgäu oder Ostfriesland ohne Kühe will sich
iemand vorstellen. Die Linke wird sich weiter für ge-
echte und faire Erzeugerpreise einsetzen, damit diese
chreckensvision niemals wahr wird.
Vielen Dank.
Herr Kollege Süßmair, das war Ihre erste Rede in die-em Haus. Ich gratuliere Ihnen herzlich, verbunden miten besten Wünschen für Ihre weitere Arbeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Nicole Maisch für dieraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010 1197
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In derletzten Stunde haben wir viel über Agrarpolitik – teil-weise sogar in Reimform – und über das OsnabrückerLand gehört.
Ich möchte Ihren Blick jetzt auf die verbraucherpoliti-schen Aspekte in diesem Agrarhaushalt lenken. DieserHaushalt ist aus verbraucherpolitischer Sicht mangel-haft.
Das gilt insbesondere für den wirtschaftlichen Ver-braucherschutz. Wie schon unter Schwarz-Rot ist dafürviel zu wenig Geld eingestellt. Wir müssen bedenken,dass wir immer noch die Nachwirkungen einer der größ-ten Finanzkrisen der Geschichte spüren und die Anlege-rinnen und Anleger, die Lehman-Geschädigten darunterleiden, dass sie ihr Geld einem Markt anvertraut haben,der ihnen nicht das gebracht hat, was sie erwartet haben.
Deshalb brauchen wir beim Verbraucherschutz aufden Finanzmärkten nicht nur Ankündigungen, sondernTaten. Frau Aigner hat sehr viel angekündigt. Aber wennman sich den Haushalt anschaut, sieht man, dass die An-kündigungen nicht mit Geld unterfüttert sind. All dieschönen Worte bringen aber doch nichts, wenn nicht dasnötige Geld in den Haushalt eingestellt wird.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben. Vor Weih-nachten gab es mit der Qualitätsoffensive Verbrau-cherfinanzen ein sehr hochkarätig besetztes Panel, dasvon Frau Ministerin Aigner organisiert wurde. Da wur-den sehr gute Vorschläge gemacht. Aber wenn man jetztin den Haushalt schaut, dann sieht man, dass von denVorschlägen der Qualitätsoffensive Verbraucherfinan-zen nicht mehr viel übrig ist. Das ist keine seriöse Poli-tik, und das ist keine Politik im Sinne der Verbraucherin-nen und Verbraucher.
Man fragt sich, was Schwarz-Gelb beim Verbraucher-schutz auf den Finanzmärkten vorhat. Man könnte den-ken, dass man das Problem den Banken selbst überlassenwill; das wäre ja eine FDP-nahe Position. Aber wennman sich den aktuellen Bankentest der Stiftung Waren-test anschaut, dann sieht man, dass die Strukturen sichnicht geändert haben und die Bankberatung in Deutsch-land so grottenschlecht wie ihr Ruf ist. Diesbezüglichmüssten Sie eigentlich dringend handeln.
srstefdaunzngmdvhIrnREIMddmIdFAHdHztePsign
Wir finden es sehr schade, dass Sie beim Thema desachhaltigen Konsums auf dem Niveau von Schwarz-ot geblieben sind, nämlich bei einer halben Milliardeuro. Das ist viel zu wenig. Es ist eine zutiefst liberaledee, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher dieärkte von unten verändern. Sie warten nicht darauf,ass in Kopenhagen irgendetwas beschlossen wird, son-ern wollen selbst umweltfreundlich, tiergerecht und kli-afreundlich konsumieren. Da das eine schöne liberaledee ist, könnte man vielleicht auch ein bisschen Geldafür in den Haushalt einstellen. Leider hat auch dieDP das nicht getan; sie bleibt sogar hinter ihren eigenennsprüchen aus Oppositionszeiten zurück. In den letztenaushaltsberatungen hat die FDP immer mehr Geld füren Bundesverband der Verbraucherzentrale gefordert.inter diesem selbst gesteckten Ziel bleiben Sie leiderurück.Mit Blick auf die folgenden parlamentarischen Bera-ungen möchte ich Frau Aigner zitieren, die am Anfangtwas ganz Wunderbares gesagt hat, nämlich dass manolitik gemeinsam und nicht gegeneinander machenoll. Am besten machen Sie gemeinsam mit uns Politik,ndem Sie unsere grünen Änderungsanträge, die es inroßer Anzahl geben wird, vorurteilsfrei prüfen und ih-en vielleicht auch zustimmen.Ich danke Ihnen.
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1198 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Nun hat die Kollegin Lucia Puttrich für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Lassen Sie mich ganz kurz das aufgreifen, was die Red-nerin von der Opposition gerade angesprochen hat. Ei-nerseits bemängeln Sie, es würde nicht genügend Geldim Haushalt bereitgestellt werden. Sie nehmen bewusstoder unbewusst nicht zur Kenntnis, dass die Ausgabenfür Verbraucherpolitik um immerhin 30 Prozent steigen.Das ist eine ordentliche Leistung.
Sie widersprechen sich dann aber selbst, indem Siesagen, dass man Verbraucherpolitik auch ohne viel Geldmachen kann. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Er-kenntnis! Die hatten wir schon lange.
Wir haben in der Vergangenheit wichtige Maßnahmendurchgeführt. Sie können sich darauf verlassen, dass wirauch weiterhin eine moderne Verbraucherpolitik machenwerden.Lassen Sie mich im Verlauf meiner Ausführungen aufeinzelne Bereiche eingehen. Selbstverständlich wollenwir Transparenz, Information und Beratung. Wirwissen, dass das der beste Schutz ist. Wir wissen auch,dass hierfür investiertes Geld gut investiertes Geld ist.Wir wollen, dass der Verbraucher gut und unkompliziertan Informationen kommt. Deshalb steht auch in derKoalitionsvereinbarung, dass wir ein Verbrauchertelefoneinführen werden, das eine Lotsenfunktion haben wird,um das Ärgernis der Nichtzuständigkeit der Behördenauszuräumen und gleich den richtigen Ansprechpartnerzu finden. Wir werden ebenfalls, wie im Koalitions-vertrag geregelt, das Verbraucherinformationsgesetz re-formieren. Unser Ziel ist es, dass die Informations-ansprüche des Bürgers in einem einheitlichen Gesetztransparent gebündelt werden. Transparenz und Informa-tion sind für uns in der Verbraucherpolitik ganz beson-ders wichtig.Zu den Ausführungen der Kollegin über den Bereichdes Anlegerschutzes kann ich eigentlich nur sagen, dasses traurig ist, dass Sie nicht zur Kenntnis genommen ha-ben, was in dem Bereich schon alles getan wurde undwas noch getan wird. Wir sehen in der Tat dort einen er-heblichen Handlungsbedarf. Seit Anfang dieses Jahresmuss ein Beratungsprotokoll für jedes Anlagegesprächverbindlich erstellt und dem Kunden ausgehändigt wer-den. Die Kunden haben jetzt damit den Vorteil, dass siebei der Anmeldung von Schadensersatzansprüchenleichter Beweise beibringen können. Wie in der Welt amSonntag vom 10. Januar berichtet wurde, ist die Handha-bung der Erstellung dieser Beratungsprotokolle aller-dings sehr unterschiedlich. Wir erwarten, dass Bera-teawKsaztrbsQFglPzdVdBRFSkwwnsAtVswncdVpsbrTwgthr
Wir wollen auch mehr Transparenz bei der Anlagebe-atung. Zukünftig sollen Kunden auch bei freien Finanz-eratern die Sicherheit haben, dass diese über eine ent-prechende Qualifikation verfügen. Deshalb müssenualifikation, Zulassung und wirksame Haftung beialschberatung geregelt werden. Auch das kostet übri-ens kein Geld. Wir brauchen darüber hinaus eine zuver-ässige Kontrolle der Finanzprodukte selbst. Unseriöserodukte müssen aufgedeckt und als solche gekenn-eichnet werden. In der Vergangenheit hat sich gezeigt,ass sich private Ratingagenturen nicht bewährt haben.erlässliche Einschätzungen müssen deshalb zukünftigurch unabhängige Stellen wie beispielsweise durch dieaFin getroffen werden.
Ein besonderes Augenmerk werden wir auf dieechte von Bahnkunden und Fluggästen richten. Dasahrgastrechte-Gesetz ist im Juni 2009 in Kraft getreten.eitdem können sich Reisende an eine von den Ver-ehrsunternehmen selbst getragene Schlichtungsstelleenden. Der Beitritt zu dieser Schlichtungsstelle ist frei-illig. Insbesondere Flugunternehmen haben sich bisheroch nicht angeschlossen. Wir hoffen, dass die Bereit-chaft zum Beitritt zu dieser Einrichtung steigen wird.nsonsten müsste man ernsthaft über eine verpflich-ende Regelung nachdenken.
Von großer Bedeutung ist für uns auch der digitaleerbraucherschutz. Viele Verbraucher tappen zum Bei-piel in die Internetfalle, weil sie nicht erkennen können,ann sie durch Anklicken einer besonderen Passage ei-en Vertrag geschlossen haben. 750 000 Internetabzo-ken pro Jahr, Tendenz steigend: Das macht deutlich,ass wir handeln müssen. Deshalb werden wir für denertragsabschluss im Internet ein klar erkennbares, ver-flichtendes Bestätigungsfeld einführen. Ab März 2010ollten auch teure Warteschleifen und das Abkassierenei 0180er-Servicenummern ein Ende haben. Die Vo-aussetzungen hierfür werden durch die Änderungen deselekommunikationsgesetzes geschaffen. Gleichzeitigerden Preisobergrenzen für diese Servicenummern ein-eführt. Wir werden die Entwicklungen im Auge behal-en, und wir werden auch keine Ausreden dulden.Als letzten Punkt will ich das Thema Produktsicher-eit ansprechen. So ist die EU-Spielzeugrichtlinie in ih-er aktuellen Fassung vollkommen ungenügend. Die
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Lucia Puttrichfestgelegten Grenzwerte reichen nicht aus, um ein hohesSchutzniveau bei Kindern zu sichern. Dies gilt für gif-tige und allergieauslösende Inhaltsstoffe. Grenzwerte fürkrebserregende Weichmacher fanden gar keine Berück-sichtigung. Noch immer ist das freiwillige Prüfverfahren„geprüfte Sicherheit“ nur in Deutschland Vorreiter einereffektiven Qualitätssicherung. Das halten wir für nichtausreichend. Zur Änderung der EU-Spielzeugrichtliniebereiten wir auch deshalb einen entsprechenden Antragvor.
Wir sehen den Verbraucher tatsächlich als mündigenBürger, und wir setzen auch auf eine Partnerschaft zwi-schen Verbrauchern und Wirtschaft. Der Idealzustandist, viel zu informieren und möglichst wenig zu regle-mentieren. Wir wissen jedoch auch, dass es nicht ganzohne gesetzliche Regelungen geht. Gerade im Bereichder Finanzdienstleistungen haben wir leider die Erfah-rung gemacht, dass die alte Regel gilt: Vertrauen ist gut,Kontrolle ist aber manchmal besser.Vielen Dank.
Frau Kollegin Puttrich, auch für Sie war dies die erste
Rede im Deutschen Bundestag. Ich gratuliere auch Ihnen
sehr herzlich und wünsche Ihnen bei ihrer weiteren Ar-
beit viel Freude und Erfolg.
Das Wort hat nun der Kollege Rolf Schwanitz für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es wird Sie nicht wundern, dass ich in meiner Rede denEinzelplan 10 vor allen Dingen in die haushaltspoliti-sche Gesamtsituation einordnen will. Ich glaube, diesesThema ist der rote Faden, der sich durch alle drei Lesun-gen dieses Gesetzentwurfs ziehen muss.Der Bund wird nach den Planungen, die die Bundes-regierung vorgelegt hat, eine Neuverschuldung in Re-kordhöhe ausweisen.
86 Milliarden Euro, das ist eine beängstigende Dimen-sion. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Das isteine Dimension, die die Vorstellungskraft von uns allen,vor allen Dingen von den Bürgerinnen und Bürgern, beiweitem sprengt. Mittlerweile lebt der Bund zu einemViertel seiner Ausgaben auf Pump. Das heißt, jedervierte Euro, der in diesem Bundeshaushalt ausgegebenwerden soll, muss durch Kredite finanziert werden. Dasist eine Situation, die es auf keiner anderen staatlichenEbene in Deutschland gibt. Weder bei den Kommunen,über die wir sehr intensiv reden, noch bei den LändernisnesKsSrteHsnSsSktsbFt–gHdnnNdtevNsggBffaOTK
Sie, die Abgeordneten der Koalition, tun dies, obwohlie wissen, dass das strukturelle Defizit Ende 2010 beiund 70 Milliarden Euro liegen wird. Sie haben das ge-an, obwohl Sie wissen und wussten, dass Sie Ende 2010inen Konsolidierungskurs mit einem Defizitabbau inöhe von 13 bis 15 Milliarden Euro einschlagen müs-en; nicht nur einmalig, sondern aufwachsend jedes Jahreu, über sechs Jahre hinweg, bis zur Erfüllung derchuldenbremsenregelung. Das, worüber Sie intensivtreiten, über die 24 Milliarden Euro für zusätzlicheteuergeschenke, ist dabei noch nicht eingepreist,ommt „on top“, muss in diese Konsolidierung also wei-er einbezogen werden.Dass Sie sich in dieser Situation hinter der Steuer-chätzung Mai verstecken, wie wir das in den Debatten-eiträgen heute noch einmal gehört haben, auch vominanzminister, ist, wie ich finde, eine der feigesten Ak-ionen einer Regierung, die mir je untergekommen ist
das ist übrigens auch ein Betrug am Wähler –; deswe-en werden wir das Woche für Woche thematisieren.Bezeichnend ist auch, dass die Risikofrage bei denaushaltsdebatten bisher relativ wenig thematisiert wor-en ist. Wir haben sehr intensiv über das Thema Netto-euverschuldung geredet; über die Bruttokreditauf-ahme wurde aber relativ wenig gesprochen.atürlich muss der Gesamthaushalt nicht nur Kredite fürie neuen Schulden aufnehmen, sondern auch für die al-en. Die Bruttokreditaufnahme wird in dieser Zeit intwa bei 330 Milliarden Euro liegen. Wir müssen uns jaergegenwärtigen: Wir befinden uns zurzeit in eineriedrigzinsphase. Sie selbst, wir übrigens auch, hatten jachon für Ende des letzten Jahres mit einem Zinsanstiegerechnet. Wenn die Zinsen nur um 1 Prozentpunkt stei-en, dann wird dies zu einer zusätzlichen Belastung desundeshaushaltes in Höhe von rund 3,3 Milliarden Euroühren. Auch das würde die Situation „on top“ verschär-en.Das Ganze, meine Damen und Herren, erinnert michn jemanden, der bis über die Halskrause, bis über beidehren verschuldet ist und schnell, bevor am nächstenag der Gerichtsvollzieher kommt, noch einmal seineumpels zu einer Party einlädt und alles auf Pump he-
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Rolf Schwanitzrausbläst, unabhängig davon, welche Situation ihn amFolgetag erwartet.
Das macht kein vernünftiger Mensch, aber Sie erhebendas zusammen mit der Klientelpolitik, die Sie hier ein-schlagen, zur Geschäftsgrundlage für den Gesamtstaat.Wir kritisieren das, übrigens auch unter Verbraucherge-sichtspunkten; wie man mit Schulden umgeht, ist ja aucheine verbraucherpolitische Frage.
Das verbraucherpolitische Signal nämlich, das man da-mit an die Gesamtheit der Bürger in Deutschland sendet,halte ich schlicht und einfach für eine Katastrophe.
Apropos Verbraucherpolitik: Sie haben im Koali-tionsvertrag geschrieben, Sie setzen auf eine „Stärkungdes Verbrauchers im Markt“. Der gesamte Bereich derVerbraucherpolitik im Einzelplan 10 umfasst einen An-satz von 148 Millionen Euro. Haben Sie eigentlich ein-mal eine Querverbindung zwischen der Klientelpolitikauf der einen Seite und der Verbraucherpolitik auf deranderen Seite gezogen? Allein das, was Sie an Steuer-vergünstigungen für das Hotelgewerbe umgesetzt haben,wird den Gesamtstaat 945 Millionen Euro kosten; davonentfallen auf den Bund Steuerausfälle in Höhe von rund500 Millionen Euro, also einer halben Milliarde. Das istfast das Dreieinhalbfache der Ausgaben, die im Einzel-plan 10 für Verbraucherpolitik eingestellt sind. Das zeigtdie Dimension dessen, was Sie hier tun.
Ich will noch eine Bemerkung zum Zuschuss an dieStiftung Warentest machen. Das hat vorhin auch schonbei Herrn Schirmbeck eine Rolle gespielt. Ich glaube,wir sind uns einig, dass die Verbraucherpolitik ein wich-tiges Politikfeld ist und gestärkt werden muss. Ich halteaber das, was momentan bei der Stiftung Warentest ab-läuft, nicht für etwas, für das man sich verbraucherpoli-tisch brüsten kann. Sie erhöhen – das ist richtig – dasStiftungskapital der Stiftung Warentest um 20 MillionenEuro. Sie verschweigen allerdings, dass zugleich der Zu-schuss für die Stiftung Warentest im selben Umfang,nämlich im Umfang der Kapitalerträge, abgesenkt wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schirmbeck?
Ich würde gerne im Zusammenhang vortragen. Herr
Schirmbeck, Sie haben das ja genauso getan.
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ir werden Ihnen bei den Haushaltsberatungen übrigens
elegenheit geben, über einen Antrag abzustimmen,
urch den mehr finanzielle Möglichkeiten für Verbrau-
herpolitik in Deutschland eröffnet werden. Bedarf gibt
s genug. Ich bin gespannt darauf, wie Sie im Ausschuss
arüber abstimmen werden.
Meine Damen und Herren, angesichts Ihrer Klientel-
olitik im sogenannten Wachstumsbeschleunigungsge-
etz werden wir alle Maßnahmen im Einzelplan 10 kri-
isch auf den Prüfstand stellen. Wir werden die Frage
tellen, ob sie so tatsächlich notwendig sind und ob die
rt und Weise, wie sie finanziert werden, alternativlos
st. Letztendlich müssen nicht Sie, auch nicht wir, son-
ern die Bürgerinnen und Bürger, die Abgaben- und
teuerzahler in diesem Land, dafür die Zeche zahlen.
Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich nun das Wort
em Kollegen Schirmbeck.
Herr Kollege Schwanitz, mir fällt es manchmalchwer, nachzuvollziehen, warum hier etwas behauptetird, was objektiv vorher ganz anders ausgedrückt wor-en ist, was man auch im Wortprotokoll nachlesen kann,obald es uns zugänglich ist.Ich habe deutlich gemacht, dass wir mit den Mitteln,ie wir im Bundeshaushalt zur Verfügung haben, effi-ienter umgehen müssen. Aus diesem Grunde geben wirer Stiftung Warentest Mittel für den Aufbau der Stif-ung. Damit ist die Stiftung Warentest unabhängiger,eil sie mit den Erträgen aus den Stiftungsmitteln ihrerbeit finanzieren kann. Das führt dazu, dass wir mittel-nd langfristig die laufenden Mittel aus dem Bundes-aushalt absenken können. Das habe ich hier ausgeführt.Sie wiederum erwecken jetzt den Eindruck, als hättech hier etwas unterschlagen oder ein falsches Spiel ge-pielt, als würde ich vor der Landtagswahl etwas anderesagen als nach der Landtagswahl oder als würde icholitik hinter der Gardine machen statt einer gläsernenolitik. Nehmen Sie doch einfach das, was ich im Bun-estag in der Öffentlichkeit ausgeführt habe, so zurenntnis!Herzlichen Dank.
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Georg Schirmbeck
Zur Erwiderung Herr Schwanitz, bitte.
Herr Kollege Schirmbeck, ich bin für diese Klarstel-
lung dankbar, weil sie dem, was ich hier ausgeführt
habe, nicht widerspricht. Ich habe allerdings sehr wohl
vernommen – ich habe es auch noch einmal im Protokoll
der letzten Haushaltsberatung nachgelesen –, was Sie
über die Motivation und die Urheberschaft dieses Be-
schlusses ausgeführt haben und dass der Kollege Kauder
diesen Vorschlag mit einer besonderen verbrauchspoliti-
schen Auszeichnung eingebracht hat. Deswegen ist mir
wichtig, hier einmal klipp und klar festzustellen: Was
Sie planen, hat etwas damit zu tun, dass Sie den Zu-
schuss zur Stiftung Warentest absenken wollen. Es hat
nichts damit zu tun, dass Sie mehr finanzielle Mittel für
Verbraucherpolitik zur Verfügung stellen wollen. So
wird das Ganze ins richtige Licht gerückt. Deswegen
danke ich für die Intervention.
Nun hat das Wort der Kollege Professor Dr. Erik
Schweickert für die FDP-Fraktion.
Kollege Schwanitz, die Politik der letzten elf Jahre istdafür verantwortlich, dass wir ein strukturelles Defizithaben. Jetzt hier so zu tun, als sei man nicht dabei gewe-sen, ist insbesondere in Ihrem Fall schwierig.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir habenjetzt einiges gehört. Ich bin wirklich etwas erstaunt. ImAusschuss arbeiten wir eigentlich gut zusammen und be-schränken uns auf die fachliche Ebene. Hier gibt es aberReden, die sieben Minuten lang am Thema vorbeigehen.
Eine Kritik in Richtung Herrn Ostendorff: Sie haben von„Vernichtungsfeldzug“ und „Krieg“ auf dem Lande ge-sprochen. Angesichts der Lage, in der wir uns gerade be-finden, halte ich es für eine Unverschämtheit, wenn Siein einer Debatte über die richtige Ausrichtung der Land-wirtschaft solche Worte benutzen. Dafür könnte mansich schämen, nicht für das andere.
Nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dassVerbraucherpolitik keine Nischenpolitik mehr ist. Das istdie Grundlage sowohl des Koalitionsvertrages als auchdieses Haushaltes, auf der wir in den nächsten vier Jah-ren arbeiten können. Es geht um Ernährung, Finanzanla-gen und Informationsrechte. Dabei setzen wir auf dieSSwmGdLswcDJdwsgnWaTbnacfdRdngErkmhutrwekVezsJ
Wir müssen aber dafür sorgen, dass der Verbraucherut informiert ist. Wir müssen auch schauen, dass dietikettierung der Finanzprodukte stimmt. Die Etikettie-ung jedes Frühstückseis wird stärker überwacht. Esann nicht sein, dass Banken beispielsweise ein Produktit der Bezeichnung „Altersvorsorgekonto“ anbieten,inter dem spekulative Finanzanlagen stecken. Dagegennd auch gegen das Verhalten der Banken, ein AA-Ra-ing der Kunden, also alt und ahnungslos, durchzufüh-en, müssen wir vorgehen. Es muss klar sein, dass das,as draufsteht, auch drinsteckt. Das alles kann noch mitiner Einordnung in entsprechende Risikoklassen flan-iert werden. Auf diese Weise gibt es den informiertenerbraucher, der sein Geld anlegen kann. Wenn er dannin Risiko eingeht, braucht der Staat für Verluste nichtu haften.
Lassen Sie mich noch das Thema Deutsche Bahn an-prechen. Ich bin immer wieder überrascht, wie sie jedesahr vom Winter überrascht wird.
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Dr. Erik SchweickertIch muss sagen – Frau Kollegin Puttrich hat es ebenfallsausgeführt –: Die Bahn steht bei uns sozusagen unter Be-währung. Wir schauen uns an, wie die Verspätungsricht-linien umgesetzt werden. Wir haben unsere Vorschlägein der Tasche. Wenn es nicht reicht, dann muss nachge-steuert werden. Ich habe ein wenig Sympathie dafür,dass schon ab 30 Minuten und nicht erst ab 60 MinutenVerspätung erste Entschädigungszahlungen erfolgen.
Da müssen wir aber abwarten. Zunächst einmal wirdevaluiert. Es ist eine gute Regierungspolitik, nicht sofortzu schießen, sondern erst zu schauen, was in diesem FallSache ist.
Herr Claus, ich bin schon erstaunt, dass Sie hier dielinke Verbraucherschutzsenatorin gelobt haben. In denletzten Tagen, als es in Berlin stark geschneit hat, hättesie einiges für Rollstuhlfahrer und für Eltern, die mitdem Kinderwagen unterwegs sind, tun können, indemsie dafür gesorgt hätte, dass der Schnee geräumt wird.Die Kehrwoche und die Schneeschippe sind schon er-funden. In diesem Fall etwas für den Verbraucher zu tun,kostet nicht viel Geld. Tun Sie also nicht so, als sei alles,was bei Ihnen läuft, toll.
