Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung.
Ich wünsche dem kleinen Kreis einen guten Morgen und stelle zunächst fest: Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 15 und den Zusatzpunkt 10 abzusetzen. Es handelt sich um einen interfraktionellen Antrag und um einen Antrag der Gruppe der PDS, jeweils zum Wiederaufbau im früheren Jugoslawien nach dem Friedensschluß, die in der kommenden Woche zusammen mit der vorgesehenen Regierungserklärung zur Friedensvereinbarung für Bosnien behandelt werden sollen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 und Zusatzpunkt 8 auf:
14. Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Siegmar Mosdorf, Dr. Uwe Jens, Anke Fuchs , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Unterstützung deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten und Sicherung von Arbeitsplätzen durch eine umfassende Außenwirtschaftskonzeption
- Drucksachen 13/1332, 13/2236 -
ZP8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Siegmar Mosdorf, Ernst Schwanhold, Anke Fuchs , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Neue Außenwirtschaftskonzeption zur Unterstützung deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten
- Drucksache 13/3063 —
Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wirtschaft
Zur Großen Anfrage liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Auch dazu sehe ich keinen Widerspruch.
Es beginnt der Kollege Siegmar Mosdorf.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über ein Expertenthema, das gleichwohl für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von großer Wichtigkeit ist und darüber mitentscheidet, wo wir in Zukunft in der Weltwirtschaft stehen und wie wir unsere Wohlfahrtsentwicklung in Zukunft einzuordnen haben. Die ökonomisch erfolgreiche Nachkriegsentwicklung und damit auch die enormen Fortschritte in der Wohlfahrtsentwicklung und im Lebensstandard unseres Landes sind vor allem auf die Leistungen unserer Facharbeiter, Meister, Techniker und Ingenieure zurückzuführen. Das hat dazu geführt, daß das Label „Made in Germany", das uns die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg verordnet haben, zu einem Gütesiegel für die Produkte, die wir hergestellt haben, geworden ist.
Das haben wir vor allen Dingen unseren Leistungen zu verdanken, Herr Lambsdorff. Dieses Gütesiegel hat sich ausgezahlt, weil wir inzwischen viele unserer Produkte auf dem Weltmarkt gut positionieren und absetzen konnten. Wir waren zeitweise sogar Exportweltmeister. Das ist gut so gewesen.
Die drei Säulen unserer Außenwirtschaftspolitik, unsere diplomatischen Vertretungen, die Außenhandelskammern und die Bundesanstalt für Außenhandelsinformation, waren wichtige Hilfsmotoren in einer Zeit, in der das Schiff ohnehin volle Fahrt voraus fuhr. Die Nachkriegsentwicklung war durch hohe Wachstumsraten und auch durch eine außergewöhnlich gute Exportentwicklung der deutschen Volkswirtschaft gekennzeichnet.
Seit Ende der 80er Jahre hat sich nun die Weltwirtschaft fundamental verändert. Das kann man zumindest an drei Bereichen verdeutlichen:
Erstens. Der Fall der Mauer hat dazu geführt, daß Systemgrenzen aufgehoben worden sind. Meine These ist, daß wir diese Veränderung in der Welt zwar außenpolitisch schon verarbeitet haben - und auch durch die Konflikte, die wir hatten, gezwungen worden sind, sie zu verarbeiten -, daß wir sie aber außenwirtschaftlich noch nicht ausreichend verarbei-
Siegmar Mosdorf
tet haben, weil die Auflösung des Ost-West-Systemgegensatzes auch weltwirtschaftlich zu gravierenden Veränderungen geführt hat.
Zweitens. Der technologische Quantensprung, durch den man in einer sich globalisierenden Weltwirtschaft heute überall auf der Welt die gleichen Produkte mit derselben Qualität herstellen kann, verändert das klassische Export-Import-Verhältnis der Volkswirtschaften zueinander und damit auch die internationalen Handelsbeziehungen. Das wird auch unsere Position verändern, weil die klassische Exportrolle so nicht mehr funktionieren wird. Vielmehr werden auch wir auf den Absatzmärkten selber produzieren müssen. Dazu gibt es ja auch schon Anstrengungen.
Der dritte grundlegende Punkt der Veränderung der Weltwirtschaft besteht darin, daß es bei den früheren sogenannten Entwicklungsländern heute einen enormen Selbstbehauptungswillen gibt. Sie wollen kein Entwicklungsland mehr sein; sie wollen selber Industrieland werden; sie wollen sich selber ökonomisch entwickeln. Das führt dazu, daß diese Entwicklungsländer im Moment enorme Wachstumsraten haben bzw. anstreben und ganze Zyklen überspringen.
Weil wir diese fundamentalen Veränderungen der Weltwirtschaft bisher unzureichend aufgearbeitet haben, haben wir diese Große Anfrage gestellt. Auch wenn die Regierung für die Beantwortung um sehr viel Zeit gebeten hat und lange gebraucht hat, muß ich jetzt einfach einmal sagen: Es ist eine profunde Antwort; man hat sich Mühe gegeben. Es lohnt sich wirklich, die Antwort zu beraten, nicht nur heute im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen. Es wird nämlich deutlich, daß es in der Tat eine Reihe von Veränderungen gibt, auf die wir eingehen müssen.
Ich möchte mich gleich bei der Gelegenheit noch einmal freundlich dafür bedanken, daß Herr Henkel heute im „Handelsblatt" Herrn Rexrodt in Schutz genommen hat. Beide weilen ja im fernen Brasilien, wo Bundespräsident Herzog die „Febral 95" eröffnen wird. Das begrüße ich und finde es sehr positiv. Herr Henkel wird heute wie folgt zitiert - das ist ja ein bemerkenswerter Satz -: „BDI-Präsident Henkel unterstützt die neue, aktivere Bonner Außenhandelspolitik." Wer lesen kann, spürt, daß darin natürlich auch eine Kritik an der bisherigen Außenwirtschaftspolitik enthalten ist. Wenn man gestern in Porto Alegre beim Besuch des Bundespräsidenten aus Versehen nicht die deutsche Nationalhymne, sondern „Auferstanden aus Ruinen" von Hanns Eisler gespielt hat, dann kann man daran ersehen, daß wir lange nicht in Lateinamerika gewesen sind. Man weiß dort gar nicht, was sich bei uns verändert hat.
Deshalb ist es gut, daß wir dort wieder stärker präsent sind und daß wir uns intensiv um diese Präsenz bemühen.
Die neuerlichen Reiseaktivitäten des Bundeskanzlers und auch des Bundespräsidenten zeigen ja ganz
deutlich - nach Südafrika, nach China und anderswo; wir haben ja gestern darüber geredet -, daß das offensichtlich notwendig ist. Ich möchte das noch einmal verdeutlichen, auch was China angeht. Wir müssen ja erkennen, daß China eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des wichtigsten Kontinents und des neuen Schwerpunkts der Weltwirtschaft innehat. Deshalb ist es gut, wenn solche Reisen gemacht werden. Über den Aspekt der Menschenrechte haben wir ja gestern debattiert; dazu will ich heute nichts weiter sagen. Wichtig ist, daß es solche Kontakte gibt. Sie zeigen natürlich auch, daß solche Verbeugungen vor den Regimen dieser Länder möglicherweise dann erzwungen werden, wenn man in den letzten Jahren Außenwirtschaftspolitik konzeptionell nicht gründlich genug betrieben hat. Denn wie anders soll man erklären, daß unsere Außenhandelsbilanz zum Beispiel mit China, die 1986 noch positiv war, heute mit 4 Milliarden DM negativ ist? Es zeigt sich daran: Das Land entwickelt sich dynamisch, und wir haben eine Reihe von Veränderungen zu spät erkannt. Das gilt übrigens auch in bezug auf andere bilaterale Handelsbilanzen. Wenn man sich etwa Vietnam oder Indien ansieht, wird man feststellen, daß es auch dort entsprechende Veränderungen gibt. Wir müssen erkennen, daß diese Veränderungen dazu führen müssen, daß wir unsere Außenwirtschaftspolitik aktivieren und uns stärker in diesem Bereich engagieren.
Erst als die deutsche Wirtschaft es zu einem Politikum machte, daß sich die deutschen Botschaften lange nicht so gut für die deutsche Wirtschaft im Ausland engagierten, wie das andere Botschaften tun, erst als wir das Korea-Debakel beim Wettbewerb zwischen TGV und ICE erlebten, erst als die Wirtschaft selber ihren Asien-Pazifik-Ausschuß gegründet hat, um einen neuen Schwerpunkt in diesem Bereich zu setzen, erst als die Wirtschaft selber erkannt hat, daß nach dem überwundenen Jahrzehnt der Diktatur in Lateinamerika heute eine ökonomische Renaissance bevorsteht, und erst als die Länderwirtschaftsminister und die Ministerpräsidenten selber sich besonders um Außenwirtschaftspräsenz bemüht haben, hat in Bonn bei der Außenwirtschaftspolitik etwas geklingelt.
Das Vakuum, das Bonn in der Außenwirtschaftspolitik hinterlassen hatte, wurde in den letzten Jahren mühselig von den Ländern ausgefüllt. Nun kann man darüber streiten, ob es gut ist, wenn das so unkoordiniert abläuft. Aber wahr ist: Es gab ein Vakuum, das jetzt ausgefüllt werden muß. Besonders die Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg, aber auch Bayern waren sehr engagiert in der Außenwirtschaftspolitik. Sie haben ihre Wirtschaft auf diesen fernen Absatzmärkten besser präsentiert, als das die Bundesregierung getan hat.
Die Bundesregierung selber hat die Mittel eher gekürzt. Wir haben das auch im Wirtschaftsausschuß mehrfach diskutiert und kritisiert. Übrigens habe ich bei vielen Fragen festgestellt, daß die Kritik auch von vielen Kollegen geteilt wird. Wenn die Bundesregierung etwa die Förderung der Auslandsmessen im Haushalt von 1994 bis 1996 um real 10 Prozent senkt
Siegmar Mosdorf
oder wenn die Förderung der Außenhandelskammern in der Zeit von 1992 bis 1996 real um 25 Prozent gesenkt wird, ist das kein gutes Signal in einer Zeit, wo andere auf diesem Sektor besondere Anstrengungen machen.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Globalisierung der Weltwirtschaft in unsere Politik einbeziehen. Das alte Gütesiegel „Made in Germany" wird nicht mehr ausschlaggebend sein. Die Leute werden fragen, wer was produziert. „Made by Mercedes", „Made by Sony", „Made by Bosch" - egal, wo diese Firmen produzieren, auch auf fernen Absatzmärkten - wird in Zukunft entscheidend sein. Das heißt aber, daß sich die Weltwirtschaft dramatisch verändert. Dieser Globalisierungsprozeß führt natürlich auch dazu, daß wir selber darüber nachdenken müssen, was wir tun können, um unsere Spitzenposition halten zu können.
Auch die Globalisierung der Weltwirtschaft muß uns dazu veranlassen, konzeptionell über die Außenwirtschaftspolitik nachzudenken. Ich halte die Beachtung folgender zehn Punkte für notwendig, wenn wir auf diese veränderte Weltwirtschaft eingehen wollen:
Erstens. Die Außenwirtschaftspolitik muß in der Bundesrepublik endlich wieder einen höheren Stellenwert haben, als das in der Vergangenheit der Fall war. Sie muß Priorität bekommen.
Zweitens. Die Außenwirtschaftspolitik muß endlich zwischen der Bundesregierung, der Europäischen Union - auch der Europäischen Kommission - und den Bundesländern besser koordiniert werden.
Drittens. Unsere diplomatischen Vertretungen müssen sich, in enger Kooperation mit diplomatischen Vertretern anderer europäischer Länder, stärker als in der Vergangenheit in der Interessenvertretung der Wirtschaft engagieren.
Viertens. Das Netz der Außenhandelskammern muß stärker mit der Bundesstelle für Außenhandelsinformation verzahnt, die Effizienz der Kammern erhöht, und ihre Aktivitäten müssen endlich wieder, vor allem auch in den Wachstumsmärkten, stärker unterstützt werden.
Gleichzeitig brauchen wir an den Drehscheiben des Welthandels deutsche Industrie- und Handelszentren, die mit ihren Büros, Konferenzzimmern, Lager- und Werkstattflächen, ihrer Infrastruktur und ihren Serviceleistungen, mit ihrer Vielfalt von Nutzungsmöglichkeiten und -arten gerade den mittleren und kleinen Unternehmen eine gute Bandbreite von Verwendungsmöglichkeiten und Vorteilen bieten.
Baden-Württemberg hat zusammen mit Nordrhein-Westfalen in Singapur das „German Centre" gegründet. Das hat der Herr Bundeskanzler jetzt gerade besucht und es sehr gelobt. Auch ich finde, es ist eine vorbildliche Einrichtung. Es lohnt sich - wenn auch nicht überall auf der Welt, so doch an den wichtigsten Drehscheiben des Welthandels -, die
Gründung solcher Industrie- und Handelszentren zu erwägen.
Es ist sinnvoll, mit solchen Instrumenten zu arbeiten, möglicherweise auch in Form der Integration der Aktivitäten vieler einzelner Außenwirtschaftsinstitutionen, die bisher nebeneinander bestehen.
Das aber ist nicht originär eine Ländersache. Da muß sich der Bund engagieren.
Die Länder können nur unterstützen; eigentlich ist das eine Bundesangelegenheit, die auch auf europäischer Ebene abgestimmt werden muß. Denn Bangemann und andere sind jetzt dabei, European Centres auf der Welt zu etablieren. Damit nicht Redundanz entsteht, muß man das miteinander abstimmen.
Fünftens. Die Auslandsmessen müssen endlich wieder besser gefördert, professionell vorbereitet und zum eigentlichen Schaufenster für deutsche Produkte und Dienstleistungen in der Welt gemacht werden.
Sechstens. Den kleineren und mittleren Betrieben muß der Zugang zu den fernen Absatzmärkten endlich erleichtert werden. Das hat Konsequenzen für die Auslandsmessepolitik, für die Förderung der Kammern und für die Schaffung deutscher Industrie- und Handelszentren in der Welt.
Siebtens. Das Instrumentarium der Außenhandelsbürgschaften im Rahmen der Hermes-Kreditversicherung muß fortentwickelt und präzisiert werden. Es muß zum Beispiel auch bei großen privatfinanzierten Infrastrukturprojekten greifen. Auf die Notwendigkeit einer gezielten Exportförderung bei solchen sogenannten BOT-Projekten hat gerade gestern noch einmal der Vorsitzende des BDI-Ausschusses für internationale Entwicklung, Michael Frenzel, hingewiesen. Mit diesem Instrumentarium muß auch eine gezielte Exportförderung, zum Beispiel der Umwelttechnologien, bei denen wir heute noch Weltmarktführer sind und die zugleich wichtig für die Entwicklung dieser Länder sind, erreicht werden.
Achtens. Da die Finanzierung beim Außenhandel eine immer zentralere Bedeutung bekommt und Unternehmen aus anderen Ländern - ich denke vor allen Dingen an Italien, an Spanien und auch an Frankreich - mehr und mehr mit „soft loans" arbeiten, das heißt mit vergünstigten Kreditbedingungen operieren, die dann unsere Wettbewerbsposition schwächen, müssen wir darüber nachdenken, wie wir die Finanzierung beim Außenhandel auch mit einem neuen Instrumentarium so organisieren können, daß wir bei gleich guten Produkten nicht deshalb in eine Nachteilssituation kommen, weil andere ihr Angebot mit besonderen Finanzierungsvorteilen garnieren können.
Neuntens. Um endlich vergleichbare Wettbewerbsbedingungen auf den Weltmärkten herzustellen und den globalen Umweltschutz sowie die weltweite Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen, muß die Bundesregierung im Rahmen der EU und der WTO jetzt endlich dafür eintreten, daß
Siegmar Mosdorf
ökologische und soziale Standards entwickelt und im Welthandelsabkommen verankert werden.
Die Vorbereitungen auf das Singapur-Treffen - ich habe das vor 14 Tagen von Herrn Ruggiero in Genf gehört - sehen so aus, daß die Franzosen und die Amerikaner bereit sind, das wiederum voranzutreiben. Es gibt offensichtlich - vielleicht kann Herr Lammert dazu etwas sagen - auch in der Bundesregierung ein gewisses Umdenken, was Singapur angeht. Wir müßten jetzt Vorbereitungen treffen, denn im nächsten Jahr ist dieses Welttreffen der WTO.
Es geht mir nicht um Protektionismus, und es ist auch völlig klar, daß das nicht das Anliegen sein kann, weil sich die Welt gedreht hat. Diejenigen, die früher für Fair-Trade plädiert haben, die gegen uns, die wir für Free-Trade waren, argumentiert haben, plädieren heute für Free-Trade, während wir heute für Fair-Trade plädieren. Das darf nicht zu neuem Protektionismus führen. Dennoch ist wohl klar - und darüber sind wir uns wohl auch einig -, daß es bestimmte Spielregeln geben muß und daß man eben nicht mit einer Million Strafgefangenen zum Nulltarif Textilindustrie betreiben kann, die bei uns ganze Branchen kaputtmacht. Das kann so nicht gehen.
Zehnter und letzter Punkt. Wir müssen im Zuge der Globalisierung der Weltwirtschaft unsere Präsenz auf den fernen Absatzmärkten erhöhen. Dadurch wird ein Teil der Produktion verlagert. Wir müssen alle Mittel nutzen, um den umgekehrten Prozeß, nämlich daß Asiaten und Amerikaner dazu bewegt werden, auch auf dem europäischen Kontinent zu produzieren, einzuleiten. Bisher haben wir im Haushalt des Wirtschaftsministeriums eine Förderung der Werbung für Tourismus in Deutschland von 25 Millionen DM, aber wir haben kein Standortmarketing. Wir haben kein systematisches Werben um Investoren, die in Deutschland investieren sollten, und zwar deshalb nicht, weil wir verwöhnt waren, weil wir uns um Arbeitsplätze und Investoren in den letzten 30 Jahren nicht kümmern mußten. Das wird sich ändern. Wir müssen uns ganz systematisch auch um diese Investoren kümmern. Denn wenn man sich die Liste der Direktinvestitionen nach Ländern ansieht, dann ist es eben so, daß an der ersten Stelle die USA mit 205 Milliarden Dollar in der Zeit von 1988 bis 1993 stehen, daß wir mit 35 Milliarden Dollar erst an siebter Stelle folgen und daß bei den Direktinvestitionen zum Beispiel England, Frankreich, Spanien und Holland in der Europäischen Union vor uns liegen. Das heißt, die Zahl der Direktinvestitionen in diese Länder ist höher als bei uns. Das führt dazu, daß wir weniger Arbeitsplätze haben. Das kann nicht so bleiben.
