Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Jeffrey Garten, bis vor wenigen Tagen Staatssekretär im amerikanischen Handelsministerium, hat sein letztes Buch mit dem Titel „Ein kalter Frieden: Amerika, Japan, Deutschland und der Kampf um die Vorherrschaft" versehen. Genau diese Überschrift legt die Gefahr für die weltweite außenwirtschaftliche Debatte offen: die falsche Interpretation des internationalen Handels als eines Wettbewerbs der Nationen.
Zu viele meinen, daß nach dem Zusammenbruch des Ostblocks an die Stelle der militärischen Konfrontation die wirtschaftliche rücke. Wie irh Kriegsfall gibt es aus deren Sicht im Welthandel nur Sieger oder Verlierer. Hinter diesen martialischen, reißerischen Gedanken steckt ein alter Bekannter, nämlich der Merkantilismus. Dieser ist nach dem Ende des kalten Krieges gefährlicher denn je. Merkantilismus sät stets neuen Zwist, Merkantilismus und Imperialismus gingen immer Hand in Hand. Handel war Mittel der Unterwerfung und Ausbeutung. Krieg und Eroberung waren unausweisliche Folge der zugrunde liegenden ökonomischen Ideen. Sie waren die offensichtliche und normale Form der Ausbeutung.
Protektionismus, das Ziel möglichst hoher Exportzahlen, das Aufrechnen bilateraler Handelssalden, der Einsatz von Staatsoberhäuptern als Chefverkäufer und strategische Allianzen sind die Fortsetzung des Merkantilismus mit modernen Mitteln.
Das Konzept der Triade, Bilateralismus und Trilateralismus sind nicht nur Ausdruck des Blockdenkens in den Handelsbeziehungen, sondern in den gesamten internationalen Beziehungen. Sie werden weder den von uns beobachteten geopolitischen noch den handelspolitischen Veränderungen gerecht, die wir mit dem heute schon gefallenen Stichwort Globalisierung der Märkte umschreiben.
Welche Rolle will dieses Konzept der Triade, etwa China, Indien, Südafrika, Lateinamerika, Australien und Neuseeland, um nur einige zu nennen, eigentlich zumessen? Wie will sie Rußland weltwirtschaftlich integrieren? Auf diese für unser aller Frieden und Wohlstand wichtige Frage geben die strategische Handelspolitik, Merkantilismus und Protektionismus keine Antwort, es sei denn die der Parteilichkeit und der Ausgrenzung. Dagegen ist die einzig richtige Antwort: multilateraler - ich unterstreiche: multilateraler - Freihandel.
Deshalb ist die neue Welthandelsorganisation, die WTO, mehr als eine Handelsorganisation. Die sie tragenden Staaten, zu denen inzwischen viele Entwicklungsländer und hoffentlich bald auch China gehören, leisten einen Beitrag zu einer neuen, freiheitlicheren Weltordnung, nicht nur Weltwirtschaftsordnung. Auch deswegen ist es wichtig, noch bestehende Handelshemmnisse für Güter und Dienstleistungen abzubauen.
Die Welthandelsorganisation muß zu einer internationalen Wettbewerbsordnung ausgebaut werden. Dann ist Wettbewerb kein Fluch, Herr Schmitt. Dann nicht.
Die Öffnung der Märkte und des Wettbewerbs in den Nationalstaaten sind essentielle Voraussetzung für einen unverfälschten weltweiten Wettbewerb. Sie sind die beste Konfliktvermeidungsstrategie.
Folglich gilt für die deutsche Außenwirtschaftskonzeption: Besser als jede spezielle außenwirtschaftliche Förderung ist die Stärkung der wettbewerblichen Rahmenbedingungen in Deutschland.
Damit, Herr Fritz, haben Sie völlig Recht.
Bessere Standortbedingungen, über die wir übrigens nicht erst seit sechs Jahren reden - vielleicht erinnern Sie sich daran, daß ich 1982 ein Papier geschrieben habe, das zu einigen Konsequenzen geführt hat; das waren Standortbedingungen und Standortfragen; darf ich Sie darauf ganz freundlich aufmerksam machen? -, sind die tragfähige Strategie, um über Leistungskraft Weltmarktanteile zu gewinnen. Da ist vieles von dem, Herr Mosdorf, was Sie im „Focus" oder wo auch immer veröffentlicht haben - Sie haben es heute zum Teil wiederholt -, durchaus zustimmungsfähig. Aber es ist nicht der Kernpunkt, nicht die Grundlage einer Außenhan-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
delsordnung wie wir sie brauchen. Exportfördermaßnahmen sind notwendig, aber das - entschuldigen Sie den Ausdruck - Herumfummeln allein an den Exportförderprogrammen bringt uns nicht sehr viel weiter.
Ich bin für eine Förderung von Auslandsmessen. Ich sage hier etwas ungeschützt: Ich war damals unterlegen und will den alten Streit nicht mehr aufgreifen. Mir wären die Förderung von Auslandsmessen und deutschen Industrieausstellungen und der Einsatz des Geldes dafür sinnvoller vorgekommen als die Förderung der Expo in Hannover. Ich will dies nur sehr zurückhaltend sagen.