Ich komme zum Schluss. Im Hinblick auf das Internethaben wir noch einiges zu tun. Es geht da um Regelset-zung. Frau Kollegin Maisch, wir werden sicherlich nichtdie Infobroschüren der Hersteller drucken, sondern miteiner klaren Regelsetzung dafür sorgen, dass es ver-ständliche AGBs gibt, sodass dem Verbraucher klar ist,welches Angebot er anklickt. Ein zweiter Punkt, der füruns wichtig ist, ist das Thema Breitbandversorgung.Auch da wird die Koalition der bürgerlichen Mitte vor-angehen. Wir werden das Ganze auch im Rahmen desVerbraucherinformationsgesetzes neu aufstellen.Ich freue mich auf den einzelnen Diskurs mit Ihnen,der hoffentlich, wie ich es aus dem Ausschuss gewohntbin, auf fachlicher Ebene abläuft und nicht von perma-nenten Unterstellungen und Reden, die komplett amThema vorbeigehen, getragen wird. Wie gesagt, ichfreue mich auf diese Diskussion.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Schweickert, auch für Sie war dies die
erste Rede in diesem Haus. Ich gratuliere Ihnen sehr
herzlich und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles
Gute, viel Freude und Erfolg.
Das Wort hat nun der Kollege Peter Bleser für die
CDU/CSU-Fraktion.
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as ist nicht nur kaltschnäuzig, sondern auch marktpoli-isch falsch; denn wir haben mit diesem Hilfsprogrammichergestellt, dass es keinen Zusammenbruch der Struk-uren gibt, die wir dann mit sehr viel Geld wieder auf-auen müssten. Kritik am Detail ist zwar durchaus ange-racht; uns lag aber daran, dass wir den Landwirteniese Hilfe schnell und unbürokratisch zur Verfügungtellen. Deswegen haben wir diesen Weg gewählt. Dasanze wird ohne zusätzliche Anträge funktionieren, undas ist ganz entscheidend.
Meine Damen und Herren, wir müssen den Blick trotzieser schwierigen Situation, in der sich die Betriebe be-inden, nach vorne richten. Eine zweite Zahl ist von er-eblicher Bedeutung; denn sie bestätigt uns, ob wir miter bisherigen Politik der Union – auch in der früherenundesregierung – richtig- oder falschliegen. Das Statis-ische Bundesamt hat festgestellt, dass die Zahl der Be-chäftigten im Ernährungsgewerbe von Oktober 2008is Oktober 2009 um 1,4 Prozent gestiegen ist, währendie im übrigen verarbeitenden Gewerbe um 4,6 Prozenturückgegangen ist. Das ist ein Erfolg unserer Politik.as ist der Erfolg unserer Bemühungen, die Wettbe-erbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu verbes-ern und unsere Chancen auf dem Exportmarkt zu stei-ern.Lieber Herr Kollege Ostendorff, wer wie Sie in einerresseerklärung verlangt, dass wir unsere Fleischexporteinstellen, den muss man schon fragen, ob er die Zuord-ung der verschiedenen Teile unserer Landwirtschaftoch richtig versteht. Wenn Sie wie viele andere auf derinken Seite dieses Parlaments der Landwirtschaft dieauptverantwortung für den Klimawandel zuschiebenollen, dann muss man schon Böswilligkeit unterstellen.
ch habe eine Statistik vom Umweltbundesamt – meineertschätzung diesbezüglich ist bescheiden – vorliegen.arin wird deutlich, dass die Landwirtschaft mit einemnteil von 5,4 Prozent für CO2-Emissionen verantwort-
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Peter Bleserlich ist. Wer glaubt, in dieser Klimadebatte den Fokusauf die Landwirtschaft lenken zu müssen, dem mussman unterstellen, dass er andere Bereiche bewusst scho-nen will.
Es besteht da natürlich noch Potenzial. Dieses wollenwir auch nutzen. Aber das geht nur über Effizienzsteige-rung und nicht mit dem, was die Grünen wollen: eineÖkologisierung aller Bereiche und eine Verringerung derLeistungen und der Erträge.Meine Damen und Herren, es ist uns wichtig, unserePolitik fortzusetzen, auch nach dem Zusammenbruch derCMA aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils. Wirmüssen dafür sorgen, dass unsere Aufstellung in Dritt-landsmärkten auch in Zukunft gut ist. Deswegen binich sehr froh, Frau Ministerin, dass im Haushaltsent-wurf, wenn man alles, auch die Verpflichtungsermächti-gungen, addiert, 7,5 Millionen Euro zusätzlich bereitge-stellt werden. Das ist aber immer noch sehr bescheiden.Meine lieben Kollegen von der christlich-liberalen Ko-alition, wir sollten darüber nachdenken, ob wir in denBeratungen der nächsten Wochen vielleicht noch etwaszusätzlich erreichen können. Eines steht jedenfalls fest:Wir fordern vom Berufsstand, von der Agrarwirtschaft,aber auch vom Handel, dass sie sich zusammenschließenund etwas konzeptionell erarbeiten. Dann wird die Poli-tik sicher Wege finden, diese Bereiche zu unterstützen.Das ist beste Zukunftspolitik für unsere jungen Men-schen. Sich auf den Märkten zu behaupten, ist die ein-zige Chance, zu bestehen. Mit Abschotten und Ausgren-zen erreicht man nichts.
Meine Damen und Herren, ich will im Rahmen desAgrarbereiches ein weiteres Thema ansprechen: die zu-künftige Entwicklung der europäischen Agrarpolitiknach 2013. Das ist für viele vielleicht noch weit hin.Aber in diesem Jahr werden in der Europäischen Kom-mission die ersten Festlegungen getroffen. Wir müssenuns deshalb frühzeitig in die Debatte einschalten. Wirmüssen den Menschen sagen, welches Bild wir von un-serer Landwirtschaft 2020 haben wollen. Wir müssenzunächst einmal dokumentieren, was unsere Wunschvor-stellung ist. Dazu gehört die multifunktionale Landwirt-schaft. Dazu gehört die flächendeckende Landwirtschaft.Dazu gehört aber auch ein Sicherheitsnetz, um den Zu-sammenbruch von Strukturen, wie im letzten Jahr be-fürchtet, zu verhindern.Was den letzten Punkt angeht, haben die Menschenmittlerweile ein besonderes Gefühl entwickelt. Geradedie Katastrophe in Haiti zeigt, dass Nahrungsmittel, dieirgendwo in der Welt produziert werden, noch langenicht dort sind, wo sie gebraucht werden. Deswegenmüssen wir auch in fernerer Zukunft Versorgungssicher-heit herstellen. Wir müssen all denjenigen, die meinen,den Agraretat der Europäischen Union als Steinbruch fürverschiedene Politikziele nutzen zu können, sagen: Werdas will, muss sich fragen lassen, ob er Umweltschutz,Tierschutz, Verbraucherschutz, Multifunktionalität derLhwgg–Vvsdamsvm1akdEawcsKdecrhDltistlssiclE
amit wir noch mehr Schutz für die Lebensmittelqualitätrwirken können.
Ich will einen zweiten Punkt zum Thema Verbrau-herschutz ansprechen, und zwar die Abzocke im Be-eich der Telekommunikation. Ich gebe zu, auch ichabe 3,98 Euro verloren. Das hätten die nicht tun sollen.as Thema werden wir aufgreifen. Mit welch kriminel-er Energie manche Telefongesellschaften Inkasso be-reiben, ist eine Sauerei, die nicht anders zu beschreibent.
Wir müssen bei der Gestaltung des Telekommunika-ionsgesetzes darüber nachdenken, ob wir die Beweis-astumkehr einführen wollen, um eine entsprechend ab-chreckende Wirkung zu erzeugen. Darüber hinaus isticher überlegenswert, ob wir denjenigen, die im Internetn ordentlicher Weise unterwegs sind und den Verbrau-her nicht übers Ohr hauen wollen, nicht auch eine Mög-ichkeit der Kennzeichnung in Form eines „Online-ngels“ –
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Peter Bleseroder wie auch immer Sie ihn nennen wollen – anbieten.Wir brauchen ein klar erkennbares Zeichen, damit derVerbraucher nicht in der Art übers Ohr gehauen wird,wie das leider heutzutage in vielfältiger Weise geschieht.Dass wir das Thema ernst nehmen, sehen Sie daran, dasswir eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Ge-sellschaft“ ins Leben rufen wollen, in der Sie alle mitar-beiten können. Ich glaube, das ist dringend notwendig.Ich komme zum letzten Satz. Die Menschen könnenin Fragen der Agrarpolitik, der Ernährungspolitik undder Verbraucherpolitik auf die Union vertrauen.Herzlichen Dank.
Nun hat das Wort zu einer Kurzintervention der Kol-
lege Ostendorff.
Herr Kollege Bleser, Sie haben sich kritisch damit
auseinandergesetzt, dass ich für die Grünen gesagt habe,
dass wir uns genau überlegen sollten, ob die derzeitige
Fleischexportstrategie für uns das Richtige ist. Es geht
um die Frage, ob wir eine richtige Politik machen, das
heißt, ob es richtig ist, dass wir Hunderttausende von le-
benden Tieren in Länder verbringen, die mehrere Tau-
send Kilometer entfernt liegen. Es geht um die Frage, ob
es einer modernen Gesellschaft, die einen hohen An-
spruch an den Tierschutz stellt, gerecht wird, solch eine
Exportstrategie zu fahren, die sich darauf gründet, dass
man Tiere wie tote Ware behandelt, die aber lebend auf
den Transportern stehen und unter großem Leid bis jen-
seits des Urals verbracht werden. Nur darauf bezieht sich
das Gesagte.
Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen, dass wir
darum bitten, nochmals zu überlegen, ob wir es wirklich
als wirksame Strategie erachten, hier eine Produktion
aufzubauen, die auf diese Art und Weise auf die Märkte
der Dritten Welt, Russlands usw. gelangt. Das ist die ein-
zige Frage, die wir gestellt haben, und die ich bitte zur
Kenntnis zu nehmen.
Herr Kollege Bleser, bitte.
Mein lieber Herr Kollege Ostendorff, es ist immer
hilfreich, wenn man sich auf solche Fragen vorbereitet.
Sie schreiben:
Wir fordern, dass Deutschland nicht weiter für den
Export Fleisch produziert.
Dazu kann ich nur sagen: Das ist nicht nur weltfremd.
So werden auch die Arbeitsplätze aus diesem Land in die
Länder exportiert, in die das Fleisch nach Ihrer Meinung
gehen könnte. Das machen wir nicht mit. Ich teile aller-
dings Ihre Ansicht, dass Transporte nach unseren Tier-
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Der zweite wichtige Bereich ist die Digitalisierungunserer Kommunikation. Die Freiheit des Internets zuschützen, das das freiheitlichste Informationsmedium ist,das wir uns vorstellen können, ist gerade für uns einwichtiges Thema. Wir müssen die Nutzer vor staatlicherÜberregulierung schützen, aber natürlich auch vor priva-ten Missbräuchen durch Kriminelle oder wirtschaftlichMächtige. Weil das Internet kein rechtsfreier Raum ist,gehört für uns dazu, dass wir im Rahmen des Urheber-rechts die Möglichkeiten zur Durchsetzung von Rechtenverbessern. Wir haben in der letzten Legislaturperiodeum den sogenannten zweiten Korb gerungen.
Wir sind ferner der Meinung – das haben wir in derKoalitionsvereinbarung festgeschrieben –, dass wir auchdas Thema der Leistungsschutzrechte gerade für den Be-reich Presse und Zeitungsverleger angehen sollten. Daswerden wir tun; wir werden es schaffen. Wenn Men-schen über das Internet Dienstleistungen in Anspruchnehmen, Informationen nutzen, dann müssen wir dieRahmenbedingungen dafür schaffen, dass diejenigen,die für die Bereitstellung der Dienstleistungen und Infor-mationen ein Risiko eingehen und sich wirtschaftlich en-gagieren, ihre Leistungsschutz- und Urheberrechtedurchsetzen können.
Im Zusammenhang mit dem Internet müssen wir– das passt gut zu der Debatte, die wir eben zu demHaushalt für den Verbraucherschutz geführt haben –auch die Stellung des Verbrauchers in den Blick nehmen.Ich möchte nur ein Beispiel nennen: die Abofallen imNetz. Wir wollen, dass alle Anbieter verpflichtet werden,ein Bestätigungsfeld, also einen Button, vorzusehen, da-mit Verbraucher vor Abschluss eines Vertrages sicher er-kennen, dass sie für eine Leistung etwas bezahlen müs-sen.Ein Blick in die Koalitionsvereinbarung zeigt, dassder Datenschutz im Internet eine wichtige Rolle spielt.Hierfür ist mein Kollege Innenminister, Herr deMaizière, federführend zuständig. Die FDP hat einge-bracht, dass es einen anderen Weg geben soll, als immerdie entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen zu än-dern. Lassen Sie mich die geplante Stiftung DatenschutznuügdeLulwhDÄbsWpJgnvEKsnZsdVdrgtmDPTtHdMSeackaIa
ier geht es nicht um gesetzliche Regelungen aufgrunder Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs fürenschenrechte. Vielmehr geht es darum, auf der eineneite dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit zuntsprechen, einen gewissen Schutz zu erhalten,
uf der anderen Seite aber nicht zu vergessen, dass Si-herungsverwahrung eine Ausnahme ist, nicht die Regel,eine normale Verlängerung des Strafvollzugs. Ein Blickuf Einzelfälle zeigt, wie wichtig ein Gesamtkonzept ist.n der Vergangenheit wurde auf viele Einzelfälle re-giert, teilweise musste reagiert werden.
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Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, na-türlich auch mit den Berichterstattern, die hoffentlich andiesem Haushalt nichts zu beanstanden finden.Recht herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine
Lambrecht für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Bundesjustizministerin, in den letzten Jahren warbei Haushaltsdebatten von Ihrer Seite aus immer relativkurz zu hören, dass dieser Haushalt zu Recht ein kleiner,aber feiner Haushalt sei. Dann stellten Sie in der Regelrelativ zügig die Forderung an uns in der jeweiligen Re-gierungskoalition, das Augenmerk doch mehr auf dieFreiheits- und Bürgerrechte zu lenken. Meist drehtesich Ihre gesamte Haushaltsrede dann um dieses Thema.Heute war ich – das muss ich ehrlich sagen – etwas über-rascht, dass dieses Thema von Ihnen so kurz abgehandeltbzw. überhaupt nicht angesprochen wurde. Ein Schelm,der Böses dabei denkt.Man könnte zur Verdeutlichung auch einfach sagen:SWIFT. Das war eine Ihrer ersten Aktionen. Ausgerech-net die FDP, die sich selbst rühmt, Freiheits- und Bürger-rechte wahren zu wollen, zeichnet dafür mitverantwort-lich. Kurz zum Hintergrund: Die USA erhalten beiÜberweisungen außerhalb des europäischen Zahlungs-raumes millionenfach Zugriff auf Bankdaten, die der Fi-nanzdienstleister SWIFT verwaltet. Die schwarz-gelbeKoalition hat mit ihrer Enthaltung auf EU-Ebene dafürgesorgt, dass dieses Abkommen zwischen der EU undden USA durchgewunken wurde. Dies geschah genau ei-nen Tag, bevor der Reformvertrag von Lissabon Gültig-keit erlangte. Vom nächsten Tag an, wenn es erst dannzur Debatte gekommen wäre, hätte das Parlament einMitspracherecht gehabt. So viel zum schwarz-gelbenVerständnis von parlamentarischer Demokratie.
Zu Ihren Oppositionszeiten, als Sie noch die berühm-ten Reden gehalten haben, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat die FDP-Bundestagsfraktion gera-dezu zum Kampf gegen dieses Abkommen aufgerufen.Nachzulesen ist das sehr schön in der Bundestagsdruck-sache 16/4184. Darin forderten Sie von der damaligenRegierung, den Zugriff US-amerikanischer Stellen aufSWIFT-Daten unverzüglich zu stoppen. Aber seitdemdie FDP mit auf der Regierungsbank sitzt, haben Sienichts gestoppt. So viel zu der Frage, welchen Stellen-wert der Schutz sensibler Bürgerdaten in dieser Koali-tion hat.znfGKrbr1r1MzSÖwedMJrrStkwgbanJvhsFvspBElüwfaww
Eingedenk dessen, Frau Justizministerin, dass Siewar Bedenken formulieren, das Richtige aber offenbaricht durchsetzen können, schwant mir trotz Ihrer wohl-ormulierten Worte zur Sicherungsverwahrung nichtsutes.
urz vor Weihnachten 2009 hat der Europäische Ge-ichtshof für Menschenrechte der heutigen schwarz-gel-en Regierung die Quittung für ein Sicherungsverwah-ungsgesetz der schwarz-gelben Regierung aus dem Jahr998 erteilt. Das Gesetz verstößt gegen die Menschen-echtskonvention.
998 hoben CDU/CSU und FDP mit ihrer damaligenehrheit mit besagtem Gesetz die Zehnjahresbegren-ung der Sicherungsverwahrung auf. Seither könnentraftäter, von denen weiterhin eine Gefährdung für dieffentlichkeit ausgeht, unbegrenzt in Haft genommenerden. Das Gesetz wurde seinerzeit rückwirkend aufinen Fall aus dem Jahre 1986 angewandt. Jetzt habenie Straßburger Richter entschieden, dass das gegen dieenschenrechtskonvention verstößt. Ganz aktuell imahr 2010 – Sie haben es angesprochen, Frau Ministe-in – hat außerdem der Bundesgerichtshof im Fall einesechtskräftig verurteilten Sexualstraftäters, der seinetrafe abgesessen hat, entschieden, dass er nicht nach-räglich in Sicherungsverwahrung genommen werdenann.Ihre Koalitionspartner, CDU und CSU – da sind wirieder auf das berühmte Theater der Dreistimmigkeitespannt –, aber auch unionsgeführte Bundesländer, ha-en schon zu deutlichen Gesetzesverschärfungen lautufgerufen. Jetzt stellt sich die Frage: Dürfen wir we-igstens in dieser Sache hoffen, dass mit Ihnen, Frauustizministerin, in der schwarz-gelben Koalition dieseron Ihnen beschworene neue Geist, den Sie angekündigtaben, herrscht und dass das Ritual der Gesetzesver-chärfungen durchbrochen wird? Ich bin gespannt.Wer jetzt den vom Bundesgerichtshof entschiedenenall heranzieht, um eine Lücke im Recht der Sicherungs-erwahrung zu behaupten und eine Gesetzesver-chärfung zu fordern, liegt schief. Wer aber angesichtsopulistischer Gesetzesverschärfungen das Urteil desundesgerichtshofs wie auch das jüngste Urteil desuropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum An-ass nimmt, das Recht der Sicherungsverwahrung zuberarbeiten und neu zu ordnen, liegt richtig. Genau dasollen wir.Die in den vergangenen Jahren aufgrund von Einzel-ällen veranlassten Gesetzesänderungen haben das Rechtuf Sicherungsverwahrung zu einem Flickenteppicherden lassen. Vorarbeiten für eine Neuordnung habenir zusammen mit der Bundesjustizministerin und Ex-
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Christine Lambrechtperten aus Lehre und Praxis bereits in der vergangenenLegislaturperiode geleistet; hier stehen Anknüpfungs-möglichkeiten zur Verfügung. Wenn wir über mehr Si-cherheit sprechen, müssen wir vor allem über die weite-ren Instrumente sprechen, die das geltende Recht außerder Sicherungsverwahrung noch parat hat.Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen– das ist nämlich ein Thema, das man zu diesem Zweckimmer wieder gut verwenden kann –: Selbstverständlichsteht die SPD dafür, dass die Bevölkerung vor gefährli-chen Straftätern zu schützen ist. Hierfür gibt es Möglich-keiten wie die Führungsaufsicht, die Polizei und Bewäh-rungshelfer. Jetzt geht es darum, ein neues Konzept zuerarbeiten, statt reflexartig nach Gesetzesverschärfungenzu rufen.
Wir sind gespannt, welchen Weg Sie einschlagen wer-den.Um ähnliche Fragen geht es auch beim ThemaNacktscanner. Ich gehe davon aus, dass die Kollegin-nen und Kollegen aus dem Bereich Inneres dazu noch ei-niges sagen werden. Man muss sich allerdings, bevorman über ein solches Thema diskutiert, wenigstens über-legen, ob mit der Datenflut, die offensichtlich gar nichtzu beherrschen ist, überhaupt umzugehen ist und welcheKonsequenzen ein solcher weiterer Eingriff in die Per-sönlichkeitssphäre, die Intimsphäre und die Privatsphärefür die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger hätte.Frau Ministerin, ich habe mit Freude vernommen,dass Sie über einige Themen konkret diskutieren wollen.Wie ich gehört habe, diskutieren Sie innerhalb der Koali-tion seit dem Wochenende wieder freundlicher und höf-licher;
das haben Sie sich ja für die Zukunft vorgenommen.Vielleicht führt das auch zu einem entsprechenden Er-gebnis. Wir sind gespannt.Bei einigen Themen bin ich allerdings sehr skeptisch,wohin die Reise gehen wird; wahrscheinlich werden wirdas erst nach der Wahl in NRW erfahren. Ich nenne nureinige Beispiele: die Veränderungen im Mietrecht zuun-gunsten der Mieter, die Änderung der Prozesskosten-hilfe, die wahrscheinlich dazu führen wird, dass sich fürMenschen, die finanziell schwachgestellt sind, der Zu-gang zu den Gerichten verschlechtert,
und die angekündigte Zusammenlegung von Sozial- undVerwaltungsgerichtsbarkeit, die sicherlich nicht im Inte-resse einer sachgerechten Behandlung schwieriger so-zialrechtlicher Fragestellungen sein wird. Auch hier sindwir gespannt.Insbesondere an den Veränderungen im Mietrechtwird eines deutlich: Auch hier betreiben Sie Klientel-politik, eine Politik für die Klientel der Haus- undGrundstücksbesitzer.WbDHMsndrdsmevenczZZsgagdfcau–dEm
ir sind gespannt, welche Spenden aus diesem Bereichei welchem Koalitionspartner ankommen werden.Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
r. Günter Krings.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Wenn die Kollegin Lambrecht die Themenietrecht und Lobbyisten in einen Zusammenhangtellt, fragt man sich natürlich, ob ihre Klientel die Miet-omaden sind;
as sind nämlich diejenigen, die wir mit unserer Miet-echtsänderung bekämpfen wollen. Ich hoffe und glaube,ass das nicht so ist. Mit Ihren Lobbyismusvorwürfenollten Sie allerdings etwas vorsichtiger sein.Ich will meine Rede zum Haushalt des Bundesjustiz-inisteriums ganz unkonventionell beginnen, indem ichinige Zahlen nenne. Dieser Haushalt hat ein Volumenon knapp einer halben Milliarde Euro. Das entspricht intwa allein dem Aufwuchs, den der Etat des Bundesmi-isteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-herschutz, über den wir zuvor diskutiert haben, zu ver-eichnen hat. Es geht um eine also durchaus bescheideneahl. Umgerechnet sind es 6,04 Euro pro Bundesbürger.ieht man die Einnahmen, die in diesem Etat erwirt-chaftet werden, ab, geht es um 1 Euro pro Bundesbür-er und Jahr.Es handelt sich um einen sparsamen Haushalt, derber – Frau Ministerin, Sie haben es erwähnt – an eini-en wenigen Punkten wichtige Aufwüchse enthält. Einerer wichtigsten Aufwüchse sind die Leistungen für Op-er extremistischer Überfälle. Indem wir die entspre-henden Mittel mehr als verdreifacht haben, haben wiruch eine, wie ich finde, höchstpeinliche Schieflage innserem Rechtsstaat beseitigt. Bislang war es nämlich so entstanden ist dies unter rot-grüner Verantwortung –,ass nur rechtsextremistische Überfälle hierunter fielen.
s ist überfällig, dass wir auch den Opfern linksextre-istischer Überfälle, islamistischer Überfälle und ande-
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Dr. Günter Kringsrer extremistischer Überfälle Härteleistungen gewähren.Wer das nicht will, hat das System unseres Grundgeset-zes nicht verstanden.
