Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich,wünsche Ihnen einen guten Tag und uns zusammen gute,zielführende Beratungen.Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12:Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbe-auftragtenJahresbericht 2004
– Drucksache 15/5000 –Überweisungsvorschlag:VerteidigungsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich erteile zunächst dem Wehrbeauftragten des Deut-schen Bundestages, Herrn Reinhold Robbe, das Wort.Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des DeutschenBundestages:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der heute zur Beratung anstehendeJahresbericht 2004 ist der letzte, der noch unter meinemMdGdsBivSFtstmBdutJRedetVorgänger Dr. Willfried Penner entstanden ist. Die be-sonderen Verdienste von Willfried Penner sind anläss-lich seiner Verabschiedung gerade auch hier im deut-schen Parlament von allen Seiten gewürdigt worden.Gestatten Sie mir an dieser Stelle, Willfried Pennerdarüber hinaus noch einmal persönlich meinen aus-drücklichen Dank für seine Arbeit auszusprechen.
Er hat mir den Einstieg in meine neue Aufgabe ganz we-sentlich erleichtert. Beim Amtsantritt fand ich ein gutbestelltes Haus mit engagierten und fachkundibeiterinnen und Mitarbeitern vor. Auch ihnendieser Stelle ganz ausdrücklich für ihre Undanken.
Der Jahresbericht 2004 ist in erster Linie wieder einängelbericht. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollstän-igkeit und bietet kein Abbild der Bundeswehr in ihreränze. Er zeigt aber durchaus Entwicklungen und Ten-enzen auf, die Anstoß für parlamentarisches Handelnein können.Ungeachtet des grundsätzlichen Befundes, dass dieundeswehr insgesamt eine gute Truppe ist, würde ichm Ganzen gesehen meinen verfassungsmäßigen Auftragerfehlen, wenn ich nicht auch im Jubiläumsjahr dertreitkräfte an dieser Stelle auf Mängel, Missstände,ehlverhalten und Defizite hinweisen würde. Die Solda-en und Soldatinnen leben heute im Spannungsfeld zwi-chen vermehrten sicherheitspolitischen Notwendigkei-en und aus meiner Sicht zu knapp bemessenen – dasuss man ganz deutlich sagen – Haushaltsmitteln.Die Soldatinnen und Soldaten waren imerichtsjahr 2004 äußerst gefordert, teilweise bis überie Grenze des Zumutbaren hinaus. Personelle Engpässend daraus resultierende Doppel- und Mehrfachbelas-ungen bestimmen den Truppenalltag, und zwar imahr 2004 genauso wie heute. Bei vielen herrscht großerextUnmut darüber, dass von ihnen die Bereitschaft zur Lan-desverteidigung sowie ein Beitrag zur Sicherung desFriedens und der Menschenrechte von Khartoum bis Ka-bul erwartet werden, während sie und ihre Familiengleichzeitig empfindliche finanzielle Einbußen erfahrenmüssen. Die Liste reicht von einer unterschiedlichenBesoldung in Ost und West über den Wegfall des Ur-laubsgeldes bis hin zu Einschnitten beim Weihnachts-geld. „Mehr Leistung, weniger Geld“ – auf diese kurzeFormel hat ein Soldat bei einem meiner Truppenbesucheseinen Unmut gebracht.Das Rückgrat der Armee wird nicht von gut besolde-ten Generalen und Stabsoffizieren gebildet, sondern vonnteroffizieren, die zusammen mit den und Mannschaften den mittleren unddungsgruppen angehören, wie wir allegen Mitar- will ich anterstützungden Portepee-UUnteroffizierenniederen Besolwissen.
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Wehrbeauftragter Reinhold RobbeSeit 15 Jahren werden die Streitkräfte nun von tiefgreifenden Veränderungen in Atem gehalten. Von keineranderen Berufsgruppe in unserer Gesellschaft ist im letz-ten Jahrzehnt so viel an Veränderung erwartet wordenund keine andere Gruppe hat dies mit größerer Profes-sionalität und dabei mit so wenig Protest bewältigt wieunsere Soldatinnen und Soldaten. Ebenso wie mein Vor-gänger sage ich: Die Streitkräfte brauchen dringend einePhase der Konsolidierung und Erholung. Ihre Angehöri-gen brauchen endgültige Planungssicherheit.Aus der Fülle der Erkenntnisse des vorliegenden Jah-resberichts 2004 möchte ich in aller gebotenen Kürze ei-nige wichtige Elemente herausgreifen, ohne dabei dieübrigen Anliegen geringer einschätzen zu wollen. Ichnenne die einzelnen Stichworte.Stichwort „Bundeswehr im Einsatz“: Den Soldatin-nen und Soldaten ist bewusst, dass sie unter schwierigenUmständen Dienst leisten müssen. Sie wissen, dass ihrDienst jeden Tag mit Gefahren verbunden ist. Der Ge-danke an Verwundung und Tod ist vielen – zumindestunterschwellig – ein ständiger Begleiter. Gleichwohl er-füllen sie ihre Aufgabe hoch motiviert und engagiert.Dafür gebührt den Soldatinnen und Soldaten Dank undAnerkennung. Das sage ich, glaube ich, im Namen desgesamten Hauses.
Umso mehr gilt die Verpflichtung, alles dafür zu tun,den größtmöglichen Schutz durch beste Ausbildung undAusrüstung, eine exzellente Sanitätsfürsorge einschließ-lich einer optimalen Rettungskette, eine fürsorgliche Be-treuung auch der Familienangehörigen und die bestmög-liche soziale Absicherung zu gewährleisten. Dieschrecklichen Anschläge auf Bundeswehrsoldaten imBerichtsjahr wie auch danach haben uns allen vor Augengeführt, wie wichtig diese Forderungen sind.Manche Soldaten stellen die Frage nach der Sinnhaf-tigkeit der Einsätze. Hier ist der Dienstherr gefordert, derStellung bezieht und Zweifel ausräumt; denn es geht umnicht weniger als das Vertrauen in die Entscheidungenvon Regierung und Parlament. Verweise auf Bundes-tagsbeschlüsse oder Broschüren des Einsatzführungs-kommandos reichen an dieser Stelle nicht aus. Beson-dere Bedeutung kommt hier dem Instrument derpolitischen Bildung in der Bundeswehr zu. Von Ange-sicht zu Angesicht gilt es zu vermitteln, warum und mitwelchem Ziel Deutschland in Bosnien, im Kosovo, inAfghanistan, am Horn von Afrika, in Georgien, inEritrea und im Sudan Verantwortung übernommen hat.Stichwort „Personalwesen“: Dieser Bereich macht eingutes Drittel der Eingaben aus und bildet den Schwer-punkt der Gespräche mit den Soldaten. Beförderungs-wesen, Beförderungsstrategien, fehlende Weiterver-pflichtungsmöglichkeiten, Versetzungen, unzulänglicheAntragsbearbeitung, Probleme beim Berufsförderungs-dienst sowie bei der zivilen Aus- und Weiterbildung,Personalgewinnung – auch aus der Truppe heraus – undStellenbesetzungshoheit, das sind die Themen, die denSoldatinnen und Soldaten schwer im Magen liegen. DasAVofuithedskrnTmCdfsssaiC1doagldSelAwdnrVvT
Sie haben es nicht verdient, unter Generalverdachtgestellt und damit gesellschaftlich geächtet zu wer-den. Ganz im Gegenteil: Sie sind rechtstreu undversehen einen wichtigen Dienst für die Bundes-wehr und die Soldaten.Stichwort „Rechtsextremismus“: Der Bericht nennt34 besondere Vorkommnisse, wie es heißt, mit Ver-acht – ich betone: Verdacht – auf rechtsextremistischender fremdenfeindlichen Hintergrund. In der Masse derufgeklärten Fälle handelt es sich um so genannte Propa-andadelikte, zu über 60 Prozent von Grundwehrdienst-eistenden begangen. Überwiegend hat die Bundeswehrarauf angemessen und richtig reagiert.Stichwort „Soldatenbetreuung“: Die Betreuung deroldatinnen und Soldaten im Inland und im Einsatz istin wesentliches Element der Fürsorgepflicht. Die kirch-ichen Arbeitsgemeinschaften mit ihrem übergreifendenngebot in Form von Betreuungseinrichtungen – Stich-ort „Oase“ – verdienen nicht nur Anerkennung, son-ern auch volle Unterstützung.Meine Damen und Herren, die Themen, die ich hierur kurz aufgreifen kann, werden sich auch in dem Be-icht, den ich Ihnen im März 2006 erstmals in eigenererantwortung vorlege, allesamt wiederfinden. Nur soiel vorweg: Das Eingabeaufkommen ist bei gesunkenerruppenstärke im Prinzip unverändert hoch.
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Wehrbeauftragter Reinhold RobbeAus aktuellem Anlass und unabhängig vomJahresbericht 2004 will ich abschließend die Gelegen-heit nutzen, auf einen besonderen Aspekt hinzuweisen:Nicht allen Teilen der Öffentlichkeit und offensichtlichauch des Parlaments ist bewusst, dass beim deutschenBundesnachrichtendienst auch Soldaten tätig sind unddort wichtige und nach Auffassung der Verantwortlichenunverzichtbare Aufgaben erfüllen. Ohne den Sachver-stand und ohne die speziellen Fähigkeiten der Soldatenkönnte der BND seine Aufgabe nicht im erforderlichenUmfang und in der gebotenen Qualität wahrnehmen. Ge-rade diese Soldaten, um die ich mich als Wehrbeauftrag-ter ebenfalls zu kümmern habe, stehen aus meiner Sichtebenso wie ihre regulär eingesetzten Kameraden bei derBundeswehr in der Fürsorge ihres Dienstgebers und ins-besondere auch des deutschen Parlaments. Auch dieseSoldaten beim Bundesnachrichtendienst haben die be-rechtigte Erwartungshaltung – insofern mache ich michan dieser Stelle zum Sprachrohr –, dass ihre Leistungenund besonderen Verdienste gewürdigt und anerkanntwerden. Auch diese Soldaten dürfen mit Recht erwarten,dass sie gegen unbegründete Verdächtigungen in Schutzgenommen werden. Ich sage das an dieser Stelle mit Be-dacht und verbinde das mit der herzlichen Bitte, bei dennotwendigen Debatten nicht zu vergessen, dass geradedie zivilen und militärischen Angehörigen des BNDganz besonderen persönlichen Gefahren und Gefährdun-gen ausgesetzt sind.
Gestatten Sie Ihrem ehemaligen Kollegen und demjetzigen Wehrbeauftragten zum Abschluss ein persönli-ches Wort. Ich freue mich, dass der neue Präsident desDeutschen Bundestages ein offenes Ohr und auch einHerz für die Belange der Bundeswehr hat. Ich sage dasmit Nachdruck und mit großer Dankbarkeit. Die Zusam-menarbeit mit ihm und mit dem gesamten Präsidium desDeutschen Bundestages erweist sich jetzt als wohltuend.Das gilt im Übrigen auch für den gesamten Verteidi-gungsausschuss. Auch an die ehemaligen Kolleginnenund Kollegen und an die neuen Mitglieder des Verteidi-gungsausschusses geht mein herzlicher Dank für diegute Aufnahme und wirklich freundschaftliche und kon-struktive Zusammenarbeit.Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Deutsche Bun-destag im März 2006 nicht um persönlicher Eitelkeitenwillen – darauf will ich ausdrücklich hinweisen –, son-dern in dem Wissen um die Notwendigkeit der Institu-tion Wehrbeauftragter das 50-jährige Bestehen des Ver-fassungsinstituts Wehrbeauftragter in angemessenerWeise würdigen sollte.Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass nur wirin Deutschland über diese Institution, über dieses Amtverfügen. Nur wir messen dieser Funktion einen so ho-hen Stellenwert bei. Dass wir über diese Institution seit50 Jahren verfügen, ist ein Grund, ein wenig zu feiern.Ihnen allen, meine Damen und Herren, namentlichauch der Bundesregierung unter unserer neuen Bundes-kanzlerin Frau Dr. Merkel und auch dem Bundesvertei-digungsminister Dr. Franz Josef Jung, biete ich eine ver-tawmtmfAnIhAidtvbfZnFdlnBtWRwzPlsNSrDb
Herr Kollege Robbe, Sie haben gerade mit Zustim-
ung des ganzen Hauses den Soldatinnen und Soldaten
ür ihre Arbeit gedankt. Ich möchte gern vor Eintritt in die
ussprache – sicher ebenfalls im Namen des Hauses – Ih-
en und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für
hre Arbeit danken. Ich habe vor Weihnachten Gelegen-
eit gehabt, mir einen persönlichen Eindruck von der
rbeit dieser Institution zu machen. Meine Vermutung
st bestätigt worden, dass die Motivation und der Einsatz
er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wehrbeauf-
ragten des Deutschen Bundestages ähnlich eindrucks-
oll sind, wie Sie es gerade zu Recht von den Soldaten
erichtet haben.
Im Übrigen ist Ihre Vermutung über meine Sympathie
ür Ihre Arbeit begründet, was sich in dem großzügigen
uschlag für Ihre Redezeit sofort bestätigt hat.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
ächst der Kollegin Anita Schäfer für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-eskanzlerin, es ist das erste Mal, dass ein Bundeskanz-er oder eine Bundeskanzlerin an dieser Debatte teil-immt. Herzlichen Dank, dass Sie da sind!
Im Herbst 2005 konnten wir auf 50 erfolgreiche Jahreundeswehr zurückblicken. Die Bundeswehr ist ein fes-er Anker unserer Demokratie. Dazu hat das Amt desehrbeauftragten entscheidend beigetragen. Lieber Herrobbe, wir von der Unionsfraktion werden mit Ihnenie schon mit Ihrem Vorgänger gut und vertrauensvollusammenarbeiten.Als Parlamentarier müssen wir uns den kritischenunkten im aktuellen Bericht des Wehrbeauftragten stel-en. Gemessen an der Truppenstärke der Bundeswehrind 6 154 Eingaben ein Maximum. Anders ausgedrückt:och nie hatten so wenige Soldaten so viele Sorgen.Im Jahre 2004 waren durchschnittlich 6 900 deutscheoldaten im Auslandseinsatz, viele von ihnen in risiko-eichen Regionen wie dem Kosovo oder Afghanistan.ie Soldaten benötigen einen klaren und nachvollzieh-aren Maßstab bei sicherheitspolitischen Entscheidun-
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Anita Schäfer
gen. Insbesondere muss der Sinn von Einsätzen ausSicht der Soldaten erkennbar sein und erklärt werdenkönnen.Der Bericht von 2004 nimmt hier kein Blatt vor denMund. Mögliche Erweiterungen von Auslandseinsätzenwerden in der Truppe kritisch gesehen. InsbesondereSpezialisten wie Sanitäter, Pioniere, Logistiker undFernmelder sehen keinen Spielraum für weitere Ein-sätze.Was folgt aus diesem Befund? Das sprunghafte Rea-gieren auf Krisen, der Rückgriff auf die Streitkräfte ohneRücksicht auf begrenzte Kapazitäten ist kontraproduktiv.Wir benötigen eine Sicherheitspolitik aus einem Gussmit klaren Einsatzkriterien. Dieser überfälligen Heraus-forderung stellt sich die große Koalition. Wir werden un-ter Federführung des Verteidigungsministers ein Weiß-buch vorlegen, um Sicherheitspolitik transparenter zugestalten. Mehr Planungssicherheit für die Streitkräfteerfordert außerdem eine klare Ausrichtung unsererWehrverfassung. Deswegen ist es zu begrüßen, dassMinister Jung an der Wehrpflicht festhalten will.Soldat ist kein Beruf wie jeder andere. Der Soldat istein besonderer Leistungs- und Risikoträger im Einsatzfür unser Land. Darauf hat Bundespräsident HorstKöhler in seiner bedeutenden Rede auf der 40. Kom-mandeurtagung eindringlich hingewiesen. Deswegenmuss der Staat eine besondere Fürsorgepflicht erfüllen.Das betrifft vor allem die materielle Ausstattung und Be-soldung, die Organisation und Rechtsklarheit im Dienstsowie die soziale Absicherung der Soldaten und ihrerAngehörigen.Die Besoldungsstruktur muss unter zwei Gesichts-punkten auf den Prüfstand: Erstens. Es ist eine längstüberfällige Entscheidung, die Soldatengehälter in denneuen Bundesländern dem Westniveau anzupassen.
Zweitens. Es kann nicht sein, dass die Auslandszulagenfür einen deutschen Soldaten in Afghanistan auf demgleichen Niveau wie für einen in Brüssel tätigen deut-schen Beamten liegen.
Hier müssen wir zu Lösungen kommen, die den beson-deren Risiken von Einsatzsoldaten gerecht werden.Handlungsbedarf sehe ich auch bei der inneren Orga-nisation und Rechtsklarheit im Dienst. Viele Eingabenweisen auf eine undurchsichtige Beförderungssituationin der Truppe hin. Mehr Flexibilität in der Laufbahnge-staltung ist zwar lobenswert; sie darf aber nicht zu In-transparenz und Ungerechtigkeit im Beförderungssys-tem selbst führen. Ich zitiere aus dem Bericht desWehrbeauftragten:Bei vielen Soldaten des Heeres ist Vertrauen in dieVerlässlichkeit und die Kontinuität der Personalpla-nung verloren gegangen.Diese Entwicklung demotiviert die Truppe und scha-det der Einsatzbereitschaft. Hier müssen wir dringendgaawddgslzuDdzEbsvVnbJTtJswzGddSialmuddTfauSgvtt
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Für die FDP-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Elke
Hoff.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolle-ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wehrbeauf-tragter! Für die Vorlage des 46. Wehrberichts danke ichIhnen und vor allen Dingen Ihren Mitarbeiterinnen undMitarbeitern. Ich wünsche Ihnen für Ihre neue Aufgabeein stets kritisches Auge und aufmerksames Ohr für un-sere Soldatinnen und Soldaten.Ich darf Ihnen in Namen der FDP-Fraktion eine ver-trauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit anbieten.
Sie ermöglichen es den Mitgliedern des Deutschen Bun-destages, sich zumindest ansatzweise ein ungeschmink-tes Bild von dem inneren Zustand der Truppe zu ma-chen, ohne, um es mit den Worten des Wehrberichtesauszudrücken, den „Weichspülprozessen“ der politi-schen und militärischen Führung unterworfen zu wer-den.Allerdings reden wir heute über den Bericht aus demJahre 2004. Es ist zu hoffen, dass einige der beklagtenMissstände inzwischen beseitigt wurden. In Ihremnächsten Bericht für das Jahr 2005 werden wir es sehen.Die Zahl der Eingaben ist nach wie vor konstant hochund, gemessen an der durchschnittlichen Truppenstärke,haben wir sogar das höchste Eingabeaufkommen seitBestehen Ihres Amtes. Darin spiegelt sich auch ein er-heblicher Unmut über die massiven Veränderungspro-zesse bei der Bundeswehr wider. Es ist nachvollziehbar,dass für viele Betroffene die Grenzen des Mitmachen-könnens und des Mitmachenwollens irgendwann er-reicht sind und dies auch artikuliert wird.Einige Entwicklungen in der Bundeswehr sind den-noch erfreulich und für die Motivation unverzichtbar. Soist mit dem Einsatzversorgungsgesetz für unsere Solda-tinnen und Soldaten und für deren Familien endlich dienötige Sicherheit bei leider nicht immer zu vermeiden-den Unfällen im Einsatz gefunden worden. Der Forde-rung der FDP nach kürzeren Einsatzzeiten wurde nachlangem Widerstand endlich entsprochen. Die Verkür-zung auf vier Monate ist ein wichtiger Schritt. Aller-dings muss dann den rückkehrenden Soldatinnen undSoldaten auch die Möglichkeit eröffnet werden, zwi-sssrlFdeaAwmdtfdEwWnCddifggehsRtvDfdglukneulevs
Größten Anlass zu Beschwerden gaben Probleme beier Menschenführung und bei Personalangelegenheiten.s ist daher völlig richtig, wenn im Bericht darauf hinge-iesen wird, dass – ich zitiere – „die Achtung derürde, Ehre und Rechte Untergebener für Vorgesetzteicht disponibel“ ist. Einzelfälle wie beispielsweise inoesfeld dürfen den ansonsten tadellosen Ruf der Bun-eswehr in der Öffentlichkeit nicht beschädigen. Hier istie innere Führung dauerhaft gefordert.Die Transformation der Bundeswehr zu einer Armeem Einsatz ist unumkehrbar. Wenn internationale Kon-liktverhütung und Krisenbewältigung sowie der Kampfegen den Terrorismus ein zentrales politisches Anlie-en sind, dann darf diese Akzentsetzung aber nicht zuiner Überdehnung von Aufträgen führen. Es ist nichtinnehmbar, dass mit der Verabschiedung des Luft-icherheitsgesetzes der Boden für eine grundlegendeechtsunsicherheit bei den betroffenen Bundeswehrpilo-en bereitet wurde, wie dies auch aus dem Bericht her-orgeht.
ie FDP-Bundestagsfraktion hält dieses Gesetz für ver-assungswidrig und begrüßt, dass es nunmehr vom Bun-esverfassungsgericht auf den Prüfstand gestellt wird.Dass es auch anders geht, hat die von der FDP maß-eblich initiierte Entscheidung für ein Parlamentsbetei-igungsgesetz gezeigt. Es schafft Rechtssicherheit fürnsere eingesetzten Soldatinnen und Soldaten und stelltlar, dass die Entscheidung über das Ob und das Wie ei-es Auslandseinsatzes die verantwortliche Entscheidunginer breiten Mehrheit des Deutschen Bundestages istnd bleiben wird.
Der vorliegende Bericht des Wehrbeauftragten machteider erneut deutlich, dass die Bundeswehr weit davonntfernt ist, für ihre anspruchsvollen Aufgaben gut undor allen Dingen modern ausgerüstet zu sein. Viele Ka-ernen befinden sich nach wie vor in einem beklagens-
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Elke Hoffwerten Zustand. Unsere Soldatinnen und Soldaten kön-nen ihr Gerät häufig erst in einem gefährlichen Einsatzselbst ausprobieren, nach dem Motto: Wenn wir schonneues Gerät haben, dann soll es nicht zu Hause herum-stehen. Solche Zustände sind nicht hinnehmbar.
Unsere Soldaten können und müssen bei ihren gefähr-lichen Einsätzen erwarten, dass ihnen eine fundierteAusbildung am Gerät die nötige Sicherheit und Selbst-sicherheit für die reibungslose Abwicklung ihres Aus-landsauftrages vermittelt. Denn nur wer sich sicher fühlt,kann auch sicher handeln.
Deshalb bedarf es eines hohen Maßes an professio-neller Zuwendung bei der Vorbereitung und Nachberei-tung von Auslandseinsätzen. Ich finde diejenigen Schil-derungen des Wehrbeauftragten alarmierend, die sichmit den Problemen bei der Sinnfindung und der Reinte-gration unserer Soldatinnen und Soldaten bei Auslands-missionen befassen. Jeder Auslandseinsatz muss auf ei-nem klaren politischen und strategischen Konzeptberuhen.