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Eine umfassende Außenwirtschaftskonzeption muß endlich auf den Tisch gelegt werden. Deshalb haben wir die Große Anfrage vorgelegt.
Nun habe ich mir sagen lassen, daß im Bundeskanzleramt nachgedacht wird, und damit es im Wirtschaftsministerium auch umgesetzt wird, haben Sie Herrn Lammert dorthin delegiert. Dann haben Sie noch den beamteten Staatssekretär Ludewig in das Bundeswirtschaftsministerium delegiert, und Herr Rexrodt darf nur noch die Pressemitteilungen verlesen.
Diese Form von Arbeitsteilung geht auf Dauer nicht gut. Ich glaube, es ist wichtig, daß wir uns auf die neue, veränderte Weltwirtschaft einstellen, weil wir sonst auch in diesem wichtigen Bereich weiterhin Vorsprünge verlieren. Das merken zuallererst unsere Arbeitnehmer, die Arbeitsplätze verlieren, die aber selber gern ganz oben in der Weltwirtschaftsliga mitspielen wollen. Wir dürfen nicht weiter Vorsprünge verlieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Erich Fritz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, Sie haben mich völlig überrascht. Auf dem Zettel, den ich beim Geschäftsführer sah, stand vor meinem Namen noch ein anderer.
Lieber Herr Kollege Mosdorf, bei der grundsätzlichen Analyse der Auswirkungen der Globalisierung sind wir uns sicher einig - auch was die Veränderungen auf Grund der technologischen Entwicklungen angeht. Wir sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie das Thema in der SPD hoffähig gemacht haben.
Die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist eine sehr verdienstvolle Sache.
- Das brauchen wir gar nicht. Wir können die Bundesregierung direkt fragen.
Diese Anfrage gibt der Bundesregierung die Gelegenheit, darzustellen, wie groß die Fortschritte auf diesem Gebiet in den letzten Jahren waren. Deshalb vielen Dank an die Opposition!
Sie laufen diesen Themen ein bißchen hinterher - auch wenn die Diskussion und das, was geändert wird, jetzt sozusagen in einer Reihe von Papieren kumuliert. Der Antrag kam, als Außenminister, Wirtschaftsminister und Bundeskanzler auf diesem Feld längst tätig waren, als das Asien-Konzept vorlag und
Erich G. Fritz
als sich die Lateinamerika-Initiative bereits abzeichnete.
In Ihrem Antrag schreiben Sie, die Antwort der Bundesregierung decke klare Versäumnisse auf.
Da frage ich: Wo? An welcher Stelle? Es wird ganz deutlich gesagt, daß es natürlich noch Dinge gibt, die man verbessern kann; auf die gehe ich gleich noch ein. Das wird immer so bleiben; schließlich ist nichts so gut, daß es nicht noch besser werden kann. Daß es heute einen gut arbeitenden, von allen gelobten Asien-Pazifik-Ausschuß gibt - -
- Ja, der Wirtschaft. Gott sei Dank! Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung und der Politik, die Arbeit der Wirtschaft zu machen. Das muß sie schon selbst tun. Aber der Anstoß dazu kam aus der Politik. Das wird überhaupt nicht bestritten. Der Blick der Wirtschaft ist genauso wieder auf Lateinamerika gerichtet worden, also ebenfalls auf eine Wachstumsregion. Das ist eine Aufgabe der Politik: die Weichen immer wieder richtig zu stellen.
Das Thema ist wichtig genug, daß wir uns in nächster Zeit weiter damit befassen. Deutschland ist wie kein anderes Land vom funktionierenden Export - zu wettbewerbsfähigen Preisen, Herr Mosdorf! - abhängig. Ein Drittel des Bruttosozialprodukts wird bei uns durch den Export von Gütern und Dienstleistungen erwirtschaftet. Das berührt immerhin jeden dritten Arbeitsplatz. Bei einem Pro-Kopf-Vergleich ist Deutschland dabei viermal so stark wie die USA und dreimal so stark wie Japan; das hängt damit zusammen, daß deren heimische Märkte entsprechend größer sind.
In den letzten Jahren - das muß uns nachdenklich machen - wuchs der Weltexport allerdings relativ schneller als der deutsche Anteil. Wir verlieren also Anteile an dem großen Kuchen. Deshalb ist es nicht nur richtig, sondern notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, wie der Marktzugang, der schwieriger geworden ist, verbessert werden kann und wie man dies unterstützen kann.
Das liegt auch daran, daß Konkurrenzländer, vor allem junge Industrieländer, aufgeholt haben und heute ihren Teil am Weltmarkt natürlich nicht nur erreichen wollen, sondern teils auch bereits verteidigen, und zwar zum Teil mit Methoden, die uns nicht passen, weil wir eine andere Vorstellung von einem fairen, offenen Welthandel haben.
Wettbewerbsverzerrungen unterschiedlichster Art behindern deshalb deutsche Exporte. Hohe Kosten der Produktion und andere Belastungen verringern die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft. Da, Herr Mosdorf, ist Ihre Partei sehr gefordert, dazu beizutragen, daß wir Hemmschwellen im eigenen Land abbauen, so daß die notwendige Anpassung möglich wird. Das gilt insbesondere - da sind wir uns sicher einig - auch für die neuen Bundesländer, wo wir überhaupt erst die Chancen eröffnen müssen, an diesem weltweiten Geschäft teilzuhaben.
In vielen Ländern der Welt können Unternehmen heute nur dann verkaufen, wenn sie selbst Marktinsider sind, so daß strategische Allianzen und Direktinvestitionen im Ausland unumgängliche Entwicklungen sind. In dieser schwierigen Situation hat die Bundesregierung der Außenwirtschaftsförderung große Beachtung geschenkt. Die klassischen Instrumente dieser Politik finden sich in dem sogenannten Drei-Säulen-Modell. Dieses Modell ist bei aller kritischen Beurteilung von Veränderungsnotwendigkeiten ein geeignetes, anpassungsfähiges und auszubauendes Instrument.
Von allen an der Außenwirtschaft Beteiligten wird gesagt, daß sich auf diesem Feld, nämlich der Außenhandelsinformation durch die Bundesanstalt für Außenhandelsinformation, bei den Auslandshandelskammern wie beim diplomatischen Dienst in den letzten Jahren Wesentliches verbessert hat, daß sehr viel stärker das Bemühen deutlich wird, zusammenzuarbeiten, die eigene Arbeit zu koordinieren. Insbesondere wird begrüßt, wie sich die Philosophie im Außenministerium geändert hat, was die Unterstützung und Flankierung der Außenwirtschaft angeht. Der Runderlaß des Außenministers - ich glaube, vom Dezember 1993 - verbessert die Unterstützung und auch die Durchgriffsmöglichkeit, um anzuweisen, in bestimmten Fällen tätig zu werden, doch ganz erheblich.
Freilich kann man da noch weiterkommen, und in den zuständigen Ausschüssen ist ja klargeworden, daß nicht nur der Bedarf an Kooperation und Koordination da ist, sondern daß er auch von allen ernsthaft als Aufgabe verstanden wird und man deshalb dabei ist, in den unterschiedlichsten Gremien - über deren Wirksamkeit kann man sich streiten -, zwischen den beteiligten Ministerien, Bundesländern und Verbänden der Wirtschaft an einem gemeinsamen Konzept zu stricken.
Nun dürfen wir auch nicht sagen, wir müssen da noch ein Gremium und noch ein Gremium finden, sondern wichtiger ist, daß wir Formen finden, die effektiv arbeiten. Einige sagen ja, da seien schon wieder Gremien dabei, um die Koordinierung zu koordinieren. So weit muß das nicht gehen.
Der Anfang ist gemacht, die Gespräche sind nach anfänglichen Schwierigkeiten auf gutem Weg. Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch, die darauf abzielen, ein Dach über alle Aktivitäten zu bauen. Darüber sollten wir ernsthaft gemeinsam nachdenken, auch darüber, ob es nicht sinnvoll ist, für Deutschland eine Art Standortmarketing zu entwickeln, das ein gemeinsames Signet, ein gemeinsames Markenzeichen in der Welt ermöglicht. Das ist wirklich eine Aufgabe, die weiterführend und wesentlich wichtiger als viele Einzelaktionen ist.
Die Hinweise aus der Wirtschaft, daß nicht nur mangelnde Abstimmung im staatlichen Bereich, sondern sehr wohl auch Eifersüchteleien und Kompetenzgerangel im Verbandswesen hinderlich sind - -
- Nein, das schmähe ich gar nicht. Also, ich könnte
jetzt auch so schmunzeln, wie Sie es tun. - Dies weist
Erich G. Fritz
vielmehr aus, daß es überall die Offenheit gibt, die Sachen wirklich auf den Tisch zu legen und zu sagen, jetzt müssen wir etwas Gemeinsames, etwas Neues machen. Dabei ist ein bißchen Selbstkritik ganz gut, und wenn diese offen ausgesprochen wird, dann freut mich das.
Dazu gehört auch das, was die Verbände einfüttern. Wenn zum Beispiel der Handel sagt, laßt uns versuchen, gerade für die kleinen Unternehmen viel stärker den Handel bei der Erschließung der Märkte einzusetzen, dann ist das ein Ansatz, der bisher bei unserer doch stark industrieorientierten Sicht nicht untergehen darf.
Das müssen wir nutzen und ebenso die Frage beantworten, ob man für kleine Firmen Pools nutzen kann. Solche Vorschläge werden wir im Ausschuß dann weiter diskutieren.
Entscheidend - und das ist mir bei Ihrer Rede allerdings nicht nur zu kurz gekommen, sondern hat völlig gefehlt - ist allein die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft,
die Qualität der Produkte und die Zuverlässigkeit der Dienstleistungen. Außenwirtschaftsförderung, also das, worüber wir hier sprechen, was Sie in Ihrem Antrag in 16 Punkten dargestellt haben, ist nur Unterstützung und Flankierung; das kann die Hausaufgaben im eigenen Land überhaupt nicht ersetzen.
Es mutet deshalb schon sehr sonderbar an, wenn der Gewinner der Parteitagslotterie der SPD in Mannheim, Oskar Lafontaine, bei der Begründung seines Antrages in Mannheim sagt, es gebe eigentlich gar kein Standortproblem.
Im Antrag steht zwar drin, es gebe eines, aber in seiner Rede sagt er, es gebe keines. Der Widerspruch zwischen Rede und Antrag ist ja sowieso sehr groß. Schließlich hat Ihr Kollege Conradi gesagt: „Wir hätten besser über Oskars Rede abstimmen sollen. "
Sie ist nämlich von den Delegierten verstanden worden, während das, was im Antrag stand - so hat Conradi weiter gesagt -, etwas ist, was eigentlich auch von der CDU aufgeschrieben worden ist.
Da gebe ich ihm wieder recht: Sie versuchen, sich zumindest verbal an die Union anzugleichen, aber das reicht wahrscheinlich nicht aus, um eine wirkliche Wende in der Wirtschaftspolitik bei Ihnen zu schaffen.
Herr Fritz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?
Gerne, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Fritz, darf ich Sie fragen, ob Sie den Leitartikel von Graf Hohenthal in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen haben, in dem er folgendes geschrieben hat?
- Herr Glos, ich hoffe, daß Sie nicht nur den „Bayernkurier" lesen, sondern auch mal eine vernünftige Zeitung wie die „FAZ" .
Ich zitiere:
Man muß anerkennen,
- sagt Herr Hohenthal, der kein Mitglied der SPD ist, Herr Glos -
daß die SPD mit ihrem Initiativantrag zur Wirtschaftspolitik, den sie im Vorfeld des Parteitages erstellt hatte, über ihren eigenen Schatten gesprungen ist. Darin finden sich viele vernünftige Ansätze.
Darin finden sich auch Bekenntnisse zu modernen Technologien und Innovation.
Darf ich Sie fragen, ob Sie den Leitartikel weitergelesen haben? Er schreibt nämlich an einer anderen Stelle: „Die Leistungen einer Partei" - Herr Glos, hören Sie genau zu - „erweisen sich in der praktischen Arbeit und nicht in Sprüchen. Die Union hat in den vergangenen Jahren gemeinsam mit der F.D.P. eine miserable Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht."
Herr Kollege Mosdorf, daß Lafontaine über seinen Schatten gesprungen ist, wird vielfach kommentiert. Wir wissen aber, daß Lafontaine nicht wie ein Hürdenspringer in die gleiche Richtung springt, sondern hin- und herspringt wie einer, der Wedeln trainiert. Wenn er einmal sagt, wir müßten von den Lohnzusatzkosten runter, dann können Sie sicher sein, daß er am nächsten Tag sagt, jetzt müßten aber die Gewinne endlich anders und gerechter verteilt werden. Dabei geht er davon aus, daß es kein Standortproblem gibt.
Wir sind jedoch darauf angewiesen, daß wir die Chancen der Flexibilität und der Strukturerneuerung nutzen, daß wir Planungsgenehmigungsverfahren wirklich verändern, daß wir jetzt alle seit langem auf dem Tisch liegenden Probleme offen angehen und nicht immer wieder Formelkompromisse finden.
Wenn ich den Widerspruch zwischen dem, was in Ihrem Antrag vom Mannheimer Parteitag steht, und dem sehe, was Lafontaine gesagt hat, dann wird offensichtlich, daß der Antrag wieder aus Formeln besteht, die nicht ernstgenommen worden sind; denn die Zustimmung hat er nicht auf Grund des Antrags
Erich G. Fritz
bekommen, sondern auf Grund seiner Rede, die eine linke Rede war.
- Der Antrag ist beschlossen worden, aber zugehört haben die Leute bei dem, was Lafontaine gesagt hat, und das steht zum Teil in erheblichem Widerspruch zu dem, was im Antrag steht.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, daß die Hauptkraft bei der Außenwirtschaft auf die Hauptaufgaben konzentriert wird. Deshalb müssen wir über die Rahmenbedingungen der Außenwirtschaft und darüber, daß der europäische Binnenmarkt endgültig gebildet wird, diskutieren. Wir müssen darüber reden, daß das Welthandelssystem wirklich offen ist. Wir brauchen gerade für den Exporthandel die gemeinsame Währung der Europäischen Union.
Währungsschwankungen haben unmittelbare Folgen, für die keine Anpassungszeit zur Verfügung steht. 10 Pfennig Dollarschwankungen machen zum Beispiel für Mercedes 430 Millionen DM aus. Eine 1prozentige Lohnerhöhung macht 220 Millionen DM aus. Bei diesen Größenordnungen wissen wir, daß das, was wir staatlicherseits als Außenwirtschaftsförderung bezeichnen, natürlich nur ein marginaler Anteil dessen ist, worum es geht.
Herr Fritz, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Wenn sie nötig ist und es guttut, Herr Kollege.
Herr Kollege, da Sie das Standortproblem erwähnt haben, möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bewußt geworden, daß wir eine Standortdebatte und öffentliche Sorgen über die Verschlechterung des Wirtschaftsstandorts Deutschland erst haben, seit die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. die Bundesregierung stellt?
Herr Kollege, es ist mir jetzt fast unangenehm, Ihnen zu antworten. Ich würde lieber sagen: Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und ein fröhliches Leben.
Haben Sie vielleicht bemerkt, daß sich in den letzten fünf, sechs Jahren, seitdem wir die Standortdebatte intensiv führen, auf der Welt irgend etwas geändert hat? In dieser Zeit ist irgend etwas passiert. Haben Sie das gemerkt? Die Ost-West-Konfrontation hat sich in dieser Zeit aufgelöst, wir haben auf einmal Billiglohnkonkurrenz vor der eigenen Haustür und nicht mehr 20 Flugstunden, sondern nur noch fünf Autostunden entfernt.
Wir haben ein Gefälle in allen Bereichen der Umwelt- und Sozialstandards. Wir haben hungrige Länder, die bereit sind, fast alles möglich zu machen,
wenn sie nur die Chance erhalten, überhaupt etwas zu verkaufen. Wir haben Schwellenländer, die den Durchbruch geschafft haben und heute die dynamischsten Wachstumsregionen mit jährlichen Zuwachsraten sind, wie wir sie uns gar nicht vorstellen können.
Wenn Sie sagen, diese Debatte gibt es nur auf Grund der Regierungspolitik, dann sind Sie in einem Dorf zu Hause, um das eine hohe Mauer steht, so daß es nicht mitbekommt, was sich im Rest der Welt tut.
Meine Damen und Herren, wer die Außenwirtschaftschancen erhöhen will, der muß hier im Land die Hausaufgaben machen. Für eine Verbesserung des Standorts Deutschland steht die Bundesregierung und steht diese Koalition. Wir werden die staatlichen Rahmenbedingungen verbessern, den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse betreiben, entscheidende Faktoren unserer Wettbewerbsfähigkeit hier im Lande verbessern. Daran wollen wir arbeiten. Die Opposition ist dazu herzlich eingeladen.
Ihr Antrag ist Grundlage dieses Gesprächs. Ich weise allerdings darauf hin, daß von 16 Punkten, die Sie aufgeführt haben, alleine 12 enorm kostenwirksam sind. Vielleicht muß auch die Frage, ob alles nur über Geldausgeben zu regeln ist, beantwortet werden.
Herzlichen Dank.
Als nächster spricht Kollege Wolfgang Schmitt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der oberste ökonomische Türöffner der Republik, Bundeskanzler Kohl, hat anläßlich seiner zurückliegenden Asienreise, die unter dem Motto „Den Tigern auf der Spur" stattgefunden hat, die bundesdeutsche Wirtschaft zu mehr Pioniergeist aufgerufen. Allerdings scheint es mir so zu sein, daß es auch den Pionieren mitunter etwas an Mut fehlt. So schreibt die „ Süddeutsche Zeitung" vom 16. November dieses Jahres über das deutsche Engagement in Vietnam, die Euphorie habe deutlich nachgelassen. Besonders die Vertreter der Automobilindustrie ahnten Böses. In Vietnam seien mittlerweile zehn internationale Unternehmen tätig, hätten grünes Licht von der dortigen Regierung zur Aufnahme der Produktion erhalten. In ganz Vietnam seien 1994 nur 10 000 Automobile verkauft worden. Der deutschen Wirtschaft gehe es zunächst um etwas ganz anderes. Dazu heißt es in diesem Artikel: „Präsent sein ist alles." Aber Präsenz ist nicht alles. Es muß auch Geld verdient werden, wenn Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden sollen. Dann bedarf es auch realistischer Außenwirtschaftsstrategien, die die Aufnahmefähigkeit der möglichen Exportländer berücksichtigen.
