Protokoll:
11209

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 11

  • date_rangeSitzungsnummer: 209

  • date_rangeDatum: 9. Mai 1990

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:14 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/209 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 209. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1990 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Verbesserung des Mieterschutzes im Hinblick auf die wachsende Wohnungsnot Conradi SPD 16452 A Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 16452 D Frau Teubner GRÜNE . . . . 16453D, 16464 D Jahn (Marburg) SPD 16454 C Gattermann FDP 16455 B Dr. Wittmann CDU/CSU 16456 C Dr. Pick SPD 16457 C Dr. Möller CDU/CSU 16458 B Grünbeck FDP 16459 C Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau 16460 D Müntefering SPD 16462 A Geis CDU/CSU 16463B Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU . . 16465 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde — Drucksache 11/7058 vom 4. Mai 1990 — Neubau des Postamtes Lübeck 1 MdlAnfr 2 Hiller (Lübeck) SPD Antw PStSekr Rawe BMPT 16439B ZusFr Hiller (Lübeck) SPD 16439D Trennung von Elektrizitätserzeugung und Leitungsnetzen MdlAnfr 1 Dr. Jens SPD Antw PStSekr Dr. Riedl BMWi 16440 B ZusFr Dr. Jens SPD 16440 C Übernahme der Kosten für die Schäden durch Sturmfluten an der Nord- und Ostseeküste durch den Bund; finanzielle Entlastung der Küstenländer im Küstenschutz MdlAnfr 8 Opel SPD Antw PStSekr Dr. von Geldern BML . . 16441B ZusFr Opel SPD 16441 C ZusFr Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 16442 A Ausgleich für die von den Sturmschäden betroffenen privaten und kommunalen Waldbesitzer MdlAnfr 6, 7 Dr. Knabe GRÜNE Antw PStSekr Dr. von Geldern BML . . 16442B, 16443 C ZusFr Dr. Knabe GRÜNE . . . 16443A, 16443 D ZusFr Hinsken CDU/CSU 16443 B Zeitlich befristete Aussetzung des Anwerbestopps für Arbeitnehmer aus Nicht-EG- II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 209. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1990 Ländern angesichts des Arbeitskräftemangels in verschiedenen Branchen und Regionen MdlAnfr 9, 10 Dörflinger CDU/CSU Antw PStSekr Seehofer BMA . 16444A, 16445 B ZusFr Dörflinger CDU/CSU . . 16444B, 16445 B ZusFr Frau Steinhauer SPD . 16444 C, 16445 D ZusFr Andres SPD 16445A, 16446 A ZusFr Opel SPD 16446B ZusFr Hinsken CDU/CSU 16446 C ZusFr Peter (Kassel) SPD 16446D Erfahrung mit der Verlängerung der Ladenschlußzeiten; Landes- und Kommunalbehörden mit Dienstleistungsabenden MdlAnfr 11, 12 Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Seehofer BMA . 16446D, 16448D ZusFr Hinsken CDU/CSU . . 16447B, 16449 A ZusFr Dr. Emmerlich SPD 16447 D ZusFr Andres SPD 16448A, 16449 C ZusFr Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 16448 B ZusFr Frau Steinhauer SPD 16448 B ZusFr Opel SPD 16448C, 16449 B ZusFr Dr. Hoyer FDP 16450 A Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung beim Abtransport der amerikanischen C-Waffen aus der Pfalz MdlAnfr 13, 14 Toetemeyer SPD Antw PStSekr Wimmer BMVg 16450B, C ZusFr Toetemeyer SPD 16450 B Besetzung aller Ausbildungsplätze bei der Bundesbahn 1990, insbesondere im Bundesbahn-Betriebswerk Siegen MdlAnfr 21, 22 Frau Steinhauer SPD Antw PStSekr Dr. Schulte BMV 16450D, 16451 C ZusFr Frau Steinhauer SPD . . 16450D, 16451 C ZusFr Andres SPD 16451 B Nächste Sitzung 16466* C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16467* A Anlage 2 Reisen von Bundesministern mit der Flugbereitschaft des BMVg in der Zeit vom 1. Januar bis 18. März 1990 in die DDR MdlAnfr 17 — Drs 11/7058 — Büchler (Hof) SPD SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg . . . 16467* C Anlage 3 Flüge von Bundesministern mit der Flugbereitschaft des BMVg in der Zeit vom 1. Januar bis 18. März 1990 in die DDR MdlAnfr 18 — Drs 11/7058 — Hiller (Lübeck) SPD SchrAntw PStSekr Wimmer BMVg . . . 16467* D 209. Sitzung Bonn, den 9. Mai 1990 Beginn: 13.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 11. 05. 90 * Antretter SPD 11. 05. 90 * Frau Beer GRÜNE 09. 05. 90 Frau Blunck SPD 11. 05. 90 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 11. 05. 90 * Brandt SPD 11. 05. 90 Büchner (Speyer) SPD 11. 05. 90 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Conrad SPD 10. 05. 90 Ehrbar CDU/CSU 11. 05. 90 Eigen CDU/CSU 09. 05. 90 Frau Fischer CDU/CSU 10. 05. 90 * Haack (Extertal) SPD 11. 05. 90 Höffkes CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 11. 05. 90 * Kittelmann CDU/CSU 11. 05. 90 * Dr. Klejdzinski SPD 11. 05. 90 * Kreuzeder GRÜNE 11. 05. 90 Lenzer CDU/CSU 09. 05. 90 * Frau Limbach CDU/CSU 11. 05. 90 Lohmann (Witten) SPD 09. 05. 90 Frau Luuk SPD 11. 05. 90 * Dr. Mertens (Bottrop) SPD 09. 05. 90 Meyer SPD 09. 05. 90 Dr. Müller CDU/CSU 11. 05. 90 * Müller (Wesseling) CDU/CSU 11. 05. 90 Niegel CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11. 05. 90 Petersen CDU/CSU 11. 05. 90 Pfuhl SPD 11. 05. 90 * Reddemann CDU/CSU 11. 05. 90 * Regenspurger CDU/CSU 11. 05. 90 Frau Saibold GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Scheer SPD 11. 05. 90 * Frau Schilling GRÜNE 11. 05. 90 Schmidt (München) SPD 11. 05. 90 * von Schmude CDU/CSU 11. 05. 90 * Frau Schulte (Hameln) SPD 09. 05. 90 Dr. Soell SPD 11. 05. 90 * Dr. Sperling SPD 11. 05. 90 Steiner SPD 11. 05. 90 * Stobbe SPD 10. 05. 90 Dr. Stoltenberg CDU/CSU 11. 05. 90 Dr. Vondran CDU/CSU 09. 05. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Wieczorek-Zeul SPD 09. 05. 90 Wiefelspütz SPD 11. 05. 90 Frau Wollny GRÜNE 11. 05. 90 Dr. Wulff CDU/CSU 11. 05. 90 * Zierer CDU/CSU 11. 05. 90 * Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Frage des Abgeordneten Büchler (Hof) (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 17): Sind die Bundesminister Kiechle, Dr. Waigel, Dr. Töpfer, Dr. Warnke und Dr. Haussmann in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis 18. März 1990 mit Flugzeugen der Flugbereitschaft des BMVg in die DDR gereist? Mitglieder der Bundesregierung sind in dem genannten Zeitraum mit Flugzeugen der Flugbereitschaft in die DDR gereist. Die Bedingungen, unter denen Flüge zur Beförderung von Personen aus dem politischen und dem parlamentarischen Bereich durchgeführt werden dürfen, sind in den Ihnen bekannten Richtlinien des Bundesministers der Verteidigung vom 14. April 1989 festgelegt. Danach sind die Anforderungsberechtigten, zu denen auch die Bundesminister gehören, dafür verantwortlich, daß die in den Richtlinien festgelegten Bedingungen zur Durchführung derartiger Flüge vorliegen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wimmer auf die Frage des Abgeordneten Hiller (Lübeck) (SPD) (Drucksache 11/7058 Frage 18): Wie hoch waren die Kosten für Flüge in die DDR von den Mitgliedern der Bundesregierung, Bundesminister Dr. Haussmann, Kiechle, Dr, Töpfer, Dr. Waigel und Dr. Warnke, mit der Flugbereitschaft des BMVg in der Zeit vom 1. Januar bis 18. März 1990? Die allgemeinen Kosten der Flugbereitschaft und damit auch der einzelnen Flüge werden im Einzelplan 14 global veranschlagt. Eine Umrechnung auf einzelne Mitflugberechtigte wird nicht vorgenommen.
Gesamtes Protokol
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache 11/7058 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Riedl sollte zur Beantwortung zur Verfügung stehen. Er ist allerdings noch nicht da.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 2 des Herrn Abgeordneten Hiller (Lübeck) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, unverzüglich den aus städtebaulichen Gründen erforderlichen und wegen der Beseitigung der für die Postkunden und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unzumutbaren Bedingungen dringend gebotenen und bereits für 1990 etatisierten Neubau für das Postamt Lübeck 1 freizugeben, und steht sie unverändert zu den mehrfach öffentlich gemachten Zusagen des Bundesministers für Post und Telekommunikation?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1120900100
Herr Kollege Hiller, es trifft zu, daß die Deutsche Bundespost für die Dienststellen des Postamtes Lübeck einen Neubau geplant hat. Das Bauvorhaben ist auch schon mit einer Gesamtbausumme von ca. 100 Millionen DM etatisiert worden. Wegen der Komplexität des Bauvorhabens und wegen der langwierigen Planungsabstimmungen — auch mit dem Senat der Stadt Lübeck — ist mit dem eigentlichen Neubau, wie wir beide wissen, noch nicht begonnen worden. Es sind aber schon vorbereitende Maßnahmen wie die Erstellung von Ausweichräumen getroffen worden.
Auf Grund der damals bekannten Daten über den Raumbedarf des Postamtes und der geltenden Vorhaben für Bauinvestitionen hat sich der Bundesminister für Post und Telekommunikation in der Vergangenheit öffentlich für den Neubau des Postamtes am Hauptbahnhof ausgesprochen.
Nach Durchführung der Neustrukturierung der Deutschen Bundespost mit Wirkung vom 1. Januar
1990 ist für die Realisierung der Investitionen für den Postbetrieb die Generaldirektion des Unternehmens Postdienst verantwortlich. Wie Sie wissen, hat sich die Generaldirektion Postdienst in ihrer Planung vorgenommen, alle vorgesehenen Bauvorhaben noch einmal zu überprüfen. Das muß nicht bedeuten, daß deswegen die Bauvorhaben nicht durchgeführt werden. Vielmehr will man die Wirtschaftlichkeit noch einmal sorgfältig untersuchen.
Außerdem haben sich in der Zwischenzeit einige neue und nicht vorhersehbare Aspekte ergeben, die für die endgültige Entscheidung gerade für Lübeck von Bedeutung sind. Bei der Überprüfung der von der Oberpostdirektion für dieses Postamt vorgestellten betrieblichen und baulichen Lösung wurde nämlich festgestellt, daß eine kompakte Unterbringung aller Funktionen im Neubau vorgesehen ist. Dies bringt aufwendige bauliche Lösungen mit sich, führt jedoch zur Unflexibilität gegenüber künftigen Entwicklungen.
So ist heute bereits abzusehen, daß sich Funktionen- und Aufgabenbereich des Postamtes Lübeck infolge des Zusammenschlusses beider deutscher Staaten und der traditionellen Orientierung weiter Teile Mecklenburgs nach Lübeck wesentlich erweitern werden.
Im Hinblick auf diese Entwicklung, die im Jahre 1987 noch nicht absehbar war, ist das Unternehmen Postdienst gehalten, die Planungen für das Postamt Lübeck vor allem auch unter diesem aktuellen Gesichtspunkt nochmals zu überprüfen. Es ist sichergestellt, daß diese Überprüfung sorgfältig und unter Abwägung aller Fakten erfolgen wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120900200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hiller.

