Protokoll:
15023

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 23

  • date_rangeDatum: 31. Januar 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:56 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 9: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht über den Stand der Markteinführung und der Kosten- entwicklung von Anlagen zur Erzeu- gung von Strom aus erneuerbaren Energien (Erfahrungsbericht zum EEG) (Drucksache 14/9807) . . . . . . . . . . . . . 1769 B b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung; hier: Endbericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und Entwick- lungsländer“ (Drucksache 14/9953) . . . . . . . . . . . . . 1769 B Marco Bülow SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1769 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 1771 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1772 D Dr. Christian Eberl FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 1774 A Anke Hartnagel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775 C Doris Meyer (Tapfheim) CDU/CSU . . . . . . . 1776 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1778 A Rudolf Kraus CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1778 D Rolf Hempelmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1780 B Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU 1781 B Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer (Drucksachen 15/123, 15/269) . . . . . . 1782 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Weniger Staat – weniger Steuern (Drucksachen 15/122, 15/271) . . . . . . 1782 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen (Drucksache 15/387) . . . . . . . . . . . . . . . . 1782 C Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1782 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . 1783 A Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 1785 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1788 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 1788 B Peter Rzepka CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1791 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1793 C Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . 1795 C Peter Rzepka CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1796 C Stefan Müller (Erlangen) CDU/CSU . . . . . . 1797 C Plenarprotokoll 15/23 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 23. Sitzung Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003 I n h a l t : Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1799 C Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 1800 C Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1801 D Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1803 B Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1803 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1803 C Dr. Barbara Hendricks SPD . . . . . . . . . . . 1804 A Florian Pronold SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 1805 B Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . 1806 B, C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1809 C, 1811 D Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zivildienstgesetzes (Erstes Zivildienst- änderungsgesetz) (Drucksachen 15/297, 15/375) . . . . . . . . . 1806 D Christel Riemann-Hanewinckel, Parl. Staats- sekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1807 A Willi Zylajew CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1814 A Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1815 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1816 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1817 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1819 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) zur nament- lichen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung zu dem Antrag: Keine Erhöhung der Mehr- wertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1819 D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1820 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003 1769 23. Sitzung Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Ina Lenke Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003 1819 (C) (D) (A) (B) Binninger, Clemens CDU/CSU 31.01.2003 Burchardt, Ulla SPD 31.01.2003 Deittert, Hubert CDU/CSU 31.01.2003* Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 31.01.2003* Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 31.01.2003 Göppel, Josef CDU/CSU 31.01.2003 Granold, Ute CDU/CSU 31.01.2003 Haack (Extertal), SPD 31.01.2003* Karl Hermann Hochbaum, Robert CDU/CSU 31.01.2003 Höfer, Gerd SPD 31.01.2003* Jäger, Renate SPD 31.01.2003* Jonas, Klaus Werner SPD 31.01.2003* Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 31.01.2003 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 31.01.2003 Laurischk, Sibylle FDP 31.01.2003 Leibrecht, Harald FDP 31.01.2003* Lintner, Eduard CDU/CSU 31.01.2003* Lips, Patricia CDU/CSU 31.01.2003 Michelbach, Hans CDU/CSU 31.01.2003 Möllemann, Jürgen W. FDP 31.01.2003 Müller (Düsseldorf), SPD 31.01.2003 Michael Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 31.01.2003 DIE GRÜNEN Nolte, Claudia CDU/CSU 31.01.2003 Pieper, Cornelia FDP 31.01.2003 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 31.01.2003 Rauber, Helmut CDU/CSU 31.01.2003* Rauen, Peter CDU/CSU 31.01.2003 Riegert, Klaus CDU/CSU 31.01.2003 Riester, Walter SPD 31.01.2003* Robbe, Reinhold SPD 31.01.2003 Rupprecht SPD 31.01.2003* (Tuchenbach), Marlene Dr. Scheer, Hermann SPD 31.01.2003* Schily, Otto SPD 31.01.2003 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 31.01.2003 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 31.01.2003 Christian Schröder, Gerhard SPD 31.01.2003 Schröter, Gisela SPD 31.01.2003 Dr. Schwanholz, Martin SPD 31.01.2003 Siebert, Bernd CDU/CSU 31.01.2003* Simm, Erika SPD 31.01.2003 Spahn, Jens CDU/CSU 31.01.2003 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/ 31.01.2003* DIE GRÜNEN Dr. Thomae, Dieter FDP 31.01.2003 Tritz, Marianne BÜNDNIS 90/ 31.01.2003* DIE GRÜNEN Vogt (Pforzheim), Ute SPD 31.01.2003 Volquartz, Angelika CDU/CSU 31.01.2003 Wegener, Hedi SPD 31.01.2003* Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 31.01.2003 Wicklein, Andrea SPD 31.01.2003 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 31.01.2003* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Keine Er- höhung der Mehrwertsteuer (Tagesordnungs- punkt 10 a) Ich stimme dem Antrag der FDP (Bundestagsdrucksache 15/123) nicht zu. Selbstverständlich ist eine Mehrwert- steuererhöhung als solche völlig indiskutabel. Das gilt erst entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht recht vor dem Hintergrund der verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Jede Steuererhöhung ist Gift für die Konjunktur. Wir befinden uns in einer an- haltenden Stagnation und einer Rezessionsgefahr, die durch jede Steuererhöhung verschärft wird. Eine Mehr- wertsteuererhöhung kann erst recht nicht in Betracht kommen vor dem Hintergrund geplanter anderer Steuer- erhöhungen und vor dem Hintergrund der bereits vollzo- genen Steuererhöhungen in den Jahren 2002 und 2003. Gleichwohl macht es keinen Sinn, prinzipiell eine Mehr- wertsteuererhöhung auszuschließen, weil wir eine Schief- lage innerhalb des Steuersystems im Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern haben. Die produktiven Faktoren Arbeit und Kapital werden in Deutschland mit Abstand zu hoch besteuert. Wenn eine nachhaltige, über die Steuerreformstufen 2004 und 2005 weit hinausge- hende Entlastung bei den direkten Steuern erfolgen würde, könnte ein Teil dieser Steuerentlastung durch die Mehrwertsteuer ausgeglichen werden. Unter dem Strich müsste aber als Voraussetzung einer solchen steuersyste- matischen Verschiebung eine Entlastung der Steuerzahler stehen. Ähnliches gilt für Überlegungen im Zusammen- hang mit Strukturreformen in den Sozialversicherungen. Wenn es nachhaltige, ausgabenreduzierende Strukturre- formen der Sozialversicherung gäbe und ein Einsparvolu- men von mindestens 30 Milliarden Euro realisiert würde, um bei den Beitragssätzen unter 40 Prozent zu kommen, wäre eine weiter gehende Umfinanzierung ebenfalls denkbar. Beide theoretischen Konstellationen – eine Ver- änderung im Verhältnis von direkten und indirekten Steu- ern im Rahmen einer Steuersenkung, eine Umfinanzie- rung von Sozialversicherungslasten als Bestandteil einer ausgabenreduzierenden Strukturreform – sind ganz offen- sichtlich mit den Zielen der jetzigen Regierungspolitik nicht vereinbar. Insofern kann eine Mehrwertsteuer- erhöhung in der Tat nicht als vertretbar oder auch nur dis- kutabel erscheinen. Gleichwohl sind Veränderungen im Steuersystem bei Vollzug einer vollständigen Kurskorrektur denkbar, unter den genannten Umständen sogar sinnvoll. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 171. Sitzung des Interparlamentarischen Rates vom 25. bis 27. September 2002 in Genf/Schweiz – Drucksachen 15/104, 15/171 Nr. 2 – Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht derBundesregierung überden Stand derAbwicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte – Stand 30. Juni 2002 – – Drucksachen 14/9942, 15/99 Nr. 1.12 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 1202 Titel 53251 – Ausgaben für den Einzug der strecken- bezogenen Straßenbenutzungsgebühren für LKW durch Private – – Drucksachen 14/9770, 15/99 Nr. 1.15 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 40 Titel 68112 – Eingliederungshilfen und Entschädigungen – – Drucksachen 14/9892, 15/99 Nr. 1.16 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 03 Titel 681 05 – Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung – und bei Kapitel 09 02, allgemeine Bewilligungen, Titel 681 61 – För- derung der beruflichen Aufstiegsfortbildung – – Drucksachen 14/9981, 15/99 Nr. 1.18 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2002 Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapi- tel 06 02 Titel 532 08 – BundOnline 2005 – – Drucksachen 14/9986, 15/99 Nr. 1.19 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Außerplanmäßige Ausgabe und außerplanmäßige Verpflich- tungsermächtigung bei Kapitel 1112 Titel 893 02 – Arbeits- marktprogramm Hochwasserhilfe, Deichbau 2002/2003 – – Drucksachen 14/9987, 15/99 Nr. 1.20 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 1112 Titel 616 31 – Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit – – Drucksachen 14/9999, 15/99 Nr. 1.21 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1113 Titel 636 22 – Erstattung von Aufwendungen der BfA aufgrund der Überführung von Zusatzversorgungssystemen in die Ren- tenversicherung in den neuen Ländern (einschließlich ehe- maliges Ost-Berlin) – – Drucksachen 14/10003, 15/99 Nr. 1.22 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 08 03 Titel 636 02 – Verwaltungskostenerstattung für die Zentrale Stelle der Bundesversicherungsanstalt für Ange- stellte (BfA) zurDurchführung des Altervermögensgesetzes – – Drucksachen 15/9, 15/99 Nr. 1.23 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 29 – THW – Titel 53204 – Einsätze bei Katastrophen, Unglücksfällen und öffentlichen Notständen – – Drucksachen 15/39, 15/99 Nr. 1.24 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1113 Titel 636 85 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 20031820 (C) (D) (A) (B) – Zuschüsse zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen – – Drucksachen 15/40, 15/99 Nr. 1.25 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 1112 Titel 681 01 – Arbeitslosenhilfe – – Drucksachen 15/41, 15/99 Nr. 1.26 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 30 04 Titel 632 11 BAföG – Zuschüsse an Studierende – – Drucksachen 15/129, 15/171 Nr. 4 – DieVorsitzendender folgendenAusschüssehabenmitge- teilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur KenntnisgenommenodervoneinerBeratungabgesehenhat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 15/103 Nr. 1.8 Drucksache 15/103 Nr. 1.13 Drucksache 15/103 Nr. 2.39 Ausschuss fürWirtschaft und Arbeit Drucksache 15/103 Nr. 2.8 Drucksache 15/103 Nr. 2.10 Drucksache 15/103 Nr. 2.42 Drucksache 15/103 Nr. 2.77 Drucksache 15/103 Nr. 2.100 Drucksache 15/173 Nr. 2.31 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/103 Nr. 2.58 Drucksache 15/103 Nr. 2.116 Drucksache 15/103 Nr. 2.117 Drucksache 15/103 Nr. 2.119 Drucksache 15/103 Nr. 2.133 Drucksache 15/173 Nr. 2.49 Drucksache 15/268 Nr. 2.12 Drucksache 15/268 Nr. 2.23 Drucksache 15/268 Nr. 2.26 Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Drucksache 15/173 Nr. 2.59 Drucksache 15/173 Nr. 2.74 Drucksache 15/173 Nr. 2.84 Drucksache 15/173 Nr. 2.93 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 15/103 Nr. 2.50 Drucksache 15/103 Nr. 2.101 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/173 Nr. 2.68 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 15/103 Nr. 1.10 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2003 1821 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300000

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen einen

guten Morgen und einen erfolgreichen Tag.
Ich weise Sie darauf hin, dass interfraktionell verein-

bart worden ist, die verbundene Tagesordnung um den
Antrag der Koalition „Eine Mehrwertsteuererhöhung ist
abzulehnen“ auf Drucksache 15/387 – zu erweitern. Der
Antrag soll in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 10
aufgerufen werden. Ich vermute, dass Sie damit einver-
standen sind. Erhebt sich Widerspruch? – Das ist nicht der
Fall. Dann haben wir das so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf:
a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-

gierung
Bericht über den Stand der Markteinführung
und der Kostenentwicklung von Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Ener-
gien (Erfahrungsbericht zum EEG)

– Drucksache 14/9807 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuss)

gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
Hier: Endbericht des TA-Projekts „Bioenergie-
träger und Entwicklungsländer“
– Drucksache 14/9953 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Auch dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so verein-
bart.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Marco Bülow für die SPD-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der SPD)



Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1502300100

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ein altes

afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dich der Sonne zu
und du lässt den Schatten hinter dir.“ Passender und aktu-
eller könnte man einen Aufruf zum Umdenken nicht for-
mulieren. Die Sonne steht symbolisch stellvertretend für
alle Formen der erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren
Energien sind für uns ein Hoffnungsträger. Deshalb för-
dern wir sie, so wie man Hoffnungsträger fördern sollte,
wenn man will, dass sie sich entwickeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die wohl wichtigste Fördermaßnahme, das Erneuer-
bare-Energien-Gesetz, kurz EEG, haben SPD und Grüne
im März 2000 auf den Weg gebracht. Heute sprechen wir
über den ersten Erfahrungsbericht, der uns aufzeigt, wie
sich die erneuerbaren Energien unter dem EEG entwickelt
haben.


(Beifall der Abg. Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Um es gleich vorwegzunehmen: Die Fördermaßnahme
war und ist goldrichtig und der Hoffnungsträger wächst
und gedeiht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um noch besser zu werden, müssen wir das Gesetz an ei-
nigen Stellen nachjustieren und einige neue Entwicklun-
gen berücksichtigen. Dazu ist es notwendig, noch in die-
sem Jahr eine Novellierung des EEG vorzunehmen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Bravo!)





Marco Bülow
Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden,
die sowohl unserer Wirtschaft als auch der Umwelt und
vor allem den Menschen zugute kommen wird.

Erinnern wir uns an die EEG-Debatte vom März 2000.
Wir haben mit der Energiewende eine Vision vorgegeben,
eine realisierbare Vision, mit der wir über den Tellerrand
und über die nächste Wahl hinausblicken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Reden der Opposition bewegten sich dagegen zwi-
schen Mutlosigkeit und Ablehnung.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: So ein Schmarren!)


Eigentlich sei man ja dafür, aber das Gesetz sei das falsche
Instrument, um den Anteil der erneuerbaren Energien aus-
zuweiten. Außerdem sei das EEG EU-rechtlich doch sehr
bedenklich. Lavieren, schwarz malen, aber eigene kons-
truktive Vorschläge – Fehlanzeige. Das ist Oppositionsar-
beit à la Union und FDP!


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Georg Girisch [CDU/CSU]: Waren Sie da überhaupt schon dabei?)


– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann lesen und
habe natürlich die ganzen Berichte durchgearbeitet, als
ich mich auf die Rede vorbereitet habe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dabei hatten doch alle Parteien des Bundestages An-
fang der 90er-Jahre dem Beschluss zum EEG-Vorgänger,
dem Stromeinspeisungsgesetz, zugestimmt. Doch dann
schlug bei Union und FDP leider wieder die Stunde der
politischen Dinosaurier.

Die Entwicklung der letzten Jahre und die daraus re-
sultierenden Gutachten machen jedoch deutlich, dass der
Ausbau der erneuerbaren Energien immer notwendiger
wird. Die fossilen Energiereserven schmelzen unerbitt-
lich. Der Weltenergieverbrauch wird bis 2030 um gut
65 Prozent anwachsen. Dies bedeutet beispielsweise für
die EU eine Verdopplung der Energieabhängigkeit in den
nächsten 25 Jahren. Der zunehmende Kampf um Energie
ist schon heute von hoher sicherheitspolitischer und öko-
nomischer Brisanz. Ich brauche wohl nicht zu betonen,
wie es um unser Klima bestellt ist. Jeder weiß, in welchem
Ausmaß die Heftigkeit von Naturkatastrophen gerade in
den letzten Jahren zugenommen hat. Als bittere Zugabe
steigt der CO2-Ausstoß rasant: bis 2030 um sage undschreibe 70 Prozent.

Doch dieses Horrorszenario können wir verhindern. Es
wird allerdings traurige Realität, wenn wir den einge-
schlagenen Weg nicht konsequent weitergehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es liegt in unser aller Verantwortung, zu handeln und
dafür zu werben, damit immer mehr Menschen, aber auch
Staaten für diesen Weg „zur Sonne“ – zu den erneuerba-
ren Energien – gewonnen werden.

Werfen wir jetzt einen Blick auf den Bereich, den die
Opposition bei ihrer Verweigerung so massiv infrage ge-
stellt hat. Punkt eins: die rechtliche Situation. Im März
2001 hat der Europäische Gerichtshof die Einspeise- und
Mindestpreisregelung der EU als rechtskonform be-
stätigt. Auf Deutsch: Das Gesetz ist einwandfrei.

Punkt zwei: das angeblich falsche Instrument. Unser
Ziel war es, den Anteil der erneuerbaren Energien bis
2010 auf über 12 Prozent zu verdoppeln. Wir liegen mitt-
lerweile bei über 8 Prozent. Wir haben über 2 Prozent-
punkte zugelegt. Wir liegen also gut im Zeitplan. Kein an-
deres Fördergesetz der Welt ist so erfolgreich wie das
EEG.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will noch einen dritten Punkt ergänzen, der durch
die Oppositionsreden zum EEG geisterte. Es wurde ge-
sagt, das EEG vernichte Arbeitsplätze. Das Gegenteil ist
aber der Fall: Bereits 2001 sicherten die erneuerbaren
Energien rund 120 000 Arbeitsplätze, darunter viele in
verschiedenen handwerklichen Berufsgruppen, was ich
für sehr wichtig erachte.

Dazu sei mir ein Vergleich gestattet. Der Anteil der
Atomenergie am deutschen Primärenergieverbrauch ist
14-mal so hoch wie jener der erneuerbaren Energien.
Doch die Atomwirtschaft hat nur etwa 35 000 Beschäf-
tigte. 120 000 Beschäftigte zu 35 000 Beschäftigte: In je-
dem anderen Bereich wäre dies ein Totschlagsargument,
das jede Diskussion im Keim ersticken würde. Auch das
sollte man einmal erwähnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte zwei weitere Aspekte aufzeigen, die deut-
lich machen, dass der Erfahrungsbericht ein Erfolgsbe-
richt ist. Erster Aspekt: CO2-Bilanz. Allein 2001 wurdendurch die erneuerbaren Energien 35Millionen Tonnen des
Klimakillers CO2 eingespart. Das bedeutet umgerechnet,dass 3,5 Millionen Deutsche heute bereits keine CO2-Emissionen verursachen.


(Lachen bei der FDP)

Zweiter Aspekt: Vorbildfunktion. Der Erfolg des EEG

hat verschiedene Länder wie Frankreich und Spanien dazu
animiert, wesentliche Elemente unserer Gesetzgebung zu
übernehmen. Erst vor einigen Tagen hat das renommierte
Worldwatch Institute – auch die Opposition kennt es wahr-
scheinlich – das EEG als beispielhaft gerühmt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Deutschland fordern 80 bis 90 Prozent der Menschen
– keine Partei wird dieses Traumergebnis jemals errei-
chen –


(Georg Girisch [CDU/CSU]: Warten wir mal den Sonntag ab!)


den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dem
werden wir als Sozialdemokraten nachkommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



(B)



(C)



(D)


1770


(A)



(B)



(C)



(D)






Zum Schluss noch ein Wort zu den Kosten. Die Mehr-
kosten, die durch das EEG entstanden sind, belaufen sich
auf 0,18 bis 0,26 Eurocent pro Kilowattstunde. Nicht
berücksichtigt sind dabei Netzkosten und Netzverluste,
die durch die dezentrale Einspeisung der erneuerbaren
Energien eingespart werden. Vor allen Dingen werden die
externen Kosten – das heißt: Klima- und Umweltkosten,
die durch die Gewinnung der fossilen Energien entstehen –
verringert. Eine Studie des Bundesumweltamtes hat diese
Einsparung mit 14 Eurocent pro Kilowattstunde errech-
net. Demzufolge hätten wir durch das EEG allein 2001
eine volkswirtschaftliche Einsparung von 2,5 Milliar-
den Euro gehabt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben das Jahr 2003. Fangen wir endlich an, zu be-
greifen, dass der Verbrauch fossiler Ressourcen und die
Belastung unserer Umwelt kein Nullsummenspiel ist.
Was sich manchmal als ökonomisch sinnvoll darstellt,
kann uns letztlich teuer zu stehen kommen.

Das Fazit ist schnell gezogen: Der Hoffnungsträger er-
neuerbare Energie hat die Förderung durch das EEG
schon jetzt mehr als gerechtfertigt. Die Branche boomt;
wir sind Weltspitze und haben riesige Exportchancen. Die
Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien läuft
nach Plan. Wir vermeiden Millionen Tonnen des Klima-
killers CO2 und wir schaffen zukunftssichere Arbeits-plätze.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit könnte ich meine Rede eigentlich beenden; aber
ich will – die Wichtigkeit des Themas und die damit ver-
bundene Chance verleiten mich dazu – noch einen Schluss-
appell an die Opposition richten. Kolleginnen und Kolle-
gen, es geht um die Zukunft unseres Lebensraums und die
Zukunft unserer Kinder. Machen Sie wieder Ernst mit
Ihrem Wohlwollen für die erneuerbaren Energien! Schie-
ben Sie endlich Ihre Dinosaurier beiseite! Treten Sie aus
dem Schatten heraus und wenden Sie sich der Sonne zu!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Bei uns sagt man:
Glück auf!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300200

Herr Kollege Bülow, das war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag, zu der ich Ihnen herzlich gratulieren
möchte.


(Beifall)

Ich schließe ausdrücklich die Punktlandung bei der Ein-
haltung Ihrer Redezeit in diese Gratulation ein und wün-
sche uns allen, dass Ihnen das bei Ihren künftigen Reden
in ähnlicher Weise gelingt.


(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er kann gut länger reden! Er war doch gut!)


Nun erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus W. Lippold für
die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1502300300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Auch ich gratuliere dem Kollegen Bülow. Das heißt
aber nicht, dass man mit seinen Inhalten vollständig über-
einstimmen muss.


(Horst Kubatschka [SPD]: 90 Prozent reichen!)


Dazu ist eines anzumerken: Es ist nicht ganz so, wie es
sich darstellt. Das kann man noch nicht wissen, wenn man
neu ins Parlament gewählt wurde.


(Horst Kubatschka [SPD]: Dann haben Sie es vergessen, Herr Kollege!)


Die Welt der regenerativen Energien hat nicht erst mit
Rot-Grün angefangen. Vielmehr haben wir seinerzeit das
Stromeinspeisungsgesetz auf den Weg gebracht, so wie
wir in diesem Hause alle qualitativen Neuerungen auf den
Weg gebracht haben. Sie haben sich jeweils später dran-
gehängt und – das gestehe ich Ihnen zu – auch die eine
oder andere Erweiterung vorgenommen. Es trifft aber
nicht zu, dass von Ihnen grundsätzlich neue Entwicklun-
gen angeschoben worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es nach Ihnen gehen würde, Herr Kollege Bülow,
würden wir uns immer noch in der Dinosaurierzeit befin-
den.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Wir haben den in
Rio begonnenen internationalen Klimaschutzprozess
vorangetrieben. Wir brauchen die regenerativen Energien,
weil innerhalb der Bundesrepublik wie auch der Europä-
ischen Union Versorgungssicherheit notwendig ist, weil
wir generell bundes-, europa- und weltweit Ressourcen-
schonung betreiben müssen und weil wir den Klima-
schutz erheblich voranbringen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christian Eberl [FDP])


Da wir gerade beim Thema Klimaschutz sind, möchte
ich noch etwas zu der Dinosaurierfunktion anmerken,
Herr Kollege Bülow. In unserer Regierungszeit sind die
Kohlendioxidemissionen kräftig reduziert worden. Sie
haben der Reduktion der Kohlendioxidemissionen nichts
hinzugefügt; im Gegenteil: In den vergangenen beiden
Jahren sind sie unter Ihrer Regierung wieder gestiegen.
Das ist der falsche Weg. Darüber helfen auch keine flot-
ten Sprüche hinweg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir müssen die bestehenden Möglichkeiten besser nut-
zen. Das EEG hat ohne Zweifel einen Schub für die
Windenergie gebracht; es hat aber auch erhebliche Di-
vergenzen erkennen lassen und es ist in anderen Berei-
chen zu Förderrückständen gekommen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es! Genau darum geht es!)


Marco Bülow




Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)

Wir müssen für einen ausgewogeneren Energiemix in die-
sen Bereichen sorgen.


(Marco Bülow [SPD]: 90 Prozent Atom!)

Ich halte es für wichtig, insbesondere bei der Biomasse

anzusetzen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass
Biomasse einen besonderen Vorzug aufweist. Wir können
damit Synergieeffekte erzeugen. Einerseits kann die
Landwirtschaft eingebunden werden und andererseits
kann rund um die Uhr Energie erzeugt werden. Beides ist
positiv. Deshalb werden wir in Zukunft einen wesentlich
stärkeren Akzent zugunsten der Biomasse setzen müssen,
als es bisher der Fall war.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will aber auch deutlich machen – in diesem Zusam-

menhang hat der Bericht noch Fragen offen gelassen –,
dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine endlose
Steigerung des Anteils der regenerativen Energien geben
kann. Dagegen gibt es zunehmend Widerstände.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Auch das ist richtig!)


Ich warte darauf, dass Sie darlegen, wie Sie diese Wider-
stände überwinden wollen, um das gemeinschaftliche Ziel
der Stärkung regenerativer Energien zu erreichen. Diese
Frage haben Sie bisher offen gelassen.

Die konstruktive Mitwirkung an den Überlegungen,
die derzeit angestellt werden, setzt auch voraus, dass eine
Reihe von Kriterien erfüllt ist. Ich warne vor der dogma-
tischen Darstellung, nur die dezentrale Energieerzeugung
sei richtig. Wir werden einen Energiemix brauchen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich warne davor, einseitig auf einen bestimmten Energie-
träger zu setzen. Wir brauchen den gesamten Energieträ-
germix, um den bestehenden Anforderungen gerecht zu
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Innerhalb des EEG sind stärkere Anreize nötig, damit

anstelle einer statischen Situation, in der es keine Weiter-
entwicklung gibt, neue, innovative Technologien im Gel-
tungsbereich dieses Gesetzes entwickelt werden. Auch
hier muss entsprechend etwas getan werden.

Wir brauchen neue Systemlösungen für die Energieer-
zeugung bis hin zur Energienutzung; auch dazu müssen
im EEG Anreize gegeben werden. Ich glaube, dass das ein
ganz wesentlicher Punkt ist. Auf den werden wir in den
weiteren Diskussionen achten. Ich meine, dass wir damit
auf einem vernünftigen Weg sind und marktwirtschaftli-
che Lösungen nicht verbauen.

Ich füge einen Punkt hinzu, den Sie mehr und mehr aus
dem Auge verlieren: Wir müssen darauf achten, dass wir
wettbewerbsfähig bleiben.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genauso ist es!)


Deshalb muss es zu Kostendegressionen kommen. In dem
vorliegenden Bericht und in den Diskussionen der Bundes-
regierung ist angedeutet worden, dass es an bestimmten
StellenÜberförderungengibt. Sie habennochnicht gesagt,

wie Sie diese angehen wollen.Auch darauf müssen Sie ein-
gehen, damit wir wissen, welche Pläne es im Hinblick auf
eine Degression gibt und wie sie realisiert werden sollen.

Sie haben auch noch nicht deutlich gemacht, wie Sie
den Konflikt zwischen Naturschutz und der Nutzung re-
generativer Energien lösen wollen. Ich halte das für wich-
tig. Denn in vielen Teilen der Bevölkerung wachsen die
Widerstände. Da heißt es zum Beispiel:

Eine Fehlentscheidung aus Naturschutz-Sicht war
die Genehmigung eines Offshore-Windparks in der
Nordsee. Am Windpark Butendiek ist jetzt der Kon-
flikt zwischen erneuerbaren Energien deutlich. Der
Offshore-Windpark Butendiek mit seinen 80 geplan-
ten Windkraftanlagen ca. 30 Kilometer vor Sylt liegt
ausgerechnet in einem „Important Bird Area“, also in
einem EU-Schutzgebiet, und ist zudem wichtig für
Schweinswale, die dort ein Kälberaufzuchtgebiet ha-
ben. Bevor Offshore-Standorte festgelegt werden,
müssen die schutzwürdigen Meeresbereiche identifi-
ziert und als Schutzzonen ausgewiesen sein, um eine
Überschneidung mit Eignungsgebieten zu vermei-
den. Die Debatte über Butendiek sollte die Bundes-
regierung zum Anlass nehmen, das Verhältnis erneu-
erbarer Energien zum Naturschutz zu klären.

Der letzte Satz lautet:
Die Bundesregierung muss ihre Entscheidung zu
Butendiek zurücknehmen.

(Rolf Hempelmann [SPD]: Interessant, wer Ihre Reden schreibt!)

Das sagt der BUND und nicht die CDU/CSU.

Ich meine, wir sollten uns mit solchen Argumenten
sehr sorgfältig auseinander setzen. Auch das finden wir in
dieser Form bei Ihnen nicht. Wenn wir wirklich eine so-
lide Basis für die Nutzung regenerativer Energien haben
wollen, dann brauchen wir nicht den Konflikt, sondern die
Zusammenarbeit mit den Naturschützern und dann brau-
chen wir auch nicht den Konflikt, sondern die Zusam-
menarbeit mit den Landwirten. Wir setzen auf Koopera-
tion und nicht auf ideologische Fixierung.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Wenigstens mal was Neues!)


In diesem Sinne werden wir mit Ihnen konstruktiv zu-
sammenwirken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300400

Das Wort hat nun der Bundesminister für Umwelt, Na-

turschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin.

(Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat
haben wir es hier mit einem überaus erfolgreichen Gesetz


(A)



(B)



(C)



(D)


1772


(A)



(B)



(C)



(D)






zu tun. Wir haben den Anteil erneuerbarer Energien bei
der Stromerzeugung seit 1998 vervierfachen und im Be-
reich der Windkraft sogar verfünffachen können. Lieber
Herr Kollege Lippold, Sie haben Recht: Wir haben uns da-
bei durchaus auf die Wurzeln des Stromeinspeisungsge-
setzes beziehen können. Nur, es war diese Koalition, die
damals, als das Stromeinspeisungsgesetz ausgelaufen ist,
gegen Ihr und das Votum fast aller CDU-regierten Länder
dafür gesorgt hat, dass die erneuerbaren Energien in die-
sem Lande auf einen guten Entwicklungspfad gebracht
wurden und dort auch bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will etwas zu den Dimensionen sagen. Wir haben
im letzten Jahr zum ersten Mal mehr als 3 000 Megawatt
Leistung, konkret: 3 250Megawatt Windkraft, in das Netz
eingespeist. Wissen Sie, was das bedeutet? Wir haben in
einem Jahr mehr Leistung als zusammengerechnet in al-
len Jahren vor 1998 in das Netz eingespeist. Das ist die
Entwicklung, die wir ausgelöst haben. Das ist die Ent-
wicklung, die wir weiter befördern wollen. Das ist die
Entwicklung, die dazu geführt hat, dass mittlerweile mehr
als 130 000 Menschen in dieser Branche arbeiten. Das ist
die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass allein die Wind-
energiebranche von den 13 Millionen Tonnen Stahl, die
jedes Jahr in Deutschland produziert werden, 1 Million
nachfragt. Das heißt, das ist ein Bereich, der auf der einen
Seite mit CO2-Einsparungen in Höhe von mehr als35Millionen Tonnen rund 20 Prozent der Kioto-Auflagen
erbringt und der auf der anderen Seite eine richtig boo-
mende wirtschaftliche Branche geworden ist.