Nicht zu übersehen ist auch, wie die bundesdeutscheBürokratie den Truppenalltag behindern kann. Dienst-vorschriften, die gerade in Auslandseinsätzen zu skurri-len und oft zu behindernden Situationen führen – von derMülltrennung bis zur ASU-Plakette –, müssen den spe-ziellen Anforderungen vor Ort angepasst werden.
Da sich die Partner der großen Koalition den von derFDP immer wieder geforderten Bürokratieabbau nun-mehr ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben haben,können sie zum Wohle unserer Soldatinnen und Soldatenjetzt und sofort zeigen, wie ernst es ihnen damit ist.
Auch ich möchte unseren Soldatinnen und Soldatenund auch deren Familien für ihren großartigen Einsatzzum Wohle unseres Landes danken und ihnen alles Gutefür das neue Jahr 2006 wünschen.Danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Kollegin Hoff, das war Ihre erste Rede im Deut-
schen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratulieren
möchte,
verbunden mit allen guten Wünschen für die weitere Ar-
beit. Diese können Sie umso besser leisten, je tapferer
Sie der Versuchung widerstehen, die Ihnen so freundlich
überreichten Präsente gleich im Plenum auszuprobieren.
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Das Wort hat nun der Kollege Paul Schäfer für die
Fraktion Die Linke.
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Immer wieder ist die Klarstellung notwendig, dasswir es bei dem Bericht des Wehrbeauftragten mit einemMängelbericht zu tun haben, der selbstverständlichnicht einfach ein Abbild des inneren Zustandes der Bun-deswehr ist. Nichtsdestoweniger ist es inzwischen guteTradition der Wehrbeauftragten, mehr daraus zu machen.Er ist nämlich in erheblichem Maße auch ein Stim-mungsbericht, der wesentliche Herausforderungen be-nennt.vvKsscgZvdt–dsdAimsmgitIEvSdhnPPuwpigMnVEKdSmraduüDbAsmbd
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Das Wort hat nun der Bundesminister der Verteidi-gung, der Kollege Franz Josef Jung.Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-gung:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich möchte zunächst dem Wehrbeauftragten – eshandelt sich heute um den Bericht aus dem Jahr 2004;damals war es noch der Kollege Penner – auch im Na-men der Bundesregierung für seine Arbeit herzlich dan-ken. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankeich.Wir haben – Kollege Robbe hat gerade darauf hinge-wiesen – die Institution des Wehrbeauftragten 1956 indie Verfassung aufgenommen. Das liegt nun 50 Jahre zu-rück. Dies war eine gute und richtige Entscheidung. Eswar sogar eine hervorragende Entscheidung, weil sichdie Bundeswehr damit in der konstruktiven, kritischenBegleitung durch den Wehrbeauftragten positiv weiter-entwickeln konnte. Deshalb bin ich dankbar für die Ar-beit, die der Wehrbeauftragte leistet.
Die Erfolgsgeschichte der Bundeswehr ist auch mitder Praxis der inneren Führung verbunden. Das sindggKntlcsfugkmdKdsttdhvmSSmwttGBeubSsTddfgaiMD–s
Nichtsdestotrotz ist es wahr, dass im Jahr 2004 deröchste Stand an Eingaben an den Wehrbeauftragten zuerzeichnen war. Deshalb muss man sich inhaltlich da-it auseinander setzen.Das zeigt zweierlei:Erstens. Der Wehrbeauftragte hat das Vertrauen deroldatinnen und Soldaten.Zweitens. Der Transformationsprozess fordert dieoldatinnen und Soldaten aber offensichtlich auch un-ittelbar heraus; ihnen wird viel abverlangt. Deshalbird darauf hingewiesen.Ich glaube – das Jahr 2004 war ja auch mit den Sta-ionierungsentscheidungen verbunden –, es war rich-ig, dass wir in der Koalition vereinbart haben, imrundsatz an diesen Beschlüssen festzuhalten; denn dieundeswehr braucht jetzt Planungssicherheit. Hier musstwas Ruhe einkehren, um dadurch für die Soldatinnennd Soldaten insgesamt eine positive Entwicklung zuewirken.Meine sehr verehrten Damen und Herren, denchwerpunkt des Jahresberichts 2004 bilden die Men-chenführung und die Personalangelegenheiten. Dashema Coesfeld ist bereits angesprochen worden. Dieortigen Vorgänge wurden konsequent aufgeklärt undie notwendigen dienstrechtlichen Maßnahmen getrof-en. Aber das sind Ausnahmefälle, die man, wie ichlaube, nicht verallgemeinern darf. Dennoch müssenuch weiterhin die notwendigen Konsequenzen für diennere Führung gezogen werden.Innere Führung heißt für uns: Der Mensch steht imittelpunkt, auch in seiner soldatischen Verpflichtung.eshalb sind die Themen, die hier angesprochen wurden die Betreuung, die Fürsorge, die Besoldung, die Ver-orgung und die Vereinbarkeit von Familie und Dienst –,
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungfür die Soldatinnen und Soldaten wichtig. Es ist nichtnur eine Aufgabe der Bundeswehr, sondern auch eineAufgabe von Gesellschaft und Politik, hier die entspre-chenden Akzente zu setzen.Da vorhin unter anderem die Besoldungsregelungenangesprochen wurden, sage ich Ihnen: Wir müssen– auch wenn wir in den Haushaltsberatungen darübersprechen – gemeinsam die notwendigen Grundlagen da-für schaffen, dass die Soldatinnen und Soldaten ihrerVerantwortung gerecht werden können, ihre Einsätze po-sitiv verlaufen und sie insbesondere ihre friedenssichern-den Funktionen erfüllen können.
Meine Damen und Herren, wenn ich sage, der Grund-satz der inneren Führung bedeutet, dass der Mensch imMittelpunkt steht, dann muss dieser Grundsatz, wie ichfinde, erst recht im Umgang mit im Einsatz verletztenSoldaten gelten. Ich denke, es ist geradezu eine Fürsor-geverpflichtung, die wir haben, für Soldatinnen und Sol-daten, die im Einsatz verletzt werden und erheblicheBeeinträchtigungen ihrer Gesundheit erleiden, die Vo-raussetzungen zu schaffen, dass sie die Chance haben, inder Bundeswehr weiterverwendet zu werden, statt insAbseits gestellt bzw. in die Arbeitslosigkeit entlassen zuwerden. Derjenige, dessen Gesundheit im Rahmen einesEinsatzes beeinträchtigt wurde, hat, denke ich, einen An-spruch darauf, dass ihm Staat und Bundeswehr helfen.Wir müssen den Betroffenen unserer Fürsorgepflichtentsprechend die Chance der Weiterbeschäftigung ge-ben. Auch diesbezüglich arbeiten wir an einer entspre-chenden Initiative. Für Ihre Unterstützung unserer ge-setzgeberischen Initiative in diesem Bereich wäre ichIhnen dankbar.
Ich könnte noch verschiedenste Punkte ansprechen,will aber nur noch schlagwortartig etwas zu der Beteili-gung sagen. Ich denke, dass diese Frage vor allem nachdem Kriterium eines effektiven Einsatzes zu beurteilenist und dass dieser Bereich im Zusammenhang mit demTransformationsprozess weiterzuentwickeln ist. Hiermüssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um insbe-sondere das Thema innere Führung voranzutreiben.Ich wünsche mir – ich glaube, das ist auch notwendig;deshalb bin ich dafür dankbar, dass es für die Bundes-wehr weiterhin eine breite parlamentarische Unterstüt-zung gibt –, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen,dass die notwendigen Grundlagen geschaffen werden,damit die Soldatinnen und Soldaten ihre wichtige frie-denssichernde Aufgabe erfüllen können.Ich möchte noch das aufgreifen, was der Wehrbeauf-tragte gesagt hat, und ihm für das, was wir im Hinblickauf unsere Zusammenarbeit bereits besprochen haben,ebenfalls danken. Das ist, denke ich, eine gute Grund-lage dafür, dass sich die Bundeswehr weiterhin positiventwickelt. In diesem Sinne bitte ich auch Sie für die Zu-kunft um Ihre Unterstützung.dKWDnmbLghddsAv6uwsliakSaAvgdksUtuhEskKnshkBs1
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
ie Kollegin Petra Heß, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wie bereits erwähnt, ist der 46. Bericht desehrbeauftragten der letzte in der Amtszeit vonr. Willfried Penner, dem ich hiermit auch namens mei-er Fraktion noch einmal ganz ausdrücklich dankenöchte für seine erfolgreiche und sehr engagierte Ar-eit.Der Bericht gibt ein umfassendes Bild der innerenage der Bundeswehr wieder. Da es sich um einen Män-elbericht handelt, ist er nicht repräsentativ für die Ver-ältnisse in der Bundeswehr. Er zeigt aber ganz klar undeutlich, welche Defizite es in bestimmten Bereichener Truppe gibt. Gemessen an der durchschnittlichen Jahrestruppen-tärke ist, wie aus dem Bericht hervorgeht, das höchsteufkommen an Eingaben seit Bestehen des Amtes zuerzeichnen. Insgesamt wurden im Jahr 2004154 Vorgänge erfasst. Die hohe Zahl der Eingaben istnter anderem darin begründet, dass sich die Bundes-ehr im umfangreichsten Reformprozess seit ihrem Be-tehen befindet und gleichzeitig mehr Soldaten in Aus-andseinsätzen ihren Dienst verrichten als jemals zuvorn der Geschichte der Bundesrepublik. Er zeigt aber auchuf, dass das Prinzip der inneren Führung in den Streit-räften funktioniert und dass unsere Soldatinnen undoldaten eben keine Scheu haben, sich an den Wehrbe-uftragten zu wenden.Die Bundeswehr hat bewiesen, dass sie den erhöhtennforderungen gewachsen ist. Dennoch ist es nicht zuermeiden, dass es in bestimmten Bereichen Defiziteibt. So führt der Bericht unter anderem aus, dass dieienstliche Belastung der Ärzte an Bundeswehrkran-enhäusern weiterhin sehr hoch ist. Konkret haben bei-pielsweise Ärzte aus dem Bundeswehrkrankenhauslm darauf aufmerksam gemacht, dass sie Wochenleis-ungen zwischen 80 und 100 Stunden erbringen müssen,m die Schließung von OP-Sälen hier im Inland zu ver-indern. Grund hierfür ist unter anderem der verstärkteinsatz von medizinischem Personal in Auslandsein-ätzen. Mit der Reduzierung der Zahl der Bundeswehr-rankenhäuser auf künftig vier Standorte – plus einemooperationsmodell – geht eine Bündelung der medizi-ischen Ressourcen einher, die insbesondere eine bes-ere personelle Ausstattung der verbleibenden Kranken-äuser erwarten lassen. Für Entspannung wird in denommenden Jahren auch das erhöhte Aufkommen vonewerbern für die Laufbahn der Ärzte im Sanitätsdienstorgen: Es stieg von 1 247 Bewerbern im Jahr 2003 auf451 im Berichtsjahr.
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Petra HeßEin Thema, welches im Bericht des Wehrbeauftragtenleider immer wieder eine Rolle spielt, ist die unter-schiedliche Besoldung in Ost und West. Auch imBerichtsjahr 2004 wurde der Wehrbeauftragte von Sol-datinnen und Soldaten auf diese Ungleichbehandlunghingewiesen. Wir alle wissen, dass eine Angleichung soschnell wie möglich erfolgen muss. Die Bundeswehr hatseit 1990 so erfolgreich wie kaum eine andere Institutiondie innere Einheit vollzogen. Darum darf sie nicht längerdurch eine unsichtbare Mauer geteilt werden, wie siederzeit durch die unterschiedliche Besoldung zweifellosnoch vorhanden ist. Dass das Besoldungsrecht für Be-amte, Richter und Soldaten gleichermaßen gilt und auchdaher eine Sonderlösung für Soldaten kurzfristig nichtmöglich ist, ist eine Tatsache. Deshalb appelliere ich vonhier aus auch an die Länder, den angestrebten Zeitrah-men für die Angleichung – 2007 für den einfachen undmittleren Dienst; bis 2009 für die restlichen Dienstgrup-pen – unbedingt einzuhalten.Dass der Einsatz der Bundeswehr in den verschiede-nen Krisengebieten notwendig ist, zeigten nicht zuletztdie Unruhen im Kosovo im März 2004. Die gewalttäti-gen Ausschreitungen haben deutlich gemacht, dass dieRegion noch immer politisch instabil ist und schon einkleiner Funke genügt, um heftige Unruhen auszulösen.Die Bundeswehrsoldaten haben während des Einsatzesim Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr angemessen rea-giert und damit auch zum Schutz der serbischen Bevöl-kerung beigetragen. Im konkreten Fall gab es aber Defi-zite in der Kommunikation, die übrigens multinationalerArt war.Im Bericht werden aber auch Defizite bei der Vorbe-reitung und der Ausrüstung der Soldaten zur Eindäm-mung gewalttätiger Demonstrationen aufgezeigt. Esfehlte an Schutzschilden, es fehlte an Pfefferspray.Schutzschilde wurden unverzüglich beschafft. Bei Pfef-ferspray gestaltete es sich schwieriger, da hierzu eineÄnderung des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffen-übereinkommen notwendig war. Die damalige Bundes-regierung hat zeitnah reagiert und bereits im Juni 2004einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. NachBeratung und Verabschiedung hier im Plenum ist dieÄnderung im Oktober 2004 in Kraft getreten, sodassauch diese Ausrüstungslücke nunmehr geschlossen ist.Im Bericht wird ferner darauf eingegangen, dass es imBereich der Einsatzvorbereitung durch fehlendes odernicht ausreichend zur Verfügung stehendes Gerät Pro-bleme bei der Ausbildung gegeben hat. So konnten zumBeispiel in Kunduz stationierte Soldaten erst vor Ort denUmgang mit den dort eingesetzten Funkgeräten üben, dadiese während der Vorausbildung in der Heimat nichtverfügbar waren.Als weiteres Beispiel ist zu lesen, dass für die Ein-satzausbildung in der zentralen Ausbildungsstätte Ham-melburg nur drei Fahrzeuge des Typs Dingo zur Verfü-gung standen. Da unsere Einsatzkompanien im Auslandregelmäßig mit Fahrzeugen dieses Typs ausgestattetwerden, führte das zu Engpässen in der Ausbildung.Auch wenn in der Stellungnahme des Ministeriums zumBdHvdbdslIddirDawSansfPwdktuuWfctlRkaauEitMfmthis
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836 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch-and braucht endlich ein Antidiskriminierungsgesetz, umn europäische Standards anzuschließen. Wie Sie wis-en, ist die Frist für die Umsetzung der drei EU-Richtli-ien mittlerweile verstrichen. Unserem Land drohenmpfindliche Strafen. Darum ist zügiges Handeln ge-ragt. Deshalb werden wir als Grüne ein Aussitzen derroßen Koalition bei diesem Konfliktpunkt ADG auchicht hinnehmen.
Ich freue mich über die Unterstützung der Justiz-inisterin – heute in Person des Staatssekretärsartenbach – für unseren Entwurf. Wir bringen das An-idiskriminierungsgesetz erneut ein, und zwar in derorm, in der es der Bundestag im Juni 2005 bereits ein-al beschlossen hat.
ir haben der Justizministerin die Arbeit schon abge-ommen, wir haben die 40 Änderungsanträge nämlichchon eingearbeitet. Unsere Einbringung erfolgt alsoins zu eins.Über dieses Gesetz ist viel Irreführendes erzählt wor-en. Der Hamburger Justizsenator ist eigens angereistnd will beim Antidiskriminierungsgesetz anscheinendür aktive Sterbehilfe sorgen. Herr Kusch, das wird Ih-en nicht gelingen.
ass das Antidiskriminierungsgesetz Gift für die Wirt-chaft und für Hamburg ist, wie Sie gesagt haben, istoch blanker Unsinn. Großbritannien, die Niederlande,elgien, Frankreich, Schweden und Irland sind genauen Weg gegangen, den wir Ihnen jetzt vorschlagen. Ichrage Sie: Warum soll ausgerechnet die deutsche Wirt-chaft ein Recht auf Diskriminierung von Behinderten,lteren, Schwulen und Lesben erhalten? Warum? Dis-riminierung schafft keine Arbeitsplätze; das müsstenie eigentlich wissen. Diskriminierung verschwendetotenziale. Diskriminierung ist schlecht für die Wirt-chaft, schlecht für die Gesellschaft und auch schlechtür das Ansehen Deutschlands.
Kernpunkt unseres Entwurfs ist, dass wir alle Diskri-inierungsgründe sowohl im Arbeitsrecht als auch imivilrecht berücksichtigen. Nur an einem einzigen Punktehen wir über etwas hinaus, was in vielen Mitgliedstaa-en üblich ist, nämlich, dass Behinderte, Ältere, Juden,esben und Schwule vom Diskriminierungsschutz
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Irmingard Schewe-Gerigkbeim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ausge-schlossen werden. Genau das fordern die CDU/CSU unddie FDP mit ihrem Mantra einer blinden Eins-zu-eins-Umsetzung.Meine Damen und Herren, wir brauchen keine dog-matischen Formeln, wir brauchen einen intelligentenUmgang mit europäischem Recht.
– Jawohl. – Das heißt aber auch, dass wir keine neuenUngerechtigkeiten schaffen dürfen. Es wäre doch wirk-lich absurd, wenn die Abweisung eines Menschen in ei-ner Gaststätte wegen seiner Hautfarbe künftig zu Rechtverboten ist, dieses Gesetz im gleichen Fall für einenMenschen mit Behinderung aber nicht greift. Soll dennwirklich weiter gelten: Behinderte müssen leider drau-ßen bleiben? Das darf nicht sein.
– Herr Grübel, hier hätte die CDU/CSU eigentlich auchklatschen können.Dem Vernehmen nach hat die CDU/CSU der SPD inden Koalitionsverhandlungen das unsittliche Angebotgemacht, man könne über die Behinderten und die Altenvielleicht noch einmal sprechen, dafür müssten aber dieHomosexuellen und die Muslime draußen bleiben.
– Ich war nicht dabei, aber es gibt natürlich Personen,die darüber berichten, Herr Kollege. – Das wäre reineWillkür. Dann würde entlang der im Unionsweltbildgrassierenden Vorurteile nach der Methode Aschenputtel– die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen –sortiert. Ich finde, das ist brandgefährlich. Mit einer sol-chen Haltung gibt man den Menschen geradezu zur Dis-kriminierung frei.Vorurteile sind keine gute Grundlage für Gesetzge-bung. Deshalb wäre es gut, wenn wir uns an Fakten hal-ten würden. Werfen Sie einfach einmal einen Blick indie gerade veröffentlichte Studie „Deutsche Zustände“der Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer. Sie hatdeutlich herausgearbeitet: Wer zu diskriminierendemVerhalten gegenüber einer Minderheit neigt, tut das auchgegenüber anderen Minderheiten. Wer also Juden ab-lehnt, hat meist auch etwas gegen Homosexuelle, werAusländer diskriminiert, verhält sich auch gegenüberMuslimen feindselig. Gerade deshalb brauchen wir ei-nen integrierten Ansatz. Deshalb darf niemand vom Dis-kriminierungsschutz ausgegrenzt werden.Wir sind mit unserem vorgelegten Entwurf ja sehr be-hutsam. Es ist ein Gesetz mit Außenmaß und ein Aus-gleich zwischen vielen Interessen. Mit diesem Gesetznehmen wir gerade die Vertragsfreiheit ernst; denn siegilt für beide Seiten, für Angebot und Nachfrage. Men-schen dürfen am Markt nicht ausgegrenzt werden, weilswdeMAnEgtwWCJsDsngWVedGg–iAnwivdtlnn
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im letztenahr haben wir uns im Bundestag bemüht, eine rechts-taatliche Lösung zu finden, um Aufmärsche undemonstrationen von Neonazis an besonders ge-chichtsträchtigen Plätzen zu verhindern. Das heute er-eut eingebrachte Antidiskriminierungsgesetz würde da-egen die Verwaltung kommunaler und privaterohnungsbaugesellschaften zwingen, Rechtsradikalenersammlungsräume zu überlassen, wenn sie Schaden-rsatzforderungen aus dem Weg gehen wollen. Das istoch absurd.
Wir alle singen das Hohelied auf die durch Art. 5rundgesetz verbriefte Meinungsfreiheit. Nach ständi-er Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtsalle kennen das Lüth-Urteil und den Blinkfüer-Fall –st die Meinungsfreiheit nicht auf moralisch wertvolleussagen begrenzt. Art. 5 Grundgesetz schützt die Mei-ungsfreiheit und die prononcierte gesellschaftliche undirtschaftspolitische Parteinahme selbst dann, wenn siem geistigen Meinungskampf mit einem Boykottaufruferbunden ist.
Wenn die dezidierte weltanschauliche Stellungnahmeurch Art. 5 Grundgesetz erlaubt ist, selbst wenn sie un-er Umständen mit erheblichen wirtschaftlichen Nachtei-en für Dritte verbunden ist, so kann der Boykottaufrufericht gleichzeitig zum Vertragsabschluss mit den Geg-ern seiner Position gezwungen werden. Im Gegenteil:
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Dr. Jürgen GehbDer Boykottaufruf zielt ja gerade auf die Verweigerungdes Vertragsabschlusses ab.
– Ich komme gleich dazu.Der heutige Gesetzentwurf der Grünen wird erkenn-bar mit dem Ziel eingebracht, ihren früheren und unse-ren jetzigen Koalitionspartner, die SPD, vorzuführen.
Nun reicht weder meine Redezeit noch Ihre Geduld dazuaus, jede einzelne Vorschrift abzuklopfen. Der Bundesrathat in seiner Beschlussempfehlung vom 17. Juni letztenJahres – Drucksache 445/1/05; das können Sie nachle-sen – auf 14 Seiten dezidiert jede einzelne Vorschrift un-ter die Lupe genommen.Ich möchte jetzt mein Augenmerk darauf lenken, wo-hin die Fehlentwicklungen einer solchen Antidiskrimi-nierungsgesetzgebung führen. Ich beschränke mich da-bei nicht nur auf das Arbeitsrecht und das Zivilrecht,sondern ich beziehe mich auch auf das Verfassungsrechtund die europäische Rechtsetzung, die Gesellschaftspo-litik und unsere bisher doch unisono vertretenen Wert-vorstellungen.Zunächst einmal ist eine begriffliche Klarstellung ge-fordert, um nicht schon gegen eine ausufernde Verwen-dung des Etiketts „Diskriminierung“ im Nachteil zusein. Nur wer die Begriffe beherrscht, kann auch eineDiskussion beherrschen. Nach unserer geltenden Privat-rechtsordnung können bis jetzt mit der Besonderheit derGleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsleben undwenigen anderen Ausnahmen Privat- wie Geschäftsleutegrundsätzlich ihre Geschäfts- und Vertragspartner nach„Gutdünken“ wählen.