Unser Grundgesetz unterscheidet nämlich nicht zwi-schen Opfern eines Extremismus erster und eines Extre-mismus zweiter Klasse. Jeder politische und sonstigeExtremismus ist gleich zu behandeln. Es gibt nämlichRegionen und Stadtteile in Deutschland, die vor allemunter Linksextremismus leiden. Es ist richtig, dass wirdiese peinliche Schieflage in unserem Rechtsstaat jetztendlich beseitigen.
Ungeachtet dieser punktuellen Steigerung ist festzu-halten: Der Haushalt des Bundesministeriums der Justizmacht nur 0,15 Prozent des Bundeshaushaltes aus.Selbst wenn man die Ausgaben der Länder – bei denLändern liegt der Anteil, den die Ausgaben für Justizausmachen, höher – hinzunimmt, sind für den wichtigenBereich Justiz nur etwa 2 Prozent der gesamtstaatlichenAusgaben zu veranschlagen. Ich bin froh, dass die Rede-zeit in der Haushaltsdebatte nicht proportional zu denHaushaltsmitteln verteilt wird; dann wäre im BereichJustiz schon mit der Rede der Ministerin Schluss gewe-sen.Wir müssen an dieser Stelle daher mit einem Fehl-schluss aufräumen, dem viele erliegen und der vielleichteine Ursache für die hohe Staatsverschuldung Deutsch-lands ist, nämlich mit dem Fehlschluss, dass ein Politik-bereich dann besonders wichtig ist, wenn viel Geld fürihn ausgegeben wird.Die Rechtspolitik steuert nicht mit Geld, sondern mitGe- und Verboten. Der Rechtsstaat macht deutlich, dassnicht alles einen Preis hat. Die Rechtspolitik ist geradedeshalb eine Kernaufgabe unseres Staates, weil sie Gren-zen aufzeigt und verbindliche Regeln setzt. Der Rechts-frieden und die öffentliche Sicherheit lassen sich nichtüber das Medium Geld herstellen. Wir brauchen den So-zialstaat, wir brauchen den Steuerstaat, wir brauchenaber auch den Rechtsstaat, der verbietet und notfallsauch bestraft.Die christlich-liberale Koalition will nicht länger hin-nehmen, dass die Zahl der Gewaltdelikte gegenüber den-jenigen, die für den Rechtsstaat tagtäglich den Kopf hin-halten, immer weiter zunimmt. Ich spreche in ersterLinie von den Polizisten; bei vielen Anschlägen, geradebei linksextremer Gewalt, sind aber auch Feuerwehr-leute und Sanitäter betroffen. Wir werden durch entspre-chende Veränderungen, auch im Strafrecht, für einenbesseren Schutz derjenigen sorgen, die uns schützen.
Wir werden die Handlungsspielräume ausloten, diedie eben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes,vor allem aber die des EGMR beim Thema Sicherungs-vmSnFesmdbigIrSbvartjvgitnetiÖraFddsctagpsldrhblrWwRsa
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Steffen Bockhahnsonal zur Verfügung zu stellen, damit Ermittlungenschneller geführt und Prozesse rascher begonnen werdenkönnen. Das betrifft nicht zuletzt diverse Prozesse zurSteuerhinterziehung, die wegen Verjährung nicht mehrgeführt werden können. Auf diese Weise gehen demStaat jedes Jahr aufs Neue Unsummen verloren.Die Überlastung der Gerichte hat selbstverständlichauch viel mit der Politik der Bundesregierung in anderenBereichen zu tun. Wer unsoziale, aber auch handwerk-lich schlechte Gesetze wie Hartz IV durchsetzt, muss da-mit leben, dass es viele Klagen dagegen gibt und die So-zialgerichte vor gigantischen Verfahrensbergen sitzen.
– Wenn es nicht so berechtigt wäre, gegen Hartz IV zuklagen, dann müsste man es nicht tun. Wenn Sie ordent-liche Gesetze mitverabschiedet hätten, dann wäre dieLage vielleicht nicht so dramatisch.
Aber diesen Verfahrensstau gibt es nicht nur bei denGerichten, die unter die Zuständigkeit der Länder fallen.Auch bei den Bundesgerichten haben wir es mit langenWartezeiten zu tun. Doch auch daran ändert sich nichts,obwohl Sie die Möglichkeit dazu hätten. Wo nicht überProbleme gesprochen wird, da gibt es auch keine. Alsowird nicht darüber geredet, und folglich wird auch nichtdie Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an denBundesgerichten erhöht. Leider bleibt es damit bei denlangen Wartezeiten.Dadurch, dass Sie die Judikative nicht in der Formstärken, wie es erforderlich wäre, schwächen Sie siezwangsläufig. Das führt dazu, dass sie als eine stabileund gleichberechtigte Säule im Rahmen der Gewalten-teilung unter Druck gerät. Keiner hier will das, und kei-ner sollte das wollen; denn damit wäre die Demokratieernsthaft in Gefahr.Das Justizministerium hat die Aufgabe, Gesetzge-bung und Gesetzanwendung im Bereich Justiz auf natio-naler und internationaler Ebene zu ordnen und anzuwen-den. Aufgabe ist es aber auch, die Grundrechte derBürgerinnen und Bürger zu schützen und die Verfas-sungsmäßigkeit der Gesetzgebung zu garantieren.Gerade die jüngste Gesetzgebung zur Bekämpfungvon Terrorismus macht eine gründliche Überprüfung er-forderlich. Hier wird massiv in die Grundrechte einge-griffen, sei es die Verletzung der Privatsphäre, die Spei-cherung von Daten oder die heimliche Überwachung derBürgerinnen und Bürger. Ein besonderes Problem stelltdabei aus meiner Sicht immer wieder der § 129 a desStrafgesetzbuches dar. Allein der Verdacht, dass jemandeine terroristische Vereinigung gebildet hat, erlaubt demStaat Unglaubliches.Die Freiheitsrechte der Betroffenen werden de factoabgeschafft. Betroffene haben kaum Möglichkeiten, sichzu wehren, und die Unschuldsvermutung zugunsten derVbsesfunewwgdsidZhds„Medad–gdbAvsIsNwlbbewdsse
Nein, das haben Sie falsch verstanden. Ich habe nichtesagt, dass es der Sozialismus sein muss, auch wennas ein Fortschritt wäre.Mit dieser Unterstützung wird aber ganz gezielt eineestimmte Wirtschaftsordnung in anderen Ländern imuftrag der Bundesrepublik gefördert. Unabhängig da-on, dass ich meine, dass es sich um die falsche Wirt-chaftsordnung handelt: Wer kommt eigentlich auf diedee, diese kapitalistische Wirtschaftsordnung mit ihrerozialen Spaltung und der Ausbeutung von Mensch undatur anderen Ländern auch noch überzuhelfen? So et-as macht man doch nur, wenn man die anderen nichteiden kann.
Ungarn und weitere Staaten Osteuropas, die von unseraten wurden, stehen oder standen vor dem Staats-ankrott. Das ist aber kein Zufall, sondern im Ergebnisine Folge dieser Wirtschaftsordnung, die hier verbreiteterden soll. Es gibt aber einen Unterschied zwischener Hilfe beim Aufbau demokratischer Strukturen – die-er ist gewollt – und der Implementierung einer be-timmten Wirtschaftsordnung. Hier wäre es besser, dasine zu tun und das andere zu lassen.
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Herr Kollege Bockhahn, das war Ihre erste Rede in
diesem Haus. Ich gratuliere herzlich und wünsche Ihnen
für die weitere Arbeit viel Erfolg.
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Ingrid
Hönlinger für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“Dieses Bild von Hermann Hesse wollte die schwarz-gelbe Koalition gleich nach der Wahl für ihre Regie-rungsführung vermitteln. Wir erinnern uns: Die Verspre-chen des Traumpaares Merkel/Westerwelle hörten sichwie himmlisches Glockengeläut an. Doch was ist darausgeworden? Wir wurden Zeugen, wie es bei Ihnen, liebeKolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP,schon quasi in der Hochzeitsnacht zum großen Krachkam. Trotz Ihrer Dauerstreitigkeiten haben Sie ein Erst-geborenes zustande gebracht. Sie gaben ihm einen äu-ßerst attraktiven Namen. Sie nannten es „Wachstumsbe-schleunigungsgesetz“. Leider müssen wir bei nähererBetrachtung feststellen: Dieses Erstgeborene ist genausowie Ihr Ehevertrag, also Ihr Koalitionsvertrag, ein Pfle-gefall.
Sie müssen ständig nachpäppeln, nachfüttern und tro-ckenlegen.
– Ja, das mache ich.In meiner Rede zum Haushalt und zur Rechtspolitikwill ich drei zentrale Punkte hervorheben. Erstens. DieFDP hat in ihrem Wahlprogramm zum Thema Rechtspo-litik formuliert:Wir brauchen eine Neuausrichtung der Rechtspoli-tik … Von der Rechtspolitik müssen entscheidendeImpulse ausgehen für eine moderne und aufgeklärteBürgergesellschaft.Wie sieht nun in dieser Koalition eine moderne Bür-gergesellschaft aus. Sie haben beschlossen: Sie wollendie Höchststrafe für junge Menschen, die einen Mordbegangenen haben, von 10 auf 15 Jahre erhöhen. Dassoll nicht nur für Heranwachsende gelten, sondern auchfür Jugendliche, für die 15 Jahre eine unermesslich langeLebenszeit sind.
– Doch, im Koalitionsvertrag. – Das planen Sie, obwohldie abschreckende Wirkung einer solchen Maßnahmebisher nicht belegt ist.
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Sie wollen einen Warnschussarrest für jugendlichetraftäter einführen. Wir alle kennen die hohe Rückfall-uote bei stationären Maßnahmen. Besteht nicht die Ge-ahr, dass Jugendliche im Arrest nicht einen Warnschussrhalten, sondern sich als Straftäter professionalisieren?ie wollen zudem – das hat auch die Ministerin betont –ie Sicherungsverwahrung reformieren. Wir befürchten,ass es nicht zu Reformen, sondern zu einem Ausbauommt, und das trotz aller verfassungsrechtlicher Be-enken. Frau Ministerin, das alles sind Schritte rück-ärts, hin zu alten autoritären Rechtsformen. Dafür be-ommen Sie unsere Unterstützung nicht.
Wir brauchen eine zukunftsorientierte Rechtsauffas-ung, die mehr Begleitung und Beratung vor allem fürugendliche Straftäter sowie mehr integrative Maßnah-en beinhaltet. Wir brauchen mehr Zivilcourage undorbildprojekte. Damit können wir die gesellschaftli-hen Selbstregulierungsprozesse fördern. Wir brauchenudem mehr alternative Konfliktlösungsverfahren. Dazuehören Schlichtung und Mediation. Wir brauchen weni-er Repression und mehr Prävention.
Zweitens. Wie sieht die zugesagte Wende bei denürgerrechten aus? Sie blasen den Großen Lauschan-riff nicht ab. Sie behalten die Vorratsdatenspeicherungei. Natürlich müssen wir die innere und äußere Sicher-eit sehr ernst nehmen. Aber Angst ist diesbezüglich einchlechter Ratgeber. Vielmehr brauchen wir gerade beiiesem Thema ein Höchstmaß an Augenmaß sowie eineachliche und rationale Abwägung. Wir dürfen die Angsticht die rationale Abwägung besiegen lassen. Für unsrüne ist klar: Wir brauchen so viel Sicherheit wie nötig,ber auch so viel Freiheit wie möglich. Ohne Freiheitibt es für uns keine Sicherheit.
Drittens. Die Rechtspolitik steht in einem engen Ver-ältnis zum Rechtsempfinden der Bürgerinnen undürger. Da ist es gut, dass das Bundesministerium derustiz – das wurde schon gesagt – finanziell sehr gut da-teht; 83 Prozent der Ausgaben werden durch eigeneinnahmen gedeckt. Wie aber sieht es in dieser Koali-ion bei dem Rechtsverständnis im Hinblick auf die so-iale Ausgewogenheit aus? Als Beispiel nenne ich dasietrecht, das von Kollegin Lambrecht ebenfalls schonngesprochen wurde. Unser jetziges Mietrecht stellt ei-en Ausgleich zwischen zwei ungleichen Partnern her.etzt will die schwarz-gelbe Koalition die Rechte der
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Ingrid HönlingerVermieter zulasten der Mieter stärken. Die Kündigungs-fristen sollen gleichgesetzt werden, Sanierungen sollennicht mehr zur Mietminderung berechtigen, und miet-rechtliche Ansprüche sollen leichter vollstreckt werdenkönnen. Das heißt im Klartext: Sie machen die Starkenstärker und schwächen die Schwachen.
Ein weiteres Beispiel ist die Beratungs- und Prozess-kostenhilfe. Sie wollen der „missbräuchlichen Inan-spruchnahme“ von staatlichen Leistungen entgegenwir-ken. Dabei dürfte doch allen klar sein, dass die hoheZahl der Prozesskostenhilfezahlungen auch durch dieFlut von Hartz-IV-Klagen, die wir alle wahrnehmen, be-dingt ist. Es ist aber nicht der richtige Weg, an der Pro-zesskostenhilfe herumzudoktern. Vielmehr muss dasSozialgesetzbuch II dringend reformiert werden. Damitbekommen wir die Probleme viel besser in den Griff.Für uns Grüne sind Prozesskosten- und Beratungshilfeein wichtiger Zugang zur Justiz. Die Justiz muss allenBürgerinnen und Bürgern offenstehen.
Ein weiteres Beispiel ist die Anwaltsvergütung imAusländer- und Asylrecht sowie im Sozialrecht. Die Ge-genstandswerte bzw. die Rahmengebühren sind so nied-rig, dass nur noch Idealisten in diesen Bereichen arbei-ten. Zum Beispiel liegt der Gegenstandswert fürDiplomprüfungen an der Hochschule bei 15 000 Euro,für Waffenscheine bei 7 500 Euro, für Asylverfahren, beidenen es um Leben, Freiheit und körperliche Unver-sehrtheit geht, aber lediglich bei 3 000 Euro. Da sind diePrioritäten falsch gesetzt, und wir müssen dringendnachbessern, um auch den Schwächeren einen ordentli-chen Zugang zum Recht zu gewährleisten.
Ich komme zum Schluss. In Ihrem Koalitionsvertraghaben CDU/CSU und FDP schriftlich erklärt:Wir fördern den Dienst am Anderen und fordernSolidarität für eine menschliche Gesellschaft.Bei Lichte betrachtet stellen wir fest: Ihren schönenWorten folgen entgegengesetzte Taten. Sie fördern mitIhrer Politik den Egoismus einzelner gesellschaftlicherGruppen und erschweren den Dienst am anderen. ImKern führt Ihre Politik zu einer weiteren Vertiefung derSpaltung der Gesellschaft. Außerdem vergrößern Sie mitIhrer Rechtspolitik die Kluft zwischen Arm und Reich indieser Gesellschaft. Aber das Gute daran ist: Noch keineRegierung wurde so schnell entzaubert wie Ihre. DieBürgerinnen und Bürger haben längst erkannt, dass nichtnur Ihre Versprechungen in der Finanz-, Steuer- undWirtschaftspolitik, sondern auch in der Rechtspolitik auftönernen Füßen stehen. Bei Ihnen ist einfach nicht dasdrin, was draufsteht.karrB1ddeGtdHKzmsmRrwZazDnSdebrZgEshagH
Ich fasse zusammen: Bei Ihnen von der Regierungs-oalition kann ich keinen Zauber und auch keinen Neu-nfang wahrnehmen, weder beim Schutz der Bürger-echte noch bei der sozialen Ausgewogenheit und erstecht nicht bei einer Justiz, die allen Bürgerinnen undürgern dient. Ihr schwarz-gelber Zauber hat keine00 Tage gehalten. Es ist wichtig, dass in Zukunft aufer Regierungsbank andere Farbkombinationen zu fin-en sind.Vielen Dank.
Frau Kollegin Hönlinger, auch für Sie war dies die
rste Rede in diesem Haus. Auch Ihnen gelten mein
lückwunsch und meine besten Wünsche für Ihre wei-
ere Arbeit.
Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für
ie FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Im Mittelpunkt der Rechts- und Justizpolitik deroalition stehen der Bürger und die Bürgerin. Das be-ieht sich sowohl auf die Justiz, die wir mit Haushalts-itteln auszustatten haben, als auch auf die rechtspoliti-chen Themen, auf die ich im Anschluss daran eingehenöchte.Wir haben in Deutschland eine hohe Qualität derechtsprechung, trotz immenser Belastungen der Ge-ichte auch des Bundes durch Verfahren, die beispiels-eise den Bezug von Arbeitslosengeld II betreffen. Dieahlen sind immens hoch. Die Belastung betrifft aberuch die Finanzgerichte, weil das Steuerrecht längst vielu kompliziert geworden und nicht mehr handhabbar ist.iese Arbeitsbelastung sehen wir. Sie setzt sich im Mi-isterium fort, das – auch das muss man einmal an diesertelle festhalten – in den letzten 15 Monaten im Zugeer Krise erhebliche zusätzliche Arbeit in kürzester Zeitrledigen musste. Wir sehen die Belastungen der Mitar-eiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz und im Ministe-ium und würdigen sie. Hinzu kommen Aufgaben, die inukunft eine stärkere Rolle spielen und die die Versor-ung betreffen werden. Insbesondere die demografischentwicklung verdient im Haushalt des Ministeriums be-ondere Beachtung.Der Haushalt des Justizministeriums ist ein Personal-aushalt. 78 Prozent der Ausgaben werden für Personalusgegeben. Wir als Koalition wollen dafür Sorge tra-en, dass auch in diesen Zeiten und im Zuge dieseraushaltsberatungen das Möglichste getan wird, damit
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Florian Toncardie Justiz im Interesse der Bürger, nicht in ihrem eigenenInteresse, ihre Aufgaben erfüllen kann.Die Bürgerinnen und Bürger stehen aber auch im Mit-telpunkt unserer Rechtspolitik. Ich finde es schon be-merkenswert, dass man sich nach drei Monaten in derRegierung anhören muss, was man alles noch nicht ge-macht hat. Frau Kollegin Lambrecht, das geht an IhreAdresse. Ich habe Ihre Rede so verstanden – das verwirrtmich offen gestanden –, dass Sie uns darum gebeten ha-ben, jetzt die Fehler auszumerzen, die Sie in elf Jahrengemacht haben. Ich kann Ihnen versprechen: Wir tun es.
Wir tun es schrittweise, aber wir werden das sicherlichnicht in drei Monaten machen können; denn dafür ist esviel zu viel, was zu tun wäre.
Sie haben das Stichwort SWIFT genannt. Man rech-net mit vielem, aber es ist schon sehr mutig, was Sie damachen; denn das Abkommen SWIFT in der Form, inder es jetzt für neun Monate in Kraft gesetzt worden ist,ist in den Verhandlungen von der alten Bundesregierung– das wissen Sie in Wahrheit ganz genau; das ist für Sieüberhaupt nichts Neues – vorbereitet worden, und zwarfederführend von Ressorts, in denen Ihre Minister Ver-antwortung getragen haben.
Sie wissen auch, dass in neun Monaten eine neue Fas-sung dieses Abkommens in Kraft sein wird. Ich kann Ih-nen sagen – darüber ist sich die Koalition einig; denn dassteht so im Koalitionsvertrag –,
dass die Standards, die in dem jetzt gültigen Abkommengelten, mit Sicherheit in neun Monaten nicht mehr die-selben sein werden. Sie sollten uns jetzt die Möglichkeitgeben, das zu korrigieren, und zwar durch eine vernünf-tige Vorbereitung der Verhandlungen, was Ihnen unterIhrer Federführung nicht gelungen ist.
Sie sollten den Wählerinnen und Wähler gegenüber soehrlich sein, zu sagen, wer die Verantwortung für dasheutige Abkommen trägt, und das sind Sie.
Herr Kollege Bockhahn, Sie haben über Bürger-rechte gesprochen. Ich registriere, dass das Ihre Erst-lingsrede war, und deshalb muss man nachsichtiger sein.Sie haben gehörige Vorwürfe erhoben. Man hört so eini-ges, wie Sie in Ihrer Partei miteinander umgehen undwer vielleicht wen überwacht. Ich will das nicht bewer-ten, aber wenn davon nur die Hälfte wahr ist, dann soll-ten Sie anderen keine Vorträge über Bürgerrechte halten;das an die Adresse der Linken.enfPzshdSBtdsiab–sscddgSJDsshussdnkkgzdBoArÄdsrisr
Herr Kollege Montag, Sie wissen, dass wir uns um die-es Thema kümmern werden. Wir werden natürlich ver-uchen, für alle Berufsgeheimnisträger den bestmögli-hen Schutz zu erreichen, der notwendig ist; denn beiiesen Berufsgruppen ist das Vertrauen des Kunden inas persönliche Verhältnis zu demjenigen, zu dem ereht, von grundlegender Bedeutung.Es gibt einen weiteren wichtigen Punkt: Das ist derchutz der Presse. Sie wissen, dass es in den letztenahren auch hier zu Fehlentwicklungen gekommen ist.as ist übrigens ebenfalls unter Ihrer Verantwortung ge-chehen. Ich bewundere Ihr Selbstbewusstsein – das ge-tehe ich Ihnen zu –; ich lasse Ihnen aber nicht durchge-en, dass Sie das alles hier unterschlagen. Wir werdenns darum kümmern, dass Journalisten ihren Auftrag,ich für die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, Be-cheid zu wissen, wahrnehmen können, beispielsweiseadurch, dass ihnen nicht mit Anzeigen wegen Geheim-isverrats gedroht werden kann. Es bedarf einer prakti-ablen Neuregelung, die gewährleistet, dass die Tätig-eit von Journalisten nicht gefährdet wird.Mein letzter Punkt ist das Thema Mietrecht. Ichlaube, es grenzt an Unterstellung, zu sagen, dass der so-iale Charakter des Wohnungsmietrechts verändert wer-en soll. Dieser Charakter bleibt erhalten. Er hat seineerechtigung. Es ist ein Unterschied, ob man ein Autoder eine Wohnung mietet.
ber Sie müssen auch sehen, dass es in den letzten Jah-en Fehlentwicklungen gegeben hat – Mietnomaden undhnliches –, die nicht nur zulasten der Vermieter, son-ern auch zulasten der Mieter gegangen sind: Sie müs-en im Ergebnis mitbezahlen; denn am Ende wird Wohn-aum vielleicht knapper, oder Vermieter müssen Ausfällen die Höhe der Miete einkalkulieren. Ich würde mirchon wünschen, dass Sie auch das Problem sehen, dassedliche Mieter über die Miete ein Stück weit für Miet-
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Florian Toncarnomaden und andere Probleme, die wir in diesem Be-reich haben, mitbezahlen.
Das werden wir angehen. Auch das dient den Bürgern.Die Koalition ist auf einem guten Weg.Vielen herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Peter Danckert für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-
gen! Frau Ministerin, lassen Sie mich zunächst ein per-
sönliches Wort sagen. Ich bin sehr froh, dass Sie wieder
in Amt und Würden sind. Es ist nicht so, dass ich mit Ih-
rer Vorgängerin, Frau Zypries, nicht zufrieden gewesen
wäre. Die Umstände, die Sie seinerzeit veranlasst haben,
aus dem Amt auszuscheiden, waren aber schon sehr be-
merkenswert und haben gezeigt, dass Sie einen hohen
moralischen Anspruch haben, auch an sich selber. Ich
hoffe, dass in dieser neuen Regierung dieser hohe An-
spruch erhalten bleibt und Sie nicht etwa über die Jahre
leidensfähiger geworden sind. Ich habe an Sie die Hoff-
nung und Erwartung, dass Sie immer Ihre Rolle als Hü-
terin unserer Verfassung im Auge haben und gegebe-
nenfalls wieder so handeln, wie Sie schon einmal
handeln mussten. Ich wiederhole: Das hat damals, jeden-
falls bei mir, großen Respekt hervorgerufen.
Die Thematik, die wir heute Morgen in der Ge-
schäftsordnungsdebatte behandelt haben, war eine
ganz besondere. Es gibt sicher den einen oder anderen,
der sagt: Wir hätten uns das alles sparen können; die
Mehrheitsverhältnisse waren klar. Ich glaube jedoch, wir
haben uns nicht durch diese Debatte geschadet, sondern
durch das, was dieser Debatte vorausgegangen ist.
Heute ist mehrfach gesagt worden, dass sich auch
schon die Grünen zur Halbierung des Mehrwertsteuer-
satzes bekannt haben. Es ist auf das verwiesen worden,
was die SPD 1998 gemacht hat. Das ist doch gar nicht
das Thema. Man kann darüber streiten, ob eine Reduzie-
rung der Mehrwertsteuer vom Grundsatz her im Sinne
der Harmonisierung in Europa sogar sinnvoll sein kann.