Meine Damen und Herren, ich füge eines hinzu: Das
EEG ist allen politischen Widerständen zum Trotze in-
zwischen zum Vorbild für vergleichbare Regelungen in
Spanien, Frankreich, Österreich, Tschechien, Griechen-
land und selbst in Brasilien geworden. Das sage ich nicht
nur, weil wir uns freuen, wenn andere gute Ideen von uns
übernehmen, sondern auch, weil sich darin eine Entwick-
lung zeigt, die mit dazu beigetragen hat, dass die Herstel-
ler von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in-
zwischen allesamt exportorientiert sind. Das ist eine
Entwicklung, die wir gerne halten, wahren und fortent-
wickeln möchten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Inzwischen sind auch viele der Einwände, die vor-
gebracht worden sind – Herr Bülow hat darauf hingewie-
sen – widerlegt worden. Es handelt sich um ein kosten-
günstiges Förderinstrument, ein Instrument, das einen
Boom ausgelöst hat und das die durchschnittlichen Haus-
halte der Bundesrepublik Deutschland heute 8 Euro im
Jahr kostet. Diese Art und Weise der Umlagefinanzierung
ist mit Sicherheit der kostengünstigste Rahmen, der in der
Energiepolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur
Förderung einer bestimmten Energieform aufgelegt wor-
den ist. Ein marktwirtschaftlicheres Instrument ist mir in
diesem Bereich noch nicht begegnet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der FDP: Das können wir Ihnen auch erklären!)


Natürlich gibt es auch Einwände. Es gibt zum Beispiel
die Bürgerinitiative von Herrn Möllemann, der immer ge-
gen Windanlagen vorgeht. Das kann ich aus der Perspek-
tive eines Fallschirmspringers verstehen.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber diese Perspektive müssen wir uns nicht zu Eigen
machen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er ist ein guter Fallschirmspringer!)


Weil wir dieses Instrument verbessern wollen, wollen
wir an einem ganz zentralen Punkt ansetzen: dort, wo viel
Masse ans Netz gebracht wird, und dort, wo wir im Übri-
gen auch unter dem Aspekt des Wettbewerbs mit anderen
den größten Handlungsbedarf sehen. Wenn es einen Be-
reich gibt, in dem ein massiver Aufwuchs weiter möglich
und nötig ist, dann ist dies die Offshore-Technologie.
Wenn ich Offshore-Technologie sage, dann rede ich, weil
ich den Naturschutz ernst nehme, eben nicht von Anlagen
im küstennahen, knietiefen Wasser, sondern von Anlagen
in Tiefen, aufgrund derer sich zum Beispiel die Frage, ob
dort noch Enten tauchen, nicht mehr stellt, weil sie unter-
halb der Tauchtiefe von Enten liegen.

Meine Damen und Herren, jetzt sage ich Ihnen auch
einmal etwas zum Schweinswal. Denn wir haben diese
Frage ja geprüft. Wissen Sie, welches der größte Schutz
für den Schweinswal ist? – Der größte Schutz für ihn ist,
wenn in einem Gebiet nicht mehr gefischt werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und das ist nun einmal dort der Fall, wo Windenergie er-
zeugt wird.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der FDP: Was ist denn das für eine Logik?)


– Sie haben ja gesagt, wir hätten diese Frage nicht geprüft.
Wir haben sie aber sehr gründlich geprüft. Nach Abwä-
gung all dieser Vorgaben sind wir zu dem Ergebnis ge-
kommen, dass der Eingriff nicht erheblich ist und dass die
Genehmigung deswegen erteilt werden kann. Dabei han-
delt es sich übrigens um all die Gründe, die der BUND an
dieser Stelle genannt hat.

Aber, meine Damen und Herren, wenn wir den Off-
shore-Weg weitergehen wollen, dann müssen wir ange-
sichts des Kapitalbedarfs, der hier besteht, Folgendes tun:
Wir müssen erstens die Förderung für die Windenergie
degressiv gestalten und sie, gerade mit Blick auf die
großen Anlagen, die wir in das Meer bringen wollen, spä-
ter einsetzen lassen. Das ist die erste wichtige Verände-
rung und die erste wichtige Konsequenz, die wir aus die-
sem Bericht ziehen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Zweitens müssen wir die Förderung im Bereich der klei-
nen Anlagen für Biomasse und im Bereich der Photovol-
taik, in dem wir übrigens im letzten Jahr mit einem neuen
Rekord das 350000-Megawatt-Ziel des 100000-Dächer-
Programms erreicht haben, auf eine Einspeisevergütung

Bundesminister Jürgen Trittin




Bundesminister Jürgen Trittin
umstellen. Hier muss positiv nachjustiert werden. Umge-
kehrt müssen wir dort, wo Überförderungen stattgefunden
haben – das war an den sehr windgünstigen Standorten in
Küstennähe der Fall –, tatsächlich eine bestimmte Form
der Rückführung der Einspeisevergütung anwenden.

Herr Präsident, ich bin etwas verwundert darüber, dass
die Redezeit schon abgelaufen ist. Aber Sie haben sicher-
lich Recht und deswegen komme ich zum Schluss.

Nach den Signalen, die Sie gegeben haben, Herr
Lippold, aber auch nach den Signalen, die aus den Koa-
litionsfraktionen gekommen sind, ist dieser EEG-Bericht
– es geht um ein erfolgreiches Instrument für den Klima-
schutz, für moderne Technologie und für die Arbeitsplätze
in diesem Land – eine gute Grundlage dafür, dass wir am
Ende – anders als bei der Verabschiedung des EEG – zu
einem breiten Konsens im ganzen Haus darüber kommen,
und darüber würde ich mich sehr freuen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Eberl,

FDP-Fraktion.


Dr. Christian Eberl (FDP):
Rede ID: ID1502300600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine

Herren! Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen
im Bericht über den Stand der Markteinführung von An-
lagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Ener-
gien seit 1991 sind in der Tat beeindruckend. Wie bereits
in der Zeit der CDU/CSU-FDP-Koalition mit dem dama-
ligen Stromeinspeisungsgesetz ist in jeder der drei letzten
Legislaturperioden der Anteil des aus regenerativen Ener-
gien erzeugten Stroms etwa verdreifacht worden. In die-
sem Punkt haben Sie von der Regierung Kontinuität be-
wiesen und die Ziele der von allen Parteien gemeinsam
getragenen Verpflichtungen von Rio weiterverfolgt.

Auch wenn wir uns, politisch gesehen, in dem Ziel der
Verminderung der CO2-Emissionen einig sind, so gibt esdoch deutliche Unterschiede zwischen Ihrem und unse-
rem Weg zu dem gemeinsamen Ziel. Je stärker Sie, Herr
Trittin, die Erfolge des EEG beleuchten, umso deutlicher
und länger werden leider auch die Schatten dieses Geset-
zes.

Nehmen wir als Erstes die soziale Akzeptanz dieser
neuen Technologien. Bis 1999 gab es von Bürgerinnen
und Bürgern, von Umwelt- und Naturschützern kaum
nennenswerte Kritik an der Einrichtung von Anlagen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie kennen das Beispiel aus
Ihrem Wahlkreis im Wilhelm-Busch-Dorf Ebergötzen.
Dort wurden auf Initiative der Dorfgemeinschaft Windrä-
der aufgestellt. Viele Bewohner haben sich beteiligt. Die
Sache ist im Ort verwurzelt. Die Akzeptanz ist kein Pro-
blem.

Heute, nur wenige Jahre später, sieht die Entwicklung
in der gleichen Region leider etwas anders aus. In meinem

Wahlkreis liegt zum Beispiel das Moringer Becken, eine
Tallage zwischen zwei Mittelgebirgszügen. Die Planungs-
büros bedrängen die Städte und Gemeinden, dort ein über-
greifendes Sondergebiet zur Windenergienutzung einzu-
richten. 40 bis 60 Anlagen, je nach Höhe, sollen dort im
Auftrag ortsferner Investoren genehmigt werden. Herr
Trittin, Sie sprachen vor kurzem von einer Win-Win-
Situation bei erneuerbaren Energien. Die Bürgerinnen
und Bürger dieser Gegend schreiben und sagen mir etwas
anderes. Sie fühlen sich als Looser. – So weit zum sozio-
logischen Schatten, der heute an vielen Stellen den Glanz
des Gesetzeserfolges mindert.


(Beifall bei der FDP)

Als Liberaler und Vertreter der sozialen Marktwirt-

schaft muss ich mich natürlich auch mit den ökonomi-
schen Folgen des Gesetzes befassen. Wie ist es möglich,
dass im besagten Moringer Becken, in dem, geschichtlich
überliefert, noch nie eine Windmühle gestanden hat und
nach Expertenmeinung an weniger als 100 Tagen im Jahr
ausreichend Wind weht, auf einmal ein solcher Druck für
eine Baugenehmigung entsteht? Dies ist nur dadurch zu
erklären, dass es eine staatlich garantierte Vergütung
– unabhängig von der jeweiligen Lage und Marktsituation –
gibt, die den Wettbewerb völlig ignoriert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese falsch angesetzte Förderpolitik führt zu ökologi-
schen und ökonomischen, aber auch sozialen Fehlentwick-
lungen. Wir sind daher mit Ihnen der Meinung, dass dieses
Gesetz in einigen Punkten korrigiert werden muss. Es gibt
sicherlich ökonomisch bessere, marktwirtschaftliche Wege
zu dem Ziel, die Kioto-Verpflichtungen zu erfüllen.

Die zur Rentensicherung eingesetzten Einnahmen aus
der Erhebung der Mineralölsteuer zum Beispiel – meine
Damen und Herren von den Grünen, Sie nennen das,
glaube ich, Ökosteuer – könnten tatsächlich zu einer öko-
logischen Weiterentwicklung eingesetzt werden. Ich habe
nie verstanden, warum die Grünen ihre damalige Forde-
rung nach einem Benzinpreis von 5 DM mit dem Ziel der
SPD-Arbeitsgemeinschaft 60 plus zur fremdfinanzierten
Rentensicherung verknüpft haben.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist das! Wohl wahr!)


Ökologische Ziele mit der Ökosteuer zu verfolgen, da-
rüber könnten wir uns unterhalten.

Ich komme noch einmal auf die Zahlen des Erfahrungs-
berichtes und damit auf die Kostenentwicklung zurück.
Sie als Bundesregierung wollen die Reform des Gesetzes
aufkommensneutral gestalten. Derzeit liegen die Mehrkos-
ten für die Kilowattstunde zwischen 18 und 26 Cent –
ohne die höheren Netz- und Regelungskosten.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ein Unfug!)


Das summiert sich insgesamt auf volkswirtschaftlich
schon nicht mehr zu vernachlässigende runde 2,5 Milliar-
den Euro für 2002.

Aus den von Ihnen, Herr Trittin, vorgestellten Eck-
punkten wird hingegen nicht deutlich, wie Sie die Wett-


(A)



(B)



(C)



(D)


1774


(A)



(B)



(C)



(D)






bewerbsfähigkeit der regenerativen Energieträger zukünf-
tig gestalten wollen. Wenn Sie den jetzigen Rahmen er-
halten wollen – ich betone ausdrücklich: den Rahmen –,
dann können wir darüber reden. Wenn Sie jedoch den
Fächer der Förderung weiter aufmachen wollen und den
Weg ausschließlich mit kosmetischen Korrekturen an der
Einspeisevergütung gehen wollen, dann werden wir das
nicht mittragen können.

Statt fester Vergütungsvorgaben für die Stromeinspei-
sung könnten den Erzeugern regenerativer Energien bei-
spielsweise in gleichem Umfang Einsparzertifikate er-
teilt werden. Der Staat kann dann Marktpartner sein,
indem er seine Klimaverpflichtungen dadurch erfüllt,
dass er Emissionszertifikate von den Windmüllern, Bio-
gas-, Erdwärme- oder Photovoltaikanlagenbetreibern auf-
kauft. Oder es könnte an Standorten, die wegen fehlender
Netze für Bioenergieträger prädestiniert sind, in erneuer-
bare Energien investiert werden. Dies gilt zum Beispiel
für die Entwicklungsländer. Die FDP nimmt den diesbe-
züglichen TAB-Bericht hier zustimmend zur Kenntnis.

Zurück nach Deutschland. Ein Ausgleich für die unter-
schiedlichen Erzeugungskosten von Energie kann und
– das sagen wir als FDP – darf nicht dauerhaft am Markt
vorbei subventioniert werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, Sie sehen: In der FDP be-
schäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema „erneu-
erbare Energien“. Im klimapolitischen Zweck sind wir
uns alle einig. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam ma-
chen, dass es in Widerspruch zu diesem Ziel steht, dass die
Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz auf Biomas-
se, zum Beispiel auf Holzabfälle, von 7 auf 16 Prozent er-
höhen will. Hier gibt es aus unserer Sicht einen Gegen-
satz, der aufgeklärt werden muss.


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300700

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.


Dr. Christian Eberl (FDP):
Rede ID: ID1502300800

Danke, Herr Präsident. – Zum letzten Satz. Unseren

Weg wollen wir jedoch trotz des gemeinsamen Zieles
nicht mit dem garantierten Geld der Bürger betonieren.
Stattdessen brauchen wir eine Marktöffnung. Nur damit
können weitere Fehlentwicklungen mit Sicherheit vermie-
den werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502300900

Ich erteile das Wort der Kollegin Anke Hartnagel,

SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Anke Hartnagel (SPD):
Rede ID: ID1502301000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der von

der rot-grünen Regierung eingeleiteten Energiewende
sind wir in Deutschland auf dem richtigen Weg, einem
Weg, den wir weiter gehen wollen. Da gibt es überhaupt
keine Diskussion. Klimaschutz und eine nachhaltige Ener-
gieversorgung sind jedoch auch globale Themen. Gerade
die Menschen in den Entwicklungsländern, diejenigen,
die täglich um ihr Überleben kämpfen müssen, sind den
Folgen von Klimaveränderungen besonders ausgeliefert.

Dem trägt die deutsche Entwicklungspolitik Rech-
nung. Das BMZ hat klare Prioritäten für die Förderung re-
generativer Energien in Entwicklungsländern gesetzt. So
wird die Bundesregierung, wie Bundeskanzler Schröder
in Johannesburg angekündigt hat, in den nächsten fünf
Jahren 1 Milliarde Euro für erneuerbare Energien und
Energiesparmaßnahmen in Entwicklungsländern bereit-
stellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, in vielen Ländern dieser
Erde gibt es Regionen ohne jeden Zugang zu irgendeiner
Energiequelle. Gleichzeitig wächst der Energiebedarf in
diesen Ländern in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich
auf das Doppelte. Einerseits ist das natürlich positiv zu se-
hen, kann Energie doch die Basis für höheres Wirtschafts-
wachstum und steigenden Wohlstand sein. Andererseits
wird es hierdurch zu einem Anstieg an klimarelevanten
Gasen, zum Beispiel CO2, in der Atmosphäre kommen,wenn nicht entschieden gegengesteuert wird.

Der verstärkte Einsatz regenerativer Energien kann
dazu beitragen, diesen Anstieg zu verringern. Aber er kann
noch viel mehr bewirken. Hier bestätigt auch der TAB-Be-
richt den sehr richtigen und wichtigen Ansatz des BMZ.
Entwicklungspolitisches Ziel bei der Förderung der ener-
getischen Nutzung aus Biomasse ist insbesondere Armuts-
bekämpfung, Entwicklung des Gesundheitswesens, Bil-
dung, Ressourcenschutz, wirtschaftliche Entwicklung und
Klimaschutz. Atomenergie bietet hier keine Alternative.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Regenerative Energien bieten große Chancen. Biomas-
se, um die es in dem heute zur Debatte stehenden Bericht
geht, nimmt unter ihnen eine besondere Stellung ein; denn
weltweit nutzen inzwischen rund 2 Milliarden Menschen
ausschließlich Biomasse als Energiequelle. Dennoch
muss eines deutlich sein: Bioenergie ist nur eine Lösung
der Energieproblematik in den Entwicklungsländern,
auch Photovoltaik, Solar- und Windenergie werden eine
entscheidende Rolle spielen.

Der TAB-Bericht kann als eine gute Informations-
grundlage für weitere Bemühungen um die Nutzung und
Förderung von Bioenergie gewertet werden; denn Bio-
masse bietet den privaten Haushalten in Entwicklungs-
ländern oft die einzige Möglichkeit, mit Energie versorgt
zu werden. Deshalb ist es so wichtig, die Energieversor-
gung mit Biomasse, auch durch die verstärkte Vergabe
von Mikrokrediten, effizienter und insbesondere nachhal-
tig zu gestalten.

Dr. Christian Eberl




Anke Hartnagel

Die Nutzung von Biomasse kann aber auch gravie-
rende negative Folgen für die Umwelt haben, wie das Bei-
spiel der Abholzung der Wälder für die Nutzung von Holz
und die darauf folgende Bodenerosion zeigt. Durch nach-
haltige Forstwirtschaft kann dem entgegengewirkt wer-
den. Meines Erachtens werden der Bereich Nachhaltig-
keit und die Folgen der Nutzung der Biomasse für die
Umwelt in dem Bericht nicht genug hervorgehoben.

Bei der Bewirtschaftung von Agrarflächenmuss auch
auf eines geachtet werden: Der Pflanzenanbau zur Bio-
energieerzeugung darf, vor allem bei der Anpflanzung
von Ölpalmen, nicht auf Kosten des Nahrungsmittelan-
baus gehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um Effizienzsteigerungen und Nachhaltigkeit zu ermög-
lichen, bestehen zahlreiche Handlungsoptionen. CDMs,
also Clean Development Mechanismen, gehören sicher
zu den wirkungsvollsten. Denn diese Projekte setzen auf
allen Ebenen an: ökonomisch, ökologisch und kulturell.
Es wird die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und
Organisationen gefördert und es findet ein Informations-
austausch zwischen allen Beteiligten statt. Das ist ein
wichtiger Aspekt; denn nur so ist es möglich, nationale
und internationale Unternehmen und die Nutzer selbst
über Chancen und Möglichkeiten von erneuerbaren Ener-
gien aufzuklären. Hierzu können CDM-Sekretariate einen
wichtigen Beitrag leisten.

Ich will ein negatives Beispiel nennen, das zeigt, was
passieren kann, wenn gute Ansätze vorhanden sind, sie
aber nicht gut durchgesetzt werden. Eine Solaranlage, in
Afrika errichtet und aus EU-Mitteln finanziert, wurde
zum Zielschießen mit Steinen benutzt. Der Grund: Be-
gleitende Maßnahmen, Informationen und Wartungs-
kräfte fehlten. Die Alternative wäre eine Biogasanlage ge-
wesen, die mit Dung betrieben wird; denn in der Region
wird Viehzucht betrieben.

Aber es gibt auch positive Beispiele wie das Biogas-
Support-Programm in Nepal. 36 500 Biogasanlagen ste-
hen bereits, weitere 63 500 sollen noch ans Netz gehen.
Nutzerorientierung und Anpassung an die lokalen Gege-
benheiten machten das Projekt zum Erfolg. Als beglei-
tende Maßnahmen wurden außerdem Training für Nutzer
und Schulungen für einheimische Baufirmen angeboten.

Für wichtig halte ich noch einen anderen Aspekt, näm-
lich die Einrichtung einer Internationalen Agentur für
Erneuerbare Energien als eine internationale Regie-
rungsorganisation mit der Aufgabe, die aktive Nutzung
erneuerbarer Energien weltweit zu unterstützen und vor-
anzutreiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Aspekt ist der Know-how-Transfer unter
den Ländern des Südens, der nicht zu unterschätzen ist.
Als Beispiel ist hier zu erwähnen, dass Tansania Thailand
technisch und strategisch bei der Verbreitung dörflicher
Kleintechnologie zum Kochen mit Biogas verholfen hat.
Auch die Entwicklung in der Agroindustrie kann eine
große Rolle spielen. Das Potenzial der Abfälle aus der

Zucker, Papier oder Holz verarbeitenden Industrie ist groß
und wird bisher überwiegend als Abfallproblem betrach-
tet, übrigens zum Teil auch noch bei uns.

Ich komme zum Schluss. Der Zugang zu regenerati-
ven Energien kann meines Erachtens wesentlich mehr
zum Frieden in der Welt beitragen als so manch andere
Aktion.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Helfen Sie mit, damit alle Menschen Zugang zu nachhal-
tiger Energie bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502301100

Das Wort hat nun die Kollegin Doris Meyer, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Doris Meyer (CSU):
Rede ID: ID1502301200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und

Herren! Es ist eine außerordentliche Ehre für mich, zum
ersten Mal in diesem Hause zu Ihnen zu sprechen. In mei-
ner Rede geht es um einen Themenkomplex, der die Öko-
logie und die Ökonomie verbindet.

Der Erfahrungsbericht zum Gesetz für den Vorrang er-
neuerbarer Energien zeigt eines auf: Die Grundzüge stim-
men. Das EEG, ein Kind des Stromeinspeisungsgesetzes,
das die Union auf den Weg gebracht hat, bewirkte einen
deutlichen Anstieg der Nutzung erneuerbarer Energien.
Eine große Anzahl von neuen Anlagen für die Nutzung re-
generativer Energien konnte neu gebaut, vorhandene An-
lagen konnten modernisiert, stillgelegte reaktiviert und
bestehende gesichert werden. Das Ziel, aus Gründen der
Ressourcenschonung und des Klimaschutzes den Anteil
regenerativer Energien an der gesamten Energieversor-
gung zu verdoppeln, können wir selbstverständlich unter-
stützen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bei aller positiven Betrachtung müssen wir jedoch hin-

terfragen, ob das angestrebte Ziel der CO2-Verminderungangesichts der bisherigen Zahlen noch erreicht werden
kann. Die eine oder andere Energieart darf nicht einseitig,
beispielsweise nur unter dem Aspekt der Ökonomie oder
der Ökologie, betrachtet werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

In eine Gesamtbetrachtung müssen beide einfließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Ansicht, durch das EEG würde es zu einem bloßen

Verteilen nach dem Gießkannenprinzip kommen, muss
ein strategisches Gesamtprogramm für die Zukunft der
Energieversorgung in Deutschland und Europa unter be-


(A)



(B)



(C)



(D)


1776


(A)



(B)



(C)



(D)






sonderer Berücksichtigung der erneuerbaren Energien of-
fensiv gegenübergestellt werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Darin müssen die Liberalisierung des europäischen
Strommarktes im Jahre 2007 und deren Auswirkungen be-
reits Eingang finden. Die Erzeugung sauberer Energie
muss zudem im Interesse der Öffentlichkeit liegen, die in
diesem Zusammenhang unser wichtigster Bündnispartner
für die regenerativen Energien ist.

Nun komme ich zu den einzelnen Energieträgern und
ihren Bewertungen nach dem Erfahrungsbericht:

Wasserkraftwerke decken mit derzeit etwa 20 Mil-
liarden kWh etwa 4,4 Prozent des heimischen Stromver-
brauchs. Das noch ungenutzte Ausbaupotenzial sollte un-
verzüglich ausgeschöpft werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Photovoltaik hat derzeit den geringsten Anteil an

der Stromversorgung in Deutschland. Auf diesem Gebiet
muss noch wesentlich mehr in Forschung, zum Beispiel
bezogen auf die Speichermöglichkeiten, investiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine große Chance für unsere heimische Wirtschaft liegt
auch im Export unserer Technologien in sonnenstarke
Länder. An dieser Stelle möchte ich den indischen Außen-
minister zitieren, der sagte: „Wir haben die Sonne und
Deutschland die Technik.“ Nutzen wir diese Chance!


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Meine Damen und Herren, die Zahl der Windkraft-
anlagen hat in den letzten Jahren geradezu stürmisch zu-
genommen. Jedoch gilt es zu bedenken, dass sich die
Stromversorgung mittels Windkraft regional sehr unter-
schiedlich gestaltet.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung durch optische
und landschaftsplanerische Beeinträchtigungen werden
einen weiteren Ausbau im Binnenland erschweren. Zu-
wachsraten sind demnach wohl nur im Offshore-Bereich
zu erwarten.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist richtig! Sehr gut!)


Legen wir das Augenmerk auf die Biomasse. Wegen
ihrer flächendeckenden Verfügbarkeit und der Vielzahl an
Stromerzeugungsverfahren kann in Zukunft mit einem
wachsenden, ja boomenden Markt gerechnet werden. Die
Bundesrepublik Deutschland liegt hinter Schweden und
Frankreich bereits an dritter Stelle bei der Stromerzeu-
gung aus fester Biomasse.

Problematisch ist die Tatsache, dass Anlagen mit gerin-
gerer Leistung derzeit in der Regel nicht wirtschaftlich be-
trieben werden können. Die Stromgestehungskosten vari-
ieren je nach den eingesetzten Brennstoffen sehr stark. Zur
Förderung der Dezentralität ist jedoch für diese Fälle eine
Anhebung der Vergütungssätze erforderlich. Damit erge-
ben sich zugleich auch Chancen für eine zukunftsfähige

Landwirtschaft, die sich als Zulieferer und Betreiber sol-
cher Anlagen ein zweites Standbein sichern kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Bei den Klär- und Deponiegasanlagen ist das Poten-
zial bereits zu 70 Prozent erschlossen. Das EEG hat in die-
sem Bereich kaum zum Neubau von neuen, wohl aber zur
Sicherung bestehender Anlagen geführt. Vorherrschend
ist hier die Kraft-Wärme-Kopplung. Nur ein kleiner Teil
nutzt das Gas zur Stromerzeugung.

Die Ausbaupotenziale bei Grubengas, zu dem es
kaum Angaben gibt, sind regional stark begrenzt. Dies
dürfte wohl kaum eine zukunftsträchtige Branche sein.

Die geothermische Stromerzeugung in der Bundes-
republik krankt vor allem an den Bohrrisiken, die sich
erschwerend auf die Finanzierung dieses Vorhabens aus-
wirken. Es existieren derzeit lediglich einige wenige
Planungen für große Forschungs-, Entwicklungs- und
Demonstrationsvorhaben, obwohl dieser Bereich eine Zu-
kunftstechnologie mit einem enormen Potenzial darstellt.
Man sieht demnach: Jede Energieart verdient eine eigene
Betrachtung.

Wie auch in einigen anderen Bereichen kann sich der
Bund im Bereich der regenerativen Energien ein Beispiel
am Freistaat Bayern nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Beginnend mit dem bundesweit ersten Energieförde-
rungsprogramm im Jahre 1978 besetzt Bayern seither
konsequent die Vorreiterrolle. Heute liegt der Anteil er-
neuerbarer Energie am Energieverbrauch mit knapp
11 Prozent gut dreimal so hoch wie im Bundesdurch-
schnitt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Bayern vorn!)


Dies zeigt, dass die Entwicklung in Bayern über Jahr-
zehnte hinweg zu einem guten Miteinander von Ökologie
und Ökonomie geführt hat.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Lassen Sie uns also die nächsten Wochen nutzen, um

anhand der Eckpunkte zur Novelle in eine intensive Dis-
kussion einzutreten und für die Zukunft eine tragfähige
Lösung für eine nachhaltige Energieversorgung unseres
Landes zu finden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502301300

Frau Kollegin Meyer, dies war Ihre erste Rede im

Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich.

(Beifall)


Sie haben das in diesem Haus eher seltene Kunststück
fertig gebracht, Ihre Redezeit nicht auszuschöpfen. Falls
Ihnen das bei Ihren weiteren Reden auch gelingen sollte,

Doris Meyer (Tapfheim)





Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
haben Sie gute Aussichten, eines der beliebtesten Mit-
glieder im Deutschen Bundestag zu werden.


(Horst Kubatschka [SPD]: Aus Präsidiumssicht!)


– Mir fallen auf Anhieb einige Parlamentarische Ge-
schäftsführer ein, die sich an dieser Leidenschaft sofort
beteiligen würden.


(Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD] und des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


Nun erteile ich der Kollegin Michaele Hustedt, Bünd-
nis 90/Die Grünen, das Wort.


Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502301400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser EEG

ist ein grandioser Erfolg, auf den wir alle zusammen sehr
stolz sein können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Meyer, es ist auch die Voraussetzung, dass in Bayern
überhaupt investiert wird.


(Beifall des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Horst Kubatschka [SPD])


Mitten in der Krise entsteht eine wachsende Branche,
die 130 000 Arbeitsplätze geschaffen hat. In Magdeburg
zum Beispiel ist die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Be-
reich von 400 auf jetzt fast 4 000 angestiegen und damit
zum wichtigsten Arbeitgeber geworden.


(Dr. Christian Eberl [FDP]: Schauen Sie nicht auf die Börse!)


Sie wollen zwar, werden aber nicht in Niedersachsen re-
gieren. Dort ist die Windenergiebranche in bestimmten
Regionen zum größten und wichtigsten Arbeitgeber ge-
worden. Deswegen werden Sie in diesem Bereich Ihre
Meinung wohl ändern müssen.

Frau Meyer hat darauf hingewiesen, dass die Entwick-
lung der Biomasse für den Bauern als Energiewirt von
morgen eine große Chance darstellt und damit auch für
die Entwicklung strukturschwacher ländlicher Regionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hier haben wir eine Branche, die innovativ ist – wo gibt
es das sonst noch in Deutschland? –, die Spitzentechnolo-
gie produziert und die ein Schaufenster für unser Land ist.
Alle Länder der Welt sagen: In Deutschland geschieht et-
was; dort entstehen neue Technologien. Diese bedeuten
angesichts des weltweit wachsenden Energieverbrauchs
natürlich eine Riesenchance für die deutsche Exportwirt-
schaft. Sie haben auch die entwicklungspolitische Seite
sehr deutlich gemacht. Wir haben mit der Einsparung von
15 Millionen Tonnen CO2 auch einen umweltpolitischenErfolg erzielt. Ein weiterer Aspekt: Alle reden von der Ent-
wicklung des Mittelstandes. Ich kann nur sagen: Hier
wachsen kleine und mittelständische Unternehmen heran.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Erfolge müssten eigentlich alle feiern. Aber lei-
der sehen wir uns einer konzertierten Aktion von BDI und
VDW gegenüber, die eine Kampagne gestartet haben, die
deutlich machen soll, dass das EEG zu teuer sei. Fakt ist:
Die Energiekosten der deutschen Industrie liegen im Ver-
gleich mit den der Industrien in anderen Ländern der Eu-
ropäischen Union genau im Mittelfeld. Fakt ist: Sie sind
35 Prozent niedriger als in den 90er-Jahren. Fakt ist: Die
Sondervertragskunden, also die energieintensive Indus-
trie, zahlen die Umlage praktisch nicht. Der Preis bildet
sich für diese Kunden vielmehr im Wettbewerb. Hier ist
eher der nachlassende Wettbewerb das Problem. Fakt ist:
Die deutsche Volkswirtschaft hat, so der Erfahrungsbe-
richt zum EEG, 45 000 Euro pro Arbeitsplatz eingespart.
Fakt ist: Die Belastungen durch das EEG kosten die Ver-
braucher gerade einmal so viel wie drei Schachteln Ziga-
retten. Ich finde, das ist absolut vertretbar. Fakt ist: Die
Aluminiumindustrie profitiert zunehmend von der Ent-
wicklung der Windenergiebranche; denn diese lässt Alu-
minium- und nicht mehr Kupferkabel verlegen. Hier
wächst – wie in der Zementindustrie – ein Abnehmer für
die Windenergiebranche heran.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir lassen uns diese Er-
folge nicht mies machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das EEG ist nicht nur ein umweltpolitischer, sondern
auch ein wirtschaftlicher Erfolg für Arbeitsplätze und In-
novationen.