Reinhold Hiller (SPD):
Rede ID: ID1120900300
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie mit dem Abschluß dieser Überprüfung?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hiller, ich kann Ihnen noch nicht den endgültigen Termin des Abschlusses sagen. Ich weiß nur von der Generaldirektion Postdienst, daß sie für all die Bauvorhaben einen fachkundigen Ausschuß eingesetzt hat, der diese Überprüfung vornimmt.



Parl. Staatssekretär Rawe
Ich habe heute morgen rein zufällig bei einer Nachfrage für diese Fragestunde erfahren können, daß sich dieser Ausschuß mit dieser Frage noch einmal am 17. Mai 1990 befassen wird. Ich werde Sie dann selbstverständlich gerne über den neusten Stand unterrichten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120900400
Zweite Zusatzfrage.

Reinhold Hiller (SPD):
Rede ID: ID1120900500
Herr Staatssekretär, ist nach Ihren Informationen daran gedacht, das Investitionsvolumen einzuschränken?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nein, das ist der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Ich gehe davon aus, daß die Etatsumme so, wie sie jetzt steht, erhalten bleibt. Sollte sich das ändern, werde ich Sie selbstverständlich darüber in Kenntnis setzen. Ich hoffe, wie gesagt, daß wir das nach dem 17. Mai 1990 können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120900600
Danke, Herr Staatssekretär.
Ich rufe jetzt noch einmal den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl ist jetzt zur Beantwortung bereit.
Ich rufe Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens auf :
Wird die Bundesregierung die Vorstellung des Präsidenten des Bundeskartellamtes aufgreifen und auch für die Bundesrepublik Deutschland eine Trennung von Elektrizitätserzeugung und Leitungsnetzen herbeiführen, um so den Wettbewerb zwischen den EVU zu forcieren und Machtmißbrauch zu verhindern?
Bitte schön.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID1120900700
Frau Präsidentin, ich muß mich zunächst entschuldigen, daß ich zu spät kam. Ich war im Wirtschaftsausschuß und mußte bis zur letzten Sekunde dort bleiben. Der Herr Parlamentarische Geschäftsführer der SPD hat mir angeraten, ich sollte mich mit der Begründung entschuldigen — dies sei die einzige Begründung — , ich hätte Durchfall. Aber ich muß bestätigen: Das ist nicht der Fall. Ich war tatsächlich zu spät und bitte, mir das nicht übelzunehmen.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Wenn Sie für uns alle einen ausgeben!)