Das darf also nicht alles gewesen sein. Deswegen lauten die Ausgangsfragen zu meinem heutigen Debattenbeitrag: Wie kann eine nachhaltige Form des Handels am Ende des 20. Jahrhunderts aus-
Wolfgang Schmitt
sehen? Welche Produkte werden in Zukunft überhaupt handelsfähig sein? Wie muß eine zukunftsfähige Produktion in der Bundesrepublik Deutschland beschaffen sein? Wird der internationale Außenhandel in einen mehr oder weniger international akzeptierten ordnungspolitischen Rahmen eingebettet sein, oder erleben wir quasi eine Art ökonomischen kalten Krieg jenseits jeglicher Selbstbeschränkungen und internationaler Einbindungen?
Nun haben auch wir Grünen verstanden, daß sich nicht erst seit dem tiefen politischen Einschnitt 1989, dem Ende des bipolaren Zeitalters, auch die Bundesrepublik Deutschland tiefgreifenden ökonomischen Veränderungen gegenübersieht. Die Globalisierungstendenzen, die unter anderem in einer rasanten Zunahme des internationalen Handels vor dem Hintergrund veränderter Informations- und Kommunikationstechnologie, liberalisierter Finanz- und Kapitalmärkte zum Ausdruck kommt, stellen die Volkswirtschaften vor neue Herausforderungen und Fragen.
Mit dem Abschluß der Uruguay-Runde haben sich die globalen Handelsbedingungen entscheidend verändert. Der Versuch, durch die Vertiefung von wirtschaftlicher und politischer Integration in regionalen Wirtschaftsräumen enger zusammenzurücken, Freihandelszonen aufzubauen, wie es bei den dynamischen Volkswirtschaften Asiens und Lateinamerikas der Fall ist, beschleunigt den Trend zur Zunahme des internationalen Handels ungeheuer. In Zahlen ausgedrückt: Wurde vor 25 Jahren rund ein Zehntel der weltweiten Produktion international gehandelt, sind es heute bereits 25 Prozent. Über 80 Prozent des Weltexports werden in Westeuropa, Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum abgewickelt.
Aber, meine Damen und Herren, was wird aus den Ländern, die das Tempo der Liberalisierung nicht mithalten können? Ihnen drohen die weitere Marginalisierung und ein Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Die Zahl der absolut in Armut lebenden Menschen ist weltweit auf 800 Millionen gestiegen. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis vom Ausmaß ökologischer Zerstörung und der Zunahme globaler Umweltprobleme. Der Versuch, mit internationalen Konventionen wie der Deklaration von Rio und der Agenda 21 auf diese Gefahren zu reagieren, erkennt den dringenden Handlungsbedarf an.
Meine Damen und Herren, der internationale Handel darf kein Selbstzweck sein.
- Hören Sie einmal zu, Herr Kollege! Ich glaube, Ihnen ist nicht ganz klar, welche Folgen die von Ihnen begrüßten und von uns zur Kenntnis genommenen internationalen Globalisierungstendenzen in den einzelnen Ländern haben. Ich habe den Eindruck, Sie haben noch nie einen Sweatshop oder eine Maquilladores von innen gesehen und damit auch nicht das Elend beobachtet, das ein internationaler Deregulierungswettlauf, Umwelt- und Sozialdumping für die betroffenen Menschen zur Folge
haben können. Diese Folgen sind im übrigen auch in der Bundesrepublik Deutschland zu spüren. Nicht nur Gewerkschaften, sondern auch die deutsche Industrie und die Wirtschaft weisen nachdrücklich darauf hin, daß ein vollkommen entfesselter internationaler Konkurrenzkampf an den Standorten für die Betroffenen, aber auch für die beteiligten Industrien nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch sein kann.
Ich denke, das Schicksal der beteiligten Menschen sollte uns interessieren.
Eine umfassende außenwirtschaftliche Rahmenkonzeption hat genau diesen Faktoren Rechnung zu tragen. Nach der Lektüre der Antwort der Bundesregierung zur Außenwirtschaftsförderung, aber auch nach der Lektüre des Außenwirtschaftsantrags der SPD habe ich gleich mehrere Verdächte.
Erstens. Es geht nicht mehr darum, was gefördert wird. Es geht vielmehr um eine Förderung um jeden Preis.
Zweitens. Die Bundesregierung läuft durch ihre Politik Gefahr, den weltweiten Subventionswettlauf zu forcieren.
Drittens. Andere Politikfelder wie zum Beispiel die Entwicklungspolitik werden im Sinne der Außenhandelsförderung einseitig instrumentalisiert.
Meine Damen und Herren, natürlich müssen die außenwirtschaftlichen Instrumente zielsicher, kosteneffektiv und koordiniert eingesetzt werden. Auch wir wissen, daß gerade die Exportanstrengungen kleinerer und mittlerer Unternehmen einer außenwirtschaftlichen Flankierung bedürfen. Eine Außenwirtschaftskonzeption aber, die ,diesen Namen verdient, beinhaltet für uns Grüne mehr. Die zentrale Aufgabe besteht darin, ökologische und soziale Mindeststandards im internationalen Handel völkerrechtlich zu verankern.
Lohn- und Ökodumping lösen Entwicklungen aus, die mittelfristig sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den Industrieländern katastrophale soziale und ökologische Folgen haben. Sie führen überdies dazu, daß die Zunahme des internationalen Handels in der Bundesrepublik eher als Jobkiller verstanden wird, der obendrein ökologisch und sozial niemandem nutzt.
Sie sehen ja, was in den Vereinigten Staaten von Amerika passiert. Dort wird versucht, unter der Instrumentalisierung internationaler Standards neue Elemente eines Protektionismus in den Welthandel einzuführen. Das allerdings wollen wir nicht. Wir sagen: Es geht um fairen Handel, um gerechte Handelsbeziehungen. Es geht nicht um Politikkonzepte,
Wolfgang Schmitt
die unter dem Motto „Deutschland zuerst" die Konkurrenten vom deutschen Markt fernhalten sollen.
Meine Damen und Herren, noch zwei Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen, die die Politik am Wirtschaftsstandort Deutschland schaffen sollte.
Herr Schmitt, denken Sie daran, daß Ihre Redezeit vorüber ist.
Nur noch zwei Hinweise.
Es geht um die Erhöhung des Ausbildungsniveaus, eine ökologische Steuerreform, die Verbesserung technologischer Standards, neue ökologische Produktionsverfahren und eine Abkehr von einer einseitigen technikfixierten Ingenieursmentalität, hin zu mehr Kunden- und Dienstleistungsorientierung; denn der Weltmarkt ist nicht mit dem deutschen Markt identisch. Wenn sich deutsche Produkte am Weltmarkt verkaufen sollen, dann gilt es, die jeweiligen kulturellen Rahmenbedingungen in unseren Partnerländern zu berücksichtigen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt Graf Lambsdorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Jeffrey Garten, bis vor wenigen Tagen Staatssekretär im amerikanischen Handelsministerium, hat sein letztes Buch mit dem Titel „Ein kalter Frieden: Amerika, Japan, Deutschland und der Kampf um die Vorherrschaft" versehen. Genau diese Überschrift legt die Gefahr für die weltweite außenwirtschaftliche Debatte offen: die falsche Interpretation des internationalen Handels als eines Wettbewerbs der Nationen.
Zu viele meinen, daß nach dem Zusammenbruch des Ostblocks an die Stelle der militärischen Konfrontation die wirtschaftliche rücke. Wie irh Kriegsfall gibt es aus deren Sicht im Welthandel nur Sieger oder Verlierer. Hinter diesen martialischen, reißerischen Gedanken steckt ein alter Bekannter, nämlich der Merkantilismus. Dieser ist nach dem Ende des kalten Krieges gefährlicher denn je. Merkantilismus sät stets neuen Zwist, Merkantilismus und Imperialismus gingen immer Hand in Hand. Handel war Mittel der Unterwerfung und Ausbeutung. Krieg und Eroberung waren unausweisliche Folge der zugrunde liegenden ökonomischen Ideen. Sie waren die offensichtliche und normale Form der Ausbeutung.
Protektionismus, das Ziel möglichst hoher Exportzahlen, das Aufrechnen bilateraler Handelssalden, der Einsatz von Staatsoberhäuptern als Chefverkäufer und strategische Allianzen sind die Fortsetzung des Merkantilismus mit modernen Mitteln.
Das Konzept der Triade, Bilateralismus und Trilateralismus sind nicht nur Ausdruck des Blockdenkens in den Handelsbeziehungen, sondern in den gesamten internationalen Beziehungen. Sie werden weder den von uns beobachteten geopolitischen noch den handelspolitischen Veränderungen gerecht, die wir mit dem heute schon gefallenen Stichwort Globalisierung der Märkte umschreiben.
Welche Rolle will dieses Konzept der Triade, etwa China, Indien, Südafrika, Lateinamerika, Australien und Neuseeland, um nur einige zu nennen, eigentlich zumessen? Wie will sie Rußland weltwirtschaftlich integrieren? Auf diese für unser aller Frieden und Wohlstand wichtige Frage geben die strategische Handelspolitik, Merkantilismus und Protektionismus keine Antwort, es sei denn die der Parteilichkeit und der Ausgrenzung. Dagegen ist die einzig richtige Antwort: multilateraler - ich unterstreiche: multilateraler - Freihandel.
Deshalb ist die neue Welthandelsorganisation, die WTO, mehr als eine Handelsorganisation. Die sie tragenden Staaten, zu denen inzwischen viele Entwicklungsländer und hoffentlich bald auch China gehören, leisten einen Beitrag zu einer neuen, freiheitlicheren Weltordnung, nicht nur Weltwirtschaftsordnung. Auch deswegen ist es wichtig, noch bestehende Handelshemmnisse für Güter und Dienstleistungen abzubauen.
Die Welthandelsorganisation muß zu einer internationalen Wettbewerbsordnung ausgebaut werden. Dann ist Wettbewerb kein Fluch, Herr Schmitt. Dann nicht.
Die Öffnung der Märkte und des Wettbewerbs in den Nationalstaaten sind essentielle Voraussetzung für einen unverfälschten weltweiten Wettbewerb. Sie sind die beste Konfliktvermeidungsstrategie.
Folglich gilt für die deutsche Außenwirtschaftskonzeption: Besser als jede spezielle außenwirtschaftliche Förderung ist die Stärkung der wettbewerblichen Rahmenbedingungen in Deutschland.
Damit, Herr Fritz, haben Sie völlig Recht.
Bessere Standortbedingungen, über die wir übrigens nicht erst seit sechs Jahren reden - vielleicht erinnern Sie sich daran, daß ich 1982 ein Papier geschrieben habe, das zu einigen Konsequenzen geführt hat; das waren Standortbedingungen und Standortfragen; darf ich Sie darauf ganz freundlich aufmerksam machen? -, sind die tragfähige Strategie, um über Leistungskraft Weltmarktanteile zu gewinnen. Da ist vieles von dem, Herr Mosdorf, was Sie im „Focus" oder wo auch immer veröffentlicht haben - Sie haben es heute zum Teil wiederholt -, durchaus zustimmungsfähig. Aber es ist nicht der Kernpunkt, nicht die Grundlage einer Außenhan-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
delsordnung wie wir sie brauchen. Exportfördermaßnahmen sind notwendig, aber das - entschuldigen Sie den Ausdruck - Herumfummeln allein an den Exportförderprogrammen bringt uns nicht sehr viel weiter.
Ich bin für eine Förderung von Auslandsmessen. Ich sage hier etwas ungeschützt: Ich war damals unterlegen und will den alten Streit nicht mehr aufgreifen. Mir wären die Förderung von Auslandsmessen und deutschen Industrieausstellungen und der Einsatz des Geldes dafür sinnvoller vorgekommen als die Förderung der Expo in Hannover. Ich will dies nur sehr zurückhaltend sagen.
- Wenn der Haushälter „beides" sagt, dann bin ich, Herr Weng, richtig beeindruckt.
- Es ist alles wahr. Ich habe es damals gesagt. Es hat nicht geklappt. Inzwischen ist es längst entschieden.
Meine Damen und Herren, Herr Mosdorf hat mit Recht auf das „Handelsblatt" hingewiesen. Es ist klar, daß Sie nicht erwähnt haben, daß Herr Henkel Ihre Kritik scharf zurückgewiesen hat; das wäre wohl auch zuviel verlangt.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland - gemessen an Exporten und Direktinvestitionen - hat vor allem gelitten, weil weltweit ein marktwirtschaftlicher Aufholprozeß eingesetzt hat. Als ich nach der Rückkehr aus Japan im Mai 1980 die Deutschen zu erhöhten Anstrengungen aufrief, war die Aufregung ganz gewaltig. Jetzt, 16 Jahre später, scheinen wir endlich zu begreifen, was sich in Asien tut.
Leistungsfähigkeit bedarf der Leistung. Wenn andere besser werden, muß man selbst zulegen. Hier muß ich allerdings sagen, daß das 10-Punkte-Programm von Oskar Lafontaine zur Schaffung neuer Arbeitsplätze erstens 15 Jahre zu spät kommt und zweitens deutlich hinter der Standortpolitik und den Forderungen der Bundesregierung zurückbleibt. Das springt zu kurz.
Strategische Handelspolitik ist keine Antwort auf die Umgewichtung der internationalen Standorte. Die Unterstützung des Exports durch Bürokraten und Politik - das sagen wir immerzu - bevorteilt die großen Unternehmen. Sehen Sie sich bitte die Fernsehaufnahmen aus Peking an. Warum ist der Präsident des Gesamtverbandes der Textilindustrie, der mit chinesischen Umwegeinfuhren und chinesischer Markenpiraterie zu tun hat, eigentlich allenfalls in der dritten Reihe zu sehen gewesen? Hatte man im Bundeskanzleramt nicht gemerkt, daß er, der sich
bemüht hat und den Herr Rexrodt unterstützt hat, in die vorderste Reihe zu kommen, dorthin gehört hätte?
Aber solche Probleme sollten wohl nicht den Glanz deutscher Handelsdelegationen trüben.
Herr Mosdorf, die SPD gehört keineswegs auf die Seite der Musterknaben. Es ist schon entlarvend, den Unterschied zwischen dem Initiativantrag und dem Beschluß des Mannheimer Parteitages zu diesem Punkt zu sehen. Im Initiativantrag findet sich noch, daß die deutsche Wirtschaft einen „freien und fairen Welthandel" brauche. Im Beschluß ist es dann nur noch ein „fairer Welthandel, der sich auch am Ziel der sozialen und ökologischen Verträglichkeit orientiert" . Das Stichwort „frei" hat der SPD-Parteitag kurzerhand gestrichen.
Warum haben die Entwicklungsländer die Aufnahme von Sozialklauseln in der Uruguay-Runde abgelehnt? Warum warnt die UNCTAD vor Neomerkantilismus? Warum fühlen sich spanische Exporteure mit Handelsbarrieren durch deutsche Umweltschutzregelungen konfrontiert? Warum bezeichnen sie Umweltnormen als Unterlaufen des Binnenmarktes? Ganz so schnell können wir diese Fragen nicht weglegen.
Mit der Diskussion um den Zusammenhang zwischen Handel einerseits und Umwelt- und Sozialstandards andererseits haben wir eine sehr schwierige Abwägung zwischen dem Prinzip der offenen Märkte und der Abschottung zu leisten. Die Abschaffung der Sklaverei, die Gewährleistung der Erziehung für alle Menschen, Versammlungsrecht, Koalitionsfreiheit und freie Meinungsäußerung für Arbeitnehmer, das gehört zu den Forderungen, für die sich Liberale weltweit nachhaltig eingesetzt haben und einsetzen.
Aber wer Worte wie Umwelt- oder Sozialdumping undifferenziert gebraucht, wird seinem und unserem Anliegen nicht gerecht. Er liefert dem Protektionismus eben doch neue Argumente. Protektionismus ist weder sozial, noch ist er umweltverträglich. Er verhindert die Vorteile des Freihandels, er verhindert mehr Wohlstand, mehr Einkommen und mehr Beschäftigung. Nur freier Welthandel ist ein fairer Welthandel.
Merkantilismus ist unfair, er ist auch unmoralisch. Die Freihandelsbewegung als Gegenbewegung des Merkantilismus hatte nicht nur ökonomische, sondern auch moralische Anliegen. War zum Beispiel die Bostoner Teaparty etwa nur eine Befreiung im Handel? Sie war der Beginn von Freiheit und Demokratie in den Vereinigten Staaten. Eine neue, freiheitlichere Weltordnung bedarf eines klaren Bekenntnis-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
ses zum Freihandel. Darin sollte sich der Deutsche Bundestag einig sein.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Kutzmutz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen Fritz ist sehr wohl zuzustimmen, daß es in der Einschätzung der Lage kaum einen Unterschied zwischen dem, was von Herrn Mosdorf, und dem gibt, was von ihm gesagt worden ist. Die zu beschreitenden Wege, wie die Lage zu verändern ist, sind in beiden Anträgen etwas differenzierter. Die einen setzen offensichtlich auf mehr Bürokratie, die anderen nach gewohnter Weise auf mehr Privatisierung und Deregulierung. Beiden gemeinsam ist jedoch das „Weiter so!", nur auf einer höheren, effizienteren Ebene.
Ich registriere sehr wohl, daß im Antrag der SPD die Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards im Welthandelsabkommen aufgenommen ist. Fürwahr eine edle Absicht! Tatsache ist aber, daß die auch von der SPD geforderte Weltmarktüberlegenheit teuer erkauft werden muß, in aller Regel gerade über die Senkung von Sozial- und Umweltstandards, wie es hierzulande seit Jahren diskutiert und praktiziert wird.
Äußerst aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß die Bundesregierung gerade in diesem Bereich „grundsätzliche Bedenken" gegen Ideen der EU-Kommission hat, wie in einem Bericht des Ministeriums für Wirtschaft vom 9. Oktober nachzulesen ist. Die ansonsten für bedingungslose Marktgläubigkeit bekannten Brüsseler Kommissare wollen dekretieren:
Wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt bedingen einander. Die Gemeinschaft darf sich daher nicht nur auf ihren wirtschaftlichen Fortschritt konzentrieren, sondern muß auch ihre soziale Dimension berücksichtigen.
Wenn schon solche Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden, ahnt man, wohin die Reise bei „effizienterer Außenwirtschaftspolitik" geht, nicht in Richtung besserer Sozialstandards, sondern ausschließlich in Richtung höherer Profitraten.