Ein Punkt ist jedenfalls anders als 1998: Die Haushalts-
lage hat sich grundlegend verändert. Die Frage, die uns
alle, auch die Öffentlichkeit, bewegt, ist deshalb: Ist das
eigentlich der richtige Zeitpunkt gewesen? Wir befinden
uns in einer Situation, in der allein die Nettokreditauf-
nahme des Bundes rund 86 Milliarden Euro beträgt, bei
einem Finanzierungssaldo von Bund, Ländern und Kom-
munen – auch das müssen wir im Auge haben – von
144 Milliarden Euro. Das ist ja eine extreme Ausnahme-
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Diese Situation hat dem Ansehen unseres Staatesnd auch von uns allen – da nehme ich keinen aus –chwer geschadet. Ich glaube, wir werden dieses Ge-penst so schnell nicht wieder los, zumal es ja im Zu-ammenhang mit vielen anderen Ereignissen steht. Ichrinnere mich sehr gut an den Untersuchungsausschuss,essen Mitglied ich kurz nach meiner Wahl ins Parla-ent 1998 wurde. Ich will all das hier nicht ausbreiten.a sind ja einige sehr peinliche Dinge offenbar gewor-en. Wenn wir heute schon mehr wüssten, als öffentlichekannt geworden ist, dann würden wir darüber viel-eicht noch anders reden. Ich persönlich wüsste zum Bei-piel sehr gerne, wer da mit wem über was geredet hat.as bekommen wir aber vielleicht bei anderer Gelegen-eit heraus. So viel dazu.Ich möchte jetzt nicht, Frau Ministerin, über jedeninzelnen Punkt reden, der zu Ihrem Ressort in der Ko-litionsvereinbarung steht, sondern eher über das, wasicht im Koalitionsvertrag steht.Wenn man einmal alle Regelungen zum Kapital-arkt zusammenzählt, dann stellt man fest, dass es zweiis drei Dutzend Bestimmungen mit Spezialverwei-ungen gibt, die über viele Gesetze verstreut sind, alsoin völlig unübersichtliches Gebiet. So hat sogar imannesmann-Prozess, jedenfalls nach dem erstenurchgang, das Gericht einen unvermeidbaren Verbots-rrtum konstatiert. Angesichts der Experten, die davon
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Dr. Peter Danckertbetroffen waren, kann man sich zwar fragen, wieso esfür sie unvermeidbar war. Aber das ist eine andere Sa-che. Wir müssen hier – das ist auch Ihre Aufgabe – fürKlarheit sorgen, damit nicht der Verdacht entsteht, dasseinzelne kleine Täter gnadenlos verfolgt werden, aber inanderen Bereichen der Staat aus unterschiedlichen Grün-den nicht einmal in der Lage ist, Ermittlungsverfahreneinzuleiten, zum Beispiel weil die Gesetzeslage sehrkompliziert ist oder weil die Beweislage im Einzelfallkompliziert ist. Wenn wir an dieser Stelle nicht zu einerstringenten Lösung kommen, dann haben wir versagt;dann kritisiert uns auch mit Recht die Öffentlichkeit.Meine herzliche Bitte an Sie: Versuchen Sie einmal inIhrem Hause die Regelungen zu durchforsten. Darauskönnten sich dann ja auch neue Hinweise ergeben. Wirhaben nicht mehr die gleiche Situation wie vor 50 oder100 Jahren; wir müssen mit unserem Strafgesetzbuchauch auf neue Sachverhalte reagieren können, selbstwenn sie völlig neue Herausforderungen auch für dieStaatsanwaltschaften und die Gerichte darstellen.Zum Schluss noch eine Sache, die mir persönlich sehram Herzen liegt. Im September dieses Jahres jährt sichzum 30. Mal das Attentat auf das Oktoberfest in Mün-chen. Ein einzelner Mann, der dabei zu Tode gekommenist, gilt als Alleintäter. Es gibt inzwischen reichlich neueInformationen. Ich empfehle Ihnen und auch unseremInnenminister, sich diese einmal genau anzusehen. In-zwischen gibt es zum Beispiel mehrere Veröffentlichun-gen, so ein Buch von Tobias von Heymann, mit dem sichauch die Generalbundesanwaltschaft beschäftigt. Hierfinden sich ernst zu nehmende Hinweise, dass es sichnicht um einen Einzeltäter handelte, sondern dass zu-mindest im Umfeld mehrere andere, die heute noch le-ben, daran mitgewirkt haben. Mord verjährt nicht. Es be-steht für uns gegenüber den Opfern die Verpflichtung,diese Sache wieder aufzugreifen. Ich habe kein Ver-ständnis dafür, dass bei einer Tat, die nicht verjährt,durch die Behörden Beweismittel vernichtet werden,nach dem Motto: Das braucht man nicht wieder aufzu-greifen. Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass dasLKA Bayern es damals geschafft hat, das BKA und dieGeneralbundesanwaltschaft aus dem Fall herauszuhal-ten. Das sind Fakten.Meine herzliche Bitte: Nehmen Sie dieses traurige Ju-biläum zum Anlass, noch einmal nachdrücklich daraufhinzuwirken – das würde vielleicht auch bedeuten, dassdie Generalbundesanwaltschaft zwei, drei oder vier neueMitarbeiter benötigt; das ist also auch ein haushaltsrecht-licher Hinweis –, dass dieses Geschehen mit den Mög-lichkeiten, die wir heute haben, aufgeklärt wird.Ein allerletzter Satz zu den Opfern. Sie haben ja aufden Fonds hingewiesen. Der Kollege Krings hat zuRecht von rechten und linken Straftaten gesprochen. Dabin ich Ihrer Meinung. Aber es ist einfach ein Skandal,dass ein elfjähriger Junge, der damals nur deshalb über-lebt hat, weil sein Bruder vor ihm stand, die meistenSplitter abgehalten hat und dadurch zu Tode gekommenist, der aber noch heute diverse Splitter im Körper hat,nur marginal und erst in den letzten Jahren – nach überziuigddmelnedsfGndghähDszBpbgvgKDDHlTb
as ist doch völlig abwegig; das wissen Sie ganz genau.Ich sage Ihnen: Ausgerechnet als Berliner SPD-Mannind Sie der Allerletzte, der in unsere Richtung solchesu adressieren hat. Schon vor 2001 war Ihre Partei inerlin in der Regierung und hat unter anderem die Teil-rivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vorangetrie-en. Das ist unter Ihrer Regierungsverantwortungeschehen. Die Berlinwasser Holding, die dann teilpri-atisiert war, hat 2001 im Wahlkampf nichts Besseresewusst, als ein Fundraising-Dinner zugunsten vonlaus Wowereit und der SPD auszurichten.
a hat sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt, Herranckert; das wissen Sie ganz genau. Deswegen sinderr Wowereit und Sie als Berliner SPD-Leute die Al-erletzten, die uns Freien Demokraten irgendetwas zumhema Parteispenden oder Ähnliches zu adressieren ha-en. Si tacuisses, philosophus mansisses.
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Herr Kollege Danckert, bitte.
Herr Kollege Lindner, Sie sind ja neu im Parlament.
Deshalb möchte ich Ihnen den Hinweis geben, dass ich
Brandenburger Sozialdemokrat bin
und den Wahlkreis seit 1998 viermal direkt gewonnen
habe. Das ist Ihnen vielleicht entgangen, weil ich früher
in Berlin Strafverteidiger war. Das ist allerdings richtig.
Da habe ich reichlich Erfahrung. Von den Dimensionen
her – wir haben es eben gehört: Spende in Höhe von
1,1 Millionen Euro – vermute ich, dass das Fundraising-
Dinner – ich kenne den Sachverhalt nicht genau – im
Bereich von 5 000 Euro liegt. Soweit ich mich erinnere,
ist das Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang
eingestellt worden. Was soll also dieser Hinweis?
Für die Bemerkung, dass ich bei Verstand bin, be-
danke ich mich bei Ihnen. Das ist aber bekannt.
Nun hat das Wort der Kollege Michael Grosse-
Brömer für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Ministerin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Rechtspolitik erfordert nureinen kleinen Haushalt; das ist wahr. Aber die Rechts-politik, so glaube ich, hat eine große Bedeutung. Dieswird auch dadurch deutlich, dass sich der KollegeDr. Danckert Mühe gegeben hat, nur ganz speziellePunkte der Rechtspolitik aufzuzeigen, nämlich Punkte,die mit Spenden zu tun haben. Am Anfang seiner Rede,als er die Ministerin gelobt hat, dachte ich noch, erwürde Altersweisheit zeigen.
Wenn wir in der Rechtspolitik anfangen, die Ge-schäftsordnungsdebatte von heute Morgen ansatzweiseaufzugreifen, dann ist das erstens der Sache nicht dien-lich, weil diese Debatte schon geführt wurde.
Zweitens sollten wir uns Mühe geben, die Forderung derOpposition, der Demokratie nicht zu schaden, zu erfül-len. In diesem Zusammenhang müssen wir einmal fest-stellen: Spenden sind in einer Demokratie per se nichtsSchlechtes. Sie sind dann schlecht für eine Demokratie,wenn mit ihnen gewisse politische Entscheidungen ge-kauft werden.IsiG–PkuTeZnifWbbgwcIIwseblSAcsUdiIh
ch kann Ihnen sagen: Den Nachweis, dass dies in die-em Falle zutrifft, haben Sie weder heute Morgen nochn Ihrer Rede erbracht.
Hören Sie also auf, Spenden zu skandalisieren!rundsätzlich zu unterstellen –
zu Ihnen komme ich gleich auch noch –,
olitik sei käuflich, macht die Sache schwierig. Manönnte nämlich einmal auflisten, von wem die Grünennd auch die SPD Spenden bekommen. Man kann dieseshema zwar problematisieren, aber wir sollten auch sohrlich sein, zu sagen: Es ist kein Skandal, solange einusammenhang zwischen Spende und Käuflichkeit nichtachgewiesen ist. Der Nachweis dieses Zusammenhangsst durch Ihre Debattenbeiträge, von heute Morgen ange-angen, nicht erbracht worden.
ir sollten also ein bisschen vorsichtiger sein. Wir ha-en da in der Tat eine Verantwortung.Zu den Linken will ich sagen: Sie haben in der Tat einesonderes Talent, nämlich das Talent, bestimmte Be-riffe in die Debatte einzuführen. Wir wetten immer,ann die Wörter Hartz IV, Ausbeutung oder Überwa-hung fallen. Man kann schon sagen, dass Sie aufgrundhrer innerparteilichen Erfahrungen und auch aufgrundhrer Erfahrungen in der SED mehr zum Thema Über-achung wissen als Mitglieder aller anderen Parteien.
Geben Sie sich doch einmal Mühe, ein rechtspoliti-ches Konzept zu entwickeln! Führen Sie nicht immerinen Dauerwahlkampf mit Plattitüden zur Armut wieeispielsweise „In Deutschland ist alles ganz fürchter-ich“ und „Die Leute verhungern hier auf der Straße“.chauen Sie sich einmal um! Es gibt zwar noch mancheufgabe zu erledigen. Aber es trifft auch zu, dass man-he Nachbarländer froh wären, wenn sie einen Sozial-taat wie den in Deutschland hätten, und das trotz allernzulänglichkeiten unseres Sozialstaates, über die maniskutieren kann. Auch das gehört zur Wahrheit.
Frau Kollegin Hönlinger, ich will Ihnen sagen, dassch diesen schwarz-gelben Zauber noch spüre.
ch sage dies, damit Sie nicht frustriert nach Hause ge-en. Immer wenn wir über Rechtspolitik diskutieren,
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Michael Grosse-Brömerdann gibt es diese zauberhafte Stimmung. Wir streitenuns nicht. Auch wenn Sie dieses Gefühl nicht kennen: Esist so.
– Juristen und insbesondere Rechtspolitiker sind viel zurealistisch, als dass sie tagsüber träumen würden. Es isteinfach dieser schwarz-gelbe Zauber, der uns glücklichmacht.
Wie lange dieser Zauber anhält, ist natürlich einespannende Frage. Jedenfalls haben wir zurzeit ange-sichts der Punkte, deren Abarbeitung wir uns vorgenom-men haben, noch Anlass genug, fröhlich zu sein. Wirhaben einen sehr ordentlichen Koalitionsvertrag ge-schlossen. Im Übrigen bekommen wir manchmal vonden Gerichten überraschend neue Aufgaben zugewiesen.Die meisten sind schon angesprochen worden. Ichkomme gleich noch kurz darauf zurück.Damit Ihre Forderungen nach mehr Sozialstaatlich-keit mehr als bisher erfüllt werden, wollen wir eine or-dentliche Wirtschaftspolitik machen. Auch mit Rechts-politik ist man in der Lage, den WirtschaftsstandortDeutschland zu stärken. Dann kann all das bezahlt wer-den, was Sie irgendwann fordern werden. Vielleicht lagfür den Sozialismus das Problem darin, dass er in dieserHinsicht nicht richtig funktioniert hat. Andernfalls wäredie DDR vielleicht nicht pleitegegangen.
– Aber Sie haben jetzt die Chance, mir zuzuhören. Malsehen, was dann bei Ihnen an Bedeutung gewinnt.Das Insolvenzrecht – es ist angesprochen worden –und der Schutz des geistigen Eigentums sind neben un-serer Gerichtsbarkeit eine gute Grundlage für einen star-ken Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir werden weiterdaran arbeiten. Gerade wirtschaftsrechtliche Themensind in einer christlich-liberalen Koalition bestens aufge-hoben.Das Mietrecht ist natürlich besonders geeignet, ir-gendwelche Ungerechtigkeiten zu schüren, vielleichtauch den Vermieter als Kapitalisten zu brandmarken.Wir sollten uns zwischendurch daran erinnern, dass dieMieter keinen Vorteil davon hätten, wenn es keine Ver-mieter gäbe. Das ist logisch zu ergründen.
Deswegen ist es vielleicht ganz sinnvoll, zu sagen: Wirmüssen auch im Mietrecht dahin kommen, dass wir ge-wisse Ungerechtigkeiten aufarbeiten. Ich weiß nicht,was an dem Umstand so schlecht ist, dass man sagt: DasMietnomadentum hat sich ausgebreitet. Das ist ein spe-zielles Problem, dessen Intensität zugenommen hat.
–ns–vbidiEdsscstsIkKrrKgsjsgIlC
Es gibt keine Zahlen? Ich habe zu Hause drei Beispieleon Leuten, die mich angeschrieben haben und ihre Pro-leme aufgelistet haben. Das geht über viele Seiten. Esst unerträglich, zu sehen, wie Leute darunter leiden,
ass manche Menschen, kriminell organisiert, Vermietern einem unerträglichen Maße bewusst belästigen, derenigentum zerstören, die Miete nicht zahlen und sichann glücklicherweise irgendwann, möglichst früher alspäter, vom Acker machen. Aber meistens kennen sieämtliche Regeln, auch die Verschleppung von Vollstre-kungsmaßnahmen, was dann dazu führt, dass es mas-ive Einschränkungen desjenigen gibt, der sein Eigen-um eigentlich nur anderen zur Nutzung zur Verfügungtellt.
ch verstehe nicht, was man daran zu meckern habenann, dass man dagegen vorgeht.Wir geben das Mietrecht natürlich nicht dem sozialenahlschlag anheim. Das ist völlig abwegig. Das Miet-echt muss sozial und ausgewogen bleiben. Etwas ande-es ist mit der CDU/CSU nicht zu machen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Montag?
Einen Satz wollte ich noch sagen. Dann natürlich
erne.
Jedenfalls muss niemand befürchten – dieses Horror-
zenario wird immer wieder an die Wand gemalt –, dass
emand, der 30 Jahre in seiner Wohnung und damit in
einem Kiez wohnt, innerhalb von sechs Wochen heraus-
eklagt wird. Das wird es nicht geben.
n diesem Zusammenhang werden natürlich immer völ-
ig übertriebene Dinge erwähnt. Dies findet mit der
DU/CSU nicht statt.
Jetzt der Kollege Montag.
Herr Kollege Montag, bitte.
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Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kol-
lege Grosse-Brömer, Sie sind jetzt der Dritte aus der
Reihe der Rednerinnen und Redner der Koalition, der
uns eine Änderung des sozialen Mietrechts ankündigt
und die Begründung dafür bei den Mietnomaden sucht.
Ich bestreite überhaupt nicht, dass es solche Fälle gibt.
Auch ich als Abgeordneter kenne persönlich solche
Fälle. Es wäre gut, wenn uns ein schlauer Gedanke dazu
einfiele, was man rechtsstaatlich dagegen unternehmen
könnte.
Nur will ich Sie einmal fragen – dies ist ein Punkt in
Ihrem Koalitionsvertrag –, ob Sie die Kündigungsfris-
ten, die im Augenblick und seit Jahrzehnten aus gutem
Grund für den Mieter günstiger sind als für den Vermie-
ter, verändern und gleichstellen wollen. Was hat diese
Änderung – dies ist eine faktische Schlechterstellung der
Rechtsposition aller Mieter, auch derjenigen, die keine
Mietnomaden sind – mit der Bekämpfung des Miet-
nomadentums zu tun? Hören Sie endlich auf, sich hinter
diesem Schreckensbild, das es gibt, zu verstecken, und
geben Sie uns bitte eine wahre und richtige Antwort da-
rauf, warum Sie die Rechte aller Mieter in Deutschland
verkürzen wollen!
Der erste Punkt ist, dass auch meine bisherige Stel-lungnahme natürlich nicht unwahr bzw. falsch gewesenist.Zweiter Punkt. Ich kann Ihnen weitere Argumentenennen. Das Mietnomadentum habe ich angesprochen,weil dann immer eine große Aufregung in den Reihender Linken herrscht. Ich kann Ihnen sagen, wie wir dieRechte der Mieter stärken. Wir wollen nämlich nicht,dass Mieter aufgrund einer Luxussanierung und damiteinhergehender exorbitant steigender Mieten aus ihrenRäumen sozusagen heraussaniert werden.
Aber wir werden uns doch darin einig sein, dass man beiVerträgen mit zwei Vertragspartnern darüber nachden-ken können muss – ohne dass schon entschieden wäre, inwelchem Maße das erfolgt –, inwieweit beide Vertrags-parteien die gleichen Ausgangspositionen bekommen.Das ist doch per se nichts Schlechtes. Deswegen ist esnatürlich auch eine politische Entscheidung.
– Natürlich hat das nichts mit Mietnomadentum zu tun.Nur zum besseren Verständnis: Nein, Kündigungsfris-ten haben nichts mit Mietnomadentum zu tun, Luxussa-nierungen auch nicht. Wir haben all diese Punkte im Ko-alitionsvertrag festgehalten, und noch erlaube ich mir,selbstständig darüber nachzudenken, welchen Punkt ichan dieser Stelle erwähne. Ich bin für jede Anregungdankbar, aber das, was ich sage, wird dadurch nichtfAsadcmzFzetbidkDwtgcmvdebnldSesdgdiAedtlwmvbsdbnsgb
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– Ich habe in der Tat eine Vorstellung von Parlamentaris-mus, die aber nicht so aussieht, dass man als jungerMensch in den Bundestag eintritt und mit der Pensionie-rung irgendwann mit 75 Jahren ausscheidet.
– Wenn Sie sich nun genug aufgeregt haben, würde ichmeine Ausführungen gerne fortsetzen.
– Sie können sich gerne noch weiter aufregen. Es wirdnicht sinnvoller, was Sie sagen. Es war auch nicht sinn-voll, was Sie vorhin gesagt haben.
Wenn Ihre Vertreter die Bürger so lange nicht mehr gese-hen haben, darf man sich nicht darüber wundern, dass sieeine Politik machen, die eigentlich aus der Mitte desletzten Jahrhunderts kommt.
Ich habe die Freude und das Vergnügen, ein berufli-ches Leben vor der Politik gehabt zu haben. Ich warbeim Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein be-schäftigt.
Dort durfte ich mich auch mit dem Justizhaushalt befas-sen. Wollen wir jetzt einmal über den Justizhaushalt spre-cvHrttDvsnbdsnppdhnrNhAwulvuRstaigskKtsSmkgSndSGndse
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1220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege
Stephan Mayer.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Rechtspolitik hat trotzdes relativ geringen Haushaltsvolumens nicht nur einesehr hohe Bedeutung; darauf haben bisher alle Rednerhingewiesen. Die Rechtspolitik kann oder soll auch„zauberhaft“ sein; darauf haben einige Redner hingewie-sen. Rechtspolitik muss meines Erachtens aber vor allemein Kriterium erfüllen: Politik sollte generell verlässlichund zurechenbar sein, und dies trifft insbesondere aufdie Rechtspolitik zu.Daher ist die Rechtspolitik in meinen Augen gut bera-ten, niemals in Aktionismus zu verfallen und insbeson-dere keine abrupten 180-Grad-Drehungen zu vollziehen.Ich möchte Ihnen eines versichern: Die christlich-libe-rale Koalition wird eine wohl durchdachte, kluge undvernünftige Rechtspolitik betreiben.
Eines ist aber auch klar: Rechtspolitik kann nicht imReinstraum betrieben werden. Sie muss nicht nur sensi-bel auf aktuelle Ereignisse reagieren – zum Beispiel aufdie schwerwiegendste Wirtschafts- und Finanzkrise derlmztbWvasRlGEnsKrawAlTMolOstMbargScDtdfdoDhcdilWdddSl
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Das Thema Warnschussarrest ist schon genannt worden.Ich glaube, es ist sinnvoll, einem 15- oder 16-jährigenJugendlichen, der auf die schiefe Bahn zu geraten droht,die – in Anführungsstrichen – Folterwerkzeuge des Staa-tes vor Augen zu führen, um ihn vielleicht noch geraderechtzeitig davon abzuhalten, auf die schiefe Bahn zugeraten.
Wir mussten leider Gottes die Entwicklung zurKenntnis nehmen, dass in manchen Situationen nichtmehr so respektvoll mit den Vertretern des Staates umge-gangen wird, wie dies in der Vergangenheit der Fall war.Es ist meines Erachtens schon erschreckend, dass dieZahl der tätlichen Übergriffe aus dem linksextremisti-schen Milieu auf Polizeibeamte allein zwischen 2007und 2008 um sage und schreibe 48 Prozent zugenommenhat. Es ist wichtig, klarzumachen, dass es keinen Unter-schied macht, ob man einen Nichtbeamten, einen Poli-zeibeamten, einen Rettungssanitäter, einen THW-Helferoder einen Feuerwehrmann tätlich angreift. Deswegenmuss es unser Bestreben sein, den Strafrahmen hinsicht-lich tätlicher Angriffe auf Polizeibeamte, Rettungssani-täter und andere, die Dienst am Nächsten leisten undMenschen in Not helfen, von zwei Jahren auf fünf Jahrezu erweitern.
Rechtspolitik ist natürlich auch immer Gesellschafts-politik. In diesem Zusammenhang spielt insbesonderedas Zivilrecht eine exponierte Rolle.Auf das Mietrecht ist schon eingegangen worden. Ichmöchte jetzt nicht mehr im Detail auf das Problem desMietnomadentums eingehen. Das gibt es; das ist keineFrage. Es gibt aber auch andere Aspekte, die meines Er-achtens bei dem zunächst durchaus wohl austarierten so-zialen Mietrecht zu beachten sind. Ich meine zum Bei-spiel energetische Sanierungsmaßnahmen. Es istunser aller Bestreben, mehr dafür zu tun, um Gebäudenicht nur im öffentlichen Bereich, sondern insbesondereauch im privaten Bereich besser energetisch auszustattenund energetisch zu sichern.