Die Antwort lautet wie folgt: Der Präsident des Bundeskartellamtes hat sich zu der Trennung von Elektrizitätserzeugung und Leitungsnetzen im Hinblick auf die DDR geäußert, wo eine solche Trennung besteht. Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt sich die Lage anders dar, da hier die vertikale Integration besteht und ihrer Auflösung schon die mit einer Entflechtung der Netze verbundenen Schwierigkeiten und hohen finanziellen Belastungen entgegenstehen.
Die Trennung von Erzeugung und Verteilung wird in der wettbewerbspolitischen Diskussion seit Jahren kontrovers diskutiert, ohne daß es zu einer Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte gekommen wäre. Die Bundesregierung sieht aber nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen keine Veranlassung, für
die Bundesrepublik Deutschland eine Trennung von Elektrizitätserzeugung und Leitungsnetzen herbeizuführen.
Die Bundesregierung weist im übrigen darauf hin, daß mit der fünften Kartellgesetznovelle die Wettbewerbselemente auch im kartellrechtlichen Ausnahmebereich Versorgungswirtschaft verstärkt worden sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120900800
Herr Kollege, bevor Sie Ihre Zusatzfrage stellen: Könnten Sie mir sagen, was unter EVU zu verstehen ist?

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1120900900
Elektrizitätsversorgungsunternehmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120901000
Hervorragend. Jetzt haben Sie eine Zusatzfrage.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Frau Präsidentin, das war eine wichtige Frage!)


Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1120901100
Herr Staatssekretär, nachdem der Präsident des Bundeskartellamtes — das ist ja nicht irgendeiner, sondern das ist ja ein sehr hoher Beamter, auch, wenn man so will, des Bundesministeriums für Wirtschaft — dieses für eine sinnvolle Lösung erachtet hat, so wie es in der DDR ist: Gibt es in Ihrem Hause nicht weitere Überlegungen, wenn ein hoher Beamter quasi damit in die Öffentlichkeit tritt und so etwas befürwortet?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Hinweis. Wir führen allwöchentlich im Bundeswirtschaftsministerium die sogenannte ALK durch — die Abteilungsleiterkonferenz — , an der in der Regel auch der Herr Präsident des Bundeskartellamtes teilnimmt, auch die Staatssekretäre und der Minister. Ich werde Ihre Frage zum Anlaß nehmen, dies bei uns zu diskutieren. Da haben Sie völlig recht. Ich werde Ihnen anschließend Bescheid geben, wie der Diskussionsprozeß bei uns weitergegangen ist.
Ich will allerdings doch betonen, daß der Präsident des Kartellamtes zu Recht kartellrechtliche Überlegungen angestellt hat, daß aber darüber hinaus natürlich auch einige weitere Überlegungen energiewirtschaftlicher Art angestellt werden müssen.
Ich bin sehr dankbar für diese Frage, weil wir da doch zu einer, wie ich glaube, vernünftigen Lösung kommen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120901200
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1120901300
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Ansicht, daß doch neue Fakten aufgekommen sind, nachdem diese Trennung von Netz und Erzeugung in Großbritannien verwirklicht wurde und dieses in den Niederlanden geprüft wird? Sind Sie angesichts dieser neuen Entwicklung nicht auch bereit, einmal eine sorgfältige Prüfung durch wirklich unabhängige, objektive Wissenschaftler einzuleiten?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Die Geschichte in den Niederlanden ist interessant. Wir brauchen hier sicherlich eine Reihe praktischer Erfahrungen. Wir



Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
wollen sie nutzen. In England gehen die Lichter öfter aus. Ich bin nicht so ganz sicher, ob wir uns daran ein Beispiel nehmen sollten. Aber das niederländische Beispiel ist sicherlich einer sorgfältigen Überprüfung wert.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120901400
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Geldern steht zur Verfügung.
Ich komme zunächst zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. Knabe. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal.*) Dasselbe gilt für die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Knabe.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Opel auf:
Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die schweren und sehr schweren Sturmfluten dieses Winterhalbjahres der Nord- und der Ostseeküste erhebliche außerordentliche Schäden zugefügt haben, die allein im Bereich Nordfriesland/Dithmarschen vermutlich über 30 Millionen DM betragen, und daß sich die Frequenz dieser Sturmfluten erhöht sowie das mittlere Tidehochwasser ständig bedrohlich ansteigt, bereit, die Schadensbeseitigung für diese einmaligen und zusätzlichen Schäden der Sturmfluten dieses Winterhalbjahres im Sinne ihrer Solidarverantwortung zu übernehmen, und verfolgt sie darüber hinaus die Absicht, die Küstenländer in Zukunft im Küstenschutz finanziell zu entlasten?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID1120901500
Herr Kollege Opel, der Bundesregierung ist bekannt, daß die schweren und sehr schweren Sturmfluten des vergangenen Winterhalbjahres an der Nord- und Ostseeküste erhebliche Schäden verursacht haben. Über den Schadensumfang insgesamt, insbesondere auch im Bereich Nordfriesland/Dithmarschen, gibt es aber noch keine exakten Angaben.
Aus der Tatsache, daß im Januar/Februar dieses Jahres drei Stürme einander folgten, kann noch nicht auf eine Erhöhung der Frequenz von Sturmfluten geschlossen werden. Auch ein ständiges bedrohliches Ansteigen des mittleren Tidehochwassers liegt nicht vor. Vielmehr haben Vergleiche der mittleren Tidehochwasserstände, die seit dem 19. Jahrhundert gemessen werden, in den Jahren 1959 bis 1983 einen mittleren Anstieg von insgesamt 16 cm ergeben. Hochgerechnet auf 100 Jahre ergäbe sich dadurch ein Anstieg von etwa 64 cm gegenüber einem Säkularanstieg von etwa 25 cm in der Zeit vor 1950.
Bei der Finanzierung von Küstenschutzmaßnahmen ist zwischen Schadensbeseitigung und Verbesserungsmaßnahmen, also Vorsorge, zu unterscheiden. Für die Beseitigung der aus den Sturmfluten und Stürmen resultierenden Schäden an den Küstenschutzwerken sind ausschließlich die betroffenen Länder zuständig. Bei Schäden an versichertem Privateigentum treten die Versicherungsgesellschaften ein.
*) vgl. Seite 16442A
Die Finanzierung des Küstenschutzes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" geschieht in der Weise, daß das jeweilige Land die von ihm als dringend anerkannten Verbesserungsmaßnahmen plant und durchführt und der Bund 70 % der Gesamtkosten übernimmt. Eine darüber hinausgehende finanzielle Entlastung der Küstenländer ist vom Bund nicht beabsichtigt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120901600
Zusatzfrage, Herr Kollege.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120901700
Herr Staatssekretär, müssen Sie nicht aus dem von Ihnen völlig zu Recht zitierten Anstieg des mittleren Tidehochwassers, der sich in Ihrer Hochrechnung sehr deutlich von dem unterscheidet, was langjährig war — es gibt also doch einen dynamischen Anstieg —, eine Prognose ableiten, die sehr klar darauf hindeutet, daß die vorsorglichen Küstenschutzmaßnahmen, die Sie genannt haben, in Zukunft verbessert werden müssen, und wäre es in diesem Rahmen nicht erforderlich, den Küstenschutz, der eine nationale Aufgabe ist, und die Regulierung der einmaligen Schäden, die die Küstenländer allein nicht tragen können, in diesem Jahr durch den Bund verstärkt unterstützend zu begleiten?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, in Ihrer Frage ist eine ganze Menge enthalten. Ich will versuchen, die Aspekte anzusprechen. Ich denke zum einen mit Ihnen, daß es erforderlich ist, die Vorsorgemaßnahmen insgesamt weiter auszudehnen und zu verbessern, und daß wir deswegen unser Augenmerk ganz besonders auf das Deichvorland richten müssen.
Darüber hinaus ist natürlich — wenn ich das ergänzend sagen darf — die Umweltschutzpolitik von größter Bedeutung. Denken Sie an die Problematik des Ozonlochs, des Temperaturanstiegs und an anderes, das mit diesen Fragen auch zu tun hat.
Schließlich meine ich, daß der Bund mit den 70 Finanzierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe wirklich angemessen beteiligt ist. Das ist schon eine nationale Aufgabe und nicht nur eine der betroffenen Küstenländer. Aber es muß bei der Aufgabenverteilung, die im übrigen in der Verfassung geregelt ist, bleiben. Bei eingetretenen Schäden haben sich die Länder bisher immer als leistungsfähig genug gezeigt, diese Kosten ihrerseits zu übernehmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120901800
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120901900
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie damit, daß die Zahlen über die zusätzlichen, einmaligen Schäden auf Grund der Sturmflutserie dieses Winters vorliegen, und wären Sie bereit, mir diese Zahlen, wenn sie vorliegen, schriftlich mitzuteilen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich bin gerne dazu bereit, Herr Kollege. Ich hoffe, daß wir von den betroffenen Ländern im Laufe der nächsten Monate darüber einen entsprechend präzisen Überblick bekommen.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1120902100
Herr Staatssekretär, sind meine Erinnerungen vom letzten Jahr richtig, daß nach dem Besuch des Agrarausschusses auf Sylt einhellig, und zwar über die Parteigrenzen hinweg, festgestellt wurde, daß Küstenschutz in Planung und Durchführung Aufgabe der Länder ist, daß der Agrarausschuß allerdings für besondere Hilfen für Sylt bereitsteht, daß man von Schleswig-Holstein erwartete, daß unverzüglich eine Fachplanung vorgelegt werde, und daß, obwohl vom Bund 5 Millionen DM für die Erforschung der Optimierung des Küstenschutzes auf Sylt eingesetzt worden sind, keine Anträge des Landes kamen und trotzdem von uns Sondermittel für die diesjährige Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung gestellt wurden?

(Hinsken [CDU/CSU]: Das ist ja unerhört, wenn das stimmt!)

Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Das ist eine Frage, die ich aus dem Stegreif beantworten muß. Meines Wissens ist das, was Sie gerade vorgetragen haben, Herr Kollege Carstensen, richtig.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902200
Herr Abgeordneter Knabe hat sich etwas verspätet, Herr Staatssekretär. Seine Fragen können daher doch beantwortet werden.
Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Dr. Knabe auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher getroffen und beabsichtigt sie noch in dieser Legislaturperiode zu treffen, um den geschädigten Waldbesitzern einen Ausgleich für die verheerenden Sturmschäden des vergangenen Spätwinters zu gewähren, und trifft der in der Diskussion genannte Schlüssel mit 50 % Bundesanteil zu?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Knabe, Sie haben nach den Maßnahmen wegen der Sturmschäden im Wald gefragt. Ich bitte um Nachsicht, Frau Präsidentin, wenn die Antwort ein bißchen länger wird, weil es eine Auflistung von Maßnahmen ist, die nachgefragt wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902300
Vielleicht kann man die schriftlich geben.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich bin gern dazu bereit, wenn der Herr Kollege Knabe damit einverstanden ist.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120902400
Ist es möglich, die Liste nachzureichen, aber das Verbale doch vielleicht kurz anzugeben?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Das ist schwierig. Es ist nicht etwa ein Zahlenwerk, sondern es ist eine Nennung der Maßnahmen, die Bund und Länder bisher getroffen haben. Das zieht sich bei mir über zweieinhalb Seiten hin.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902500
Es wäre die Kunst der Mitarbeiter, das auf eine Seite zu verkürzen.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Bei den vielen Dingen, die wir gemacht haben, ist das schwierig. Ich kann es ja kurz vortragen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902600
Halten wir uns nicht auf. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Als wichtige Maßnahme zur Stabilisierung des Holzmarktes wurde schon im Februar dem Bundesrat eine Verordnung nach dem Forstschäden-Ausgleichsgesetz zur Zustimmung zugeleitet, durch die erhebliche Beschränkungen des ordentlichen Holzeinschlags angeordnet und zugleich wesentliche steuerliche Erleichterungen für Forst- und Holzwirtschaft in Kraft gesetzt werden. Diese Verordnung ist am 25. April 1990 in Kraft getreten.
Zur Existenzsicherung der forstwirtschaftlichen Betriebe und um die Holzaufarbeitung zu unterstützen, wurden ferner u. a. Erleichterungen bei der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zugunsten ausländischer Arbeitskräfte eingeführt, auf die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer für ausländische Forstmaschinen bei vorübergehendem Einsatz zur Sturmholzaufarbeitung in der Bundesrepublik Deutschland verzichtet, der kostenlose Einsatz des Technischen Hilfswerks und der Bundeswehr in die Wege geleitet, Sonderurlaub für wehrpflichtige Familienangehörige betroffener Betriebe gewährt.
Der Bundesminister der Finanzen hat mit den Ländern einen Katalog mit Maßnahmen für steuerliche Entlastungen aufgestellt, z. B. Steuererlaß, Steuerstundung. Um die Liquidität der geschädigten Betriebe zu sichern, hat die Landwirtschaftliche Rentenbank ein Sonderkreditprogramm aufgelegt.
Zur Stabilisierung des Holzmarktes sind ebenfalls zusätzliche Maßnahmen eingeleitet worden: Die Bundesforstverwaltung hat den normalen Holzeinschlag gestoppt und übt Zurückhaltung beim Holzverkauf. Für Lagerplätze wurden bundeseigene Flächen kostenlos bereitgestellt. Auf dem Verkehrssektor sind neben dem § 19 a des Güterkraftverkehrsgesetzes — danach können Nahverkehrsteilnehmer im Fernverkehrsbereich fahren — Sonder- und Ausnahmegenehmigungen bezüglich der Gewichts- und Längenbegrenzung und des Wochenendfahrverbotes notwendig. Der Bundesminister für Verkehr hat entsprechende Initiativen ergriffen, die in den meisten Ländern bereits umgesetzt worden sind.
Bei Bundesbahn, Güterkraft- und Binnenschiffsverkehr sind Ausnahmetarife wünschenswert. Bei der Bundesbahn sind Ausnahmetarife bereits in Kraft, beim Güterfernverkehr beantragt. Der Bundesminister für Verkehr unterstützt dieses Anliegen.
Mit den wichtigsten in die Bundesrepublik Deutschland holzexportierenden Ländern wurden Gespräche geführt, um Einfuhren zu reduzieren. Entsprechende Maßnahmen sind auch auf Landesebene durch die Länder eingeleitet worden.
Bundesminister Kiechle hat dem Bundeskabinett am 22. März 1990 berichtet und anschließend ein Gespräch mit den für Forstwirtschaft zuständigen Ministern und Senatoren der Länder geführt. Dabei wurden die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen begrüßt. Die Länder forderten in diesem Zusammenhang ein mehrjähriges Hilfsprogramm mit bundeseinheitlichen Fördergrundsätzen.