In gebotener Kürze will ich für die Fraktion der Demokratischen Sozialisten sagen, daß wir nicht bereit sind, der deutschen Wirtschaft bei der Internationalisierung und Globalisierung eine Sonderstellung einzuräumen.
Erstens müssen Außenwirtschaftsbeziehungen den Charakter tatsächlicher internationaler Arbeitsteilung an Stelle der herrschenden Konkurrenz- und Dominanzstrategie erlangen. Wir setzen auf eine demokratische, gerechte Weltwirtschaftsordnung.
Dazu gehört die grundsätzliche Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip im Umgang unter den Industrieländern und am Gerechtigkeitsprinzip gegenüber den Entwicklungsländern. Das schließt im übrigen die Entschuldung dieser Länder und das Engagement für Umwelt- und Sozialklauseln ein.
Wir sind deshalb zweitens gegen eine einseitige Weltmarkt- und Exportorientierung, gegen die Lösung eigener wirtschaftlicher Probleme durch hohe Exportüberschüsse auf Kosten anderer Länder. Auf der Grundlage einer auszubauenden statt, wie praktiziert, zu kürzenden Bildungs- und Forschungspolitik, die auf hochqualifizierte, kreative Arbeitskräfte und auf verwertbares, auf nachhaltiges Wirtschaften orientiertes technisches Wissen zielt, geht es uns um die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem Technolgie- und Innovationszentrum, anstatt weiter Jagd auf die Exportweltmeisterschaft zu machen. Nicht tonnenschwere Automobile und kilometerlange Flugplatzpisten sollten wir künftig zu exportieren suchen, sondern Wissen, mit dem die drohende Umweltkatastrophe verhindert werden kann. Diese Art der Qualität der Produkte ist gefordert.
Daher sind wir drittens für eine stärkere Binnenmarktorientierung der Wirtschaftsentwicklung, ohne auf die Nutzung der Vorteile einer sinnvollen internationalen Arbeitsteilung zu verzichten. Das heißt, gerade Regionalisierung der Wirtschaft und regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, statt Schwergut- und Arbeitsplatztransporte bis an das andere Ende der Welt zu subventionieren.
Deshalb heißt viertens Entwicklung internationaler Arbeitsteilung für uns vor allem, auch die Wiederbelebung und Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zu ost- und mitteleuropäischen Ländern zu forcieren und eine stärkere Integration in die europäische Wirtschaft zu erreichen. Statt in die Ferne zu schweifen, sollten Außenwirtschaftspolitiker vor unserer eigenen Haustür arbeiten. Vermutlich würden sie dann auch nicht - jetzt wende ich mich konkret an die Kollegen der SPD - ausgerechnet auf eine 'Oberprüfung der Regelungen der Hermes-Bürgschaften für Rußland-Geschäfte verfallen.
Angesichts einer Exportquote der neuen Länder von gerade einmal 3,5 Prozent, gemessen am Bruttoinlandprodukt, der Exportlücke als gravierenden Strukturdefekt der ostdeutschen Wirtschaft, muß sich hier jede Veränderung als kontraproduktiv erweisen. Die großzügigen Sonderkonditionen für die Gewährung von Hermes-Exportbürgschaften nach Osteuropa hatten eine positive Wirkung für Unternehmen in den neuen Ländern.
Inzwischen - das sollte Ihnen bekannt sein - haben sich die Vergabebedingungen wesentlich verschärft: strikte Begrenzung auf den Export von Investitionsgütern und Forderung nach Durchsetzung einer 15prozentigen Sofortbezahlung durch den Kunden. Für die Exporte in die GUS stehen für 1995 nur noch 2,5 Milliarden DM zur Verfügung. 1991 bis 1994 waren es insgesamt 22 Milliarden DM.
Herr Kutzmutz, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Sie wird Ihnen auf Ihre Redezeit nicht angerechnet.
Kollege Mosdorf, wir werden das aushandeln können. Ich möchte aber nur noch einen Satz sagen. Deshalb würde ich meine Rede gerne zu Ende führen. Einverstanden?
Mehr als die Hälfte der in Ostdeutschland verbliebenen 7 000 zumeist mittelständischen Industrieunternehmen ist inzwischen gänzlich aus dem Export ausgestiegen. Dem Rest würde bei der Umsetzung des SPD-Vorschlags wohl auch noch der Rest gegeben werden. Deshalb sage ich zu diesem Antrag wie auch zu dem Antrag der Regierungskoalition: ein falsches Signal zur falschen Zeit.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Mosdorf.
Ich möchte deshalb eine Richtigstellung vornehmen, weil die Frage, wie wir mit der Hermes-Absicherung von Rußland-Geschäften umgehen, ein wichtiger Aspekt ist. Die Bundesregierung hat - das ist im Wirtschaftsausschuß nie intensiv beraten worden - beschlossen, daß es eine sogenannte 80 : 20-Regelung gibt. Das heißt, alle Rußland-Geschäfte, die getätigt werden, bekommen nur dann eine Hermes-Absicherung, wenn mindestens 80 Prozent der Wertschöpfung in Ostdeutschland stattfinden.
Jeder, der nur den Hauch einer Ahnung davon hat, wie heute in Deutschland produziert wird, daß die Fertigungstiefen abgesenkt werden und ähnliche Dinge, der weiß, daß in Ostdeutschland eine 80prozentige Wertschöpfung gar nicht möglich ist, zum Beispiel beim Pressenbau oder in ähnlichen Bereichen des Maschinenbaus, weil die Unternehmen beispielsweise eine Siemens-Steuerung aus München anfordern müssen. Das heißt, diese 80:20-Regelung der Bundesregierung führt dazu, daß westdeutsche Unternehmen keine Exporte mehr abgesichert bekommen, daß aber auch ostdeutsche Unternehmen sie nicht tätigen können, weil sie die geforderten 80 Prozent nicht erreichen.
Als Folge davon gibt es eine Vollblockade im Rußlandgeschäft. Das war der Grund, warum wir gesagt haben: Laßt uns keine 80 : 20-Regelung machen, sondern laßt uns den Hermes-Kuchen, der für die Rußlandgeschäfte vorgesehen ist, so aufteilen, daß ein großer Teil für ostdeutsche Produktionen vorgesehen ist, damit der Absatz dort in Gang kommt, und ein entsprechend kleinerer Teil für Westdeutschland. Es sollte aber nicht eine dumme bürokratische 80:20-Regelung geben, die zu einer Vollblockade der Rußlandgeschäfte insgesamt führt.
Eine weitere Kurzintervention von Graf Lambsdorff.
Frau Präsidentin, was Herr Kutzmutz gesagt hat, endet bei der alten Vorstellung: Export von Blaupausen. Davon kann ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland genausowenig leben, wie man vom Lesen einer Speisekarte satt werden kann.
Herr Kollege Mosdorf, wenn es um die Überprüfung dieser Frage geht, sind wir nicht weit auseinander. Das Problem ist für mich: In Ostdeutschland ist der größte Teil der Industrie regelrecht platt gemacht worden. Der Anteil Ostdeutschlands beträgt im Moment 2 Prozent vom gesamten deutschen Export.
Wenn wir darin übereinstimmen, daß wir sagen, wir überprüfen das, um einen gerechteren Anteil zu erreichen, dann stehen wir sicher in einer Reihe. Ich habe das aber so verstanden, daß diese Überprüfung zum Wegfall genau dieser Kondition führt. Das kann nicht der richtige Weg sein, weil zum Beispiel 1994 der Export als Konjunkturantrieb in Ostdeutschland völlig weggefallen ist.
Danke schön.
Als nächster spricht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Norbert Lammert.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört zu den beachtlichen Vorzügen dieser Debatte, daß es weder einen Streit über die Wichtigkeit dieses Themas, nämlich der Bedeutung der Außenwirtschaft für die Zukunftsperspektiven unserer Volkswirtschaft, noch offensichtlich ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über das Ausmaß an Veränderungen gibt, mit denen wir es seit einigen wenigen Jahren zu tun haben.
Wenn selbst der Vertreter der Grünen von den „tiefgreifenden Veränderungen" und von der Notwendigkeit spricht, daraus auch neue Schlußfolgerungen für unser wirtschaftliches, vielleicht auch unser politisches Verhalten herzuleiten, dann läßt dies hoffen, daß jedenfalls die Aussicht besteht, daß wir uns außer über die Einschätzung der Bedeutung des Themas auch über die angemessene Vorgehensweise im Kern verständigen können.
Durch die Gleichzeitigkeit politischer Veränderungen, ökonomischer Veränderungen, auch rechtlicher Veränderungen in Gestalt der neuen Welthandelsordnung und technologischer Herausforderungen, mit denen wir besonders durch die modernen Informationstechnologien konfrontiert sind, hat sich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine völlig neue Perspektive für den internationalen Handel ergeben.
Parl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
Ich stimme dem Kollegen Mosdorf ausdrücklich zu, wenn er auf diese nicht nur statistische, sondern auch qualitative Veränderung der Geschäftsbedingungen der Außenwirtschaft - heute nicht zum ersten Mal - hingewiesen hat.
Nun haben Sie, Herr Kollege Mosdorf, eine, wie ich finde, hochinteressante Differenzierung zwischen der außenpolitischen und der außenwirtschaftlichen Bewältigung eingetretener Veränderungen vorgenommen. Über dieses Thema könnte man unter unterschiedlichen Gesichtspunkten durchaus ins Schwärmen geraten. Meine Vermutung ist, daß ,wir, wenn sich die deutsche Wirtschaft bei der Bewältigung dieser neuen Herausforderungen außenwirtschaftlich ähnlich schwer täte wie Ihre Partei bei der Bewältigung der außenpolitischen Implikationen, die damit verbunden sind, weniger Grund zur Zuversicht hätten, als diese Debatte das im allgemeinen durchaus nahelegt.
- Weil der Kollege Schily an einer Vertiefung des Themas interessiert ist, will ich ihn nicht enttäuschen. Über das, was Ihr Fraktionsvorsitzender und mancher andere Redner der Opposition in der gestrigen Aktuellen Stunde zur China-Reise des Bundeskanzlers
gesagt haben, mag man, Herr Kollege Schily, unter den unterschiedlichen Aspekten denken, was man will. Aber ein Beitrag zur Außenwirtschaftsförderung war das sicher nicht.
- Ich finde es umgekehrt hochinteressant, wie Sie bei einer Debatte, die im übrigen auf Ihren Wunsch hin stattfindet, zu Einlassungen zum gleichen Zusammenhang, die Sie gestern gemacht haben, heute erklären, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Genau das ist eine der Denkgewohnheiten, die in einer gründlich veränderten Welt überwunden werden müssen, wenn wir unsere eigenen politischen und ökonomischen Interessen in dieser Welt gemeinsam wahrnehmen wollen, und zwar mit der Sensibilität für die eine wie für die andere Facette des gleichen Themas.
Im übrigen will ich ausdrücklich unterstreichen, was eine Reihe von Kollegen, insbesondere die Kollegen Fritz und Graf Lambsdorff, in der Debatte über den Zusammenhang von Außenwirtschaft und Standortsicherung im Inneren gesagt haben. Unsere Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich zunächst einmal zu Hause. Das, was wir überhaupt können, einschließlich der Möglichkeiten politischer Begleitung und Flankierung, wird im wesentlichen auf den eigenen Märkten und unserer dort vorhandenen Konkurrenzfähigkeit bestimmt
und ersetzt ganz sicher nicht, auch bei hohen Haushaltsmitteln, die man dazu bewegen könnte, die Anstrengungen, die wir auf Außenmärkten gemeinsam unternehmen müssen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über moderne Instrumentarien reden, wenn wir überhaupt über die neuen Herausforderungen sprechen, wie sie sich in dieser gründlich veränderten Welt ergeben, dann diskutieren wir im Kern, wenn ich das richtig sehe, über etwa eine Handvoll wichtiger Einzelfragen.
Wir reden dabei aber den Stellenwert, den mittelständische Unternehmen im Zusammenhang mit außenwirtschaftlichen Entwicklungen haben, und über die Begleitungen, die sie stärker als Großunternehmen benötigen, um ihre Interessen wahrnehmen zu können.
Wir sprechen über die Relevanz einzelner Regionen unter Berücksichtigung ihrer Wachstumsperspektiven und ihrer technologischen Potentiale. Wir müssen über die Frage der Instrumentarien diskutieren, die sowohl industriell als auch politisch verfügbar sind, um diese Chancen mit Aussicht auf Erfolg wahrnehmen zu können.
Schließlich müssen wir über das schwierige, aber zentrale Thema einer sinnvollen Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft reden und über die Frage, was in dem Zusammenhang vernünftig und was möglicherweise weniger vernünftig ist. Nicht jede Erwartung, die an die Politik herangetragen wird, ist vernünftig.
Beispielsweise ist die Identifizierung von Marktchancen, die Identifizierung von Regionen, in denen ein solches Engagement besonders notwendig ist, zunächst einmal eine Aufgabe der Wirtschaft und ganz sicher nicht des Staates. Darüber werden wir hoffentlich keine Meinungsverschiedenheiten haben.
Daß im übrigen vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilungen unserer Verfassung die Frage der konzertierten Aktionen zwischen verschiedenen politischen Entscheidungsebenen, insbesondere der Kooperation zwischen Bund und Ländern, ganz wesentlich gerade für unsere Präsenz auf Drittmärkten ist, bedarf sicher keiner besonderen Beweisführung.
Ich möchte, weil in der Debatte und insbesondere auch in der Großen Anfrage zu Recht nachgefragt worden ist, wie die Bundesregierung diesen neuen Herausforderungen begegnet, gerne auf ein paar Fakten aufmerksam machen.
Die Bundesregierung hat die Aufwendungen für Auslandsmessen und Außenhandelskammern unter Berücksichtigung des veränderten Stellenwertes der Außenwirtschaft für unsere ökonomischen Zukunfts-
Parl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
perspektiven von etwas über 50 Millionen DM Anfang der 80er Jahre auf über 120 Millionen DM in den Haushalten 1995 und 1996 mehr als verdoppelt. Zusammen mit der Bundesstelle für Außenhandelsinformation wendet das BMWi für außenwirtschaftliche Informations- und Beratungsstrukturen 160 Millionen DM pro Jahr auf.
Was die mittelständischen Interessen angeht, will ich darauf aufmerksam machen, daß 90 Prozent der Auslandsmesseförderung auf kleine und mittlere Unternehmen entfallen, selbstverständlich zu Recht. Die Schwerpunktbildung, die in dieser Debatte immer wieder eingefordert wird, ist bei der Bewirtschaftung dieser Mittel durchaus nachweisbar.
Die Bundesregierung hat mit ihren Instrumenten der Öffnung Osteuropas und der Dynamik im asiatisch-pazifischen Raum zu einer Zeit Rechnung getragen, als viele noch völlig auf den europäischen Binnenmarkt, seine Vorbereitung und sein Inkrafttreten, fixiert waren. Hier kann der Vorwurf einer nachträglichen und deswegen zu späten Berücksichtigung von neuen Entwicklungen ganz sicher nicht erhoben werden.
Ganz im Gegenteil: Wir haben bereits zum Zeitpunkt der weitgehenden Orientierung eines Großteils der deutschen Öffentlichkeit, auch der deutschen Wirtschaft, auf europäische Zusammenhänge die notwendige Ausweitung auf außereuropäische Märkte vorgenommen. Durch das Asien- und das Lateinamerikakonzept der Bundesregierung, übrigens in einer engen Kooperation zwischen den Ressorts, haben wir mit einer nicht ausschließlich ökonomischen, sondern gleichzeitig politischen und entwicklungspolitischen Perspektive für diese neuen Herausforderungen neue Instrumente geschaffen.
Wir haben inzwischen eine Verteilung der von uns geförderten Messeaktivitäten, wonach aus guten Gründen in diesem wie im kommenden Jahr mehr als die Hälfte an asiatischen Standorten stattfinden wird und ein Viertel an Plätzen in Mittel- und Osteuropa, um den dortigen großen Veränderungen operativ Rechnung zu tragen.
Wir haben unsere Präsenz in Asien deutlich ausgebaut. Wir verfügen inzwischen in Warschau, Prag und Budapest über vollwertige Außenhandelskammern. Wir haben in diesen Räumen mittlerweile deutlich überproportionale Wachstumsraten, nicht nur gemessen an unserem Inlandssozialprodukt, sondern auch gemessen an den Volumina, die im Außenhandel stärker zunehmen, als das in bezug auf unser Bruttoinlandsprodukt gegenwärtig der Fall ist.
Die Bundesregierung hat also neuen Märkten zu einer Zeit Rechnung getragen, als viele geglaubt haben, wir seien voll fixiert auf die allerdings zentralen Herausforderungen der deutschen Einheit und allenfalls noch mit den Veränderungen befaßt, die sich im europäischen Binnenmarkt ergeben.
Wir haben im übrigen auch auf den Nahost-Friedensprozeß rechtzeitig reagiert. Wir haben gerade vor wenigen Wochen zusammen mit dem DIHT in Israel eine neue Außenhandelskammer eröffnet und in den palästinensischen Gebieten und im Libanon
Delegiertenbüros der deutschen Wirtschaft eingerichtet.
Wir haben qualitative Verbesserungen des außenwirtschaftlichen Dienstleistungsangebots, übrigens auch durch verbesserte Informationsmedien im Bereich der Bundesstelle für Außenhandelsinformation, erreicht. Wir haben Entgeltdifferenzierungen bei den Exportfinanzierungen ermöglicht und auf diese Weise zu einer Senkung der Gebühren gerade auf den Wachstumsmärkten der Welt beigetragen.
Wir haben das Instrument der Kapitalanlagegarantien, von dem wiederum überwiegend mittelständische Unternehmen Gebrauch machen, besonders stark im mittel- und osteuropäischen Bereich eingesetzt.
Im Ganzen ist das eine Entwicklung, die sich sicher sehen lassen kann und die die Zuversicht durchaus stützt, die in dieser Diskussion vorgetragen worden ist.