Ich freue mich sehr, dass auch die CDU/CSU sehr kons-
truktive Vorschläge in die Debatte eingebracht hat. Ich
freue mich außerdem auf die gemeinsame Diskussion
über die Fortentwicklung des EEG. Der Entwurf eines
Stromeinspeisungsgesetzes ist übrigens in der Mitte des
Parlaments, aus der Enquete-Kommission heraus, ent-
standen und ist damals von allen Parteien auf den Weg ge-
bracht worden. So viel zur Richtigstellung.

Ich freue mich darauf, dass wir gemeinsam das EEG
weiterentwickeln werden. Ich glaube, dass es für die Wind-
energiebranche außerordentlich gut ist, wenn sie weiß,
dass das ganze Haus die positive Entwicklung dieser
Branche unterstützt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502301500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rudolf Kraus,

CDU/CSU-Fraktion.


Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID1502301600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Der Bericht des TA-Projekts „Bioenergieträger und
Entwicklungsländer“ wurde 1999 auch vom AwZ angeregt.
Allerdings waren wir der Meinung, dass in diesem Bericht
die Rolle der Industrieländer in stärkerem Maße untersucht
werden sollte, insbesondere die Auswirkungen von Verbes-
serungen der Energieversorgung auf die Exportchancen un-
serer Industrie und damit auf die Arbeitsplätze.


(A)



(B)



(C)



(D)


1778


(A)



(B)



(C)



(D)






Die Bundesregierung hat auf dem UN-Gipfel in Jo-
hannesburg angekündigt, dass Deutschland in den nächs-
ten fünf Jahren jeweils 100 Millionen Euro in den Ausbau
erneuerbarer Energien in den Entwicklungsländern inves-
tieren werde. Diese Initiative ist natürlich sehr be-
grüßenswert. Aber im Hinblick auf die gigantischen Auf-
gaben, die auf uns zukommen, und die großen Chancen,
die genutzt werden sollten, wirkt sie eher bescheiden. Die
Bundesregierung wird voraussichtlich Ende dieses Jahres
zu einer internationalen Konferenz über das Thema „er-
neuerbare Energien“ nach Bonn einladen.

Zur Ausgangssituation in den Entwicklungsländern:
Der Anteil des Energieverbrauchs in den Entwicklungs-
ländern am Weltenergieverbrauch – er beträgt etwa
10 Milliarden Tonnen Rohöleinheiten – liegt bei circa
40 Prozent. Die Nutzungsformen sind zum größten Teil
allerdings sehr einfach, zum Beispiel simple Verbren-
nungsöfen. Alle Analysen sind natürlich äußerst vage.
Das war in diesem Bereich schon immer so. Die Voraus-
sagen, was den Energieverbrauch anbelangt, haben sich in
der Vergangenheit regelmäßig als falsch herausgestellt.
Ich glaube, man muss trotzdem davon ausgehen, dass sich
der Energiebedarf bis 2050, also in den nächsten Jahr-
zehnten, wenigstens verdoppelt. Manche meinen, er
werde sich vervierfachen. Wieder andere sind der Auffas-
sung: Wenn alle Möglichkeiten eines effizienteren Einsat-
zes und alle Möglichkeiten der technischen Entwicklung
genutzt werden, dann lässt sich der Zuwachs des Energie-
verbrauchs vielleicht auf 50 Prozent begrenzen.

Eines ist aber sicher: Der Verbrauch in den Entwick-
lungsländern wird wesentlich stärker als in den Industrie-
ländern zunehmen. Des Weiteren ist sicher, dass sich die
ärmsten Länder die teuerste Energie leisten müssen. Im
Energiemix nimmt der Anteil erneuerbarer Energien ge-
genwärtig eher ab. Das wird auch in der Zukunft der Fall
sein, wenn nicht mehr getan wird.

In den Modellrechnungen spielen Geothermie, Wind-
und Solarenergie in den Entwicklungsländern heute im
Grunde noch keine große Rolle. Die Wasserkraft ist noch
relativ unbedeutend. Jedes Modell der zukünftigen Nut-
zung der Energieträger Wasser, Wind und Geothermie be-
inhaltet einen Wert unter der 10-Prozent-Grenze. Was die
Solarenergie angeht, sind die Aussagen noch wesentlich
ungenauer.

Noch ist Biomasse – darunter versteht man biogene
Festbrennstoffe – in den Entwicklungsländern der bei
weitem wichtigste Energieträger und sie wird es vermut-
lich auch bleiben. Der Biomasseanteil am Energieträger-
mix ist in den einzelnen Weltregionen recht unterschied-
lich: In Lateinamerika ist er dreimal und in Afrika
zweimal so hoch wie in Asien; südlich der Sahara beträgt
der Anteil der Biomasse sogar zwischen 70 Prozent und
90 Prozent.

Eine schlechte Energieversorgung ist zugleich Ursache
und Auswirkung von Armut.Die Verbesserung der Ener-
gieversorgung ist also eine der ganz wichtigen Vorausset-
zungen für ihre Überwindung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor allem aufgrund des Zuwachses der Bevölkerung in
den Entwicklungsländern wird – ich glaube, das ist ziem-

lich klar – die Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehn-
ten anwachsen. Die Konsequenz daraus ist eine Tendenz
zur weiteren Verarmung, wenn die Energieversorgung
nicht verbessert wird. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir
in diesem Bereich mehr tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)

2 Milliarden Menschen haben heute noch keinen Zu-

gang zu modernen Energieträgern. 2 Milliarden Men-
schen nutzen ausschließlich Biomasse zum Kochen. Da-
bei wird das Potenzial für erneuerbare Energien bei
weitem nicht ausgenutzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Energieeffizienz kann um ein Vielfaches gesteigert
werden. Der Energiesektor in den Entwicklungsländern
steht vor gewaltigen Veränderungen. Darin besteht zu-
gleich die Chance, neue, verbesserte, moderne Technolo-
gien zum Einsatz zu bringen. Die technische Entwicklung
geht weiter, hoffentlich zum Segen der Menschheit. Die
technische Entwicklung hat zum Beispiel dazu geführt,
dass heute kleine dezentrale Kraftwerke immer wettbe-
werbsfähiger werden. Auch deshalb gibt es gute Chancen
für kleinere, eventuell sogar unabhängige Energieversor-
gungssysteme, die direkt für den lokalen Markt produzie-
ren.

Wichtig ist auch, dass die Effizienz des Energiever-
brauchs im Haushalt deutlich verbessert wird. Man
schätzt, dass allein dadurch die Effizienz der Energiever-
wertung in Indien um das Zwei- bis Dreifache verbessert
werden könnte.

Der vorliegende Bericht beschreibt als weitere Mög-
lichkeiten die Verbesserung des Anbaus von Ölpflanzen.
Die Rede ist von einer Steigerung des Ertrags bis auf das
Doppelte. Darüber hinaus würden mit der Nutzung von
Biogas große Chancen eröffnet. Im Bericht wird als Bei-
spiel genannt, dass in China praktisch die ganze Landbe-
völkerung mit Haushaltsenergie versorgt werden könnte,
wenn man das dortige Potenzial nicht nur zu 2,5 Prozent
nutzen würde.

Neben der Einführung und Nutzung der Möglichkei-
ten, die sich aus dem Clean Development Mechanism
ergeben, ist es natürlich besonders wichtig, dass die För-
dermaßnahmen im Bioenergiebereich deutlich ausge-
weitet werden. Ich möchte dazu nur kurz einige Beispiele
bringen: Herdverbesserungsprogramme, gewerbliche Nut-
zung der Biomasse, Verbesserung des Wirkungsgrades
von Verbrennungsanlagen, Anlage von Energiepflanzen-
plantagen – nicht, um damit die Nahrungsmittelversor-
gung, Frau Hartnagel, zu verschlechtern.


(Anke Hartnagel [SPD]: Da muss man aber aufpassen!)


Es werden ja eine ganze Menge von landwirtschaftlichen
Produkten erzeugt, die auf dem Weltmarkt miserable
Preise erreichen. Da stellt sich schon die Frage, ob es nicht
besser wäre, dass die Wertschöpfung im Land auf diese
Weise stattfindet. Damit würden auch andere Vorteile wie
beispielsweise die Verbesserung der Devisensituation
einhergehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Rudolf Kraus




Rudolf Kraus

Abschließend noch zwei Sätze: Mir erscheint es ganz
wichtig, dass wir auf politischer Ebene gemeinsam die
Vorteile herausstellen, die in diesen Aktivitäten für die
Entwicklungsländer und für uns Industrieländer selbst lie-
gen. Durch Export von technischen Anlagen und Wis-
senstransfer kann nämlich der Wohlstand in unseren Part-
nerländern und damit deren Kaufkraft verbessert werden,
was wiederum für unsere Exportindustrie gut ist. Wich-
tig ist auch die damit verbundene Erwartung, dass der Im-
migrationsdruck auf die Industrieländer dann entschei-
dend abnimmt, wenn uns die Bekämpfung der Armut in
diesen Ländern gelingt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Aus-
schuss wird sich dieses Themas besonders annehmen. Wir
haben vor, noch vor der Sommerpause eine entsprechende
Anhörung durchzuführen. Die im Ausschuss vertretenen
Parteien stimmen ja darin überein, dass das einer der
Schwerpunkte unserer Arbeit sein muss; denn die Förde-
rung nachwachsender Rohstoffe hat eine große Bedeutung
für den Aufgabenbereich, für den wir sprechen dürfen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502301700

Nun hat das Wort der Kollege Rolf Hempelmann für

die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)



Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1502301800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Es ist ja schön, einmal eine Debatte zu erleben, wo alle der
Meinung sind, wir redeten über eine Erfolgsstory. Der
beste Beweis, dass dem so ist, ist ja darin zu sehen, dass
es unglaublich viele Väter dieses Erfolges gibt, denn jeder
hat einen Anteil daran für sich in Anspruch genommen.
Ich würde mir wünschen, dass bei manch anderer Debatte,
etwa über Arbeitslosigkeit oder Staatsverschuldung, die
Vaterschaft auch entsprechend anerkannt würde. Nun gut,
damit muss man leben. Nicht jedes Kind ist geliebt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Nein, Herr Kollege Hempelmann, die Ergebnisse sind da nicht so! Bei Minijobs müsst ihr das zugestehen! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das geschieht am Sonntag!)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Ausbau der er-
neuerbaren Energien – da sind wir uns also einig – ist ein
wichtiges Element in der Energiepolitik der Bundesregie-
rung. Sie strebt an, den Anteil der erneuerbaren Energien
bis zum Jahre 2010 zu verdoppeln.


(Dr. Christian Eberl [FDP]: Sind weniger als bei uns!)


Insofern können wir Sie, liebe Kollegen von der CDU/
CSU-Fraktion, beruhigen: Das sind immer noch nicht

100 Prozent, wir werden also nach wie vor einen Ener-
giemix haben, allerdings mit einem deutlich abnehmen-
den Anteil der Kernenergie. Ich denke, das ist im Sinne
unserer eigenen Sicherheit so auch sinnvoll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Erneuerbare Energien müssen natürlich mittel- und

langfristig beim Wettbewerb im europäischen Binnen-
markt bestehen können.


(Dr. Christian Eberl [FDP]: Sehr richtig!)

Nur dann können sie auf Dauer eine tragende Rolle im eu-
ropäischen Energiemarkt spielen. Gerade deshalb hat die
Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmebündel ge-
schnürt: um eine solche Entwicklung zu forcieren. Das
Kernstück dieses Maßnahmebündels ist in der Tat das
EEG. Hiermit wird Stromerzeugung aus regenerativen
Energien gezielt gefördert. Es gibt Investoren Planungssi-
cherheit für einen angemessenen Zeitraum. Es ermöglicht
weiteren technischen und wirtschaftlichen Fortschritt und
sorgt dafür, dass bei den erneuerbaren Energien die Kos-
ten weiter sinken.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die regel-
mäßige Überprüfung der EEG-Förderung festgelegt. Des-
wegen liegt uns der Bericht, über den wir heute sprechen,
vor. Der Bericht zeigt – das haben alle bestätigt – den Er-
folg dieses Gesetzes. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist
deutlich beschleunigt worden. Im letzten Jahr beispiels-
weise ist der Anteil der regenerativen Energien an der
Stromerzeugung von 6 auf 8 Prozent gesteigert worden.

Meine Damen und Herren, der Bericht zeigt auch, dass
die Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien, ins-
besondere bei der Windenergie, deutliche technische und
wirtschaftliche Fortschritte gemacht haben. Gerade das
macht es uns möglich, jetzt die Fördersätze teilweise zu
senken. Der Vorwurf der Überförderung trifft uns nicht, er
belegt den Erfolg des Gesetzes; denn es ist es tatsächlich
so, dass durch gesunkene Kosten und günstigere Strom-
gestehungskosten diese Überförderung überhaupt erreicht
worden ist. Deswegen können und wollen wir jetzt an ei-
nigen Stellen korrigierend eingreifen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt natürlich auch Bereiche – verschiedene Redner
haben darauf hingewiesen –, in denen wir die Kosten nicht
senken konnten. Es war insbesondere deswegen nicht
möglich, weil andere Instrumente – bei der Photovoltaik
etwa das 100000-Dächer-Programm – auslaufen.

Die Systemkosten sind ebenso wie die Stromgeste-
hungskosten gesunken, sodass prinzipiell auch hier ähnli-
che Erfolge zu verzeichnen sind. Dennoch werden wir,
weil das Bündel von Maßnahmen um einen Aspekt ärmer
wird, an dieser Stelle die Fördersätze im Gesetz anheben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine ganze Reihe
von Aspekten wäre noch zu nennen. Einige haben den Be-
reich von Biogas und Biomasse genannt. Ich denke, wir
werden auch hier im EEG dafür sorgen, dass der Landwirt
zum Energiewirt werden kann.


(Beifall bei der SPD)



(A)



(B)



(C)



(D)


1780


(A)



(B)



(C)



(D)






Wir werden auch andere Instrumente überprüfen, die flan-
kierend mitwirken können.

Insgesamt lässt sich sagen, dass wir dem Ziel der Ver-
doppelung des Marktanteils der erneuerbaren Energien ei-
nen Schritt näher gekommen sind. Wir werden natürlich
darauf achten, dass die vielen positiven Wirkungen des
Gesetzes genutzt werden – bei Medikamenten muss man
das ähnlich machen –, während mögliche negative Ent-
wicklungen vermieden werden.

Gerade wurde die Wirkung auf besonders energie-
intensive Unternehmen erwähnt. Ich denke, dass wir in
der Koalition und auch zwischen den Ministerien Ge-
spräche führen werden. Ich bin ganz sicher, dass wir auch
hierfür eine Lösung finden und dafür sorgen werden, dass
ein solches Gesetz im originären Bereich der erneuerba-
ren Energien Arbeitsplätze schafft, aber selbstverständ-
lich keine Arbeitsplätze in anderen Industrien gefährdet.

Auch im Export verzeichnen wir mit diesem Instru-
ment große Erfolge. Das, was Herr Kraus aus Bayern ge-
rade gesagt hat, stimmt: Gerade arme Länder brauchen
Energie, um ihre Armut zu überwinden. Wir haben das
auch in den ersten Jahren unserer Republik bewiesen, als
wir die Kohle nach Bayern gebracht haben.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Genauso werden wir erneuerbare Energien in die Ent-
wicklungsländer bringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502301900

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Axel

Fischer, CDU/CSU-Fraktion.

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach

all den positiven Ausführungen zum EEG frage ich mich,
ob wir alle denselben Bericht gelesen haben. Auf die Nut-
zung von Biomasse, Klär-, Deponie- und Grubengas zur
Energieerzeugung hat das EEG nach Angaben der Bundes-
regierung kaum Auswirkungen gehabt. Bei der Wasser-
kraft, die den wesentlichen Anteil von Strom aus erneuer-
baren Energien bereitstellt, hat das EEG ohnehin keine
Änderungen der Einspeisevergütung mit sich gebracht.

Im Bereich der Geothermie ist bis heute keine einzige
Anlage ans Netz gegangen. Demonstrationsvorhaben sind
das Einzige, was es bislang gibt. Insofern hat das EEG
– das muss man klar sagen – außer beim weiteren Ausbau
der Photovoltaik nur noch beim Aufbau von Windkraft-
anlagen eine nennenswerte Wirkung entfaltet.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Paziorek [CDU/ CSU]: Jawohl, das stimmt!)


Die Bundesregierung schreibt zwar in ihrem Bericht,
dass derzeit 4 700 Arbeitsplätze direkt im Bereich der

Windbranche bestehen; sie verschweigt jedoch, dass jeder
dieser Arbeitsplätze im Jahr 2001 mit über 200 000 Euro
über das EEG vom Stromkunden subventioniert wurde.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja Wahnsinn!)


Kosten, die durch die Einspeisung von Strom aus Wind-
und Solaranlagen in das bestehende Stromverteilungssys-
tem entstehen, werden zum Beispiel ausgeblendet. Wahr-
scheinlich ist der Bericht mit seinen 20 Seiten und den
vielen großen Bildern deshalb so kurz geraten. Es scheint
mir, dass Sie, Herr Minister, Wahrnehmungsprobleme in
Bezug auf die tatsächlichen Kosten der Produktion von
Strom aus Windkraft haben. Dies ist angesichts Hunder-
ter Bürgerinitiativen im Land und vor dem Hintergrund,
dass selbst die grüne Parteibasis inzwischen Beschlüsse
gegen die Aufstellung von Windkraftanlagen fasst, ein
drängendes Problem.

Indirekte Kosten entstehen durch Schattenwurf, Lärm-
emissionen, durch die Tötung Tausender Vögel durch Ro-
toren


(Lachen bei der SPD – Horst Kubatschka [SPD]: Sie Witzbold!)


und durch die Zerstörung des vertrauten Landschaftsbil-
des in unserer Heimat.


(Zuruf von der SPD: Quatsch! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Der spricht hier nicht für unsere Fraktion! Für das Protokoll: Das ist nicht die Fraktionsmeinung!)


Natur und Gesundheit von Mensch und Tier werden durch
den Betrieb von Windkraftanlagen erheblich gefährdet.
Deshalb schwindet auch in der Bevölkerung die Akzep-
tanz für die Windkraft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hinzu kommen die messbaren Kosten, die dadurch

entstehen, dass Windstrom nicht ständig und vorher-
sehbar zur Verfügung steht. Gerade deshalb müssen
herkömmliche Großkraftwerke zur Absicherung als „Not-
stromaggregat“ ständig im Leerlauf bzw. im Teillastbe-
trieb betrieben werden.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist nicht die Fraktionsmeinung!)


Weitere Kosten entstehen durch den stark erhöhten Rege-
lungsbedarf in den vorhandenen Stromnetzen. Mit insge-
samt 2,4Cent pro Kilowattstunde hat ein durchschnittlicher
Familienhaushalt im Jahr 2001 für diese Rohstoffver-
schwendung 100 Euro bezahlt.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist eine unsinnige Rechnung! Das ist nicht Fraktionsmeinung bei uns! Der redet nur für sich!)


Rechnet man hier noch die Kosten der Einspeisevergü-
tung und die erheblichen Steuerausfälle durch Verlustzu-
weisungen aus dem Betrieb von Windkraftanlagen sowie
andere Fördermaßnahmen hinzu, dann kommt man zu
dem Ergebnis,


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist eine Einzelmeinung! Axel, bremse dich!)


Rolf Hempelmann




Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)

dass die Windenergienutzung jeden Haushalt in Deutsch-
land im Jahr 2001 mehr als 150 Euro gekostet hat.


(Lachen bei der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist Unsinn! Rechne doch mal nach!)


Mit dem weiteren Ausbau der Windenergie liegen diese
Kosten bereits heute deutlich höher.

Insgesamt hat sich das EEG mit seiner einseitigen Be-
günstigung von Wind- und Sonnenenergie und seiner
hauptsächlichen Wirkung als Gesetz entpuppt, das extrem
hohe Kosten und wenig Nutzen mit sich bringt, aber
großen Nutzen für wenige garantiert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es erzeugt vor allem einen Geldstrom, der aus dem Geld-
beutel der Bürger über die Stromrechnung in die Taschen
von industriellen Windkraftanlagenbetreibern und -her-
stellern fließt.

Gerade vor diesem Hintergrund, Herr Minister, be-
dauere ich es, dass Sie in Ihrem Bericht nicht auf die Kos-
ten eingegangen sind und dass Sie der Auskunftspflicht
gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht ge-
recht wurden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Eine der unsinnigsten Reden, die ich bisher gehört habe!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502302000

Herr Kollege Fischer, sind Sie geneigt, nach dem Ab-

lauf Ihrer Redezeit noch eine Zusatzfrage zu beantwor-
ten?


(Zurufe von der SPD: Nein!)

Das ist nicht der Fall.

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 14/9807 und 14/9953 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ha-
ben wir die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b
und den Zusatzpunkt 5 auf:
10. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto
Solms, Jürgen Koppelin, Rainer Brüderle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer
– Drucksachen 15/123, 15/269 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Stefan Müller (Erlangen)

Kerstin Andreae

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann

Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig
Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Weniger Staat – weniger Steuern
– Drucksachen 15/122, 15/271 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Rzepka
Dr. Hermann Otto Solms

ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Eine Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen
– Drucksache 15/387 –

Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag mit dem
Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ werden wir
später namentlich abstimmen.

Nach der interfraktionellen Vereinbarung sind für diese
Aussprache 90 Minuten vorgesehen, wobei die FDP als
eine der beiden Antragstellerinnen 15 Minuten erhalten
soll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch; dann können
wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem dem
Kollegen Joachim Poß für die SPD-Fraktion das Wort.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1502302100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag

der FDP, die Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode
nicht zu erhöhen, hat keinerlei Grundlage. Deshalb lehnen
wir ihn ab.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ach!)

Die Bundesregierung hat bereits mehrmals deutlich ge-
macht, dass sie keine Anhebung der Mehrwertsteuer
plant. Dasselbe gilt für die Koalitionsfraktionen.

Eine Mehrwertsteuererhöhung ist nicht erforderlich.
Das wird auch in dem Antrag der Koalitionsfraktionen
deutlich. Ich lege Wert darauf, festzustellen, dass die Dis-
kussion um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht von
der Koalition ausgegangen ist. Es sind vielmehr Politiker
der Opposition, insbesondere Herr Westerwelle, dieser
Spaßvogel, die seit einiger Zeit ständig behaupten, die
Koalition wolle spätestens nach dem 2. Februar die Mehr-
wertsteuer erhöhen. Nur Politiker der Opposition geben
Anlass, über eine Mehrwertsteuererhöhung zu diskutie-
ren, meine Damen und Herren; niemand aus der Koalition
will diese Diskussion.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Erst am Montag hat der sachsen-anhaltinische Minis-
terpräsident Böhmer gesagt, man könne über eine Anhe-
bung der Mehrwertsteuer ernsthaft reden.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Fragen Sie mal die Frau Scheel!)


Heute tritt Herr Müller, der saarländische Ministerpräsi-
dent, hinzu und spricht sich für eine höhere Mehrwert-
steuer aus.


(A)



(B)



(C)



(D)


1782


(A)



(B)



(C)



(D)






Insofern passt diese Debatte sehr gut; denn so wird den
Menschen noch vor den Landtagswahlen am kommen-
den Sonntag von der Führung der Union klar gemacht,
wie die Union in dieser Frage steht. Frau Merkel hat of-
fensichtlich Führungsprobleme.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen ist sie auch nicht da!)


Deswegen wäre es erfreulich, wenn heute Morgen hier
klargestellt wird, ob die CDU/CSU eine Mehrwertsteuer-
erhöhung anstrebt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502302200

Herr Kollege Poß, würden Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Koppelin gestatten?


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1502302300

Ja, gerne.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1502302400

Herr Kollege, neben der Bemerkung, dass Sie unter-

schlagen haben, dass es auch von den Gewerkschaften die
Forderung nach einer Mehrwertsteuererhöhung gibt, darf
ich Sie fragen: Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind
und auch Sie keine Mehrwertsteuererhöhung wollen,
dann brauchen Sie auch gar nicht lange darüber zu reden,
sondern nur dem FDP-Antrag zuzustimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Wo war denn da die Frage?)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1502302500

Herr Koppelin, wenn Sie den Antrag der Koalitions-

fraktionen lesen und Ihren damit vergleichen, dann
müsste Ihnen der himmelweite Unterschied in Qualität
und Sachkunde sehr deutlich werden.


(Beifall bei allen Fraktionen – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Darauf komme ich gleich zurück!)


Deshalb versteht sich von selbst, dass wir unserem Antrag
zustimmen,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Heißt der „Hintertürchen“?)


mit dem wir begründen, warum eine Mehrwertsteuerer-
höhung nicht erforderlich ist, und nicht Ihrem unausge-
gorenen steuerpolitischen Kauderwelsch.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oh!)

In diesem Zusammenhang ist auch erhellend, mit wel-

cher Begründung Herr Böhmer die Mehrwertsteuer er-
höhen würde. Er sagt, wir müssten zeitgleich die Beiträge
für die Sozialversicherungskassen senken. Sonst sagen
Sie doch immer an unsere Adresse: Ökosteuer, tanken für
die Rente. Aber es gibt kaum einen Unterschied, ob man
zur Stabilisierung von Sozialbeiträgen die Mehrwert-

steuer erhöht oder andere Verbrauchsteuern. Sowohl
Ökosteuer als auch Mehrwertsteuer sind indirekte
Steuern.

An diesem Beispiel wird sehr deutlich, wie unqualifi-
ziert und unredlich die Steuerpolitik der Opposition, in-
klusive des heute zu debattierenden FDP-Antrages, ist.

Dafür gibt es auch noch viele andere Beispiele. Ihnen
fehlt jede fachliche Fundierung in der Steuerpolitik.


(Zurufe von der FDP: Oh!)

Erstes Beispiel: Körperschaftsteuer. Da sagt Herr

Meister, der finanzpolitische Sprecher der Union, die
Union würde den Plan der Koalition nicht mittragen, eine
Mindestgewinnbesteuerung für Großunternehmen einzu-
führen. Dabei war es doch die Union, die der Koalition
noch vor der Bundestagswahl vorgeworfen hat, und zwar
wahrheitswidrig, eine Politik zugunsten der Großkon-
zerne zu machen. Wir haben doch alle noch Herrn Stoiber
vor Augen, wie er mit fast bibbernder Stimme gesagt hat:
Diese Politik, die soziale Schieflage zulasten der kleinen
Leute werden wir korrigieren, wenn ich gewinne. – Was
ist denn mit Ihren Worten vor der Wahl, Herr Meister?
Jetzt kommt die Doppelzüngigkeit heraus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben kalte Füße bekommen. Die Interessenvertre-
tung der Großkonzerne bringt Sie jetzt offenbar dazu, zu
sagen, dass für Sie das, was Herr Stoiber vor der Wahl ge-
sagt hat, nicht mehr infrage kommt und jetzt gänzlich ir-
relevant ist.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahllüge!)


– Ja, das ist alles für den Lügenausschuss.
Wollen Sie das Aufkommen aus der Körperschaft-

steuer zugunsten von Bund und Ländern verstetigen oder
wollen Sie das nicht?

Herr Jacoby, der Finanzminister des Saarlands, hat die
entsprechenden Einnahmen, die sich durch die Umset-
zung des Gesetzes für mehr Steuergerechtigkeit und zum
Abbau von Steuersubventionen ergeben, schon in seine
Haushaltsplanung 2003 eingestellt. Herr Koch toppt das
sogar noch. Öffentlich spricht er davon, diese Steuerpläne
zu blockieren. Aber in seine Haushaltsplanung für 2003
hat er nicht nur die Einnahmen aus der vollständigen Um-
setzung dieses Gesetzes unterstellt. Er geht sogar noch da-
rüber hinaus: Bei vollständiger Umsetzung betragen die
Einnahmen für Hessen 122 Millionen Euro. Er hat aber
140 Millionen Euro veranschlagt. Tarnen und Täuschen
ist die Politik, die Sie hier betreiben. Herr Koch ist ein Pa-
radebeispiel an dieser Stelle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


BeispielGewerbesteuer. Sie klagten uns noch vorges-
tern an, wir hätten die schlechte Finanzlage der Kommu-
nen zu verantworten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)


Joachim Poß




Joachim Poß
Dabei war es gerade die heutige Opposition, die in der
Kohl-Ära die Gewerbesteuer systematisch ausgehöhlt
hat. Die Folgen sieht man heute.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Ihr habt doch mitgestimmt!)


Wir haben im Vermittlungsausschuss Ende 2001 das
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz zur Fortent-
wicklung der Unternehmensteuerreform debattiert. Wir
haben gegen den Widerstand von CDU/CSU und FDP
Maßnahmen durchgesetzt, mit denen die Einnahmen bei
der Gewerbesteuer verstetigt wurden. Auch das ist ein Be-
leg dafür, wie doppelzüngig Sie agieren. Draußen in den
Kommunen greifen Sie uns an und tragen zur Verunsi-
cherung bei. Aber wenn es bei der Abstimmung darauf an-
kommt, dann verhalten Sie sich anders. Auch wenn die
Union im Moment günstige Umfragewerte hat, muss ich
Ihnen sagen, dass das auf Dauer nicht gut geht. Sie sind in
keiner Frage inhaltlich aufgestellt. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weil das so ist, wird es zum Test kommen, was die Ge-
meindefinanzen angeht. Die eingesetzte Kommission tagt
und wird ihre Arbeit bis zum Sommer abschließen. Dann
werden sich CDU/CSU und FDP entscheiden müssen, ob
sie den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände,
also auch Ihrer Kommunalpolitiker, oder ob sie den Wirt-
schaftsinteressen folgen. Auf diesen Test sind wir sehr ge-
spannt. Wir werden diesen Sommer erleben, an welcher
Seite Sie stehen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben die erste grundlegende Reform der Ge-
meindefinanzen vor, mit der strukturelle Korrekturen der
Einnahme- und Ausgabenseite der Haushalte von Städten
und Gemeinden vorgenommen werden sollen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Reden Sie doch mal zum Thema!)


– Das gehört zum Thema.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Mehrwertsteuer!)


– Zum Thema Mehrwertsteuer habe ich das Nötige schon
gesagt, Herr Thiele. Ich rede darüber, was Sie steuerpoli-
tisch zu bieten haben, nämlich nur Täuschungen und
falsche Versprechen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Begründen Sie doch mal Ihren Antrag!)


Wir planen darüber hinaus, im Rahmen des laufenden
Verfahrens die Gewerbesteueroase Norderfriedrichs-
koog zu schließen; denn diese Steueroase hinterm Deich
ist wirklich ein kommunaler Akt der Unsolidarität.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Stimmt doch nicht!)

Aber wie reagiert die Union darauf? – Sie sagt durch ihren
Herrn Meister, sie sei gegen den jetzt von der Koalition für
solche Steueroasen vorgesehenen Mindesthebesatz bei der
Gewerbesteuer; denn die Ausnutzung solcher Steueroasen

durch die Unternehmen sei legitim. Die FDP erklärt, dass
durch diesen Vorschlag der Koalition der Standortwettbe-
werb zwischen den Kommunen gebremst werde.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Richtig!)

