Rede von
Rolf
Kutzmutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Kollegen Fritz ist sehr wohl zuzustimmen, daß es in der Einschätzung der Lage kaum einen Unterschied zwischen dem, was von Herrn Mosdorf, und dem gibt, was von ihm gesagt worden ist. Die zu beschreitenden Wege, wie die Lage zu verändern ist, sind in beiden Anträgen etwas differenzierter. Die einen setzen offensichtlich auf mehr Bürokratie, die anderen nach gewohnter Weise auf mehr Privatisierung und Deregulierung. Beiden gemeinsam ist jedoch das „Weiter so!", nur auf einer höheren, effizienteren Ebene.
Ich registriere sehr wohl, daß im Antrag der SPD die Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards im Welthandelsabkommen aufgenommen ist. Fürwahr eine edle Absicht! Tatsache ist aber, daß die auch von der SPD geforderte Weltmarktüberlegenheit teuer erkauft werden muß, in aller Regel gerade über die Senkung von Sozial- und Umweltstandards, wie es hierzulande seit Jahren diskutiert und praktiziert wird.
Äußerst aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß die Bundesregierung gerade in diesem Bereich „grundsätzliche Bedenken" gegen Ideen der EU-Kommission hat, wie in einem Bericht des Ministeriums für Wirtschaft vom 9. Oktober nachzulesen ist. Die ansonsten für bedingungslose Marktgläubigkeit bekannten Brüsseler Kommissare wollen dekretieren:
Wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt bedingen einander. Die Gemeinschaft darf sich daher nicht nur auf ihren wirtschaftlichen Fortschritt konzentrieren, sondern muß auch ihre soziale Dimension berücksichtigen.
Wenn schon solche Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden, ahnt man, wohin die Reise bei „effizienterer Außenwirtschaftspolitik" geht, nicht in Richtung besserer Sozialstandards, sondern ausschließlich in Richtung höherer Profitraten.
In gebotener Kürze will ich für die Fraktion der Demokratischen Sozialisten sagen, daß wir nicht bereit sind, der deutschen Wirtschaft bei der Internationalisierung und Globalisierung eine Sonderstellung einzuräumen.
Erstens müssen Außenwirtschaftsbeziehungen den Charakter tatsächlicher internationaler Arbeitsteilung an Stelle der herrschenden Konkurrenz- und Dominanzstrategie erlangen. Wir setzen auf eine demokratische, gerechte Weltwirtschaftsordnung.
Dazu gehört die grundsätzliche Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip im Umgang unter den Industrieländern und am Gerechtigkeitsprinzip gegenüber den Entwicklungsländern. Das schließt im übrigen die Entschuldung dieser Länder und das Engagement für Umwelt- und Sozialklauseln ein.
Wir sind deshalb zweitens gegen eine einseitige Weltmarkt- und Exportorientierung, gegen die Lösung eigener wirtschaftlicher Probleme durch hohe Exportüberschüsse auf Kosten anderer Länder. Auf der Grundlage einer auszubauenden statt, wie praktiziert, zu kürzenden Bildungs- und Forschungspolitik, die auf hochqualifizierte, kreative Arbeitskräfte und auf verwertbares, auf nachhaltiges Wirtschaften orientiertes technisches Wissen zielt, geht es uns um die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem Technolgie- und Innovationszentrum, anstatt weiter Jagd auf die Exportweltmeisterschaft zu machen. Nicht tonnenschwere Automobile und kilometerlange Flugplatzpisten sollten wir künftig zu exportieren suchen, sondern Wissen, mit dem die drohende Umweltkatastrophe verhindert werden kann. Diese Art der Qualität der Produkte ist gefordert.
Daher sind wir drittens für eine stärkere Binnenmarktorientierung der Wirtschaftsentwicklung, ohne auf die Nutzung der Vorteile einer sinnvollen internationalen Arbeitsteilung zu verzichten. Das heißt, gerade Regionalisierung der Wirtschaft und regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, statt Schwergut- und Arbeitsplatztransporte bis an das andere Ende der Welt zu subventionieren.
Deshalb heißt viertens Entwicklung internationaler Arbeitsteilung für uns vor allem, auch die Wiederbelebung und Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zu ost- und mitteleuropäischen Ländern zu forcieren und eine stärkere Integration in die europäische Wirtschaft zu erreichen. Statt in die Ferne zu schweifen, sollten Außenwirtschaftspolitiker vor unserer eigenen Haustür arbeiten. Vermutlich würden sie dann auch nicht - jetzt wende ich mich konkret an die Kollegen der SPD - ausgerechnet auf eine 'Oberprüfung der Regelungen der Hermes-Bürgschaften für Rußland-Geschäfte verfallen.
Angesichts einer Exportquote der neuen Länder von gerade einmal 3,5 Prozent, gemessen am Bruttoinlandprodukt, der Exportlücke als gravierenden Strukturdefekt der ostdeutschen Wirtschaft, muß sich hier jede Veränderung als kontraproduktiv erweisen. Die großzügigen Sonderkonditionen für die Gewährung von Hermes-Exportbürgschaften nach Osteuropa hatten eine positive Wirkung für Unternehmen in den neuen Ländern.
Inzwischen - das sollte Ihnen bekannt sein - haben sich die Vergabebedingungen wesentlich verschärft: strikte Begrenzung auf den Export von Investitionsgütern und Forderung nach Durchsetzung einer 15prozentigen Sofortbezahlung durch den Kunden. Für die Exporte in die GUS stehen für 1995 nur noch 2,5 Milliarden DM zur Verfügung. 1991 bis 1994 waren es insgesamt 22 Milliarden DM.