Dies zu tun, heißt nicht per se, zu diskriminieren, son-dern davon kann nur da gesprochen werden, wo Gleich-behandlung geboten ist. Lediglich im Verhältnis vonStaat und anderen Hoheitsträgern zum Bürger wird einGleichbehandlungsanspruch des Bürgers begründet, wo-bei ich zur Klarstellung sagen muss, dass der Art. 3Grundgesetz kein Gleichheitsgrundsatz ist, sondern aus-drücklich nur ein Willkürverbot mit der Folge ist, dasswesentlich Gleiches gleich, aber wesentlich Ungleichesnicht gleich behandelt werden darf.
Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht undPrivatrecht wird nach Ihrem Entwurf eines Antidiskrimi-nierungsgesetzes aufgegeben. In der Reichweite IhrerRegelung schafft sie einen Gleichbehandlungsanspruchwenn nicht aller gegen alle, so doch zumindest für denNachfrager nach Waren, Dienst- und Werkleistungen,Arbeitsplätzen oder Mieträumen gegen die Anbieter. SieuvacGwissdaumg–shrMgmFtsPeVvAGuübasgizraSv
nd wird insbesondere durch die Grundrechte der allge-einen Handlungsfreiheit und der Eigentumsgarantieeschützt. In ihnen verwirklicht sich Menschenwürdedie neuerdings auch für die Antidiskriminierungsge-etzgebung bemüht wird – nicht weniger als im Gleich-eitssatz. Deswegen ist es ebenso falsch, diese Grund-echte gegeneinander ausspielen zu wollen wieinderheiten in der Bevölkerung gegen Mehrheiten.
Die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit ist auchrundlegend für die Marktwirtschaft. Der Ordnungsrah-en, der hier gesetzt werden darf, soll dem Schutz derreiheit und anderen Rechtsgütern dienen, nicht der par-iellen Abschaffung der Vertragsfreiheit, mit der ein be-timmtes Gesellschaftsmodell der gerade regierendenarlamentsmehrheit durchgesetzt werden soll.Die Abschluss- und Inhaltsfreiheit reduziert sich dochrst für marktbeherrschende Unternehmen, weil ihrenertragspartnern ausreichende und zumutbare Alternati-en fehlen. Ich verweise nur auf die §§ 19 und 20 GWB.nsonsten setzt der Staat der Vertragsfreiheit nur durcheneralklauseln – sie sind Ihnen bekannt: §§ 134, 138nd 242 BGB, Grundsatz von Treu und Glauben –,
ber die die Grundrechte allenfalls mittelbare Geltungeanspruchen können, äußere Grenznormen. Er statuiertber keine Richtnormen für das moralische Verhalteneiner Bürger in der Zivilgesellschaft.Der vorliegende Gesetzentwurf, aber auch die ihm zu-runde liegenden europäischen Richtlinien – darauf willch einmal hinweisen, weil immer wieder von der Eins-u-eins-Umsetzung die Rede ist – stellen den Kern unse-er historisch gewachsenen Rechts- und Werteordnunguf den Kopf.
ie setzen sich über alle kontinentaleuropäischen underfassungsrechtlichen Grundsätze hinweg.
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Dr. Jürgen GehbDer Gesetzentwurf nimmt zudem arbeitsrechtlicheDiskriminierungsverbote, die in zwei Richtlinien, indeutschen Schutzgesetzen und im allgemeinen arbeits-rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wurzeln, zumVorbild für eine generelle Reform des Zivilrechts.
Dieser Paradigmenwechsel verkennt zudem zweierlei:Erstens geht das Arbeitsrecht von der typisch wirtschaft-lichen Unterlegenheit des abhängig beschäftigtenArbeitnehmers aus und sucht ihn deshalb vor Diskrimi-nierung zu schützen. Zweitens greifen die arbeitsrechtli-chen Diskriminierungsverbote grundsätzlich erst bei be-stehenden Arbeitsverhältnissen ein, nicht schon vorher.Trotz knapper Haushaltsmittel wollen Sie eine staatli-che Antidiskriminierungsstelle mit umfassenden Zu-ständigkeiten und private Überwachungskomitees inForm von Antidiskriminierungsverbänden ins Leben ru-fen,
die jede vermeintliche Benachteiligung verfolgen undmit Hilfe von Beweiserleichterungen jeden angeblichenDiskriminierer zwingen können, die Anständigkeit sei-ner Motive vor Gericht darzulegen. Zu allem Überflusskönnen sich Gewerkschaften und Betriebsräte als Pro-zessstandschafter selbst gegen den Willen des vermeint-lich Diskriminierten zum Sachwalter von Rechten Drit-ter aufschwingen.
Demgegenüber überlässt das Privatrecht den zivil-rechtlichen Schutz gegen Angriffe auf Leben, Körperund Gesundheit nach den deliktrechtlichen Vorschriften,§§ 823 ff. BGB, allein der Autonomie des als Opfer oderErben betroffenen Rechtssubjekts. Von einer Überant-wortung solcher fundamentaler Rechtsgüter auf beson-dere Behörden und Verbände keine Spur.Es ist rechtspolitisch und rechtsethisch nicht ein-leuchtend, warum der Schutz soziokultureller Rechtsgü-ter wie Weltanschauung oder sexueller Ausrichtung ei-nen vom Gesetzgeber eingeräumten Vorrang vor solchfundamentalen Rechtsgütern wie Leben, Körper und Ge-sundheit haben soll.
Kein Wunder, dass im Kampf gegen die ideelle Benach-teiligung in Deutschland keine Kraft mehr bleibt, umden realen Benachteiligungen wie der Arbeitslosigkeitnoch wirksam begegnen zu können.„Die Luft zum Atmen wird dünner,“ – sagt der Berli-ner Rechtsprofessor Säcker – „wenn eine umfassendeMndllmnrszRwGwnFzafnzkhsCwseUkhmh
elingt uns das nicht – was ich befürchte –, dann sollten
ir wenigstens über die europarechtlichen Vorgaben
icht hinausgehen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Mechthild Dyckmans,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istweifellos richtig: Wir müssen und wollen uns – das giltuf jeden Fall für die FDP, Herr Dr. Gehb – europakon-orm verhalten. Das heißt, wir müssen die Antidiskrimi-ierungsrichtlinien der EU in nationales Recht umset-en. Das Vertragsverletzungsverfahren läuft und wirönnen Strafzahlungen nur vermeiden, wenn wir jetztandeln.
Wenn wir uns heute mit einem Gesetzentwurf befas-en, der bereits im Sommer 2005 im Bundesrat keinehance hatte und, wie ich meine, keine Chance habenird, in dieser Form Gesetz zu werden, dann ist festzu-tellen, dass die Intentionen der vorlegenden Fraktionindeutig andere sind, als eine schnelle und sachgerechtemsetzung der EU-Richtlinien zu erreichen.
Ich habe die Debatten vom Sommer 2005 im Proto-oll nachgelesen. Ich wünsche mir, dass wir heute außer-alb des Wahlkampfes mit mehr Ruhe und Gelassenheit,it weniger Emotionen und Gereiztheit an das Themaerangehen.
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Mechthild DyckmansNatürlich ist es spannend, zu sehen, wie sich die Koali-tion zu einem Gesetzentwurf verhält, der noch vor einemhalben Jahr die Kontrahenten sehr gegeneinander aufge-bracht hat. Aber wie gesagt, der Wahlkampf ist vorbei.Gehen wir also sachlich miteinander um! Stellen wirbitte nicht die einen als Gutmenschen dar und werfenden anderen, die Kritik an dem Gesetzentwurf äußern,vor, sie wollten sich nicht gegen Diskriminierung einset-zen!
Für die FDP-Fraktion möchte ich deutlich feststellen,dass wir uns mit aller Entschlossenheit gegen jede Formvon Diskriminierung, Intoleranz und Ausgrenzung inunserer Gesellschaft wenden. Benachteiligungen solltenbeseitigt und die Rechte von Minderheiten gestärkt wer-den. Diesem Ziel fühlt sich die FDP-Fraktion seit jeherin besonderer Weise verpflichtet.
Wir erwarten nun einen Vorschlag der neuen Regie-rungskoalition zur Umsetzung der EU-Richtlinien. Wirsehen bisher keine große Notwendigkeit für eine übereins zu eins hinausgehende Umsetzung der Antidiskri-minierungsrichtlinien,
wobei man sicherlich über das eine oder andere redenmuss. Ziel der Umsetzung ist aber die Harmonisierungdes EU-Rechts in den Mitgliedstaaten. Das sollte manimmer im Auge behalten.
Bei der Umsetzung sollte ganz genau geprüft werden,wo wir Regelungen brauchen und ob dies in einem eige-nen Gesetz geschehen muss oder ob es nicht ausreicht,bestehende Regelungen zu ergänzen. Wir haben nämlichbereits viele Regelungen – das sind die Fakten –, dieDiskriminierung untersagen.
Ich erinnere zum Beispiel an § 81 e des Versicherungs-aufsichtsgesetzes, der eine Diskriminierung bei den Tari-fen wegen Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppeausschließt. Es gibt schon viele gute Ansätze. Bereitsheute ergreifen Unternehmen im Bereich des Arbeits-rechts auf freiwilliger Basis besondere, für die Branchemaßgeschneiderte Maßnahmen, um Diskriminierungenvorzubeugen. Ich erinnere nur an die Teilnahme an Zer-tifizierungen für eine an Chancengleichheit orientiertePersonalpolitik oder die gezielte Förderung älterer Ar-beitnehmer.
Bei der nun vorzunehmenden Umsetzung der Richtli-nien ist ebenfalls zu überlegen, ob man in dem VerfahrennuGFhsgnAhsRhrngtemnIBEfAaendBtssgns
erade um die in der aufgeheizten Situation entstande-en Missverständnisse – bis hin zu ungerechtfertigtennschuldigungen; ich hoffe, dass sie sich nicht wieder-olen – zu überwinden.Lassen Sie mich ganz kurz einige konkrete Punkte an-prechen, in denen der Gesetzentwurf in die falscheichtung geht. Alle reden von Bürokratieabbau. Aberier wird mit der Einrichtung einer Antidiskriminie-ungsstelle des Bundes – so lautet die Forderung – eineeue, unnötige Bürokratie aufgebaut.Es gibt bereits heute viele Beauftragte, deren Stellungestärkt werden könnte und die die notwendigen Kon-roll- und Beratungsaufgaben übernehmen könnten.
Auch an anderer Stelle werden zahlreiche Regelungeningeführt, bürokratische Organisations- und Doku-entationspflichten, die zu einer Belastung von Arbeit-ehmern und Unternehmen führen.
nsgesamt gehen die Vorschriften zum zivilrechtlichenenachteiligungsverbot eindeutig über die Vorgaben derU-Richtlinien hinaus und stellen einen nicht zu recht-ertigenden Eingriff in die Vertragsfreiheit dar.Auch die in § 23 Abs. 4 vorgesehene Möglichkeit derbtretung von Schadenersatzansprüchen
n die dort genannten Antidiskriminierungsverbände mitinem eigenen Klagerecht wird so von der Richtlinieicht gefordert. Es besteht auch keine Notwendigkeitazu.
ei einer solchen Abtretungsmöglichkeit ist zu befürch-en, dass die Verbände aus eigenen finanziellen Interes-en Klagen erheben.
Nur am Rande möchte ich bemerken, dass die Frei-tellung von dem Verbot der außergerichtlichen underichtlichen Rechtsberatung im Zusammenhang mit ei-em noch zu verabschiedenden Rechtsdienstleistungsge-etz geregelt werden sollte. Da gehört sie nämlich hin.
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Mechthild DyckmansAbschließend möchte ich betonen, dass ich es be-grüße, dass das Thema jetzt federführend bei denRechtspolitikern gelandet ist.
Das verstärkt meine Hoffnung, dass wir auf sachlicherEbene mit mehr Kompetenz und weniger Ideologie zuder notwendigen Umsetzung gelangen werden.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christel Humme,
SPD-Fraktion.
Nein, bin ich nicht.Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Herr Gehb, nach dem juristischen Seminar solltenwir uns jetzt den politischen Argumenten zuwenden. Ichsage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Ich bin sehrstolz darauf, dass es uns in der letzten Legislaturperiodegelungen ist, ein einheitliches Antidiskriminierungsge-setz im Bundestag zu verabschieden.
Ich weiß, dass es nicht in Kraft getreten ist. Der Bundes-rat hat Einspruch erhoben; jeder weiß das. Heute liegt eswieder als Gesetzentwurf der Grünen vor.Um es gleich vorwegzunehmen: Ich stehe zu diesemGesetz, genauso wie die SPD-Fraktion. Das ist ein gutesGesetz; es ist ein guter Kompromiss, den wir auf denWeg gebracht haben. Wir wissen uns mit diesem Gesetzan der Seite der Betroffenen sowie an der Seite der Ge-werkschaften, der Verbände und der Organisationen, dieuns geholfen haben, dieses Gesetz zu gestalten. Ichnenne stellvertretend zwei Verbände: die Caritas und dieLebenshilfe. Dank der konstruktiven Kritik dieser Ver-bände ist es erst möglich gewesen, dass wir nach der An-hörung diesen wunderbaren Kompromiss auf dem Tischdes Hauses haben.
Der Erwartungsdruck hinsichtlich der Umsetzungder europäischen Richtlinie ist sehr hoch. Wir werdenjetzt in der neuen Koalition aus CDU/CSU und SPD
– mit Ihnen auch, mal sehen – beraten müssen. Ich ap-pelliere ganz bewusst an Sie: Stellen wir den Schutz vorDiskriminierung in den Mittelpunkt der Beratungen undmachen wir das zu unserer gemeinsamen Aufgabe! Ichmöchte Sie daran erinnern, dass sich die Regierung Kohlbereits 1997 mit der Ratifizierung des Amsterdamer Ver-tglAGrjGnVdkJSndWw–g„dfmsEibItDvdswgzWs
Ich nehme natürlich die Presse wahr, keine Frage. Daehme ich mit Erstaunen zur Kenntnis, dass gerade dieorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bun-estagsfraktion, Frau Heinen, das vorliegende Gesetzategorisch ablehnt. So zu lesen am 12. Januar diesesahres.
ie lehnt es unter anderem ab, weil es ihrer Meinungach zu weit über die Vorgaben der europäischen Anti-iskriminierungsrichtlinien hinausgeht. Ich sage Ihnen:ir haben dies in der letzten Legislaturperiode ganz be-usst getan.
Hören Sie zu! – Wären wir nämlich nicht so vorgegan-en, wäre im Zivilrecht beispielsweise das MerkmalBehinderung“ nicht vorgesehen. Das hätte zur Folge,ass ein Mensch mit Behinderung und dunkler Haut-arbe vor Diskriminierung geschützt wird, ein Menschit Behinderung und weißer Hautfarbe aber nicht. Eineolche Ungleichbehandlung wollen wir nicht.
in Antidiskriminierungsgesetz, das schon so angelegtst, dass es Merkmale diskriminiert, ist unlogisch aufge-aut und macht keinen Sinn.
Wie wir in den Reden gerade gehört haben, auch inhrer, Frau Dyckmans, wird gebetsmühlenartig behaup-et, dieses Gesetz sei zu bürokratisch.
as ist ein Argument, das oft auch von den Wirtschafts-erbänden vorgetragen wird. Offensichtlich sind sie sicha einig. Ich habe ab und zu den Verdacht, dass das pau-chale Argument des zu hohen bürokratischen Auf-andes genau dann angeführt wird, wenn es darumeht, gesellschaftliche Fortschritte gerade für die Frauenu verhindern.
as sagen Sie als Kritiker denn den Frauen? Wie sollenie Ihrer Meinung nach ihre Forderungen nach gleich-
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Christel Hummewertigem Lohn für gleichwertige Arbeit einfordern?Was sagen Sie den Frauen, die es trotz besserer Qualifi-kation beim Aufstieg in die Führungsetagen noch immerbedeutend schwerer haben als ihre männlichen Mitbe-werber? Das populistische Argument „zu viel Bürokra-tie“ hilft den Frauen nicht, Gleichstellung zu erreichen.Mit dem vorliegenden Antidiskriminierungsgesetz aberhaben sie ein Instrument, das ihnen hilft, mit Unterstüt-zung der Verbände ihre berechtigten Interessen imKampf gegen Benachteiligung durchzusetzen.Es wird oft behauptet – auch Sie, Herr Gehb, habendas gemacht; Sie haben Ihre ganze Rede darauf aufge-baut –, das ADG stehe der Vertragsfreiheit entgegen.
Da frage ich mich natürlich: Welche Vertragsfreiheitmeinen Sie eigentlich?
Meinen Sie die Vertragsfreiheit immer nur für den stär-keren Partner, zum Beispiel für die Arbeitgeber,
und nicht für den schwächeren Partner, zum Beispiel fürdie Behinderten?
Sie sind Jurist. Sie wissen ganz genau, dass wir Ein-schränkungen der so genannten Vertragsfreiheit, wie sieimmer wieder beschworen wird, schon jetzt haben,
zum Beispiel im Verbraucherschutzgesetz.
Das hat mit Antidiskriminierung also erst einmal nichtszu tun.
Wir müssen Vertragsfreiheit zunächst für die Gruppeder Benachteiligten erreichen. Das ist mir wichtig. Auchdas ist ein Ziel des Antidiskriminierungsgesetzes und einGebot der Verfassung.
Frau Kollegin Humme, ich muss Sie zwischendurch
auf Ihre Redezeit aufmerksam machen.
Ich sage noch zwei Sätze. Dann bin ich fertig.
Ich gebe Frau Dyckmans Recht: Wir führen die Dis-
kussion um das Antidiskriminierungsgesetz in Deutsch-
land meiner Ansicht nach viel zu verengt und viel zu
polemisch. Ich bin überzeugt: Wirksamer Diskriminie-
rungsschutz ist nicht wirtschaftsfeindlich und kein Wi-
derspruch zu wirtschaftlichen Interessen. Ich wünsche
mir für die nachfolgenden Monate, dass wir weniger auf-
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enn wir das tun, dann bin ich davon überzeugt, Herr
ehb, dass wir es gemeinsam schaffen, auch im Inte-
esse der Betroffenen, im Interesse der Menschen, für
ie wir gute Politik machen sollen, ein gutes Gesetz auf
en Weg zu bringen.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ilja Seifert, Frak-
ion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichreue mich, auch einige Betroffene auf den Besucherrän-en zu sehen. Ich weiß, dass viele dieser Debatte mitehr großer Aufmerksamkeit folgen. Ich grüße auch Sieraußen. Die Hilfe derjenigen, die betroffen sind, dabei,ieses Gesetz – wenn es geht, ein besseres, ein stärkeresesetz – durchzusetzen, ist sehr dringend. Ihre Rede,err Kollege, hat das sehr deutlich gemacht.Es ist sehr wichtig, dass wir von diesem Parlamentus allen Menschen sagen, zeigen und alle Menschenuch spüren lassen: Wer diskriminiert, ist in diesemand geächtet. Und wer diskriminiert wird, hat die Un-erstützung des Staates, auch die Unterstützung aller Par-amentarierinnen und Parlamentarier in diesem Parla-ent.
Der heute wieder vorgelegte Gesetzentwurf geht nurehr geringfügig – ich finde: viel zu wenig – über das hi-aus, was die EU zwingend vorschreibt. Ich vermute so-ar, wir würden uns mit den Kollegen der Grünen sehrchnell darüber einigen können, dass das eigentlich wei-er gehen müsste. Es ist, finde ich, kein besonders gutusgewogener Kompromiss, sondern ein sehr schwa-her. Deshalb schlagen wir klipp und klar vor, das Ge-etz mindestens an sechs Stellen zu verstärken. Ich willhnen auch gleich sagen, an welchen:Erstens geht es darum, anstelle des eingeschränktennwendungsbereichs des Benachteiligungsverbotsin klares Bekenntnis dafür abzugeben, dass es auf allechuldverhältnisse – meinetwegen mit Ausnahme desamilien- und des Erbrechts – ausgedehnt wird.Zweitens. Außer bei Gefahren für Leib und Leben desetroffenen bzw. der Betroffenen oder von Dritten – da-auf werde ich noch etwas näher eingehen – sollte es
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Dr. Ilja Seifertkeine Ausnahmetatbestände beim Diskriminierungs-verbot geben.Drittens. Wir brauchen ein echtes Verbandsklage-recht und nicht das Abtretungsrecht, wie es jetzt vorge-sehen ist.Viertens. Das Gesetz braucht wirksame und natürlichverhältnismäßige, also dem erlittenen Schaden angemes-sene, und abschreckende Schadenersatz- und Schmer-zensgeldregelungen, damit Diskriminierer, egal ob essich um Personen oder Institutionen handelt, wissen,dass ihre Taten geahndet werden – momentan ist das lei-der nicht der Fall –, und zwar mit empfindlichen Strafenoder Geldbußen.Fünftens. Wir meinen, der Begriff „Rasse“ sollte ineinem deutschen Gesetz nicht vorkommen.
Man kann anstelle dessen die Merkmale Hautfarbe,Sprache, Nationalität und Staatsangehörigkeit aufneh-men.
– Das heißt aber nicht, dass wir es nicht anders machendürfen.
Sechstens. Arbeitgeber sollten zusätzlich verpflichtetwerden, zum diskriminierungsfreien Verhalten innerhalbihres Betriebs dadurch beizutragen, dass sie entspre-chende Schulungen und andere auf das Verhalten zie-lende Maßnahmen durchführen.Lassen Sie mich jetzt noch zwei detaillierte Bemer-kungen zu dem machen, was ich mit der Änderung derAusnahmebestimmungen meine: Jetzt steht in § 20 desGesetzentwurfs, dass es ausreicht, einen „sachlichenGrund“ geltend zu machen, um doch diskriminieren zukönnen. Was ist denn ein „sachlicher Grund“? Da kannalles Mögliche geltend gemacht werden; das ist viel zuschwammig. Deswegen sagen wir: Außer bei Gefahr fürLeib und Leben des Betroffenen bzw. der Betroffenenund von Dritten sollte es keine Ausnahmetatbestände ge-ben.
Was bedeutet es, wenn in § 19 Abs. 1 des Gesetzent-wurfs auf Schuldverhältnisse und Verträge abgehobenwird, die „ohne Ansehen der Person“ geschlossen wer-den? Da lache ich mich tot. – Entschuldigung! – Wennich einen Vertrag abschließe, sehe ich die Person, mit derich den Vertrag abschließe, immer an.
– Deswegen sage ich ja gerade, dass dieser Ausnahme-tatbestand abgeschafft werden muss. Er bringt nichts.WsM–IwckcscvgvsdHaastrdgwkSD
Das sind Bevorzugungen. Die kann, ja muss es geben.ch habe nicht gesagt, dass Bevorzugungen abgeschaffterden sollen. Das sind erforderliche Nachteilsausglei-he.