Es muss ein gemeinsamer Ansatz sein, einen Anreiz fürdie Eigentümer von Mietwohnungen zu schaffen, dieseenergetischen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.Bisher ist es leider Gottes so, dass der Vermieter keinenNutzen davon hat, sondern allein der Mieter. Deswegenist es richtig, dass hier Maßnahmen dafür getroffen wer-den – da gibt es ganz intelligente Ideen und Vorstellun-gen –, dass beide, Vermieter und Mieter, gleichermaßendavon profitieren, wenn energetische Sanierungsmaß-nahmen durchgeführt werden.Ich habe schon erwähnt, dass wir sensibel reflektierenmüssen, welche Auswirkungen die aktuelle Wirtschafts-udirbsSuzumjluktsmFFnewwdrTeSdWdMDewdS
Das Wort hat der Kollege Olaf Scholz für die SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Ministerin, am Ende einer Debatte lohnt es sichicht, alle Dinge, die angesprochen worden sind, nochinmal aufzuwärmen und noch etwas dazu zu sagen. Ichill deshalb nur ein paar Punkte herausgreifen, die mirichtig sind.Eines jedenfalls ist bisher nicht gut gelaufen, das istie Debatte über die vorgesehene Reform des Miet-echts. Aus all den Äußerungen der Koalition zu diesemhema – nicht nur denen von heute – hört man vor allemin furchtbar schlechtes Gewissen heraus.
ie reden nie über die Dinge, die Ihnen vorgehalten wer-en, sondern Sie weichen immer aus.
enn wir fragen, warum Sie das Kündigungsrecht fürie Mieter verschlechtern wollen, dann reden Sie überietnomaden. Gegen Mietnomaden haben alle etwas.agegen muss man auch etwas tun. Dazu muss einemtwas Kluges einfallen; das ist nicht so einfach. Aberarum sollen Millionen von Mieterinnen und Mietern iner Bundesrepublik Deutschland darunter leiden, dassie gegen die Mietnomaden vorgehen wollen?
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1222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Olaf ScholzDas ist nicht einsehbar, zumal die Vorschläge, die Sie inBezug auf die vielen Millionen übrigen Mieter haben,mit denen gar nichts zu tun haben.Sie haben auch noch nie wirklich begründet, warumSie eine Verschlechterung der Mieterrechte durchsetzenwollen. Sie haben immer wieder abstrakt geredet. ZumBeispiel mussten wir jetzt eben hören, gleiche Fristen fürVermieter und Mieter seien doch eine schöne Sache.
– Das ist eine Äußerung, die eben in dieser Debatte ge-fallen ist. – Darüber müsste man nachdenken. Ich sage:Darüber muss man gar nicht nachdenken, und wenn mandarüber nachdenkt, dann muss man zu dem Ergebniskommen, dass die Fristen so bleiben müssen, wie siesind.
Es ist für einen Mieter nicht zumutbar, sehr lange aneine Wohnung gebunden zu sein. Wenn man zum Bei-spiel den Wohnort wechseln muss oder es zu sonstigenVeränderungen kommt, wäre das für die meisten Men-schen wirtschaftlich nicht darstellbar. Darum ist unterBerücksichtigung der unterschiedlichen Schutzinteres-sen von Gesetzes wegen zu Recht eine unterschiedlicheKündigungsfrist für Mieter und Vermieter vorgesehen.Wenn Sie das ändern, dann nehmen Sie Millionen Men-schen ihre Rechte. Dafür gibt es keinen Grund. Dasschlechte Gewissen, mit dem Sie über andere Themenreden, zeigt: Es gibt ihn wirklich nicht.
Wir werden im Deutschen Bundestag viel über dasInternet diskutieren. Ich hoffe, dass das kluge, sachkun-dige Diskussionen werden, sowohl im Plenum als auchin der geplanten Enquete-Kommission. In manch einerDebatte hat man das Gefühl – an dieser Stelle will ichniemanden einschließen oder ausschließen; das gilt, wieich glaube, quer durch die Bank bzw. die Bänke –, dassder eine oder andere schon gehört hat, dass es so etwaswie ein Internet geben soll.
Das ist natürlich nicht das Niveau, auf dem wir unsereDebatten zu führen haben. Wir müssen uns bis zu denaktuellen Diskussionen vorarbeiten.Das bedeutet aus meiner Sicht, sich dazu zu beken-nen, dass man in diese Themen hineinwächst, dass manin der politischen Diskussion über diese Fragen auchFehler gemacht hat oder vielleicht noch machen wird.Auf jeden Fall muss eine lebendige, offene Diskussionüber die damit verbundenen Probleme stattfinden.Insofern finde ich es sehr problematisch, dass wir inder bisherigen Debatte nichts dazu gehört haben, dassdie Bundesregierung eine etwas verdruckste Haltung zudb–niitsnwerDAnsdGbs–esndoMküGlsnMdfgdLp
Ich komme gleich dazu. Sie hören meine Auffassungoch. Ich will sie Ihnen gerne sagen. Ich rede hier, damitch sie Ihnen klar sagen kann. – Ich jedenfalls finde, esst ein für die Verfassungsordnung unseres Landes uner-räglicher Zustand, dass in einer Koalitionsvereinbarungteht, man wolle ein Gesetz nicht anwenden.
Im Übrigen finde ich, dass es für die Verfassungsord-ung unseres Landes auch ein unerträglicher Zustand ist,enn vorgeschlagen wird, der Bundespräsident mögein Gesetz, für das man nicht mehr so große Begeiste-ung verspürt, nicht unterzeichnen.
as sind die beiden Haltungen, die diese Regierung zumusdruck bringt, und die sind nicht in Ordnung.Ich will ausdrücklich sagen: Wir glauben, dass esicht richtig war, dieses Gesetz hier im Bundestag zu be-chließen. Wir fordern deshalb seine Aufhebung. Voner sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird einesetzentwurf zur Aufhebung dieses Gesetzes einge-racht. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass esinnvoll wäre, die heutige Hängepartie fortzusetzen.
Das ist sehr konsequent – in der Tat – und ein bisschenhrlicher als das, was in der Koalition passiert: dass manich erstens nicht einigen kann, dass man das zweitensicht sagen will und dass man drittens den Bundespräsi-enten in eine Rolle drängt, die in unserer Verfassungs-rdnung nicht vorgesehen ist, nämlich eine politischeeinungsänderung der Koalition irgendwie herauszube-ommen und daraus einen Schluss zu ziehen.
Ich will darum bitten, dass wir uns in der Diskussionber das Internet und seine Konsequenzen für unsereesellschaft offen dazu bekennen, dass es auch Entwick-ungen gibt, die wir noch nicht abschätzen oder vorher-ehen können. Daher sollten wir keine großen Bekennt-isse abgeben.Weil sehr viel über die Sicherheit im Internet undissbrauchsmöglichkeiten diskutiert wird, will ich aus-rücklich das Urheberrecht erwähnen. Hier ist, wie ichinde, noch nicht alles zu Ende gedacht. Dass wir mit deruten und begründeten Tradition des Urheberrechts iner Bundesrepublik Deutschland – gerade in unseremand hat das Urheberrecht auch eine Tradition philoso-hischer Art – wirklich alle Fragen, die sich heute neu
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Olaf Scholzstellen, beantworten können, wage ich zu bezweifeln.Wir sollten uns zutrauen, eine neue Debatte über urhe-berrechtliche Fragen zu führen, die möglicherweise et-was mehr Nutzungsmöglichkeiten ohne Leistungsrechts-verletzungen zur Folge hat, als es heute der Fall ist.
Das wäre, jedenfalls aus meiner Sicht, eine vernünftigeDebatte, auf die man sich einlassen kann. Ich bitte da-rum, dass wir dies gemeinsam tun und uns nicht davordrücken.
Lassen Sie mich zum Schluss ein Thema ansprechen,das bisher nur selten erörtert worden ist – ich finde aber,dass das Parlament und die Regierung, das Parlamentbegleitend, hier vorankommen sollten –: die Frage derAbgeordnetenbestechung. Deutschland hat internatio-nale Verträge und internationale Vereinbarungen hierzu-lande nicht wirksam werden lassen, weil wir an dieserStelle bei der Gesetzgebung keinen Fortschritt zustandebekommen haben. Ich finde, es ist notwendig, dass wiruns einen Ruck geben, eine Gesetzgebung zur Abgeord-netenbestechung in der Bundesrepublik Deutschland aufden Weg bringen und das schlechte Gewissen bei diesemThema ablegen.
Es sind auch Vorschläge diskutiert worden, die funktio-niert hätten, für die es aber bisher keine Mehrheit gege-ben hat.
Vor dem Hintergrund dieser ungelösten Frage ist das,was wir gegenwärtig in Bezug auf Gesetzgebung und dieFinanzierung von Parteien aus Klientelinteressen mitbe-kommen, sehr problematisch. Natürlich hilft es nicht,darauf zu verweisen, dass es Spenden von Personen undUnternehmen an Parteien schon immer gab. Wenn es ei-nen Zusammenhang gibt zwischen einer Gesetzgebung,die niemand in diesem Lande versteht und die ganz of-fensichtlich Klientelismus ist, und hohen Parteispenden,muss das auffallen und dazu führen, dass man sagt: Wirbrauchen gesetzgeberischen Fortschritt bei der Ahndungder Bestechung von Abgeordneten, aber auch in derFrage der Parteienfinanzierung.Ich will zwei konkrete Punkte nennen. Erstens: Sollteman nicht über eine Höchstgrenze für die Spenden vonUnternehmen an Parteien diskutieren? Das halte ich füreine richtige Position; denn so wie bisher kann es nichtweitergehen.
nBtgwUulcinswAPhkPEdwHEdmsBgRddatdVt
Das Wort hat der Kollege Alexander Funk für die
nionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damennd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kol-ege Scholz, Sie haben die Internetsperre angespro-hen. Ich bin neu in diesem Haus; aber wenn ich richtignformiert bin, hat der Bundespräsident dieses Gesetzicht unterschrieben, weil er Bedenken gegen dieses Ge-etz hat, nicht etwa, weil die Bundesregierung irgend-elche Anweisungen gegeben hätte.
Sie haben die Parteispenden und die Bestechung vonbgeordneten angesprochen. Bis zu welcher Höhearteispenden Ihrer Meinung nach erlaubt sein sollen,aben Sie nicht gesagt. Wenn man über diese Fragen dis-utiert, sollte man über die wirtschaftliche Tätigkeit vonarteien insgesamt einmal nachdenken.
Wir diskutieren heute in erster Lesung über deninzelplan 07. Mir ist bewusst, dass der Etat des Bun-esministeriums der Justiz wegen seines Volumens voneniger als 500 Millionen Euro im Schatten andereraushalte steht. Außerdem rührt er kaum an Emotionen:s geht hier weder um Hartz IV noch um die Mittel füren Afghanistan-Einsatz.Dennoch handelt es sich beim Einzelplan 07 nacheiner Überzeugung um einen der wichtigsten. Wir sindtolz darauf, in einem Rechtsstaat zu leben. In der altenundesrepublik tun wir das seit 60 Jahren; im Beitritts-ebiet ist mit der Wiedervereinigung vor 20 Jahrenecht an die Stelle von Unrecht getreten.
Eine Gesellschaft wird ganz wesentlich geprägt voner Rechtssicherheit für den Einzelnen, vom Rechtsfrie-en. Dass beides in unserem Land gegeben ist, ist zu-llererst auf die Arbeit des Bundesministeriums der Jus-iz und – diese Ergänzung füge ich ein – auf die Arbeites Bundesverfassungsgerichtes zurückzuführen. Dasolumen des Haushalts des Bundesministeriums der Jus-iz steht in keinem Verhältnis zu seiner Wichtigkeit.
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1224 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Alexander FunkNoch etwas ist im Zusammenhang mit diesem Etathervorzuheben: Das Bundesministerium der Justiz finan-ziert sich, zumindest fiktiv, weitgehend selbst. Ausgabenvon 495 Millionen Euro stehen Einnahmen von409 Millionen Euro gegenüber, die zu einem großen Teilaus den Erlösen von Gebühren, die das Deutsche Patent-und Markenamt erhebt, stammen. Trotz dieses bemer-kenswerten Kosten-Nutzen-Verhältnisses werden dieAusgaben des Bundesministeriums der Justiz mit demHaushalt 2010 um 1,1 Prozent sinken, die Einnahmendagegen um 6,3 Prozent steigen. Den Fachleuten desMinisteriums gebührt unser aller Dank für die Vorlageeines solchen Haushaltsentwurfes.Bekanntermaßen verlässt kein Gesetz den Bundestagso, wie es dem Hohen Haus als Entwurf vorgelegtwurde. Ich nehme an, das wird auch für diesen Etat-entwurf gelten, zumal die Berichterstattergespräche nochanstehen. Veränderungen – das will ich bereitsanmerken – kann es ohnehin nur in Marginalien geben;denn beim Einzelplan 07 handelt es sich um einen klassi-schen Verwaltungshaushalt, bei dem 78 Prozent der Aus-gaben von vornherein festgelegt sind. Der Spielraum inden anstehenden Beratungen ist also nur minimal.Wichtiger als die Zahlen erscheinen mir allerdingsneue inhaltliche Signale. Im Etatentwurf für das Bundes-ministerium der Justiz finden sich wichtige Akzente, dieso unter der Vorgängerregierung nur schwerlich möglichgewesen wären. Ich greife die vorgesehene Ausweitungdes Ausgabenpostens für Opfer von Gewalt heraus,nicht zuletzt deshalb, weil es hier in der Öffentlichkeitschon heftige Diskussionen gegeben hat. Wir wollen denTitelansatz für das laufende Jahr mehr als verdreifachen.Vor allem werden wir Opfer nicht mehr kategorisie-ren. Bisher wurden aus diesem Posten ausschließlichOpfer rechtsextremer Gewalt unterstützt; wir erweiterndas Spektrum auf Opfer jeglicher extremistischen Ge-walt, egal ob von rechts oder von links.
Um es klar zu sagen: So verabscheuungswürdig rechts-extreme Gewalttaten sind, sind es die von Linksextre-men begangenen in gleicher Weise. Ich sehe mich jeden-falls außerstande, dem Opfer von Linksextremen zuerklären, dass es schlicht Pech gehabt habe, von den Fal-schen angegriffen worden zu sein, und der Staat ihmnicht beispringe. Um allen Vorwürfen vorzubeugen: Esgeht mir nicht darum, die Gefahren durch den Rechts-extremismus herunterzuspielen. Wir müssen aber davonabkommen, Gefahren für unseren Rechtsstaat nur aufder einen Seite zu sehen.Im Übrigen – auch diese Anmerkung ist wichtig –sollen sich die Opfer nicht einen gleichbleibend großenKuchen teilen, sondern wir haben, wie erwähnt, die Mit-tel verdreifacht.Opferentschädigung setzt zwangsläufig Opfer voraus.Wir müssen daher vereint Anstrengungen unternehmen,Opfer zu verhindern. Dies ist eine Aufgabe, die der Staatnicht allein bewältigen kann; es ist eine gesamtgesell-schaftliche Aufgabe, die bei der Erziehung der Kinder indgwKssFhszNufpbnndkgKsiELgGhswwdDdtt1sdsKwBmhBtn
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Auch sonst ist die Debatte sehr interessant. Sie zeigtübrigens, dass nicht alles so furchtbar neu ist, was wirhier diskutieren. Lassen Sie mich zwei Zitate vortragen,die das deutlich machen. Sie zeigen übrigens auch, wiebreit damals der Zuständigkeitsbereich des Innenminis-teriums war. Der Abgeordnete Maier von der SPD gabdem Innenminister folgenden Rat:Um eine stärkere Autonomie der kommunalenSelbstverwaltung zu erreichen, geben wir demHerrn Bundesminister des Innern zu erwägen an-heim, den Ländern beim Finanzausgleich zwischenBund und Ländern in Form von Auflagen die Ab-führung gewisser Mindestprozentsätze an die Ge-meinden zur Pflicht zu machen.Interessante Anregung. Herr Ehlers sagte – jetzt wird esnoch interessanter –:Der Bund hat dafür zu sorgen, dass wir nicht nurvon einer Bundesrepublik Deutschland reden, dasswir nicht nur von einer Freizügigkeit reden und da-bei durch die Gestaltung unseres öffentlichenSchulwesens aus den verschiedensten politischen,weltanschaulichen, kulturellen und schulpolitischenVorstellungen heraus eine Zersplitterung schaffen,die es langsam unmöglich macht, dass ein Beamter––SnfIrnßsJfE1nbrdwsDZDdvösOkn
Hier liegen die Aufgaben, die der Bund wahrzuneh-men hat, und ich meine, dass das Bundesinnen-ministerium es war damals zuständig –eine gute Aufgabe hat, wenn es klärend und anre-gend in diese Dinge eingreift und dafür sorgt, dasswir hier wirklich zu einer Einheit in der Freiheitkommen.
Ich gebe das Zitat an Annette Schavan weiter.
Herr Wieland, ich habe auf den Zwischenruf gewartet.tatt der Übernahme von Zuständigkeiten soll das Mi-isterium klärend und anregend in diese Dinge eingrei-en. Das finde ich schön.
nsofern ist das alles nicht neu, was wir heute diskutie-en.Heute verlangt die Erfüllung der Aufgaben eines In-enministers mehr Mittel. Heute hat der Etat eine Grö-enordnung von 5,6 Milliarden Euro. Die Hälfte davonind Personalkosten.Im Unterschied zu der Entwicklung der vergangenenahre ist auch das Gesamtvolumen meines Etats rückläu-ig. Das liegt überwiegend an Einmaleffekten durch dieuropa- und Bundestagswahl mit einem Volumen von00 Millionen Euro. Aber es veranlasst mich doch zu ei-er Grundsatzbemerkung. Allzu gerne wird die schein-ar zwingende Gleichung aufgemacht, dass nur Steige-ungsraten in den Einzelplänen etwas über die Qualitätes jeweiligen Politikfeldes aussagen. Ich denke, daserden wir in den nächsten Jahren überdenken müssen.
Steigerungsraten für sich betrachtet sind keine Aus-age über die Qualität der Politik. Es gibt keine innereynamik staatlichen Handelns, die auf immer weitereuwächse programmiert wäre. Das können wir aus denebatten von vor 50 oder 60 Jahren lernen, und das wer-en wir auch in den nächsten Jahren erleben.Lassen Sie mich eine kurze Bemerkung zu den Tarif-erhandlungen im öffentlichen Dienst machen. Derffentliche Dienst ist Garant für die Qualität unserestaatlichen Handelns, und das muss er auch bleiben.hne gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt eseine leistungsfähige solidarische Gesellschaft. Das isticht zum Nulltarif zu haben.
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Bundesminister Dr. Thomas de MaizièreUns allen muss aber angesichts der leeren Kassenauch klar sein, dass es nichts zu verteilen gibt. Die Ver-handlungen werden schwierig. Ein Kompromiss istmöglich, aber schwierig. Ich würde mich freuen, wennin den nächsten Tagen viele Wortmeldungen und soge-nannte gute Ratschläge von außen an die Tarifpartnerunterbleiben könnten. Das macht es am Verhandlungs-tisch nicht leichter.Zurück zu unserem Haushalt. Die erste Aufgabe einesdemokratischen Staates ist, Sicherheit in Freiheit zu ge-währleisten. Das spiegelt auch unser Haushalt wider.Mehr als zwei Drittel der vorgesehenen Ausgaben ent-fallen auf diesen Bereich. Darüber können wir heutenicht umfassend diskutieren. Aber ich will noch ein Wortzu dem sagen, worüber vorhin diskutiert wurde. Auchnach dem Anschlagsversuch von Detroit rate ich zu Ge-lassenheit und Sachlichkeit. Wir müssen klug auf dieHerausforderungen reagieren, die uns in diesem Bereichbegegnen. Einen Nacktscanner wird es mit mir nicht ge-ben.
Körperscanner der zweiten Generation kann es dage-gen sehr wohl geben,
wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen:Erstens. Sie müssen leistungsfähig sein. Sie müssendas, was man sehen will, auch erkennen.Zweitens. Sie dürfen in keiner Weise gesundheitsge-fährdend sein. Deswegen wird es mit mir auch keinenEinsatz von Röntgenstrahlen – in welcher Form auch im-mer – geben.Drittens. Sie müssen die Intimsphäre und die Persön-lichkeitsrechte umfassend wahren.
Wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind und dieGeräte einsatzfähig sind, dann können wir darüber re-den. Ich denke, das wird Mitte 2010 der Fall sein. Dannwerde ich mich für den Einsatz solcher Körperscannereinsetzen.
Wir sollten aber Mensch und Maschine nicht gegenei-nander ausspielen. Natürlich brauchen wir auch tüchtigeMitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl bei der Bun-despolizei als auch bei den Unternehmen der Flughafen-gesellschaften. Ich sage unumwunden: Hier ist sicherlichnoch das eine oder andere zu tun und zu verbessern. Dasschauen wir uns genau an. Ich möchte nicht, dass wiraufgrund der notwendigen Terrorabwehr andere Sorgenbei der öffentlichen Sicherheit vernachlässigen. Dazugehört der Kampf gegen die organisierte Kriminalität,Drogen, Extremismus und Gewalt rund um Fußballsta-dien, um nur einige Beispiele zu nennen.drnndaSKasElbMsssvdrsdgdFdwuPtwdw–wiBOPDuBg
Ich habe bereits gesagt, was ich im Fußball am liebstenäre, Herr Wiefelspütz. – Unseren Athleten wünsche ichn Vancouver viel Erfolg. Ich möchte meinen dortigenesuch auch nutzen, um für unsere Bewerbung für dielympischen Spiele 2018 in München und Garmisch-artenkirchen zu werben.
ies ist nicht nur für die Bundesregierung, sondern fürns alle – vielleicht bekommen wir deswegen noch eineneifall des gesamten Hauses hin – ein nationales Anlie-en.
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Ein Schwerpunkt nicht nur der Innenpolitik wird in
den kommenden Jahren die Informationsgesellschaft
sein; wir haben darüber eben schon beim Etat des Ver-
braucherschutzministeriums diskutiert. Nach meiner
Auffassung brauchen wir eine systematischere Antwort
als bisher auf die Frage, wie auch im virtuellen Raum
Freiheit, Sicherheit und Vertrauen gewährleistet werden
können. So, wie dem Internet mittlerweile eine gesamt-
gesellschaftliche Bedeutung zukommt, so ist es auch
eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Ordnungs-
rahmen für das Internet fortzuentwickeln.
Dazu habe ich einen netzpolitischen Dialog mit Ver-
tretern von Staat, Wissenschaft, Netzgemeinde und Zi-
vilgesellschaft gestartet. Gestern gab es die erste Runde
– vielleicht haben Sie etwas davon gehört –, die gezeigt
hat, dass die Gräben zwischen Staat und Teilen der Netz-
gemeinde unübersehbar, aber nicht unüberbrückbar sind.
Ich werde diesen Dialog fortsetzen und freue mich auf
eine gute Zusammenarbeit mit der Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestages, die vermutlich eingesetzt
werden wird. Allerdings möchte ich, wenn es notwendig
ist, etwas zu tun, nicht zwingend abwarten, bis die
Enquete-Kommission am Ende der Legislaturperiode
Ergebnisse vorlegt. Wenn wir uns einig sind, möchte ich
manches schon vorher in Angriff nehmen.
Nicht nur der Datenschutz im Internet ist ein Thema,
sondern Sie wissen, dass wir uns auch vorgenommen ha-
ben, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz als Teil des Da-
tenschutzgesetzes vorzulegen. Ich hoffe, ich kann meine
Zusage einhalten, Ende Februar den ersten Referenten-
entwurf zu präsentieren.
Als die Abgeordneten vor 60 Jahren über den Haus-
halt berieten, war die Debatte auch von der Erfahrung
der Teilung Deutschlands geprägt. Niemand konnte da-
mals wissen, wie lange diese Teilung dauert. In diesem
Jahr dürfen wir uns gemeinsam über den 20. Jahrestag
der Wiedervereinigung freuen und können das auch mit
Stolz auf das Erreichte tun. In den letzten 20 Jahren lag
der Schwerpunkt der Bemühungen auf dem Aufbau ei-
ner modernen und leistungsfähigen Infrastruktur. Viel
wurde diesbezüglich geleistet, und manches ist noch zu
tun.
Heute stehen wir, bedingt durch den globalen Wettbe-
werb, vor neuen Herausforderungen wie der Stärkung
der Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen,
der Verbesserung der Qualifikation der Arbeitnehmer
oder den Veränderungen, die sich aus dem demografi-
schen Wandel ergeben. Überhaupt wird mein Haus
federführend gemeinsam mit den anderen Häusern eine
Strategie zum Umgang mit der Demografie vorlegen.
Dabei können wir viel von den Erfahrungen und Ant-
worten in den ostdeutschen Ländern lernen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum
Schluss noch eine persönliche Bemerkung, die hoffent-
lich unser aller Zustimmung findet. Zu dem Zuständig-
keitsbereich des Innenministeriums gehören auch der
Bevölkerungsschutz und das Katastrophenmanagement.
