Rede von
Rolf
Hempelmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist mittlerweile ein halbes Jahr alt. Inzwischen liegt die Antwort vor. Man muß zugeben: Dieses halbe Jahr ist von der Bundesregierung genutzt worden, um das eine oder andere Defizit aufzuarbeiten. Insofern nimmt es nicht allzusehr wunder, daß die Antwort im wesentlichen Eigenlob, aber - feigenblattartig verbrämt - gelegentlich auch ein bißchen Selbstkritik enthält. Der Beitrag von Herrn Lammert war ja wohl in der gleichen Sprache gehalten. Für den Leser stellt sich daher die Hauptaufgabe, Fabel und Fakten auseinanderzuhalten. Ich möchte bei den Fakten beginnen.
Zieht man den EU-Export nämlich ab - die EU ist inzwischen ja wohl Binnenmarkt -, dann bleibt dem einstigen Exportweltmeister Deutschland nur ein Platz im Mittelfeld. Im Juli 1995 beispielsweise gingen unsere Exporte zu 56 Prozent in die EU, aber nur zu 3 Prozent in die Wachstumsregionen der ASEAN-Staaten.
- Macht Sie das nervös, Herr Fritz?
Aus China importieren wir mittlerweile mehr, als wir dorthin exportieren. Deutschlands Anteil am Welthandel ist auf der Exportseite seit 1970 geschrumpft, während die Industriestaaten insgesamt seit 1980 wieder zulegen. Soweit eine kurze Übersicht.
Sehen wir uns einmal an, was die Regierung im einzelnen sagt und tut. In ihrer Ansammlung mehr oder weniger unverbundener Einzelelemente zur Außenwirtschaftspolitik lobt sie unter anderem die Arbeit der Außenhandelskammern und stellt die Bedeutung von Auslandsmessen heraus - zu Recht, wie ich meine. Die Regierung sagt - das ist in der Tat Fakt -, daß diese Messen eine herausragende Rolle bei der Erschließung neuer Märkte spielen und rund 19 Prozent aller Exporte direkt auf Auslandsmessen
zurückzuführen sind. Fakt ist aber auch, trotz der Zahlenspielereien von Herrn Lammert, der die Verdoppelung seit 1980 erwähnt hat, daß im letzten Jahr die Regierung die Mittel genau für diese Bereiche gekürzt hat.
Es ist heute mehrfach, von Herrn Fritz und von Herrn Lammert, betont worden, daß die Hausaufgaben vor allem vor der eigenen Haustür gemacht werden müssen, daß über unsere Wettbewerbsfähigkeit vor allem zu Hause entschieden würde. Dazu gibt es ja auch Aussagen im CDU/CSU-Antrag. Nur, es fehlt dort einiges. Die Regierung kürzt bekanntermaßen ja auch in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung und schwächt damit den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb. Das muß ja wohl auch einmal erwähnt werden.
Aufschlußreich ist der zur heutigen außenwirtschaftspolitischen Debatte vorgelegte Antrag der Koalitionsfraktionen. Nach dem Einleitungsteil, in dem pflichtgemäß von der erfolgreichen Außenwirtschaftspolitik der Regierung fabuliert wird, kommt ein Forderungsteil. Er liest sich so, als sei er vom SPD-Antrag, der ja vorher vorlag, abgekupfert worden. Es besteht erkennbarer Konsens über eine Reihe von notwendigen Maßnahmen, zum Beispiel darüber, die Arbeit von Außenwirtschaftskammern, Länderinitiativen, regionalen Wirtschaftsförderern, auch die vom „European Business Information Center" besser zu koordinieren. In beiden Anträgen wird ausdrücklich gefordert, gerade in Zeiten knapper Mittel vorhandene personelle und institutionelle Ressourcen optimal zu nutzen. Insofern haben Sie, Herr Fritz, natürlich völlig recht: Nicht alles ist über Geldausgeben zu regeln. Sie fordern ja selbst, daß bei der Nutzung vorhandener Ressourcen Verbesserungen eintreten müssen.
Ich möchte ganz speziell etwas zu den Botschaften und Generalkonsulaten sagen. Sie spielen in der Außenwirtschaftspolitik eine Schlüsselrolle; sie haben Zugang zu politischen Instanzen und Entscheidungsträgern in Wirtschaftsangelegenheiten, an die andere kaum herankommen. Auch wenn da laut Regierungsantwort schon einiges geschieht, sprechen Rückmeldungen aus kleinen und mittleren Betrieben eine andere Sprache. So konzentrieren sich Botschaften meist auf die Zentralregionen der jeweiligen Länder und sind oft zu wenig über Nebenschauplätze informiert, die für den Einstieg in das Exportgeschäft häufig viel geeigneter sind. Ihre Handreichungen sind, so hört man, juristisch geschliffen, aber praktisch für den kleinen oder mittleren Unternehmer völlig unbrauchbar.
Wir brauchen also nicht nur eine auf dem Papier definierte Zuständigkeit; wir brauchen eine intensive Ausbildung des Personals, geeignetes Informationsmaterial, das einerseits deutschen Exporteuren schnell und genau klare Handlungswege aufzeigt, andererseits ausländische Investoren über den Einstieg in Deutschland orientiert. Leitbild muß der in-oder ausländische Unternehmer sein, der Hilfestellung bei der Bewältigung nötiger Verwaltungsschritte braucht.
Rolf Hempelmann
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir vor allem brauchen, ist eine entsprechende Einstellung. Amerikanische Botschafter beispielsweise werden gerühmt, die besten Autoverkäufer ihres Landes zu sein. Statt wie unser Außenamt pikiert auf den neuen Wettbewerb in der Handelsdiplomatie zu blicken - wie in der „Wirtschaftswoche" nachzulesen -, sollten wir dieses ausgezeichnete Instrument endlich stärker nutzen.
Es hilft auch, Außenwirtschaftspolitik auf viele Schultern zu verteilen. Vielleicht können wir dann in Zukunft auch auf unseren fabelhaften Oberbotschafter verzichten, dessen letzter handelsdiplomatischer Ausflug bekanntlich trotz gehorsamster Kniebeugen auf dem Kasernenhof in bezug auf die Abschlüsse - das ist Fakt - hinter den ausposaunten Erwartungen zurückblieb.
Vielen Dank.