Soll diese Erklärung der FDP ein Gag sein oder ist sie
wirklich ernst gemeint?


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider meinen die das ernst!)


Die Kritik von Union und FDP an unserem Vorschlag,
einen Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer einzu-
führen, ist kommunalfeindlich und auch ein Schlag ins
Gesicht derjenigen Steuerzahler, die mit ihrem Steuergeld
die kommunale Infrastruktur auch für diejenigen Unter-
nehmen bereitstellen, die in Norderfriedrichskoog nur
ihre Schreibtische aufstellen.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Reden Sie doch mal zu Ihrem Antrag! – Jürgen Koppelin [FDP]: Das ist mein Wahlkreis!)


Wer wie die FDP von förderlichem Wettbewerb zwischen
den Kommunen spricht, der hat wieder einmal alle ver-
nünftigen und gerechten Maßstäbe verloren.


(Beifall bei der SPD)

Die Unternehmen, die sich in Norderfriedrichskoog in

ehemaligen Scheunen eingemietet haben – übrigens alles
erste Adressen der deutschen Industrie und der deutschen
Wirtschaft –


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das ist mein Wahlkreis!)


und die den Dorfbewohnern inklusive Bürgermeister
fürstliche Mieten zahlen, verweigern sich bei der Mitfi-
nanzierung öffentlicher Aufgaben. Das ist unanständig.


(Beifall bei der SPD)

Diese Unternehmen haben es nicht verdient, dass die Op-
position sie dafür noch lobt. Dieses Lob stinkt.

Im Übrigen ist festzustellen: Immer wenn es darum
geht, solche Manipulationen zu bekämpfen, immer wenn
es darum geht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, sind
Sie auf der Seite der Steuerhinterzieher und sind Sie In-
teressenvertreter der Steuerhinterzieher. Das muss einmal
ganz deutlich herausgestellt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein weiteres Beispiel ist die Einkommensteuer. In
ihrem Antrag „Weniger Staat – weniger Steuern“ fordert
die FDP wieder einmal eine Senkung der Lohn- und Ein-
kommensteuer.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Klar! Das wollt ihr doch auch!)


Deutschland hat aber faktisch die niedrigste Steuerquote
in Europa. – Wir haben Steuersenkungen schon beschlos-
sen, Herr Solms.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Deshalb sind Ihnen die Bürger ja auch so dankbar!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1784


(A)



(B)



(C)



(D)






Seit langem haben Unternehmen und Bürger Planungs-
sicherheit, dass die Einkommensteuer nach 1999, 2000
und 2001 auch 2004 und 2005 mit einem Volumen von
knapp 30 Milliarden Euro weiter gesenkt wird. Das steht
bereits im Gesetzblatt. Wir haben das gegen Ihre Stimmen
ins Gesetzblatt gebracht, meine Damen und Herren.

Es ist daher nicht zutreffend, dass die Steuern in
Deutschland sowohl für Private als auch für Unternehmer
zu hoch sind.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP hat Steuersenkungen abgelehnt! – Gegenruf des Abg. Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wir haben euch im Vermittlungsausschuss doch geholfen!)


Die Steuersenkungsforderungen der FDP und ähnliche
Forderungen aus dem Wahlprogramm der Union, das im-
mer noch gilt, mögen zwar populär sein, seriös sind sie
aber nicht. Sie sind in der Sache nicht gerechtfertigt und
wären derzeit weder für Bund und Länder – das gilt auch
für die CDU-geführten Länder – noch für die Gemeinden
finanzierbar. Es passt auch nicht zusammen, wenn Sie ei-
nerseits immer beklagen, dass die Einnahmen von Kom-
munen und Ländern zurückgehen, sodass diese nicht
mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, und an-
dererseits weitere Steuersenkungen fordern. Daran zeigt
sich, dass Ihnen jede Seriosität in der Steuerpolitik fehlt.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Und Ihnen fehlt jede Ahnung!)


Sie begründen Ihren heutigen Antrag damit, dass nach
Ihrer Auffassung bereits die Diskussion um eine mögliche
Anhebung der Mehrwertsteuer eine Belastung des wirt-
schaftlichen Klimas bedeutet. Sie haben zwar Recht, aber
diese Begründung ist der Gipfel der Scheinheiligkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Belastung des wirtschaftlichen Klimas führen Sie mit
Debatten wie dieser, die Sie mit einem solchen Antrag
einleiten, erst herbei, und zwar absichtlich.

Sie sind schöne Patrioten, meine Damen und Herren!
Schwarzmalen und Schlechtreden – das ist Ihr Marken-
zeichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie sind eine Witzfigur, Herr Poß!)


Sie stellen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung
in der Bundesrepublik dar, wie es ansonsten nur durch die
Sicherheitslage in der Welt gegeben ist.

Zweck des Antrags ist zu verunsichern, mit dem einzi-
gen Ziel, Vertrauen zu zerstören und der Koalition zu
schaden. Sie schaden damit aber der Wirtschaft und den
Bürgerinnen und Bürgern. Denn das Spielchen, das Sie
betreiben, wird sicherlich nicht mehr lange so unerkannt
bleiben, wie es derzeit noch der Fall ist.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Am Sonntag gibt es die Ablösung!)


Die Menschen werden bemerken, dass Sie zwar über al-
lerlei Fähigkeiten verfügen, dass Ihnen aber eine Fähig-

keit fehlt, meine Damen und Herren von der Opposition,
nämlich die, ein einigermaßen konsistentes finanzpoliti-
sches Konzept zu entwickeln. Wir warten auf Ihre kon-
kreten Alternativen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502302600

Ich erteile nun dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms,

FDP-Fraktion, das Wort.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1502302700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Ich weiß nicht genau, worüber Herr Poß heute reden
wollte. Er hat jedenfalls nicht über den vorliegenden An-
trag und die Frage der Mehrwertsteuer gesprochen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

Dabei ist es doch ganz einfach, wenn wir uns an die Fak-
ten halten. Folgendes sind die Fakten:


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass am Sonntag Wahl ist! Das wissen wir alle!)


Wir wussten, dass die schwierige Finanzlage der öffent-
lichen Hände zu einer Mehrwertsteuerdiskussion führen
würde.


(Horst Kubatschka [SPD]: Wegen der Landtagswahl!)


– Es war nicht wegen der Landtagswahl. – Deswegen ha-
ben wir bereits am 2. Dezember vergangenen Jahres einen
Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem gefordert
wurde, die Mehrwertsteuer in der gesamten laufenden
Legislaturperiode nicht anzuheben. Dieser Antrag ist im
Finanzausschuss des Deutschen Bundestags wie auch in
einer Reihe anderer Ausschüsse ausführlich beraten wor-
den. In allen Ausschüssen – im Ausschuss für Wirtschaft
und Arbeit, im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, im Ausschuss für Tourismus, im
Haushaltsausschuss und im federführenden Finanzaus-
schuss – haben die FDP als Antragsteller und die CDU/
CSU-Fraktion dem Antrag zugestimmt;


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

die rot-grünen Mehrheitsfraktionen haben ihn abgelehnt.
Das zur Klarstellung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt ja keinen Antrag auf Mehrwertsteuererhöhung! Das ist doch Quatsch!)


– Frau Scheel – Sie werden nachher sprechen –, Sie haben
den Bericht des Finanzausschusses unterzeichnet. Weil
das dokumentiert ist, müssen Sie sich auch dazu beken-
nen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich bekenne ich mich dazu! Aber so einen Quatsch muss man ja nicht unterstützen, oder?)


Joachim Poß




Dr. Hermann Otto Solms
– Entschuldigung, wir reden über ein ernsthaftes Thema.
Die Bürger interessieren sich sehr dafür, ob sie zusätzlich
belastet werden sollen oder nicht. Von „Quatsch“ kann da-
bei keine Rede sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich verbitte mir solch einen Umgang mit den Problemen
der Bürger, die ihnen nun wirklich auf den Nägeln brennen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schmeißen doch nur mit Nebelkerzen herum!)


Im Januar ist in der Diskussion über die Mehrwert-
steuer eine Kakophonie entstanden. Ich erinnere bei-
spielsweise an die Äußerung von Rezzo Schlauch – Sie
glauben ja, Sie hätten nichts damit zu tun –


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen genau, dass die dementiert wurde!)


oder an die des DGB-Vorsitzenden Sommer und des
Herrn Zwickel, aber auch an die von Herrn Böhmer.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Frau Petra Roth!)


Ich weiß natürlich, dass die Länder Probleme mit den
Finanzen haben. Deswegen war es gut, dass wir einen sol-
chen Antrag gestellt haben.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Petra Roth!)


Wegen der Landtagswahl haben Sie das Problem so
gelöst, dass Sie gestern, einen Tag vor der Abstimmung,
die Notbremse gezogen und einen eigenen Antrag – aber
einen recht dürftigen –


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

eingebracht haben, um sich der Verantwortung zu entziehen.

Auf die ersten drei Punkte Ihres Antrages möchte ich
nicht eingehen; das ist das allgemeine politische Blabla.
Aber auf den vierten Punkt Ihres Antrages möchte ich zu
sprechen kommen. Da schreiben Sie nämlich:

Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer

– was immer das sein soll –

(Heiterkeit bei der FDP)


ab.
Jetzt kommt die Begründung:

Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.

Ist sie denn, wenn das Wachstum um ein halbes Prozent
anzieht, wieder gut?


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wer sagt das?)


– Das steht doch hier.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das steht dort nicht! Das ist Ihre falsche Interpretation!)


Eine Mehrwertsteuererhöhung ist, losgelöst von der
konjunkturellen Lage, schädlich, weil sie die wirtschaftli-
che Belastung der Arbeitnehmer, der privaten Haushalte
insgesamt so anspannen würde, dass sie ihre Ausgaben für
den Konsum nicht mehr finanzieren könnten. Das ist der
Grund dafür, warum wir gegen eine Mehrwertsteuerer-
höhung sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Wer hat denn das letzte Mal die Mehrwertsteuer erhöht, Herr Kollege?)


– Der entscheidende Grund dafür ist, Herr Tauss, dass da-
hinter grundsätzliche makroökonomische, strukturpoliti-
sche Überlegungen stehen.

Jetzt nenne ich aus gemachten Erfahrungen selbstkri-
tisch zwei Beispiele.


(Jörg Tauss [SPD]: Ah ja! Ihre Mehrwertsteuererhöhung!)


– Hören Sie doch erst einmal zu! – 1997 hat die alte Ko-
alition eine Steuer- und eineRentenreform auf den Weg
gebracht. Beide waren übrigens materiell-inhaltlich we-
sentlich besser als das, was Sie danach geleistet haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


Damals haben die Sozialpolitiker der Koalition unter Fe-
derführung von Norbert Blüm und mit Unterstützung der
Sozialpolitiker der SPD unter Federführung von Herrn
Dreßler durchgesetzt, dass sie Reformen nur dann zu-
stimmen, wenn die Finanz- bzw. die Wirtschaftspolitiker
bereit sind, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um ei-
nen Prozentpunkt zuzugestehen. Wir haben uns dieser
Erpressung zu meinem großen Ärger gebeugt,


(Jörg Tauss [SPD]: Ach ja!)

weil sonst keine Reformen in Gang gekommen wären.
Nach der Wahl haben Sie die Renten- und die Steuerre-
form kassiert, aber die Mehrwertsteuererhöhung ist natür-
lich geblieben.

Das ist das erste negative Beispiel. Für die Bürger, die
Verbraucher führte das zu Mehrbelastungen in Höhe von
8 Milliarden Euro.

Sie haben dann zu Ihrer Regierungszeit mit der glei-
chen Argumentation die Ökosteuer eingeführt; die fünfte
Stufe ist jetzt in Kraft getreten. Die Belastungen für die
Verbraucher und die Bezieher kleiner Einkommen betra-
gen 19 Milliarden Euro.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel Entlastungen?)


Diese Steuer wirkt nicht progressiv oder degressiv, son-
dern belastet alle gleich.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

Zusammengerechnet führt dies zu einer Mehrbelastung
von 27 Milliarden Euro. Trotzdem sind die Beiträge zu
den sozialen Sicherungssystemen wieder angestiegen.


(A)



(B)



(C)



(D)


1786


(A)



(B)



(C)



(D)






Das Ganze ist natürlich eine Luftnummer. Sie haben
gesagt, die Beiträge bzw. die Arbeitskosten würden sin-
ken und deshalb sei die Ökosteuer vernünftig. Pusteku-
chen, nichts ist eingetreten!


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es kommt das Gegenteil von dem, was sie versprochen haben!)


Es kommt netto zu zusätzlichen Belastungen in Höhe von
27 Milliarden Euro, ohne dass irgendeine strukturelle Re-
form konsequent angegangen worden wäre.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: So ein Unsinn! Das ist unter Niveau!)


Das ist der Grund, warum wir dafür sind, für die ge-
samte Legislaturperiode eine Mehrwertsteuererhöhung
auszuschließen. Denn wir wollen Ihnen nicht die Türe of-
fen halten, durch mehr Steuereinnahmen auf der Zeit-
achse wieder notwendige Reformen zu verschieben. Wir
können unsere Probleme nur lösen, wenn die festgezurr-
ten, unbeweglichen Systeme in Deutschland, die Renten-
versicherung, die Krankenversicherung und insbesondere
die Arbeitslosenversicherung, neu aufgestellt werden


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


und dadurch Effizienzgewinne geschaffen und die Belas-
tungen gesenkt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir können die öffentlichen Haushalte nur sanieren, wenn
wir dies nicht auf der Einnahmeseite, sondern auf der Aus-
gabenseite tun.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn man Herrn Eichel bzw. den Worten des „Spar-
ministers“ folgt, dann sollten wir erst einmal anfangen zu
sparen.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt 29 Jahre Zeit gehabt, das mit der CDU/CSU zu tun! Ihr habt nichts gemacht!)


Denn in den vier Jahren, seit denen Sie Verantwortung tra-
gen, sind die Ausgaben, auch die des Bundes, jedes Jahr
gestiegen. Das verstehe ich nicht unter Sparen. Unter Spa-
ren verstehe ich, weniger auszugeben.


(Jörg Tauss [SPD]: Bis 1998 hätten Sie diese Weisheit befolgen können, Herr Kollege Solms!)


Die Ausgaben sind jedes Jahr gestiegen. Wenn Sie nicht
darangehen, die Ausgaben zu senken, werden Sie die Pro-
bleme nicht lösen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen bestehen wir darauf, dass wir namentlich
abstimmen. Denn wir wollen Sie auf einen vernünftigen
Kurs zwingen. Das können Sie uns nun wirklich nicht
vorwerfen. Wir unterstützen Sie dabei doch gerade. Nur

habe ich wenig Hoffnung, dass Sie einen vernünftigen
Kurs einschlagen werden, weil Sie in der SPD-Fraktion
viel zu unbeweglich sind und weil die Blockademehrheit
der Gewerkschaften Sie in Ihrer Handlungsmöglichkeit
erstickt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ab-
schließend, damit es klar ist, noch Folgendes sagen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das Orakel von Delphi!)

Ich habe mir einmal ausrechnen lassen, wie die Nettoein-
nahmesituation eines Arbeitnehmerhaushaltes, näm-
lich eines Facharbeiters in der Automobilindustrie – sagen
wir: am Standort Wolfsburg –, aussieht. Ein durchschnitt-
licher Einkommensbezieher – verheiratet, zwei Kinder –,
der im Monat 3 000 Euro Bruttoeinkommen erhält, ver-
liert aufgrund der Kostensteigerungen bei den sozialen Si-
cherungssystemen im Jahr 114 Euro seines Nettoeinkom-
mens.


(Jörg Tauss [SPD]: Und Sie wollen ihm auch noch den Tarifvertrag wegnehmen!)


– Sein Nettoeinkommen sinkt. – Hinzu kommen Ausga-
benmehrbelastungen.


(Jörg Tauss [SPD]: Sie wollen ihm den Tarifvertrag wegnehmen! Was kostet ihn das? Sagen Sie dazu mal etwas!)


– Herr Tauss, durch Geschrei können Sie die Fakten nicht
ändern.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein, beantworten Sie mal meine Frage!)


Bleiben Sie bei einer anständigen Diskussion!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Hinzu kommen also Mehrbelastungen durch vielfäl-
tige Kostenerhöhungen. Dabei handelt es sich um Er-
höhungen der Mineralölsteuer, der Erdgassteuer, der
Stromsteuer, der Gebühren für die Müllabfuhr, der Was-
ser- und Abwassergebühren, der Straßenreinigungsge-
bühren sowie um Mehrkosten für Kabelfernsehen, für
Rundfunk und vieles andere. All diese Mehrbelastungen
mindern das Nettoeinkommen der Masse der Beschäf-
tigten in Deutschland. Dies führt dazu, dass die Konjunk-
tur, auch die Binnenkonjunktur, einbricht und dass die
Umsätze des Einzelhandels, wie gestern veröffentlicht
worden ist, im letzten Jahr um 3,5 Prozent eingebrochen
sind. Das ist übrigens seit Beginn der Bundesrepublik die
Rekordmarke. Dies führt dazu, dass wir in dieser schwie-
rigen Lage sind.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ja!)

Diese schwierige Lage können Sie nur durch eine mu-

tige Reformpolitik und nicht durch weitere Steuererhö-
hungen lösen. Deswegen wollen wir Sie dazu zwingen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Wir sind sehr beeindruckt!)


Dr. Hermann Otto Solms






Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502302800

Ich erteile das Wort der Kollegin Christine Scheel,

Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall des Abgeordneten Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Welche Mehrwertsteuer wollen Sie denn erhöhen, wenn Sie nur die allgemeine nicht erhöhen wollen?)



Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502302900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte Folgendes klar feststellen: Wenn man sich die
„FAZ“ oder andere Zeitungen anschaut, in denen die FDP
ihre Initiative begründet, stellt man fest, dass es dort heißt,
dass schon die Diskussion über eine mögliche Erhöhung
der Mehrwertsteuer das wirtschaftliche Klima belaste.
Dies sagt die FDP und streut dauernd diese Nebelkerzen
in die politische Debatte. Denn der Vorschlag einer Mehr-
wertsteuererhöhung wurde von Ihnen und von der Union
gemacht, nicht aber von der Regierungskoalition. Das
muss man einmal deutlich sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Einzige, was Sie derzeit politisch leisten, ist Populis-
mus und Nebelkerzenwerfen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die FDP-Politik an sich lebt vom Neinsagen. Sie sagen
Nein zu Subventionskürzungen bei Ihrer eigenen Klien-
tel. Sie sagen Nein zu einer höheren Nettokreditaufnahme
– das ist ja richtig –, aber Sie legen kein eigenes Finan-
zierungskonzept zur Abwendung der höheren Verschul-
dung vor. Auch sagen Sie Nein zur Besteuerung von
grenzüberschreitenden Flügen, und zwar mit dem übli-
chen Mehrwertsteuersatz. Sie sagen auch Nein zu Vor-
schlägen, mit denen sichergestellt werden soll, dass große
Konzerne in Deutschland wieder ihrer Verantwortung für
das Gemeinwohl nachkommen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502303000

Frau Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Schauerte?


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502303100

Gern. Herr Schauerte, bitte.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1502303200

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Scheel.
Dieses Hohe Haus sollte ja ein Haus der klaren, einfa-

chen und präzisen Aussagen sein.

(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann setzen Sie sich mal schnell hin!)

Deswegen möchte ich Sie einmal etwas fragen. In Ihrem
Antrag schreiben Sie:

Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer ab.

Das ist juristisch und logisch auf jeden Fall eine Ein-
schränkung.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ja, sicher!)

Ich frage deswegen: Die Erhöhung welcher Mehrwert-
steuer lehnen Sie nicht ab?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1502303300

Uns wurde unterstellt, vor allem von der FDP, aber

auch, glaube ich, von einigen aus Ihrer Fraktion, wir hät-
ten die Idee, beispielsweise die Mehrwertsteuer auf Le-
bensmittel zu erhöhen. Das ist völlig falsch. Wir wollen
den niedrigen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belassen.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Bei Hunden und Katzen stimmt es! – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Welche wollen Sie erhöhen? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Was die Konkurrenzsituation zwischen den verschiede-
nen Verkehrsmitteln anbelangt, wollen wir den Mehr-
wertsteuersatz auch vernünftig gestalten. Wir wollen des
Weiteren den Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent – damit
liegen wir gemeinsam mit Luxemburg im gesamten euro-
päischen Umfeld am niedrigsten – behalten. Das, nicht
mehr und nicht weniger, ist die Kernaussage. Das ist eine
klare Ansage, Herr Schauerte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Joachim Poß [SPD]: Herr Schauerte, sagen Sie doch etwas zu Herrn Müller und Herrn Böhmer!)


Wenn ich einmal zurückschaue – das wurde vorhin
auch vom Kollegen Hubert Ulrich gesagt –, muss ich fra-
gen: Was haben Sie 29 Jahre gemacht? Sie haben in den
29 Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung die Mehrwert-
steuer viermal erhöht. Jetzt versuchen Sie, den Eindruck
zu erwecken, als ob wir das wollten, obwohl das – das
muss man einmal klar sagen – von niemandem von uns
gesagt worden ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Gesagt haben es CDU-Ministerpräsidenten und die
Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Petra Roth.
Sie hat wörtlich gesagt: Ich will eine Mehrwertsteuerer-
höhung.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das ist ein Hilferuf! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Weil Sie die Gemeindefinanzen nicht in Ordnung bringen!)


Diese Forderung kommt permanent aus Ihren Kreisen. Ich
bitte Sie, einmal auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben
und nicht so zu tun, als sei das umgekehrt. Es ist eindeu-
tig, wer diese Mehrwertsteuererhöhung will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



(A)



(B)



(C)



(D)


1788


(A)



(B)



(C)



(D)






Ich habe vorhin ausgeführt, was Sie alles nicht wollen.
Man muss einmal klar sehen, dass man in Zeiten der
Haushaltsdefizite von Bund, Ländern und Kommunen mit
Neinsagen keine Politik gestalten kann. Mit einem Nein
kann man auch nicht dem Verstoß gegen Maastricht-Kri-
terien begegnen. Man kann auch nicht das Unmögliche
fordern; das ist noch viel dreister und Sie tun das. Sie for-
dern nämlich Steuersenkungen,


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Ausgabensenkung!)


keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung und gleichzei-
tig höhere Ausgaben in allen möglichen Ressorts.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Ausgabensenkung!)


Sie müssen sich langsam einmal entscheiden, was Sie
wollen. Was Sie betreiben, ist – das muss man an dieser
Stelle einmal so deutlich sagen – Volksverdummung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In Wirklichkeit ist es so, dass wir mit Ihrer Politik noch
mehr Schulden hätten


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Ihr seid im Jahr 5!)


und dass wir der nächsten Generation noch höhere Zins-
lasten aufbürden müssten. Dann müsste der Staat aus sei-
ner Pflicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentli-
chen Daseinsvorsorge, zum Beispiel in Schule und
Hochschule, entlassen werden und dann müsste das dem
privaten Glück überlassen werden. Das ist die Politik, die
Sie betreiben wollen. Diese unverantwortliche Politik
wollen wir nicht. Wir werden nicht so handeln, wie Sie
uns das vorschlagen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP], zur SPD und zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Nun helft ihr doch mal!)


Bei der CDU/CSU-Fraktion wird – das kann man ein-
deutig feststellen – eine Vogel-Strauß-Politik betrieben.
Der Kopf wird in den Sand gesteckt. Es wird nicht gesagt,
wie die Probleme im Zusammenhang mit der notwendi-
gen Haushaltskonsolidierung gemeistert werden sollen.
Es kommt nur der Vorschlag, dass irgendwelche pau-
schalen Kürzungen im Bereich der Subventionen er-
folgen sollen. Dieser Vorschlag kommt von der Union,
aber auch von der FDP. Es wird ganz einfach gesagt: Es
gibt den Subventionsbericht. In dem Subventionsbericht
steht eine Reihe von Maßnahmen. Machen wir eine pau-
schale Kürzung!

Nach außen klingt es natürlich oberklasse, wenn man
sagt: Wir bauen Subventionen ab, wir kürzen die pau-
schal. Ich zeige Ihnen einmal an fünf Beispielen, was das
bedeuten würde. Es würde bedeuten, dass man im sozia-
len Wohnungsbau um 10 Prozent kürzt. Es würde bedeu-
ten, dass die Zinszuschüsse im Rahmen des Wohnraum-
modernisierungsprogramms der KfW für die neuen
Länder gekürzt werden. Es würde bedeuten, dass die in-

direkte Förderung der Forschungszusammenarbeit und
der Unternehmensgründungen gekürzt wird. Es würde be-
deuten, dass Maßnahmen zur Förderung von kleinen und
mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe und zur
Stärkung der beruflichen Bildung gekürzt werden. Es
würde bedeuten, dass wir Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben in den neuen Ländern kürzen.

Meine Damen und Herren, diese Pauschalkürzung um
10 Prozent – wie mit einem Rasenmäher – würde völlig
falsche Lenkungswirkungen entfalten. Sie behaupten, die
kleinen und mittleren Unternehmen entlasten und mehr
Geld für die Forschung und vieles mehr bereitstellen zu
wollen. Genau das Gegenteil würden Sie mit der von Ihnen
geforderten Pauschalkürzung um 10 Prozent erreichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das muss man einmal sagen. Die Leute wissen ja gar
nicht, was sich dahinter verbirgt. Zum Subventionsabbau
sagt jeder Ja. Aber niemand weiß, was sich hinter Ihrer
Maßnahme verbergen würde. Ich bin der Auffassung, dass
man den Bürgern und Bürgerinnen der Ehrlichkeit halber
auch einmal sagen muss, was das bedeuten würde: weni-
ger Geld für Bildung, Forschung und vieles mehr, was ich
eben aufgezählt habe.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das ist doch nicht der Fall! Was malen Sie für einen Popanz an die Wand? – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sparen wollen Sie nicht?)


Für uns ist völlig klar, dass wir die Haushaltskonsoli-
dierung weiterführen. Wir haben jetzt ein Gesetz vorge-
legt, das mit einigen Veränderungen am Ende im Ergeb-
nis etwa 17 Milliarden Euro erbringen wird.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Steuermehrbelastung!)


– Verehrte Damen und Herren von der FDP, 17 Milli-
arden Euro Abbau von Steuervergünstigungen und
Subventionen


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Steuererhöhungen!)


sind eine andere Antwort als 17 Milliarden Euro Mehrein-
nahmen durch eine Mehrwertsteuererhöhung zulasten der
privaten Haushalte. Das ist ganz eindeutig so. Das ist auch
eine andere Antwort als eine Erhöhung der Schulden.

Ich bin nicht der Auffassung, dass wir uns von einer
Partei wie der FDP Ratschläge geben lassen müssen,


(Zurufe von der FDP: Vorsicht!)

die 29 Jahre lang nichts anders getan hat – vor allem in
den letzten zehn Jahren Ihrer Regierungszeit –, als die
Steuern nach oben zu treiben, die Abgaben nach oben zu
treiben und dazu noch die Schulden zu erhöhen. Das war
die Politik, die Sie gemacht haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt stellen Sie sich scheinheilig hin und tun so, als sei die
FDP die Steuersenkungspartei.


(Beifall bei der FDP)


Christine Scheel




Christine Scheel
Sie sind in der Regierungsverantwortung die Steuerer-
höhungspartei gewesen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der FDP: Oh!)


Das ist eindeutig zu belegen.

(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Vielen Dank für die Werbung! – Jörg Tauss [SPD]: Ihr tut nur so!)


Wir wollen Privilegien abbauen, wir wollen die steuer-
liche Bemessungsgrundlage verbreitern und wir wollen
die Haushaltskonsolidierung ohne Mehrwertsteuerer-
höhung verwirklichen. Wir werden sehen, wie sich die
unionsregierten Länder im Bundesrat verhalten werden.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Grünen sind da ja auch fast nicht mehr!)


Sie werden dort Farbe bekennen müssen,

(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Erst einmal müssen Sie Farbe bekennen, Frau Scheel!)


inwieweit sie wirklich bereit sind, Steuersubventionen ab-
zubauen, oder ob sie das Risiko eingehen, eine höhere
Verschuldung der Länder in Kauf zu nehmen.

Wir haben in Deutschland die Situation, dass viele
Länderhaushalte nicht mehr verfassungskonform sind.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, warum?)

Unser Defizit wird zu 55 Prozent von den Ländern und den
Kommunen getragen. Der Bund macht seine Hausaufgaben.
Wir fahren die Neuverschuldung herunter und werden in
diesem Jahr nach der jetzigen Haushaltslage die niedrigste
Nettoneuverschuldung seit der Wiedervereinigung haben.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott! – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Glauben Sie das selber?)


Das ist ein Kraftakt. Das sage ich Ihnen. Denn wir müs-
sen selbstverständlich dafür sorgen, dass Ausgaben im
Haushalt gekürzt werden – das ist wichtig – und, wie ge-
sagt, dass Steuersubventionen reduziert werden.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie das nicht wollen!)


Gleichzeitig – deswegen sage ich, dass das ein Kraft-
akt ist – bleiben wir


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Schlusslicht!)

dabei – das steht auch schon im Gesetzblatt –,


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es hat schon viel im Gesetzblatt gestanden, was dann ausgesetzt wurde!)


dass 2004 und 2005 die Einkommensteuertarife stufen-
weise weiter gesenkt werden.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Das habt ihr vor einem Jahr auch gesagt!)


Wir haben dann einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent
und einen oberen Grenzsteuersatz von 42 Prozent. Das

sind die niedrigsten Steuersätze im gesamten europä-
ischen Raum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist niedriger als in den USA. Dann möchte ich noch
einmal hören, die Steuerbelastung sei hier zu hoch.

Wir haben dann Steuersätze, mit denen wir wunderbar
konkurrieren können. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie
anerkennen, dass Deutschland nicht das Problem hat, dass
die Steuerbelastung zu hoch ist. Das Problem, das die Un-
ternehmen in Deutschland haben,


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ist Rot-Grün!)


sind die hohen Sozialabgaben und ist die Bürokratie.
Wir haben leider 77 000 Verwaltungsvorschriften. Das ist
der Wahnsinn. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf
festgelegt, dass wir in dieser Legislaturperiode mindes-
tens ein Drittel abbauen wollen.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das haben Sie doch aufgebaut!)


Da bitte ich auch um Ihre Unterstützung in den Ländern.
Denn wir brauchen dafür auch die Länder.


(Zuruf von der FDP: War es das?)

Wir sind für strukturelle Veränderungen in den sozia-

len Sicherungssystemen, vor allem bei der Krankenversi-
cherung. Es ist zwingend notwendig, dass es wieder mehr
Hoffnung auf die Belebung der Binnenkonjunktur gibt.
Dafür arbeiten wir. Es ist eine schwierige Zeit. Die Stim-
mung im Lande ist sehr schlecht. Es müssen deshalb Maß-
nahmen ergriffen werden. Diese haben wir in den Berei-
chen Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme
eingeleitet und werden sie zügig umsetzen. Von unserer
Seite liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch, die wir
weiterentwickeln werden. Sie werden dieses Land nach
vorne bringen.