- Wenn der Haushälter „beides" sagt, dann bin ich, Herr Weng, richtig beeindruckt.
- Es ist alles wahr. Ich habe es damals gesagt. Es hat nicht geklappt. Inzwischen ist es längst entschieden.
Meine Damen und Herren, Herr Mosdorf hat mit Recht auf das „Handelsblatt" hingewiesen. Es ist klar, daß Sie nicht erwähnt haben, daß Herr Henkel Ihre Kritik scharf zurückgewiesen hat; das wäre wohl auch zuviel verlangt.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland - gemessen an Exporten und Direktinvestitionen - hat vor allem gelitten, weil weltweit ein marktwirtschaftlicher Aufholprozeß eingesetzt hat. Als ich nach der Rückkehr aus Japan im Mai 1980 die Deutschen zu erhöhten Anstrengungen aufrief, war die Aufregung ganz gewaltig. Jetzt, 16 Jahre später, scheinen wir endlich zu begreifen, was sich in Asien tut.
Leistungsfähigkeit bedarf der Leistung. Wenn andere besser werden, muß man selbst zulegen. Hier muß ich allerdings sagen, daß das 10-Punkte-Programm von Oskar Lafontaine zur Schaffung neuer Arbeitsplätze erstens 15 Jahre zu spät kommt und zweitens deutlich hinter der Standortpolitik und den Forderungen der Bundesregierung zurückbleibt. Das springt zu kurz.
Strategische Handelspolitik ist keine Antwort auf die Umgewichtung der internationalen Standorte. Die Unterstützung des Exports durch Bürokraten und Politik - das sagen wir immerzu - bevorteilt die großen Unternehmen. Sehen Sie sich bitte die Fernsehaufnahmen aus Peking an. Warum ist der Präsident des Gesamtverbandes der Textilindustrie, der mit chinesischen Umwegeinfuhren und chinesischer Markenpiraterie zu tun hat, eigentlich allenfalls in der dritten Reihe zu sehen gewesen? Hatte man im Bundeskanzleramt nicht gemerkt, daß er, der sich
bemüht hat und den Herr Rexrodt unterstützt hat, in die vorderste Reihe zu kommen, dorthin gehört hätte?
Aber solche Probleme sollten wohl nicht den Glanz deutscher Handelsdelegationen trüben.
Herr Mosdorf, die SPD gehört keineswegs auf die Seite der Musterknaben. Es ist schon entlarvend, den Unterschied zwischen dem Initiativantrag und dem Beschluß des Mannheimer Parteitages zu diesem Punkt zu sehen. Im Initiativantrag findet sich noch, daß die deutsche Wirtschaft einen „freien und fairen Welthandel" brauche. Im Beschluß ist es dann nur noch ein „fairer Welthandel, der sich auch am Ziel der sozialen und ökologischen Verträglichkeit orientiert" . Das Stichwort „frei" hat der SPD-Parteitag kurzerhand gestrichen.
Warum haben die Entwicklungsländer die Aufnahme von Sozialklauseln in der Uruguay-Runde abgelehnt? Warum warnt die UNCTAD vor Neomerkantilismus? Warum fühlen sich spanische Exporteure mit Handelsbarrieren durch deutsche Umweltschutzregelungen konfrontiert? Warum bezeichnen sie Umweltnormen als Unterlaufen des Binnenmarktes? Ganz so schnell können wir diese Fragen nicht weglegen.
Mit der Diskussion um den Zusammenhang zwischen Handel einerseits und Umwelt- und Sozialstandards andererseits haben wir eine sehr schwierige Abwägung zwischen dem Prinzip der offenen Märkte und der Abschottung zu leisten. Die Abschaffung der Sklaverei, die Gewährleistung der Erziehung für alle Menschen, Versammlungsrecht, Koalitionsfreiheit und freie Meinungsäußerung für Arbeitnehmer, das gehört zu den Forderungen, für die sich Liberale weltweit nachhaltig eingesetzt haben und einsetzen.
Aber wer Worte wie Umwelt- oder Sozialdumping undifferenziert gebraucht, wird seinem und unserem Anliegen nicht gerecht. Er liefert dem Protektionismus eben doch neue Argumente. Protektionismus ist weder sozial, noch ist er umweltverträglich. Er verhindert die Vorteile des Freihandels, er verhindert mehr Wohlstand, mehr Einkommen und mehr Beschäftigung. Nur freier Welthandel ist ein fairer Welthandel.
Merkantilismus ist unfair, er ist auch unmoralisch. Die Freihandelsbewegung als Gegenbewegung des Merkantilismus hatte nicht nur ökonomische, sondern auch moralische Anliegen. War zum Beispiel die Bostoner Teaparty etwa nur eine Befreiung im Handel? Sie war der Beginn von Freiheit und Demokratie in den Vereinigten Staaten. Eine neue, freiheitlichere Weltordnung bedarf eines klaren Bekenntnis-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
ses zum Freihandel. Darin sollte sich der Deutsche Bundestag einig sein.
Vielen Dank.