Herr Kollege Seifert, da Sie ohnehin nur noch eine
nappe Redezeit haben, möchte ich einen Vorschlag ma-
hen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, da es zu die-
em Gegenstand ganz offenkundig spontan keine hinrei-
hende Übereinstimmung gibt, wird es sich gar nicht
ermeiden lassen, das Thema in den Ausschussberatun-
en vertieft zu behandeln. Im Hinblick darauf lässt sich
ielleicht auch das Maß an Zwischenrufen reduzieren,
odass das Thema hier im Rahmen der vereinbarten Re-
ezeiten für heute hinreichend behandelt werden kann.
Herr Kollege Seifert.
Vielen Dank, Herr Präsident, für die freundlichen
inweise. Die Kolleginnen und Kollegen könnten ja
uch Zwischenfragen stellen. Ich denke, wir werden das
uch im Ausschuss noch behandeln.
Ich will nur noch eines sagen. Wenn in § 19 Abs. 3
teht, dass die „Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstruk-
uren und ausgewogener Siedlungsstrukturen“ aus-
eicht, um Diskriminierung zu begründen, dann heißt
as, dass ein schwules Pärchen mit der Begründung ab-
elehnt werden kann, dass in der Gegend schon drei
ohnen und ein viertes nicht geduldet werden kann. Das
ann ja wohl nicht sein.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Verhindern
ie Diskriminierung, schützen Sie die Diskriminierten!
ann werden wir vorankommen.
Danke schön.
Das Wort hat nun die Kollegin Karin Evers-Meyer.
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Karin Evers-Meyer, Beauftragte der Bundesregie-rung für die Belange behinderter Menschen:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Das Antidiskriminierungsgesetz ist aus der Sicht derBeauftragten der Bundesregierung für die Belange be-hinderter Menschen ein gutes und vor allem ein dringendnotwendiges Gesetz.
Daran ändern auch die neuen Mehrheiten in diesemHause nichts. Ich stehe uneingeschränkt zu dem, wasdieses Gesetz sagt, und ich weiß, dass die mehr als6 Millionen Menschen mit Behinderungen in unseremLand auf ein solches Gesetz warten.Das vorweggeschickt, gehöre ich aber nicht zu denje-nigen, die ihre ganze Kraft in ein Projekt stecken, das amEnde nicht mehrheitsfähig ist. Der Entwurf eines Anti-diskriminierungsgesetzes, der hier heute erneut einge-bracht wurde, hatte keine Mehrheit, jedenfalls nicht imBundesrat.
Aus diesem Grund plädiere ich ganz entschieden dafür,dass die Bundesregierung möglichst umgehend einen ei-genen Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes vor-legt.
Die Zeit drängt. Deutschland hat bereits die Umset-zungsfristen versäumt und wir laufen jeden Tag mehrGefahr, dass uns dieses Versäumnis nicht nur politisch,sondern auch finanziell teuer zu stehen kommt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Menschenmit Behinderungen brauchen einen umfassenden Schutzvor Diskriminierung. Die Debatte um das Antidiskrimi-nierungsgesetz im letzten Jahr war oft überlagert vonPolemik und Halbwahrheiten, die der Sache sehr gescha-det haben. Lassen Sie mich daher noch einmal kurz ausSicht der Beauftragten für die Belange behinderter Men-schen auf die Fakten eingehen:Im Bereich des Arbeitsrechtes haben wir mit dem§ 81 SGB IX bereits heute einen gesetzlichen Schutz vorDiskriminierung
wegen einer Schwerbehinderung, und zwar inklusive derviel zitierten Beweislastumkehr, die ja eigentlich garkeine ist, sondern lediglich eine Beweiserleichterung,
wie wir sie seit längerem etwa auch aus dem § 611 aBGB kennen. Weder der § 81 SGB IX noch § 611 aBGB haben die von Mitgliedern dieses Hauses gerne andie Wand gemalte Prozessflut ausgelöst. Im Gegenteil:Beide Regelungen haben sich in der Praxis bewährt undniemand fordert heute mehr ernsthaft eine Abkehr vondiesen Regelungen.indevsDresvSMalkKdTzdEsvMmVossdwBrdrelatSncazv
einer von uns hier im Hohen Haus kann akzeptieren,ass Menschen aufgrund ihrer Behinderung keinenisch im Restaurant bekommen oder ihnen ein Hotel-immer verweigert wird. Wenn wir das hinnähmen, wäreas gelinde gesagt eine Schande.
s ist eine Schande, dass das täglich in Deutschland pas-iert. Ich kann Ihnen hierzu einen regen Schriftwechselorlegen.
Ich denke, in diesem Punkt ist die ganz überwiegendeehrheit im Hause – über alle Fraktionsgrenzen hinweg –einer Meinung. Anders sieht das aber vielleicht bei denersicherungsgeschäften aus. Da hat sich doch der eineder andere durch die Versicherungen verunsichern las-en. Ich bin auch hier zu Gesprächen bereit, soweit sieachlich geführt werden; denn ich bin davon überzeugt,ass am Ende auch hier jeder zu dem Ergebnis gelangenird, dass es geradezu grotesk wäre, Menschen mitehinderungen in diesem Bereich aus dem Diskriminie-ungsschutz auszuklammern. Es sind doch gerade behin-erte Menschen, die oftmals einen erhöhten Versiche-ungsbedarf haben, und nicht die Angehörigen einerthnischen Minderheit.Wie wollen Sie behinderten Menschen in Deutsch-and erklären, dass immer mehr private Lebensrisikenuf sie verlagert werden, immer mehr Eigenverantwor-ung von ihnen verlangt wird, ihnen aber auf der andereneite die Möglichkeit, diese Risiken zum Beispiel mit ei-er Berufsunfähigkeitsversicherung, einer Lebensversi-herung oder einer privaten Zusatzkrankenversicherungbzusichern, verwehrt bleibt? Das wäre in hohem Maßeynisch. Wer von den Menschen mehr private Vorsorgeerlangt, der muss auch gewährleisten, dass alle Men-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 845
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Beauftragte der Bundesregierung Karin Evers-Meyerschen freien Zugang zu Versicherungsleistungen bekom-men.
Eines will ich hier und heute ebenfalls festhalten: DerWert eines Regierungsentwurfes eines Antidiskriminie-rungsgesetzes wird ganz entscheidend davon abhängen,ob dieses Gesetz auch Menschen mit Behinderungen imallgemeinen Zivilrecht vor Benachteiligungen schützenwird.Vielen Dank.
Frau Kollegin Evers-Meyer, ich nutze die Gelegenheit
gerne, Ihnen für Ihre neue Aufgabe als Beauftragte der
Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen
alles Gute zu wünschen. Sie wissen, dass Sie bei der
Verfolgung dieser Aufgabe in allen Fraktionen enga-
gierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben.
Für den Bundesrat erhält nun der Justizsenator des
Freistaates Hamburg, Dr. Kusch, das Wort.
– Im Sinne unseres Zeitmanagements hoffe ich, dass der
Justizsenator nicht einen allzu großen Teil seiner Rede
auf die Klarstellung dieses Missverständnisses verwen-
det.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, denn seit der Debatte über den Bahnumzug ist
Hamburg in Berlin bekannt genug. – Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich
bei Ihnen, Frau Schewe-Gerigk, und Ihren Fraktionskol-
legen herzlich bedanken, dass Sie mir gestern Gelegen-
heit zu einer wunderschönen Fahrt von Hamburg nach
Berlin durch das verschneite Mecklenburg-Vorpom-
mern und Brandenburg gegeben haben.
Ich hatte eigentlich nicht vor, mich auf dieser Fahrt auf
meine heutige Rede vorzubereiten,
sondern ich wollte Zeitung lesen.
Ich habe also in der „Zeit“ herumgeblättert, dieses
und jenes gelesen und blieb dann bei den Heiratsanzei-
gen hängen. Diese las ich nun nicht aus eigenem Inte-
resse, sondern weil mich dann doch die heutige Debatte
einholte. Ich wurde nämlich plötzlich stutzig und fragte
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Dann scheinen Sie eine bessere Juristin zu sein als
ch. – Ich habe über diesen Punkt also nachgedacht und
urde so stutzig, dass ich mir die Mühe gemacht habe,
ie Experten der Justizbehörde in Hamburg anzurufen
nd nachzufragen, wie der Sachverhalt ist. Diese ant-
orteten mir – das spiegelt Ihre Auffassung wider, Herr
ehb –: Der persönliche Bereich – wenn also jemand
eispielsweise eine Anzeige schaltet, weil er einen Ehe-
artner sucht – werde vom Antidiskriminierungsgesetz
icht berührt.
ber bei den Heiratsanzeigen von kommerziellen Hei-
atsvermittlern ist die Sachlage nicht so klar; denn sie
iskriminieren im Interesse eines Dritten und nehmen
eld dafür.
Die Experten der Justizbehörde in Hamburg haben
ir deshalb empfohlen, der Bundesregierung bei der
usarbeitung eines neuen Gesetzentwurfs doch folgen-
en Ratschlag zu geben: Wenn man dieses Gewerbe
chützen will – ich finde, es ist schützenswert; es hat
ich noch niemand darüber beschwert, dass es Heirats-
ermittler gibt –, dann müsste eine entsprechende Norm
n das Gesetz aufgenommen werden, mit der der entspre-
hende Schutzbereich festgelegt wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Montag?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein; denn es gibt noch viel zu diesem Gesetz zu sa-en.
Das zeigt die Schwierigkeit, vor der diese Bundes-egierung steht und vor der die rot-grüne Bundesregie-ung vor einem Jahr stand. Sie haben es sich zur Auf-abe gemacht, unglaublich komplexe Sachverhalte inesetzesform gießen zu wollen. Der Anspruch, dass Sieentrale Erscheinungen unserer Gesellschaft in einigearagraphen gießen und durch diese Paragrafen unsereesellschaft toleranter, gerechter und besser machenollen, ist ein hybrider gesetzgeberischer Anspruch.
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846 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Senator Dr. Roger Kusch
Ich stimme Ihnen zu, Herr Gehb: Die EU-Normensind aus Sicht eines Mitglieds der deutschen Gesell-schaft zu weitgehend. Aber sie sind da und wir müssensie umsetzen. Deshalb freut es mich, dass im Koalitions-vertrag steht, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPDeine Eins-zu-eins-Umsetzung vorlegen wird. Selbstver-ständlich wird Hamburg einer solchen Eins-zu-eins-Um-setzung im Bundesrat zustimmen.Ich kann Ihnen aber auch sagen, welchem Gesetzent-wurf wir auf keinen Fall zustimmen werden: einem Ge-setzentwurf, in dessen Folge 5,6 Millionen Euro für eineüberflüssige Institution ausgegeben werden. Wir habennicht das Geld, für eine überflüssige Institution5,6 Millionen Euro auszugeben.
Senator, es gibt einen neuen Wunsch der Kollegin
Schewe-Gerigk zu einer Zwischenfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da ich Sie sowieso ansprechen wollte, bitte ich Sie,
auf Ihre Zwischenfrage zu verzichten.
Mir ist aufgefallen, Frau Schewe-Gerigk: Die Sicht
eines Regierungsabgeordneten scheint eine ganz andere
zu sein als die eines Oppositionsabgeordneten.
Wir hatten nämlich schon vor einem Jahr zusammen mit
Herrn Röttgen und Herrn Scholz das Vergnügen, über
dieses Thema zu diskutieren. Es ist Ihnen gelungen,
mich mit einem Beispiel zu verblüffen, das ich ganz
originell fand. Sie sagten mit relativ kämpferischem Ge-
sichtsausdruck: Ich will nicht, dass jemand an einer Dis-
kothek vom Türsteher abgewiesen wird, nur weil er
Türke ist.
– Das haben Sie gesagt.
– Doch, ich erinnere mich sehr gut, dass Sie von „Disko-
thek“ gesprochen haben.
Ich bin nämlich auf dieses Beispiel eingegangen und
habe Ihnen schon damals gesagt, dass ich den Umstand,
dass wir in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München
und Frankfurt Diskotheken unterschiedlichen Zuschnitts
haben und die einen 3 Euro für das Bier verlangen und
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Frau Schewe-Gerigk, nun haben Sie Ihr Beispiel ge-
ndert. Das Jahr, das seitdem vergangen ist, scheint Sie
on den Realitäten unserer deutschen Gesellschaft noch
eiter entfernt zu haben, als Sie es ohnehin schon waren.
enn heute haben Sie ein Beispiel gebracht, das an Ab-
urdität überhaupt nicht zu überbieten ist. Ich habe nicht
in einziges Mal in Deutschland die Situation erlebt,
ass jemand wegen seiner Hautfarbe aus einem Restau-
ant geschmissen wurde.
Es kann sein, dass ich nicht alles kenne, was in
eutschland passiert. Aber wenn Ihnen die Diskriminie-
ungsbekämpfung wirklich am Herzen läge, dann wür-
en Sie sich für ganz andere Sachverhalte interessieren.
ann würden Sie sich zum Beispiel für den Sachverhalt
nteressieren, dass es Strafverfahren wegen sehr schreck-
icher Verbrechen gibt, denen eine Diskriminierung zu-
runde liegt,
um Beispiel dann, wenn eine Bande türkischer Jugend-
icher eine zahlenmäßig etwas geringere Bande von
eutschrussen zusammenschlägt.
as ist Diskriminierung und schrecklich. Dafür gibt es
ber Gott sei Dank schon Strafgesetze.
Meine Damen und Herren, ich kann es mir nicht ver-
neifen, noch einen kurzen Gedanken an den Ergän-
ungsvorschlag der Linken zu verschwenden.
Herr Senator, darf ich zwischendurch fragen, ob
eine Vermutung richtig ist, dass Sie keine Zwischen-
ragen zulassen wollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 847
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Denn es hat jetzt mehrfach Anmeldungen gegeben.
Das sortiert dann möglicherweise entsprechende Initiati-
ven.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Linken wollen jetzt, weil wir im bisherigen Ent-
wurf viel zu wenige Diskriminierungsmerkmale ha-
ben, weitere Merkmale hinzufügen, zum Beispiel die
Hautfarbe. Da frage ich mich: Warum nicht auch die Au-
genfarbe?
Es gibt genügend Leute, die schon ob ihrer Augenfarbe
auf Ablehnung gestoßen sind. Zum Beispiel erinnere ich
mich an ein Lied der neuen deutschen Welle, der Gruppe
„Ideal“, das „Deine blauen Augen“ hieß. Es war damals
ein Lieblingslied von mir, vielleicht deswegen, weil ich
keine blauen Augen habe.
Sie können die Diskriminierungsmerkmale doch be-
liebig erweitern. Wenn Sie diesen Gedanken einmal zu
Ende denken, dann muss man sich fragen, was das Dis-
kriminierendste in Deutschland ist. Das Diskriminie-
rendste ist, kein Geld zu haben. Das diskriminiert wirk-
lich. Gehen Sie einmal durch die Friedrichstraße und
drücken Sie Ihre Nase an den Schaufenstern platt, in de-
nen Autos stehen, die für die meisten hier und für mich
unbezahlbar sind. Es ist doch ziemlich diskriminierend,
dass einige hineingehen und ein solches Auto kaufen
können und es andere nicht können und ihre Nase platt
drücken müssen.
Wollen Sie vielleicht auch noch die Armut im Gesetz
als Diskriminierungsmerkmal verbieten? Mit einem Ge-
setz hätten Sie die gerechte Gesellschaft, von der Sie im-
mer geträumt haben.
Sie werden mit dem Antidiskriminierungsgesetz ei-
nige Unschärfen unseres gesellschaftlichen Zusammen-
lebens bereinigen. Dabei wird Sie Hamburg im Bundes-
rat unterstützen, bei Übertreibungen aber nicht.
Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
Jerzy Montag.
Danke, Frau Präsidentin! – Herr Senator, ich wollte
Ihnen sagen, dass ich es für keinen sehr guten parlamen-
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Ich will Ihnen allerdings auch sagen, dass ich Ihnen
ür den Beitrag, den Sie hier geleistet haben, dankbar
in, weil er in aller Öffentlichkeit klar macht,
u welchen Gedankengängen Sie greifen müssen, um
nser gutes Gesetz ablehnen zu können.
Wenn Sie noch nie gehört haben, dass in Deutschland
in Mensch wegen seiner Hautfarbe an einer Gaststätten-
ür abgewiesen worden ist, dann sind Sie blind und taub
urch Ihr Leben gegangen.
s gibt neben vielen anderen, Herr Senator, einen Ver-
and deutscher Staatsangehöriger schwarzer Hautfarbe;
ei diesem Bundesverband können Sie sich solche Fälle
m Dutzend abholen, damit Sie für die Debatten der Zu-
unft ein bisschen schlauer werden.
Zu einem weiteren Punkt will ich Ihnen noch etwas
agen. Selbstverständlich wird es, sollte dieses Gesetz
was ich sehr hoffe – endlich ins Bundesgesetzblatt
ommen, immer noch möglich sein, dass Heiratsannon-
en jeglicher Art veröffentlicht werden. Aber ich finde
s richtig, dass es keine gewerbliche Heiratsvermittlung
n Deutschland geben darf, die folgende Annonce auf-
ibt: Wir suchen für unsere Kundschaft junge Männer,
ber Juden nehmen wir nicht. – Wer in einer deutschen
eitung eine solche Annonce veröffentlicht, der diskri-
iniert. Ich finde, wir brauchen ein Gesetz, das so etwas
ühlbar verbietet.
Herr Senator, Sie hätten die Möglichkeit, zu antwor-
en. – Wenn nicht, gebe ich das Wort der Kollegin
hristine Lambrecht von der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die De-atten zu diesem Thema in der letzten Legislaturperiodeaben sich immer durch einen Grundkonsens ausge-eichnet, nämlich den, dass wir uns hier alle einig waren,ass wir Diskriminierung gegenüber Behinderten, ge-enüber Menschen mit einem etwas höheren Alter, ge-
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848 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Christine Lambrechtgenüber Menschen mit einer anderen Religion unerträg-lich finden.
Lediglich im Bezug auf die Instrumente gingen die Posi-tionen auseinander.Ich muss allerdings sagen, heute habe ich etwas er-lebt, was dieser Erfahrung widerspricht.
Denn Herr Kusch hat hier vorgetragen, dass es ebenfallseine Diskriminierung sei – diese vergleicht er offensicht-lich mit den eben genannten –, wenn sich Menschenteure Autos nicht leisten können. Herr Kusch, wenn Siesich einmal die Briefe von Eltern anschauen, die im Ur-laub in Gaststätten oder auch in Hotels vom Wirt aufge-fordert wurden, doch bitte das Lokal zu verlassen, weilsich die anderen Gäste durch ihr behindertes Kind ge-stört fühlen, und wenn Sie diese Form von Diskriminie-rung, von Verletzung, von menschenunwürdigem Ver-halten damit gleichsetzen, dass Sie sich, ich mir oderviele andere Menschen in unserem Land sich ein ganzteures Auto nicht leisten können, dann halte ich das füreine unerträgliche Einstellung.
Sie macht deutlich, dass wir dieses Gesetz dringenderdenn je brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie ha-ben angesprochen, dass wir diesen Gesetzentwurf einge-bracht hätten, um eine EU-Richtlinie umzusetzen. Daswar auch ein Grund, aber der Hauptgrund ist, dass wirdas, was ich vorhin als Grundkonsens bezeichnet habe,nicht als eine Worthülse für Sonntagsreden ansehen, son-dern endlich handeln wollen, weil wir der Meinung sind,dass die vielen guten Ansätze, die wir in unserem Landsehen, nicht ausreichend sind und dass jetzt dringend ge-handelt werden muss, damit sich solche Fälle, von denenich einen ja beschrieben habe, in unserem Land nichtmehr ereignen.Deswegen ist Handlungsbedarf gegeben. Deswegengehen wir auch über die EU-Richtlinie hinaus. All denje-nigen, die das immer wieder sagen, gebe ich Recht. Ja-wohl, im zivilrechtlichen Bereich gehen wir über dieEU-Richtlinie hinaus. Ich verstehe auch nicht, wie manaufseiten der EU zwei so unterschiedliche Richtlinien,die eigentlich den gleichen Sachverhalt betreffen, erlas-sen konnte. Ich kann niemandem vermitteln – selbstdann, wenn ich diese Einstellung hätte –, warum die Dis-kriminierung wegen Rasse verfolgt und geahndet würde,aber die Diskriminierung wegen Behinderung oder AlternewrbbtmemlidsDdbehdsScdosggRBdosÜ
Ich bin da sehr optimistisch, auch wenn einige Rede-eiträge gezeigt haben, dass wir darüber noch mehr mit-inander reden müssen. Herr Gehb, Ihre Rede insgesamtat mich nicht optimistisch gemacht, nur die Tatsache,ass Sie mittlerweile wenigstens in einem Punkt offen-ichtlich einsichtig sind.
ie haben nicht mehr von der Beweislastumkehr gespro-hen – einer der ganz großen Punkte –,
ass nämlich derjenige, der angeblich diskriminiert, allesffen legen muss. Sie haben endlich erkannt, dass in un-erem Gesetzentwurf nur eine Beweiserleichterung gere-elt ist. Das ist auch richtig und gut so. Ich sehe: Dortibt es Bewegung. Ich hoffe, sie geht in die richtigeichtung. In diesem Sinne blicke ich den anstehendeneratungen sehr optimistisch entgegen.Vielen Dank.
Damit beende ich die Aussprache zu diesem Punkt.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 16/297 und 16/370 an die in der Tages-rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ichehe, dass Sie damit einverstanden sind. Damit sind dieberweisungen so beschlossen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 849
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtIch rufe Zusatzpunkt 7 auf:Vereinbarte DebatteBerichte über die Rolle von BND-Mitarbeiternvor und während des IrakkriegesInterfraktionell ist dazu verabredet, eineinhalb Stun-den zu debattieren. – Auch dazu höre ich keinen Wider-spruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne hiermit die Aussprache und gebe das Wortfür die Bundesregierung Herrn Minister Frank-WalterSteinmeier.Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Meine Damen und Herren! Ich befürchte, die zurück-liegenden zwei Wochen werden nicht als Höhepunkt derpolitischen Streitkultur in diesem Lande in die deut-sche Geschichte eingehen, haben wir doch teilweise mit-einander, teilweise gegeneinander, insgesamt, finde ich,jedenfalls zu wenig selbstbewusst eine Tagesordnungabgearbeitet, die von anonymen Zeugen aufgestellt unddann fast täglich erneuert worden ist.Ich weiß nicht, wie Sie es empfinden. Ich meine je-denfalls, als politische Klasse insgesamt haben wir unskeinen Gefallen getan, indem wir uns mit zu viel Demutvor der Inszenierung des politischen Skandals verneigthaben und so möglicherweise dabei sind, bewährteInstrumente und Voraussetzungen der deutschenAußen- und Sicherheitspolitik in Zweifel ziehen zulassen.