Was uns nicht nach vorne bringt, ist, dass Sie perma-
nent auf unseren Vorschlägen herumhacken und nur he-
rumjammern. Sie jammern auf relativ hohem Niveau;
denn wir alle wissen, welche Klientel Sie vertreten. Das
hilft uns nicht, nach vorne zu kommen. Jammern allein ist
kein Konzept. Jammern allein bringt uns nicht weiter. Im
Gegenteil: Es macht mürbe und senkt die Innovations-
freudigkeit in diesem Land.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Rauschender Beifall von drei Kollegen!)


Wir werden auch weiterhin die strukturellen Probleme
lösen. Wir werden dafür sorgen – das haben wir in unse-
rem Antrag festgelegt –, dass es keine Mehrwertsteu-
ererhöhung gibt. Eine solche Erhöhung ist aus den be-
kannten Gründen, von denen ich einige genannt habe,
unakzeptabel, besonders aber aus folgendem Grund: Sie
ist sozial ungerecht. Denn die prozentuale Belastung
durch die Mehrwertsteuer nimmt, wie wir wissen, bis zu
einem mittleren Nettoeinkommen von rund 1 400 Euro im
Monat stetig zu. Das geht aus den Analysen der letzten
Jahre und aus der Einkommensstatistik hervor.


(A)



(B)



(C)



(D)


1790


(A)



(B)



(C)



(D)






Jede Mehrwertsteuererhöhung ist auch ein Beitrag zur
Steigerung der Schwarzarbeit. Wir aber wollen die
Schwarzarbeit abbauen. Dazu haben wir Vorschläge ge-
macht, die den Niedriglohnbereich betreffen. Diese wei-
sen den richtigen Weg. Diesen Weg werden wir weiter-
gehen.

Unsere Aufgabe ist, Verkrustungen in dieser Gesell-
schaft aufzubrechen. Wir Grünen berücksichtigen dabei,
wie auch die SPD, ökologische Aspekte und sind uns be-
wusst, dass wir auch Gesichtspunkte sozialer Gerechtig-
keit beachten müssen. Das ist unsere Überzeugung, wie
Politik zu machen ist – und nicht mit solchen Schaufens-
teranträgen, wie Sie sie immer wieder stellen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1502303400

Das Wort hat nun der Kollege Peter Rzepka,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Rzepka (CDU):
Rede ID: ID1502303500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ordnungs-
politische Ansatz des FDP-Antrages „Weniger Staat – we-
niger Steuern“, um den es heute geht, geht in die richtige
Richtung. Folgerichtig ist damit auch der Antrag, die
Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Die Haltung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ganz klar: Mit uns
wird es keine zusätzlichen Belastungen der Bürger und
Unternehmen durch Steuererhöhungen geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Was sagen Sie denn zu Herrn Müller und Herrn Böhmer?)


– Herr Poß, klären Sie diese Frage erst einmal in Ihrer Ko-
alition; denn Frau Scheel hat, wie ich mich erinnere, in der
„FAZ“ vom 29. Januar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
nicht ausgeschlossen.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie sollten das gescheit nachlesen!)


Wir werden in der Abstimmung sehen, wie Sie sich ver-
halten.

Als Herr Müntefering weniger Geld für den privaten
Konsum und mehr Geld für den Staat forderte – er sprach
damit weiten Teilen der SPD offenbar aus dem Herzen –,
war die Marschrichtung klar: mehr Staat, mehr Steuern.
Das ist der neue alte Weg der SPD.


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und von Peter Müller!)


Noch mehr Staat, noch mehr Geld für öffentliche Aufga-
ben, weniger Selbstverantwortung, weniger unternehme-
rische Risikobereitschaft, weniger Investitionen, weniger
Wirtschaftswachstum, weniger Arbeitsplätze, Lähmung,

Stillstand – das sind die Ergebnisse Ihrer Politik. Das ist
das neue alte Staatsverständnis der SPD.

Diese Auffassung findet ihren Niederschlag in einer
ausufernden Steuerorgie, wie wir sie noch nie erlebt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie besteuern alles und jeden. Wenn Ihnen die Einnahmen
aus den ertragsabhängigen Steuern nicht mehr ausreichen,
dann greifen Sie zu den ertragsunabhängigen Steuern.
Obwohl Ihnen alle Sachverständigen sagen, dass die Be-
steuerung der Substanz von Unternehmen und privaten
Personen Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze verhindert, greifen Sie auch zu diesen ver-
meintlichen Einnahmequellen.

Die vorgesehenen Einschränkungen der Verlustver-
rechnungsmöglichkeiten durch die geplanten Regelungen
zu Mindestbesteuerung, Mantelkauf, körperschaftsteuer-
licher und gewerbesteuerlicher Organschaft, zu stillen
Gesellschaften, zu Spaltungen und Verschmelzungen sind
steuersystematisch verfehlt und gesamtwirtschaftlich ne-
gativ.

Aus steuersystematischer Sicht darf der Staat nicht nur
auf die Gewinne zugreifen, sondern er muss sich auch
unbeschränkt und zeitnah an den Verlusten beteiligen.
Andernfalls wird den Unternehmen dringend benötigte
Liquidität entzogen und damit die Eigenkapitalbasis mit
allen negativen Folgen und Auswirkungen auf die unter-
nehmerische Risikobereitschaft, die Investitionen, das
Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung geschwächt.

Mit den geplanten Maßnahmen zerstören Sie des Wei-
teren das dringend notwendige Vertrauen in staatliches
Handeln und nehmen den Unternehmen im ohnehin
schwierigen wirtschaftlichen Umfeld die erforderliche
Planungssicherheit. Hinsichtlich der Planungssicherheit
haben Sie bereits viel Vertrauen zerstört. Es gibt viele An-
zeichen dafür, dass allein wegen der derzeitigen Pläne der
Bundesregierung und der Diskussionen darüber Unter-
nehmer Investitionen in Deutschland zurückgestellt oder
ganz aufgegeben haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen von Ihnen heute auch wissen, ob folgende
weitere Steuererhöhungspläne in den Schubladen liegen,
die bis zum 2. Februar, dem Tag der Landtagswahlen in
Hessen und Niedersachsen, zurückgehalten werden: zum
Beispiel die Halbierung der Entfernungspauschale für Ar-
beitnehmer, die Absenkung des Sparerfreibetrages um ein
Drittel auf 500 Euro für Ledige und 1 000 Euro für Ver-
heiratete, die Besteuerung der Erträge aus Kapitallebens-
versicherungen, die Kappung des Ehegattensplittings, die
Anhebung der Erbschaftsteuer und – die Diskussion da-
rüber ist in Ihren Reihen ja immer noch nicht beendet –
die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Meine Damen und Herren, speisen Sie uns nicht mit
dem Griff in die Trickkiste ab, wie es unser Finanzminis-
ter, der sich zu einem wahren Meister im Verwirrspiel mit
Zahlen entwickelt und gerne auf die gerade passende Sta-
tistik zurückgreift, gerne tut. Wenn es um die Steuer- und

Christine Scheel




Peter Rzepka
Abgabenlast in Deutschland geht, bemüht er in der Öf-
fentlichkeit die OECD-Statistik, nach der die Gesamt-
abgabenquote bei 36,4 Prozent liegt. Wenn es aber um
realistischere Ergebnisse geht, beispielsweise beim Stabi-
litätsbericht an die EU-Kommission, nimmt der Finanz-
minister die Bundesbankzahlen, nach der die Gesamt-
abgabenquote bei 42,1 Prozent liegt,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist das!)

weil er weiß, dass diese aus der volkswirtschaftlichen Ge-
samtrechnung abgeleiteten Daten aussagekräftiger sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Zahlen nach Belieben!)


Die richtige Lösung für Deutschland sieht daher anders
aus als Ihr Konzept – soweit man das, was Sie zurzeit pla-
nen, überhaupt Konzept nennen kann. Wir fordern, dass
die Steuern und Abgaben nicht durch 48 Einzelmaßnah-
men im Volumen von 70 Milliarden Euro erhöht werden.


(Joachim Poß [SPD]: Was wollen Sie denn tun? Erzählen Sie uns das heute Morgen doch einmal!)


Herr Poß, dabei ist es egal, ob Sie das Steuervergünsti-
gungsabbau oder sonst wie nennen. In Ihren Augen ist es
offenbar schon eine Steuervergünstigung, wenn der Ar-
beitnehmer von seinem Lohn und der Unternehmer von
seinem Gewinn überhaupt noch etwas behalten dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie uns mal Ihr Finanzierungskonzept!)


In Wirklichkeit sollen die Bürger und Unternehmen
zukünftig mehr zahlen. Dagegen hilft auch kein dürftiges
35 bis 60 Millionen Euro umfassendes Mittelstandspro-
gramm. Das ist nur ein Ablenkungsmanöver, welches
von den wahren Dimensionen der geplanten Steuererhö-
hungen ablenken soll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Helfen wird dieses Mittelstandsprogramm nicht. Man
muss keine prophetischen Gaben besitzen, um ein Schei-
tern vorherzusehen. Der Mittelständler wird weiterhin die
Zeche der Steuererhöhungen mit einem Vielfachen dessen
bezahlen, was er später – wenn er es als Unternehmer
überhaupt noch erlebt – möglicherweise zurückbekommt.

Sie müssen die Steuern senken und dürfen die Men-
schen nicht weiter belasten. Schaffen Sie Freiräume!
Hören Sie doch auf die Experten der Bundesbank, die
– wie fast alle Experten – in der Anhörung des Finanz-
ausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz ein
vernichtendes Urteil über Ihre Planungen bezüglich der
Unternehmensbesteuerung, insbesondere in Bezug auf
die Verlustverrechnungen, gefällt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Herr Kollege, als Panikredner sind Sie überhaupt nicht geeignet! Da müssen Sie andere herschicken! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Der panikpolitische Sprecher!)


Hören Sie auf die Wirtschaftsweisen, die kritisieren, dass
in dem Koalitionsvertrag keine eindeutigen ökonomi-
schen Prioritäten gesetzt werden und dass in dem Re-

gierungsprogramm keine überzeugende langfristige Per-
spektive im Hinblick auf das Wachstumsziel aufgezeigt
wird. Hören Sie auf die Stimmung der Menschen, die am
Wochenende Gelegenheit haben werden, ganz klar zu sa-
gen, wie sie Ihre Politik bewerten.

Ihre Steuergesetzgebung bedeutet nicht zuletzt auch
mehr Regulierung. Frau Kollegin Scheel hat sich gerade
für den Abbau von Bürokratie eingesetzt. Doch was ist die
Wirklichkeit? Ich nenne die Stichworte Bauabzugsteuer,
die neben Unternehmen auch private Vermieter trifft,
Kontrollmitteilungen und Erträgnisbescheinigungen bei
der Besteuerung von Erlösen aus privaten Veräußerungs-
geschäften und von Kapitalerträgen, Dokumentations-
pflichten für Verrechnungspreise, die international erfolg-
reiche kleine und mittlere Unternehmen kaum werden
erfüllen können. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Sehen Sie, das ist der falsche Weg. Schauen Sie sich an,
was in anderen Ländern gemacht wurde und welche Er-
folge damit erzielt wurden! Sie werden feststellen, dass
erfolgreiche Länder Steuern senken und trotzdem die
Staatsverschuldung abbauen und die Staatsquote verrin-
gern. Dafür gibt es viele Beispiele. Ein Blick über die
Grenzen genügt. Auch in der Europäischen Union haben
Staaten erhebliche Steuersenkungen umgesetzt, ohne dass
der blaue Brief aus Brüssel auf dem Fuß folgte.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Vor dem Hintergrund der verfehlten Steuerpolitik der
letzten Jahre hat auch der Antrag der FDP-Fraktion, die
Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, seine volle Berechti-
gung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nachdem Sie diesen Antrag noch vor kurzem im Finanz-
ausschuss abgelehnt haben, reagieren Sie heute auf unse-
ren Druck und den Druck der öffentlichen Diskussion.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen kündigen aber mit dem
vorliegenden Antrag indirekt doch eine Mehrwertsteuer-
erhöhung an. Der Antrag der Koalition enthält zahlreiche
Hintertüren. Danach soll eine Erhöhung der allgemeinen
Mehrwertsteuer wegen der aktuellen konjunkturellen
Lage ausgeschlossen und der bisherige Kurs der Bundes-
regierung fortgesetzt werden. Die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion lehnt einen solchen Antrag geschlossen ab.

Was meint die SPD mit „der aktuellen konjunkturellen
Lage“? Diese kann sich schon nächste Woche ändern.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

Was ist dann? Was meinen Sie mit „der allgemeinen
Mehrwertsteuer“? Damit sind Anhebungen der ermäßig-
ten Mehrwertsteuersätze nicht ausgeschlossen. Damit be-
ginnen Sie schon bei Ihrem Entwurf des Steuervergüns-
tigungsabbaugesetzes.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


So sollen beispielsweise die Leistungen der Zahntechni-
ker nicht mehr mit dem ermäßigten Satz, sondern mit dem
Regelsatz besteuert werden. Das kostet die Kranken-
kassen nach Ihren eigenen Angaben 200 Millionen Euro.
Wie soll das finanziert werden?


(A)



(B)



(C)



(D)


1792


(A)



(B)



(C)



(D)






Der bisherige Kurs der Bundesregierung wird von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgelehnt. Er ist von
Konzeptionslosigkeit und mangelnden Ideen gekenn-
zeichnet. Außer dem Griff in die Taschen der Bürger fällt
der Koalition nichts ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie haben mehrfach die Ökosteuer erhöht. Sie haben
die Steuerreformgesetze verschoben, die mit weiteren
Entlastungen für 2003 schon im Bundesgesetzblatt stan-
den, Frau Kollegin Scheel.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das kann doch nicht wahr sein, was er da für ein Zeug erzählt!)


Das zeigt, wie viel wir von Ihren Ankündigungen zu hal-
ten haben. Damit haben Sie vielen Familien die dringend
notwendigen Entlastungen vorenthalten.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wie wollten Sie die Folgen der Flutkatastrophe finanzieren?)


Zurzeit versuchen Sie mit dem so genannten Steuerver-
günstigungsabbaugesetz, wieder einmal massive Steuer-
erhöhungen durchzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Himmel, Arsch und Wolkenbruch! Wie kann man nur so einen Blödsinn erzählen? Meinungsfreiheit ja, aber nicht solchen Blödsinn!)


Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Ihre durch-
sichtigen politischen Manöver ab und fordert durchgrei-
fende Reformen statt Steuererhöhungen. Deshalb wird sie
dem FDP-Antrag, der eine Mehrwertsteuererhöhung – an-
ders als in Ihrem Antrag – ohne Wenn und Aber ablehnt,
zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP– Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie hatten keine Flut in Berlin! Ihnen steht das Wasser bis zum Hals, aber Sie hatten keine Flut!)


Was Deutschland braucht, ist ein einfacheres und ge-
rechteres Steuerrecht mit niedrigeren Steuerbelastungen,
vor allem auch mit Rechts- und Planungssicherheit für die
Unternehmen und die Bürger, damit Anreize für Investi-
tionen geschaffen werden und mehr Wirtschaftswachs-
tum und Beschäftigung in Deutschland erreicht werden.

Im Jahre 2002 musste als Ergebnis Ihrer Politik eine
Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts fest-
gestellt werden. Wenn Sie weitermachen wie bisher, wer-
den wir 2003 die Zerstörung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts feststellen müssen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502303600

Herr Kollege Rzepka, ich gratuliere Ihnen sehr herz-

lich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und
wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute.


(Beifall)


Nächste Rednerin in der Debatte ist die Parlamentari-
sche Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502303700


Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Wer dreht denn nun wirklich an der Mehrwertsteu-
erschraube? Diese Frage sollten wir uns als erste stellen.
Hier sind die Fakten: Mit dem Steueränderungsgesetz
1992 wurde die Mehrwertsteuer von 14 auf 15 Prozent er-
höht. Hauptgrund für diese Steuererhöhung war, dass man
noch mehr Geld für den Golfkrieg brauchte, nachdem
man zu diesem Zweck schon die Mineralölsteuer um
50 Pfennig je Liter erhöht hatte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Initiatoren dieser Steuererhöhung waren die FDP und
die CDU/CSU. Der Nachschlag kam dann – Herr Solms
hat in seiner Rede auf wundersame Weise die Verantwor-
tung dafür von sich geschoben – im Jahr 1998.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Überhaupt nicht! Ich habe lediglich darauf hingewiesen!)


Damals wurde die Mehrwertsteuer zum 1. April auf
16 Prozent erhöht. Die Initiatoren waren wiederum FDP
und CDU/CSU.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Und ihr habt fröhlich mitgemacht!)


Der Deckname für diese Steuererhöhungsaktionen war
das so genannte Rentenfinanzierungsgesetz.

Vor diesem Hintergrund mutet es schon verwegen an,
dass gerade die Freidemokraten, die in wenigen Jahren
und allein aus fiskalischen Gründen die Mehrwertsteuer
erhöht haben, heute vor einer Steuererhöhung warnen.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie haben doch damals mitgestimmt! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das hat er alles erklärt!)


Man muss dann doch fragen: Wo war Ihr ökonomischer
Sachverstand 1992 und 1998 und was wollen Sie mit der
heutigen Debatte wirklich erreichen? Zu Ihren Gunsten
unterstelle ich einmal, dass wir es nur mit Aktionismus,
Stimmungsmache und Wahlkampfgetöse zu tun haben;
denn sonst müsste ich Ihnen auf Dauer ökonomischen
Sachverstand absprechen. Zum Glück sind ja wir und
nicht Sie seit Herbst 1998 in der Regierungsverantwor-
tung. Deshalb hat Deutschland nach wie vor einen der
niedrigsten Mehrwertsteuersätze in Europa und sogar
weltweit.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das wollt ihr ändern!)


Darüber hinaus haben wir die größte Steuerreform in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umge-
setzt. Mit insgesamt 56 Milliarden Euro werden die
Steuerzahler massiv entlastet. Herr Kollege Solms, wenn
Sie das Brutto- und das Nettoeinkommen eines Arbeiters
aus Wolfsburg im Jahr 1998 mit dem vergleichen, was er
heute brutto und netto verdient, dann werden Sie feststel-
len, dass es ihm heute Gold geht. Das vergessen Sie immer.


(Beifall bei der SPD)


Peter Rzepka




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Wir haben bereits heute wesentlich günstigere und leis-
tungsfreudlichere Einkommen- und Körperschaft-
steuersätze als in den 16 Jahren, die in Ihrer Verantwor-
tung lagen. Wenn es Probleme gab, dann kannten Sie in
16 Jahren nur eine einzige Antwort: Schulden und Steuer-
erhöhungen. Daran wird das gesamte deutsche Volk noch
auf lange Zeit laborieren.


(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass es wehtut, wenn man an seine Untaten

erinnert wird. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie
gerne das Image der Steuererhöhungspartei loswerden
möchten. Folglich wundert es mich nicht, dass Sie alles
unter den Tisch kehren wollen, auch Ihre Steuerlügen. Der
Öffentlichkeit wollen Sie glauben machen, dass nur Sie
das richtige Rezept zur Steuerentlastung haben.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sprechen Sie für die Bundesregierung? – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das ist eine Wahlkampfrede!)


In dem so genannten neuen Steuerkonzept der FDP ist un-
ter anderem Folgendes zu lesen:

Das Einkommensteuerrecht wird im Übrigen durch
den Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefrei-
ungen und Steuervergünstigungen vereinfacht.

Prima Idee! Das haben Sie wohl von uns abgeschrieben.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Von Ihnen kann man nichts übernehmen!)


Das, was Sie jetzt fordern – Papier ist ja geduldig –, setzen
wir seit Jahren – selbstredend gegen Ihren Widerstand –
in die Tat um. Aktuelles Beispiel ist das Steuervergüns-
tigungsabbaugesetz. Damit schaffen wir Sondertatbe-
stände, Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen ab
und vereinfachen das Steuerrecht. Was tun Sie? Sie kön-
nen sich plötzlich nicht mehr an Ihr eigenes Steuerkonzept
erinnern und sind schon aus Prinzip gegen die von uns
vorgeschlagenen Änderungen. Etwas Inkonsequenteres
als Ihre Steuerpolitik kann es in der Tat nicht geben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie selbst haben, wenn man Ihren öffentlichen Bekun-
dungen trauen darf, wider besseres Wissen die Mehrwert-
steuer mehrfach erhöht. Wenn wir Ihrem Ratschlag folgen
und das Steuerrecht durch den Abbau von Vergünstigun-
gen und Ausnahmen tatsächlich vereinfachen, passt es Ih-
nen natürlich auch wieder nicht.

Man muss sich ernsthaft fragen, warum dieser Antrag
der FDP eigentlich gestellt wurde. Die Antwort ist ganz
einfach: Es läuft hier natürlich – das ist ganz klar – auf
eine plumpe Wahlkampfaktion hinaus.


(Beifall des Abg. Horst Schild [SPD])

Die FDP agiert hier nach dem Motto: Was ich denk‘ und
tu, das trau‘ ich auch den anderen zu. Also: Die FDP-Ex-
perten für Mehrwertsteuererhöhungen unterstellen der
Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen unter Be-
rufung auf so genannte Insiderinformationen geheime
Steuererhöhungspläne, Wahlkampfmanöver und Wähler-
betrug.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die FDP führt näm-
lich regelmäßig vor Landtagswahlen den gleichen Zirkus
auf. Jetzt bitte ich die beiden Redner der FDP in dieser De-
batte, die beiden Hauptmatadore in der Finanzpolitik die-
ser kleinen Fraktion, Herrn Solms und Herrn Thiele, auf-
zumerken. Es passt gut, dass ich gerade Sie zitieren
werde. Zum Beweis zitiere ich aus der FDP-Pressemit-
teilung vom 18. Februar 1999. Dort behauptet Hermann
Otto Solms:

Das belegen auch die heutigen Meldungen, nach de-
nen Rot-Grün nun doch insgeheim eine Mehrwert-
steuererhöhung um bis zu drei Prozentpunkte plant.
Publik gemacht werden sollen die Pläne jedoch erst
nach den Wahlen in Bremen im Juni. Das riecht nach
Wahlbetrug.


(Beifall bei der FDP)

Sie sehen: Auch da haben Sie langfristig vorgearbeitet.

Schon im Februar 1999 haben Sie uns unterstellt, wir wür-
den im Juni, nach den Wahlen in Bremen, die Mehrwert-
steuer erhöhen. Infolgedessen ist Ihr Hinweis, Ihr Antrag
sei mittlerweile schon zwei Monate alt, ebenfalls obsolet.
Damals haben Sie diese Unterstellungen schon vier Mo-
nate vor der Wahl in die Welt gesetzt. Sie produzieren
Wahlkampfgetöse. Auch nach den Wahlen in Bre-
men 1999 ist die Mehrwertsteuer nicht erhöht worden.
Darauf weise ich hin.

In der Pressemitteilung der FDP vom 8. Mai 2000 be-
hauptet Carl-Ludwig Thiele:

Ich halte es für falsch, die Erhöhung der Mehrwert-
steuer überhaupt zu diskutieren. Wir können doch
nicht auf der einen Seite behaupten – wie Finanz-
minister Eichel das macht –, die Bürger durch die
derzeitige Steuerreform zu entlasten, und auf der an-
deren Seite schon wieder über Steuererhöhungen
nachdenken.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

Das Dementi des Bundesfinanzministeriums wirkt
da schon eher wie Wahlkampf vor der Nordrhein-
Westfalen-Wahl.

Die war bekanntlich im Jahr 2000. Auch nach der Land-
tagswahl in Nordrhein-Westfalen hat es keine Mehrwert-
steuererhöhung gegeben, auch wenn Sie uns das vor der
Wahl unterstellt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese beiden Zitate sind ein schlagender Beweis dafür,
dass Sie es schon seit Jahren immer wieder mit derselben
Masche probieren und die Bürgerinnen und Bürger ver-
unsichern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was Sie tun, verwundert also niemanden. Das Täterprofil
ist eindeutig. Am Sonntag finden wieder Landtagswahlen
statt, in Hessen und Niedersachsen. Gerüchte über eine
Mehrwertsteuererhöhung machen wieder einmal die Run-
de. Wie es der Zufall will, gibt es schon einen Antrag der


(A)



(B)



(C)



(D)


1794


(A)



(B)



(C)



(D)






geläuterten Steuererhöhungspartei FDP, eine höhere
Mehrwertsteuer zu verhindern. Dieser Antrag ist im De-
zember, also zwei Monate vor der Wahl, eingebracht wor-
den; 1999 wurde er vier Monate vorher eingebracht.

Meine Damen und Herren von der FDP, Ihr Geschwätz
von einer anstehenden Mehrwertsteuererhöhung und das
Horrorszenario, das Sie seit mehr als vier Jahren propa-
gieren, nehmen wir einfach nicht mehr ernst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie führen die Wählerinnen und Wähler bewusst hinters
Licht. Sie verunsichern Arbeitnehmer, Unternehmer und
Investoren, indem Sie dieses überflüssige Thema ohne ir-
gendeinen konkreten Anlass permanent auf die Tagesord-
nung bringen. Sie wissen, was Sie damit bewirken. Die
eben zitierte Bemerkung des Kollegen Thiele aus dem
Jahr 2000 – „Ich halte es für falsch, die Erhöhung der
Mehrwertsteuer überhaupt zu diskutieren“ – beweist, dass
Sie wissen, welche Wirkung Sie damit erzielen. Trotzdem
tun Sie es ganz bewusst.

Da Sie das Thema im Jahr 2003, also in diesem Jahr,
offenbar nur aus wahltaktischen Gründen wieder auf die
Agenda bringen, muss ich feststellen: So viel Zynismus
ist kaum mehr zu überbieten. Scheinheilig werfen Sie der
Bundesregierung vor, sie verunsichere die Wirtschaft. Ja
klar, wiederum gilt: Was die FDP denkt und tut, das wirft
sie anderen vor.

Außerdem übertreffen Sie sich bei der Kritik am
Standort Deutschland. Positive Entwicklungen werden
schlechtgeredet. Ein Beispiel – es wurde in dieser De-
batte bereits angesprochen –: Nach der aktuellen Studie
der OECD belegt Deutschland im internationalen Ver-
gleich der Steuerquoten eine Spitzenposition. Mit einer
Steuerquote von 21,7 Prozent haben wir die niedrigste
Steuerlast in ganz Europa. Im Vergleich mit anderen In-
dustrienationen werden wir nur noch von Japan über-
troffen. Nach den vorläufigen Ergebnissen für 2002, die
demnächst endgültig vorliegen werden, wird die Steu-
erquote, was die Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland angeht, einen historischen Tiefstand errei-
chen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, ist es völlig
gleichgültig, ob man die Daten der volkswirtschaftli-
chen Gesamtrechnung zugrunde legt oder die Daten der
OECD.


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)

Die Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sa-
gen das Gleiche wie die der OECD aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502303800

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Thiele?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502303900


Bitte.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502304000

Bitte schön.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1502304100

Herzlichen Dank. – Frau Staatssekretärin, bezüglich

der von der OECD ermittelten Steuerquote haben Sie mir
gerade in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage mit-
geteilt, dass allein bei Herausrechnen der Eigenheimzu-
lage und des Kindergeldes die Steuerquote 2 Prozent
höher läge.

Darauf basiert eine weitere Frage von mir: Gerade in
dem betreffenden Jahr gab es einen sehr starken Einbruch
beim Körperschaftsteueraufkommen, der auch von Ihnen
beklagt wurde. Jetzt haben Sie diesen Sachverhalt als Be-
leg dafür genommen, dass die Steuerquote so niedrig ist.

Unter Berücksichtigung dieser beiden Punkte wäre
doch die Feststellung der OECD von Ihnen als Mitglied
der Bundesregierung nicht positiv zu bewerten, sondern
Sie müssten den Sachverhalt richtig darstellen und, anstatt
mit den Zahlen der OECD zu operieren, die entsprechen-
den Prozentpunkte dazuaddieren und erklären, dass diese
niedrige Steuerquote auf einem Einbruch des Körper-
schaftsteueraufkommens aufgrund der Steuerreform ba-
siert. Es geht nicht, dies auf der einen Seite zu beklagen –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502304200

Herr Kollege, denken Sie daran, dass Sie eine Zwi-

schenfrage stellen wollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wenn Sie nicht reden dürfen, dann erst recht nicht auf diese Weise!)



Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1502304300

– richtig – und auf der anderen Seite zu sagen, die Steuer-
quote sei viel zu niedrig.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502304400


Herr Kollege, ich will gerne auf diese beiden Punkte
eingehen. Ich habe zunächst einmal nicht gesagt, die
Steuerquote sei viel zu niedrig, sondern ich habe nur da-
rauf hingewiesen, dass sie im europäischen Vergleich die
niedrigste und im internationalen Vergleich die
zweitniedrigste sei.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das sagt nichts aus!)


Ich habe es weitergehend nicht bewertet.
Natürlich ist es richtig, dass das Körperschaftsteuer-

aufkommen im Jahre 2001 eingebrochen ist. Sehen Sie
es doch einmal andersherum: Was auf der Einnahmeseite
des Staates einen Einbruch beim Körperschaftsteuerauf-
kommen darstellt, bedeutet für die Unternehmen, dass sie
kaum Steuern zahlen. Von der Seite müssen Sie es ja nun
auch einmal sehen. Sie können es von der Einnahmeseite
her natürlich beklagen, aber aus Sicht der Unternehmen

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
ist ja zweifelsfrei festzustellen, dass kaum eine Belastung
da war.


(Joachim Poß [SPD]: Das wollten die doch immer!)


Ansonsten wäre das Körperschaftsteueraufkommen ja
höher gewesen. Sehen Sie es also bitte auch von dieser
Seite. Sie wollten doch immer, dass die Unternehmen
möglichst umfangreich entlastet werden.

Im Übrigen hatte ich darauf hingewiesen – bleiben
Sie bitte stehen, Sie hatten zwei Fragen gestellt und
ich komme noch zu der Beantwortung der ersten Fra-
ge –,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ich weiß ja nicht, wie lange das geht!)


dass die vorläufigen Zahlen für 2002 eine historisch nied-
rige Steuerquote aufzeigen werden. Im vergangenen Jahr
zeichnete sich beim Körperschaftsteueraufkommen Gott
sei Dank eine Erholung ab. Gleichwohl haben wir im
Jahre 2002 die niedrigste Steuerquote seit Bestehen der
Bundesrepublik Deutschland.

Jetzt komme ich auf Ihre erste Frage zurück: Sie haben
mir in der Tat schriftlich die Frage gestellt – selbstver-
ständlich habe ich Ihnen gemäß der Geschäftsordnung
dieses Parlaments geantwortet –,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Herzlichen Dank auch!)


wie denn die Steuerquote aussehen würde, wenn man
Kindergeld und Eigenheimzulage herausrechnete. Dies ist
natürlich eine hypothetische Fragestellung, aber selbst-
verständlich verlangt die Geschäftsordnung der Bundes-
regierung auch die Beantwortung von hypothetischen
Fragen. Infolgedessen habe ich auf der Basis hypotheti-
scher Berechnungen mitgeteilt, dass unter dieser An-
nahme die Steuerquote 2 Prozentpunkte höher liegen
würde. Ich darf Sie aber daran erinnern, dass die Eigen-
heimzulage einkommensteuerrechtlich eine Erstattung
darstellt.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich darf Sie insbesondere daran erinnern, dass nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Kindergeld
eine Vorauszahlung auf zu viel gezahlte Einkommen-
steuer von steuerpflichtigen Eltern darstellt. Deshalb ist es
vollkommen richtig, diese Zahlungen bei der Ermittlung
der Steuerquote zu berücksichtigen.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Aber die anderen Länder machen das nicht! Vergleichbarkeit!)