Allerdings finde ich die Skepsis berechtigt, die Graf Lambsdorff in einem Teil seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat, als er, wie ich finde, mit guten Gründen Fragezeichen an der inzwischen populär gewordenen Forderung nach geradezu ständiger und regelmäßiger politischer Begleitung aller möglichen ökonomischen Ambitionen angebracht hat. Ich sage auch hier ganz freimütig: Für einen Fortschritt der Zivilisation halte ich es nicht,
daß auf immer mehr Märkten und an immer mehr Plätzen in der Welt ohne den gleichzeitigen Auftritt von Politik und Wirtschaft nicht einmal das Ingangsetzen von Gesprächen mit Aussicht auf Erfolg möglich zu sein scheint. Wir sollten uns von daher neben dem notwendigen Blick für die Realitäten - und die Realitäten sind so, wie sie sind - schon die Vorstellung von den Funktionsbedingungen von Welthandelsmärkten bewahren und aus einem vielleicht im Augenblick notwendigen Übel nicht vorschnell gemeinsam eine vermeintliche Tugend herbeireden. Dies wäre eher der Anfang vom Ende der Wettbewerbsbeziehungen, die wir uns auf den Weltmärkten vorstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine abschließende Bemerkung. Der Kollege Mosdorf hat in einer sehr respektablen Weise am Beginn seiner Rede die heutige Berichterstattung im „Handelsblatt" und das Gespräch mit dem BDI-Präsidenten in diese Debatte eingeführt. Ich will das zum Schluß, auch um den breiten Konsens zu vertiefen, gerne fortführen. In diesem Artikel wird der BDI-Präsident mit der Bemerkung zitiert:
In der Außenwirtschaftspolitik hat die Bundesregierung keine weiteren Ratschläge nötig.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht mir zu weit. Gute Ratschläge haben wir immer nötig. Wenn
Parl. Staatssekretär Dr. Norbert Lammert
sie in dieser Debatte, nach dieser Debatte, in den Ausschußberatungen, durch Große Anfragen und was damit bewegt wird an uns herangetragen werden, machen wir davon natürlich gerne Gebrauch.
Wenn dann schließlich in demselben Artikel immerhin der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie erklärt, die derzeitige Außenwirtschaftspolitik der Regierung Kohl stelle einen echten Standortvorteil dar, dann ist dies eine schöne, verdiente und dazu pünktliche Attestierung einer erfolgreichen Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte.
Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Hempelmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist mittlerweile ein halbes Jahr alt. Inzwischen liegt die Antwort vor. Man muß zugeben: Dieses halbe Jahr ist von der Bundesregierung genutzt worden, um das eine oder andere Defizit aufzuarbeiten. Insofern nimmt es nicht allzusehr wunder, daß die Antwort im wesentlichen Eigenlob, aber - feigenblattartig verbrämt - gelegentlich auch ein bißchen Selbstkritik enthält. Der Beitrag von Herrn Lammert war ja wohl in der gleichen Sprache gehalten. Für den Leser stellt sich daher die Hauptaufgabe, Fabel und Fakten auseinanderzuhalten. Ich möchte bei den Fakten beginnen.
Zieht man den EU-Export nämlich ab - die EU ist inzwischen ja wohl Binnenmarkt -, dann bleibt dem einstigen Exportweltmeister Deutschland nur ein Platz im Mittelfeld. Im Juli 1995 beispielsweise gingen unsere Exporte zu 56 Prozent in die EU, aber nur zu 3 Prozent in die Wachstumsregionen der ASEAN-Staaten.
- Macht Sie das nervös, Herr Fritz?
Aus China importieren wir mittlerweile mehr, als wir dorthin exportieren. Deutschlands Anteil am Welthandel ist auf der Exportseite seit 1970 geschrumpft, während die Industriestaaten insgesamt seit 1980 wieder zulegen. Soweit eine kurze Übersicht.
Sehen wir uns einmal an, was die Regierung im einzelnen sagt und tut. In ihrer Ansammlung mehr oder weniger unverbundener Einzelelemente zur Außenwirtschaftspolitik lobt sie unter anderem die Arbeit der Außenhandelskammern und stellt die Bedeutung von Auslandsmessen heraus - zu Recht, wie ich meine. Die Regierung sagt - das ist in der Tat Fakt -, daß diese Messen eine herausragende Rolle bei der Erschließung neuer Märkte spielen und rund 19 Prozent aller Exporte direkt auf Auslandsmessen
zurückzuführen sind. Fakt ist aber auch, trotz der Zahlenspielereien von Herrn Lammert, der die Verdoppelung seit 1980 erwähnt hat, daß im letzten Jahr die Regierung die Mittel genau für diese Bereiche gekürzt hat.
Es ist heute mehrfach, von Herrn Fritz und von Herrn Lammert, betont worden, daß die Hausaufgaben vor allem vor der eigenen Haustür gemacht werden müssen, daß über unsere Wettbewerbsfähigkeit vor allem zu Hause entschieden würde. Dazu gibt es ja auch Aussagen im CDU/CSU-Antrag. Nur, es fehlt dort einiges. Die Regierung kürzt bekanntermaßen ja auch in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung und schwächt damit den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb. Das muß ja wohl auch einmal erwähnt werden.
Aufschlußreich ist der zur heutigen außenwirtschaftspolitischen Debatte vorgelegte Antrag der Koalitionsfraktionen. Nach dem Einleitungsteil, in dem pflichtgemäß von der erfolgreichen Außenwirtschaftspolitik der Regierung fabuliert wird, kommt ein Forderungsteil. Er liest sich so, als sei er vom SPD-Antrag, der ja vorher vorlag, abgekupfert worden. Es besteht erkennbarer Konsens über eine Reihe von notwendigen Maßnahmen, zum Beispiel darüber, die Arbeit von Außenwirtschaftskammern, Länderinitiativen, regionalen Wirtschaftsförderern, auch die vom „European Business Information Center" besser zu koordinieren. In beiden Anträgen wird ausdrücklich gefordert, gerade in Zeiten knapper Mittel vorhandene personelle und institutionelle Ressourcen optimal zu nutzen. Insofern haben Sie, Herr Fritz, natürlich völlig recht: Nicht alles ist über Geldausgeben zu regeln. Sie fordern ja selbst, daß bei der Nutzung vorhandener Ressourcen Verbesserungen eintreten müssen.
Ich möchte ganz speziell etwas zu den Botschaften und Generalkonsulaten sagen. Sie spielen in der Außenwirtschaftspolitik eine Schlüsselrolle; sie haben Zugang zu politischen Instanzen und Entscheidungsträgern in Wirtschaftsangelegenheiten, an die andere kaum herankommen. Auch wenn da laut Regierungsantwort schon einiges geschieht, sprechen Rückmeldungen aus kleinen und mittleren Betrieben eine andere Sprache. So konzentrieren sich Botschaften meist auf die Zentralregionen der jeweiligen Länder und sind oft zu wenig über Nebenschauplätze informiert, die für den Einstieg in das Exportgeschäft häufig viel geeigneter sind. Ihre Handreichungen sind, so hört man, juristisch geschliffen, aber praktisch für den kleinen oder mittleren Unternehmer völlig unbrauchbar.
Wir brauchen also nicht nur eine auf dem Papier definierte Zuständigkeit; wir brauchen eine intensive Ausbildung des Personals, geeignetes Informationsmaterial, das einerseits deutschen Exporteuren schnell und genau klare Handlungswege aufzeigt, andererseits ausländische Investoren über den Einstieg in Deutschland orientiert. Leitbild muß der in-oder ausländische Unternehmer sein, der Hilfestellung bei der Bewältigung nötiger Verwaltungsschritte braucht.
Rolf Hempelmann
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir vor allem brauchen, ist eine entsprechende Einstellung. Amerikanische Botschafter beispielsweise werden gerühmt, die besten Autoverkäufer ihres Landes zu sein. Statt wie unser Außenamt pikiert auf den neuen Wettbewerb in der Handelsdiplomatie zu blicken - wie in der „Wirtschaftswoche" nachzulesen -, sollten wir dieses ausgezeichnete Instrument endlich stärker nutzen.
Es hilft auch, Außenwirtschaftspolitik auf viele Schultern zu verteilen. Vielleicht können wir dann in Zukunft auch auf unseren fabelhaften Oberbotschafter verzichten, dessen letzter handelsdiplomatischer Ausflug bekanntlich trotz gehorsamster Kniebeugen auf dem Kasernenhof in bezug auf die Abschlüsse - das ist Fakt - hinter den ausposaunten Erwartungen zurückblieb.
Vielen Dank.
Als letzte Rednerin in dieser Debatte die Kollegin Elke Wülfing.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mosdorf, Sie haben vorhin davon gesprochen, daß das Markenzeichen „Made in Germany" nicht mehr unbedingt dazu führe, daß deutsche Produkte gekauft werden, und es von „Made by Bosch" und ähnlichem - Sie haben Firmennamen genannt - abgelöst werden müsse. Ich finde das nicht ganz korrekt.
Vielmehr kommt es gerade auf das an, was in Ihrem wie auch in unserem Antrag steht, nämlich kleine und mittlere Unternehmen mit der Auslandsmesseförderung zu unterstützen. Die Großen brauchen das nicht; die können das von alleine.
Außerdem haben Sie gesagt, Ihnen fehlten Direktinvestitionen in Deutschland. Da haben Sie. recht. Ich finde es sehr gut, daß wir hier auf einer Linie sind und die Zahlen gleich interpretieren. Nur, Sie haben nicht die Antwort auf die Frage gegeben, warum das so ist. Ich glaube, das haben Sie einfach vergessen. Der Standort Deutschland ist zu teuer. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Situation ändern.
Sehr geehrter Herr Hempelmann, ich hoffe, auch Sie haben das Jahresgutachten des Sachverständigenrates gelesen. Dort steht nämlich sehr deutlich, was zur Zeit Sache ist - ich zitiere -:
Konnte im Jahr 1994 die Warenausfuhr Deutschlands mit der Expansion des Welthandels Schritt halten, so gelang das in diesem Jahr nicht. Sie blieb vielmehr mit einer Wachstumsrate von 3 Prozent deutlich dahinter zurück. In den neuen Bundesländern erhöhte sich der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz kaum.
Ich denke, diese Feststellung muß uns alle aufhorchen lassen. Schließlich sind unsere Arbeitsplätze in hohem Maße vom Export abhängig.
Was muß denn nun getan werden, damit der Export auch weiterhin das wichtigste Standbein unserer Wirtschaft bleiben kann? Es ist schon darauf hingewiesen worden: Die GATT-Verhandlungen haben den Rahmen für den Welthandel festgelegt; die WTO beobachtet und begleitet diesen Liberalisierungsprozeß.
Die Handel treibenden Staaten sind aufgefordert, noch größere Bereitschaft zu zeigen, die eigenen Märkte auch tatsächlich zu öffnen. Auch Entwicklungs- und Schwellenländer können nur davon profitieren, wenn sie im Außenhandel keine Einbahnstraße sehen. Reziprozität ist hier gefordert.
Sorge macht in diesem Zusammenhang das NichtGATT-Land China. Herr Lambsdorff hat es eben schon erwähnt: Die Importe aus China kommen nicht nur im Rahmen der vereinbarten Kontingente nach Europa. Umgehungsausfuhren überschwemmen auf allen möglichen krummen Wegen und zu Dumpingpreisen den europäischen Markt.
Ich bin daher Bundeskanzler Kohl dankbar, daß seine Reise nach China die Chancen für deutsche Produkte und deutsche Investitionen auf dem chinesischen Markt erheblich verbessert hat, damit auch der Handel mit China auf Reziprozität beruht und keine Einbahnstraße bleibt.
Ehe wir nach Instrumenten rufen, die seitens der Politik in die Debatte eingeführt werden müssen, sollten wir uns doch fragen: Was muß eigentlich ein Unternehmer tun, um auf ausländischen Märkten erfolgreich zu sein?
Erstens braucht er Ideen, das heißt, er muß sich heute etwas Besseres ausdenken, als nur ein Massenprodukt herzustellen. Das können andere Länder besser als wir. Im Hochkostenland Deutschland ist das nicht mehr möglich. Das muß er allein leisten.
Zweitens. Er braucht Marktkenntnis. Er muß das Produkt an die Bedürfnisse und den Geschmack im Ausland anpassen. Dabei können ihm die Außenhandelskammern und die Botschaften durchaus helfen, und das tun sie auch.
Er braucht auch ein Marketingkonzept, denn er muß sein Produkt bekanntmachen können. Dabei kann er Unterstützung erhalten, und das machen wir auch durch öffentliche Messeförderung.
Wenn dies alles gelungen ist, wenn der handelspolitische Rahmen stimmt, wenn das Marketingkonzept stimmt, wenn das Produkt und alles andere in Ordnung ist, und wenn man dann schließlich und endlich einen interessanten Kunden an der Angel hat, dann kommt zum Schluß der Augenblick, in dem man sich tief in die Augen
Elke Wülfing
schaut und der Kunde die Gretchenfrage stellt: Was kostet das denn?
Jetzt befindet sich ein deutscher Unternehmer in einer schwierigen Situation. Er kann dem ausländischen Käufer schon kaum erklären, warum wir in Deutschland so hohe Kosten haben; vor allem aber kann er nicht erwarten, daß der ausländische Kunde diese hohen Kosten im Umweltbereich, im Energiebereich und im Sozialbereich über den Preis des Produktes auch tatsächlich bezahlt. Warum sollte er das eigentlich tun? Warum sollte er in Deutschland die Sozialkosten über den Preis des Produktes bezahlen? Er denkt gar nicht daran, und damit ist dann das Geschäft zu Ende. Die ganze Messeförderung und alles andere wird uns nichts mehr nützen.
Es wurde schon darauf hingewiesen, und ich glaube, die SPD sieht das auch ein - die PDS natürlich nicht, aber das ist auch nicht so wichtig; auch die Grünen haben in dem Punkt noch einen Nachholbedarf -, daß wir in Deutschland, und zwar auf der Ebene des Bundes, der Länder, der Gemeinden und auch der Fraktionen des Hauses - zumindest der großen -, gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen, um die Kosten zu senken.
Die SPD macht es sich relativ einfach: Gebetsmühlenartig erhebt sie die Forderung nach Umwelt- und Sozialstandards im Handelssystem. Ich denke, daß wir abwarten sollten, was die OECD-Studie zu diesen Fragen aussagt, ob Handelspräferenzen oder Handelssanktionen denen etwas nutzen, die wirklich betroffen sind.
Immer wieder sagen Sie: Ceterum censeo möchte ich Umwelt- und Sozialstandards im GATT haben. Sie tun so - oder Sie suggerieren es zumindest -, als würden dadurch ausländische Produkte teurer, so daß man unsere hohen Kosten nicht mehr so merkt. Selbst wenn die Entwicklungsländer alle Umwelt- und Sozialmindeststandards beachten - auch wir wollen das; so ist das nicht -, dann sind unsere hohen Kosten immer noch vorhanden,
denn die Kosten für die Umwelt- und Sozialstandards in den Entwicklungsländern werden nie so hoch sein können, daß sie mit uns gleichziehen. Insofern bleibt im Endeffekt selbst beim Außenhandel die Frage, welche Kosten wir in Deutschland haben und ob wir gemeinsam bereit sind, diese zu senken.
Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/3055 sowie des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/3063 an den Ausschuß für Wirtschaft vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe auf die Zusatzpunkte 9 a und b:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996
- Drucksachen 13/1173, 13/1686 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
- Drucksache 13/3084 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl H. Fell Gisela Frick
Lydia Westrich
bb) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 13/3085 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth
Dr. Wolfgang Weng Karl Diller
Oswald Metzger
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Schwanitz, Joachim Poß, Jörg-Otto Spiller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern für ein Jahr
- Drucksachen 13/1856, 13/3084 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl H. Fell Gisela Frick
Lydia Westrich
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich zum Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/ CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. das Wort zunächst der Berichterstatterin Gisela Frick geben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch Jahressteuer-Ergänzungsgesetze bedürfen offensichtlich der Ergänzung. Ob das ein sehr gutes Verfahren ist, möchte ich hier nicht weiter erörtern. Ich habe aber die Bitte an den neuen Staatssekretär im Finanzministerium, daß solche Dinge in nächster Zeit nicht mehr vorkommen mögen. Wir haben in diesem Bereich mittlerweile eine doppelstufige Ergänzungsbedürftigkeit.
Kurz gesagt geht es um Art. 14 a, der im Jahressteuer-Ergänzungsgesetz bisher noch nicht beachtet worden ist. Dabei geht es um eine Änderung des Einführungsgesetzes zur AO. Ich verweise auf die Drucksache 13/3090.
Gisela Frick
Entscheidend ist, glaube ich, der letzte Absatz, der die Begründung weitgehend ersetzt:
Die Aufnahme in das vorliegende Gesetz ist erforderlich, damit die Verlängerung der Frist über die Festsetzungsverjährung rechtzeitig vor der ansonsten bereits in einigen Fällen zum 31. Dezember 1995 eintretenden Verjährung erfolgt.
Da alle Beteiligten damit einverstanden sind, gibt es da, glaube ich, kein Problem.
Danke schön.
Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung hat jetzt der Kollege Karl Fell.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zugleich im Namen des Kollegen Gerhard Schulz, der mich ermächtigt hat, diese Erklärung auch für ihn abzugeben, begründe ich mein Abstimmungsverhalten zum JahressteuerErgänzungsgesetz.
Die SPD-Mehrheit im Bundesrat hat im Vermittlungsverfahren über das Jahressteuergesetz 1996 unter anderem eine massive Verschärfung für die Besteuerung der privaten Nutzungsanteile für dienstlich angeschaffte oder vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Kraftfahrzeuge erzwungen. Diese Schlechterstellungen steigen bei Kraftfahrzeugen mit einem Listenpreis von 50 000 DM und mehr und bei einer Entfernung zur Arbeitsstätte von 25 Kilometer und mehr gegenüber der heutigen Regelung im Durchschnitt um mehr als 135 Prozent. Die Folgen dieser Entscheidung sind mehr als nur bedenklich.
Erstens. Die deutsche Automobilindustrie wird im Bereich der oberen Mittelklassewagen einen dramatischen Absatzverlust im Inland erleiden.
Zweitens. Für Selbständige und Angestellte, die ein Dienstfahrzeug auch für private Zwecke nutzen, wird die steuerliche Bemessungsgrundlage gegenüber der bisherigen Regelung um 135 Prozent und mehr erhöht. Je größer die Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte ist, desto größer ist die steuerliche Mehrbelastung.
Drittens. Diese steuerliche Mehrbelastung steht im Gegensatz zu der auf dem Arbeitsmarkt immer wieder geforderten Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer.
Viertens. Sie steht auch im Widerspruch zu der erstrebten Neuregelung bei Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfezahlungen, deren Leistungshöhe gekürzt werden soll, wenn ein konkret angebotener zumutbarer Arbeitsplatz nicht akzeptiert wird. Durch die Erhöhung der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird die Zumutbarkeit erheblich eingeschränkt.