Das dürfen wir nicht zulassen. Dies muss ein gemeinsa-mes Interesse hier im Deutschen Bundestag sein.Ich sage auch, damit ich nicht missverstanden werde:Ich bin für Offenheit, ich bin für Transparenz, ich bin fürparlamentarische Kontrolle – auch der Nachrichten-dienste. Ich habe mich persönlich an keiner Stelle dernotwendigen Sachaufklärung und der politischen De-batte dazu entzogen.Vorwürfe müssen aufgeklärt werden. Fehlverhalten– bisher ist kein solches belegt worden – muss klar be-nannt werden. Das ist auch meine Meinung. Aber es gehtmir darum, dass wir dabei die Rationalität, das Selbstbe-wusstsein und das Verantwortungsgefühl aufbringenmüssen, die eines Landes wie Deutschland würdig sind.
Wir haben in den letzten Wochen in immer neuen An-läufen und mit immer neuen Meldungen über angeblicheSkandale einen durchsichtigen Versuch erlebt, der nurdazu diente, ein einziges Ziel zu erreichen: das klareNein der Bundesregierung zum Irakkrieg nachträg-lich ins Zwielicht zu rücken.pgkImbwvwhpdmadnudgdlzudolsDwrvitTf
Ganz im Gegenteil: Nie war ich so überzeugt davonie heute, dass wir für diese Entscheidung gute Gründeatten. Aus meiner Sicht stimmt bis heute, dass die di-lomatischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft waren,ass Belege für die Existenz von Massenvernichtungs-itteln und entsprechenden Produktionsanlagen nicht inusreichendem Maße und überzeugend vorgelegt wor-en waren und dass vor allen Dingen das Risiko eineseuen unkontrollierten Brandherdes im Mittleren Ostenmso höher war.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die Haltunger früheren Bundesregierung erläutern, wie sie Ihr Vor-änger, Frau Bundeskanzlerin, am 3. April 2003 voniesem Pult aus dargestellt hat: Deutsche Soldaten betei-igen sich nicht an den Kampfhandlungen. Das war derentrale Satz zu Beginn. Weiter sagte er:Deutschland steht unabhängig von dieser klarenEntscheidung zu seinen Bündnisverpflichtungen.Wir dürfen nicht vergessen – das darf auch in unse-rem Land nicht vergessen werden –, dass es sich beijenen Staaten, die jetzt Krieg gegen den Irak führen,um Bündnispartner und um befreundete Nationenhandelt. Deshalb werden wir die ihnen gegebenenZusagen jenseits unserer klaren Nichtbeteiligungauch einhalten.
Wir haben in der Folge dieser Entscheidung den USAnd der Koalition Überflugrechte sowie Start- und Lan-erechte gewährt. Wir haben den Schutz von Militär-bjekten in Deutschland übernommen. Wir haben dieogistischen Basen weiterhin bereitgestellt. Selbstver-tändlich haben wir auch die Zusammenarbeit unsererienste nicht suspendiert. Das war unsere Haltung. Siear nicht zweideutig und nicht geprägt von Doppelmo-al. Sie war aus meiner Sicht richtig, differenziert underantwortungsvoll.
Sie war richtig, weil die USA trotz aller Differenzenn der Zeit Partner und Verbündete blieben. Sie war rich-ig, weil unser gemeinsamer Gegner der internationaleerrorismus war und ist. Deutsche Soldaten – das dür-en wir in dieser Debatte nicht vergessen – standen
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850 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierdamals gemeinsam mit Amerikanern, Franzosen, Britenund anderen in Afghanistan. Deutsche Marineeinheitenpatrouillierten am Horn von Afrika und in Kuwait warenABC-Schutzpanzer der Bundeswehr stationiert.Ich habe wegen der heutigen Debatte, wie Sie wissen,meine Nahostreise verkürzt. Ich habe gestern undvorgestern sehr lange und ausführliche Gespräche inÄgypten geführt, und zwar mit dem ägyptischen Staats-präsidenten, mit dem Außenminister und mit dem Gene-ralsekretär der Arabischen Liga.Drei Themen standen dabei im Vordergrund: das ira-nische Nukleardossier, Fragen der Proliferation und dieGefahren des islamistischen Terrorismus. Ich glaube,dass ich hier in diesem Hause nicht begründen muss, wa-rum ich angesichts dieser internationalen Bedrohungender Meinung bin, dass wir einen funktionsfähigenNachrichtendienst brauchen.
Meine Damen und Herren, unabhängig vom Ausgangder heutigen Debatte wird es so sein: Um überhaupt poli-tische Entscheidungen sachgerecht fällen, Spielräumeerkennen und Optionen in der Außen- und Sicherheits-politik gegeneinander abwägen zu können, werden wirauch künftig auf erstklassige Informationen, und zwarmöglichst aus eigenen Quellen, angewiesen sein. Und:Wir brauchen die Zusammenarbeit der Dienste, ohne diees nicht gelungen wäre – das haben Sie doch alle in Erin-nerung –, Anschläge in Europa, deren Planung mögli-cherweise sogar von Deutschland aus betrieben wurde,zu vereiteln.
Letztlich hat sich die alte Bundesregierung damalsaufgrund dieser Überzeugung, dass wir eine eigene Er-kenntnisgrundlage brauchen, entschlossen, zwei Mit-arbeiter des Bundesnachrichtendienstes auch in derKriegsphase in Bagdad zu belassen. Das war keine ein-fache Entscheidung. Natürlich wussten wir, dass wirdiese Mitarbeiter wenige Tage vor Ausbruch des Krieges– nicht genau wissend, wann er beginnt – Gefahren fürLeib und Leben aussetzen würden.Die Bundesregierung hat dem ParlamentarischenKontrollgremium über all diese Vorgänge vorgestern,am Mittwoch, ausführlich berichtet, auch über den Auf-trag und die Tätigkeit dieser Mitarbeiter in Bagdad. Siewissen, dass über die Ergebnisse der Beratungen desParlamentarischen Kontrollgremiums eine einstimmigeErklärung ergangen ist, die in der Sache, wie ich finde,sehr deutlich ist und die ich hier deshalb nicht im Einzel-nen wiedergeben muss.Ich weiß, dass sich die Fraktionsvorsitzenden amkommenden Montag persönlich über die politischenVorgaben, die Arbeitsweise und die Erkenntnisse desBundesnachrichtendienstes sowie über die Formen derZusammenarbeit unterrichten lassen werden.Von all dem möchte ich nur eines hervorheben: Fürmich ist klar, dass sich der Dienst und jeder einzelneMbWkUlhVhG2stAlsgipkwsnnmgstdwaWvGSudgwldddnsmR
ie wir dargestellt haben, bestand für den Dienst dielare und eindeutige Auftrags- und Weisungslage, keinenterstützung der operativen Kampfhandlungen zueisten. Die Führung des Dienstes – das kommt nochinzu – hat dargelegt, dass man sich im tatsächlichenollzug an diese Auftrags- und Weisungslage gehaltenat.Nach alledem bleiben für mich im Rückblick zweiesichtspunkte entscheidend:Erstens. Unser Land ist auch nach dem 11. September001 – Gott sei Dank! – von keinem Anschlag heimge-ucht worden. Das hat mit Glück und hat auch mit Poli-ik zu tun. Aber es ist ganz sicher auch das Ergebnis derrbeit unserer Sicherheitsbehörden, die in einigen Fäl-en – einen habe ich genannt – im Frühstadium von An-chlagsplanungen eingreifen konnten und vor allen Din-en in den letzten drei bis vier Jahren zur Aufklärung derslamistischen Strukturen in Deutschland und ihrer euro-aweiten Vernetzung beigetragen haben.Zweitens. Im Irakkrieg, den wir abgelehnt haben, sindeine deutschen Soldaten gestorben.Meine Damen und Herren, an diesen Wahrheitenürde auch die Einsetzung eines Untersuchungsaus-chusses, wie sie von der Opposition angestrebt wird,ichts ändern. Ganz im Gegenteil: Über Monate, wennicht über Jahre hinweg würde der Versuch unternom-en, eine Politik zu diskreditieren, die das erst möglichemacht hat. Das würde zwar ganz bestimmt publizisti-che Aufmerksamkeit sichern. Aber vom Ende her be-rachtet muss man sich fragen, ob die politischen Kostenie sicherlich erreichbaren kurzfristigen Geländege-inne nicht wesentlich übertreffen würden.Was würde geschehen in dieser Zeit? Ich sage durch-us ein bisschen mit Blick auf die FDP, Herresterwelle: Man müsste in dieser Zeit wahrscheinlichieles opfern, für das Klaus Kinkel, Hans-Dietrichenscher, Walter Scheel in der deutschen Außen- undicherheitspolitik der Nachkriegszeit gestanden haben,nd damit meine ich weiß Gott nicht nur die Fähigkeiter Dienste zur Zusammenarbeit – wobei diese Preis-abe von Souveränität und Sicherheit schlimm genugäre –; nein, was ich befürchte, ist, dass wir ein Jahrang, vielleicht sogar noch länger, dazu beitragen wür-en, dass Antiamerikanismus und NATO-Ablehnung iniesem Lande auch noch hoffähig gemacht würden. Dasürfen wir nicht zulassen.
Ich bitte auch die Grünen, es zu überdenken – nichtur ob es ihnen gut tut, sondern auch ob es anständig ist,ich aus einer Politik zu verabschieden, für die wir ge-einsam Verantwortung getragen haben in der früherenegierung,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 851
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
einer Politik, die wir ja damals gegen erhebliche Wider-stände durchzusetzen hatten.
– Um hier nichts zu verschütten, Herr Kuhn, sage ich Ih-nen auch: Wenn es nicht um Klamauk geht, sondern umkonkrete Vorschläge zur Gestaltung des – allerdings perse schwierigen – Spannungsverhältnisses zwischendem Informationsanspruch des Parlaments und derEffektivität der Arbeit von Diensten und Sicherheits-behörden, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sichdie Bundesregierung einem solchen Gespräch verschlie-ßen wird.
Wenn ich die Zeitungsschau von heute Morgen zu-sammennehme, ist die FDP noch nicht gänzlich ent-schieden, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.Ich bin jedenfalls davon überzeugt, Sie würden unter-wegs viel über Bord werfen, was Tradition und Reputa-tion Ihrer Partei in der Außenpolitik ausmacht, und ichhabe beim Lesen der Zeitungen den Eindruck gewonnen,viele in Ihrer Partei wissen das.
Sie können mit einem Untersuchungsausschuss denZug aufs Gleis setzen, aber ich prophezeie Ihnen: DerBahnhof, auf dem Sie ankommen werden, wird ein ande-rer sein als der, an den Sie denken.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Guido Westerwelle,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister,ich will vorab drei Richtigstellungen vornehmen: Wederbei der heutigen Debatte noch bei der Diskussion überdie Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses gehtes um die Frage, ob es richtig oder falsch war, dass sichDeutschland am Irakkrieg nicht beteiligt hat. Die FreienDemokraten haben hier im Hause immer erklärt, dasswir den militärischen Alleingang für falsch gehaltenhaben; das hat Wolfgang Gerhardt hier klar zum Aus-druck gebracht.
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as, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Punkt,m den es heute geht.Erstens. Wie wir erfahren mussten, ist ein deutschertaatsbürger vom amerikanischen Geheimdienst ent-ührt worden. Das ist ein skandalöser Vorgang. Wir wol-en wissen, was die Regierung, als sie davon erfahrenat, dagegen getan hat – auch im Rahmen von Gesprä-hen – und was die Schlussfolgerungen daraus sind. Dasuss aufgeklärt werden.
ch denke, in diesem Punkt sind wir uns alle einig.Man stelle sich einmal vor, der deutsche Geheim-ienst hätte einen amerikanischen Staatsbürger aus denSA verschleppt, misshandelt, in ein fremdes Land ge-racht und dort fünf Monate lang festgehalten, und einbgeordneter oder ein Minister würde sagen, darüber
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852 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Dr. Guido Westerwellewolle man öffentlich nicht sprechen, das könnte dieEuropäer ärgern, er wäre doch mit Schimpf und Schandenach Hause geschickt worden. So viel Selbstbewusstseinerwarte ich auch vom Deutschen Bundestag.
Das ist eine Frage des Rechtsstaates und unserer eige-nen nationalen Souveränität. Dabei bin ich weiß Gottunverdächtig – ich bin Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke –, dass ich hier irgendwelche antiamerikanischenReflexe ausleben wollte.Der zweite wesentliche Vorgang: Die Bundeskanzle-rin hat kurz vor ihrer Reise nach Washington und wäh-rend ihres Besuches dort gesagt, Guantanamo müssegeschlossen werden, ein solches Lager passe nicht zu ei-nem Rechtsstaat. Wir als Opposition haben ausdrücklichgesagt, dass das eine kluge und wohltuende Haltung war,die die Frau Bundeskanzlerin dort eingenommen hat.
Aber wenn man die Auffassung vertritt – offensichtlichsind wir alle dieser Meinung –, dass es solche rechts-freien Räume nicht geben darf, dass Guantanamo Un-recht ist, dann ist es unakzeptabel, dass deutsche Beamtenach Guantanamo fliegen, um sich dort an Verhören zubeteiligen. Das wollen wir aufgeklärt wissen.
Uns wurde von der jetzigen Regierung mitgeteilt,dass der Generalbundesanwalt, der bei den Ermittlungenfederführend ist, nicht einmal darüber informiert wurde,dass Beamte nach Guantanamo und übrigens auch nachSyrien gereist sind und dort in einem syrischen Folterge-fängnis Vernehmungen vorgenommen haben. Das istdoch eine Frage, die uns in einem Rechtsstaat betrifft. Esgeht deshalb nicht um eine Auseinandersetzung zwi-schen Opposition und Regierung, es geht um das Selbst-verteidigungsrecht des Rechtsstaates durch den Deut-schen Bundestag.
Ein dritter wichtiger Punkt: Alle Mitglieder des Par-lamentarischen Kontrollgremiums haben erklärt, dasssich die Beamten, die dort vorgestern angehört wordensind, glaubwürdig geäußert haben. Das ist dann aberauch alles, was in der Erklärung steht. Mehr hineinzuin-terpretieren ist in meinen Augen auch nicht zulässig.
– Es klatschen auch Mitglieder, die in dem Parlamentari-schen Kontrollgremium gesessen haben. – Ich sage dasdeswegen, weil man sonst nicht mehr damit rechnenkann, dass man, wenn anschließend eine solche Öffent-lichkeitsarbeit betrieben wird, auf vernünftige Art undWeise miteinander umgeht.dZWsgHKdavakÖSmwksUddInbdjlvnesdaUnMDphdeKszr
Also: Wir Freien Demokraten wissen um die staats-olitische Verantwortung. Wir wissen aber auch, dassier Grauzonen sichtbar geworden sind, die erhellt wer-en müssen. Das dient dem Rechtsstaat und das ist auchine Frage des Selbstbewusstseins der parlamentarischenontrolle. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Oppo-ition – oder auch ein Teil der Opposition – darauf ver-ichtet, dass hier aufgeklärt wird, was im Interesse unse-es Rechtsstaates dringend aufgeklärt werden muss.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 853
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Das Wort hat der Kollege Dr. Norbert Röttgen, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist circa eine Woche her, dass in der ÖffentlichkeitBehauptungen und auch Vorwürfe über die Rolle desBundesnachrichtendienstes vor und während des Irak-krieges geäußert worden sind.Ich möchte unterstreichen, dass dies auch das Themader heutigen Debatte ist. Es ist völlig in Ordnung undrichtig, dass wir diese Debatte führen. Herr Westerwelle,dies ist das Thema und nicht der Irakkrieg als solcherund auch nicht Guantanamo oder Verhöre in Gefängnis-sen. Das sind andere Themen. Ich bin sehr dafür, dasswir uns in dieser Debatte auf dieses Thema konzentrie-ren, ohne die anderen Themen auszuschließen. Sie wer-den im Kontrollgremium und im Bundestag natürlichauch weiter eine Rolle spielen. Konzentrieren wir unsaber auf dieses Thema; denn es geht ja um einen erhebli-chen Vorwurf, der aufgestellt worden ist, nämlich umden Vorwurf der zumindest punktuellen aktiven Beteili-gung an Kriegshandlungen und an der Kriegsführung derAmerikaner.Einen Tag nach Bekanntwerden dieser Behauptungenist das Parlamentarische Kontrollgremium zu einerSondersitzung zusammengekommen. Wir haben amMittwoch dieser Woche sechs Stunden getagt. Insgesamthaben wir jetzt rund zehn Stunden dazu getagt. Ich be-tone das nicht, um unseren Fleiß zu unterstreichen, son-dern ich betone das, weil dieses Verfahren, die zügigeAufklärung im zuständigen Gremium, das ausdrückt,was ich allen Fraktionen zugestehe und was alle Fraktio-nen für sich in Anspruch nehmen, nämlich den Wunsch,die Behauptungen, die in der Öffentlichkeit eine Rollegespielt haben, lückenlos aufzuklären. Das ist unsereAufgabe.
Es verbindet uns, dass wir dies aufklären und der Öffent-lichkeit auch transparent machen wollen, soweit es ver-tretbar ist.Darum möchte ich den einstimmigen Beschluss, denwir am Mittwoch gefasst haben, einmal in Auszügenvorlesen, um ihn auch hier im Parlament noch einmalzur Kenntnis zu bringen. Es sind Auszüge aus dem ein-stimmigen Beschluss. Ich zitiere: Die Mitarbeiter desBND, die vor Ort waren, haben glaubhaft bekundet, inkeiner Weise, weder bei Vorbereitung noch bei Planungoder Durchführung, an der Bombardierung des Restau-rants im Stadtteil Mansur am 7. April 2003 mitgewirktzu haben. – Das war der schwerste und konkreteste Vor-wurf, der gemacht worden ist. Diese Bekundung habenalle Mitglieder als glaubhaft angesehen. Diese Beteili-gung hat es definitiv nicht gegeben. Das hat die Führungdes Bundesnachrichtendienstes so mitgeteilt und die ak-tiv im Einsatz befindlichen Beamten haben das bestätigt.
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854 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Dr. Norbert RöttgenIch meine weiterhin, Herr Westerwelle, dass dieseDebatte ein guter Anlass ist, über die Rolle der Geheim-dienste zu reden. Darum möchte ich für unsere Fraktiondeutlich machen – ich freue mich über den Konsens, daswird offensichtlich von allen so gesehen, aber es istdurchaus sinnvoll, das zu unterstreichen und zu betonen –,dass die Nachrichtendienste und die nachrichtendienstli-che Informationsbeschaffung für unseren demokrati-schen Staat und die Kernaufgabe des Staates, alles fürdie Sicherheit der Bürger zu tun, unverzichtbar sind. Wirals demokratischer Staat brauchen Nachrichtendienste.
Ich glaube des Weiteren, dass die Bedeutung derNachrichtendienste angesichts der Gefahren des interna-tionalen Terrorismus gewachsen ist. Es ist wichtig, dasswir das im Parlament auf einer möglichst breiten Grund-lage darstellen. Wenn das der Fall ist, dann haben wiralle ein Interesse an der Gewährleistung der Funk-tionsfähigkeit der Nachrichtendienste. Auch das istmeines Erachtens Bestandteil eines begrüßenswertenKonsenses.Ich möchte betonen, dass ich nicht nur keinen Gegen-satz zwischen der Funktionsfähigkeit und einer effekti-ven Kontrolle der Nachrichtendienste sehe, sondernauch der Auffassung bin, dass die Funktionsfähigkeit derNachrichtendienste von zwei Voraussetzungen abhängigist. Wenn wir ihre Funktionsfähigkeit aufrechterhaltenwollen, dann müssen wir sicherstellen, dass beide Vo-raussetzungen erfüllt sind. Zum einen müssen wir die in-ternationale Kooperationsfähigkeit unserer Geheim-dienste gewährleisten. Geheimdienste verlieren dieinternationale Kooperationsfähigkeit, wenn sie nichtmehr geheim operieren können.
Deshalb müssen wir im Sinne ihrer Funktionsfähigkeitund ihrer Kooperationsfähigkeit die Geheimhaltung derGeheimdienste gewährleisten.
Zum anderen müssen wir aber auch die innerstaat-liche Akzeptanz der Nachrichtendienste sicherstellen.
Wenn ihnen die innerstaatliche und parlamentarischeAkzeptanz fehlt, sind sie ebenfalls nicht funktionsfähig.
Um innerstaatliche Akzeptanz herzustellen, ist die effek-tive Kontrolle der Nachrichtendienste unerlässlich.
Diese kann nur auf einer Basis wechselseitigen Vertrau-ens stattfinden. Ich glaube, ich kann für das Parlamentunterstreichen, dass wir den Anspruch und die Erwar-tung haben, dass wir – insbesondere das zuständige Gre-mwwbrIIdvsaewwstAKssLdDdaWsfcVmEsmzddtarclimrv
n diesem Fall würde die Information zu spät erfolgen.ch möchte aber genauso betonen, dass die Nachrichten-ienste auf dieser Basis das Vertrauen des Parlamentserdienen. Darum kann es auch nicht richtig sein, dasschon ein Zeitungsbericht oder eine Fernsehsendungusreicht, um das Vertrauen zu zerstören. Die Vertrau-nsgrundlagen müssen schon wechselseitig geschaffenerden.
Zur Akzeptanz gehört weiter – ich greife Ihren Hin-eis auf –, dass wir eine Debatte führen und eine Ent-cheidung über die Grenzen des Einsatzes von Nachrich-endiensten treffen müssen. Wir haben nach meineruffassung in dieser Debatte noch nicht die notwendigelarheit erzielt. Dass wir die Nachrichtendienste wollen,teht außer Frage. Aber wo sind die Grenzen ihres Ein-atzes zu ziehen?Nachrichtendienstliche Tätigkeit findet in unseremand wie jede staatliche Tätigkeit im Rahmen und unterer Bedingung von Rechtsstaatlichkeit statt.
avon ist kein Bereich ausgenommen. Nachrichten-ienste kooperieren aber auch mit Nachrichtendienstenus Staaten, die keine rechtsstaatliche Ordnung haben.o in dem Spannungsverhältnis von eigenen rechts-taatlichen Vorstellungen und der Informationsbeschaf-ung, die für die Sicherheitslage unseres Landes mögli-herweise relevant ist – dabei geht es um die Frage dererhöre –, Grenzen zu ziehen sind, ist zu justieren. Wirüssen diese Debatte führen und in dieser Frage einentscheidung treffen.Drittens müssen wir uns über den parlamentari-chen Umgang mit diesem Vorfall im Zusammenhangit den Nachrichtendiensten klar werden. Ich bin sehruversichtlich, dass wir einen angemessenen Umgang inem Spannungsverhältnis, in dem sich die Nachrichten-ienste bewegen, finden. Notwendig sind effektive Kon-rollen. Die Bevölkerung hat einen legitimen Anspruchuf Information. Eine weitere Notwendigkeit besteht da-in, die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste si-herzustellen. Mit diesen Notwendigkeiten wird das Par-ament verantwortungsvoll umgehen.Ich komme zum Schluss. Als Parlamentarier möchtech mir diese Bemerkung nicht verkneifen, Herr Außen-inister. Das Recht, Untersuchungsausschüsse einzu-ichten, ist ein Minderheitenrecht des Parlaments. Icherteidige dieses Recht ohne Einschränkung. Letztlich
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 855
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Dr. Norbert Röttgenmuss die Minderheit darüber befinden, ob sie von die-sem Recht Gebrauch machen möchte.