Ihre hypothetische Frage ist zwar rechnerisch beantwort-
bar, aber inhaltlich hypothetisch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502304500

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine weitere Zwi-

schenfrage des Kollegen Rzepka?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502304600


Ja, bitte.


Peter Rzepka (CDU):
Rede ID: ID1502304700

Frau Staatssekretärin, abgesehen davon, dass Ihr

Minister ja je nach Bedarf ständig mit anderen Zahlen in
der Öffentlichkeit agiert, möchte ich Sie fragen, ob Sie
meine Auffassung teilen, dass Steuerquote und Gesamt-
abgabenquote immer im Zusammenhang gesehen werden
müssen. Sie werden ja sehr wohl wissen, dass eine Er-
höhung der Sozialversicherungsbeiträge über die Be-
triebsausgaben der Unternehmen zu einer niedrigeren
Steuerquote führt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Fragen!)

Sie können sich dann trotz Erhöhung der Sozialversiche-
rungsbeiträge – Sie heben sie ja ständig an, auch jüngst
wieder – paradoxerweise für niedrige Steuerquoten feiern
lassen.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502304800


Herr Kollege Rzepka, die Insinuierung, der Minister
würde ständig mit anderen Daten operieren, weise ich
zurück. Wir haben eine Studie der OECD veröffentlicht;
es ist völlig klar, dass die OECD dabei die Rechenme-
thode zugrunde gelegt hat, die sie OECD-weit anwendet.
Gemäß Maastricht-Vertrag sind wir gegenüber Brüssel
verpflichtet, über die Daten der volkswirtschaftlichen Ge-
samtrechnung zu berichten; dieser Pflicht kommen wir
selbstverständlich nach. Das hat also nichts damit zu tun,
dass wir, wie wir Lust und Laune haben, verschiedene Da-
ten mitteilen, sondern wir erfüllen unsere Pflichten ord-
nungsgemäß.

Wir müssen den europäischen Vergleich nicht scheuen;
denn wir haben die niedrigste Steuerquote in Europa. Be-
ziehen wir die Sozialabgaben in den Vergleich ein, so be-
finden wir uns innerhalb Europas im guten Mittelfeld.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Im Spitzenfeld, nicht im Mittelfeld!)


Wir sind das Land mit der sechstgeringsten Belastung, in
neun Ländern sind die Belastungen höher. Darauf darf ich
Sie abschließend hinweisen.


(Beifall bei der SPD – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Unglaublich!)


– Herr Kollege Seiffert, nur weil Ihnen die Statistiken
nicht passen, können Sie nicht sagen, das sei unglaublich.
Es ist einfach so, damit müssen Sie umgehen.

Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass sich Ihre Seite
des Hauses in der Kritik am Standort Deutschland über-
trifft.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir sind mit der Staatsquote im Spitzenbereich!)


Positive Entwicklungen werden ständig schlechtgeredet.
Nehmen wir als aktuelles Beispiel die OECD-Studie. An-


(A)



(B)



(C)



(D)


1796


(A)



(B)



(C)



(D)






dere Länder würden aus dieser Studie positive Meldungen
machen. Sie würden sie offensiv vermarkten, um Investo-
ren zu gewinnen. Was passiert in Deutschland? Statt posi-
tive Botschaften zu verbreiten, wird das Ergebnis mies ge-
macht. Auch jetzt sind Sie wieder dabei.


(Joachim Poß [SPD]: Übler Miesmacher!)

Nicht zuletzt hat der Kollege Thiele seine Stimme er-

hoben, um das Ergebnis in der Presse – wie er sagt – ge-
radezurücken, also mies zu machen. Bravo! Damit haben
Sie Deutschland einen unschätzbaren Bärendienst erwie-
sen. Grundvoraussetzung für einen Politiker sollte doch
wohl sein, dass er Patriot ist. Diejenigen, die unser Land
ständig schlechtreden, sind keine Patrioten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das hat nichts mit Patrioten zu tun! Fragen Sie mal jemanden, der 100 Euro Weihnachtsgeld bekommen hat, was er davon behalten hat!)


Folgerichtig stößt Ihr Handeln auch auf Kritik nam-
hafter Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. Beispiels-
weise bemerkte der Sprecher des Vorstands der Deutschen
Bank AG, Dr. Ackermann, anlässlich seiner Rede zum
Neujahrsempfang der Stadt Frankfurt:

Ich halte gar nichts davon, wenn wir selbst Deutsch-
land permanent schlecht darstellen oder zum „Sanie-
rungsfall“ erklären. Wie sollen wir erwarten, dass an-
dere Vertrauen in und Interesse an Deutschland
entwickeln, wenn wir dies selbst nicht tun?

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Dem kann man nichts hinzufügen!)

Nun, meine Damen und Herren von der Opposition, ich
kann in diesem Sinne nur an Sie appellieren: Kommen Sie
aus der Deckung und führen Sie mit uns eine konstruktive
politische Auseinandersetzung!

Für die Bundesregierung gilt: Wir behalten unseren
konstanten steuer- und finanzpolitischen Kurs bei. Das
heißt, wir werden weiter steuerliche Subventionen sowie
Vergünstigungen abbauen und die Steuersätze weiter sen-
ken. Klar ist, dass dies alle fordern und unterstützen, so-
lange sie nicht selbst betroffen sind. Wenn es allerdings
zum Schwur kommt, war das natürlich nicht so gemeint.
In dieser Situation halten wir, die Koalitionsfraktionen
und die Bundesregierung, Kurs und zeigen Rückgrat.

Ich habe aufgezeigt, dass wir in Deutschland seit mehr
als vier Jahren gut ohne eine Erhöhung der Mehrwert-
steuer zurechtgekommen sind. So soll es bleiben. Ich habe
deutlich gemacht, dass die permanenten Spekulationen
der Opposition über angebliche Mehrwertsteuererhöhun-
gen für Deutschland schädlich sind. Darüber hinaus habe
ich dokumentiert, dass das Gerede der FDP in die Wahl-
kampfecke gehört, zumal sie selbst mehrfach Steuererhö-
hungen initiiert hat. Der vorliegende Antrag ist dabei aber
wohl nur der vorläufig letzte Höhepunkt; denn Sie ma-
chen das ja vor jeder Landtagswahl, wie ich bereits nach-
gewiesen habe.

Diese Scheindiskussion haben wir nicht zu verantwor-
ten und wir werden uns auch nicht daran beteiligen. Es

gibt keinen Anlass, überhaupt auf diesen Unfug einzuge-
hen. Der Deutsche Bundestag möge – ich bitte darum –
den Antrag der FDP deshalb ablehnen.

Da in dieser Legislaturperiode noch einige Landtags-
und Kommunalwahlen anstehen, befürchte ich aber, dass
sich das Hohe Haus noch öfter mit diesem abstrusen
Thema wird befassen müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502304900

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, mache

ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf aufmerk-
sam, dass es nachher noch eine zweite namentliche Ab-
stimmung auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geben
wird.

Nächster Redner in der Debatte ist Stefan Müller,
CDU/CSU-Fraktion.


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1502305000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir beraten heute zwei Anträge der FDP-Fraktion und zu-
mindest einer dieser Anträge hat im Regierungslager für
einige Aufregung gesorgt. Das erklärt auch, warum die
Redner der Koalition sehr aufgeregt am Rednerpult sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: So aufgeregt wie Sie! Sie sind ein ganz aufgeregter Typ!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grü-
nen, ich möchte Sie einmal daran erinnern, dass Sie die
Anträge der FDP „Weniger Staat – weniger Steuern“ und
„Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ im Finanzaus-
schuss abgelehnt haben. Am Dienstag konnten wir dann
sehr widersprüchliche Meldungen aus der Regierungsko-
alition hören. Der Parlamentarische Geschäftsführer der
SPD, Wilhelm Schmidt, wollte wohl eine Zustimmung
der SPD zu einem der vorliegenden Anträge nicht aus-
schließen; der Parlamentarische Geschäftsführer der Grü-
nen, Volker Beck, schloss jedoch eine Zustimmung gänz-
lich aus. Er wird mit den Worten zitiert: Wir werden das
gemeinsam mit der SPD ablehnen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann zitieren Sie das vollständig, dass wir auch eine Mehrwertsteuererhöhung gemeinsam ablehnen! – Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen haben die Mehrwertsteuer noch nie erhöht!)


Gestern dann der letzte Akt: Ein gemeinsamer Antrag der
SPD und der Grünen zum Thema Mehrwertsteuer wurde
vorgelegt.

Interessant finde ich angesichts dieses Durcheinanders
eine Äußerung von Herrn Olaf Scholz, dem SPD-Gene-
ralsekretär. Ich zitiere aus einer Pressemeldung: Die
Union hat keine Linie in der Finanzpolitik. Es herrscht das
reine Chaos. – Das ist lächerlich. Ich stelle fest: Erstens,

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks




Stefan Müller (Erlangen)

Chaos gibt es nur bei Ihnen, und das schon seit vier Jah-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist die Linie von Herrn Müller?)


Zweitens, Herr Beck, ist unsere Linie klar: Wir haben den
Anträgen bereits im Finanzausschuss zugestimmt. Wir
werden diesen Anträgen auch heute zustimmen. Wir wer-
den Ihren Antrag ablehnen, weil Sie sich das Hintertür-
chen der Mehrwertsteuererhöhung offen gehalten haben.
Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm! Die Argu-
mentation, die Sie hier gebracht haben, lässt Ihnen doch
alle Möglichkeiten offen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Im Augenblick sind Sie der Verkäufer von Dummheiten!)


Wenn uns Herr Poß in dieser Frage Tarnung und Täu-
schung vorhält,


(Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hat er Recht!)


dann möchte ich ihn bitten, dass er sich diesbezüglich den
Spiegel selbst vorhalten möge. Wenn Sie in diesem Zu-
sammenhang immer wieder Herrn Böhmer zitieren,
möchte ich erwidern: Auch Ihr heimlicher Vorsitzender
hat sich ja schon in einer ähnlichen Art und Weise
geäußert. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafts-
bundes, Michael Sommer, hat nämlich erklärt, er könne
sich eine Mehrwertsteuererhöhung sehr gut vorstellen.
Das ist im „Handelsblatt“ vom 15. Januar nachzulesen.

F
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502305100
Wir lassen uns von Ihnen fehlenden Patriotismus
nicht vorwerfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Benennen der Fakten hat auch nichts mit Schlecht-
reden zu tun. Wenn Sie sich hier hinstellen und jedem, der
nicht Ihrer Meinung ist, mangelnden Patriotismus vor-
werfen, dann ist das schlichtweg schäbig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass die
Diskussion über die Umsatzsteuer nicht von Ihnen ausge-
gangen wäre. In Ihrem Steuervergünstigungsabbau-
gesetz sind teilweise massive Umsatzsteuererhöhungen
vorgesehen.


(Simone Violka [SPD]: Was ist mit Ihrer Hamburger Erklärung von 1994?)


Sie wollen die Umsatzsteuer für zahlreiche landwirt-
schaftliche Vorprodukte, für Blumen und Zierpflanzen,
für grenzüberschreitende Flüge, für Kombinationsartikel
und für Zahnersatzleistungen erhöhen. Letzteres wird – das
wurde auch schon angesprochen – die Kosten im Ge-
sundheitswesen weiter erhöhen und die Patienten bei der
Eigenbeteiligung stärker belasten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Allein im Bereich der Umsatzbesteuerung sind gemäß
Ihrem Finanztableau 14 Steuererhöhungen vorgesehen.

Jetzt hören Sie bitte damit auf, davon zu reden, dass wir
mit dieser Debatte angefangen hätten.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn Herr Müller heute Morgen gesagt?)


Sie haben in einem Punkt Recht, nämlich wenn Sie in
Ihrem Antrag schreiben:

Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.

Aber das gilt für jede Art von Steuer, nicht nur für die
Mehrwertsteuer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Steuervergünstigungsabbaugesetz fügt sich nahtlos

in eine ganze Reihe von Steuererhöhungen, die die zweite
Regierung Schröder auf den Weg gebracht hat: Die fünfte
Stufe der Ökosteuer ist in Kraft getreten. Zum 1. Janu-
ar 2003 gab es eine Erhöhung der Tabaksteuer. Die sechste
Stufe der Ökosteuer als Fortentwicklung der ökologischen
Steuerreform wurde beschlossen. Allein diese Maßnahmen
werden die deutschen Steuerzahler im Jahr 2003 mit 22Mil-
liarden Euro belasten, zusätzlich zu den im internationalen
Vergleich ohnehin schon hohen Abgaben in Deutschland.
Diese Steuererhöhungen schaden der Konjunktur, weil sie
Anreize für Investitionen verhindern – Investitionen, die wir
angesichts der aktuellen Lage aber dringend bräuchten, da-
mit neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wachstumskräfte
in diesem Land gestärkt werden.

Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, wie Sie sie
in Punkt eins Ihres Antrages beschreiben, werden Sie nur
dann erreichen, wenn die Wirtschaft in diesem Land wie-
der wächst. Wachstum ist und bleibt die entscheidende
Voraussetzung für eine Konsolidierung des Haushaltes.
Wachstum werden wir nur bekommen, wenn wir Rah-
menbedingungen haben, durch die die Bürger und Unter-
nehmen von Steuern entlastet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie dürfen allerdings den Bürgern nicht etwas in die

rechte Tasche stecken und ihnen im gleichen Atemzug aus
der linken Tasche etwas herausnehmen. Die Ökosteuer ist
dafür ein sehr gutes Beispiel. Das Schlimme ist, dass al-
les, was Sie auf den Weg bringen, schlicht und ergreifend
nur dazu dient, Ihre Haushaltsprobleme in den Griff zu be-
kommen. Die ordnungspolitische Komponente in der
Steuerpolitik ist bei Ihnen gar nicht mehr vorhanden.

Nun ist ja nicht auszuschließen, meine Damen und
Herren, dass die Wahlergebnisse am Sonntag Ihre Bereit-
schaft zu einer Zusammenarbeit mit der Union und den
unionsgeführten Ländern erhöhen werden. Ich sage Ihnen
an dieser Stelle: Möglichkeiten dazu werden wir in der
nächsten Zeit sehr viele haben: beim Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz, bei der Vermögensteuer, bei der Ab-
geltungsteuer.

Wir haben in diesem Hause einen Antrag zur Abschaf-
fung der Vermögensteuer eingebracht. Wenn es Ihnen
ernst damit ist, die ständigen Diskussionen über Steuer-
erhöhungen beenden zu wollen, dann werden Sie nicht an-
ders können, als auch hier zuzustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



(A)



(B)



(C)



(D)


1798


(A)



(B)



(C)



(D)






Denn auch beim Thema Vermögensteuer wirkt die stän-
dige Diskussion schädlich für die Stimmung in unserem
Land. Aber – das füge ich einschränkend hinzu – da müs-
sen Sie natürlich dem Druck der Gewerkschaften stand-
halten. Das dürfte nicht einfach für Sie werden. Wir haben
ja diese Woche alle eine Broschüre der Dienstleistungs-
gewerkschaft Verdi ins Büro geschickt bekommen. Sie
trägt den Titel: „Perspektiven der Vermögensbesteuerung
in Deutschland“. Verdi spricht sich hier unter anderem für
die Wiedererhebung der Vermögensteuer aus.

In dem Begleitschreiben heißt es außerdem:
Eine Abgeltungsteuer auf Zinserträge kann die Ver-
mögensteuer nicht ersetzen. Sie würde – wenn über-
haupt – nur aufgrund von Einmaleffekten Mehrein-
nahmen bringen.
Da eine Abgeltungsteuer eine Absenkung der Steuer-
belastung auf die Erträge großer Vermögen bedeutet,
wird die Vermögensteuer auch unter dem Aspekt der
Steuergerechtigkeit notwendiger denn je.

Meine Damen und Herren, ich habe leider die Be-
fürchtung, dass Sie das Thema Vermögensteuer auf Druck
des Bundeskanzlers und im Blick auf die Landtagswahlen
am kommenden Sonntag lediglich vertagt haben, nach
dem Motto: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das wird aber nichts nützen!)


Meine nächste Befürchtung ist schlicht und ergreifend,
dass Sie die gleiche Argumentation verfolgen wie die Ge-
werkschaften. Wenn die Diskussion über die Abgeltung-
steuer hier nur unter dem Gesichtspunkt, Mehreinnah-
men für den Staat zu bekommen, geführt wird, dann steht
diese Diskussion unter ganz falschen Vorzeichen. Wir hal-
ten die Einführung einer Abgeltungsteuer für den rich-
tigen Weg, um die Attraktivität von Kapitalanlagen, ins-
besondere im Hinblick auf die private Altersvorsorge, zu
steigern. Das setzt natürlich einen niedrigen Steuersatz
voraus, aber auch, dass Rentner und Niedrigverdiener
nicht schlechter gestellt werden.

Aber eine Abgeltungsteuer muss auch einen Beitrag zu
einer wirklichen Steuervereinfachung leisten. Die gleich-
zeitige Einführung von Kontrollmitteilungen, wie Sie sie
immer wieder fordern, wird diesem Anspruch einer Ver-
einfachung nicht gerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unterhalten Sie sich bitte einmal mit Bankern aus Ihrem
Wahlkreis. Sie werden Ihnen sehr wohl erzählen, was
Kontrollmitteilungen an Bürokratie für die Banken vor
Ort bedeuten würden.


(Florian Pronold [SPD]: Weniger Schwarzgeld und weniger Steuerhinterziehung! Darum geht es!)


– Herr Pronold, schreien Sie doch nicht so!
Tatsächlich geht es Ihnen doch darum, den gläsernen

Steuerbürger zu schaffen, weil Ihr Ziel ist, die Vorausset-
zungen dafür zu schaffen, dass die Beiträge für die Sozial-
versicherung künftig nicht mehr nur vom Arbeitseinkom-

men, sondern auch von den Kapitalerträgen erhoben wer-
den. Seien Sie doch auch in dieser Hinsicht einmal ehr-
lich!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die zweite Bundesregierung von Bundeskanzler

Gerhard Schröder hat ihre ersten 100 Tage hinter sich. Ich
möchte die Bilanz in etwa so zusammenfassen: steigende
Steuern und Abgaben, weniger Wachstum, weniger Ein-
nahmen des Staates. Genau das, meine Damen und Her-
ren, wird in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir uns
sehr bald auf Ihre Initiative hin wieder über neue Steuer-
erhöhungen unterhalten werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502305200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, fraktions-

los.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1502305300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bevor ich zu den aufgeworfenen Steuerfragen komme,
möchte ich etwas anders festhalten. Wir alle sind heute of-
fensichtlich Zeuge einer Sternstunde des Parlaments.
Dafür ist der FDP-Antrag Beleg. Ich wundere mich, dass
dies bisher niemand in der Debatte gebührend gewürdigt
hat.

Im Mittelpunkt der Debatte steht nicht mehr, was poli-
tisch zu tun ist. Beraten und abgestimmt werden soll, was
nicht zu tun ist. Wenn künftig jede Partei ihren Katalog
des Nichttuns hier zur Abstimmung stellt, dann wird sich
ein schier unendliches Feld für spannende Parlaments-
debatten eröffnen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nun zum Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
nen. Ich gebe zu, dass ich enttäuscht war, als ich Ihren An-
trag gestern bekam. Sie, liebe Damen und Herren von der
Koalition, wollten, dass wir Ihre Steuer- und Finanzpoli-
tik in vier Punkten lobpreisen. Ich finde, so etwas sollten
Sie nicht tun. Es klingt wie Bestechung und widerspricht
auch unserem Selbstverständnis als einziger, weil linker
Opposition. Aber ich sehe, dass Sie lernfähig sind. Ich
habe vorhin gehört, dass Sie selbst beantragt haben – das
war auch unser Vorschlag –, über den letzten Punkt ge-
sondert namentlich abzustimmen. So können wir uns dif-
ferenziert zu Ihrem Antrag verhalten.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Den Anlass für die hochgespielte Aufregung bietet in
dieser Debatte die Mehrwertsteuer. Sie soll erhöht wer-
den, sagen die einen – auf keinen Fall, jedenfalls nicht
jetzt, meinen die anderen. Für all das gibt es hinreichend
widerstreitende Belege, von der CDU/CSU ebenso wie
aus den Reihen der SPD.

Stefan Müller (Erlangen)





Petra Pau

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen besonders
markanten Satz in Erinnerung rufen: Der Bürger möge
Konsumverzicht üben, damit es dem Staat besser gehe.
Dieser Ausspruch ist vom 1. Dezember 2002.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es!)

Er stammt von Franz Müntefering, Fraktionschef der
SPD. Das, teure Genossinnen und Genossen von der So-
zialdemokratie,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Teuerste Genossen, das war in Russland! Moskau spricht!)


teilen wir, die PDS im Bundestag, ausdrücklich nicht.
Denn der Staat ist kein Selbstzweck und die Bürgerinnen
und Bürger sind nicht für den Staat da. Umgekehrt wird
ein Schuh daraus.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Nun zur Mehrwertsteuer. Sie diskutieren über die
Höhe der Mehrwertsteuer. Uns bewegt, was über die
Mehrwertsteuer tatsächlich politisch gesteuert werden
könnte. Das führt uns zu ganz anderen Fragen. Zum Bei-
spiel: Warum erheben wir nicht endlich für Reparatur-
und Handwerksleistungen den halben Steuersatz? Es
würde kleinen Betrieben helfen und der Mentalität be-
gegnen, einen defekten Kühlschrank wegzuwerfen, an-
statt ihn reparieren zu lassen. Eine andere Frage: Warum
erheben wir nicht den doppelten Steuersatz auf Luxus-
güter? Wer sich einen „Porsche plus“ leisten kann, den
ruinieren ein paar Prozente mehr Mehrwertsteuer nicht.
Das erzielte Plus könnte helfen, beispielsweise den Steu-
ersatz für die Schulspeisung zu senken. Sagen Sie bitte
nicht, das sei alles viel zu kompliziert und ohnehin recht-
lich versiegelt. Die EU hat bereits 1999 den Weg dafür ge-
ebnet, die Mehrwertsteuer intelligenter zu händeln.

Sie merken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
FDP: Wir reden über dasselbe Thema. Aber wir reden
nicht über dieselbe Absicht. Sie wollen weniger Steuern.
Wir wollen gerechte Steuern. Das ist der wesentliche Un-
terschied.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie meinen damit mehr Steuern!)


Weil wir schon dabei sind, will ich Sie gern erneut an
dieVermögensteuer erinnern. Die CDU/CSU wiegelt sie
als Neidsteuer ab. Für Sie von der FDP sind Steuern so-
wieso Teufelswerk. Die SPD will die Vermögensteuer nur,
solange sie im Wahlkampf ist. Die PDS bleibt dabei: Die
Wiedereinführung der Vermögensteuer ist eine Frage der
Gerechtigkeit und sie kann Länder und Gemeinden ent-
lasten.

Lassen Sie uns künftig also wieder darüber diskutieren,
was zu tun ist! Debatten über das Nichtstun sind nicht un-
ser Ding. Ich denke, Rot-Grün sollte sich auf solche De-
batten nicht mehr verlegen.

Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502305400

Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele,

FDP-Fraktion.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1502305500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen! Gestern und heute erhalten
die Bürger ihre Lohnabrechnungen. Alle stellen fest, dass
ihnen netto weniger zur Verfügung steht.


(Zuruf von der FDP: Die reiben sich die Augen!)


Die Steuern und Abgaben steigen und – das versichere ich
Ihnen, Frau Hendricks – die Wut auf Rot-Grün steigt
auch.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heute will die FDP die rot-grüne Koalition dazu zwin-
gen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in dieser Legisla-
turperiode auszuschließen. Wenn Sie eine solche Erhö-
hung nicht wollen, Frau Staatssekretärin, dann stimmen
Sie dem Antrag zu. Dann wäre dieses Problem für den
Rest der Legislaturperiode erledigt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das drückendste Problem in unserem Land ist die wei-
ter steigende Arbeitslosigkeit. Im Monat Januar wird die
Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Januar des Vorjah-
res um gut 250 000 Arbeitslose höher liegen. Hunderttau-
sende weiterer Bürger haben Sorge und Angst um ihren
Arbeitsplatz. Im Bereich des Wachstums und der Investi-
tionen ist Deutschland Schlusslicht in Europa.

Das Problem unseres Landes besteht nicht darin, dass
wir zu wenig Steuereinnahmen oder zu niedrige Lohn-
nebenkosten haben. Das Problem besteht darin, dass un-
sere Steuerbelastung und unsere Belastung durch die
Lohnnebenkosten zu hoch ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum 1. Januar dieses Jahres sind die Steuern und die
Lohnnebenkosten erhöht worden. Durch die nächste Stufe
der Ökosteuer, das Gesetz zur Fortentwicklung der öko-
logischen Steuerreform, die Verschiebung der nächsten
Stufe der Steuerreform sowie durch den vorliegenden Ge-
setzentwurf zum Abbau von Steuervergünstigungen wer-
den die Bürger und die Wirtschaft in unserem Land mas-
siv belastet.

Zusätzlich steigen die Beiträge zur Kranken- und Ren-
tenversicherung, sodass der Volkswirtschaft in diesem
Jahr Kaufkraft in einer Größenordnung von 25 Milliar-
den bis 30 Milliarden Euro entzogen wird. Diese Summe
soll nach den Plänen von Rot-Grün in den nächsten Jah-
ren noch deutlich ansteigen.


(Joachim Poß [SPD]: Ach!)

Das geißeln und kritisieren wir. Deswegen sind wir doch
keine schlechten Patrioten, Frau Hendricks. Eine Regie-


(A)



(B)



(C)



(D)


1800


(A)



(B)



(C)



(D)






rung muss sich auch einmal Kritik gefallen lassen – auch
das gehört zum Demokratieverständnis –,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


statt immer so empfindlich zu sein oder gar davon auszu-
gehen, Sie seien auf Ewigkeit an der Macht. Das ist näm-
lich nicht der Fall.

Ihre Politik ist konjunkturschädlich und wachstums-
feindlich. Die Folgen einer solchen Politik sind sinkende
Investitionen, eine Zunahme der Insolvenzen, weniger
Neugründungen von Unternehmen, eine steigende Zahl
der Arbeitslosen, mehr Steuer- und Kapitalflucht sowie
zusätzliche Schwarzarbeit. Die Neuverschuldung unter
Rot-Grün hat im vergangenen Jahr mit mehr als 30 Mil-
liarden Euro einen Rekord erreicht. In den vergangenen
vier Jahren sind von Rot-Grün mehr als 100 Milliar-
den Euro im Bundeshaushalt als Neuverschuldung ver-
bucht worden, obwohl Sie mit dem Versprechen angetre-
ten sind, die Neuverschuldung auf Null zu senken.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Politik der laufenden Steuererhöhungen wird im
Ergebnis zu weniger Steuereinnahmen führen. Diese Po-
litik der Steuererhöhungen verhindert Wachstum. Durch
sie werden Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit zuneh-
men, Investitionen und Unternehmen ins Ausland gehen.

Ein Staatsanteil am Volkseinkommen von 56 Prozent
ist entschieden zu hoch. Der Staat muss seine Ausgaben
kürzen. Niedrigere Steuern verschaffen den Bürgern mehr
finanziellen Spielraum. Niedrigere Steuern versetzen die
Unternehmen in die Lage, mehr zu investieren und zu-
sätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Der von Rot-Grün eingesetzte Sachverständigenrat hat
in seinem jüngsten Gutachten erklärt, dass ohne das Steu-
ervergünstigungsabbaugesetz das Wachstum in unserem
Lande 0,5 Prozent höher wäre. Bei einem Bruttoinlands-
produkt von 2 000 Milliarden Euro wären das 10 Milliar-
den Euro mehr Volkseinkommen. Belegt man diese Sum-
me mit einer Steuer- und Abgabenquote von 50 Prozent,
dann hätten die öffentliche Hand und die Sozialver-
sicherungen Mehreinnahmen in Höhe von 5 Milliarden
Euro – allein durch den Verzicht auf das Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben unseren Antrag vorgelegt; im Finanzaus-
schuss wurde darüber abgestimmt. Im vorliegenden An-
trag von Rot-Grün soll unter Punkt 4 beschlossen werden:

Der Deutsche Bundestag lehnt eine Erhöhung der
allgemeinen Mehrwertsteuer ab.

Was ist eine „allgemeine Mehrwertsteuer“?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Das kann nur der erklären – denn nur diese soll ja nicht er-
höht werden –, der weiß, dass es auch eine reduzierte
Mehrwertsteuer gibt, und zwar auf Grundbedürfnisse des

täglichen Lebens, zum Beispiel auf Lebensmittel und Zei-
tungen. Eine Erhöhung dieses reduzierten Mehrwert-
steuersatzes ist durch die Formulierung von Rot-Grün
ausdrücklich nicht ausgeschlossen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Halbwahrheiten!)


Die Politik insbesondere der Grünen, die wir in den
letzten Jahren kennen gelernt und in den letzten Tagen
wieder erlebt haben, ist folgende: Frau Künast will bei
Aldi und Lidl Rabatte verbieten und Frau Scheel sowie
die Finanzpolitiker wollen wahrscheinlich zusätzlich zu
den Schnittblumen, den Überraschungseiern und dem
Hunde- und Katzenfutter auch Nahrungsmittel, zum Bei-
spiel Brot, Milch und Butter, und Zeitungen höher be-
steuern. Das lehnen wir ab. Deshalb stimmen wir Ihrem
Antrag, Frau Hendricks, nicht zu.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Stil der Regierung Schröder und Eichel ist es inzwi-
schen, die Wähler vor den Wahlen über die tatsächlichen
Absichten zu täuschen. Nach den Wahlen wird dann zu
dem alten rot-grünen Konzept gegriffen: keine Struktur-
reformen und keine Ausgabenstreichungen, stattdessen
eine weitere Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung
der Bürger.

Was macht deshalb Rot-Grün mit dem FDP-Antrag?
Sie legen einen eigenen Antrag vor, in dem Sie erklären:

Eine Mehrwertsteuererhöhung wäre ohne Zweifel in
der aktuellen konjunkturellen Lage schädlich.

Was heißt das denn nun wieder?

(Peter Dreßen [SPD]: Können Sie nicht lesen?)

Für Rot-Grün ändert sich doch die konjunkturelle Situa-
tion Monat für Monat, Woche für Woche, Tag für Tag. Das
heißt, die Öffentlichkeit soll mit diesem Antrag getäuscht
werden. Denn wenn sich die konjunkturelle Situation än-
dert, haben Sie durch Ihren Antrag die Möglichkeit, die
Mehrwertsteuer sofort zu erhöhen. Das wollen wir ver-
hindern.

Deshalb sollte jeder, der das Interesse der FDP teilt, die
Mehrwertsteuer in dieser Legislaturperiode nicht zu er-
höhen, ausschließlich dem FDP-Antrag zustimmen; denn
der rot-grüne Antrag ist Vernebelungstaktik und ein reines
Täuschungsmanöver.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502305600

Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPD-

Fraktion.


Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1502305700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kol-

lege Solms hat uns vorhin treuherzig erklärt, der Antrag

Carl-Ludwig Thiele




Horst Schild
der FDP habe überhaupt nichts mit den anstehenden
Landtagswahlen zu tun.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Überhaupt nicht!)

Bei der Rede des Kollegen Thiele hatte ich soeben den
Eindruck: So ganz ist das wohl nicht zu halten.