Fünftens. Die errechnete Mehreinnahme wird im übrigen allenfalls teilweise erreicht, da schon jetzt über „einsparende" Gestaltungslösungen offen gesprochen wird.
Sechstens. Darüber hinaus hat der Bundesrat im Vermittlungsverfahren die Absenkung der degressiven Abschreibung im Mietwohnungsbau von 7 auf 5 Prozent durchgesetzt, was die Gefahr der konjunkturellen Abschwächung im Wohnungsbau noch zusätzlich verschärft.
Die Mehrheit im Bundesrat hat dem Parlament daher ein Gesetz aufgezwungen, dessen aus den vorgenannten Gründen notwendige Reparatur im Jahressteuer-Ergänzungsgesetz durch das kategorische Nein gerade der SPD-Fraktion verhindert worden ist.
Einem solchen Gesetz können der Kollege Schulz und ich nicht zustimmen. Wir werden deshalb gegen das Gesetz stimmen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996. Das sind die Drucksachen 13/1173 und 13/ 1686.Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache 13/ 3084 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf unter der Bezeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze - Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 -" in der Ausschußfassung anzunehmen.Wie gesagt, es liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, des Bündnisses 90/ Die Grünen und der F.D.P. vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 13/3090? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist bei 1 Enthaltung aus der PDS angenommen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der PDS bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Kann ich davon ausgehen, daß wir trotz Annahme der Änderung unmittelbar in die dritte Beratung eintreten können? - Das ist der Fall.Dann kommen wir zurdritten Beratungund zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. bei Gegenstimmen von PDS und 2 aus der CDU und Enthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen angenommen.Unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/3084 empfiehlt der Finanzausschuß, den Antrag der Fraktion der SPD zur „Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern für ein Jahr", Drucksache 13/1856, für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschluß-
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 72. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. November 1995 6355
Präsidentin Dr. Rita Süssmuthempfehlung mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. bei Enthaltung von Bündnis 90/ Die Grünen und PDS angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder Steenblock, Elisabeth Altmann , Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENUmlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer- Drucksache 13/2420 -Überweisungsvorschlag:Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für VerkehrAusschuß für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitNach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zehn Minuten erhalten soll. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch.Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt Kollege Rainder Steenblock.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Ausführungen mit zwei Feststellungen beginnen, von denen ich glaube, daß sie zwischen allen Fraktionen konsensfähig sind.
Erstens. Die Kfz-Steuer, so wie sie heute besteht, muß dringend verändert werden. Es gibt ja in allen Fraktionen, es gibt auch in der Bundesregierung eine ganze Reihe von Überlegungen, wie man die Kraftfahrzeugsteuer verändern kann. Das werden wir sehr schnell tun müssen.
Zweitens. Eine Veränderung der Kraftfahrzeugbesteuerung - auch hier glaube ich, daß alle zustimmen können - muß in eine verbesserte ökologische Lenkungswirkung der Abgaben, die im Verkehrsbereich erhoben werden, übergehen.
Sie haben vielleicht heute im „Handelsblatt" gelesen, daß die Vorstellungen der Bundesregierung zur CO2-Minderung im Grunde schon gescheitert sind, daß also jetzt schon deutlich wird, daß das Minderungsziel für CO2 mit den Maßnahmen, die bisher eingeleitet worden sind, überhaupt nicht erreicht werden kann. Es zeigt sich, daß das Setzen auf Selbstverpflichtung der Industrie keine Entschuldigung für das Nichtstun dieser Bundesregierung hinsichtlich einer ökologischen Steuerreform sein kann.
Deshalb glauben wir, daß auch diese Diskussion, so wie wir sie heute führen, notwendig ist, um zu einer stärker ökologisch orientierten Ausrichtung unseres Steuersystems zu kommen. Wir schlagen Ihnen daher vor, die Mineralölsteuer zu erhöhen und gleichzeitig die Kfz-Steuer abzuschaffen.
Um in dieser Frage keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht uns nicht um eine generelle Erhöhung der Mineralölsteuer, - die wir auch für notwendig halten -, sondern bei der Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer streben wir ein Modell an, das völlig aufkommensneutral ist und das zu keiner zusätzlichen Belastung der Autofahrerinnen und Autofahrer führt.
- Natürlich stimmt das. Aber Sie können Ihren Einwand auch gern als Zwischenfrage vortragen; denn dann habe ich mit meiner Redezeit nicht soviel Probleme.
Es ist doch so: Wenn man das Volumen der Kraftfahrzeugsteuer auf den durchschnittlichen Verbrauch umlegt und sagt, wir kommen damit zu einer Erhöhung von ungefähr 20 Pfennig pro Liter, dann ist das natürlich nicht für jeden aufkommensneutral, aber es belastet die Autofahrerinnen und Autofahrer in der Summe nicht mit höheren Kosten. Nur derjenige, der viel fährt, wird mit höheren Kosten belastet.
Herr Hinsken hat eine Zwischenfrage.
Herr Kollege, Sie pflichten mir doch bei, daß zwischen einem Bewohner der Fläche und einem Bewohner eines Ballungsraumes zu unterscheiden ist. Letzterer kann den öffentlichen Personennahverkehr nutzen, weil er vorhanden ist. Der Flächenbewohner wird immer auf das Auto angewiesen sein. Dieser Mensch muß nicht nur zur Arbeit, sondern er muß gegebenenfalls einen Krankenbesuch in einem Krankenhaus machen, er muß eine Behörde aufsuchen, er möchte kulturelle Veranstaltungen und dergleichen in den Städten besuchen. Wie soll er dort hinkommen? Er wird über eine Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer zusätzlich belastet. Das kann und darf doch nicht richtig sein!
Doch, das kann richtig sein, und wir halten das auch für notwendig. Der Tatbestand, den Sie schildern, ist völlig richtig. Nur die Ursache dafür liegt in einer völlig verfehlten ÖPNV-Politik dieser Bundesregierung.
Wenn Sie bei der Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs die Fläche ständig benachteiligen, dann kommen wir natürlich in die Situation, daß der Autoverkehr ständig subventioniert werden muß. Das genau wollen wir ändern. Wir wollen den öffentlichen Personennahverkehr in die Fläche bringen.
Ich möchte dazu zwei Bemerkungen machen.
Rainder Steenblock
- Ich begründe das, vielleicht erübrigt sich dann Ihre weitere Frage. - Das Problem, das wir zur Zeit haben, besteht darin, daß Arbeiten und Wohnen immer weiter voneinander entfernt stattfinden. Diese Entwicklung, die mit einer massiven Zersiedelung des Umlandes der Metropolen und der größeren Städte verbunden ist, muß gestoppt werden. Deshalb ist eine Subventionierung der Autofahrer, die immer größer werdende Entfernungen zurücklegen, falsch. Die Subventionierung erfolgt zum Beispiel durch die Kilometerpauschale und die zu geringen Kraftfahrzeugpreise.
Wenn Sie über eine Bevorzugung oder Benachteiligung der Autofahrer reden, dann müssen Sie auch die Gesamtsumme der Belastungen sehen, die die Menschen, die die weiten Entfernungen zurücklegen, zu tragen haben. In den Metropolen und großen Städten liegen die Kosten für Wohnen um ungefähr 40 Prozent über den Kosten an den Peripherien oder auf dem Lande. Diese Kosten müssen Sie, wenn Sie von der Anlastung der Kosten bei den Betroffenen reden, einbeziehen. Wenn die Wohnkosten in den Ballungsräumen so hoch sind, dann ist das ein Faktor, der die Menschen, die auf dem flachen Lande wohnen, nicht betrifft. Deshalb ist die Anlastung höherer Verkehrskosten bei diesen natürlich gerecht. Das ist ein Steuerungsinstrument, um aus dieser unvernünftigen, unökologischen und unökonomischen Entwicklung herauszukommen.
Bedeutet Ihr Stehen, Herr Hinsken, daß Sie noch eine Frage haben?
Selbstverständlich. Ich möchte noch eine Frage stellen, Frau Präsidentin, weil die Antwort bisher sehr unbefriedigend war und zum Teil an meiner Frage vorbeigegangen ist.
Es steht doch unbestritten fest, daß es nicht nur um Arbeitsplätze und Wohnorte geht, sondern daß auch andere Aspekte berücksichtigt werden müssen, die ich bereits in die Debatte eingeführt habe.
Meinen Sie, daß es richtig ist - jetzt kommt meine Frage -, daß in einer dünnbesiedelten Landschaft ein Omnibus von einem Bauernhof zum anderen fahren soll oder daß Zugänge oder Straßenbahnlinien zum Teil erst gebaut werden sollen, um den Leuten die Möglichkeit zu geben, auch so flexibel zu sein wie die Menschen in den Ballungsräumen? Halten nicht auch Sie - wie ich - es für umweltschädlich, wenn leere Busse durch die Gegend fahren müssen?
Was Sie behaupten, lieber Kollege, ist doch völliger Unsinn! Gestatten Sie mir, das einmal so deutlich zu sagen. Natürlich gibt es Regionen, die schwerlich an den ÖPNV angeschlossen werden können; da sind wir uns doch völlig einig. Aber ich wäre froh, wenn wir uns auch darin völlig einig wären, daß die Verkehrspolitik, so wie die Bundesregierung sie bisher
gemacht hat, zu einer eklatanten Benachteiligung der Fläche führt.
Viele Probleme, die Sie ansprechen, hätten wir nicht, wenn eine Verkehrspolitik gemacht würde, die eine Entwicklung in den ÖPNV in der Fläche bringen würde. Das ist ein Versäumnis dieser Bundesregierung. Die Grundlagen Ihrer Frage werden genau durch Ihre Politik gelegt. Sie zwingen die Leute in den Autoverkehr, Sie zwingen die Leute in Verkehr, der ökologisch völlig unverträglich ist, weil Ihre Verkehrspolitik verfehlt ist.
- Gut. Das gestehe ich Ihnen auch gerne zu.
Wahrscheinlich wären Sie sonst in einer anderen Partei, wenn Sie noch Hoffnung hätten, daß sich etwas bewegen würde.
Um zu einer Besteuerung im Verkehrsbereich zu kommen, die auch eine ökologische Lenkungswirkung hat, schlagen wir Ihnen die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer vor. Wir wollen genau an dieser Stelle das Verursacherprinzip verankern. Die Lasten müssen diejenigen tragen, die die ökologischen Folgekosten verursachen. Das sind natürlich die Autofahrerinnen und Autofahrer, die viel fahren. Das Auto schafft die ökologischen Probleme während seines Betriebs. Deshalb ist es notwendig, den Betrieb des Kraftfahrzeugs zu besteuern. Die bisherige Kfz-Steuer ist eine Fixkostensteuer und hat damit überhaupt keine Lenkungswirkung auf die Fahrleistung. Das muß geändert werden.
Wenn wir zu einem Modell kommen, mit dem die Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer umgelegt wird, dann haben wir Möglichkeiten, Anreize für eine Verkehrsvermeidung zu schaffen, für die Verlagerung von Autoverkehr auf den ÖPNV. Wir haben Anreize zur Verbrauchssenkung, wir haben Anreize zu einer wirtschaftlichen Fahrweise, und wir haben Anreize dafür, daß verbrauchsarme Fahrzeuge in Zukunft stärker nachgefragt werden - alles Impulse, die für eine ökologische Verkehrspolitik stehen.
Der zweite Grund - neben den ökologischen Gründen -, warum es nach unserer Auffassung notwendig ist, zu einer Abschaffung der Kfz-Steuer zu kommen, ist ein verwaltungstechnischer. Die Kraftfahrzeugsteuer, so wie sie heute erhoben wird, ist eine extrem verwaltungsintensive und mit hohen Kosten der Erhebung verbundene Steuer. Sie sprechen oft von der schlanken Verwaltung. Sie wissen genau, daß wir in der Steuerverwaltung keine schlanke Verwaltung brauchen. Vielmehr liegt da unendlich viel Arbeit an, die von den Beamten und Beamtinnen überhaupt nicht geleistet werden kann. Durch die
Rainder Steenblock
Abschaffung der Kfz-Steuer würden mehrere tausend Arbeitsplätze für andere Tätigkeiten frei, so daß der volkswirtschaftliche Wert insgesamt positiv wäre, da sich die Verwaltungskräfte um die Steuerausfälle und Betriebsprüfungen kümmern könnten und damit die dem Staat zustehenden Einnahmen tatsächlich erwirtschaften würden.
Es gibt natürlich eine Reihe von Punkten, die man dabei bedenken muß. So ist die Kfz-Steuer eine Ländersteuer. Es muß also eine Kompensation für die Länder geben; das ist völlig klar. Ein anderer sehr wichtiger Bereich sind diejenigen Schwerbehinderten, die heute von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind. Auch da muß es eine Kompensation geben. Zum einen muß der öffentliche Verkehr erheblich behindertenfreundlicher ausgebaut werden, zum anderen kann die Steuerbefreiung bzw. -ermäßigung, die es bisher gibt, auf die Anschaffung von Kraftfahrzeugen für Behinderte umgelegt werden. Wir wollen auf jeden Fall eine Entlastung in diesem Bereich erreichen.
Ein weiterer Punkt, der bedacht werden muß, ist die Begrenzung auf die Pkw-Besteuerung. Wir beziehen unser Modell nur auf den Bereich der Pkw-Besteuerung, weil es auf Grund von EU-Richtlinien nicht möglich ist, die Kraftfahrzeugsteuer völlig abzuschaffen. Wir wollen aber - das ist unsere Zielvorstellung - natürlich dahin kommen, daß sich die Besteuerung im Lkw-Bereich stärker an der tatsächlichen Fahrleistung und den tatsächlichen Belastungen orientiert. Hier ist Herr Wissman eher gescheitert. Die Auswertungen der Telematikversuche in diesem Lande führen im Verkehrsministerium wieder dazu, daß eine notwendige Reform ins nächste Jahrtausend verlagert wird. Wir glauben, daß eine vernünftige Besteuerung, die die tatsächlichen Kosten des Güterverkehrs auf der Straße den Lkw anlastet, sehr viel schneller möglich ist, als es die Bundesregierung plant.
Die Bundesregierung überlegt, wie sie über eine stärkere Orientierung an der Schadstoffemission eine Ökologisierung der Kraftfahrzeugsteuer hinbekommen kann. Wir halten das für den falschen Weg, weil der Fixkostencharakter dieser Steuer dadurch nicht aufgehoben wird und deshalb das Problem entsteht, daß Kraftfahrzeuge, die nicht im Betrieb sind, besteuert werden. Eine Steuer hat nur dann eine Lenkungswirkung und ist erst dann tatsächlich eine ökologische Steuer, wenn sie sich am Betrieb des Fahrzeugs orientiert und damit - verursachergerecht - den Tatbestand der Umweltnutzung besteuert. Deshalb ist eine Fixkostensteuer hier völlig fehl am Platze.
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Bundesregierung in diesem Bereich bewegt, wird vielleicht an Hand eines Zitats deutlich, das ich Ihnen vorlesen möchte:
Seit gut einem Jahr wird die Steuer im Vierwochentakt angekündigt, nun ist der Entwurf tatsächlich fertig. Autos sollen nach .. .
- des Ministers -
... Plänen ... nicht mehr nach Hubraum besteuert werden, sondern nach den Schadstoffen, die sie ausstoßen.
Dieses Zitat aus dem „Spiegel" stammt vom 26. April 1990. Es ist also fünf Jahre alt.
Damals war Herr Töpfer derjenige, der diese Steuer angekündigt hat. Bislang ist nichts passiert, außer daß wir wieder Ankündigungen hören. Hier liegt ein eklatantes Versagen vor. Die Bundesregierung kommt an dieser Stelle überhaupt nicht in die Hufe. Herr Wissmann löst Herrn Töpfer als Ankündigungsminister ab. -
Ich bitte Sie, unseren Vorstellungen zu folgen.
Ich bitte auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der CSU, einmal zuzuhören, wer alles diese Steuer unterstützt. Das sind nämlich nicht nur die Grünen. Die F.D.P. hat sich schon seit langem dafür ausgesprochen. Aber auch in Ihren Reihen, in den Reihen der CDU/CSU gibt es eine Reihe von Befürwortern dieses Modells. Klaus Lippold, Ihr umweltpolitischer Sprecher, hat sich dafür ausgesprochen, so auch der Umweltminister des Landes Sachsen, Herr Vaatz. Der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Mayer-Vorfelder, hat sich ebenfalls für die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer ausgesprochen.
Ich bitte Sie, auch den Kolleginnen und Kollegen aus Ihren eigenen Reihen gut zuzuhören. Das Modell, das wir Ihnen heute vorschlagen, ist nämlich ein Modell, das tatsächlich eine ökologische Lenkungswirkung hat und zu einer Verwaltungsvereinfachung führt - zwei Ziele, die, so glaube ich, nicht gering geschätzt werden dürfen. Zudem ist das Modell sehr einfach umzusetzen.
Vielen Dank.
Als nächster in der Debatte spricht der Kollege Wolfgang Schulhoff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir Christdemokraten wollen das Steuerrecht weiterhin zielorientiert für den Umweltschutz nutzen. Neben Ge- und Verboten im Ordnungsrecht ist die Steuerpolitik ein wirksames und wichtiges Instrument, um ökonomische Anreize für umweltverträgliches Verhalten zu setzen.
Wolfgang Schulhoff
Wir fangen bei der ökologischen Orientierung der Steuerpolitik doch nicht bei Null an, lieber Herr Kollege Steenblock. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Steuerbefreiung für Kat-Fahrzeuge, die Förderung der Einführung umweltverträglicher Kraftstoffe sowie die Spreizung der Mineralölsteuer zwischen verbleitem und unverbleitem Benzin. Hiermit haben wir in Europa Fakten gesetzt - und das gegen erhebliche Widerstände.
Diese kurze Übersicht über die umweltorientierte Gesetzgebung der Bundesregierung gerade im Bereich des Staßenverkehrs ließe sich noch fortsetzen. Trotz dieser unbestreitbaren Erfolge ist uns allerdings auch bewußt - da nähern wir uns Ihnen an -, daß die bisherigen Maßnahmen noch nicht ausreichen. Jetzt geht es um eine in den europäischen Zusammenhang einzubettende, klar definierte, unbürokratische Ergänzung unseres Steuersystems.
Folgende Grundsätze stehen dabei für uns im Mittelpunkt unserer Reformüberlegungen:
Erstens. Über die Höhe der Steuer läßt sich ein umweltgerechtes Verhalten der Menschen herbeiführen. Für die Steuerpolitik bedeutet dies, die Lenkungsfunktion von Steuern richtig zu nutzen.