Ich bin der Auffassung, dass sich das Parlament selberzu organisieren und darüber zu entscheiden hat. Ich habekeinen Zweifel an seinem verantwortlichen Umgang indiesem Spannungsverhältnis und seiner Entscheidung,mit welchen Instrumenten es an solche Fragen heran-geht. Ich halte Ratschläge der Regierung, wie sich dasParlament sinnvollerweise zu organisieren habe, für un-angemessen. Das ist Sache des Parlaments. Wir, die Par-lamentarier, sollten darüber entscheiden.
Herr Röttgen, bitte kommen Sie zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Ich möchte meinen Hin-
weis auf dieses Recht des Parlaments und die Zuver-
sicht, dass wir alle damit verantwortlich umgehen, aller-
dings mit einer Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen
verbinden. Als aktiver Teilnehmer habe ich volles Ver-
ständnis für parteipolitische Auseinandersetzungen.
Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es in diesem Fall
um die Gewährleistung der Sicherheit unserer Bürger in
einer Bedrohungslage geht, die sich auch gegen unser
Land richtet. Ich appelliere: Wir sollten dies in den Ge-
sprächen zwischen den Fraktionsvorsitzenden berück-
sichtigen und einen angemessenen Umgang finden. Wir
haben zahlreiche andere Gelegenheiten für parteipoliti-
sche Darstellungen. Nutzen wir nicht dieses Feld dafür!
Wir haben Verantwortung für das Land und die Bevölke-
rung. Wir werden ihr gerecht; darin bin ich mir ganz si-
cher.
Danke sehr.
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau von der Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Linke im Bundestag will einen parlamentarischenUntersuchungsausschuss, aber nicht zur Selbstbeschäf-tigung und auch nicht zum parlamentarischen Schatten-boxen. Wir sind der Meinung: Der Vorwurf etwa, dassder BND im Irakkrieg kriegswichtige Informationen andie USA gegeben habe, und weitere Vorwürfe müssenöffentlich nachvollziehbar aufgeklärt werden.
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inzu kommt der Vorwurf, dass Sicherheitsdienste derundesrepublik Gefangene vernommen haben, die mitn Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vordem ge-oltert wurden. Aktuell ist zu klären, wie, auf welcherrundlage und mit welchem Ziel der BND im Irak miter Kriegspartei USA zusammengearbeitet hat und wel-hen Part dabei die Bundesregierung gespielt hat.
Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht nicht mehrm „Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Krieg“, wies noch vom Bundesverwaltungsgericht im Pfaff-Urteilestgestellt wurde. Der Vorwurf, der nun im Raum steht,autet: Teilhabe an einem völkerrechtswidrigen Krieg.as ist eine neue Qualität. Das ist ein so weit reichenderorwurf, dass mir völlig unklar ist, warum sich die SPDegen einen Untersuchungsausschuss sperrt.
erade sie müsste doch ein riesengroßes Interesse daranaben, diesen Vorwurf aus der Welt zu schaffen. Ich er-nnere mich noch gut an die Großflächen, mit denen diePD ihren Bundestagswahlkampf 2005 geführt hat.Friedensmacht“ stand darauf.
ch sage Ihnen, teure Genossinnen und Genossen derPD-Fraktion: Ich persönlich wäre hoch erfreut, wennich all die Vorwürfe, die hier im Raume stehen, begrün-et und nachvollziehbar widerlegen ließen; denn ich willicht, dass Deutschland ein Kriegsland ist.
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Petra PauDie CDU/CSU lehnt den Untersuchungsausschuss alsüberflüssig ab. Einige ihrer Worte fielen mit Blick aufdie drei Oppositionsfraktionen auch drastischer als„überflüssig“ aus. Aber: geschenkt. Unverschämter fandich ohnehin das, was der Fraktionsvorsitzende derUnion, Herr Kauder, via ZDF den interessierten Bürge-rinnen und Bürgern als Nachricht zugemutet hat. Alles,so sagte er nach der ersten Runde in dem PKGr, sei imzuständigen Kontrollgremium besprochen worden undzwei Drittel der Vertreter im Kontrollgremium seien mitdem Gehörten sehr einverstanden gewesen, also braucheman keinen weiteren Ausschuss. Ich finde, so veralbertman Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf Aufklä-rung haben,
zumal ihnen ja täglich eingebläut wird, sie seienDeutschland. Sie hätten wenigstens dazu sagen müssen:Das Kontrollgremium ist ein Geheimklub, in dem dieVertreter der Fraktionen sich etwas anhören, was siedann anschließend verschwiegen mit ins Grab nehmendürfen, mehr nicht. – Sie hätten Ihre Rechnung auch ehr-licher vortragen können; denn die zwei Drittel, von de-nen Herr Kauder sprach, bringen schon die Vertreter vonSPD und Union auf, also lediglich zwei Fraktionen. DieVertreter der anderen Fraktionen waren also – nach al-lem, was man hört – mitnichten mit dem zufrieden, wasdort erzählt wurde. Auch deshalb ist das Nachdenkenüber die Einsetzung eines parlamentarischen Untersu-chungssausschusses folgerichtig.Und weil ich gerade beim Abwiegeln der Union bin:Ich kann das aus Ihrer Sicht sogar nachvollziehen.Schließlich hatten Sie ja eine andere Meinung zum Irak-krieg als die PDS und die Linksfraktion. Ihr KollegePflüger hat sich mehrfach als Kriegsbefürworter enga-giert, selbst wenn der Krieg völkerrechtswidrig ist.
Folglich ist eine deutsche Beteiligung am Krieg im Irakfür ihn sicherlich auch kein Skandal, sondern eher einLiebesdienst an die USA, den man dann auch würdigensollte. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran: Kurz be-vor die USA in den Irak einfielen, demonstrierten alleinhier in Berlin 500 000 Friedensbewegte gegen den dro-henden Krieg. Weltweit waren es zig Millionen Men-schen.
Danach ereiferte sich Friedbert Pflüger öffentlich, es seieine Schande für Deutschland – so sagte er damals –,dass auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse beidieser Friedensmanifestation dabei war. Ich könnte zumBeleg auch andere Kollegen der Union aufrufen. Aberda der Kollege Pflüger ja demnächst als Spitzenkandidatder Berliner CDU in den Landtagswahlkampf ziehenwill,
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Herr Pflüger soll da nicht gehört werden. Da brauchenie keine Angst zu haben.Der Parlamentarische Untersuchungssausschuss,en wir fordern, folgt übrigens noch einer ganz anderenogik. Im 15. Bundestag waren für die PDS Gesineötzsch und ich vertreten. Wir hatten eingeschränktearlamentarische Rechte, aber wir haben sie bestmöglichusgeschöpft. So haben wir immer wieder Fragen zuuantanamo, zu Menschenrechtsverletzungen im Kriegn Afghanistan und auch zur Beteiligung am Irakkriegestellt. Nach allem, was bislang bekannt ist, wurden wirn den Antworten der Bundesregierung getäuscht. Damittellt sich ganz grundsätzlich die Frage nach der Rollees Bundestages. Man kann nicht die Bürgerinnen undürger zur Wahl rufen, ihnen einreden, sie seien derouverän, und ihren gewählten Vertreterinnen und Ver-retern danach bedeuten, sie seien eigentlich nichts.
eshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, appelliere ichn alle Mitglieder des Bundestages, egal ob Sie dernionsfraktion angehören oder den Grünen: Im Schein-erfer stehen hier zugleich die Würde des Bundestagesnd das Selbstwertgefühl der Abgeordneten. Sie wissenoch, dass viele Umfragen belegen, dass das Zutrauen inie Politik, in die Parlamente und in die Demokratieinkt. Dagegen können wir mit Transparenz ein Zeichenetzen. Wir sollten es auch endlich tun.Mein letztes Wort geht an die Grünen. Die Medienelden und die Bürgerinnen und Bürger haben es zurenntnis genommen: Ein Untersuchungsausschuss kannur einberufen werden, wenn die drei Oppositionsfrak-ionen dies gemeinsam wollen.
eit gestern melden die Medien – auch das nehmen dieürgerinnen und Bürger zur Kenntnis –, die drei Opposi-ionsfraktionen wollten es womöglich nicht, weil es Un-timmigkeiten zwischen den Grünen und der FDP gebe.un gibt es in der Tat keine Koalition in der Opposition.ber es geht hier nicht um Allgemeinplätze und auchicht um parteipolitische Profilierung,
edenfalls nicht nach unserer Auffassung und, wie ichach den Gesprächen mit den Liberalen festgestelltabe, auch nicht nach Auffassung der FDP.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 857
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Petra PauWir wollen keine völkerrechtswidrigen Kriege undwir wollen, dass Menschenrechte universell gelten. Wirwollen, dass die EU demokratisch gestaltet wird.
Sie müssen zum Schluss kommen.
Es geht also um mehr als nur um die Frage, ob zwei
BND-Beamte im Irak aus dem Ruder gelaufen sind. Wir
sollten uns dieser Untersuchungsaufgabe gemeinsam
stellen und wir sollten nicht kleinkariert debattieren. Das
Europaparlament hat es uns vorgemacht: Es hat ges-
tern einen Ausschuss mit einem umfassenden Unter-
suchungsauftrag eingesetzt.
Das Wort hat die Kollegin Renate Künast vom Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heu-tige Debatte zeigt, dass sich der Untersuchungsauftragschon gelohnt hat. Wir haben unseren Aufklärungsbe-darf in dieser Sache in einem Fraktionsbeschluss bekun-det. Wir wollen aufklären. Wir wollen eine Novelle desPKGr-Gesetzes, weil wir der Meinung sind, dass dieKontrolle, wie sie in der Vergangenheit stattgefundenhat, nicht angemessen ist, und wir wollen Transparenz inBezug auf diese Vorfälle. Teilweise ist etwas durchge-sickert, teilweise wurde regelrecht Desinformation be-trieben. Vielleicht ist an der einen oder anderen Stelleauch die Wahrheit bekannt geworden.Die Drohung, einen Untersuchungsausschuss einzu-setzen, hat längst gezogen. Was wir gemacht haben, wargut so. Es gibt im Parlamentarischen Kontrollgremiummittlerweile eine Vollständigkeit, wie es sie bisher nochnicht gab.Es gibt aber auch keinen Grund, hier irgendetwas ge-sundzubeten. Den PKGr-Mitgliedern wurde bezüglichel-Masri zweimal gesagt, man wisse davon nichts, ob-wohl zumindest der Vizepräsident des Bundesamts fürVerfassungsschutz oder der Vizepräsident des BKA da-von wusste. So fing es an. Angesichts der Vielzahl dererhobenen Vorwürfe war es genau deshalb richtig, zufordern, dass die schärfste Waffe des Parlaments einge-setzt wird. Man musste nämlich den Eindruck haben,dass man sich hinter den detaillierten Regelungen desPKGr-Gesetzes verschanzt.Auch wenn ich jetzt für die Grünen von der Möglich-keit einer besseren Entwicklung spreche, muss ich sa-gen: Glaubhafte Aussagen von BND-Mitarbeitern sindnicht alles, was an Aufklärung passieren muss. Auchdarauf will ich hinweisen, damit es öffentlich nicht zuFehlwahrnehmungen kommt.EldsTegstgmsddmaslwrrdetnftsdhWJdKslruDs„A
s gibt da noch jede Menge zu tun. Aber ich mussobend erwähnen: Die Aufklärung geht voran. Genauas wollen wir Grüne. Wir haben ein Interesse an voll-tändiger Aufklärung. Alles, worüber wir in den letztenagen geredet haben, ist mit der Absicht verbunden, dasss ein öffentlich erkennbares, transparentes Ergebnisibt.Lieber Herr Außenminister, ich meine, dass es an die-er Stelle kein Spannungsfeld zwischen dem Informa-ionsinteresse des Parlamentes und den Geheimdienstenibt. Dieses Spannungsfeld darf es gar nicht geben. Viel-ehr geht es darum, wie man die Parlamentarier voll-tändig aufklärt und wie man – natürlich unter Wahrunges Schutzes von Menschenleben – der Öffentlichkeitadurch ermöglicht, an der Debatte teilzunehmen, dassan die Fragen beantwortet, was geschehen ist und wasn den Vorwürfen dran ist. Genau das ist der grüne An-atz: Wissen, was war, und in einem Rechtsstaat öffent-ich darüber diskutieren.
Herr Außenminister, ich muss den Vorwurf zurück-eisen, wer einen Untersuchungsausschuss und Aufklä-ung wolle, verabschiede sich an dieser Stelle von derot-grünen Regierungspolitik. Eines muss klar sein: Je-er Mann und jede Frau muss die Größe haben, zu ihrerigenen Politik zu stehen und bei solchen Vorwürfenrotzdem zu erkennen, wann scharfe Aufklärungsarbeitötig ist. Das gehört zur grünen Identität.
Ich sage in Richtung der beiden anderen Oppositions-raktionen: Wir standen hier in Regierungsverantwor-ung, und zwar in sehr schweren Zeiten. Diese Zeitenind auch nicht einfacher geworden, zum Beispiel wasen internationalen Terrorismus anbelangt.Wir haben in der Regierungsverantwortung standge-alten, als andere wirklich massivste Register zogen.ir in der rot-grünen Bundesregierung, vornan auchoschka Fischer, haben gefragt und analysiert: Was ista? Stimmen die Behauptungen der USA? Was kann einrieg dort auslösen, nicht nur im Irak, sondern in der ge-amten arabischen Welt? Welche Auseinandersetzungenöst er darüber hinaus aus? Wir hatten die Fähigkeit, vo-auszuschauen. Wir hatten auch den Mut, es zu sagennd an der Stelle zu stehen, als Stürme um uns tosten.ies werden wir uns von niemandem nehmen lassen,chon gar nicht von der PDS oder der FDP.
Geschichtsklitterung geht nicht“, sage ich Ihnen klar.Ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen, trotz allerufklärungsbemühungen. Auch von einem Pentagon-
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858 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Renate KünastMitarbeiter, also einem Mitarbeiter der Macht, die vor-her mit Lug und Trug behauptet hat, es gebe überzeu-gende Gründe für den Irakkrieg, lasse ich mich nicht insBockshorn jagen. Ich meine nicht, dass die per se Rechthaben.
Herr Westerwelle, Sie haben gerade so schön erzählt,was alles mit den Freien Demokraten war und wie HerrGerhardt hier gestanden hat. Herr Westerwelle, schön er-zählt! Aber ich erinnere mich auch sehr gut daran, wieSie mit anderen zusammen hier immer gebohrt und ge-sagt haben, die Bundesregierung halte ihr Wissen überMassenvernichtungswaffen im Irak zurück. Welch an-dere Motivation hatte das denn, als uns zu sagen: „Es istfalsch, dass ihr nicht mit Soldaten in den Irak wollt“?Sonst wäre das überhaupt nicht logisch gewesen.
Wir haben keine Soldaten in den Irak geschickt. Wirhatten den Mut dazu. Wir wissen aber auch – das erwarteich eigentlich von allen und schon gar von einer Partei,die jahrelang berühmt gewordene und sehr angeseheneAußenminister stellte; das ist hier auch immer gesagtworden –: Wir sind in der NATO und es bestehen Bünd-nisverpflichtungen. Daraus ergibt sich so manche Un-terstützung oder so manches Bündnisverhalten. Darankann man an der Stelle nichts ändern. Das bitte ich auchanzuerkennen.In Ihrem Entwurf für den Untersuchungsauftrag, HerrWesterwelle, steht – ich habe es erst nicht geglaubt unddas Blatt noch einmal umgedreht –: Die Bundesregie-rung behauptet, nicht am Krieg teilzunehmen; tat-sächlich aber hat Informationsaustausch zwischen demdeutschen Geheimdienst und dem US-Geheimdienststattgefunden. – Was wollen Sie damit eigentlich ande-res sagen als: „Es darf keiner stattfinden“ oder: „Manmuss jegliche Zusammenarbeit, auch im Kampf gegenden internationalen Terrorismus, aufgeben“?
– Sonst können Sie den Vorwurf nicht erheben.
Sonst müsste der Vorwurf anders lauten.
Er müsste dann lauten – dem wollen wir auch gern nach-gehen –, dass man keine Weisung hatte – aber es gab jaeine – bzw. dass man die verletzt hat und meinetwegenZiele geliefert hat.sndDrrdhDiathgmkGsgbsmggwddGcgssS
as ist eine Fragestellung.
Wie wir erfahren haben, hat gerade die grüne Fraktion
n den Gesprächen zum Untersuchungsauftrag zu Recht
uf jedes Wort großen Wert gelegt, also darauf, den Un-
ersuchungsauftrag präzise zu formulieren. Sind Sie da-
er bereit, zur Kenntnis zu nehmen, wie unser Vorschlag
enau lautet?
Herr Stadler, ich nehme zur Kenntnis, wie diese For-ulierung genau lautet, auch wenn Sie sie jetzt nichtomplett vorgelesen haben. Aber trotz eines fehlendenermanistikstudiums habe ich spontan das Gefühl: Sieagt doch genau das aus, was ich hier gerade in die Weltesetzt habe.
Ich habe mich in den letzten Tagen hin und wieder einisschen an so manchen populistischen Äußerungen ge-tört, die es auch seitens der FDP gab. Da wurde gesagt,al von Herrn Stadler, mal von Herrn Gerhardt: „Eseht uns gar nicht um Details; es geht uns um die Verlo-enheit der rot-grünen Bundesregierung“ oder so. Daollte ich Ihnen eigentlich spontan anbieten, dass wiren Untersuchungsausschuss lassen und uns draußen aufer Wiese zum Raufen finden könnten. Mir ist bei einemespräch aber eines aufgegangen, nämlich dass mit sol-hen Sätzen von Herrn Gerhardt vielleicht gar nicht ichemeint bin oder auch wir Grünen gar nicht gemeintind. Wir wissen, wie strittig die Debatte über den Unter-uchungsausschuss auch bei Ihnen in der FDP an dertelle geführt wird.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 859
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Renate KünastIch habe mich mittlerweile zu der These verstiegen,dass, wenn Herr Gerhardt rot-grüne Politik kritisiert undentlarven will, das in Wahrheit eine ganz perfide Strate-gie ist, den Untersuchungsausschuss – weil er sich Ihnengegenüber, Herr Westerwelle, noch nicht ganz durchset-zen konnte – auf intelligente Art und Weise zu torpedie-ren.
– Herr Westerwelle, wir wissen, dass da ein internerStreit existiert. Wenn wir über Aufklärung reden, müs-sen alle Beteiligten fair und ehrlich sein.
Frau Künast, der Kollege Westerwelle würde gern
eine Zwischenfrage stellen.
Bitte.
Bitte schön.
Eigentlich nur, damit sich das nicht weiter festsetzt
– ich habe das ja auch gelesen; es ist schon putzig, wie
Sie das jetzt hier einführen –: Sind Sie bereit, zur Kennt-
nis zu nehmen, dass der Fraktionsvorsitzende,
Dr. Wolfgang Gerhardt, in der Fraktion als erster Redner
den Antrag auf Beschlussfassung zugunsten eines Unter-
suchungsausschusses gestellt hat und dass die Fraktion
bei Enthaltungen, aber ohne Gegenstimme dementspre-
chend entschieden hat?
Lieber Herr Westerwelle, dagegen, dass dieser Ablauf
so war, kann ich jetzt logischerweise nicht argumentie-
ren.
Ich weiß aber auch, dass das im Zweifelsfall nicht viel
aussagt; denn die Spatzen pfeifen auch von den Dächern,
dass Herr Gerhardt und andere Außenpolitiker in Ihrer
Fraktion aufgrund des teilweise populistischen Getues
erheblich leiden. Sie werden mir diese Bewertung nach-
sehen.
Sie müssen dann bitte auch zum Schluss kommen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einen Satz zu Frau
Pau sagen. Sie haben hier über Teilhabe und Beihilfe ge-
sprochen. Sie kennen die Gerichtsentscheidung. Ich
weise Sie aber auf eines hin: Wenn Sie diese Auseinan-
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ber das ist an FDP-mitregierten Bundesländern ge-
cheitert. Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, wo die
DP an der Regierung beteiligt ist, haben das nicht mit-
etragen.
Ich weiß, dass es auch bei Ihnen eine Debatte über das
hema Folter gibt. Wir alle wissen, dass Herr Lafontaine
m Fall Daschner einen sehr lockeren Umgang pflegt,
ie es, glaube ich, sonst niemand in diesem Hause tut.
Ich weise darauf hin, dass die Redezeit der Grünen-
raktion jetzt fast komplett aufgebraucht ist. – Frau
ötzsch würde gerne noch eine Zwischenfrage stellen.
rau Künast, lassen Sie diese Frage zu?
Ja.
Dann bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Künast, Sie ha-en soeben meine Kollegin Frau Pau in der Frage deründnisverpflichtungen angegriffen.
ind Sie bereit, zuzugeben, dass die NATO ein Verteidi-ungsbündnis und kein Angriffsbündnis ist und dass diendirekte Unterstützung des Irakkrieges etwas mit An-riff und nicht mit Verteidigung zu tun hatte?
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860 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Die Frage kann ich gut verstehen, Frau Lötzsch. Ich
sage Ihnen trotzdem an dieser Stelle: Wir und auch Rot-
Grün haben zu jedem Zeitpunkt offen gelegt, dass wir
– das ist hier vorhin schon einmal zitiert worden, und
zwar aus einem Redebeitrag des damaligen Bundeskanz-
lers – keine Soldaten dorthin schicken,
dass wir aber in einer Vernetzung von Bündnisverpflich-
tungen stehen. Das habe ich hier klar gesagt. Davon gibt
es auch nichts zurückzunehmen.
Ich sage Ihnen noch einmal, weil mir diese Pfennig-
fuchserei ehrlich gesagt auf den Nerv geht – Sie tun
schon wieder so, als gehe es nur darum, jemanden zu
desavouieren –: Wir reden in diesem Zusammenhang
auch über internationalen Terrorismus und Gefährdun-
gen für dieses Land. Ich bin, obwohl Oppositionsvertre-
terin, nicht bereit, hier eine unverantwortliche Vorfüh-
rung zu geben.
Ich weiß: Wir brauchen in einem demokratischen
Rechtsstaat Geheimdienste. Diese müssen aber scharf
kontrolliert werden. Die Abgeordneten und die Men-
schen müssen wissen, was gewesen ist. Wir müssen an
dieser Stelle auch die Sicherheit unserer Bevölkerung
garantieren. Genau das wollen wir tun.
Noch eine Bemerkung zum Schluss. Der Untersu-
chungsauftrag von uns liegt vor. Damit ist klar, was wir
untersuchen wollen. Wir stehen hinsichtlich der Aufklä-
rung der Fragen meines Erachtens allenfalls am Anfang.
Wir sind bereit, am Montag mit den anderen Fraktions-
vorsitzenden über das weitere Vorgehen zu reden. Aber
ich sage Ihnen ganz klar: Es geht um die Aufklärung der
Fragen und um einen öffentlichen Diskurs. Darunter
geht gar nichts.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Diether Dehm.