Wenn dieser Antrag nun gar nichts mit den anstehen-
den Wahlen zu tun hat, hat er denn dann vielleicht etwas
damit zu tun, dass die FDP in ihren Reihen endlich einmal
über andere Themen als über das Thema des Riesen-
staatsmanns M. diskutieren möchte?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Was haben Sie gegen Gabriel?)


Ich verstehe es ja, meine Damen und Herren von der
FDP, dass Sie sich hier sozusagen mit Büßermiene – es fehlt
nur noch das weiße Büßergewand – hinsetzen und sagen:
Das, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, das wol-
len wir nie wieder machen. – Das ist verständlich, wenn
man sich die Liste all Ihrer Sünden von 1983 bis 1998 an-
schaut: Zwanzigmal wurden die Steuern erhöht, dreimal
die Mehrwertsteuer, viermal die Mineralölsteuer und drei-
mal die Kraftfahrzeugsteuer. Vor diesem Hintergrund habe
ich Verständnis dafür, dass man sich hier mit Büßermiene
hinsetzt und sagt: So etwas wollen wir nicht mehr.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Dann stimmen Sie doch zu!)


Ich weiß nicht, wie lange das bei Ihnen trägt. Die Vergan-
genheit lehrt uns, dass man Sie offensichtlich nicht so
ganz ernst nehmen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Jürgen Koppelin [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Frau Präsidentin, wir sind in sehr fortgeschrittener
Stunde. Auch der Kollege Schindler muss noch eine Rede
halten. Der hat es dann besonders schwer. Ich bitte um
Verständnis, dass ich diese Zwischenfrage nicht zulasse,
bin aber gern bereit, ein paar Minuten von meiner Rede-
zeit abzugeben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502305800

Also, Herr Kollege Koppelin, Ihre Zwischenfrage wird

nicht gestattet.


Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1502305900

Eines möchte ich an Ihre Adresse, Herr Kollege

Koppelin, aber auch an die der CDU/CSU-Fraktion rich-
ten: Wenn man einen Antrag einbringt mit dem Titel „We-
niger Staat – weniger Steuern“, dann muss man diese For-
derung in der politischen Arbeit dieses Hauses auch
einmal konsequent durchziehen. Denn man kann nicht
ständig mit Anträgen kommen, die für den Bund Mehr-
ausgaben in Milliardenhöhe bedeuten. Das passt vorne
und hinten nicht zusammen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich denke, es ist klar ge-
worden: Wir wollen keine Mehrwertsteuererhöhungen.
Sie sind diejenigen, die in der Bevölkerung Unsicherheit
schüren. Die Wahrheit sieht anders aus. Ich glaube, ich
muss nicht alles wiederholen. Aber wir haben die Steuer-
sätze durch unsere Steuerreformen spürbar gesenkt. Kol-
lege Poß hat vorhin das Volumen genannt, in dessen Höhe
wir Bürger und Unternehmen in der Vergangenheit ent-
lastet haben und in der Zukunft bis zum Jahre 2005 entlas-
ten werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Bei allem Respekt: Das sehen wir anders!)


Wir beraten zurzeit ein Gesetz zum Abbau von Steuer-
vergünstigungen. Unser Ziel ist es, ungerechtfertigte
Steuervorteile abzubauen. Wir wollen Steuerehrlichkeit
herstellen. Das ist ein Gebot gegenüber allen Steuerzah-
lern in diesem Lande. Aber Sie verweigern sich – das
möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen – in diesem Hause
jeglicher konstruktiver Mitarbeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auf der Länderebene besteht ja offensichtlich Mitarbeit.
Denn die Mehreinnahmen aus dem Steuervergünsti-
gungsabbaugesetz sind ja bereits in die Landeshaushalte
des Saarlandes und von Hessen eingebaut worden.

Meine Damen und Herren, es reicht nicht, wenn Union
und FDP nur Widerstand leisten. Die Bürger wollen auch
Ergebnisse sehen. In Ihrem Antrag „Weniger Staat – we-
niger Steuern“ fordern Sie: „Alle Steuerzahler sind gleich
zu behandeln.“ Das wollen wir tun. Ich würde mir wün-
schen, dass Sie sich konstruktiv beteiligen und sich nicht
nur auf plakative Ablehnung beschränken. Im Bereich der
Umsatzsteuer – wir reden ja heute über die Mehrwert-
steuer – haben wir gehandelt, nachdem die Steuereinnah-
men wegen mangelnder Durchsetzung des Steueranspru-
ches zu wünschen übrig ließen.

Im Jahr 2000 gingen die Umsatzsteuereinnahmen um
4 Prozent, im Jahr 2001 um 2,5 Prozent zurück. Am 1. Ja-
nuar 2002 trat das von uns hier in den Deutschen Bun-
destag eingebrachte und verabschiedete Gesetz zur
Bekämpfung der Umsatzsteuerverkürzung in Kraft. Die
Steuerschätzung vom November des letzten Jahres weist
nun erstmalig bei der Umsatzsteuer Mehreinnahmen auf.

Aber ich sage auch ganz deutlich: Das Ziel, Steuer-
betrug – gerade im Bereich der Umsatzsteuer – zu besei-
tigen, ist vermutlich noch nicht erreicht. Experten und
auch die Steuergewerkschaft sagen uns, dass in diesem
Lande vermutlich auch weiterhin noch Umsatzsteuer-
betrug in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro zu
bekämpfen ist. Wir sollten zusehen, dass diese Steuern in
die öffentlichen Kassen fließen. Dann bräuchten wir uns
über manche Probleme öffentlicher Haushalte nicht zu
unterhalten, auch nicht über Benefiz-Anträge zur Sen-
kung bzw. Nichterhöhung der Umsatzsteuer.


(Beifall bei der SPD)

Umsatzsteuerbetrug geht nicht nur zulasten des Fiskus,

sondern auch zulasten steuerehrlicher Unternehmer und


(A)



(B)



(C)



(D)


1802


(A)



(B)



(C)



(D)






Bürger in diesem Lande. Zur Bekämpfung des Umsatz-
steuerbetruges haben wir bereits etliche Maßnahmen er-
griffen.Angesichts der fortgeschrittenen Stunde möchte ich
das alles gar nicht mehr aufzählen.An eines jedenfalls, Herr
KollegeThiele, kann ichmich sehr gut erinnern:Alswir die-
ses Gesetz im zuständigen Ausschuss des Deutschen Bun-
destages beraten haben – an dieAusschussberatung kann ich
mich noch sehr gut erinnern –, haben Sie ständig versucht,
alle Bemühungen, zu einer sachgerechten Lösung des Pro-
blemsdesUmsatzsteuerbetruges zukommen, zublockieren.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nein, das stimmt doch gar nicht!)


Da wurde das Argument vorgetragen, dieses Gesetz führe
zu zusätzlicher Bürokratie. Auch wir wollen keine zu-
sätzliche Bürokratie. Aber man muss sich, wenn man
daran denkt, irgendwann wieder einmal politische Verant-
wortung zu übernehmen,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Haben wir doch! Schon Sonntag!)


auch ehrlich daran orientieren, wie man – zugegeben: mit
möglichst wenig bürokratischem Aufwand – den An-
spruch des Staates, die Beträge in die Kassen zu bekom-
men, wie das unsere Steuergesetze vorsehen, realisiert.
Hier haben Sie sich eher verweigert.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Bei diesem Gesetz ja!)


Mit den Anträgen, die Sie heute stellen, leisten Sie hierzu
keinen Beitrag. Die Bürger wollen Ergebnisse sehen. Be-
teiligen Sie sich zukünftig durch konstruktive Vorschläge
an unserer Gesetzgebungsarbeit, anstatt sie zu behindern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502306000

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen

Koppelin das Wort.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1502306100

Der Kollege Schild hat eben noch einmal das versucht,

was auch andere Redner der Koalition versucht haben,
nämlich unseren Antrag als Wahlkampf abzutun. Ich weise
noch einmal darauf hin, dass unser Antrag vom 2. Dezem-
ber 2002 ist. Im Dezember, Kollege Schild, gab es die Aus-
sage des SPD-Fraktionsvorsitzenden Müntefering, der
Bürger müsse weniger Geld haben, weil der Staat mehr
Geld brauche. Unser Antrag ist nötiger denn je.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502306200

Herr Kollege Schild, Sie können erwidern.


Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1502306300

Herr Kollege Koppelin, wir sind in der Sache offen-

sichtlich nicht weit auseinander. Sie kennen unseren An-

trag. Sie brauchen ihm nur zuzustimmen. Dann haben wir
das Problem heute vom Tisch.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: So kurz geht das, Herr Koppelin!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502306400

Herr Kollege Schindler, Sie haben das Wort.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502306500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Schild, Sie haben ge-
rade gesagt: „Dann haben wir das Problem heute vom
Tisch.“ Ich muss dazu einmal nachfragen. In Ihrem An-
trag sprechen Sie von der allgemeinen Mehrwertsteuer.
Mehrwertsteuer ist auch Umsatzsteuer. Gibt es neben der
allgemeinen Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer noch eine
Spezial-Mehrwertsteuer/-Umsatzsteuer? Mit dieser For-
mulierung in Ihrem Antrag – darauf hat auch Carl-Ludwig
Thiele mit Recht schon hingewiesen – halten Sie sich alle
Türen offen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wie unglaubwürdig Ihr Antrag ist, zeigt das
Steuervergünstigungsabbaugesetz oder, besser gesagt,
Steuererhöhungsgesetz, das wir in diesen Tagen im
Finanzausschuss beraten. In zwölf Punkten ist darin von
einer Umsatzsteuererhöhung die Rede. Heute, am Frei-
tag vor der Wahl in Hessen und Niedersachsen, sagen
Sie: keine Erhöhung. – Das soll man draußen noch ver-
stehen!

Noch ein Wort zur Klarstellung, Frau Staatssekretärin
Hendricks. Wir von der CDU/CSU lassen uns deutschen
Patriotismus von Sozialdemokraten weiß Gott nicht vor-
halten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer hat denn die deutsche Einheit gewollt? Wer hat sie
getragen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Heute ist es so dargestellt worden, als würden wir deut-
sche Zustände schlechtreden. Dazu kann ich nur sagen:
Wenn die Opposition die Wahrheit nicht mehr sagen darf,
dann kann sie ihre Rolle nicht mehr wahrnehmen. Wir
müssen dem deutschen Volk doch die Wahrheit näher
bringen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502306600

Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage der Abgeordneten Hendricks?


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502306700

Gern.

Horst Schild






Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1502306800

Herr Kollege Schindler, sind Sie bereit, mir darin zu-

zustimmen, dass ich in der Debatte gesagt habe, diejeni-
gen, die das Land schlechtredeten, seien keine Patrioten,
und sind Sie damit auch bereit, mir darin zuzustimmen,
dass Sie mit Ihrer Aussage zugegeben haben, zu den
Schlechtrednern dieses Landes zu gehören?


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: So ein Blödsinn! – Das ist eine Verschlimmbesserung!)



Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502306900

Das ist eine neue Definition, Frau Kollegin Hendricks:

Wenn man die Wahrheit sagt, ist man ein Schlechtredner. –
Wir haben nur auf Zustände hingewiesen.

Weil Sie die Zwischenfrage gestellt haben, möchte ich
hier noch etwas sagen. Sie werfen uns vor – auch das war
Teil Ihrer Rede –, wir hätten Schulden gemacht. Dazu
sage ich: Wir waren auf die Schulden infolge der deut-
schen Einheit unter der Regierung Kohl/Waigel/Kinkel
– das war ja die Koalition – stolz und ich bin es heute
noch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie von Rot-Grün machen derzeit auch Schulden. Das ist
aber nur verfehlte Finanzpolitik. – Sie dürfen sich wieder
setzen, Frau Hendricks.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will jetzt noch einige aktuelle Zahlen kundtun. Zu

diesem Zeitpunkt, Ende Januar, hat der deutsche Staat ins-
gesamt 38 Milliarden Euro eingenommen. Das heißt, sta-
tistisch hat jeder aus der Bevölkerung – vom Säugling bis
zur Greisin – schon 460 Euro an Steuern bezahlt. Sie ver-
suchen, dieses Thema durch die Hintertür für sich zu be-
setzen – ich habe übrigens die Überschrift des Artikels in
der heutigen Ausgabe der „FAZ“ so nicht verstanden –;
deshalb ist es gut, dass wir heute noch einmal darüber dis-
kutieren, welche Positionen von Rot-Grün in der Vergan-
genheit vertreten worden sind. Mit Recht hat die FDP die-
sen Antrag gestellt. Frau Scheel kommt alle drei, vier Tage
mit einem neuen Vorschlag. Im Finanzausschuss hört sich
alles schon wieder ganz anders an. Deswegen dient die
Diskussion heute zur Klarstellung in der Frage: Was pas-
siert in Zukunft bei der Mehrwertsteuer?

Die Überlegungen betreffen die Deckelung der Sozial-
etats, die generelle Sanierung der Sozialsysteme und den
Schuldenabbau bei Ländern, Kommunen und beim Bund.
Aber der Kernpunkt ist: Würde die Mehrwertsteuer er-
höht, würde der kleine Mann die Hauptlast tragen, weil
seine Belastung prozentual zum Einkommen die höchste
wäre. Das ist mit der Union so nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Diese Ankündigungen sind wie ein Konzert aller mögli-
chen Instrumente. Seit dem 22. September letzten Jahres

gibt es jeden Tag neue Vorschläge von Rot-Grün. Die
Kernbegriffe: Abgeltungsteuer – wissen wir überhaupt, wie
die draußen ankommt? –, Vermögensteuer – Herr Gabriel
lässt grüßen; er wurde ausgebremst, das war auch bitter not-
wendig –, Wertzuwachssteuer – wie soll die denn umge-
setzt werden? Keiner hat dann mehr ein Kunstobjekt, ob es
100 oder 5 000 DM kostet – und das berühmte Steuerer-
höhungsgesetz, als Steuervergünstigungsabbaugesetz – eine
deutsche Verballhornung – deklariert. Trotzdem haben wir
eine überbordende Schuldenzunahme. Alle diese Begriffe
passen zu dem Unwort des Jahres 2002, der Ich-AG.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen:
Draußen in den Städten und draußen auf dem Lande ha-
ben die Bürger von rot-grüner Steuer- und Finanzpolitik
die Nase gestrichen voll!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Neuester Stand der Lohnzusatzkosten: über 42 Pro-

zent. Hinzu kommen noch weitere Belastungen bei den
Arbeitgebern. Das bedeutet, dass wir in der Summe trotz
der Gegenfinanzierung über die Ökosteuer – welcher
Trugschluss! – jetzt pro Jahr neun Tage mehr für Steuern
und Abgaben in diesem Staat zu arbeiten haben; Laurenz
Meyer hat schon in der gestrigen Debatte darauf hinge-
wiesen. Ich prophezeie Ihnen: Sie sind noch zwei oder
drei Jahre an der Regierung. Bis dahin wird es so sein,
dass der deutsche Lohnempfänger bis einschließlich Au-
gust für den Staat arbeitet, bevor er sein Einkommen sel-
ber behalten kann.

Fischer und Schröder sind auf dem Weg zur Staats-
wirtschaft. Das muss man doch feststellen. Ein grüner
Außenminister ruiniert in nur vier Jahren die guten Be-
ziehungen zu den europäischen Partnern – was ist denn
gestern alles los gewesen? –, von den USA ganz zu
schweigen.

Liebe Freunde, die Amerikaner sind total irritiert. Das
deutsch-amerikanische Verhältnis hat Auswirkungen
auf unseren Wirtschaftskreislauf und unsere Wirtschafts-
und Steuerbilanz. Das veränderte Kaufverhalten der Ame-
rikaner werden wir in einem Jahr spüren.

Jetzt schlagen auch die verfehlten Beschlüsse zur
Steuerreform aus dem Jahre 2000 durch, die damals auch
von vielen Medien hoch gelobt wurde. Natürlich schlägt
auch die Verschiebung der Steuerentlastung für Mittelstand
und Gewerbe, die eigentlich ab diesem Jahr gelten sollte,
auf die Stimmung durch. Was sind das für Botschaften für
Jungunternehmer, für Mittelständler, die trotz dieses
Durcheinanders noch bereit sind, mit eigenem Risiko-
kapital zu investieren? Das ist nicht mehr zu verzeihen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer von Freiheit redet und sie will, muss Verschieden-

heit akzeptieren. Diesen Grundsatz haben Sie, die Sie nun
im fünften Jahr an der Regierung sind, in keinem Ihrer
Ansätze beherzigt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Keiner zahlt gerne Steuern. Aber die Bereitschaft, dies
zu tun, muss man natürlich fördern, indem man den Steuer-
zahlern draußen das Gefühl gibt, dass hier keine Blut-
saugermentalität herrscht. Die Steuergesetze sollten als


(A)



(B)



(C)



(D)


1804


(A)



(B)



(C)



(D)






Lenkungsinstrumente zur Förderung von Innovation und
Leistung eingesetzt werden. Sie ersetzen mit Ihren Geset-
zen dieses Leistungsprinzip durch Neid und Staatswirt-
schaft. Ein beredtes Zeichen dafür sind die Kontrollmit-
teilungen, die in Zukunft alle Banken an das Bundesamt
für Finanzen zu geben haben. Was bedeutet das für das
Bankgeheimnis?Was bedeutet es, dass der Staat nieman-
dem mehr traut? Wer dies so will und misstraut, dem ist
nicht zu trauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Recht muss auch in Zukunft auf Vertrauen aufbauen.
Ich stelle fest: Lafontaine ante portas. Die Vorstellung,
dassBeschlüsse rückwirkend gelten – das wird in Ihrem
Steuererhöhungsgesetz andiskutiert –, ist angesichts der
Auswirkung und mit Blick auf die Vertrauensbildung un-
erträglich. So etwas ist unanständig! Welche Termine sol-
len denn gelten? Vielleicht November 2002 oder doch erst
Januar 2003? Diese Beschlüsse werden Sie mit rot-grüner
Mehrheit im Bundestag wahrscheinlich durchsetzen.
Aber warten wir einmal ab, was Sie am Mittwoch oder
Donnerstag nächster Woche verkünden müssen.

Was bedeutet das denn für Umwandlungen, für Mantel-
käufe oder für Verlustverrechnungen? Was bedeutet das für
die Wertzuwachssteuer? Dieses Chaos ist einer der Gründe,
warum der Wirtschaftsstandort Deutschland, von dem Sie
so gerne reden, solche Probleme hat. Sie sagen immer,
diese Probleme seien weltwirtschaftlich bedingt. Nein, sie
sind hausgemacht. Die haben Sie zu verantworten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Bei der Steuergesetzgebung blickt niemand mehr
durch. Ihre Reformen aus dem Jahr 2000 haben nicht
gewirkt. Jeder redet von Entflechtung und von Entbüro-
kratisierung. Ich will daran erinnern: Die Bibel – gemeint
sind die Zehn Gebote – wurde auf zwei Schiefertafeln nie-
dergeschrieben. Die amerikanische Unabhängigkeits-
erklärung bringt es auf eine Seite. Das Grundgesetz be-
inhaltet die Grundrechte in 19 Artikeln und besteht
insgesamt aus 146 Artikeln. Was Sie in nur fünf Jahren
Rot-Grün an zusätzlichen Belastungen gerade für den
Mittelstand auf den Weg gebracht haben, das schlägt dem
Fass den Boden aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502307000

Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Abgeordneten Pronold?


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502307100

Ja, gerne.


Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1502307200

Ich will mein theologisches Wissen auffrischen, des-

halb meine Frage: Ist die Bibel wirklich auf zwei Schie-
fertafeln geschrieben worden? Das ist mir neu.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1502307300

Ich streite mich gerne mit Ihnen darüber, was in Sinai

passiert ist. Aber bitte beachten Sie: Im achten Gebot steht,
du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Erklären Sie, gerade in der aktuellen Diskussion, den
Leuten draußen einmal die Logik Ihrer Vorschläge zur
Steuergesetzgebung! Wieso muss man für das Futter der
Kuh Elsa in der Westpfalz in Zukunft 16 Prozent Um-
satzsteuer zahlen, für das Futter für den Kampfhund um
die Ecke dagegen weiterhin nur 7 Prozent, welches be-
günstigt ist? Erklären Sie den Leuten draußen einmal die
Logik, warum in Zukunft erst der Nachwuchs da sein
muss, bevor der Staat den Bau des Eigenheims fördert?
Das ist ideologische Vorgabe. Sie wollen keine Eigen-
tumsbildung in diesem Staat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Erklären Sie der Werbeindustrie oder den normalen

Mittelständlern, die ständig unterwegs sein müssen, um
Beziehungen zu Kunden zu pflegen und aufrecht zu er-
halten, doch einmal Ihre Vorstellung zu der Abzugsfähig-
keit bei Werbegeschenken.Wer solche Vorschläge macht,
der hat von Marktwirtschaft keine Ahnung. Sie akzeptie-
ren bis zu fünfstellige Kosten für Anzeigen, persönliche
Kundenpflege wird dagegen – das ist wohl Neid – als per-
sönliche Begünstigung angesehen. Ihr wird durch Ihre
Vorschläge die Grundlage genommen.

Oder erklären Sie Ihr Vorhaben, die Dienstwagen-
besteuerung um 50 Prozent zu erhöhen. Sie treffen damit
weite Kreise der Bevölkerung und nicht nur die Manager.


(Lachen bei der SPD)

– Wahrscheinlich arbeiten Sie gar nicht oder wissen nicht,
wovon ich rede, weil Sie in dieser Situation noch so herz-
lich lachen können. Gehen Sie nur einmal nach draußen.

Erinnern Sie sich an 1997. Ich kenne die Diskussion.
Unsere Vorstellungen wurden damals mit roter Bundes-
ratsmehrheit gekippt und es musste ein Kompromiss ge-
sucht werden. Damals wurde die Regelung mit der Be-
steuerung in Höhe von 1 Prozent getroffen, weil wir einen
Fehlbetrag von 700Millionen Mark hatten. Dieses Wissen
habe ich aus der Arbeit im Parlament. Ein Jahr später hat-
ten wir wegen Ihrer Gesetze 2,5 Milliarden Mark weniger
Steuereinnahmen zu verzeichnen. Das ist der falsche Weg,
den wir in Deutschland nicht weitergehen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus den verschiedensten Artikeln über die Diskussion

der Besteuerung von Kunst können wir herauslesen,
dass diese nur mit Neid und nichts mit Standortförderung
in Deutschland zu tun hat. Die Situation, in der wir uns be-
finden, ist nicht nur Besorgnis erregend, sondern mittler-
weile mit Furcht zu beobachten.

Es gibt ein Einwandern aller sozial Armen – egal, aus
welcher Ecke dieser Erde sie kommen – in die Systeme un-
serer Republik. Daneben gibt es einen Auszug von Kapital
und Wissenschaft sowie eine Flucht der besten Intelligenzen
und des besten Kapitals, nämlich unserer ausgebildeten,

Norbert Schindler




Norbert Schindler
jungen und führenden Leute, die sich lieber in Amerika und
sonst wo niederlassen als in unserem deutschen Vaterland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Freunde, meine Damen und Herren – auch von

den Koalitionsfraktionen –, Sie dürfen einer solchen Ent-
wicklung nicht tatenlos zusehen. Wenn kein Geld mehr da
ist, nützt auch die beste Idee für eine Bildungsreform
nichts, weil man sie nicht finanzieren kann. Das hat auch
die Debatte über die Situation der Kommunen von vor
zwei Tagen gezeigt.

Aufgrund der Steuerbeschlüsse des Jahres 2000 haben
Sie es zu verantworten, dass Deutschlands Städte und
Landkreise bankrott sind. Das war Ihre politische Vorgabe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Kommen Sie nicht mit einer billigen Vorrechnung, nach
der es in Hessen so und in Bayern anders aussieht. Sie ha-
ben es damals ideologisch gewollt. Der Eigentümer soll
sich nach Ihren ideologischen Vorgaben steuerlich von
seinem Unternehmen trennen.

Um zum Schluss zu kommen: Am Sonntag besteht die
erste Möglichkeit zur Abrechnung. Deutschlands Bürgerin-
nen und Bürger und vor allem die Wählerinnen und Wähler
sind vernünftig genug, Ihnen nicht nur einen Denkzettel zu
geben, sondern auch uns zu bestätigen, dass Deutschland für
wirklich tief greifende Reformen wieder reif ist und dass Sie
mit Ihrem ideologischen Ballast in die Ecke gestellt werden.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Mein Gott! Das ist eine Blamage für Sie!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502307400

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-

empfehlung des Finanzauschusses zu dem Antrag der
Fraktion der FDP mit dem Titel „Keine Erhöhung der
Mehrwertsteuer“. Dazu liegt dem Präsidium eine persön-
liche Erklärung des Abgeordneten Dr. Göhner schriftlich
vor. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksa-
che 15/123 abzulehnen. Die Fraktion der FDP verlangt
namentliche Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den
Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstim-
mung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstim-
mung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir fahren
gleich mit Abstimmungen fort.1 Deshalb bitte ich Sie, sich
nach Fraktionen zu ordnen.

Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP
mit dem Titel „Weniger Staat – weniger Steuern“ ab. Der
Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/122
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 15/387 mit dem Titel „Eine Mehrwertsteuer-
erhöhung ist abzulehnen“. Die Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen verlangen zu den einzelnen Num-
mern ihres Antrags getrennte Abstimmung und zu Num-
mer 4 namentliche Abstimmung. Wir stimmen zunächst
über die Nummern 1 bis 3 des Antrags ab. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Num-
mern 1 bis 3 sind mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Wir kommen zu Nummer 4 des Antrags, über den wir
namentlich abstimmen. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen.2 Das Ergebnis der Abstim-
mung wird Ihnen später bekannt gegeben.

Wir setzen die Beratungen fort.

(Unruhe)


– Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, Platz zu neh-
men, weil wir in die Beratung über den nächsten Tages-
ordnungspunkt eintreten wollen. Das wäre auch der
nächsten Rednerin gegenüber fair.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset-

(Erstes Zivildienständerungsgesetz 1. ZDGÄndG)

– Drucksache 15/297 –

(Erste Beratung 20. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses

(12. Ausschuss)

– Drucksache 15/375 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Willi Zylajew
Jutta Dümpe-Krüger
Ina Lenke


(A)



(B)



(C)



(D)


1806

2 Ergebnis Seite 1811 D1 Ergebnis Seite 1809 C


(A)



(B)



(C)



(D)






Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamen-
tarische Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel.


(Unruhe)

– Frau Kollegin, warten Sie bitte noch einen kleinen Mo-
ment. Ich bitte herzlich darum, der Rednerin zuzuhören oder
die Gespräche außerhalb des Plenarsaales fortzusetzen.

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Christel Riemann-Hanewinckel, Parl. Staatssekretä-
rin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Diejenigen, die noch stehen, können gerne
Platz nehmen und die Debatte über diesen wichtigen Ta-
gesordnungspunkt verfolgen.

Dank des Einsatzes von Zivildienstleistenden und dank
des Einsatzes der vielen qualifiziertenMitarbeiterinnen und
Mitarbeitern in den Beschäftigungsstellen und nicht zuletzt
dank derer, die im Bundesamt für den Zivildienst arbeiten,
hat sich der Zivildienst in den vergangenen Jahren hervor-
ragend entwickelt. Es gibt heute 190000 Zivildienstplätze,
auf denen anerkannte Zivildienstverweigerer aus Gewis-
sensgründen ihren Zivildienst leisten können. Damit ist das
Spektrum für den Einsatz der Kriegsdienstverweigerer sehr
breit.Die jungenMännerkönnensicheinenPlatz aussuchen,
der ihren Interessen, ihren Neigungen und ihrer Motivation
entspricht. Während des Zivildienstes sammeln die jungen
Männer wertvolle Erfahrungen, die ihre Persönlichkeit prä-
gen und die für ihr späteres Leben oft sehr wichtig sind.

Die Zivildienstleistenden entlasten aber auch das stark
beanspruchte hauptamtliche Personal in den verschie-
densten stationären Einrichtungen, von Kinderkliniken
über Krankenhäuser, in Pflegeheimen, aber auch im am-
bulanten Bereich, zum Beispiel in den Sozialstationen,
genauso wie in den Kommunen und bei den Umweltver-
bänden bis hin zu Hospizen, in denen Sterbebegleitung
vorbildlich geleistet wird.

Natürlich sind die jungen Männer – das wissen wir alle –
sehr gern in der Behindertenarbeit gesehen, besonders in
der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung. Zivil-
dienstleistende sind für die Integration von Menschen mit
Behinderungen in unserer Gesellschaft wichtig. Dies
stelle ich im Europäischen Jahr der Menschen mit Behin-
derungen ganz bewusst heraus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Wichtigkeit wird insbesondere dann deutlich,

wenn man sich einmal die Fülle der Hilfen für die Behin-
derten, zu denen Zivildienstleistende durch ihre Arbeit ei-
nen oft wesentlichen Beitrag leisten, vor Augen führt: Zi-
vildienstleistende unterstützen Menschen im Haushalt, in
der Freizeit, im Sport und in Kindertagesstätten, in allen
allgemein bildenden Schulen für Behinderte sowie beim
Studium und bei der Aus- und Fortbildung, in der Reha-
bilitation und auch bei der Aufnahme und Ausübung einer
beruflichen Tätigkeit.

Integration ist hierbei nicht nur einseitig zu verstehen.
Zivildienstleistende erleben und erfahren Menschen mit
Einschränkungen als Teil einer solidarischen Gesellschaft
und als Menschen, von denen auch sie selbst etwas lernen
können und lernen. Mancher Zivildienstleistende hat sich
aufgrund seiner Erfahrung für eine entsprechende Studi-
enrichtung entschieden bzw. wurde die Berufswahl man-
ches Zivildienstleistenden durch die Erfahrung während
seines Dienstes geprägt.

Diese überaus positive Einschätzung war und ist An-
lass für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktio-
nen, alles zu tun, um die zur Haushaltskonsolidierung
zwingend notwendigen und unverzichtbaren Sparmaß-
nahmen so umzusetzen, dass die Auswirkungen auf die
Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen so gering wie
möglich bleiben. Bei der Erhöhung der Kostenbeteili-
gung, um die es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf
geht, war und ist es der Bundesregierung und den Frak-
tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen wich-
tig, dass die betroffenen Dienststellen sie mittragen kön-
nen und dass sie sozialverträglich sind.

Sozialverträglich ist aber nicht, die Zahl der Einzube-
rufenden zu senken. Dies wäre – das sage ich ganz deut-
lich – der ungünstigste Weg; denn eine plötzliche Absen-
kung der Einberufungszahlen würde dazu führen, dass
viele Verbände noch zur Einberufung vorgesehene Zivil-
dienstleistende nicht einberufen könnten. Dies hätte meh-
rere erhebliche negative Auswirkungen zur Folge. Ei-
nige dieser Auswirkungen will ich hier nennen:

Die Zahl der Zivildienstleistenden würde weit unter die
für das Zivildienstjahr 2003 vereinbarte Zahl sinken. In
den nächsten Monaten könnten nur noch wenige Zivil-
dienstleistende einberufen werden. Das würde sich auf die
von den Zivildienstleistenden übernommenen Aufgaben
sehr nachteilig auswirken. Es wäre nicht auszuschließen,
dass die Pflege und Betreuung vieler Menschen nicht in
der notwendigen Kontinuität fortgeführt werden können.


(Ina Lenke [FDP]: Aber genau das machen Sie ja jetzt!)