Zweitens. Die Finanzierungsfunktion, die ein Steuersystem hauptsächlich zu erfüllen hat, darf nicht vernachlässigt werden. Bei Umweltsteuern dürfen die fiskalischen Aspekte nicht im Vordergrund stehen. Wenn sie nämlich ihren Zweck erfüllen, wird das Aufkommen sinken. Herr Kollege Merz hat kürzlich darauf hingewiesen.
Drittens. Wir wollen den Standort Deutschland und seine Arbeitsplätze nicht übermäßig belasten.
Ein zu restriktives und kompliziertes Umweltrecht ist ein Standortnachteil, zumal wenn wir es im Alleingang durchführen müssen.
Viertens. Eine weitere Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote durch Ökosteuern darf es nicht geben. Solche Steuervorhaben müssen aufkommensneutral umgesetzt werden.
Fünftens. Die Verteilungswirkungen von ökologisch orientierten Steuerveränderungen dürfen keine sozialen Ungerechtigkeiten beinhalten. - Lieber Kollege Hinsken, Sie hatten mit Ihrer Frage soeben völlig recht.
Wir werden auf diese Weise den ökologischen Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft weiter stärken. Es kommt darauf an, die in unserem System der Sozialen Marktwirtschaft liegenden Mechanismen bei der Umsetzung unserer Grundsätze richtig anzuwenden. Es gibt nämlich keine Ordnungsform wirtschaftlichen Zusammenlebens, die für den Erhalt unserer Umwelt besser geeignet ist als das System der Sozialen Marktwirtschaft. Es lohnt sich, darauf immer wieder hinzuweisen. Wir brauchen doch nur in den Osten zu blicken.
Ohne über Umweltschutz explizit zu reden, war dessen Bedeutung schon früher immanenter Bestandteil unserer ordnungspolitischen Vorstellungen. Schon 1948 formulierte Röpke in einem Aufsatz
- ich zitiere -:
Dieses Element
- also die Soziale Marktwirtschaft -
ist das Eintreten für etwas, was man die natürliche Ordnung nennen könnte, das heißt für die Schaffung von Existenz- und Produktionsformen, die der Natur des Menschen gemäßer sind als diejenigen der heutigen Industrie- und Großstadtwelt.
Weiterhin führt er aus, daß die Soziale Marktwirtschaft den Menschen - jetzt wieder wörtlich -
zugleich der Natur selbst, der er mehr und mehr entfremdet worden ist, wieder näher führt.
Ich will den großen Nationalökonomen Röpke damit nicht als den ersten Grünen vorstellen. - Es wäre vielleicht interessant, dies zu tun. - Doch die Väter unserer Wirtschaftsordnung - und darauf kommt es mir an -, zu denen auch Röpke wesentlich zählt, bieten neben dem Konzept der sozialen Gerechtigkeit auch ein Konzept der umweltverträglichen Verteilung der Ressourcen an.
Trotzdem warne ich davor, daß die Umweltbesteuerung mißbraucht wird. Ich verkenne nicht, daß von dem Begriff der Ökosteuern ein semantischer Reiz ausgeht, für einige geradezu eine neue Sinngebung unserer Abgabenbelastung. Viele fühlen sich bei diesem Begriff durch Steuern nicht mehr belastet, sondern sogar förmlich entlastet. Das läst den Fiskalpolitikern das Wasser im Munde zusammenlaufen. Welch ein Instrument für Umverteilungstheoretiker!
Herr Kollege Steenblock, ich habe Ihre Botschaft gehört, allein mir fehlt der Glaube, daß Sie keine Erhöhung wollen. Wie wollen Sie denn Ihr 111-Milliarden-DM-Programm finanzieren? Wir sind jedoch in einem vernünftigen Rahmen bereit, die Mittel und Möglichkeiten der Finanzpolitik auch für mehr Umweltschutz einzusetzen. Dies ist für uns selbstverständlich; deshalb dieser kleine Exkurs.
Herr Kollege Schulhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Homburger?
Ja, gerne.
Herr Kollege, da es heute um die spezielle Thematik der Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer geht, nicht aber um die Vorstellung, die bisherige Kfz-Steuer in eine emissionsorientierte Kfz-Steuer umzuwandeln - das ist der Gegensatz, um den es heute geht -, hätte ich von Ihnen gern gewußt, ob Sie die Modelle, die zur emissionsorientierten Kfz-Steuer vorgelegt worden sind, einmal durchgerechnet haben und ob Sie - wie
Birgit Homburger
auch wir - bei diversen Modellen, die von Ihrem Verkehrsminister vorgelegt worden sind, zu dem Ergebnis kommen, daß das, was dort kalkuliert ist, zunächst kurzfristig eine Erhöhung der Steuereinnahmen und damit auch eine Steuererhöhung bedeuten würde. Was sagen Sie dazu?
Verehrte Frau Kollegin, ich komme jetzt auch zu diesem Aspekt. Ich wollte ihn nur in einige grundsätzliche Überlegungen einbetten.
Der nun zu Diskussion stehende Antrag - das ist löblich - zielt in die richtige Richtung. Ohne Zweifel gehen gerade vom Straßenverkehr umweltschädigende Emissionen in deutlichem Umfang aus.
Die Kraftfahrzeugsteuer eignet sich deshalb grundsätzlich als wirksames umweltpolitisches Lenkungsinstrument. Damit sind wir uns offensichtlich mit der Fraktion der Grünen einig. Insofern klingt auch Ihr Vorschlag, die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umzulegen, auf den ersten Blick sympathisch.
Unser Weg ist jedoch der bessere. - Warten Sie einen Moment, bis ich unsere Vorstellungen dargelegt habe. Dann können Sie gerne fragen.
Wir wollen mit unserem Vorschlag die Meßgrundlage der Kraftfahrzeugsteuer für Pkw zur Verbesserung dieses Lenkungseffekts stärker emissionsabhängig ausrichten. Das hat nämlich entscheidende Vorteile. Bei der Orientierung an den Emissionen haben wir die Möglichkeit, unmittelbar auf die Höhe der ausgestoßenen Stickoxide und Kohlendioxide lenkend Einfluß zu nehmen. Eine höhere Mineralölsteuer hätte nur Auswirkungen auf die Höhe der Kohlendioxidemissionen. Darüber müßten wir uns einig sein.
Daher greift unser Vorschlag zunächst breiter. Der Druck auf die Autoindustrie, neue, emissionsärmere Kraftfahrzeuge zu entwickeln, steigt. Außerdem wird der Vorschlag dafür sorgen, daß alte und die Atmosphäre stark beschmutzende Kraftfahrzeuge die Last der Steuer am stärksten zu spüren bekommen und schnell vom Markt verschwinden.
Der Kollege Schmidt würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Das kann er machen.
Herr Kollege Schulhoff, nachdem Sie gerade die Frage der Kollegin Homburger ganz offensichtlich und demonstrativ nicht beantwortet haben, sondern in Ihrem Redemanuskript fortgefahren sind: Darf ich daraus schließen, daß in der Frage der Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer die Koalition so heillos zerstritten ist, daß Sie nicht mehr in der Lage sind, einen gemeinschaftlichen Standpunkt überhaupt noch darzustellen?
Sie werden lachen: Wir werden einen gemeinsamen Standpunkt vortragen. Das wird nicht lange dauern. Ich werde Ihnen in meinen weiteren Ausführungen gleich sagen, wo der gemeinsame Weg zu finden ist.
Verzeihung, Herr Kollege, der Kollege Steenblock würde auch gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ja.
Lieber Herr Kollege, das, was Sie gerade zur emissionsorientierten Kraftfahrzeugsteuer und zu den Grenzwerten, zur Stickoxidbelastung ausgeführt haben, ist nicht falsch. Aber glauben Sie nicht, daß man das genausogut über das Ordnungsrecht erreichen könnte, wenn man nach dem Stand der Technik versucht, Grenzwerte für die Schadstoffe aus Motoren festzulegen? Würde das nicht sogar schneller gehen? Meinen Sie nicht auch, daß das Modell, das Sie vorschlagen, überhaupt keine Auswirkung auf die Verbrauchsreduktion hat?
Verehrter Herr Kollege Steenblock, für mich sind die Anreize ein bedeutend wichtigeres Instrument als Ge- und Verbote. Wir haben bisher gesehen, wie wir mit dem dualen System weitergekommen sind. Kein Mensch hätte geglaubt, als wir den Katalysator einführten und ihn mit finanziellen Anreizen förderten,
daß diese Technik in ganz Europa so schnell durchgesetzt würde.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatten in diesem Haus.
Wolfgang Schulhoff
- Eine weitere Frage?
- Daß wir uns in einigen Punkten unterscheiden, darüber bin ich sehr froh.
Herr Kollege Schulhoff, der Kollege Seidenthal würde auch gerne eine Frage stellen.
Bitte, ich habe Zeit.
Herr Kollege Schulhoff, Sie haben gerade ein Modell vorgestellt. Ich möchte Sie einfach fragen: Welches Modell meinen Sie denn? Nach meinen Informationen werden in den Ministerien mindestens zehn oder zwölf gehandelt. Ich kenne ein Modell - Sie werden es sicherlich auch kennen -, in dem Frau Merkel für Fahrzeuge, die die Euro-II-Norm unterschreiten, 25 Prozent Nachschlag geben will. Wie wollen Sie diesen typisch deutsch definierten Grenzwert in Europa verkaufen, und wie wollen Sie das dort durchsetzen? Wir können uns nur, wenn überhaupt, an Normen anlehnen, die in Europa Gültigkeit haben, und dürfen keine eigenen deutschen definieren. Deshalb meine Frage: Wie wollen Sie dieses Problem lösen?
Erstens. Im Ministerium wird viel gedacht - das ist gut -, aber wir entscheiden.
Zweitens. Daß in Europa unterschiedliche Vorstellungen herrschen, haben wir bisher immer feststellen müssen. Das erschwert natürlich unseren Standpunkt. Wir haben das schon in einigen Fällen zur Kenntnis nehmen müssen. Jetzt kommt es darauf an, daß wir unsere Position gerade bei Berücksichtigung unserer wirtschaftlichen Situation durchsetzen.
Daß es sich hierbei um ein Thema handelt, zu dem es verschiedene Vorschläge gibt, ist doch ganz klar. Das liegt doch in der Sache selbst begründet. Jetzt kommt es darauf an, daß wir vielleicht gemeinsam einen Weg finden. Vielleicht werden wir auch in dieser Frage gemeinsam einen Weg finden.
Dieser Lenkungseffekt wird bei einer leicht nachvollziehbaren und fühlbaren Differenzierung der Kraftfahrzeugsteuer nach Emissionskriterien schneller eintreten als mit der erhöhten Mineralölsteuer. Denn die Preiselastizität der Kraftstoffnachfrage ist bekanntermaßen gering. Erst wenn die „Stinker" von der Straße sind, könnte man in einem zweiten Schritt zur weiteren CO2-Reduzierung über eine Umlegung der gesamten Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer nachdenken. Sie sehen, hier
gibt es eine Möglichkeit, daß wir uns einigen. Denn wir wissen, daß die Kilometerleistung eine zweite wichtige Determinante des tatsächlichen Schadstoffausstoßes ist.
Außerdem sind natürlich auch Fallstricke zu beachten: Die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer ist nicht unbedingt ein Beitrag zur Steuervereinfachung. Denn für Lkw über 12 Tonnen - dabei kommen wir wieder auf Europa zu sprechen - muß an einer Kraftfahrzeugsteuer bis zum heutigen Tag leider festgehalten werden, da hier EG-rechtlich vorgeschriebene Steuermindestsätze gelten. Auch darüber muß man natürlich reden.
Kommen wir nun zu einem weiteren Punkt Ihres Antrages, über den Sie nicht geredet haben, nämlich der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe. Ich kann Ihrem Entwurf nicht entnehmen - deshalb haben Sie ihn hier auch unerwähnt gelassen -, was Sie darunter verstehen. Ich kann Ihnen allerdings sagen, was die Bundesregierung im Bereich des Schwerlastverkehrs plant.
Die Bundesregierung will die Autobahnbenutzungsgebühren für Lkw deutlich erhöhen und die umweltfreundliche Bahn als Transportmittel attraktiver machen. Es ist kontraproduktiv, den deutschen Güterfernverkehr einseitig mit Abgaben zu belasten. Dies ist ein Ladenhüter der Energiesteuerdiskussion, den die antragstellenden Kollegen immer wieder vorbringen. Ohne die Gewißheit, daß andere europäische Länder folgen, würde es nur zu einem weiteren Export von Arbeitsplätzen kommen, diesmal im Transportgewerbe. Das umweltpolitische Ziel, die Emissionen insgesamt spürbar zu senken, bliebe nämlich auf der Strecke. Die Vignette ist und bleibt gerade in diesem Bereich für uns die nutzungsgerechte Lösung.
Erlauben Sie mir, abschließend noch auf einen Punkt aufmerksam zu machen, der mir wieder einmal deutlich macht, daß die Grünen ihr Heil anscheinend noch immer in staatlicher Bevormundung suchen, statt den mündigen Bürger eigenverantwortlich selbst entscheiden zu lassen.
Die Bundesregierung strebt die beschleunigte Einführung von Automobilen an, die wenig Kraftstoff brauchen. Eine zeitlich begrenzte Kraftfahrzeugsteuer-Befreiung für verbrauchsarme Pkw scheint uns in diesem Zusammenhang ein sinnvoller Anreiz zu sein. Den Grünen sind derartige Lenkungseffekte auf die Kaufentscheidung von Kraftfahrzeugen leider nicht genug. Sie wollen - darin unterscheiden wir uns eben - solche Anreize zwingend durch ordnungsrechtliche Maßnahmen ergänzen. Das heißt
Wolfgang Schulhoff
doch im Klartext: Sie wollen entscheiden, wer welches Auto fahren darf.
Meine Damen und Herren, Sie maßen sich wieder einmal an, als höchste moralische Instanz - ich brauche ja nur das aufzunehmen, was Sie laufend sagen - zu bestimmen, was richtig und was falsch ist. Die Freiheit auf selbstbestimmte Mobilität bleibt dann auf der Strecke. Dies können und wollen wir nicht zulassen. Schließlich gibt es nicht nur externe Kosten des Verkehrs; es gibt auch externen Nutzen. Man muß ebenfalls die Wachstumswirkungen der Mobilität stärker als bisher beachten.
Zusammengefaßt: Es gibt viele Punkte, in denen wir uns einig sind. Die Methode ist noch streitig. Darüber sollten wir zukünftig in der Tat intensiv reden.
Ich danke Ihnen.
Herr Kollege Detlev von Larcher, ich erteile Ihnen das Wort.
Ich nutze aber geschwind die Gelegenheit, sozusagen der Genugtuung des Hauses darüber Ausdruck zu geben, daß auf der Regierungsbank wenigstens einer Platz genommen hat. Es handelt sich um ein Debüt: Wenn man von der Fragestunde absieht, ist der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser in seiner neuen Funktion heute zum erstenmal in einer richtigen Debatte dabei.
Bitte, Herr Kollege von Larcher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schulhoff, ich wundere mich ein bißchen über Ihr selbstbewußtes Auftreten hier. Sie haben gesagt: „Wir werden", „wir machen" und dies und jenes. Dabei fängt bei Ihnen der Streit über diese Fragen doch erst richtig an.
In der letzten Woche sollte in der CDU/CSU in aller Stille die ökologische Steuerdebatte mit einem Minimalkonsens zu Grabe getragen werden. Die „Frankfurter Rundschau" hat doch zu Recht getitelt: „Union trägt die Ökosteuerreform zu Grabe".
Jetzt entnehme ich der Zeitschrift „Die Woche " folgendes Zitat von Herrn Wulff, den Sie sicher kennen werden:
Die Vorschläge - Ihre Vorschläge -
sind nicht von Reformfähigkeit und Gestaltungswillen geprägt. Da muß der Bundestagsfraktion gesagt werden, daß wir mehr erwarten. Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch sollen kontinuierlich und berechenbar verteuert, Arbeitnehmer und Arbeitgeber dafür durch eine Senkung
der Kosten des Faktors Arbeit entlastet werden, fordert Herr Wulff.
Das kommt doch unserem Vorschlag sehr nahe.
Ich verstehe also, wie gesagt, Ihr selbstbewußtes Auftreten hier nicht, weil ich dem Ganzen entnehme, daß der Streit nicht nur innerhalb der CDU/CSU, sondern erst recht mit Ihrem Koalitionspartner nun richtig losgeht. Wir alle sind sehr gespannt, ob Sie irgendwann zu einem Ergebnis kommen.
Es ist sicher wünschenswert, die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umzulegen. Eine solche Maßnahme wäre eine Steuervereinfachung, obwohl man sagen muß, daß die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer wegen der Automatisierung längst nicht mehr den Verwaltungsaufwand macht, den sie einmal gemacht hat.
Über den Preis käme es möglicherweise zur Einsparung von Benzin, Diesel und 01. Spritsparende Autos zu bauen würde möglicherweise attraktiver.
Die SPD hat schon vor Jahren einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Leider hatte sie nicht die parlamentarische Mehrheit, diesen Beschluß umzusetzen. Seither hat sich allerdings einiges geändert. Heute gibt es aus europa-, verkehrs- und umweltpolitischen Gründen große Schwierigkeiten für eine Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer. Einige sind auch vom Antragsteller schon genannt worden.
Auf europäischer Ebene gebietet die Richtlinie 93/ 89 die Mindestsätze für die Besteuerung für Lkw über 12 Tonnen. Eine Abschaffung und Umlegung der Steuer ist in diesem Fall also nicht möglich.
- Das weiß ich. Ich habe ja gesagt: Sie haben selber manche der Schwierigkeiten angesprochen.
Auch die Dieselproblematik spielt eine Rolle. Eine Umlage der Kraftfahrzeugsteuer würde die Mineralölsteuer auf Diesel auf ungefähr 83 bis 84 Pfennig je Liter ansteigen lassen. Damit wäre Deutschland bei der Dieselbesteuerung an der Spitze der EU-Staaten.
Würden wir das gesamte Kraftfahrzeugsteueraufkommen nur auf den Anteil der Mineralölsteuer umlegen, der vom Pkw-Verkehr aufzubringen ist, dann müßte die Mineralölsteuer um ungefähr 28,9 Pfennig je Liter ansteigen. Dieses hätte ein erhebliches Ungleichgewicht auf dem Kraftstoffmarkt zur Folge, nämlich die Besteuerung von Dieselkraftstoff mit 62 Pfennig je Liter und von bleifreiem Otto-Kraftstoff mit 127 Pfennig je Liter. Eine solche Bevorzugung des Dieselmotors vor dem OttoMotor mit Katalysator ist aus umweltpolitischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gerne.