Ich hatte diesen Beitrag eigentlich als Frage angelegt,
als ich Sie, Frau Künast, noch am Pult wähnte.
Ich muss – ebenfalls in Ermangelung eines Germanis-
tikstudiums – fragen: Sind die Grünen jetzt dafür oder
dagegen?
Frau Künast, bitte bleiben Sie mit Ihrer Antwort unter
drei Minuten.
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Ulrich
lose, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich äußere mich in dieser Debatte aus der Sichtines Außenpolitikers. Außenpolitiker sind für ihre tägli-he Arbeit auf vielfältige Informationen angewiesen.an kann sogar sagen: Ein großer Teil unserer Arbeitesteht aus Informationserarbeitung, -verarbeitungnd -auswertung. Zu unseren Informanten gehört aucher BND, der in der Regel auf Anforderung in mündli-her oder schriftlicher Form berichtet. Seine Berichteind, auch wenn sie nicht qualifiziert sind, ihrer Naturach vertraulich bzw. nicht öffentlich.Letzteres gilt ganz generell auch für die Beratungenes Auswärtigen Ausschusses. Als Konsequenz darausolgt, dass wir über die Beratungen des Auswärtigenusschusses immer nur zur Sache, nicht aber zur Personerichten. Diese Grundregel wird weitgehend eingehal-en und erlaubt es, in einer sehr offenen Weise miteinan-er zu debattieren, was ich immer als großen Vorzug desuswärtigen Ausschusses empfunden habe.Die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes habenns bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewie-en, dass es bei ihren Analysen nicht nur um Tatsachen,ondern immer auch um Interpretationen und Bewertun-en geht. So auch in dem einen viel diskutierten Punkt,er vor dem Irakkrieg und auch später eine erheblicheolle gespielt hat. Ich rede von den so genannten rollen-en Containern, in denen, wie es hieß, Biowaffen pro-uziert wurden. Der Bundesnachrichtendienst hat unsnd – soweit wir richtig informiert sind – auch die Ame-ikaner rechtzeitig über die problematische Quellenlagenterrichtet und keinen Zweifel an seinen eigenen Zwei-eln gelassen. Das ist nicht unwichtig, weil bis zum heu-igen Tage immer wieder behauptet wird, der BND habeit Falschmeldungen Begründungen für den Irakkriegeliefert. Das hat er nicht, auch wenn es in den amerika-ischen Medien gelegentlich anders dargestellt wurde.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 861
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Hans-Ulrich KloseDass der BND auch während des Irakkrieges im Iraktätig war, wussten wir – ohne die Einzelheiten zu ken-nen. Ich selbst habe es immer für richtig gehalten, zumeinen, weil wir ein unmittelbares deutsches Interesse aneigenen Informationen hatten. Hatten wir doch denAmerikanern nach den Anschlägen von New York undWashington unsere „uneingeschränkte Solidarität“ zuge-sagt. Wir wussten oder vermuteten, dass der Irakkriegdas terroristische Problem verschärfen könnte. Das wardoch einer der Gründe dafür, warum die damalige Bun-desregierung eine Beteiligung am Irakkrieg ablehnte undsich insgesamt skeptisch äußerte.
Joschka Fischer dazu: „I’m not convinced.“Zum anderen war die Bundesrepublik schon zum da-maligen Zeitpunkt in der Region engagiert und mit Sol-daten in Afghanistan, Kuwait und am Horn von Afrikapräsent. Es war daher für uns wichtig, aus eigener An-schauung zu erfahren, wie die Dinge im Irak und in derRegion sich entwickelten: Gab es im Irak, wie vermutet,Massenvernichtungswaffen? Würden sie eingesetztund mit welchen Folgen?Die Befürchtungen, dass sie eingesetzt würden, warenim Übrigen nicht unplausibel; denn immerhin hatteSaddam Hussein zweimal vorher chemische Waffen ein-gesetzt:
im Krieg gegen den Iran und gegen die eigene kurdischeBevölkerung.Die Bundesregierung, die Regierung Schröder, hatdeshalb richtig entschieden, als sie dem BND den Auf-trag erteilte, auch nach Schließung der Deutschen Bot-schaft im Irak zu bleiben, um die Lage für sich und inKooperation mit befreundeten Diensten zu beobachtenund zu analysieren. Das ist nicht zu kritisieren. Das istim Gegenteil zu loben.
Anders wäre es, wenn, wie jetzt behauptet, die BND-Mitarbeiter operativ kriegsunterstützend tätig gewordenwären, zum Beispiel bei der Definition von Zielen füramerikanische Bombenangriffe. Das ist, wie auch dasParlamentarische Kontrollgremium einstimmig festge-stellt hat, nicht geschehen. Die Aussagen der beidenBND-Mitarbeiter seien glaubhaft, so die Erklärung desParlamentarischen Kontrollgremiums, was doch nur hei-ßen kann: Wir, die Mitglieder dieses Gremiums, glaubenihnen, nachdem wir über sechs Stunden mit ihnen darü-ber verhandelt haben. Vor Gericht jedenfalls, lieber Kol-lege Westerwelle, reicht das aus.
Was bleibt nach allem für einen Untersuchungsaus-schuss zu diesem Thema übrig? Zur Sache nichts, jeden-falls nicht viel; allenfalls die Frage, warum jetzt, zu die-sem Zeitpunkt, anderes behauptet wurde, und von wem.
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s liegt nun einmal in der Logik geheimdienstlicher Ak-ivitäten, dass sie in großem Umfang im Geheimen ge-eistet werden, um effektiv zu sein. Auf Effektivität sindir alle aus Gründen der Sicherheit angewiesen. Wirissen doch: Den Kampf gegen den internationalen Ter-orismus können wir nur gewinnen, wenn wir ein ver-ässliches Netzwerk von Informationen und Kooperationufbauen. Niemand – ich wiederhole: niemand – kannin Interesse daran haben, dass der BND als geheim-ienstlicher Koalitionspartner verbrannt wird. Die Ge-ahr, dass dies geschieht, ist nicht klein, vor allem dannicht, wenn die Motive der Aufklärungsbemühungeniffus sind, und das scheint mir hier der Fall zu sein.Die Besorgnis über die mangelnde Kontrolle dereheimdienste will ich damit nicht kleinreden, Herrollege Westerwelle. Sie ist umso mehr berechtigt, je in-ensiver die Dienste international kooperieren. Damitüssen wir uns als Parlamentarier im Bundestag und zu-ammen mit unseren parlamentarischen Kolleginnen undollegen in den Partnerländern beschäftigen, und zwaru gegebener Zeit, nicht innenpolitischem Kalkül fol-end und schon gar nicht im Schnellverfahren.Die SPD-Fraktion, genauer: die Arbeitsgruppe Au-enpolitik meiner Fraktion, hat mit solchen Beratungenereits begonnen und wir laden die anderen Fraktionenusdrücklich ein, sich an unseren Beratungen zu beteili-en.
Sie müssen bitte zum Ende kommen, Herr Klose.
Aus außenpolitischer und parlamentarischer Sicht
äre dies die angemessene Verhaltensweise. Ich fände
s gut, wenn wir uns darauf verständigen würden.
Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention demollegen Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grü-en.
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Herr Kollege Klose, ich habe mich über Ihre Rede ge-ärgert. Ich habe mich auch über die Berichterstattung– die ich heute in den Zeitungen gelesen habe – über dieSitzung des PKGr, deren Folgen und den Bericht geär-gert. Ich werfe der Bundesregierung und den sie tragen-den Fraktionen vor, dass sie das PKGr und die Geheim-haltungspflicht im PKGr bewusst missbrauchen.
Sie delegieren die Aufklärung der gravierenden Vor-würfe – wir sind uns ja einig, dass die Vorwürfe, die er-hoben werden, gravierend sind – in das PKGr und kom-men anschließend auf der Grundlage von Berichten ausdem PKGr zu völlig unzutreffenden Schlussfolgerungen.
Das PKGr hat nicht festgestellt, dass an den Vorwür-fen nichts dran ist, wie das Herr Minister Steinmeier ges-tern von Kairo aus verlauten ließ oder wie KollegeKauder es nach der letzten Sitzung des PKGr festgestellthat. Vielmehr hat das PKGr in seiner Erklärung – derKollege Röttgen hat sie ja heute zum Teil zitiert – ledig-lich festgestellt, dass ein Teil der Angaben der beidenZeugen vom Bundesnachrichtendienst glaubhaft war.Das PKGr hat darüber hinaus festgestellt, was die Bun-desregierung berichtet hat.Damit ist überhaupt nichts darüber ausgesagt, was da-ran richtig oder falsch ist. Es handelte sich hier ja umAngaben – wenn Sie so wollen – von „Beschuldigten“.
Denn es werden ja Vorwürfe gegen den Bundesnachrich-tendienst, gegen einzelne Mitarbeiter des Bundesnach-richtendienstes in der Öffentlichkeit erhoben. Dazu ha-ben sie Stellung genommen. Die Stellungnahme ist jetztin Halbsätzen wiedergegeben worden. Ob diese Stel-lungnahme richtig ist, hat das PKGr nicht festgestellt.Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um Angabenvon „Beschuldigten“, bei denen eine Überprüfung not-wendig ist.
Ich sage Ihnen: Die Angaben, die hier von „Beschul-digten“ gemacht worden sind, sind vor allen Dingenauch deshalb zweifelhaft, weil ich in diesem Gremium– gerade in Sachen el-Masri – die Erfahrung gemachthabe, dass von der Bundesregierung in der Vergangen-heit falsch informiert worden ist. Deshalb sind Zweifelan der Richtigkeit der Darstellung zunächst berechtigtund begründet. Deshalb muss die Arbeit fortgesetzt wer-den; deshalb müssen die Akten eingesehen werden unddeshalb muss jede weitere Möglichkeit, Klarheit undWahrheit in diese Angaben hineinzubringen, genutztwsniSngtBzbTmhdsnnwKunkbgIbfngwzsVüded
Herr Klose, bevor Sie antworten, gebe ich das Wort
och dem Kollegen Gehrcke ebenfalls zu einer Kurz-
ntervention.
Herr Kollege Klose, Sie haben die Bedeutung von
achauskünften, Vorträgen und Berichten des Bundes-
achrichtendienstes gerade für die Arbeit des Auswärti-
en Ausschusses unterstrichen. Da kann man sehr geteil-
er Meinung sein. Ich habe immer meine Zweifel an den
erichten der Geheimdienste; das steht aber jetzt nicht
ur Debatte. Wenn es denn so ist, erklären Sie mir doch
itte, warum der Chef des Bundeskanzleramtes, Herr
homas de Maizière, in einem Schreiben an den Parla-
entspräsidenten mitgeteilt hat, wonach er angewiesen
abe, dass Beamte des BND zu Auskünften gegenüber
em Auswärtigen Ausschuss, dem Menschenrechtsaus-
chuss und dem Innenausschuss in dieser Angelegenheit
icht mehr zur Verfügung stehen und die Ausschüsse
icht mehr informieren dürfen.
Das heißt, alle Informationen, die gegeben werden,
andern ins Grab der Verschwiegenheit des angeblichen
ontrollgremiums, das Parlament wird ausgeschaltet
nd die Beamten der entsprechenden Dienste dürfen
icht mehr vor den Ausschüssen des Parlaments Aus-
unft geben. Genau so geht es nicht und genau deswegen
rauchen wir einen solchen Untersuchungsausschuss.
Herr Kollege Klose.
Lieber Kollege Ströbele, ich gehöre auch zu denjeni-en, die nicht Germanistik studiert haben, aber Jura.
ch habe in meinem früheren Leben auch als Jurist gear-eitet, genauer gesagt als Staatsanwalt. Aus dieser Er-ahrung muss ich Ihnen sagen: Wenn ich damals in mei-er Bewertung und dem Plädoyer von einer Aussageesagt habe, sie sei glaubhaft und der Zeuge sei glaub-ürdig, dann hieß das: „Ich glaube ihm“ und nicht: „Ichweifle an dem, was er gesagt hat“.
Deshalb scheint mir in Wahrheit der Teil Ihrer Aus-age richtig zu sein, in dem Sie ein Unbehagen über daserfahren in dem Parlamentarischen Kontrollgremiumberhaupt äußern. Ich bin durchaus bereit, darüber zu re-en, ob dabei irgendetwas verändert werden muss, ob sotwas wie ein Instanzenzug eingebaut werden muss, umas Verfahren effektiver zu machen. Auf der Ebene eines
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Hans-Ulrich Klose„Ich glaube“ bzw. „Ich glaube nicht“ zu operieren,scheint mir diesem Verfahren nicht angemessen. Dassollten wir dann auch lassen.
Und zu dem Kollegen Gehrcke: Sie sollten sich Ihregenerellen Zweifel an Aussagen der Geheimdienste ru-hig erhalten.
Das macht ja nichts. Ich glaube nur, dass Ihre Anfrageim Wesentlichen an die Bundesregierung gerichtet war;denn das, was wir als Parlamentarier bisher mit demBND erlebt haben, entspricht dem, was Sie gesagt ha-ben, nicht. Wenn wir als Parlamentarier vom Bundes-nachrichtendienst eine Auskunft haben wollten und ei-nen angemessenen Zeitpunkt gefunden hatten, haben wirdiese uneingeschränkt bekommen. Unser Verhaltensollte darauf gerichtet sein, das auch in Zukunft sicher-zustellen. Wenn Sie dabei mithelfen würden, wäre ichIhnen dankbar.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Maurer von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Herr Kollege Klose, ich unterstelle zu Ihren Guns-
ten, dass Sie als Staatsanwalt Plädoyers erst dann gehal-
ten haben, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen
war.
Ich unterstelle zu Ihren Gunsten, dass Sie eine Würdi-
gung des Beweisergebnisses durchgeführt und sich nicht
auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen reduziert haben.
Ich will eine schlichte Feststellung für uns treffen:
Wir haben zwei Versionen: die Aussagen der Mitarbeiter
des Bundesnachrichtendienstes und die Behauptungen
eines hochrangigen Offiziers des amerikanischen Nach-
richtendienstes DIA gegenüber den Medien.
Es ist nichts aufgeklärt. Das entnehme ich den Veröf-
fentlichungen. Wir haben auch keinen „Beschluss“, wie
es der Kollege Röttgen genannt hat.
Es handelt sich vielmehr um das Protokoll des Beginns
einer Beweisaufnahme, bei der bei weitem nicht alle Be-
weismittel erhoben und bei weitem nicht alle Zeugen ge-
hört wurden.
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eswegen gibt es an dieser Stelle großen Aufklärungs-
edarf.
Wir stellen mit großer Verwunderung fest, dass der
undesnachrichtendienst gegenüber dem „Stern“ offen-
ichtlich wesentlich auskunftsfreudiger ist als gegenüber
em Deutschen Bundestag.
Herr Kollege Maurer, Herr Röttgen würde gern eine
wischenfrage stellen.
Ich würde dies gern noch mit Ihrer Genehmigung zi-
ieren und dann die Frage zulassen.
Ich entnehme dem „Stern“:
Den Amerikanern wurden im Krieg überdies „all-
gemeine Lageberichte überlassen“, räumt ein hoch-
rangiger Geheimdienstmann in Pullach ein. In sie
flossen über die BND-Abteilung 3 ... auch Erkennt-
nisse, die die zwei Agenten aus Bagdad lieferten. ...
Der Geheimdienstler „will nicht ausschließen, dass
in den Berichten noch etwas zu finden ist, das sich
irgendwie hochziehen lässt“. Doch „selbst wenn in
den allgemeinen Berichten mal von beobachteten
Militärkolonnen die Rede gewesen sein sollte, dann
bekamen die Amerikaner das ja zeitverzögert ...
s gibt also noch viel aufzuklären.
Vor allem kann es nicht sein, dass der Deutsche Bun-
estag und seine Ausschüsse durch Pullach schlechter
nterrichtet sind als der „Stern“. Das kann nicht sein!
Herr Maurer, wollen Sie jetzt die Zwischenfrage von
errn Röttgen zulassen?
Ja.
Bitte schön, Herr Röttgen.
Herr Kollege, Sie haben mir vorgeworfen – nur da-um habe ich mich zu einer Zwischenfrage gemeldet –,ch hätte von einem Beschluss des Gremiums gespro-hen und damit die Öffentlichkeit getäuscht.Ich möchte Ihnen einen kleinen Vorwurf machen,ämlich dass Sie sich mit der Sache, über die Sie spre-hen, nicht sorgfältig beschäftigt haben. Darf ich Sie fra-en, ob Sie bereit sind, Folgendes zur Kenntnis zu neh-
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Dr. Norbert Röttgenmen – ich zitiere jetzt das Protokoll der in Redestehenden Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgre-miums –: „Das Parlamentarische Kontrollgremium hateinstimmig den folgenden Beschluss gefasst: …“?
Ich habe Ihre Pressemitteilung gelesen, Herr Kollege
Röttgen, und ich bleibe dabei, dass das, was da als Be-
schluss bezeichnet worden ist,
die Wiedergabe einer Aussage der beiden vernommenen
Zeugen ist. Es tut mir Leid, aber mehr ist das nicht. Das
muss ich Ihnen als Jurist doch nicht erklären. Sie haben
behauptet, dass es sich dabei um glaubhafte Aussagen
handelt. Das kann man nicht als Beschluss bezeichnen.
Ein Beschluss ist aus meiner Sicht eine Würdigung von
Beweisergebnissen oder eine Feststellung. Aber lassen
wir das Thema.
– Nein. Ich bleibe dabei: Es gibt in dieser Frage wider-
sprüchliche Zeugenaussagen und natürlich auch in den
Medien widersprüchliche Darstellungen.
– Wollen Sie sie denn nicht hören?
Ich fürchte, wir können sie nicht mehr hören, Herr
Maurer, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Ich bitte, die Redezeit, die ich gerade verwendet habe,
um diese Frage zu beantworten, zu berücksichtigen.
Die habe ich bereits abgerechnet. Dafür wurde die
Uhr angehalten.
Wir haben heute vom Außenminister gehört, die Hal-
tung der Bundesregierung zu diesem Krieg sei differen-
ziert gewesen und man habe die logistischen Basen zur
Verfügung gestellt. Es steht fest, dass dies vom Bundes-
verwaltungsgericht als indirekte Beteiligung an einem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gewertet wurde,
Frau Künast. Diese differenzierte Haltung beinhaltet
auch den Einsatz dieser Agenten.
Herr Maurer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
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Ich sage Ihnen voraus: Daran wird auch die aktuelle De-batte nichts ändern. Das ist mir wichtig; ich hoffe, auchanderen.Wenn es um die Vorwürfe, die am letzten Donnerstagaufgekommen sind, geht, dann ist auch festzustellen,dass es in beispielloser Geschwindigkeit gelungen ist,die entsprechenden Informationen zu bekommen, umdarüber diskutieren zu können. Wir haben uns am letztenFreitag und am Mittwoch dieser Woche getroffen. DerNachrichtendienst hat die betreffenden Akten zusam-mengetragen und alle Mitarbeiter, die daran beteiligt ge-wesen waren, herbeigeführt, damit wir mit ihnen spre-chen konnten. Die Akten konnten wir zwar noch nichtlesen, aber das liegt auch an uns. Das müssen und wer-den wir noch tun. Allerdings finde ich, dass wir schnellund zügig informiert worden sind. Das ist zu loben,meine Damen und Herren.
Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass in den trotz al-ler Unterschiedlichkeit sachlichen Redebeiträgen vonFDP und Grünen, die ich heute gehört habe, immer da-von gesprochen wurde, dass wir gemeinsam für Aufklä-rung sorgen wollen. Wie Vertreter der Grünen und derFreidemokraten gesagt haben, ist bereits viel Aufklärunggeleistet worden. Aber natürlich ist noch mehr zu tun.Das soll auch getan werden. Ich fände es schön, wennwir uns darüber verständigen könnten, auf welchemWege und auf welche Art und Weise diese Aufklärungöffentlich – an den Stellen, an denen sie geheim bleibenmuss: nicht öffentlich – betrieben werden kann, sodasswir alle ein gutes Gefühl haben, wenn wir uns über dieseAngelegenheit abschließend eine Meinung bilden. Dasfände ich richtig.Ich glaube, das können wir mit einer gewissen Ent-spanntheit tun. Denn einer der Sätze, die wir im Parla-mentarischen Kontrollgremium gemeinsam festgestellthaben, lautet – die Formulierung ist semantisch völligkorrekt –: Die zuständigen Mitarbeiter haben gesagt,dass es eine klare Weisungslage gab, keine Informa-tionen weiterzugeben, die eine Beteiligung an Kriegsein-sätzen ermöglichen. – Das ist die politisch entscheidendeAussage. Selbst wenn sich noch neue Kenntnisse erge-ben sollten, die dann im Detail zu betrachten wären,
bleibt festzuhalten: Es gab den politischen Willen derFührung des Landes und der Führung des BND, keineKriegsbeteiligung durch nachrichtendienstliche Tätig-keit zu bewirken. Diese Erkenntnis ist wichtig und gut.
Im Rahmen unserer weiteren Diskussion sollten wirnach einem Weg suchen, wie wir die Aufklärung ge-wFkufv–sddndImRPwnmw–kcidNDRwttkmrWASnbedDshdws
ja, so war es –, auch die Feststellung, dass wir einetrenge nachrichtendienstliche Kontrolle brauchen.Trotz des vorhandenen Reformbedarfs, über den maniskutieren kann – wie Herr Klose lade auch ich Sie alleazu ein, das in Zukunft weiterhin zu tun –, darf man ei-es nicht vergessen: Die Kontrolle der Nachrichten-ienste in Deutschland ist weltweit vorbildlich.
n den jungen Demokratien in Mittel- und Osteuropa hatan sich aufgrund seines vorzüglichen internationalenufs am deutschen Kontrollgremiumgesetz orientiert.Natürlich darf man eine solche Institution wie dasarlamentarische Kontrollgremium nicht dadurch ent-erten, dass man ihre eigentliche Arbeit von anderenoch einmal machen lässt. Darum ist meine Bitte bzw.ein Rat: Lassen Sie uns lieber darüber diskutieren, wieir dem formulierten Aufklärungsinteresse öffentlichwenn notwendig: nicht öffentlich – gerecht werdenönnen, ohne diese so wichtige Institution kaputtzuma-hen, die wir zwar vielleicht fortentwickeln müssen, dien der Welt aber weiterhin als Vorbild dient, wenn es umen Umgang eines demokratischen Staates mit seinenachrichtendiensten geht.