Parl. Staatssekretär Dr. von Geldern
Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung von Schäden durch Naturereignisse liegen grundsätzlich in der Finanzierungszuständigkeit der Bundesländer. Der Bund kann sich nur ausnahmsweise und subsidiär auf Grund der ungeschriebenen Finanzierungskompetenz der gesamtstaatlichen Repräsentation an Hilfsmaßnahmen der Bundesländer beteiligen. Auf Grund der Bitten aller hauptbetroffenen Bundesländer um Bundesbeteiligung prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob die Voraussetzungen für eine solche Mitfinanzierung vorliegen. Solange die grundsätzliche Frage einer Bundesbeteiligung aber noch nicht entschieden ist, kann ich zum möglichen Verteilungsschlüssel zwischen Bund und Ländern noch keine Aussage machen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120902700
Kurze Fragen, kurze Antworten, Herr Dr. Knabe.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120902800
Kurze Frage: Welche der Wünsche der Waldbesitzerverbände, die an die Bundesregierung gerichtet worden sind, konnten von Ihrer Seite noch nicht erfüllt werden?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Das ist nur scheinbar eine kurze Frage. Ich müßte wieder mit einer Auflistung antworten. Vielleicht kann ich doch mit einem Satz antworten: Nichts von dem, was die Waldbesitzer vorgetragen haben, ist bisher völlig aus der Diskussion. Wir sind mit den Ländern im Gespräch über weitergehende Maßnahmen.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120902900
Sind im Haushalt konkrete Beträge für diesen Schadensausgleich bereitgestellt worden oder konnte das auf Grund der grundsätzlichen Bedenken noch nicht geschehen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Knabe, ich hatte in der Antwort auf Ihre erste Frage gesagt, daß die Finanzierungszuständigkeit grundsätzlich bei den Ländern liegt, daß der Bund aber von den Ländern aufgefordert worden ist, sich zu beteiligen, und daß diese Frage noch geprüft wird. Darüber hinaus handelt es sich um verschiedene, bereits jetzt finanzwirksame Maßnahmen wie Steuererleichterungen, Steuerstundungen, Steuerverzicht usw., die ich genannt habe, die aber nicht unbedingt im Haushalt erscheinen müssen. Verschiedene andere Maßnahmen des Bundes, etwa daß er eigene Grundstücke zur Verfügung stellt usw., kann ich jetzt nicht alle quantifizieren. Aber es sind bereits jetzt finanzwirksame Leistungen des Bundes auf den Weg gebracht worden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120903100
Herr Staatssekretär, gesetzt den Fall, die Bundesregierung gibt den Ländern zusätzliches Geld, um den Waldbauern, die so schwer getroffen worden sind, zu helfen: Wie wird dann mit den Waldbauern verfahren, die im vergangenen Jahr, auf enge Bereiche begrenzt, durch Sturmschäden sehr sehr stark betroffen gewesen sind?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Die sind, Herr Kollege Hinsken, wie das auch in anderen Fällen und anderen Jahren üblich war und ist und auch in Zukunft üblich bleiben wird, auf Hilfe seitens der Länder angewiesen, weil, wie ich ausgeführt habe, der Bund nur in Ausnahmefällen auf Grund der ungeschriebenen gesamtstaatlichen Zuständigkeit in besonderen Katastrophenfällen eingreifen kann. In normalen Jahren, die nicht so extrem sind, wie das in diesem Jahr der Fall war — wie Sie wissen, hatten wir den größten Windwurf im Wald seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland — , muß die Zuständigkeit bei den Ländern bleiben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903200
Ich rufe Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Knabe auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung angesichts der angespannten Lage der Kommunalfinanzen und der verheerenden Waldschäden auch in Kommunalforsten, den Kommunen einen Schadensausgleich aus dem gleichen Fonds zu gewähren, oder welche anderen Möglichkeiten der Unterstützung der Kommunen werden von ihr avisiert?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Die Frage des möglichen Zuwendungsempfängerkreises bei einer eventuellen Beteiligung des Bundes an den finanziellen Hilfsmaßnahmen der Länder kann ich aus den schon genannten Gründen zur Zeit nicht beantworten. Die Bundesregierung weist, was die Hilfen für den Gemeindewald betrifft, darauf hin, daß in den Bundesländern Möglichkeiten zur Finanzierung von Hilfsmaßnahmen über den kommunalen Finanzausgleich und auch über den Ausgleichsstock gegeben sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Knabe.

Dr. Wilhelm Knabe (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120903400
Liegt nicht doch eine Mitverantwortung des Bundes vor, weil in vielen Fällen die Wurzeln der geworfenen Bäume durch Immissionen, durch sauren Regen und entsprechende Bodenversauerung geschwächt oder zerstört waren? Ich habe selbst bei Buchenbeständen an verschiedenen Stellen abgestorbene Hauptwurzeln durch zu starke Versauerung und zu starke Bodenverdichtung gefunden. Liegt da also nicht doch eine Mitverantwortung des Bundes vor, so daß er auch hier eingreifen sollte?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Knabe, hier haben wir eine Parallele zu dem bereits Besprochenen. Auch hier gibt es eine ursprüngliche Zuständigkeit der Länder für Naturschutzfragen und eine subsidiäre des Bundes bei gesamtstaatlicher Bedeutung des Problems. Daß das hier auch angesprochen sein kann, möchte ich nicht bestreiten. Darüber wird zwischen dem Bund und den Ländern zur Zeit geredet.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903500
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Der Parlamentarische Staatssekretär Seehofer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:
Welche rechtlichen und politischen Probleme stünden nach Ansicht der Bundesregierung dem Versuch entgegen, angesichts eines verstärkten Mangels an Arbeitskräften in verschie-