Herr von Larcher, stimmen Sie mir zu, daß es dann notwendig wäre, auch die Dieselpreise zu erhöhen? Es wird in diesem Zusammenhang immer auf Tanktourismus und die Probleme, die es in Grenzbereichen gibt, hingewiesen.
Würden Sie mir zustimmen, daß, wenn das richtig wäre, die Schweiz schon lange Konkurs anmelden müßte, weil die Schweiz mit umgerechnet etwa 1 Mark die höchste Dieselsteuer hat? Alle Länder drumherum haben sehr viel niedrigere Dieselsteuern. Trotzdem ist die Schweizer Volkswirtschaft noch nicht zusammengebrochen.
Meinen Sie nicht auch, daß das ein Argument dafür ist, daß man auch national solche Steuererhöhungen vornehmen könnte?
Mein Argument war nicht der Zusammenbruch unserer Mineralölindustrie oder der Tankstellen. Vielmehr habe ich auf die unterschiedliche Preisentwicklung bei Diesel- und Ottomotoren hingewiesen. Die Frage ist, ob das gerechtfertigt ist.
Im übrigen muß über die Dieselfahrzeuge ohnedies genauer nachgedacht werden; denn im Moment ist es wohl so, daß die spritsparendsten Autos Dieselautos sind. Man muß sich in der Tat überlegen, wie das Verhältnis der Kraftfahrzeugsteuer, die für Dieselfahrzeuge wegen der geringeren Mineralölsteuer höher ist, aussehen soll. Die Frage ist, ob das noch das richtige Verhältnis ist. Wir sind in der Diskussion. Das ist ein Problem, über das man noch nachdenken muß.
- Sie können sich darauf verlassen, daß wir Steuerpolitiker in der SPD mit den Umweltpolitikern in sehr engem Verbund diskutieren.
Bei Ihnen ist das vielleicht anders als bei uns. - Nun lassen Sie mich doch weitermachen! Der Herr Präsident hält die Uhr nicht an, solange Sie reden.
Parken der Autos verursacht für Städte und Gemeinden hohe Kosten für die Bereitstellung von Verkehrsraum. Das Argument, nur der fahrende Verkehr ist umweltschädlich, stimmt also nicht. Einer weiteren Versiegelung des Bodens muß entgegengetreten werden. Daß eine Parkraumpolitik, wie vom Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag gefordert, hier allein zum Erfolg führt, möchte ich bezweifeln.
Zu bedenken ist auch, daß es möglich ist, mit Hilfe der Kraftfahrzeugsteuer Einfluß auf Fahrzeugtechnik und Schadstoffausstoß zu nehmen. Wir kommen nicht umhin, anzuerkennen, daß durch die Steuerbefreiung von Kat-Fahrzeugen weit vor dem Termin, zu dem der geregelte Kat obligatorisch wurde, die Verbreitung von Kat-Fahrzeugen erheblich beschleunigt worden ist.
- Das sage ich doch. Mit Hilfe der Kraftfahrzeugsteuer wäre es unter Umständen möglich, auch in Europa einen beschleunigten Austausch des gegenwärtigen Fahrzeugparks durch einen umweltpolitisch besseren Fahrzeugpark zu erreichen. Diesen Aspekt darf man jedenfalls nicht vergessen, wenn man über die Kraftfahrzeugsteuer spricht.
Jetzt kommt mein wichtigstes Argument. Für uns Sozialdemokraten hat unser Konzept der ökologischen Ausrichtung des Steuersystems mit einer höheren Besteuerung des Energieverbrauchs absolute Priorität.
Ein notwendiges Element hierfür ist die Verschiebung der Steuer- und Abgabenbelastung zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Umwelt. Die umweltgerechte Ausgestaltung von Steuern gibt dabei erhebliche Anreize für umweltbewußtes und energiesparendes Verhalten jedes einzelnen. Durch eine Entlastung des Faktors Arbeit werden zudem die positiven Effekte von Energiesteuern erhöht.
Für den Erfolg des ökologischen Umbaus ist ein schrittweises und berechenbares Vorgehen entscheidend. Bürger und Wirtschaft können sich so in ihrem Verhalten auf die höhere Energiebesteuerung einstellen. Nur so ist ein ausreichender Lenkungseffekt zú erreichen, der mittelfristig zu einer Verringerung des Energieverbrauchs und der Umweltbelastungen führen wird.
Ein ökologisch ausgerichtetes Steuerrecht schafft zudem Anreize für Investitionen privaten Kapitals für umweltgerechte Zukunftsinvestitionen. Umweltschädliche Vergünstigungen müssen hingegen in umweltverträglicher Weise umgestaltet bzw. abgeschafft werden.
Im Rahmen unseres Konzepts der ökologischen Steuerreform hat die Mineralölsteuer natürlich eine wichtige Funktion. In unserem Ökosteuerkonzept schlagen wir vor, in einem ersten Schritt die Steuersätze auf Kraftstoffe - Benzin verbleit und unverbleit und Diesel - um 10 Pfennig je Liter und dann im Zweijahresrhythmus um jeweils 5 Pfennig je Liter anzuheben.
Nach Ablauf von vier Jahren sind schließlich die 20 Pfennig erreicht, die bei einer sofortigen vollständigen Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer entstehen würden. Jedoch hätte unser Modell den Vorteil, daß sich Verbraucher und Wirtschaft auf die Verteuerung des Faktors Energie bedeutend besser einstellen können. Mit diesen Vor-
Detlev von Larcher
Schlägen würde Deutschland in der EU übrigens eine Vorreiterrolle übernehmen.
Die bisherigen Anhebungen der Mineralölsteuer in den vergangenen Jahren durch Bundesregierung und Koalitionsfraktionen sind aus rein fiskalischen Gründen ohne jedes ökologische Konzept vorgenommen worden und somit auch ohne ökologische Wirkung geblieben.
So betrug die Steuerbelastung beim verbleiten Benzin 1988 60,42 Pfennig je Liter. 1994 waren sie bereits auf 124,2 Pfennig je Liter angestiegen. Beim unverbleiten Benzin haben wir heute eine Belastung von 112,7 Pfennig je Liter gegenüber 54,72 Pfennig je Liter im Jahre 1988. Reine Geldbeschaffung ohne jedes ökologische Konzept! Daran muß man jetzt auch denken, wenn man überlegt: Bis auf welche Höhe und in welchen Schritten kann man die Energiesteuern erhöhen?
Bei der von uns vorgeschlagenen Vorgehensweise steht das Steuervolumen in vollem Umfang für die Rückgabe an Arbeitnehmer und Arbeitgeber und damit zur Beschleunigung des ökologischen Strukturwandels zur Verfügung. Preisverzerrungen können durch eine Anpassung der Kraftfahrzeugsteuer für Dieselfahrzeuge ausgeglichen werden. Bei einer Umlage der Kraftfahrzeugsteuer wäre ein Ausgleich der Preisverzerrungen nicht mehr möglich.
Aus all diesen genannten europa-, verkehrs- und umweltpolitischen Gründen können wir Sozialdemokraten den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen derzeit nicht gutheißen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Professor Gisela Frick.
- Jetzt will er Ihnen einmal was Gutes sagen.
Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Ich mußte etwas länger darauf warten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um Mißverständnissen vorzubeugen, erkläre ich gleich zu Beginn, daß die F.D.P. den Antrag der
Grünen ablehnt, obwohl uns das nicht ganz leicht fällt; das gebe ich ehrlich zu.
Es ist nicht unbekannt, daß wir seit langen, langen Jahren - wir haben eben versucht, etwas Geschichtsforschung darüber zu betreiben, seit wann eigentlich - das Modell der Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer befürworten. Die Gründe, die aus unserer Sicht dafür sprechen - das fällt mir nun als Steuerpolitikerin besonders leicht - sind, daß wir dadurch eine Vereinfachung und eine deutliche Entlastung der Steuerverwaltung bekommen. Wann immer ich Finanzämter besuche, werde ich auf diesen Punkt angesprochen. Das heißt, auch aus der Exekutive kommt ein ganz erheblicher Druck. Diese sagt immer wieder: Wenn ihr sonst schon nicht so richtig in den Reformprozeß in der ganzen Breite einsteigt, wie es eigentlich nötig wäre, dann fangt doch bitte schon mal wenigstens bei der Kraftfahrzeugsteuer an; das wäre doch eine Sache, die man relativ schnell erledigen könnte.
Insofern sage ich ausdrücklich: Als Steuerrechtlerin habe ich ganz große Sympathien für diesen Vorschlag. - Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist, daß wir uns in einer Koalition befinden, die natürlich auch Abstimmung verlangt.
Frau Kollegin, der Kollege Seidenthal würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ja, bitte.
Frau Kollegin, ich habe die Frage, wo denn Verwaltungsvereinfachung und vor allen Dingen Personaleinsparung herkommt. Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen aus Niedersachsen. Dort gibt es rund 300 Personen, die für die Kfz-Steuer zuständig sind. Der Anteil des Verwaltungsaufwandes für die Kfz-Steuer beträgt nur 2,5 Prozent vom gesamten Verwaltungsaufwand. Wenn Sie die ganzen Ausnahmen, die der Kollege Schulhoff hier vorhin vorgetragen hat, weiterhin aufrechterhalten, gehe ich davon aus, daß Sie zum Beispiel in Niedersachsen von diesen 300 Personen nicht allzuviel wegpacken können. Deshalb meine Frage an Sie: Wie wollen Sie es denn wirklich lösen? Nennen Sie doch mal eine Zahl.
Da die Steuerverwaltung Landessache ist, bin ich nicht in der Lage, für das gesamte Bundesgebiet die entsprechenden Zahlen anzugeben. Aber ich habe Ihnen ja eben gesagt, daß das Hauptargument für mich als Steuerrechtlerin gerade die Forderungen sind, die mir aus der Ver-
Gisela Frick
waltung heraus vorgetragen werden. Ich habe keinen Anlaß, die Sachkompetenz beispielsweise der OFD Stuttgart oder des Finanzpräsidenten, die in diesem Fall meine Gesprächspartner waren, und auch - das ist heute in anderem Zusammenhang schon einmal gesagt worden - des Finanzministers von Baden-Württemberg zu bezweifeln.
- Jede Abschaffung einer Steuer ist eine Steuervereinfachung. Darüber sind wir uns ja wohl einig; das ist ja gar keine Frage.
Daß es verwaltungsmäßig Entlastungen gibt, müssen Sie mir ebenfalls zugestehen. Beziffern kann ich sie nicht. Ich kann nicht sagen, ob das nun der ganz große Wurf wird. Es wird sicherlich nicht der entscheidende Schritt auf unserem Weg zu einer „lean administration" sein, aber es ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sollten uns auch um solche Schritte bemühen. Wir können nicht immer alles bleiben lassen, was uns nicht den hundertprozentigen Erfolg vom ersten Tage an verspricht; vielmehr müssen wir stufenweise vorgehen.
Ich habe in bezug auf eine andere Sache gesagt: Wir brauchen innerhalb von Koalitionen Abstimmungen. Wir haben eben sowohl vom Kollegen Schulhoff als auch vom Kollegen von Larcher gehört, daß die Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer durchaus schon Probleme beinhaltet.
Es ist also nicht ganz so einfach, wie es im ersten Moment - es scheint bestechend zu sein - erscheint. Insofern, glaube ich, müssen Sie uns zugestehen, daß wir diesen Abstimmungsprozeß in der Koalition sehr ernst nehmen. Daß wir darum ringen, unsere Vorstellungen durchzusetzen, ist selbstverständlich. Aber es reicht halt nicht, Herr Steenblock, daß wir die Grünen überzeugen, sondern wir müssen unseren Koalitionspartner auch noch überzeugen.
Insofern handelt es sich natürlich um einen Prozeß, der, wenn er ernstgenommen wird, noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Auch das gestehe ich zu.
Im übrigen ist die Überlegung, die wir eben von der SPD gehört haben, auch nicht falsch, nämlich, daß wir das Ganze in den Gesamtzusammenhang stellen müssen.
- Es ist Freitag mittag.
Dieser eine Punkt, nämlich die Umlegung der KfzSteuer auf die Mineralölsteuer, ist angesichts der noch bestehenden Schwierigkeiten, insbesondere auch europarechtlich, schon mit sehr großer Sorgfalt zu betrachten. Ich glaube, daß wir in allernächster Zeit hier zu einem Ergebnis kommen. Ich muß allerdings sagen: Ich bedauere etwas, daß das Verkehrsministerium heute hier auf der Regierungsbank nicht vertreten ist.
Frau Kollegin, der Vertreter des Verkehrsministeriums sitzt sogar im Moment bei der F.D.P.
Entschuldigung. Ich freue mich.
- Das ist ganz richtig. Wie ich sehe, ist der Abstimmungsprozeß innerhalb der Koalition im vollen Gange; er findet heute noch statt. Es ist, glaube ich, das Beste, daß man im Dialog bleibt. Insofern ist das ganz richtig. Ich nehme das, was ich gesagt habe, natürlich zurück; ich freue mich.
- Ich werde meine Meinung nicht korrigieren; das glaube ich nicht.
Ich meine, daß die Bedenken mit abzuwägen sind. Es handelt sich ja letztendlich um eine Abwägungsfrage. Ich bin guter Hoffnung, daß die Koalition in allernächster Zeit ein Konzept vorlegen wird, in dem alle die Vorteile und auch die Bedenken, die gegen eine solche Lösung sprechen, sorgfältig abgewogen werden.
Danke schön.
Es ist zwar ungewöhnlich, aber trotzdem schön, daß die Fraktionen einmal in einer solchen Tonlage miteinander sprechen.
Frau Kollegin Eva Bulling-Schröter, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine relative Verteuerung des Kraftfahrzeugverkehrs. So sehr die PDS dieses Ziel begrüßt, muß sie jedoch das im Antrag genannte Instrumentarium in Frage stellen. Das vollständige Umlegen der Kfz-Steuer für Perso-
Eva Bulling-Schröter
nenkraftwagen auf die Mineralölsteuer verteuert die Nutzung, entlastet jedoch das Halten eines Fahrzeuges. Beides sind aber nur verschiedene Formen einer Konsumtion von Umwelt.
Die Kosten des ruhenden Verkehrs werden durch die vorgeschlagene Parkraumbewirtschaftung nur ungenügend internalisiert. Ein Auto beansprucht nicht nur Fläche, sondern bei seiner Herstellung auch Ressourcen, deren Preise keinesfalls die ökologische Wahrheit sprechen. Ein Kfz verursacht darüber hinaus, ohne einen Meter gefahren zu sein, Emissionen, und zwar gleichermaßen bei der Herstellung und der späteren Entsorgung.
Obwohl wir die gegenwärtige umweltpolitische Lenkungsfunktion der Kfz-Steuer als zu schwach ansehen, sollte die Fixkostenbelastung des Verkehrs nicht aufgegeben werden. Die Bewirtschaftung von Parkraum ist dafür kein Ersatz, sondern kann nur ein Instrument in einer Palette von notwendigen zusätzlichen individualverkehrshemmenden Maßnahmen sein. Die Umwandlung der Kilometerpauschale in eine von der Kfz-Benutzung unabhängige Entfernungspauschale sowie eine Nahverkehrsabgabe für innerstädtischen motorisierten Nahverkehr sind hier Stichwörter.
Eine Umgestaltung der Kfz-Steuer müßte in erster Linie deutlicher auf die spezifischen Emissionswerte abzielen.
Erforderlich ist also eine Bemessung der Steuersätze in einer mehrstufigen und deutlichen Staffelung nach Schadstoffklassen.
Darüber hinaus existieren innerhalb des Kfz-Steuerrechts zahlreiche ökologisch kontraproduktive Einzelregelungen, die abgeschafft werden müssen. So sind die meisten land- und forstwirtschaftlich genutzten Fahrzeuge seit 1935 von der Kfz-Steuer befreit, obwohl gerade die hohe Motorisierung in der Landwirtschaft besonders gravierende Umweltprobleme wie Bodenverdichtung und in der Folge Düngerauswaschung verursacht. Ferner entlastet die Befreiung überzähliger Kfz-Anhänger von der KfzSteuer den emissionsintensiven Straßengüterverkehr. Dies ist nicht zu verantworten.
Neben der ökologischen Verkehrsplanung wird die Erhöhung der Mineralölpreise die wirklich bedeutsame Beeinflussung zur Verminderung des motorisierten Individualverkehrs sein. Es geht übrigens nicht darum, Autobesitzern Kosten aufzubürden und die Taschen irgendwelcher anderen Leute zu füllen, sondern nur um die Kosten, die dieser Verkehr durch seine Umweltbelastungen verursacht.
Die Erhöhung der Mineralölpreise muß begleitet werden von einem gleichzeitigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs als attraktive und bezahlbare Alternative. Die Preiserhöhungen könnten durch eine Anhebung der Mineralölsteuer und/oder durch eine Preiserhöhung über den Markt infolge einer Reduzierung des Angebotes an Primärenergieträgern, beispielsweise über eine Regulierung durch eine Energierohstoffagentur, erfolgen.
Die auch im Mineralölsteuergesetz enthaltenen ökologisch kontraproduktiven Sonderregelungen müssen gestrichen werden. Es geht dabei um die Mineralölsteuerbefreiung für die Luftfahrt, die Mineralölsteuerbefreiung für die Binnenschiffahrt oder auch die Mineralölsteuerbefreiung zu Versuchszwecken.
Da der Schwerverkehr lediglich 10 bis 20 Prozent der gesamten von ihm verursachten Kosten deckt, sollte eine möglichst EU-weite Schwerverkehrsabgabe, bezogen auf die Fahrzeugkilometer, erhoben werden. Bei einer Erhebung auf die Transportleistungen würden hingegen Leerfahrten oder leichtgewichtige Materialien begünstigt. Eine solche Abgabe würde zum einen den Kostenvorteil zwischen Straße und Schiene zugunsten der Bahn verändern und hätte zum anderen den Vorteil, daß sie gleichermaßen für in- und ausländische Lkw Geltung besäße. Die Einnahmen aus dieser Schwerverkehrsabgabe sollten zweckgebunden zur Beseitigung der durch den Lkw-Verkehr verursachten Schäden sowie zum Ausbau und zur Modernisierung des Schienengüterverkehrs und des kombinierten Verkehrs herangezogen werden.
Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage auf Drucksache 13/2420 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Besteht Einverständnis des Hauses? - Dies ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 29. November 1995, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.