– Nein, das wird nicht passieren, Frau Lenke. Hören Sie
gut zu und behaupten Sie nicht immer das Gegenteil! Das
stimmt einfach nicht.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Frau Lenke kann doch gar nicht zuhören!)


Wenn wir nicht so handelten, wie wir es vorgesehen ha-
ben – ich fahre in meiner Aufzählung fort –, dann würde
vor allem die Lebensplanung vieler Zivildienstleistender
erheblich durcheinander geraten, da sie auf ihren Zivil-
dienst länger warten müssten. Für viele Zivildienstleis-
tende, die aufgrund der bisherigen Kontingentierung eine
Zivildienststelle gefunden haben, würde sich der Dienst-
antritt verschieben. Durch die Verlängerung der Zeit des
Wartens auf einen Zivildienstplatz bestünde auch die Ge-
fahr, dass die Familien von Zivildienstpflichtigen mit zu-
sätzlichen Unterhaltskosten belastet würden.

Für uns ist entscheidend, dass es nicht zu diesem er-
heblichen und mitunter folgenschweren Eingriff in die
Lebensplanung junger Männer kommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner




P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1502307500
Mit der
gefundenen Regelung können wir das verhindern. Ich be-
tone nochmals: Planungssicherheit für die jungen Män-
ner, die ihre Einberufung schon haben, Planungssicherheit
auch für die Dienststellen, Kontinuität in der Betreuung.
Das sind die drei wichtigsten Ziele, die wir mit der Ver-
abschiedung dieses Gesetzentwurfs erreichen wollen.


(Ina Lenke [FDP]: Mit dem Gesetzentwurf?)

Sie können sich diesen Argumenten nicht verschließen.

Wir sind uns mit den Verbänden der Freien Wohlfahrts-
pflege, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Um-
weltverbänden und allen, die den Zivildienst vor Ort
durchführen, einig. Auch die beiden Kirchen haben genau
das angemahnt, nämlich dass Klarheit für die Lebenspla-
nung der Zivildienstleistenden bestehen muss und sie sich
auf das verlassen können müssen, was für das Jahr 2003
geplant ist.


(Ina Lenke [FDP]: Die haben das kritisiert!)

Alle, die unsere Gesetzesinitiative ablehnen, müssen

wissen, dass sie damit eine Politik gegen die Interessen
der Zivildienstpflichtigen und deren Familien und auch
eine Politik gegen die Dienststellen machen, also eine Po-
litik gegen die betroffenen Menschen.


(Ina Lenke [FDP]: Jetzt reicht es aber!)

– Es reicht noch nicht, ich habe noch Redezeit, Frau
Lenke. – Sie müssten wissen, dass viele Betreuungsver-
hältnisse im Sommer sonst nicht verlängert werden kön-
nen und dass das stark beanspruchte hauptamtliche Per-
sonal dann noch mehr Lasten tragen müsste. Das gilt, wie
ich schon ausgeführt habe, insbesondere für den Behin-
dertenbereich.


(Ina Lenke [FDP]: Dafür sind Sie verantwortlich! – Zuruf von der CDU/CSU: Deshalb kürzen Sie jetzt die Zuschüsse?)


Meine Damen und Herren von der Opposition, das kann
niemand von Ihnen, weder auf Bundes- noch auf Länder-
ebene, verantworten. Darum werbe ich nochmals nach-
drücklich um Zustimmung zur Gesetzesinitiative der Ko-
alitionsfraktionen.

Wir haben in Absprache mit den Wohlfahrtsverbänden
und der Deutschen Krankenhausgesellschaft einen Weg
gefunden, der die Lebensplanung der jungen Männer
nicht beeinflusst. Bisher zahlt der Bund den Beschäfti-
gungsstellen den Mobilitätszuschlag in voller Höhe; in
Bezug auf die übrigen Geldbezüge erstattet der Bund den
entstehenden Aufwand zu 70 Prozent. Die Neuregelung
sieht für einen bestimmten Zeitraum vor: Der Mobilitäts-
zuschlag bleibt bei 100 Prozent, die Erstattungspauschale
für die übrigen Aufwendungen wird für den Zeitraum von
März 2003 bis zum 31. Dezember 2003 um 20 Prozent auf
50 Prozent gesenkt. Das bedeutet für die Dienststellen
– das ist richtig – eine Mehrbelastung von 66 Euro pro
Zivildienstleistenden pro Monat. Wir erreichen damit,
dass die eingegangenen Verpflichtungen in Form von Ein-
berufungen bzw. verteilten Kontingenten im laufenden
Zivildienstjahr 2003 erfüllt werden können. Ich stelle
noch einmal fest: Diese Situation ist mit den den Zivil-
dienst tragenden Verbänden erörtert und geklärt worden.


(Ina Lenke [FDP]: Nur erörtert!)


– Nein, auch geklärt. Sie haben sich angesichts der Alter-
nativen für die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgese-
hene Regelung ausgesprochen.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren von den die frühere Bun-

desregierung tragenden Koalitionsfraktionen, ich finde
das gar nicht zum Lachen. Vielleicht schaffen Sie es, sich
über einen Zeitraum von zehn Jahren zu erinnern: 1993
haben Sie genau diesen Weg beschritten. Sie haben da-
mals die Erstattungspauschale an die Dienststellen um
30 Prozent gekürzt.


(Otto Fricke [FDP]: Macht es doch besser!)

All Ihre Behauptungen bezüglich dessen, was passieren
könnte, sind bei diesem Thema bestenfalls Ihrer Opposi-
tionsrolle geschuldet. Aber Sie machen keinen besseren
Vorschlag. Wir können feststellen: Das hat damals und in
den vergangenen Jahren


(Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Wir haben jetzt ganz andere Zeiten als damals!)


weder zu einer Einschränkung der Arbeit der Zivil-
dienstleistenden im Betreuungsbereich noch zu einem
Abbau von Zivildienststellen geführt. Auch nach der
jetzt beabsichtigten Erhöhung des Anteils, den die Zivil-
dienststellen für die Kosten der Zivildienstleistenden zu
tragen haben, können wir davon ausgehen, dass die
Dienststellen die Zahl ihrer Zivildienstplätze nicht redu-
zieren werden.


(Ina Lenke [FDP]: Das stimmt nicht!)

Der moderate Umfang, die zeitliche Befristung auf zehn
Monate und die vorherige Abstimmung mit Vertretern der
den Zivildienst tragenden Verbände und anderer Organi-
sationen lassen eine solche Entwicklung nicht erwarten.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Sie können sicher sein: Wir werden in Zukunft in en-

ger Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und
allen anderen im Zivildienst engagierten Organisationen
alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Betreuung
der Menschen im sozialen Bereich sicherzustellen und
nach Möglichkeit in Zukunft wieder zu verbessern. Obers-
tes Ziel für die Durchführung des Zivildienstes muss Pla-
nungssicherheit sein. Entsprechend wird sich die Ministe-
rin


(Ina Lenke [FDP]: Wo ist sie denn?)

noch in diesem Frühjahr erneut mit dem Präsidenten der
Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie den Vertretern
der Freien Wohlfahrtspflege, der kommunalen Spitzen-
verbände und der Umweltverbände treffen, um Verabre-
dungen für die Folgejahre zu vereinbaren.

Ich appelliere noch einmal an Sie, den vorliegenden
Gesetzentwurf zu unterstützen. Bisher war der Zivildienst
nicht Gegenstand von parteipolitischen Ränkespielen. Ich
wünsche mir sehr, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



(B)



(C)



(D)


1808


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502307600

Ich komme zurück zu Tagesordnungspunkt 10 a

und gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Finanzaus-

schusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem
Titel „Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer“ bekannt.
Abgegebene Stimmen 528. Mit Ja haben gestimmt 288,
mit Nein haben gestimmt 239, Enthaltungen 1. Die Be-
schlussempfehlung ist damit angenommen.

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 526;
davon

ja: 287
nein: 238
enthalten: 1

Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)

Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße

Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann

(Wackernheim)


Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann

Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange (Backnang)

Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christian Müller (Zittau)

Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann (Bramsche)

Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel

René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde

Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Brigitte Schulte (Hameln)

Reinhard Schultz

(Everswinkel Swen Schulz Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Jürgen Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Dr. Reinhard Göhner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck Volker Beck Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer Katrin Dagmar Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt Werner Schulz Petra Selg Ursula Sowa Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf Fraktionslos Petra Pau Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Peter Bleser Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Verena Butalikakis Hartmut Büttner Cajus Caesar Peter H. Carstensen Leo Dautzenberg Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer Axel E. Fischer (KarlsruheLand)


(Wiesloch)





(A)


(B)


(C)


(D)


(Wolmirstedt)


(Reutlingen)


(Bönstrup)


(Schönebeck)


(Nordstrand)


Dr. Maria Flachsbarth

Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Tanja Gönner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg

Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Bernhard Kaster
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn (Zingst)

Dr. Norbert Lammert
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus

Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Stephan Mayer (Altötting)

Conny Mayer (Baiersbronn)

Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Doris Meyer (Tapfheim)

Maria Michalk
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Bernd Neumann (Bremen)

Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Christa Reichard (Dresden)

Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)

Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)

Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt (Mülheim)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach


(A)



(B)



(C)



(D)






Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über Nr. 4 des Antrags der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Eine

Mehrwertsteuererhöhung ist abzulehnen“ bekannt. Abge-
gebene Stimmen 526. Mit Ja haben gestimmt 285, mit
Nein haben gestimmt 241. Die Nr. 4 des Antrags ist ange-
nommen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Christian Freiherr von
Stetten

Gero Storjohann
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich

Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

FDP
Daniel Bahr (Münster)

Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann

Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann

(Homburg)


Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)


Eberhard Otto (Godern)

Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein

Enthalten
Fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 525;
davon

ja: 285
nein: 240

Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)

Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)


Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury

Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag

Lilo Friedrich (Mettmann)

Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann

(Wackernheim)


Anke Hartnagel

Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Ver-
sammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete(r)
Deittert, Hubert Eymer (Lübeck), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner
CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD

Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht (Tuchenbach), Marlene
FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD

Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi
SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD

DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN




Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner


(A)



(B)



(C)



(D)


Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange (Backnang)

Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Christian Müller (Zittau)

Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann (Bramsche)


Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel

René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Brigitte Schulte (Hameln)

Reinhard Schultz

(Everswinkel)


Swen Schulz (Spandau)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt (Pforzheim)


Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Dagmar
Göring-Eckardt

Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager

Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Ingolstadt)

Werner Schulz (Berlin)

Petra Selg
Ursula Sowa
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)

Fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau

Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck

(Reutlingen)


Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Paul Breuer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Cajus Caesar
Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)



(A)



(B)



(C)



(D)





Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

(KarlsruheLand)


Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg

Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Bernhard Kaster
Gerlinde Kaupa

Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn (Zingst)

Dr. Norbert Lammert
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Stephan Mayer (Altötting)

Conny Mayer (Baiersbronn)

Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Doris Meyer (Tapfheim)

Maria Michalk
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Bernd Neumann (Bremen)

Henry Nitzsche
Michaela Noll
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek

Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Christa Reichard (Dresden)

Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)

Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)

Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Andreas Schmidt (Mülheim)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Thomas Silberhorn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von
Stetten

Gero Storjohann
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz

Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Daniel Bahr (Münster)

Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Christoph Hartmann

(Homburg)


Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)


Eberhard Otto (Godern)

Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Günter Rexrodt
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein

Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Ver-
sammlungen des Europarates und der WEU, der Parlamentarischen Versammlung der NATO, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete(r)
Deittert, Hubert Eymer (Lübeck), Anke Höfer, Gerd Jäger, Renate Jonas, Klaus Werner
CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD SPD

Leibrecht, Harald Lintner, Eduard Rauber, Helmut Riester, Walter Rupprecht (Tuchenbach), Marlene
FDP CDU/CSU CDU/CSU SPD SPD

Dr. Scheer, Hermann Siebert, Bernd Steenblock, Rainder Tritz, Marianne Wegener, Hedi
SPD CDU/CSU BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/ SPD

DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN




Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Nächster Redner in der jetzigen Debatte ist der Kollege
Willi Zylajew, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1502307700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-

ren!
Die Zivis sind längst eine feste Größe in unserem So-
zialsystem geworden.

Mit diesem Zitat möchte ich beginnen. Ich denke, wir alle
wissen dies und wir haben dazu Beeindruckendes von der
Staatssekretärin erfahren. Sie, meine Damen und Herren
von der Koalition, wollen diese feste Größe nun weiter de-
montieren.

Schon im Jahr 2000 haben Sie den ersten Schritt ge-
macht, indem Sie die Beteiligung des Bundes von 75 auf
70 Prozent reduziert haben. Das war damals ein kleiner
Schritt; nun folgt ein großer, die Richtung aber bleibt un-
verändert: Sie belasten mit Ihrem Verhalten den Sozialbe-
reich enorm.

Schauen wir kurz zurück: 1961 gab es 340 Ersatz-
dienstleistende. In den 60er-Jahren gab es etwa 4 000 bis
5 000 Antragsteller pro Jahr. Mit der Kanzlerschaft von
Herrn Brandt wurde der Zivildienst planmäßig als Säule
des Sozialsystems ausgebaut. Wohlfahrtsverbände, Kir-
chen und Schulträger wurden umworben, Zivildienst-
plätze mussten her.

Mit einer aufwendigen Kampagne wurden Einsatzge-
biete erschlossen, so Mahlzeitendienste auf Rädern und
Hilfsangebote für ältere Menschen.Manche Leistungen
wurden erst durch den Zivildienst möglich, wie zum Bei-
spiel Behindertenfahrdienste. In Altenheimen wurden
haustechnische Dienste auf- und ausgebaut, sozial-kultu-
relle Dienste wurden eingerichtet. Auch in Kindergärten,
in Behindertenschulen und -wohnheimen wurden die
Zivildienstleistenden zu der eingangs genannten festen
Größe in unserem Sozialsystem.

Ganz besonders haben die Kolleginnen und Kollegen
der SPD – ich erinnere mich sehr genau an diese Zeit – auf
kommunaler Ebene, in den Ländern und dem Bund für die
günstigen Zivildienstleistenden und ihre Einsatzmöglich-
keiten geworben. Vielen Wohlfahrtsverbänden, mit denen
Sie jetzt offensichtlich zumindest in Teilbereichen, näm-
lich an der Spitze, eine Einigung erzielt haben, Frau
Staatssekretärin, wurden damals Zivildienstplätze regel-
recht aufgeschwatzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich denke, auch die Kostenträger waren sehr daran in-

teressiert, mehr Einsatzfelder für Zivildienstleistende zu
erschließen; denn in den Kalkulationen der Selbstkosten-
blätter wurden natürlich nur die Kosten, die der Träger
für Sold, Verpflegung, Arbeitskleidung, Weihnachts- und
Entlassungsgeld zu übernehmen hatte, eingeplant. Damit
es keine Missverständnisse gibt, sage ich es ganz deutlich:
Die bekannten Trägerkosten wurden in die Kalkulation
aufgenommen, sie mussten von den Alten, Behinderten
und Pflegebedürftigen erbracht werden.

Ich halte das für ein faires Verfahren. Die Zivis sind so
zu einer kalkulierbaren Größe geworden. Diese Kalkula-
tion machen Sie jetzt zunichte. Planungssicherheit, Frau
Staatssekretärin, können wir überhaupt nicht mehr erken-
nen. Das ist schlimm.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie entziehen dem sozialen System in Deutschland

weitere 100 Millionen Euro; das sind Hunderttausende
Euro pro Wahlkreis – und dies in einer Zeit, in der die
kommunale Familie durch Ihre schlechte Politik perma-
nent finanziell stranguliert wird. Genau in dieser Zeit
müssen sie mit 100 Millionen Euro weniger auskommen.

Ich weiß nicht, wie es in Ihrem Wahlkreis, in Halle,
ausschaut, Frau Staatssekretärin. Ich kann nur sagen: Bei
uns müssen Einrichtungen geschlossen werden, weil
10 000 oder 20 000 Euro fehlen. Ihrem Wahlkreis – ich
habe eben mit dem Kollegen Christoph Bergner darüber
gesprochen – entziehen Sie – holterdiepolter! – 300000 bis
400 000 Euro, ohne dass die Träger dies vorher wussten,
ohne dass die Träger im laufenden Betriebsjahr die
Chance haben, ihre Haushalte entsprechend zu ändern,
und ohne dass die Träger die Möglichkeit bekamen, ge-
genzusteuern, Finanzmittel zu verlagern oder Dienste zu
streichen. Dies machen Sie ungeniert und hemmungslos.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin gespannt, welche Presse Sie am Montag in

Halle haben werden, nachdem Sie hier vollmundig erklärt
haben: Das schafft Planungssicherheit; das ist verein-
bart; das tragen die alle so mit. – Ich hoffe, dass Ihnen von
den Behinderteneinrichtungen und Krankenhäusern ein
wenig der Spiegel vorgehalten wird. Ich weiß nicht, mit
welchem Gesicht Sie dann am Montag in Ihr Ministerium
zurückkommen werden. Diejenigen aus Ihrem Ministe-
rium, die Ihnen einen solchen Unsinn aufschreiben, wis-
sen in aller Regel überhaupt nichts von dem, was draußen
los ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir alle wissen – Sie haben das angesprochen –, dass

wir parteiübergreifend versucht haben, den Zivildienst zu
entwickeln und ihn zu nutzen. Ich wiederhole das Zitat
vom Anfang:

Die Zivis sind längst zu einer festen Größe in unse-
rem Sozialsystem geworden.

Dieser Satz stammt vom Bundespräsidenten Johannes
Rau, den wir ja bei so wichtigen Themen als bedächtigen
Redner kennen. Er hat dies am 21. Juni 2000 bei der
Johannisfeier formuliert. Ich will deutlich hervorheben:
Alle Parteien haben an der Entwicklung des zivilen Er-
satzdienstes im sozialen System mitgewirkt. 1969 wurde
ein Bundesbeauftragter installiert; wenn ich mich recht
erinnere, war das damals der Kollege Hans Iven. Es sollte
so eine Aufwertung des sozialen Systems mithilfe der Zi-
vildienstleistenden ermöglicht werden. Starke Persönlich-
keiten wie Peter Hintze hatten diese Funktion inne.
Helmut Kohl besuchte im März 1985 als erster Bundes-
kanzler Zivildienstleistende an ihrem Einsatzort.

Die Zivildienstleistenden zeichnen sich dadurch aus,
dass der allergrößte Teil von ihnen ganz nah bei den Men-


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1814


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schen arbeitet. Genau da kürzen Sie jetzt – ganz nah bei
den Menschen. Sie sanieren Ihren Haushalt wieder einmal
zulasten der Schwachen, der Hilfsbedürftigen und der
Pflegebedürftigen. Das ist verwerflich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um die Sie sich ansonsten kümmern!)


– Zu den Grünen komme ich noch.

(Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das dachte ich schon! Wir warten!)


Dass die Zivildienstleistenden überwiegend wichtige
Dienste verrichten, das wissen Sie. Der Kollege Nachtwei
hat ja in der ersten Lesung schon angekündigt, dass das,
was Sie heute tun, der Einstieg in den Ausstieg ist. Das
heißt, Sie haben in der Schublade ja schon irgendwelche
Planungen, die darauf abzielen, den Zivildienst finanziell
völlig auszutrocknen. Diese Entwicklungen werden wir
nicht mittragen. Mein Eindruck ist, dass Sie aus dem Bun-
desamt für den Zivildienst eine Jobagentur machen
wollen, für deren Dienste die von Ihnen so sehr gelobten
Spitzenvertreter der Wohlfahrtsverbände noch eine Ver-
mittlungsgebühr zu zahlen hätten.

Zivildienstleistende sollen ihren Wehrersatzdienst für
die Gesellschaft so erledigen, wie die Soldaten ihren
Dienst für Freiheit und Frieden ableisten. Ich zitiere den
Herrn Bundespräsidenten Johannes Rau erneut; denn er
muss schon im Jahr 2000 Ihre Pläne vorausgesehen ha-
ben. Er hat damals gesagt – das kann man auf das bezie-
hen, was Sie heute tun –:

Das sind stille Einsparungen. Hilfe entfällt, ohne
dass die Öffentlichkeit das wirklich merkt. Betroffen
sind Menschen, die sich nicht wehren können oder
sich nicht beklagen wollen.

Immer noch Originalton Rau:
Wer bittet schon gerne um ganz einfache menschli-
che Gesten, auch wenn sie existenziell wichtig sind?

Dies hat Herr Rau im Jahr 2000 gesagt. Ich denke, Sie,
Frau Staatssekretärin, müssten vielleicht auch einmal mit
den Menschen reden und nicht nur mit den Spitzenfunk-
tionären der Wohlfahrtsverbände, die schnell dabei sind,
Ihnen bei einem Deal zu applaudieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich befürchte natürlich, dass Sie sich über diese Über-

legungen hinwegsetzen. Sie reden von Planungssicher-
heit, von Kontinuität in der Betreuung, von Absprachen
und Vereinbarungen mit den Trägern, die nach unserem
Wissen an der Basis nicht bekannt sind. Sie sagen, dass
Sie sich darüber hinwegsetzen, dass die Haushaltspläne
stehen, und dass wir im Jahr ein bisschen spät dran sind.
All das spielt für Sie keine Rolle. Bei Ihrem Weg der so-
zialen Kälte machen wir nicht mit. Wir lehnen dieses Ge-
setz deshalb ab.

Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502307800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta Dümpe-

Krüger, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-
ren! Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat mit den Stimmen von SPD und Grünen dem Ers-
ten Zivildienständerungsgesetz zugestimmt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Leider!)

Das Gesetz sieht vor, die Bundeszuschüsse zu den Geld-
leistungen für Zivildienstleistende von 70 auf 50 Prozent
zu senken,


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu kürzen!)

und zwar ausdrücklich befristet für den Zeitraum vom
1. März bis Dezember.


(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Der Kostenanteil der Träger steigt dadurch von 30 auf
50 Prozent. Warum ist dieser schmerzliche Einschnitt
nötig? Weil das Ministerium, wie jedes andere Ressort
auch, Einsparungen im Zuge der Haushaltskonsolidie-
rung erbringen muss, und zwar in Höhe von mehr als
90 Millionen Euro.


(Ina Lenke [FDP]: Aber doch nicht nur beim Zivildienst!)


– Ich komme gleich noch zu Ihnen.
Mit den Wohlfahrtsverbänden sind verschiedene Alter-

nativen diskutiert worden,

(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Mit den Verbän den? Mit den Spitzenfunktionären!)

zum Beispiel die Verkürzung der Zivildienstdauer oder
die Senkung der Zahl der Zivildienstleistenden. Die
Wohlfahrtsverbände haben die jetzige Lösung als „die er-
träglichste“ empfunden.


(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Pest und Cholera!)


Meine Damen und Herren, keinem von uns macht
Haushaltssanierung Spaß.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade uns Grünen ist der Schnitt in diesem Bereich nicht
leicht gefallen, weil wir seit Jahren für ein schrittweises
Auslaufen des Zivildienstes plädieren und weil jeder
weiß, dass wir den Etat des Zivildienstes zum Ausbau der
Freiwilligendienste und zur Schaffung von Arbeitsplät-
zen im sozialen Bereich sichern wollen.

Meine Damen und Herren von der Union, Ihre Verwei-
gerungshaltung ist umso ärgerlicher, als in 16 fetten Jah-
ren Geld verpulvert wurde, das uns heute an allen Ecken
und Enden fehlt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Willi Zylajew [CDU/CSU]: Willi Zylajew Jutta Dümpe-Krüger Die deutsche Einheit verpulvert! Schämen Sie sich!)





Deshalb ist es eine Unverschämtheit, wenn ausgerechnet
Sie sich hier hinstellen, von Demontage reden und sich zu
der Behauptung versteigen – das haben Sie im Ausschuss
gemacht –, die Verbände seien erpresst worden.


(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Natürlich!)

Genauso ist es schlicht und einfach falsch, wenn die

FDP hier und im Ausschuss erklärt, die Grünen hätten
keine Konzepte.


(Ina Lenke [FDP]: Aber natürlich haben Sie die nicht!)


– Unsere Ideen sind seit Jahr und Tag bekannt, Frau
Lenke. Das wissen Sie ganz genau.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Unser Konzept war und ist es, junge Menschen besser ab-
zusichern und ihnen die Freiwilligendienste als Alterna-
tive zum Zivildienst zu öffnen.


(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Wo denn?)

Daran werden wir auch weiterhin arbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben im Übrigen schon bei der ersten Lesung hier
im Hause mit Kritik überhaupt nicht hinter dem Berg ge-
halten.


(Ina Lenke [FDP]: Was nützt denn das? Sie sind in der Regierung und müssen etwas ändern!)


– Ja, das ist wahr. Herr Nachtwei hat sich hier sehr deut-
lich geäußert. Tatsache ist, dass Sie jetzt zuhören müssen,
Frau Lenke, weil ich rede.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Zuge der Haushaltskonsolidierung müssen wir
Einsparungen erbringen, die uns nicht besonders
schmecken. Aber wir alle löffeln an dem Brei, den Sie uns
eingebrockt haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch schon vor der deutschen Einheit!)


Deshalb ist es eine Frechheit, meine Damen und Her-
ren von der FDP, wenn Sie behaupten, wir Grünen hätten
politisch in dieser Regierung nichts durchgesetzt oder lie-
fen nur der SPD hinterher. Erst haben Sie jahrzehntelang
die Wehrpflicht mitgetragen; jetzt sind Sie eigentlich
dafür, die Wehrpflicht abzuschaffen. Gleichzeitig be-
schweren Sie sich darüber – ich zitiere –, dass Rot-Grün
den Anfang vom Ende des Zivildienstes eingeläutet habe.
Ja, meine Güte: Wo laufen Sie denn? Springen tun Sie ja
nicht mehr.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Von Ihnen ist kein einziger Einsparvorschlag gekom-
men. Sie bieten keine Alternativen.


(Ina Lenke [FDP]: Bei so einem Mist machen wir keinen Einsparvorschlag!)


Sie bieten keine Konzepte. Aber Sie haben keine Hem-
mungen, dieser Regierung Konzeptlosigkeit vorzuwer-
fen.


(Ina Lenke [FDP]: Natürlich!)

Ausgerechnet Sie haben jetzt angeblich Ihr Herz für die
Schwächsten in der Gesellschaft entdeckt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Albert Einstein hat einmal gesagt: Um ein tadelloses
Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allen
Dingen ein Schaf sein.


(Ina Lenke [FDP]: Das sind die Grünen in dieser Regierung!)


Man braucht kein Genie zu sein, um zu erkennen, was Ihr
Vollalarm in Wirklichkeit ist, nämlich Blockadepolitik
und Wahlkampfgetöse,


(Ina Lenke [FDP]: Welcher Quatsch!)

ausgetragen auf dem Rücken einer Klientel, um die Sie
sich im Regelfall nicht die Bohne kümmern. Das emp-
finde ich als besonders bitter.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502307900

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke, FDP-

Fraktion.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Drei Minuten!)



Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1502308000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kol-

legin Dümpe-Krüger, Sie waren in der letzten Legislatur-
periode nicht dabei. Schauen Sie sich einmal die alten
Drucksachen an!

Die Menschen, die auf die Zivildienstleistenden ange-
wiesen sind, ebenso die Träger wie zum Beispiel die Kir-
chen, werden von dieser Bundesregierung von heute auf
morgen vor politisch veränderte Tatsachen gestellt. Dazu
haben Sie nichts gesagt.

Die Konzeptionslosigkeit der Regierung zeigt auch der
Inhalt des Gesetzes. Für nur zehn Monate Geltungsdauer
ändern Sie die Zuzahlung der Träger an die Zivildienstlei-
stenden. Statt 30 Prozent des monatlichen Solds an Zivis
sollen die Träger bereits ab 1. März 50 Prozent tragen. Ich
habe von Ihnen nichts dazu gehört, Frau Dümpe-Krüger,
was eigentlich ab dem 1. Januar 2004 geschehen soll.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht zugehört!)



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Das müssten Sie uns einmal deutlich machen. Weder die
Staatssekretärin noch Sie haben dazu etwas gesagt.

Wie in der Steuer- und Wirtschaftspolitik schaffen Sie
auch im sozialen Bereich keine Planungssicherheit. Ich
erinnere Sie an die letzte Legislaturperiode, Frau Dümpe-
Krüger, in der Sie die Rentenversicherungsbeiträge für die
Zivildienstleistenden gekürzt und sich in Teilen aus dem
Entlassungsgeld der Zivis gestohlen haben. Aufgrund
von Eichels Vorgaben im Einzelplan 17 haben Sie aus-
schließlich bei den Zivis gespart. Das Lob von Frau
Riemann-Hanewinckel findet sich nur in Festtagsreden.
Aber im Haushalt und in diesem Gesetz findet es keinen
Niederschlag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Als besonders dreist empfinde ich es, dass Sie immer

das Einvernehmen der Träger einfordern. Das Schreiben
der katholischen und der evangelischen Kirche haben Sie
alle gelesen. Zitieren Sie doch einmal aus diesem Schrei-
ben. Rufen Sie die Kirchengemeinde in Hattersheim an,
Frau Staatssekretärin. Sie wird aufgrund dieses Gesetzes
das Essen auf Rädern einstellen.

Sie ganz alleine sind für das konzept- und planlose
Herumstreichen beim Zivildienst politisch verantwort-
lich. Ich kritisiere die Ankündigung der Ministerin. Was
wird denn eigentlich aus dem Zivildienst und der Wehr-
pflicht? Sie wollen darüber erst 2006 entscheiden. Da
frage ich mich: Vor oder nach der nächsten Bundestags-
wahl?

Die FDP fordert aus der Opposition von dieser rot-grü-
nen Bundesregierung:


(Nicolette Kressl [SPD]: Genau! Aus der Opposition!)


erstens klare Aussagen über den zeitlichen Umfang des
Zivildienstes bis 2006 und zweitens eine Absage an über-
fallartige, hektische Kürzungen für die Beteiligten.


(Widerspruch der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Sie fordert drittens – das ist der wichtigste Punkt, Frau
Griese – ein klares Konzept, wie die immer kürzeren Ein-
satzzeiten der Zivildienstleistenden gestaltet werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn ich Sie daran erinnern darf – anscheinend haben

Sie ein schlechtes Gedächtnis –: Künftig wird nur jeder
zweite junge Mann zum Wehrdienst oder zum Zivildienst
herangezogen. Das heißt, jeder Zweite kommt vom

Zwangsdienst frei. Diese Wehrungerechtigkeit werden
wir mit unseren Vorschlägen verhindern.


(Zuruf von der SPD: Vorschläge von Ihnen? Das wäre ja was ganz Neues, wenn von Ihnen was käme!)


– Na klar. Schauen Sie auf meine Homepage. Da finden
Sie das Positionspapier zum Zivildienst. Wir werden wei-
ter daran arbeiten.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die FDP-
Bundestagsfraktion wird in diesem Jahr ein Konzept zum
Zivildienst vorlegen, damit wir endlich, liebe Kollegin-
nen und Kollegen von links, zu einem Zukunftskonzept
kommen. Wir werden diesem Gesetzentwurf unsere Zu-
stimmung nicht geben; denn er ist Schrott.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre haben Sie nichts getan!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1502308100

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-

tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen einge-
brachten Gesetzentwurf zur Änderung des Zivildienstgeset-
zes, Drucksache 15/297. Der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 15/375, den Gesetzent-
wurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit denselben Mehrheiten wie in der zweiten Beratung
angenommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 12. Februar, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.