Was soll ein Untersuchungsausschuss noch leisten?iese Frage müssen – hier stimme ich dem Kollegenöttgen zu – zuallererst die Oppositionsparteien beant-orten. Denn das Recht auf Einsetzung eines parlamen-arischen Untersuchungsausschusses ist ein Minderhei-enrecht, das wir respektieren und für das ich überall zuämpfen bereit bin. Von diesem Minderheitenrecht mussan auch Gebrauch machen dürfen.Wir als Parlament und Öffentlichkeit sollten die Cou-age haben, uns nicht von der Erwägung leiten zu lassen:as fordert eine Art von Medienöffentlichkeit in ihrerufgeregtheit von uns, welche Forderung muss man zurteigerung des Medieninteresses und des Spektakelsoch draufsetzen? Nein, wir müssen uns das Recht vor-ehalten, parlamentarische Untersuchungsausschüsseinzusetzen – oder eben nicht. Das ist immer das Rechter Minderheit.
eshalb ist die Frage, was da noch zu untersuchen ist,chon bemerkenswert. Denn wenn wir haben, was wiraben, und wenn wir uns darüber verständigen, wie wiras bekommen – öffentlich und nicht öffentlich –, wasir noch brauchen, kann am Ende auch die kluge Ent-cheidung stehen, keinen Untersuchungsausschuss
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866 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Olaf Scholzeinzusetzen. Ich werbe darum, all dies noch einmal zubedenken. Denn ein Untersuchungsausschuss, der zu-sammentritt, wenn vieles öffentlich oder halböffentlichbekannt ist, wenn vieles Geheime schon aufgeklärt ist,hat natürlich einen Grad von Lächerlichkeit, der demAnsehen des Parlamentarismus auch nicht zugutekommt. Insofern glaube ich, macht es Sinn, über dieseFrage noch einmal nachzudenken.Fragen der politischen Bewertung gehören sowiesohier ins Parlament. Ich lasse mir von keinem Untersu-chungsausschuss sagen, was ich zu denken habe. Wiedie Nachrichtendienste Befragungen von Gefangenen inausländischen Gefängnissen vornehmen oder mit beson-deren Situationen umgehen, das muss auch hier disku-tiert werden. Ich habe die Bundesregierung gebeten,Grundsätze für die Befragung von Gefangenen zu for-mulieren, und mir ist auch zugesagt worden, dass wirdiese erhalten. Darüber müssen wir dann politisch disku-tieren. Denn das Schlimmste im Umgang mit Nachrich-tendiensten ist, wenn man herumdruckst und sichschämt, darüber zu reden, wenn man so tut, als gäbe essie gar nicht. Wenn man sie bejaht, dann muss man auchfestlegen, was sie tun sollen. Das zu formulieren – unddamit auch ihre Grenzen –, das ist unsere Aufgabe.
Das ist eigentlich ein schöner Schlusssatz gewesen,
Herr Scholz.
Einen wirklich letzten Satz; ich sage das nicht nur als
Ankündigung.
Das Parlament besteht aus über 600 Staatsmännern
und Staatsfrauen. Ich glaube, es stellt sich bei einer sol-
chen Angelegenheit auch die Frage: Werden wir der Be-
deutung gerecht, der eine der größten und wirtschaftlich
und militärisch kräftigsten Demokratien der Welt ge-
recht zu werden hat? Ich glaube, auch das ist ein Auftrag
für unsere Debatte und für das weitere Vorgehen.
Schönen Dank.
Jetzt hat das Wort der Kollege Bernd Schmidbauer
von der Fraktion der CDU/CSU.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich will auf einige Dinge eingehen, die
von Herrn Westerwelle und von Frau Künast vorge-
tragen wurden. Herr Westerwelle, ich stimme ausdrück-
lich zu, dass die Punkte, die Sie angesprochen haben
– el-Masri, Zammar, Guantanamo –, im PKGr in unmit-
telbarer Folge auf die Tagesordnung gesetzt worden sind
und dort besprochen werden. Vorwegzunehmen, was wir
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m ihn doch noch zu überzeugen. – Herr Westerwelle, so
ind wir in dem Gremium: Wir versuchen zu überzeugen
nd nicht, uns mit alten Regeln und Ritualen durchzu-
angeln. – Wenn aber dann Herr Maurer hier jemanden
er Falschaussage bezichtigt, nur weil er selber nicht die
nterlagen liest, also so weit kann die Liebe nicht ge-
en! Ich bitte dringend, alle Ausflüge in die Welt der
antasie zu beenden und allen hektischen Aktionismus
bzulegen und sich einzig und allein um die Fakten zu
ümmern, um die es in diesem Fall geht.
Herr Kollege Schmidbauer, der Kollege Gehrcke
ürde gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie
iese zulassen?
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Gehrcke.
Herr Kollege, können Sie mir erklären, was ich davonabe, wenn mein Kollege, der, wie ich höre, im PKGriebevoll behandelt wird – das finde ich sehr schön –, iniesem Kontrollgremium Informationen erhält, die fürie allgemeine Willensbildung wichtig wären, mir davonber nichts sagen darf? Was habe ich als Abgeordneteravon, wenn ein Einzelner exklusiv etwas erfährt, dasielleicht nahe an der Wahrheit ist, mir das aber nicht sa-en darf?
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Ihre Frage finde ich gut. Herr Ströbele hat sich vorhin
zu meinem Bedauern in ähnlicher Weise ausgelassen.
Deshalb hat sich das Gremium entschlossen, eine Pres-
seerklärung mit Informationen herauszugeben. Aus die-
sem Grund ist auch diese Debatte zu begrüßen, in der
wir auf Fragen Antwort geben können. Sie sind nicht
Abgeordneter zweiter Klasse. Dass wir in diesem Hause
gemeinsam über das Thema debattieren, zeigt seine hohe
Priorität. Dadurch sind wir alle in der Lage, Erklärungen
zu interpretieren. Damit bin ich wieder bei dem Thema
Studium angekommen; das will ich jetzt aber nicht ver-
tiefen. Das verstehen Sie jetzt sicherlich.
Im Übrigen möchte ich Sie, lieber Herr Gehrcke, da-
rauf hinweisen, dass wir in der betreffenden Zeit im
Auswärtigen Ausschuss, dem auch Sie angehören, In-
formationen in großer Dichte bekommen haben. Wenn
ich mich auch an wenig erinnere, an diese wichtige Zeit
aber kann ich mich sehr genau erinnern, als Bundesnach-
richtendienst und Bundesregierung die Abgeordneten in
einer dichten Abfolge über ihren Wissensstand, aber
auch über Zweifel informiert haben, deren Basis Infor-
mationen unserer Dienste sein sollten. Keiner konnte
zum damaligen Zeitpunkt annehmen, dass dies irgend-
welche Papiere aus dem Intercity waren, die vorgelesen
wurden.
Herr Schmidbauer, lassen Sie auch eine Zwischen-
frage des Abgeordneten Ströbele zu?
Von Herrn Ströbele immer gern.
Bitte schön, Herr Ströbele.
Herr Kollege Schmidbauer, geben Sie mir Recht – Sie
können das bestätigen, weil Sie dabei waren –, dass das
Gremium von der Bundesregierung auch falsch infor-
miert wird? Am 16. Februar 2005 haben wir auf Antrag
eines Abgeordneten über den Fall el-Masri geredet und
sind darüber informiert worden. Der Vertreter der Bun-
desregierung hat aber nicht bestätigen können – das hat
er ausdrücklich gesagt –, dass die Angaben, die man da-
mals schon den Zeitungen und Fernsehsendungen ent-
nehmen konnte, richtig sind. Er hat behauptet, er könne
das nicht bestätigen.
Heute wissen wir, dass die Bundesregierung zu die-
sem Zeitpunkt, dem 16. Februar 2005, über das Ge-
spräch informiert war, das der damalige Bundesinnen-
minister Schily mit dem US-Botschafter Coats sieben
Monate zuvor geführt hatte. Das war damals nicht nur
dem damaligen Bundesinnenminister bekannt, sondern
auch anderen Mitgliedern der Bundesregierung und ihr
unterstellten Stellen, nämlich dem Vizepräsidenten des
Bundeskriminalamtes und dem Vizepräsidenten des
Bundesamtes für Verfassungsschutz. Danach war die In-
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kandalös wäre es auch, wenn Vorschub für eine aktiveperative Kriegsunterstützung geleistet worden wäre.icht ein einziger Beleg ist dafür vorhanden.Herr Ströbele, Sie sprachen vorhin von Beschuldig-en. Wissen Sie: Wenn wir Beschuldigte so definieren,ass schon ein dünner Zeitungsbericht, ein dünner Bei-rag in den Medien, in dem anonyme Zeugen genannt
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868 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006
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Bernd Schmidbauerwerden, ausreicht, um in diesem Haus von Beschuldig-ten zu reden, dann gehen wir relativ weit.
Ich will sagen – diese Erfahrung habe ich in vielenJahren gesammelt –, dass der BND gute Arbeit leistetund dass die damalige Bundesregierung von dieser Ar-beit profitiert hat. Ich will auch sagen, dass das für diezwei BND-Beamten zutrifft. Ich schließe mich meinemFraktionskollegen an, der vorhin gesagt hat, dass wir ih-nen eigentlich Dank zu sagen haben. Wir sollten es nichtdabei belassen, dass die USA ihnen Medaillen verleihen.Wir sollten vielmehr sagen, dass wir für diese risikorei-che Arbeit in der damaligen Zeit sehr dankbar sind. Daswill ich hier auch sagen.
Ich finde, es ist wichtig – das müsste jedem einleuch-ten; das ist ein schlichtes Gebot der Vernunft –, dassauch in einer Mediengesellschaft wie der unsrigen nichtalles öffentlich ausgebreitet werden kann. Das geht ein-fach nicht. Hier handelt es sich nicht um PeterchensMondfahrt, sondern hier geht es um die Sicherheit undden Schutz unseres Landes sowie um Solidarität und Ko-operation mit unseren Partnern.Meine Damen und Herren, ich will daran erinnern– das wurde vorhin bereits gesagt –, dass unsere Solda-ten in Afghanistan und überall auf der Welt im Einsatzsind. Hier findet eine Debatte statt, die in keiner ver-gleichbaren Situation in einem anderen Staat stattfindenkönnte. Ich bitte Sie dringend: Denken Sie auch an dieSituation unserer Soldaten. Denken Sie daran, wie es umdie Sicherheit unserer Soldaten bestellt ist, wenn wir hieralles ausbreiten und alle Möglichkeiten eröffnen, um– das sage ich einmal sehr offen – zu einem noch besse-ren Feindbild zu werden. Das ist in dieser Debatte nichtangebracht. Ich darf Ihnen dazu sagen: Machen Sie dieAugen auf! Wir stehen noch unter dem Eindruck des11. September 2001 und anderer Anschläge. Dieses Be-denken der Sicherheit unserer Soldaten sollten wir nichtleicht gewichten.Es wäre ein wirklicher Skandal, wenn die Bundesre-gierung auf die Gewinnung oder Verwertung wichtigerInformationen verzichten würde. Ich glaube, niemand,der an der Regierung ist und Verantwortung trägt, kannauf solche Informationen verzichten.Meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zumUntersuchungsausschuss: Es ist richtig, dass wir nie-mandem vorschreiben können, dass er dieses oder jenestun oder lassen soll. Wir können aber darauf aufmerksammachen, dass alle Erfahrungen, die wir bislang gesam-melt haben, zeigen, dass Untersuchungsausschüsse nichtzu dem geführt haben, was wir eigentlich wollten. Ichstelle die Frage, ob es nicht besser ist, wenn wir im zu-ständigen Gremium all die Details gemeinsam erörtern.Wir können sie dort auch im Hinblick auf unsere Bedro-hungslage besser erörtern, als dies in einem Untersu-chungsausschuss möglich ist.vEsZtdbGumw–hmDwwnltbhAgFHZUhe
Ich darf noch auf einen Artikel von Jochim Stoltenbergom 19. Januar dieses Jahres verweisen und ihn zitieren.r schrieb: Es ist selbstverständlich das Recht der Oppo-ition, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. –ugleich fragt er aber auch danach, ob das klug sei. Stol-enberg berichtet von den Erfolgen des Nachrichten-ienstes. Bezüglich des Irakeinsatzes schreibt er – ichitte, genau zuzuhören –:Daß der BND, als es ernst wurde im Irak, nicht dieKoffer packte, sondern weiter versuchte, sich undder Bundesregierung ein eigenes Lagebild zu ver-schaffen, gehört zu den Selbstverständlichkeiten ei-nes Geheimdienstes.Ich finde – das will ich noch einmal unterstreichen –:eheimdienste bleiben für die Sicherheit unseres Landesnersetzbar. Natürlich bedarf es der Kontrolle des Parla-ents, und es bedarf der Kontrolle der Regierung, dieesentlich bessere Möglichkeiten hat, um den Dienstich will es einmal so sagen – an der kurzen Leine zualten.Zu der Effizienz von Untersuchungsausschüssen fälltir ein Zitat von Samuel Beckett ein:Die Sonne schien, da sie keine andere Wahl hatte,auf nichts Neues.
as wird auch in diesem Fall das Ergebnis sein, wennir versuchen, diese Angelegenheit auszubreiten, undenn wir die Dinge, bei denen wir Bedenken haben,icht berücksichtigen.In diesem Sinne lassen Sie uns unsere Arbeit tun undassen Sie die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiens-es ihre Arbeit tun. Wenden wir uns den wichtigen Pro-lemen zu und arbeiten wir alles, was an Anregungeneute gekommen ist, gemeinsam auf. Ein Gespräch amnfang der nächsten Woche hierzu würde ich sehr be-rüßen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Max Stadler von der FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Der Kollege Schmidbauer hat mit einem nettenitat die Frage zu beantworten versucht, ob wir diesenntersuchungsausschuss brauchen. Insofern haben wireute wirklich etwas dazugelernt.Eingangs der Debatte hat Herr Minister Steinmeierine für mich etwas unverständliche These formuliert.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Januar 2006 869
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Dr. Max StadlerHerr Minister Steinmeier hat gesagt, die FDP werfe Tra-ditionen über Bord, wenn sie dieses parlamentarischeInstrument benutze. Das Gegenteil ist richtig, Herr Mi-nister Steinmeier. Unser Ziel ist es, rechtsstaatliche Tra-ditionen in unserer Sicherheitspolitik zu bewahren. Des-wegen brauchen wir diesen Ausschuss.
Herr Kollege Scholz, Sie haben in beachtlich sachli-cher Weise die Vorgänge erörtert, aber doch in einemPunkt nicht ganz den richtigen Eindruck erweckt. Auchwenn von den vielen verschiedenen Fragen, die von unsaufgeworfen worden sind, das Parlamentarische Kon-trollgremium zu einer Detailfrage eine Bewertung abge-geben hat, dann bleiben noch etliche andere Fragen of-fen. Es kann nicht deswegen schon die Notwendigkeiteines Untersuchungsausschusses entfallen.
Wir sehen ihn aus einem Grund als erforderlich an– das geht weit über das Thema BND-Einsatz im Irak hi-naus –: Jeder weiß – die Nachrichtendienste betonen esselber immer wieder –, dass sich seit dem 11. Sep-tember 2001 für unsere Sicherheitsbehörden eine neueAufgabenstellung ergeben hat: der Schutz vor der terro-ristischen Bedrohung. Deswegen ist das Spannungsfeldzwischen der einen Notwendigkeit einer umfassendenInformationsgewinnung und der anderen Notwendigkeit,sich dabei unter Geltung des Grundgesetzes an rechts-staatliche Prinzipien zu halten, so groß geworden.Wir haben den Eindruck, dass in diesem neuen Span-nungsfeld die Maßstäbe durch die Politik noch nicht ab-schließend und richtig formuliert worden sind. Das zeigtsich an den Verhören in Syrien, auf Guantanamo undmöglicherweise auch im Libanon. Das zeigt sich ebensoan der Reaktion der Bundesregierung auf den Entfüh-rungsfall el-Masri, die wir für unzureichend halten. DieFrage der CIA-Flüge beschäftigt jetzt auch das Europa-parlament. Da gibt es also offenkundig Aufklärungsbe-darf.
Wir von der FDP sagen sehr deutlich: Es ist nicht zu-lässig, dass wir die Verantwortung für schwierige Grenz-ziehungen, was im Einzelfall noch erlaubt ist, etwa beider Informationsgewinnung, auf einzelne Mitarbeitervon Behörden abwälzen. Es ist die Aufgabe der Bundes-regierung und des Parlaments, hier Maßstäbe zu formu-lieren.
Dies ist die eigentliche Rechtfertigung für den vonuns vorgeschlagenen Untersuchungsausschuss. Es sinddie konkreten Fälle, die Anlass geben, zu zweifeln, obdie Grenzen immer richtig definiert worden sind, präziseaufzuklären. Das funktioniert in einem Untersuchungs-ausschuss viel besser als im normalen Parlamentsbe-tbFnvlrwrAtkmtRnKKzBlvjrsdrgstdFhdszdbuth
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Dr. Hans-Peter Uhl für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undollegen! Ich darf auf das Thema unserer Tagesordnungurückkommen. Es begann damit, dass der damaligeundeskanzler Schröder gesagt hat, Deutschland betei-ige sich nicht an dem Irakkrieg, halte aber die Bündnis-erpflichtungen ein. Danach folgte – insbesondere inüngster Zeit – eine Reihe von Pressemeldungen, Ge-üchten, Unterstellungen und Halbwahrheiten, denen eselbstverständlich nachzugehen gilt.Ich halte auch die journalistische Neugier für richtig,en aufgeworfenen Fragen nachzugehen. Was ist daranichtig? Wurde ein Doppelspiel gespielt? Hat die rot-rüne Regierung unter Schröder die Grenzen des Rechts-taates überschritten? Hat sie sich gegenüber Washing-on in rechtsstaatlicher Hinsicht der Leisetreterei schul-ig gemacht? Nicht nur die Journalisten müssen diesenragen nachgehen, sondern auch wir im Parlament. Dasaben wir getan.Den Hauptpunkt, der die beiden Agenten des Bun-esnachrichtendienstes betrifft, haben wir schon be-prochen. Ich möchte das nicht wiederholen.Es sind aber – wenn auch nur bei wenigen – Zweifelurückgeblieben, obwohl nicht nur dahergeredet, son-ern glaubhaft und in militärtechnischer Hinsicht logischegründet wurde, warum diese beiden Agenten keinennmittelbaren Beitrag zu Kampfhandlungen im Irak leis-en durften, sollten, wollten und konnten. Das ist glaub-aft versichert worden.
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Dr. Hans-Peter UhlNun sagt Kollege Ströbele: Die Botschaft höre ichwohl, allein mir fehlt der Glaube.
Für diesen Fall – das haben wir schon festgestellt – be-steht noch die Möglichkeit der Akteneinsicht. Ich werdedavon keinen Gebrauch machen, Herr Kollege Ströbele.Sie aber sollten davon Gebrauch machen,
damit der letzte Zweifel ausgeräumt wird. Ich bin in derSitzung überzeugt worden. Aber wenn Sie noch Rest-zweifel haben, dann ist das Ihre Sache.Damit haben wir diesen Fall eigentlich abgeschlos-sen. Das gilt für mich und nach Akteneinsicht hoffent-lich auch für Sie.Dennoch wird – insbesondere in den anderen Fra-gen – die Einrichtung eines Untersuchungsausschussesgefordert, Herr Kollege Westerwelle. Über die el-Masri-Verschleppung wurde im Innenausschuss stundenlangdebattiert,
und zwar mit einer Offenheit, die mir bei diesem Themazu weit ging. Innenminister Schäuble hat im Ausschussvorgetragen, was ihm von der Vorgängerregierung be-kannt war.Auch für mich stellt sich der Fall völlig klar dar: DieBundesregierung hat, nachdem sie von dem Umstandder Verschleppung erfahren hatte, alles getan, was sietun konnte.
Das entspricht klassischem Verwaltungshandeln und istauf allen Ebenen nachvollziehbar. Auch hierbei emp-fehle ich, sich die Akten anzuschauen. Sie werden sehen,dass sich am Ende der Beratungen des Untersuchungs-ausschusses kein vorwerfbares Verschulden gegenüberder Vorgängerregierung ergeben wird.Nehmen wir die CIA-Flüge. Auch hierüber wurdediese Woche im Innenausschuss lange mit dem zuständi-gen Staatssekretär debattiert. Welche neuen Erkenntnissesoll hier ein Untersuchungsausschuss noch liefern? Mirfällt dazu nicht viel ein.Schließlich bleibt die Vernehmung von Zammar.Auch hierüber gab es im Innenausschuss eine lange De-batte.Dies werden wir im PKGr noch ausführlich behan-deln. Ich meine, dass das der Ort ist, an dem wir solcheDinge besprechen sollten, nicht ein Untersuchungsaus-schuss.Nun hat Herr Röttgen Recht, wenn er sagt, es sei nichtSache des Außenministers, der Opposition Ratschlägezu geben, ob sie einen Untersuchungsausschuss einset-zen soll oder nicht. Das geht die Regierung nichts an.Aber vielleicht nehmen Sie von mir einen Hinweis an.IVht–fUrrgweihadedghbwDawgbgtNdasDOdnsrnaOdBsmwpkneda
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Diese unheilige Allianz passt nicht zusammen. Sie ha-ben ja an dem heutigen Rencontre gesehen, wie es wei-tergehen wird. Jeder von Ihnen will doch eine ganz an-dere Aufklärung betreiben. Es handelt sich ja um eindreifaches Aufklärungsbegehren, das nicht zusammen-passt.Ich will mich nicht an den Spekulationen beteiligen,ob die Grünen die rot-grüne Außenpolitik aufarbeitenwollen. Man muss sich nur das Gesicht von Exaußen-minister Fischer anschauen, wenn Frau Künast spricht.Für mich ist entscheidend, dass die Aufarbeitung der rot-grünen Politik bereits durch den Wähler geschehen ist.Was braucht man mehr?
Ich meine, wir sollten die Angelegenheit im PKGr ab-schließend behandeln.Zum Schluss noch ein Punkt: Ich teile den Vorwurfdes Kollegen Ströbele, dass das Kanzleramt das PKGr inder Vergangenheit nicht immer so informiert hat, wieman es hätte tun sollen.
Deswegen sollten wir tiefer gehende Kontrollmöglich-keiten schaffen, wahrscheinlich durch eine Änderungdes PKGr-Gesetzes, aber nicht durch die Einsetzung ei-nes Untersuchungsausschusses.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Westerwelle das Wort.
Herr Kollege Uhl, ich habe zunächst einmal anzumer-
ken, dass Ihre Einschätzung, dass die drei unterschiedli-
chen Oppositionsparteien nicht zusammenpassen, nicht
völlig von der Hand zu weisen ist.
Auch die Behauptung, dass SPD und Union zusammen-
passten, darf bestritten werden.
– Für diese Erkenntnis brauche ich keinen Untersu-
chungsausschuss, Herr Kollege.
Jetzt komme ich zu dem ernsten Grund, warum ich
mich gemeldet habe. Ich bitte Sie, einen Zungenschlag
nicht zu verwenden, den ich offen gestanden für unsere
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Ich schließe die Aussprache.
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Präsident Dr. Norbert LammertWir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 25. Januar 2006, 13 Uhr,ein.Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenendeund, soweit das neben mancherlei Verpflichtungen mög-lich ist, dass Sie auch privat etwas davon haben.Die Sitzung ist geschlossen.