Das Technische Hilfswerk wird vom BMI mit Mitteln in
Höhe von 178 Millionen Euro finanziert. Unser Mitge-
fühl und unsere tatkräftige Hilfe gelten in diesen Tagen
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ie Regelung ist damals Gesetz geworden, weil nur soie Zustimmung zum Staatsangehörigkeitsrecht zu er-alten war. Das weiß jeder. Jeder wusste, dass das keineute Lösung ist und dass man die Regelung zu gegebe-er Zeit ändern muss. Jetzt ist diese Zeit gekommen, undeshalb muss diese Legislaturperiode die Periode sein,n der wir die Optionspflicht abschaffen und dafür sor-en, dass endlich alle ihre Staatsangehörigkeit behaltenönnen.
Wenn wir über Integration sprechen, dann darf dasein hohles Wort sein, das man wie eine Monstranz vorich herträgt und denjenigen, die zu integrieren sind,orhält. Wenn Integration immer nur ein Vorwurf ist undicht etwas, was man tatsächlich ermöglicht, dann ist das
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Olaf Scholzzu wenig. Deshalb müssen wir auch etwas für diejenigentun und denen helfen, die einen besonders schweren Zu-gang zu unserer Gesellschaft haben. Es geht zum Bei-spiel um diejenigen, die lange in Kettenduldung hier inDeutschland leben. Es hat für diese Menschen noch ein-mal eine Übergangsregelung der Innenministerkonfe-renz gegeben. Manche der Beteiligten haben hinterhererklärt, das sei das letzte Mal, wohl wissend, dass es kei-nesfalls das letzte Mal war, wenn es immer bei diesenverkrampften Lösungen bleibt. Es ist doch wichtiger,dass wir eine gesetzgeberische Botschaft aussenden,dass wir sagen, wie die Integration funktionieren kann,an welche Voraussetzungen wir sie knüpfen und wie wires ermöglichen, dass jemand, der einen großen Integra-tionswillen besitzt, tatsächlich eine Chance auf einen ge-sicherten Aufenthalt in Deutschland bekommt. Deshalbsollten Sie einmal jenseits aller parteipolitischen Zuord-nungen und vorschnellen Urteile sehr sorgfältig den Ge-setzentwurf prüfen, den wir in den Deutschen Bundestageingebracht haben und mit Ihnen diskutieren wollen.
Es geht darum, dafür zu sorgen, dass es eine dauerhafteRegelung gibt. Wir haben im Gesetzentwurf einen Vor-schlag untergebracht, von dem ich gehört habe, dass dereine oder andere, der nicht der SPD oder den Opposi-tionsparteien angehört, ihn gut fand. Wir sollten sagen,dass diejenigen, die zum Beispiel durch einen Schulab-schluss in Deutschland ihren Integrationswillen überausdeutlich gemacht haben, daraus einen Anspruch auf ei-nen gesicherten Aufenthalt ableiten können. Ich glaube,das wäre das beste Integrationssignal, das wir inDeutschland aussenden können.
Da es um Integration und Integrationskurse geht,gestatten Sie mir diesen einen Hinweis: Besuchen Sieeinmal die Integrationskurse, und zwar zum Ende derLaufzeit. Gehen Sie hin, wenn die Teilnehmer mit demKurs fast fertig sind und unterhalten Sie sich strikt aufDeutsch mit den Teilnehmenden. Wenn Sie das getan ha-ben, dann kommen Sie wieder hierher zurück und wis-sen, dass die Kurse noch nicht ausreichen; denn das Ni-veau, das dort am Ende von Menschen erreicht werdenkann, die aus ganz anderen Kulturkreisen kommen, istnoch nicht ausreichend für das, was wir hier politischwollen. Es darf nie passieren, dass wir über Integrationreden und dann Dinge tun, die im Ergebnis nicht zu Inte-gration führen. Wir müssen mehr fördern. Für denSpracherwerb, der nötig ist, brauchen wir mehr Stunden,als wir heute ansetzen. Es muss im Ergebnis wirklichhinhauen.
Wenn wir über Innenpolitik reden, dann geht es auchum innere Sicherheit und um die Frage, was wir für dasFunktionieren der inneren Sicherheit tun. Gerade diejüngsten Vorfälle haben uns gezeigt, dass niemand denEindruck erwecken darf, alles sei in Ordnung. Der Terro-rismus zum Beispiel, der internationale Terrorismus alle-mal, ist keineswegs eine Sache, über die man nicht mehrrgSdAdabDsEdPDbpsdmsvnsndftKshbdMcemÄasdgssf
eshalb ist es auch so wichtig, dass wir immer sehr kon-equent sind. Man kann nicht einmal eben 1 Milliardeuro für Hoteliers ausgeben und im Zusammenhang miter inneren Sicherheit sagen, man könne nicht genügendolizisten zur Verfügung stellen.
as gefährdet jede Akzeptanz.Ich will ausdrücklich sagen: Es ist ein großes Pro-lem, dass die Stellen, die zum Beispiel bei der Bundes-olizei zur Verfügung stehen sollten, keinesfalls alle be-etzt sind – etwa 1 000 Stellen sind unbesetzt – und sichiese Entwicklung weiter zu verschärfen droht. Wirüssen dafür Sorge tragen, dass genug Polizisten daind. Es darf niemals passieren, dass wir über Gesetzes-erschärfungen diskutieren und gleichzeitig immer we-iger Polizisten haben. Das ist der falsche Weg.
Ich bin ein wenig irritiert, wenn zwar nicht hier in die-em Hause, aber unter den Landesministern und den Se-atoren – ich denke an meine Heimatstadt Hamburg –iejenigen lauthals über Gesetze reden, die besonders er-olglos bei der Aufklärung von Straftaten gegen Polizis-en sind. Ich jedenfalls habe mit großem Entsetzen zurenntnis genommen, dass in meiner direkten Nachbar-chaft ein Anschlag auf eine Polizeiwache stattgefundenat, der wie viele andere politische Straftaten in Ham-urg seit Jahren unaufgeklärt ist. Gleichzeitig wird lautarüber geredet, was man gesetzgeberisch tun muss.an muss dafür sorgen, dass die Polizei ihre Arbeit ma-hen kann. Das ist die wichtigste Aufgabe. Sie hat auchtwas mit Stellen zu tun.
Aus meiner Sicht gilt das im Übrigen auch im Zusam-enhang mit dem Einsatz von Scannern. Ich fand dieußerungen des Ministers sehr wohltuend; das will ichusdrücklich sagen. Aber muss es wirklich immer soein, dass sich im Dezember die üblichen Verdächtigen,ie gerne für Interviews und Fernsehauftritte zur Verfü-ung stehen, zu Wort melden und sagen: Da musschnellstmöglich, am besten morgen früh, der Nackt-canner her? Informiert man sich über diese Technik, er-ährt man, dass wohl erst 2011, wenn die zweite oder
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Olaf Scholzdritte Generation dieser Geräte existiert, ein solcherScanner eingesetzt werden kann. Ich glaube, man hat indieser Frage den falschen Weg eingeschlagen. Damit er-zeugt man kein Sicherheitsbewusstsein in der Bevölke-rung, sondern nur berechtigte Irritation.
Kollege Scholz, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ja. – Hierbei wird über die Durchführung von Kon-
trollen entschieden. Wenn es zum Einsatz solcher Geräte
käme, müssten wir darüber auch hier in diesem Parla-
ment diskutieren. Dazu sollten wir uns alle verpflichten.
Wir sollten wenigstens einen Beschluss fassen, jenseits
der Frage, ob es eine gesetzgeberische Notwendigkeit
dazu gibt. Eines wünsche ich mir: Wenn es so ist, dass
man eine solche Technik einsetzen möchte, dann müssen
alle, die dafür stimmen, egal welcher Fraktion und Partei
sie angehören, bereit sein, einmal durch einen solchen
Scanner zu gehen und das, was dabei herauskommt, ein
Foto, ins Internet zu stellen und damit öffentlich zu ma-
chen.
Das Wort hat der Kollege Florian Toncar für die FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf denletzten Vorschlag will ich gar nicht eingehen. Vielmehrwill ich auf die Grundlinien in der Innenpolitik zu spre-chen kommen. Die Koalition tut alles, damit die Bürge-rinnen und Bürger in Deutschland Freiheit in Sicher-heit genießen können. Natürlich ist Sicherheit auch eineAufgabe eines modernen Rechtsstaats. Sie ist Vorausset-zung dafür, dass Menschen ihre Freiheit entfalten kön-nen. Für uns Liberale ist auch wichtig, zu betonen, dassdas Streben des Staates, Sicherheit zu schaffen, eine die-nende Funktion hat: Es dient der Verwirklichung vonFreiheit. Es ist kein Wert, der vorne steht; dieser Werthat vielmehr eine dienende Funktion für die Verteidi-gung unserer freiheitlichen Ordnung.Die Koalition hat sich darauf verständigt, nicht immerneue und immer weitreichendere Überwachungsbefug-nisse in unterschiedliche Gesetze einzuarbeiten, wie esim letzten Jahrzehnt in Deutschland der Fall gewesen ist.Viele dieser Befugnisse wurden übrigens heimlich undanlasslos erlassen. Das ist eine Fehlentwicklung, die wirimmer kritisiert haben. Sie werden nichts davon im Ko-alitionsvertrag finden. Wir haben uns zunächst einmaldhnmslnDgsTniutzsgiswgghVdrVwiMlvd–zSsEEzü–Vtm
er Täter von Detroit war seit langem als gefährlich ein-estuft und bei unterschiedlichsten Behörden unter-chiedlichster Länder bekannt. Man muss festhalten:rotz umfangreichster Überwachung fast aller betroffe-er Bürger, zumindest wenn sie in ein Flugzeug steigen,n unterschiedlichsten Ländern auf der Welt – obwohlnzählige Daten gesammelt, verarbeitet und auch wei-ergegeben worden sind – konnte dieser Täter ein Flug-eug besteigen, ohne Gepäck, mit einem Ticket, das erelbst in bar bezahlt hat, und ohne Rückflugticket. Ichlaube, das zeigt, dass es eben keine Frage der Quantitätst – Daten sind in großer Zahl gesammelt worden –,ondern der Qualität von Ermittlungsarbeit. Genau daranollen wir arbeiten, auch im Zuge der Haushaltsberatun-en.
Der vorgelegte Entwurf des Ministeriums bietet eineute Grundlage, unsere Sicherheitsbehörden zukunftsfä-ig aufzustellen. Es ist ein klassischer Personal- underwaltungshaushalt.Wir werden angesichts der Haushaltslage natürlicharauf achten, dass wir effektive und effiziente Struktu-en haben und dass die Mittel, die in diesem Bereich zurerfügung stehen, einen größtmöglichen Sicherheitsge-inn bringen. Herr Kollege Scholz, ich fand es übrigensnteressant, dass Sie in Ihrer Rede nun die Sache mit derehrwertsteuer in einen Zusammenhang mit Polizeistel-en gerückt haben. Den Kollegen Schneider hatte ichorhin so verstanden, dass er diese 500 Millionen Euro,ie das im Übrigen für den Bundeshaushalt ausmacht das ist ja kein großer Betrag –,
ur Reduzierung der Neuverschuldung verwenden wolle.ie wollen sie jetzt für mehr Polizisten ausgeben. Davorollte es für Bildung ausgegeben werden. Ich habe denindruck, dass die SPD-Fraktion diese 500 Millionenuro am Ende dieser Haushaltswoche ungefähr acht- bisehnmal ausgegeben haben wird. Sie sollten sich internber solche Fragen vielleicht auch einmal abstimmen.
Sie sollten solche Dinge einfach intern abstimmen.on Mitgliedern Ihrer Fraktion sind heute Dinge vorge-ragen worden, die nicht zueinander passen. Darauf wirdan doch einmal hinweisen dürfen.
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Florian ToncarWir als FDP-Fraktion werden im Zuge der Haushalts-beratungen darauf achten, dass bei der Strukturierungder Sicherheitsbehörden das Trennungsgebot zwischenPolizei und Nachrichtendiensten eingehalten wird. Auchin Haushaltstiteln darf es nicht zur Vermischung von po-lizeilichen und nachrichtendienstlichen Aufgaben kom-men.Wir werden uns um neue Aufgaben wie die bessereAusstattung und Koordinierung internationaler Polizei-ausbildungsmissionen und -mandate zu kümmern haben.Auch da ist viel zu tun.Die Koalition wird es auch schaffen, das DauerthemaDigitalfunk, auf den Polizei und Rettungsdienste nunwirklich schon lange warten, endlich einer Lösung zuzu-führen. Es ist ein Trauerspiel, dass das so lange dauert.Wenn wir über den Haushalt sprechen, ist es auchwichtig, darauf zu achten, dass wir evaluieren, ob durchdie Dienste und Dienstleistungen, die das Bundesver-waltungsamt erbringt – es handelt sich ja um eine sinn-volle Serviceeinrichtung, in der gleiche Aufgaben unter-schiedlicher Behörden gebündelt werden –, bei anderenBehörden Aufgaben wegfallen und sich das in derenEtats niederschlägt. Es kann nicht sein, dass wir eine sol-che Serviceeinrichtung zur Effizienzsteigerung schaffen,zugleich aber in keiner anderen Behörde an irgendeinerStelle Kosten gespart werden. Ich glaube, dass das ent-weder im Zuge dieser oder im Zuge der nächsten Haus-haltsberatungen ein wichtiger Punkt sein wird.Die Koalition hat neben der organisatorischen Auf-stellung der Sicherheitsbehörden natürlich auch ver-schiedene Vereinbarungen hinsichtlich der Sicherheits-gesetzgebung getroffen. Ich kann festhalten, dass esentscheidende Verbesserungen vor allem beim Kernbe-reichsschutz geben wird. Dieser wird in verschiedenenGesetzen besser ausgestaltet werden. Hierbei geht es umdie Privat- und oft sogar um die Intimsphäre der Bürger.Deren Schutz werden wir verbessern. Natürlich werdenwir auch dafür sorgen, dass im BKA-Gesetz verankertwird, dass heimliche Ermittlungsmaßnahmen im präven-tiven Bereich künftig von einem erfahrenen Bundes-richter angeordnet werden müssen. Die Praktiker, diesich mit solchen Anträgen auf Maßnahmen und Anord-nungen beschäftigen, können wirklich bestätigen, dasses einen Unterschied macht, wessen Unterschrift dafürnötig ist, die eines Amtsrichters oder die eines Bundes-richters am Bundesgerichtshof. Das macht auch ausSicht der Wahrung der Grundrechte der Betroffenen ei-nen Unterschied.
Wir werden dafür sorgen, dass die genannten Dinge indie Gesetze aufgenommen werden. Wir setzen denSchwerpunkt auf den Vollzug von Gesetzen im Sinne ei-ner optimalen Sicherheit und damit auch der Sicherungder Freiheit bei uns im Lande.Vielen herzlichen Dank.
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Meine Damen und Herren, wir diskutieren im Einzel-lan 06 dieses Jahr auch erstmals über die Ostdeutsch-and-Politik der Bundesregierung. Viele haben kriti-iert, dass der Osten auf diese Weise nicht mehr dieolle spielen würde, wie er sie die letzten 20 Jahre ge-pielt hat. Ich kann verstehen, dass man das so sieht. Ichabe mir aber einmal Mühe gegeben, dieses Regierungs-andeln positiv zu betrachten, und bin für mich zu dernterpretation gekommen, dass die Bundesregierung densten endlich nicht mehr als irgendein Problem, sondernls innerdeutsche Angelegenheit behandeln möchte. Dasann ich nur begrüßen.
Nun will ich Ihnen gar nicht, wie Sie vermutlich allerwarten, das übliche Lied über den traurigen Osten vor-ingen. Ich darf Ihnen aber schon sagen: Das WortHartz IV“ wird auch in dieser Rede wieder vorkom-en.
Das möchte ich gar nicht riskieren.Es ist völlig klar, dass es auch im Westen der Repu-lik inzwischen Gebiete gibt, denen es kaum besser gehtls flächendeckend dem Osten. Wir wollen eines abericht vergessen – das statistische Mittel der fünf neuenundesländer und das statistische Mittel der zehn altenundesländer sprechen eine deutliche Sprache –: Vonleichen Lebensverhältnissen in Ost und West sind wireit entfernt.Noch immer bekommen Ostdeutsche für die gleicherbeit deutlich weniger Lohn und liegt das Bruttoin-andsprodukt etwa ein Drittel unter dem des Westens.ie Arbeitslosigkeit ist fast doppelt so hoch. Rund,7 Millionen Menschen in den neuen Ländern lebenon Hartz IV, und die Zahl der geringfügig Beschäftig-en, die nicht von ihrer Arbeit leben können, hat inzwi-chen katastrophale Ausmaße angenommen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010 1231
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Steffen BockhahnEiner der größten, wenn nicht der größte Skandal istaus meiner Sicht aber, dass im reichen Deutschland mehrals jedes vierte Kind im Osten unter den Armutsbedin-gungen von Hartz IV aufwachsen muss. Ich darf Sie beider Gelegenheit daran erinnern, dass im Regelsatz nichtein einziger Cent für Bildung vorgesehen ist. Ohne gutausgebildete Menschen werden aber die strukturschwa-chen Regionen des Ostens weder aufholen noch gleich-ziehen können. Das muss Ihnen klar sein. Das heißt, mitihrer Politik verstetigt die Bundesregierung die Struktur-probleme, statt sie zu beseitigen.
Eine verantwortungsvolle Bundesregierung müsste ineiner solchen Situation einen ambitionierten Entwick-lungsplan für Ostdeutschland aufstellen. Aber woher solldieser kommen? Nicht ein einziges Mitglied des Kabi-netts ist im Osten geboren, und vermutlich wird in derRegierung eher eine Schwerpunktsetzung, wie HerrRamsauer sie bevorzugt, unterstützt, als dass man sichernsthaft bemüht, die bestehenden Probleme zu bewälti-gen.Mit Ihrem sogenannten Wachstumsbeschleunigungs-gesetz treten Sie, meine Damen und Herren von der Ko-alition, den strukturschwachen Regionen ein weiteresMal kräftig gegen das Knie. Denn dort, wo die Kommu-nen die letzten großen Investoren sind, wird noch wenigerGeld ausgegeben werden können. Das bedeutet gerade imOsten, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunenschwer beeinträchtigt wird, weil dieses scheinbar durchgroßzügige Spenden beförderte Gesetz mit den Geschen-ken für Hotellobby, Superreiche und Großerben bei denKommunen zu massiven Einnahmeausfällen führen wird.Anstelle von Steuergeschenken brauchen wir ein enga-giertes Investitionsprogramm für bestimmte RegionenWestdeutschlands, vor allem aber für den Osten Deutsch-lands.
Lassen Sie mich zu einem zweiten Punkt kommen:dem Datenschutz. Um diesen ist es aus meiner Sichtnicht wirklich gut bestellt in Deutschland. Man denke anDeutsche Bahn, Deutsche Telekom, Schlecker und Lidl;von ELENA reden wir besser gar nicht erst. Ein Da-tenskandal jagt zurzeit den nächsten. Angekündigt wareine deutliche Stärkung des Bereichs des Bundesdaten-schutzbeauftragten. Im Haushalt – das nehme ich zurKenntnis – finden wir tatsächlich effektiv elfeinhalbneue Stellen. Das ist ein Anfang, aber lange nicht genug.Wir schlagen Ihnen stattdessen Folgendes vor: einegesetzliche Initiative zur Stärkung des Datenschutzes,insbesondere des Arbeitnehmerdatenschutzes; mehrKompetenzen und mehr Personal für den Bundesdaten-schutzbeauftragten; eine umfassende Informationskam-pagne für die Bevölkerung. Das stärkt die Bürgerrechte.Das Wichtigste im Umgang mit neuen Medien etc. ist,dass die Menschen wissen, was sie tun, wenn sie mitKreditkarte, Payback-Karte usw. unterwegs sind. Wirmüssen die Menschen darüber informieren, um Daten-schutz zu ermöglichen. Dazu bedarf es einer großen In-fwrHBNDDAsEBktEhVWKmddiObDDOEorVvBses
Wie diese Zielstellung und der sogenannte Bund derertriebenen zusammenpassen sollen, bleibt aber unklar.ir reden hier nämlich über eine Organisation, Herrollege, die die Oder-Neiße-Friedensgrenze gerne ein-al als unnötiges Zugeständnis betrachtet,
ie den EU-Beitritt Tschechiens verhindern wollte undie nicht bereit ist, die Eigentumsrechte von Menschenn anderen Ländern zu akzeptieren. Wir reden über einerganisation, die nicht willens oder in der Lage ist, zuegreifen, dass der Auslöser für die Umsiedlung voneutschen nach dem Zweiten Weltkrieg der von deneutschen begonnene Zweite Weltkrieg war. Eine solcherganisation kann man doch nicht mit über 2 Millionenuro unterstützen!
Dann doch lieber das Deutsch-Polnische Jugendwerkder den Verein junger Europäer; das Geld ist dort ga-antiert besser aufgehoben, und die Verständigung undersöhnung mit unseren Nachbarn in Europa würden da-on profitieren.Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Dieundesregierung ist nicht bereit, den Osten wirklich zutärken. Sie nimmt den Datenschutz nicht ausreichendrnst, und sie fördert Organisationen, die es, gelinde ge-agt, nicht verdient haben.
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1232 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Das Wort hat der Kollege Dr. Konstantin von Notz fürdie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Vieles, was Sie sagen, Herr Innenminister– auch heute wieder –, und wie Sie es sagen, gefällt mirsehr gut.
Die Meister der asymmetrischen Wortkriegsführungscheinen abgelöst.
Der Wettlauf der Eskalationsrhetorik und der Wettlauf,grundrechtseinschränkende Gesetze vorzubereiten, schei-nen beendet – vorerst zumindest.
Herr de Maizière, es ist gut, wenn Sie von öffentlicherund nicht von innerer Sicherheit sprechen. Es ist richtig,dass Sie erklären, im öffentlichen Dienst brauchten wirmehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationshinter-grund. Mir gefällt, dass Sie sagen, Sie hätten die Zeichender Zeit im Datenschutz und im Internet erkannt.
– Das kommt noch, Herr Wiefelspütz. Ich laufe noch zurHöchstform auf. Versprochen!Aber wir stehen nicht nur am Anfang einer Wahlpe-riode. Es ist auch der Anfang des Jahres. Ich werte IhreAussagen daher als gute Vorsätze für das neue Jahr. Dawerden wir ganz genau hinschauen. Insbesondere im Be-reich der Netzpolitik laufen wir ernsthaft Gefahr, dasssich eine ganze Generation politisch dauerhaft von unsabwendet.Herr Kollege Krings, ich habe bemerkt, dass Sie aufden Knien das Buch Payback von Schirrmacher liegenhaben. Das ist sehr gut; denn Fortbildung ist angesagt.Ob aber dieses Buch der Weisheit letzter Schluss ist, seieinmal dahingestellt. Der Koalitionsvertrag jedenfallsgibt dem Internet Raum auf immerhin fünf Seiten. Dasist gut. Aber den mehr deklaratorischen Absichtserklä-rungen muss nun Konkretes folgen.
Davon sehe ich bisher, abgesehen von einer netzpoliti-schen Kaffeerunde gestern im Bundesinnenministerium,wenig.Kommunikation ist Gesellschaft. Das ist die Grund-these der Gesellschaftstheorie Luhmanns.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010 1233
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Der Vorsitzende, Herr Papier, hat in Karlsruhe ausdrück-lich nach ihnen gefragt, übrigens auch nach Vertreternder SPD-Fraktion.
Es war niemand da.Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD undCSU, Ihnen fehlt die Kraft, dieses Gesetz zu verteidigen.Der FDP fehlte die Kraft, im Koalitionsvertrag Konse-quenzen zu vereinbaren. Angesichts dieser Schwächeallenthalben bleibt tatsächlich nur das Bundesverfas-sungsgericht. Wir können uns diese Schwäche aber nichtmehr leisten. Wir müssen der Bedeutung des Daten-schutzes endlich wirklich gerecht werden und ihn insGrundgesetz aufnehmen. Wir brauchen eine wirksameEntschädigung bei Datenpannen. Wir dürfen den Art. 10des Grundgesetzes nicht weiter schwächen, sondernmüssen ihn stärken. Wir brauchen eine Gesetzesinitia-tive für den sogenannten Datenbrief. Wir brauchen einenechten Wandel beim Datenschutz, Herr Minister, keinenrhetorischen.
Auch in der Migrationspolitik sind Sie leider weithinter den zwingend erforderlichen Änderungen zurück-geblieben. Zwar sagt die schwarz-gelbe Koalition Ja zumehr Pflichten für Ausländerinnen und Ausländer,gleichzeitig aber Nein zu mehr Rechten.
Vergeblich sucht man im Koalitionsvertrag nach einererleichterten Einbürgerung. Ihre Entscheidung gegen einkommunales Ausländerwahlrecht ist ein Armutszeugnisin puncto Integration.
Auch der Optionszwang, nach dem sich hier geboreneAusländerinnen und Ausländer nach dem 18. Geburtstagzwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und derjeni-gen ihrer Eltern entscheiden müssen,
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Da man dieser Tage im Rahmen der innenpolitischenebatte nicht um die Nacktscanner herumkommt,öchte auch ich noch einige Worte dazu verlieren. Wirind uns alle einig: Die öffentliche Sicherheit ist ein ho-es Gut. Natürlich gibt es eine reale Bedrohung. Abererade deshalb dürfen wir unsere Zeit nicht mit Placebo-ebatten vertun. Der gescheiterte Attentäter von Detroitar für die Dienste – es wurde hier mehrfach gesagt –ein Unbekannter. Trotzdem ist er in das Flugzeug ein-estiegen. Dies hat gezeigt – Herr Kollege Toncar, daebe ich Ihnen völlig recht –: Wir haben nicht zu wenigenformationen; wir haben viel zu viele. Wir sehen vorauter Daten die eigentlichen, tatsächlichen und offen-ichtlichen Gefahren nicht mehr.Den zahlreichen Befürwortern von Nacktscannern meiner Ansicht nach ist es reine Wortklauberei, dieiskussion an den Begriffen „Körperscanner“ oderNacktscanner“ aufzuhängen; wenn man auf einenörper ohne Kleidung schaut, bleibt der Mensch letzt-ich nackt; daran können Sie nichts ändern, auch wennie andere Begrifflichkeiten wählen – geht es lediglichm das subjektive Sicherheitsgefühl. Wir gewinnen je-och keine tatsächliche Sicherheit – weder durch dieacktscanner noch durch Hunderttausende von Video-ameras noch durch Onlinesperren. Wir geben viel Geldus, bauen Bürgerrechte ab, schränken die Privatsphärein und ersticken in einer Datenflut, die uns von den of-ensichtlichen und notwendigen Handlungen und Reak-ionen eher abhält, als dass sie diese fördert. Ich sageoch einmal: Wir laufen Gefahr, die Terroristen vor lau-er Kameras zu übersehen. Wir erkennen sie aufgrunder Flut von Informationen, die wir haben, nicht, und wirberhören sie vor lauter Abhörmaßnahmen.Die ersten 100 Tage Ihrer Koalition sind vorbei.
ir alle wissen, welche Halbwertszeiten gute Vorsätzeür das neue Jahr haben. Oftmals sind die guten Vorsätzechon im Februar nichts mehr wert.
Ich hoffe aufrichtig, dass das bei Ihnen nicht der Fallst, Herr Innenminister. Mit der Ankündigungspolitikuss jetzt Schluss sein. Papier ist geduldig. Die Men-chen, die systematisch und auf Vorrat ausgeforscht wer-en, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über-acht und ausspioniert werden, sind es nicht mehr.Herzlichen Dank.
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1234 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl hat nun für die
Unionsfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Herr von Notz, wir haben Ihnen sehr aufmerk-sam zugehört.
Das sind sehr interessante Gedanken, die auch von HerrnWiefelspütz hätten kommen können.
Er hat ausführlich zu einem Thema gesprochen, das unsin dieser Koalition sehr am Herzen liegt, nämlich zu denVeränderungen in der Welt des Internets und den Verän-derungen unserer Gesellschaft, die durch das Internethervorgehen.
Ich würde mich – im Gegensatz zu Herrn Wiefelspütz –als Digital Immigrant bezeichnen.
– Ein Digital Immigrant ist das Gegenteil von einem Di-gital Native.
Letztere sind Menschen, die mit dem Computer aufge-wachsen und daher ganz selbstverständlich in die Mate-rie hineingewachsen sind. Wir anderen, die Älteren, HerrWieland,
haben uns mehr oder weniger mühsam mit diesem Me-dium befasst, bevor wir in der Welt des Internets ange-kommen sind.
Das sind die Digital Immigrants.
– Dieses Visum habe ich mir selbst durch mühsamesSelbststudium erteilt, so wie wir es immer wieder vondagmhcGwrgmfbdwdDedDjwIgtiDedSimhdmwdkDmdDcuKwj2
arüber kann ich mich rechtspolitisch überhaupt nichtrregen. Vielmehr müssen wir uns sehr sorgfältig mitem Thema befassen.
er netzpolitische Dialog, der von Ihnen, Herr Minister,etzt parallel zu unserer Enquete-Kommission begonnenurde, ist ebenso wichtig.Die Innenpolitik möchte einerseits für Sicherheit imnternet sorgen. Kriminalität im Internet ist gang undäbe. Organisierte Kriminalität bemächtigt sich des In-ernets. Terrorismus und Spionage im Internet kommenmmer häufiger vor. Auf der anderen Seite haben wir denatenschutz im Internet sicherzustellen. Auch dies istine schwierige Aufgabe angesichts des Umstandes,ass gerade die jungen Menschen in einem Akt derelbstentäußerung alle ihre persönlichen, privaten undntimsten Daten ins Internet stellen und sich durch nie-anden daran hindern lassen.Wir wollen den ungehinderten Zugang und den frei-eitlichen Charakter des Internets schützen. Wir wollenas Internet für die Dienstleistungen des Staates nutzbarachen. E-Government wird die Welt verändern. Wirerden von zu Hause aus Dienstleistungen des Bundes,es Landes oder der Kommunen in Anspruch nehmenönnen, ohne in irgendeiner Behörde gewesen zu sein.as sind die Dinge, die kommen werden. Wir werdenit dem elektronischen Personalausweis dafür sorgen,ass sichere Rechtsgeschäfte getätigt werden können.as halten wir für wichtig.Lassen Sie mich kurz auf das Thema „Sicherheit, Si-herheitsbehörden, mehr Polizei, besser ausgebildetend besser bezahlte Polizei“ zu sprechen kommen, Herrollege Scholz. Das ist immer interessant, wenn man,ie Sie und ich, lange genug im Geschäft ist. Sie warena einmal Innensenator in Hamburg; ich glaube, bis001. Dann wurden Sie von einem mir sehr gut bekann-
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Dr. Hans-Peter Uhlten Mann aus München, Udo Nagel, abgelöst. Er warLeiter der Mordkommission in München. Er hat für Auf-klärung gesorgt und dafür gesorgt, dass die Zahl derStraftaten zurückging. Deswegen ist es immer interes-sant, wenn Sie hier anklagen, dass in Hamburg Schreck-liches passiert ist und es so etwas zu Ihrer Zeit mögli-cherweise nicht gegeben hat.
– Herr Exjustizsenator von Berlin, der Kollege UdoNagel hat mit Recht darauf hingewiesen,
dass in der Zeit zwischen 2001 und 2007 die Zahl derStraftaten in Hamburg um 80 000 pro Jahr zurückgegan-gen ist. Das war nach Ihrer Zeit, Herr Scholz. Das warnicht Ihre Leistung, sondern die Leistung Ihres Nachfol-gers. Deswegen wäre ich mit solchen Äußerungen wiedenen, die Sie vorhin getätigt haben, sehr vorsichtig.
Zum Terror. Natürlich müssen wir alles tun – das istschon mehrfach gesagt worden –, um Terroranschlägezu verhindern. Wir sollten mit den Amerikanern, was dieVernetzung von sicherheitsrelevanten Erkenntnissen an-belangt, ein ernstes Wort reden. Wir irren uns, wenn wirglauben, dass wir mit einer Masse von Polizisten und ei-ner immer größer werdenden Flut von Daten für mehrSicherheit sorgen können. Das ist nicht das Thema. DerFall von Detroit hat das wirklich bewiesen. Es kannnicht richtig sein, wenn es amerikanische Nachrichten-dienste gibt, die alles wissen, in Europa aber keine ein-zige Sicherheitsbehörde etwas davon weiß. Man stellesich vor, der Täter aus Nairobi wäre über Frankfurt nachDetroit geflogen: Dann wären wir die Schuldigen gewe-sen, weil wir nichts von dem Umstand gewusst hätten,dass er ein sogenannter Gefährder ist. Das hat mit Bo-dyscannern überhaupt nichts zu tun. Die Diskussion überBodyscanner wurde nur daran angehängt, obwohl esüberhaupt keinen Sachzusammenhang gibt.
Das war ein Versagen amerikanischer Nachrichten-dienste.Der Bodyscanner – das wurde mehrfach ausgeführt;ich will das jetzt nicht auch noch wiederholen – ist einInstrument, eine letzte Sicherheit,wmtWVwflmswwnuAGDTcedTwKddsZSdwsPscPsdF
enn man so will, eine maschinelle Sicherheit. Wennan Glück hat, kann man damit aus der Flut der Touris-en einen Terroristen herausfiltern.
ir werden sehen, ob die Technologie tauglich ist. Dieoraussetzungen für den Einsatz wurden bereits er-ähnt. Wir werden sehen, ob wir diese Bodyscanner ein-ühren.Mir liegt etwas anderes am Herzen: Als wir 9/11 ana-ysiert haben, haben wir gesagt, dass es in Deutschlandit unseren 37 Sicherheitsbehörden – 16 Verfassungs-chutzämter plus 16 Landeskriminalämter macht 32;enn wir noch die Bundesämter hinzunehmen, kommenir auf diese Zahl –
icht sein darf, dass eine Behörde, ein Land etwas weißnd die nicht mit den anderen reden. Das ist ja jetzt inmerika wiederum passiert. Deswegen haben wir dasemeinsame Terrorismusabwehrzentrum gegründet.
ort sitzt man täglich beisammen, und jeder legt auf denisch, was er weiß. Hauptsächlich so kann man für Si-herheit sorgen. Wenn im Einzelfall am Flughafen nochin Bodyscanner nachhelfen kann, dann nehmen wir denazu.Lassen Sie mich noch einige Gedanken zu einemhema ausführen, das in den nächsten Wochen ganzichtig sein wird. Wir stehen kurz vor der Afghanistan-onferenz in London. Wir Deutsche, wir Europäer wer-en in London dafür sorgen müssen, dass die wahren,ie vernünftigen und die realistischen Ziele für das ge-chundene Land Afghanistan definiert werden und dassiele gegebenenfalls heruntergefahren werden. Herrcholz, da Sie mich gerade so anschauen: Ich sehe nochen damaligen Außenminister Joschka Fischer vor mir,
ie er im Jahr 2001 nach der Petersberger Konferenzchwadroniert hat: Wir werden in Afghanistan keinerobleme haben. Wir gehen in den sicheren Norden. Wirind beliebt. Mohnanbau ist nicht unser Thema, das ma-hen die Engländer. Die Justizausbildung ist nicht unserroblem, das machen die Italiener. Wenn überhaupt ge-chossen wird, dann im Süden; das machen die Englän-er und die Amerikaner. – So wurden wir von Joschkaischer hineingelockt.
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1236 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Dr. Hans-Peter UhlDie Welt hat sich verändert; Sie wissen das. Jetztmüssen wir dafür sorgen, dass wir eine ausstiegsorien-tierte Ausbildung der afghanischen Polizei und eine aus-stiegsorientierte Ausbildung des afghanischen Militärsin einem überschaubaren Zeitraum hinbekommen. Dasmuss in London zwischen den Partnern der EU und derNATO festgelegt werden.Wenn wir es schaffen, in den nächsten drei Jahren dieZahl der Ausbilder zu verdoppeln oder zu verdreifachen– das ist zu leisten –, dann können wir in einigen Jahrensagen: Wir haben unsere Aufgabe erfüllt. Herr Karzai– oder wer immer dann an der Macht sein wird –, bitteübernehmen Sie! – Selbsttragende Sicherheit nennen wirdas. Das ist unsere Aufgabe. Natürlich muss sie unterdem Schutzschirm des Militärs erfüllt werden. Sonstdürften wir die Polizisten nicht hinschicken; denn siebrauchen für die Durchführung der Ausbildung eine si-chere Umgebung.Ich möchte einen letzten Gedanken ansprechen:Olympia. Die Olympischen Winterspiele kommen2018, wenn wir Glück haben, wenn wir uns anstrengenund alles dafür tun, nach Deutschland, nach München,nach Garmisch und in die anderen Orte. Darüber wirdam 6. Juli 2011 entschieden. Wir müssen das Jahr 2010dafür nutzen, auf allen drei Ebenen die nationalen An-strengungen voranzutreiben, damit wir eine gute Chancehaben, den Zuschlag zu erhalten. Ich meine, das wäre füruns eine große Ehre und ein großer Vertrauensbeweis.Olympia ist es wert, dafür zu kämpfen. Es ist nicht nurein Sportfest, sondern ein Fest, das die Menschen ver-bindet.
Wir sollten also dafür kämpfen, das Fest nach Deutsch-land zu holen.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! LiebeKolleginnen und Kollegen! Einer der wichtigen Punkteim Haushalt des Innenministeriums – ich finde, zuRecht – ist das Thema Integration. Die gute Nachrichtist: Wie wichtig die Integration von Menschen mit Mi-grationshintergrund für Deutschland ist, scheint auch inder konservativen Regierung angekommen zu sein. Dasbelegen zumindest die Zuwächse bei einigen Haushalts-positionen.
– Es scheint bei Ihnen angekommen zu sein; das war einLob.AtnmebfdIdVaDbhddIgfsdmnMdh2osssRrLKamwKwldtbmdw
Deutschland ist ein Einwanderungsland, mit allenuswirkungen, die das mit sich bringt. Für gute Integra-ion, ein gutes Zusammenleben, braucht man aber nichtur Geld, sondern auch die richtigen gesetzlichen Rah-enbedingungen – Olaf Scholz hat sie schon genannt –:in modernes Zuwanderungsgesetz, ein modernes Ein-ürgerungsrecht, die Anerkennung ausländischer Quali-ikationen und Abschlüsse, aber auch gute Rahmenbe-ingungen für Migrantenorganisationen, damit bei denntegrationsgipfeln und Islamkonferenzen, die stattfin-en sollen, gute und kompetente Ansprechpartner zurerfügung stehen. Mit Geld allein ist in diesem Bereichlso nicht alles getan.
ie SPD wird mit Argusaugen auf Ihre Gesetzentwürfelicken. Wahrscheinlich muss sie auch mit Argusaugeninschauen, wenn keine Gesetzentwürfe vorgelegt wer-en, und dann nachlegen.Im sensiblen Bereich der Integration geht es auch umen Ton der Debatte. Es ist eine Realität, dass das Themantegration in der Bevölkerung längst noch nicht mit derebotenen Selbstverständlichkeit diskutiert wird. Viel-ach erleben Menschen in Deutschland, die anders aus-ehen, individuelle und strukturelle Diskriminierung. Ihrauerhafter Aufenthalt wird im Geiste von manchen im-er noch als Gaststatus betrachtet. Das belegt ein klei-es Alltagsbeispiel, die Frage: Woher kommst du? – Vonenschen, die nicht weiß sind, wird noch immer nichtie Antwort „Leipzig“ oder „Bonn“ erwartet.Integration bedeutet deshalb auch, gegenüber allenier lebenden Menschen zu betonen, dass es im Jahr010 nicht darum geht, ob Menschen anderer Hautfarbeder Herkunft hier leben, sondern darum, wie wir zu-ammenleben wollen. Integration ist keine Einbahn-traße, sondern fordert Bewegung in der gesamten Ge-ellschaft. Ich hoffe, dass auch eine konservativeegierung diesen Aspekt im Blick hat.
Die SPD jedenfalls wird stets einen genauen Blick da-auf haben, wie die gesellschaftliche Debatte in unseremand geführt wird und wie sich das gesellschaftlichelima verändert und entwickelt. Dazu gehört für unsuch, dass weiterhin mit aller Kraft gegen Rechtsextre-ismus und Rassismus und für Demokratie gekämpftird.Lieber Herr de Maizière – das geht auch an Frauöhler –, Sie können so oft Sie wollen behaupten, Sieürden im Kampf gegen die extreme Rechte nicht nach-assen: Was Sie in anderen Feldern ankündigen, stehtem entgegen. Wenn ich die gleiche Menge Geld umver-eile und zwei von drei zur Verfügung stehende Themen-löcke, Linksextremismus und Ausländerextremismus,it mehr Mitteln ausstatten möchte, dann bleibt für denritten Block, den Kampf gegen Rechtsextremismus,eniger Geld übrig. Das ist simple Mathematik,
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Daniela Kolbe
die viele Initiativen und Vereine schon verstanden ha-ben. Dieses Vorgehen ist aber in hohem Maße gefähr-lich. Ich appelliere an die Bundesregierung: Lassen Sienicht plumpe Ideologie walten, sondern sorgen Sie dafür,dass auch in Zukunft ausreichend finanzielle Ressour-cen, das heißt mindestens gleichbleibende Ressourcen,im Kampf gegen rechts zur Verfügung stehen.
Ihre sich andeutenden Entscheidungen in diesemPunkt haben Auswirkungen auf das Leben vieler Men-schen, nicht nur auf das Leben von Migranten, sondernauch auf das von Demokraten, von ganz normalen Men-schen. Sie haben auch Auswirkungen auf unsere Demo-kratie, und zwar langfristig. Was Sie heute beim Kampfgegen Rechtsextremismus sparen, bewirkt vielleicht,dass wir in einigen Jahren mehr gewaltbereite Rechtsex-tremisten haben. Im schlimmsten Fall bewirkt es Nazisin den Parlamenten, mehr Propagandadelikte und Kör-perverletzungen bis hin zu Todesfällen. Lassen Sie esnicht schlimmer werden, als es schon ist. Wehren Sieweiter den Anfängen!
Noch einmal konkret zu den Zahlen im Bereich Inte-gration. Integration kostet Geld, und das ist gut investier-tes Geld; denn Menschen werden so befähigt, etwas fürsich, ihre Familie und auch für die Gesellschaft zu errei-chen. Es ist deshalb gut, dass die konservative Regierungdie Integrationskurse, die 2005 von Rot-Grün einge-führt wurden, weiterführt und den Etat dafür aufgrundder großen Nachfrage erhöht.Doch da ist leider nicht alles Gold, was glänzt. Der-zeit erhalten Anbieter von Integrationskursen 2,70 Europro Stunde und Teilnehmer, und das bei sehr hohem bü-rokratischem Aufwand und einer zum Teil schwierigenKlientel, einer schwierigen Zielgruppe. Es sind zum TeilAnalphabeten, junge Menschen, alte Menschen, Men-schen mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründenund unterschiedlichem Vorwissen. Die Bildungsträgerweisen zu Recht auf die eklatante Unterfinanzierung die-ser Integrationskurse hin. Kleine Gruppen, die oft nötigund sinnvoll wären, können sich die Träger nicht leisten.Herr Minister, deswegen lautet mein Appell an Sie: Er-höhen Sie die Mittel pro Kursteilnehmer, und verbessernSie die Rahmenbedingungen für die Integrationskurse,damit sie eine gute Qualität haben.
Lassen Sie mich noch einen Blick über den Haus-haltsentwurf des Innenministeriums hinaus werfen.Liebe Koalitionäre, Sie müssen sich gefallen lassen, dasswir immer wieder auf die Auswirkungen Ihrer Politikhinweisen.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert für die
DP-Fraktion.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damennd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wirber Innenpolitik in Deutschland reden, fragen vieleolitische Kollegen zunächst: In welchem Staat wollenir leben?
ch halte die Frage für etwas falsch formuliert. Sie mussauten: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?Als FDP arbeiten wir daran, eine weltoffene, tolerantend liberale Bürgergesellschaft zu schaffen.
on diesem Verständnis und den Bedürfnissen der Bür-erinnen und Bürger aus leiten sich alle innenpolitischenaßnahmen ab. Wir können sie quasi von dort aus dekli-ieren.Denn dadurch, dass sich ein Staat auf seine Kernauf-abe konzentriert, wird er nicht zu einem schwachentaat, sondern zu einem Staat, der für die Aufgaben, dier dringend erledigen muss, die nötige Kraft hat.
Wir müssen Menschen aller Gesellschaftsschichtenntegrieren. Wir müssen Menschen mit Migrationshin-ergrund im öffentlichen Dienst einstellen. Wir müsseneistungsorientiert bezahlen, einen Aufstieg flexibleröglich machen und – das haben wir im Koalitionsver-rag vereinbart – eingetragene Lebenspartnerschaften,twa im öffentlichen Dienst, gleichstellen. Wir könnens uns auch nicht mehr leisten, sozusagen in einer Juris-ischen Sekunde die Erfahrungen der 67-Jährigen von ei-em Moment auf den nächsten zu verlieren. Wir müssenlexiblere Übergänge schaffen, wenn es darum geht,ann wir Menschen aus dem öffentlichen Dienst in denerdienten Ruhestand entlassen. Schließlich – hier konn-en wir uns noch nicht ganz durchsetzen – müssen wirei der Mitnahme der Altersversorgungsansprüche eine
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Dr. Stefan Ruppertfaire Lösung finden, weil wir dringend einen Wissens-transfer zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirt-schaft brauchen.
Eine gute, sich aus der genannten Gedankenmaximeableitende Innenpolitik setzt auf Bürokratieabbau. Wirbetonen immer, dass sie das tut, damit der Staat, der Bür-ger und die Wirtschaft entlastet werden; das ist richtig.Aber auch eine Verwaltung ist nur dann leistungsfähig,wenn wir sie auf das beschränken, was sie wirklich tunmuss, und sie von unnützen Vorschriften entlasten.
Um es mit Tacitus zu sagen: Im verdorbensten Staat gibtes die meisten Gesetze. – Als Rechtshistoriker kann ichIhnen sagen: Immer dann, wenn man geglaubt hat, miteiner Fülle von Normen mehr zu erreichen und Feinsteu-erung zu betreiben – das galt auch im Absolutismus –,hat die Normdurchsetzung gelitten und ist immerschlechter und schwächer geworden.
Weil dieses Thema in der jetzigen Debatte anklang,will ich auch noch auf den Extremismus und seine Be-kämpfung eingehen. Es ist kein Zufall, dass uns diesesPhänomen in den letzten Jahren immer mehr beschäftigthat. Unserer Meinung nach ist es das Symptom einerschrumpfenden und gefährdeten Mitte. Wenn die Mittekleiner wird, nehmen die Extreme zu, und das leider anbeiden Enden. Dagegen müssen wir uns ganz aktiv wen-den.
Wir Liberale wollen das nicht mit Parteiverbotsverfah-ren tun. Wir wollen die Ursachen bekämpfen und dieMitte stärken. Wir wollen präventive Programme für denAusstieg aus der rechten Szene.Ich finde, diese Debatte wird teilweise etwas taktischgeführt, und zwar von beiden Seiten. Wir müssen denRechtsextremismus weiter bekämpfen. Wir müssen auchzur Kenntnis nehmen, dass hier die gravierendsten Pro-bleme bestehen. Aber wir dürfen nicht die Augen davorverschließen, dass Linksextreme Autos anzünden, anmanchen Tagen ganze Stadtviertel in ihre Gewalt brin-gen und so rechtsfreie Räume schaffen.
Die Mittel des Strafrechts allein reichen hier nichtaus. Deswegen muss sorgfältig analysiert werden: Umwas für ein Phänomen handelt es sich beim Linksextre-mismus? Vor dem Hintergrund der Programme der 80er-und 90er-Jahre zur Bekämpfung des Rechtsextremismuslässt sich feststellen: Nur dann, wenn man ein Phänomenerkundet hat, es genau kennt und zielgenau vorgehenkann, kann man ihm auch zu Leibe rücken. LiebeFreunde von den Linken, ich hoffe, Sie kommen hier anunsere Seite und verharmlosen dieses Problem nichtweiter.srtHPösdPbos„bkGmstTustwlITffhlwddfniMG
Kollege Ruppert, das war Ihre erste Rede im Deut-
chen Bundestag. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg in Ih-
er weiteren Arbeit.
Das Wort hat der Kollege Frank Tempel für die Frak-
ion Die Linke.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen underren! Bis vor wenigen Monaten war ich als Thüringerolizeibeamter mit den praktischen Angelegenheiten desffentlichen Dienstes konfrontiert. In der täglichen Zu-ammenarbeit mit den Einrichtungen des Bundes under Kommunen wurde eines deutlich: das gemeinsameroblem des schleichenden, aber stetigen Personalab-aus, der sich nicht an der tatsächlichen Aufgabenlagerientiert, sondern auf Sparvorgaben beruht. Ob Kata-trophenschutz oder Bundespolizei, unter dem SchlagwortKosteneffizienz“ ist der Anteil, den die Personalausga-en im Bundeshaushalt ausmachen, auf 9 Prozent gesun-en; sie liegen damit auf dem niedrigsten Stand in dereschichte der Bundesrepublik. Kosteneffizienz kannit Blick auf die Praxis nicht der dominierende Faktorein, sondern muss nach Faktoren wie Aufgabenquanti-ät und Erfüllungsqualität betrachtet werden.
Der Katastrophenschutz gilt als zivile Aufgabe. DasHW – das wurde gesagt – bewältigt mit seinen haupt-nd ehrenamtlichen Mitarbeitern einen großen Teil die-es Auftrages. Mittlerweile ist die hauptamtliche Struk-ur des THW jedoch so weit zusammengestrichenorden, dass es immer schwieriger wird, den ehrenamt-ichen Teil in ausreichender Qualität aufrechtzuerhalten.hr Haushaltsentwurf bewahrt einen unbefriedigendeniefstand und bringt keine Besserung. Warme Worte hel-en dem THW relativ wenig. Hier sind mehr Mittel ge-ragt.
Die Fehlentwicklungen bei der öffentlichen Sicher-eit werden an einem aktuellen Thema besonders deut-ich. Alle reden von der Sicherheit an den Flughäfen; eserden viele Mängel aufgezeigt, aber auch Lösungeniskutiert. Auf welche Lösungsvorschläge kommt manabei? Es wird vorgeschlagen, Nacktscanner anzuschaf-en. Entschuldigung! Wie ich erfahren habe, nennen ei-ige dieses Gerät mittlerweile „Körperscanner“. Dannst es ja nicht mehr ganz so schlimm wie vor einigenonaten, als auch die FDP-Fraktion noch gegen dieseeräte war.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010 1239
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Frank TempelAber lassen wir für einen Moment die Beeinträchti-gung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beiseite.Wir führen ja eine Haushaltsdebatte, und da geht es umsGeld. Gegenwärtig bevorzugt man mehr preiswerte Si-cherheitsdienste an Flughäfen statt geschultes Personalder Bundespolizei. Das funktioniert offensichtlich nichtganz, und so soll aufwendige Technik das Problem lö-sen. Die Frage ist: Kann das funktionieren? Wenn wirdie praktische Eignung dieser Technik betrachten, mussich Ihnen ehrlich sagen, dass diese Idee schlecht ab-schneidet. Potenzielle Terroristen können sich auf denEinsatz dieser Geräte einstellen und Gegenmaßnahmenergreifen. Ein solches Gerät ist berechenbar. Wie wirwissen, können Stoffe auch in Körperöffnungen ver-steckt werden. Wer die Praxis kennt, der weiß, dass daszum Beispiel im Bereich des Drogenschmuggels einegängige Methode ist. Der Scanner wird in diesem Fall zueiner unnützen Belastung für die Passagiere, sorgt abernicht mehr für ausreichende Sicherheit.
Herr Minister, wenn Sie mir das Ganze vielleichtnicht glauben wollen, dann sehen Sie sich die Sicher-heitsvorkehrungen auf Israels Flughäfen an. Natürlichgibt es da auch Technik. Zentrales Element ist aberhervorragend geschultes Personal. Der frühere Sicher-heitschef des Ben-Gurion-Airports in Tel Aviv hat dieEinführung von Nacktscannern in Europa der Presse ge-genüber eine „lächerliche Sicherheitsshow“ genannt.Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur um einesbitten: Geben Sie für einen solchen Unsinn kein Geldaus! Setzen Sie an den Flughäfen und Bahnhöfen wiedermehr erfahrene und gut ausgebildete Beamte ein! Diesesind qualifiziert, kreativ und vor allen Dingen für poten-zielle Täter nicht berechenbar.
Herr Minister, auch ich möchte noch eine Anmerkungzum Thema Rechtsextremismus machen. Parteien die-ser Prägung sitzen mittlerweile in Landtagen oder schei-tern wie bei uns in Thüringen nur sehr knapp daran, inden Landtag einzuziehen. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu,dass wir im Kampf gegen den Rechtsextremismus nichtnachlassen dürfen, auch nicht was die finanzielle Aus-stattung dieser Arbeit angeht. Die im Koalitionsvertragangekündigte Ausweitung dieser Programme auf andereBereiche droht aber zu einer solchen Kürzung zu wer-den. Erst im November haben Sie der SüddeutschenZeitung gegenüber erklärt: Es wird keine Kürzungen ge-ben. – Wir werden Sie an diesem Zitat messen.
Auch wenn das Thema schon genannt ist, möchte derWichtigkeit halber auch ich etwas zu dem Thema„Migration und Integration“ hinzufügen. Die Integra-tionskurse sind trotz der Mittelerhöhungen nach wie vorshudhnBlrcgztfdmKsGsUHSHdaudnhdewtwKgmbmiSnpf
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1240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Garant für die Leistungsfähigkeit der Behörden ist ihrPersonal. Deshalb haben die Personalkosten auch in die-sem Haushaltsjahr einen gewaltigen Anteil am Gesamt-volumen. Auch so erklärt sich, dass zwei Drittel des Ge-samtetats für den Bereich der öffentlichen Sicherheitveranschlagt werden. Diese Gewichtung trägt jener Ver-antwortung Rechnung, die ich eben dargestellt habe.Heute ist mehrfach eine Diskussion zum Daten-schutz angeregt worden. Der Minister hat bereits daraufhingewiesen, dass wir in dieser Legislaturperiode– schon in den nächsten Monaten – für den Bereich desArbeitsrechts die notwendige Datenschutzgesetzgebungeinbringen wollen. Betrachtet man den Datenschutz inunserer heutigen Informationsgesellschaft, so ist es uner-lässlich, darüber vertieft zu diskutieren. Es wurden be-reits die Datenschutzskandale bei verschiedenen Unter-nehmen genannt; das brauche ich nicht zu wiederholen.Wir wollen und wir brauchen ein hohes Datenschutz-niveau; darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. Wir ha-ben schon in der letzten Legislaturperiode einige Konse-quenzen aus den bekannten Skandalen gezogen. DiesenWeg wollen und werden wir weitergehen.In der letzten Legislaturperiode wurde immer wiederdie Forderung nach zusätzlichen Stellen beim Daten-schutzbeauftragten erhoben; darüber wurde bereits gere-det. Das haben wir versprochen, und wir werden es auchhalten. Sowohl im Koalitionsvertrag als auch im jetzigenHaushalt ist ein Aufwuchs an Stellen mit rund elf Stellenim Bereich des Datenschutzbeauftragten vorgesehen. Ichdenke, das ist eine qualitativ und quantitativ berechtigteund auch dem Umfang nach ausreichende Maßnahme.Ich möchte an dieser Stelle aber auch an jeden einzel-nen Bürger direkt appellieren, umsichtig mit seinen Da-ten umzugehen. Ich bin immer wieder erstaunt, wieleichtfertig Menschen jeden Alters freiwillig im Internet,aber auch bei anderen Gelegenheiten ihre persönlichenDaten – oft inklusive ihrer Kontoverbindung – preisge-ben. Da nützt auch der beste staatliche Datenschutznichts. Jeder Einzelne trägt die Mitverantwortung fürseine persönlichen Daten. Neben der Schaffung der not-wAwDSlaDdIwdtdcDkKSKadlwdEtlfDnswdaü2wirsrsKHcasvmwgBd
In diesem Zusammenhang ist übrigens auch dieicherheitsforschung ein zentraler Baustein. Wir wol-en die Forschungseinrichtungen und Universitäten, aberuch die Unternehmen in Deutschland stärken, um denatenschutz für unsere Bürger zu gewährleisten. Füriese Aufgabe erhält das Bundesamt für Sicherheit in dernformationstechnik rund 68 Millionen Euro. Es soll derachsenden Bedeutung der IT-Sicherheit im Zeitalterer Informations- und Wissensgesellschaft Rechnungragen.Das wohl wichtigste Ereignis, welches die Notwen-igkeit der Forschung auf dem Gebiet der inneren Si-herheit unterstreicht, ist der jüngste Attentatversuch inetroit. Richtig ist: Auch ein Körperscanner bringteine hundertprozentige Sicherheit. Der Einsatz einesörperscanners hätte jedoch möglicherweise denprengstoff sichtbar gemacht, den dieser Attentäter amörper trug. Der Vorteil dieser noch nicht vollständigusgereiften Technologie besteht darin, dass gegenüberer jetzt angewandten, rein auf Metalldetektoren ange-egten Technik versteckte Gegenstände sichtbar gemachterden können, die bei herkömmlichen Scannern unent-eckt bleiben. Körperscanner würden, wenn sie in derntwicklung so weit fortgeschritten sind, wie der Minis-er zu Recht gefordert hat, eine große Zahl von manuel-en Kontrollen an den Flughäfen möglicherweise über-lüssig machen; auch das muss einmal gesagt werden.ennoch gilt uneingeschränkt – daran will auch ich kei-en Zweifel lassen –, dass beim Einsatz eines Körper-canners die Intim- und Privatsphäre des Reisenden ge-ahrt bleiben muss, wie auch ausgeschlossen sein muss,ass von einem solchen Scanner gesundheitliche Risikenusgehen.Gestatten Sie mir noch einige Sätze zum Digitalfunk,ber den heute noch nicht gesprochen worden ist. Auch010 stehen die notwendigen Mittel für die weitere Ent-icklung und Einführung zur Verfügung. Aber geradem Hinblick auf die notwendigen Haushaltskonsolidie-ungsmaßnahmen in den nächsten Jahren weise ichchon heute darauf hin, dass wir uns in den nächsten Jah-en, sicherlich auch schon im nächsten Jahr, damit be-chäftigen werden, wie die notwendigen weiteren hohenosten für die unstreitig notwendige Einführung imaushalt abgesichert werden können.Sehr froh sind wir darüber, dass nach dem erfolgrei-hen Abschluss der Neuordnung der Bundespolizei nunuch der Neubau des Polizeipräsidiums in Potsdam an-teht. Der Haushalt ist auch immer ein Ausblick nachorne. Der jetzige Innenminister ist zu Recht heuteehrfach auch aus den Reihen der Opposition gelobtorden. An dieser Stelle erlaube ich mir, auch dem vori-en Innenminister ein Lob für die gelungene Reform derundespolizei auszusprechen. Herr Hofmann, ich weiß,ass Sie darin mit mir einer Meinung sind.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010 1241
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Helmut Brandt
Zur Bundeszentrale für politische Bildung möchteich auch einige Sätze anmerken. Sehr wichtig und er-freulich finde ich, dass die Haushaltsansätze der Bundes-zentrale für politische Bildung stabil gehalten werdenkönnen; denn die Bundeszentrale leistet im Bereich derpolitischen Aufklärung und im Bereich der Demokratie-förderung hervorragende Arbeit. Die Auseinanderset-zung mit dem politischen Extremismus bleibt im Jahr2010 wie auch in den vergangenen Jahren ein Schwer-punkt der Arbeit der Bundeszentrale. Dies ist angesichtseines dramatischen Anstiegs der Zahl der Straftaten miteinem linksextremen Hintergrund von enormer Bedeu-tung. Die Bundesregierung nimmt entgegen dem Vor-wurf der Fraktion Die Linke den Kampf gegen denRechtsextremismus sehr ernst. Neben dem Rechtsextre-mismus gibt es nachweislich – und das zunehmend –linksextremistische und islamistische Tendenzen inDeutschland, die wir nicht ignorieren dürfen und be-kämpfen müssen.
– Das vergleicht auch niemand. Dennoch darf man sichder Aufgabe nicht verschließen.Zu den Integrationskursen ist schon einiges gesagtworden. Nur so viel: Diese eingerichteten Kurse sindeine echte Erfolgsstory. Es ist notwendig, die Wahrneh-mung dieser Aufgabe über das Jahr 2010 sicherzustellen.Ich bin sehr dankbar dafür, dass schon im Haushalt 2010die notwendigen Mittel – die Höhe kann man der Inan-spruchnahme in den letzten Jahren entnehmen – einge-stellt werden.Der Innenminister hat zu Recht auf das geschundeneLand Haiti, von dem furchtbare Bilder zu sehen sind, hin-gewiesen. Ich möchte vor diesem Hintergrund auf die Be-deutung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzeseingehen. Die Katastrophe in Haiti zeigt einmal mehr,dass ein Staat imstande sein muss, die notwendige Infra-struktur zu gewährleisten, um einer Katastrophe Herr zuwerden. Das ist in Haiti leider nicht der Fall. Wir könnenaber an diesem Beispiel sehen, dass es gut ist, für diesenSchutz Geld auszugeben und Vorsorge zu treffen. Ichstelle fest: Deutschland ist auf dem Gebiet des Katastro-phenschutzes bestens aufgestellt. Um dies weiterhin si-cherzustellen, werden THW und das Bundesamt für Be-völkerungsschutz und Katastrophenhilfe auch in Zukunftunsere volle Unterstützung finden. Bei dieser Gelegen-heit möchte ich mich bei allen Helfern, insbesondere beiden ehrenamtlichen, für ihren unermüdlichen Einsatzausdrücklich bedanken.
Kollege Brandt, achten Sie bitte auf die Redezeit.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich bin
sicher, dass der vorliegende Haushaltsentwurf den Auf-
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Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Danckert für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-en! Wir unterstützen die Bewerbung von München; da-it das klar ist.
ch komme nachher auf den Sport zurück.Herr Minister, zuerst ein Kompliment – einige habenchon darauf hingewiesen –: Wenn man den ersten Re-ierungsentwurf mit dem von Ihnen erarbeiteten Ent-urf vergleicht, dann stellt man sehr schnell fest, dass5 Millionen Euro mehr eingestellt sind. Die Hauptposi-ion von 44 Millionen Euro ist für die Aufstockung derittel für die Integrationskurse vorgesehen. Das ist einichtiges Zeichen; das haben schon viele Kollegen ange-prochen. Ich habe noch zwei Anmerkungen dazu: Ers-ens. Ist das wirklich bedarfsgerecht? Daran habe ich imoment noch Zweifel. Darüber können wir vielleichtei anderer Gelegenheit, zum Beispiel im Haushaltsaus-chuss, ausführlich reden. Zweitens. Bleibt diese Posi-ion nachhaltig bestehen? Wir stehen vor der schwieri-en Aufgabe, in den nächsten Jahren – das gilt schon füren nächsten Haushalt – gewaltige Summen einzuspa-en. Ich weiß nicht, ob wir darüber schon in Kürze redenönnen. Die Gesamtsumme dürfte jedenfalls rund00 Millionen Euro betragen. Ich würde es sehr begrü-en, wenn diese Position, die alle als notwendig undichtig bezeichnet haben, nicht als Sparbüchse miss-raucht wird; das wäre mein Wunsch.
Wie ich sehe, klatschen Herr Uhl und andere Unions-ollegen.Diese Integrationskurse gehen auf eine Idee der rot-rünen Koalition zurück. Sie hat damit begonnen. Dasanze wurde kritisch beleuchtet. Die Große Koalitionat das fortgesetzt. Im Jahr 2009 wurden dafür Restmit-el aus dem Haushalt in Höhe von 30 Millionen Euro zurerfügung gestellt. Nun erfolgt eine Aufstockung um4 Millionen Euro. Das ist ein richtiges Zeichen.
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1242 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 19. Januar 2010
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Dr. Peter DanckertInsgesamt hat der Einzelplan 06 ein Volumen vonrund 5,6 Milliarden Euro. Davon entfallen zwei Drittelauf den Bereich der inneren Sicherheit. Ich glaube, wirsind uns darüber einig, dass das, gemessen am Gesamt-volumen des Bundeshaushaltes, nicht zu viel, sonderneher zu wenig ist. Denn alles, was wir in Deutschlandmachen, ist auch davon abhängig, dass wir in einer si-cheren Umwelt leben können. Insofern muss man durch-aus einmal in Richtung des Parlamentarischen Staats-sekretärs Steffen Kampeter fragen, ob wir nicht etwasmehr Volumen zur Verfügung stellen müssen, um zumBeispiel die Beamten der Bundespolizei etwas attrakti-ver besolden zu können, als es jetzt der Fall ist. HerrKollege Scholz hat ja schon gesagt, dass es etliche nichtbesetzte Stellen gibt, was natürlich unmittelbar mit denPerspektiven und der Besoldung zu tun hat. Da solltenwir etwas tun.Zwei Drittel des Volumens für die innere Sicherheitwerden für die Bundespolizei eingesetzt. Ich möchte al-lerdings den Hinweis geben, dass die Stellen auch tat-sächlich besetzt werden müssen. Wir haben einen Auf-wuchs von etwa 27 Millionen Euro, davon 20 MillionenEuro für die Luftsicherheit bzw. Flugsicherheit – das istein durchlaufender Posten, weil die Kosten am Ende vonden Fluggästen bezahlt werden – und 7,5 Millionen Eurofür den Polizeieinsatz in Afghanistan.Diesen Punkt, Herr Minister de Maizière, müssen wireinmal – heute ist die Zeit dafür allerdings zu knapp –ganz intensiv diskutieren. Bei der Diskussion über denVerteidigungshaushalt stellt sich immer wieder die auchdemnächst anstehende Frage, ob man das Kontingentvon 4 500 Soldaten auf 6 000 oder wie viele Soldatenauch immer aufstocken sollte; da gibt es noch keine Vor-schläge von der Regierung. In der öffentlichen Debatteüber die Aufstockung ist untergegangen, dass wir leadnation beim Aufbau der Polizei in Afghanistan sind.Dieser Punkt ist uns sehr wichtig, weil er die zivileKomponente des Afghanistan-Einsatzes bestätigt.Es gibt erheblichen Diskussionsbedarf darüber, wiewir diese Aufgabe wahrnehmen wollen. Ich weiß imMoment noch nicht einmal ganz genau, ob die vorgese-hene Sollstärke mit der Iststärke übereinstimmt. Dasmuss man sich einmal ganz genau anschauen. Die letzteInformation lautete, dass die Iststärke der Sollstärke ent-spricht. Aber man muss sich einmal genau anschauen, obdie Einsatzzeiten der Beamten, die sich freiwillig für denEinsatz melden, wirklich zur Erfüllung des Ausbildungs-auftrags beitragen. Das ist ein schwieriges Thema.Allerdings ist unser Beitrag als lead nation wenigerals ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man ganz Af-ghanistan betrachtet. Ich sage den Beamtinnen und Be-amten, die sich freiwillig zu diesem Einsatz melden, aberausdrücklich Dank. Bei den Polizeibeamten ist das eineandere Situation als bei der Bundeswehr, in der vor allenDingen die Zeitsoldaten zum Einsatz verpflichtet werdenkönnen. Dieses Thema sollte in Kürze besprochen wer-den.Mir persönlich liegt ganz besonders am Herzen, dassdie Beamten vor Ort in Sicherheit sind und dass wirwirklich alles Menschenmögliche dafür getan haben,dfedmdewemhFagaEdkmKledFnnnsfonMbsscaZmwtg
Dann will ich ganz kurz noch etwas zum Sport sagen,
eil der Ihnen und mir am Herzen liegt.
Versuchen Sie es bitte mit dem letzten Satz.
In der letzten Legislaturperiode haben wir der Stif-ung Deutsche Sporthilfe 1 Million Euro zur Verfügungestellt. Diese Summe ist gekürzt worden, und sie soll
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Dr. Peter Danckertdurch Einnahmen einer Art Bürgerbewegung ersetztwerden, an deren Spitze Sie sich gestellt haben. Man er-wartet 20 000 Bürger mit einem Beitrag in Höhe von je3 Euro. Ob das ausreicht, weiß ich nicht. Wir sollten die1 Million Euro weiterhin bereitstellen, und wenn sichdas Konzept der Bürgerbewegung bewährt, dann kannman das Ganze neu überdenken.Eines begrüße ich außerordentlich.
Kollege Danckert, das müssen wir jetzt in die weitere
Beratung des Haushalts verlagern. Sie müssen jetzt bitte
zum Schluss kommen.
Es ist im Moment gar kein Saaldiener da, der mich
von hier wegschleppen kann.
Das wäre nun noch schöner, wenn wir das nicht ge-
meinsam regeln könnten.
Mein allerletzter Satz, Frau Präsidentin. – Im Zusam-
menhang mit der Dopingproblematik haben wir die Si-
tuation, dass inzwischen 19 Verbände bei einfachen,
mittleren und schweren Verstößen – –
Ich rege an, dass die Parlamentarische Geschäftsfüh-
rung der SPD-Fraktion dem Kollegen Danckert berich-
tet, dass ich ein sehr geduldiger Mensch bin, aber jetzt
ist Schluss. Ich habe übrigens hier einen Knopf und kann
schlicht das Mikrofon ausschalten.
Ich bedanke mich für Ihre Geduld, Frau Präsidentin.
Ihr habt gesehen: Ich habe alles versucht, um den letzten
Satz noch unterzubringen.
Das Wort hat der Kollege Jimmy Schulz für die FDP-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Weil man jeden Euro nur einmal ausgebenkann, muss man ihn vorher zweimal umdrehen und danndreimal darüber schlafen. Das haben wir getan, und ichmeine, es hat sich gelohnt. Ich bin grundsätzlich mit demHaushaltsplan 2010 für den Bereich des BMI zufrieden.WfZiwnrwsdDnEdBtffBsfKasMdunrhSmGüufpImdshl1d
nstatt Aufgaben übernehmen zu müssen, die dem We-en seines Amtes zuwiderlaufen. Dafür braucht er dieittel, und dafür braucht er mehr Mitarbeiter.
Die richtigen Prioritäten zu setzen, ist heute wichtigerenn je. Eine der Prioritäten sollten wir bei der ständigennd gründlichen Überprüfung von Sicherheitsmaß-ahmen setzen. Insbesondere im Kampf gegen den Ter-or muss gelten, dass wir abwägen, ob ein Mittel über-aupt das richtige ist. Ich möchte deshalb an diesertelle vor allzu großen Hoffnungen warnen, die vonanchen in diesen Tagen in Nacktscanner der zweiteneneration gesetzt werden. Wir sollten uns sehr genauberlegen, ob wir solche Geräte überhaupt brauchen
nd ob die einzelnen Modelle die an sie gestellten An-orderungen erfüllen. Erst dann sollten wir in die Test-hase eintreten.
Die wichtigste Priorität sehe ich in der Förderung dernformations- und Mediengesellschaft. Ich macheich stark für ein freies Internet mit einem Zugang fürie gesamte Gesellschaft. Dazu gehört unverzichtbar eintarker Datenschutz.Wir im Bundestag haben jetzt eine Chance, mit derier endlich vertretenen Kompetenz in einen neuen Dia-og mit der Netzgemeinde zu treten. Sie erinnern sich:34 000 Bürgerinnen und Bürger haben im letzten Jahrie Petition gegen das Internet-Sperren-Gesetz gezeich-
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Jimmy Schulznet. Ich war einer von ihnen. Zum ersten Mal seit elfJahren stehen wir nun an der Schwelle zu mehr anstattweniger Freiheit. Lassen Sie uns die Chance gemeinsamnutzen.Sehr glücklich bin ich übrigens – Sie verzeihen mireinen thematischen Schwenk – über die im Koalitions-vertrag verankerte Förderung der gemeinsamen Bewer-bung für die Winterspiele 2018 von München, Gar-misch-Partenkirchen und – meiner zweiten Heimat –dem Berchtesgadener Land. Wir haben 2006 bewiesen,dass wir sportliche Großereignisse stemmen können,und wir haben bewiesen, dass die Begeisterung für Sportund das gemeinsame Erleben von großen Leistungen dieMenschen quer durch alle Schichten der Gesellschaft zu-sammenbringen kann. Ich erhoffe mir neben der Außen-wirkung und dem touristischen Aufschwung vor allemeine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.Die Bewerbung hat die Unterstützung von Bund undLändern verdient. Dies hat auch dieses Haus in der letz-ten Legislaturperiode durch einen interfraktionellen An-trag bestätigt.Wenn wir beim Haushalt 2010 nach zweimal Umdre-hen und dreimal Darüber-Schlafen die richtigen Prioritä-ten gesetzt haben – davon bin ich überzeugt –, dann, sehrgeehrte Kolleginnen und Kollegen, haben wir in Zukunftkeine schlaflosen Nächte.Vielen Dank.
Kollege Schulz, auch Ihnen gratulieren wir zu Ihrer
ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünschen Ih-
nen weiterhin viel Erfolg in Ihrer Arbeit.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Mittwoch, den 20. Januar 2010,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.