Vizepräsidentin Renger
denen Branchen und in einer wachsenden Zahl von Regionen den Anwerbestopp für Beschäftigte in Nicht-EG-Ländern differenzierter als bisher zu handhaben?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1120903600
Herr Kollege, die Bundesregierung hält es angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die trotz einer erheblichen Expansion der Erwerbstätigkeit immer noch von einem hohen Stand der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, nicht für möglich, für bestimmte Regionen oder Branchen mit Arbeitskräftemangel Ausnahmen vom Anwerbestopp zuzulassen. Sie ist der Auffassung, daß sich die Bemühungen auch künftig darauf konzentrieren müssen, die verstärkte Nachfrage nach Arbeitskräften aus dem Kräftepotential zu befriedigen, das auf dem inländischen und dem EG-Arbeitsmarkt vorhanden ist.
Auf das erheblich gestiegene Arbeitskräfteangebot durch Zuwanderung von Aus- und Übersiedlern, auf die nicht absehbaren Auswirkungen des wirtschaftlichen Umstellungsprozesses in der DDR, auf den Arbeitsmarkt sowie auf die angestrebte Schaffung eines funktionierenden einheitlichen Arbeitsmarktes im Rahmen des europäischen Binnenmarktes weise ich in diesem Zusammenhang hin.
Eine Auflockerung des Anwerbestopps würde eher dazu beitragen, daß die strukturellen Diskrepanzen auf der Angebotsseite noch verfestigt würden. Sie wäre deshalb nicht vertretbar. Daher ist auch der von der Bundesregierung 1973 verfügte Anwerbestopp im Rahmen der vorn Deutschen Bundestag am 26. April 1990 verabschiedeten Neuregelung des Ausländerrechts gesetzlich festgeschrieben worden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903700
Eine Zusatzfrage.

Werner Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1120903800
Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund, daß ich aus einem Gebiet komme, in dem es einen leer gefegten Arbeitsmarkt gibt, aus dem Fachkräfte in die Schweiz abwandern und wo die Gastronomie z. B. über die Rücknahme ihres Leistungsangebotes nachdenken muß, frage ich Sie: Sehen Sie keinen Widerspruch darin, daß die Bundesregierung in ihrer allgemeinen Arbeitsmarktpolitik — aus guten Gründen — auf die differenzierte Situation in den Regionen mit verstärkten Fördermaßnahmen dort reagiert, wo Arbeitslosigkeit herrscht, auf der anderen Seite aber nicht bereit ist, eine Maßnahme zu ergreifen, die ihr, was den finanziellen Aufwand angeht, relativ leicht fallen müßte?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe diesen Widerspruch nicht. Ich möchte nur einmal auf die Größenordnung des letzten Jahres verweisen: Es kamen fast 1 Million Aus- und Übersiedler, Asylbewerber und Zuwanderer durch die Familienzusammenführung im Rahmen des Ausländerrechts in die Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen zunächst einmal dieses Arbeitskräftepotential innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausschöpfen, bevor wir durch eine Lockerung oder Aufhebung des Anwerbestopps die innerstaatlichen Probleme, die sich nicht nur auf den Arbeitskräftemarkt, sondern auch auf den Wohnungsmarkt beziehen, noch vergrößern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120903900
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Werner Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1120904000
Herr Staatssekretär, ich gewichte die Argumente, die Sie in die Diskussion einführen, frage Sie aber trotzdem: Es dürfte unbestritten sein, daß die Schweiz eine ähnlich restriktive Ausländerpolitik praktiziert wie die Bundesrepublik Deutschland.

(Andres [SPD]: Hört! Hört! Restriktiv!)

Trotzdem läßt die Schweiz beispielsweise in der Gastronomie sogenannte Saisonarbeitskräfte hinein, weil sie der Arbeitsmarkt dazu zwingt. Könnte dies kein Modell sein?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Sie wissen, Herr Kollege, daß wir kurzfristige Beschäftigungen, d. h. Beschäftigungen bis zu drei Monaten, im Bereich der Landwirtschaft ohnehin bisher schon zugelassen haben. Daran soll sich auch nichts ändern.
Ihre erste Frage aber war darauf gerichtet, ob die Bundesregierung daran denkt, den Anwerbestopp für bestimmte Regionen generell aufzuheben. Den aber hat der Deutsche Bundestag erst in der letzten Woche gesetzlich verfestigt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120904100
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120904200
Herr Staatssekretär, Sie sagen, Sie denken nicht an die Lockerung des Anwerbestopps. Ist Ihnen nicht bekannt, daß in Jugoslawien konkrete Verhandlungen hinsichtlich der Anwerbung einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Fachkräften im Bereich der Krankenpflege geführt werden?
Seehofer. Parl. Staatssekretär: Das ist die zweite Frage des Abgeordneten Dörflinger. Ich möchte dem parlamentarischen Ablauf nicht vorgreifen. Dieser Fragenkomplex wird unter Frage 10 abgehandelt werden.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120904300
Sie haben gesagt, Sie wollen grundsätzlich nicht auflockern. Führen Sie nur diese Verhandlungen oder was hat das zu bedeuten?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: In der ersten Frage ging es um den Anwerbestopp. Vom Anwerbestopp sind die Saisonarbeitskräfte, also Beschäftigungen unter drei Monaten, ausgenommen. Es gibt, wie Sie sicherlich wissen, einen Katalog, der mit den Bundesländern abgestimmt ist und der jetzt auf Grund einer neuen Ermächtigung des Ausländergesetzes in die Form einer Rechtsverordnung gegossen werden soll. In diesem Katalog sollen Ausnahmen befristeter Art geregelt werden wie beispielsweise im Bereich der Krankenpflegeberufe, um einem Notstand in den Krankenhäusern abzuhelfen. Dies ist aber eine andere Frage als die, die Herr Kollege Dörflinger mit der generellen Aufhebung der Anwerbestopps für bestimmte Regionen stellte.

(Frau Steinhauer [SPD]: In der Frage steht auch „Branchen"!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120904400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.




Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1120904500
Herr Staatssekretär, Sie haben diese Frage mit dem Hinweis auf den Zuzug von über 1 Million Menschen und der zu erwartenden Situation in bezug auf die DDR beantwortet. Ich will trotzdem sagen: 1 Million zugezogene Menschen ändern zunächst überhaupt nichts daran, daß wir beispielsweise in der Bauindustrie, beispielsweise im Bereich sowohl des privaten als auch des öffentlichen Dienstleistungssektors einen vielfach beklagten Fachkräftemangel haben. Sind Sie nicht der Auffassung, daß es vor diesem Hintergrund für bestimmte Branchen in ganz kurzer Zeit notwendig sein wird, den generellen Anwerbestopp zu lockern?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Erstens. Vor nicht einmal einer Woche hat das Parlament den Anwerbestopp im Rahmen des neuen Ausländerrechts gesetzlich fixiert.
Zweitens. Wir sind der Auffassung, daß bei fast 2 Millionen Arbeitslosen und einer jährlichen Zuwanderung im Jahre 1989 von zusätzlich 1 Million Menschen zunächst einmal die Möglichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in zweiter Linie innerhalb der EG ausgeschöpft werden sollten, was das Arbeitskräftepotential betrifft. Das heißt, wir müßten verstärkte Anstrengungen für die Umschulung, für die Qualifizierung, für die Vermittlung, auch für die Zumutbarkeit bei der Vermittlung von Arbeitskräften leisten, bevor wir die Grenzen für neue Arbeitskräfte öffnen, die möglicherweise nicht nur Probleme auf dem Arbeitsmarkt hervorrufen, sondern in allen Sozialsystemen und auch auf dem Wohnungsmarkt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120904600
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Vorschlag, nach den speziellen Gegebenheiten der einzelnen Arbeitsmarktregionen zu differenzieren, also beispielsweise in Regionen mit niedrigen Arbeitslosenquoten und einer sich ständig verstärkenden Nachfrage nach Arbeitskräften den Anwerbestopp für Arbeitskräfte aus Jugoslawien zeitlich befristet auszusetzen?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die in der Antwort zu Ihrer ersten Frage dargelegten Gründe stehen auch einer länderspezifischen, zeitlich befristeten Ausnahme vom Anwerbestopp für jugoslawische Arbeitnehmer entgegen — mit Ausnahme dieser Drei-Monats-Regelung, die ich schon genannt habe.
Ein weiterer Hinderungsgrund für eine solche Regelung wäre der Assoziationsvertrag zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei, der die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, sich darum zu bemühen, daß türkischen Arbeitnehmern bei der Anwerbung der Vorrang vor Arbeitnehmern aus anderen Nicht-EG-Ländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt eingeräumt wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120904700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dörflinger.

Werner Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1120904800
Herr Staatssekretär, noch einmal ganz speziell zur Problematik der Gastronomie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß eine am Montag durchgeführte öffentliche Anhörung des Deutschen Bundestages zu den Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf den Tourismus ganz eindeutig erwiesen hat, daß sich Fremdenverkehr und Tourismus europaweit entwickeln und es deswegen keine Hoffnung darauf geben wird, daß aus den Ländern der Europäischen Gemeinschaft zusätzliches Personal für die Gastronomie, beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland, gewonnen werden kann?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich nehme das gerne zur Kenntnis, verweise aber noch einmal darauf, daß wir bei typischen Saisonbeschäftigungen zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse bis zu drei Monaten auch für Arbeitskräfte außerhalb des EG-Bereichs ohnehin zulassen und daß diese Beschäftigungen nicht unter den Anwerbestopp fallen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120904900
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Werner Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1120905000
Das war eine interessante Information für mich, und ich frage bezüglich dieser Saisonarbeitskräfte: Kann ich davon ausgehen, daß das, was beispielsweise bisher für die zeitliche Befristung von Beschäftigungen von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft gegolten hat, künftig sinngemäß beispielsweise auch für die Gastronomie zum Tragen kommt, und wären Sie bereit, meinen Horizont dadurch zu erweitern, daß Sie mir das, was die Bundesregierung plant, noch etwas näher spezifizieren, damit ich gewisse Widersprüche in voneinander abweichenden Antworten der Ressorts der Bundesregierung überwinden kann?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich bin gerne bereit, Ihre Anregung aus der Sicht unseres Hauses nachdrücklich zu unterstützen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120905100
Frau Abgeordnete Steinhauer zu einer Zusatzfrage.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120905200
Herr Staatssekretär, darf ich dann meine Frage von vorhin hier konkret wiederholen und fragen — bei aller Unterstreichung, daß der Anwerbestopp generell aufrechterhalten bleiben soll — , wie hoch die nicht unbeträchtliche Zahl der Anwerbungen aus Jugoslawien für den Krankenpflegebereich angestiegen ist und ob da irgendwelche anderen Dinge, die Sie soeben mit Blick auf die Türkei genannt haben, tangiert sind. Denn die Jugoslawen befürchten, daß sie hinsichtlich der EG sonst eventuell in die Hinterhand kommen.
Und meine zweite Zusatzfrage — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120905300
Halt, Frau Kollegin, Sie haben nur eine.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120905400
Eine Unterfrage. — Würden Sie es nicht für richtig halten, die Qualifizierungsmaßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz, die mit der 9. Novelle rückgängig gemacht wurden, wieder zur Geltung zu bringen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Was die zweite Frage betrifft, so ist sie nicht ganz richtig gestellt. Die Qualifizierungsmaßnahmen wurden mit der 9. Novelle nicht aufgehoben, sondern auf hohem Niveau stabilisiert.

(Andres [SPD]: Kräftig gekürzt!)




Parl. Staatssekretär Seehofer
Zweitens. Sie wissen — das ergibt sich aus Ihrer Fragestellung ganz klar — , daß wir bereit sind, die Anwerbung von Krankenschwestern, Krankenpflegern zuzulassen, auch aus Nicht-EG-Staaten, unter der Voraussetzung, daß die Zustimmung des Herkunftslandes vorliegt; die ist notwendig. Denn so haben z. B. die Ungarn erklärt, sie hätten in bestimmten Gebieten den gleichen Pflegenotstand wie wir in der Bundesrepublik Deutschland. Es wäre ja nicht sinnvoll, ein Problem in Ungarn dadurch zu vergrößern, daß wir ihnen noch die Pflegekräfte abwerben. Wir brauchen also die Zustimmung des Herkunftslandes. Dann sind wir bereit, zur Behebung eines Pflegenotstandes in einem ganz konkreten Krankenhaus zeitlich befristet solche Ausnahmen zuzulassen. Wir halten es aber nicht für möglich, den Abwerbestopp ohne Prüfung des jeweiligen Einzelfalles generell aufzuheben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120905500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1120905600
Herr Staatssekretär, da Sie soeben auf die zeitliche Befristung und die Saisonarbeitskräfte Bezug genommen haben, würde ich gerne wissen, wie die zeitliche Befristung für Krankenpflegekräfte aus Jugoslawien, für die konkret betroffenen Menschen aussieht, und ich würde gerne wissen, ob Sie sich solche zeitlich befristeten Ausnahmeregelungen beispielsweise auch für die Bauindustrie, für die Gastronomie, also Hotels und Gaststätten, und ähnliches in absehbarer Zeit vorstellen könnten.

(Frau Steinhauer [SPD]: Und in welchem Umfang!)

Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich hatte schon dem Herrn Kollegen Dörflinger zugesagt, daß wir ihn darin unterstützen, daß diese Drei-Monats-Frist, die bisher insbesondere in der Landwirtschaft angewandt wird, die nicht unter den Anwerbestopp fällt, auch auf den Gastronomiebereich übertragen werden sollte.
Bei den Krankenschwestern hat dies nichts mit den drei Monaten zu tun. Hier mußten wir feststellen, daß nichts so beständig ist wie eine zeitlich befristete Lösung. Ich nehme hier konkret den Fall München mit der Anwerbung ungarischer Krankenschwestern, zunächst mit der Schwierigkeit in der Urlaubssaison 1989 begründet. Offensichtlich reichten die Schwierigkeiten der Urlaubssaison bis Juli 1990, denn diese zeitliche Befristung besteht immer noch, weit über den ursprünglich angepeilten Horizont hinaus. Man muß hier immer den Einzelfall beurteilen. Wenn z. B. in diesem Bereich Operationsschwestern fehlen und auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt und im EG-Bereich nachweislich nicht zu bekommen sind, dann kann man sich hier nicht an einem oder an zwei Monaten festklammern. Denn es geht um Hilfe für die Menschen, und da muß man Fristen auch einmal großzügig auslegen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120905700
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Opel.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120905800
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, um wieviel Krankenpflegekräfte es sich in Ihrer letzten Anwort handelt?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Es war eine Größenordnung um die hundert.

(Frau Steinhauer [SPD]: Die haben uns in Jugoslawien gesagt: 5000!)

— Ich bestreite nicht, daß es 5000 gibt, aber die werden nicht alle angeworben. Dann würde die stationäre Versorgung in Jugoslawien wiederum gefährdet. Das kann auch nicht unser Ziel sein.

(Frau Steinhauer [SPD]: Die kommen von den Arbeitslosen da unten!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120905900
Der Herr Staatssekretär wird das sicherlich noch einmal nachprüfen.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Den Fall München kenne ich ziemlich konkret, und die Zahl ist nicht 5000, sondern liegt um 100.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906000
Herr Abgeordneter Hinsken hat eine Zusatzfrage.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120906100
Herr Staatssekretär, sind denn Zahlen bekannt, wie viel zusätzliche Arbeitskräfte im Krankenpflegebereich erforderlich geworden sind, weil die wöchentliche Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 40 auf 38,5 Stunden herabgesetzt wurde?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hinsken, das ist eine sehr sachleitende Frage. Natürlich verschärft die Verkürzung der Arbeitszeit in den persönlichen Dienstleistungsbereichen, insbesondere in der Krankenpflege, aber auch in der Altenpflege, die Probleme ganz erheblich. Wir gehen davon aus, daß wir einen Bedarf von mehreren tausend auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht decken können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1120906300
Herr Staatssekretär, gibt es eine Vorstellung der Bundesregierung, wie lange die Arbeitsverträge der jugoslawischen Pflegekräfte befristet sein sollen?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Nein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906400
Dann rufe ich die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Hinsken auf:
Liegen der Bundesregierung erste Ergebnisse bzw. Erfahrungswerte der Verlängerung der Ladenschlußzeiten am Donnerstagabend vor, und teilt sie die negative Beurteilung des Einzelhandels?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hinsken, der Bundesregierung sind verschiedene Umfragen und Untersuchungen zur Einführung des Dienstleistungsabends im Einzelhandel bekannt, die zum einen von den Einzelhandelsverbänden bzw. in deren Auftrag, zum anderen auch von Meinungsforschungsinstituten durchgeführt worden sind. Diese bislang vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen nicht eine negative Beurteilung des Dienstleistungsabends.
Zieht man heute, sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, eine erste Bilanz, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß der Dienstleistungsabend so-



Parl. Staatssekretär Seehof er
wohl bei den Verbrauchern als auch beim Einzelhandel durchaus gut angekommen ist. Einer vom EmnidInstitut im Auftrag des „Spiegel" im November 1989 durchgeführten Umfrage zufolge begrüßen 66 % der Bundesbürger die Neuerung des Dienstleistungsabends. Die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, HDE, geht in einer Presseveröffentlichung vom 24. April 1990 davon aus, daß auch zukünftig mindestens ein Viertel aller Bundesbürger die Zeit am Dienstleistungsabend zum Einkauf nutzen wird. Dies ist ein Gleichzeitigkeitsfaktor, der nach den Erkenntnissen der HDE ansonsten nur noch am Samstag, vor allem am langen Samstag, erreicht wird. Auch die Beteiligungsquote der Einzelhandelsgeschäfte am Dienstleistungsabend liegt nach den vorliegenden Untersuchungen bei etwa 50 %,

(Andres [SPD]: Wird immer geringer!)

in den Innenstädten der Oberzentren auch darüber. Eine Umfrage der HDE bei verschiedenen Mitgliedsunternehmen in ausgewählten Städten hat ergeben, daß fast 30 % der am Dienstleistungsabend teilnehmenden Betriebe im Vergleich zu den Donnerstagen vor dem 5. Oktober 1989 einen deutlichen Mehrumsatz registrieren, weitere 25 % einen etwas höheren Umsatz. Für 45 % der Betriebe hat sich die Teilnahme vom Umsatzergebnis her nicht ausgewirkt.
Unabhängig von der Umsatzentwicklung am Dienstleistungsabend, die ohnehin erst am Jahresende verbindlich festgestellt werden kann, bestätigen fast alle Einzelhandelsbetriebe eine positive Erf ah-rung mit dem Dienstleistungsabend. Die Einkaufsatmosphäre am Dienstleistungsabend ist nach diesen Feststellungen ruhiger und lockerer als an anderen Tagen. Die Kunden geben sich in den Abendstunden freundlicher, aufgeschlossener und entwickeln mehr Freude am Einkaufen.

(Heiterkeit und Zurufe)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120906600
Herr Staatssekretär, so unterschiedlich ist die Welt: Die einen freuen sich über den langen Einkaufstag, die anderen sind darüber nicht erfreut, sondern zum Teil mit verärgert. Ich meine hier, daß auch Sie seitens der Bundesregierung doch von einer gespaltenen Beurteilung ausgehen müssen. Selbstverständlich ist es so, daß die SB-Warenhäuser und die Warenhäuser in Stadtkernen, in Stadtzentren davon profitieren; aber die übrigen Läden, ganz gleich, welcher Art, sind doch negativ betroffen; da stehen die Verkäufer in den Läden und können nichts umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb die Frage — zugleich eine Bitte — : Inwieweit wird der Aussage des Einzelhandels Rechnung getragen, daß der sogenannte lange Einkaufstag, der Donnerstag, auf die breite Masse von Geschäften bezogen, ein Bluff war?

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Gute Frage!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906700
Herr Staatssekretär, kann man darauf antworten?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich bestätige ausdrücklich, daß es eine gute Frage ist, Frau Präsidentin. Ich verweise darauf, daß wir das Pro und Contra des Dienstleistungsabends bei der Verabschiedung des Gesetzes hier ja sehr intensiv diskutiert haben und daß jetzt erst sechs Monate seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Dienstleistungsabend abgelaufen sind. Ich versuchte ja, in meiner Antwort in einer Zwischenzeile schon zum Ausdruck zu bringen, daß man zu einer abschließenden Beurteilung, insbesondere der Umsatzentwicklung und der Frage, ob wir eine Konzentration auf die Ballungsräume und hier wiederum auf die Einkaufszentren haben, wohl erst nach einem längeren Zeitablauf gelangen kann.
Im übrigen haben wir bei der Antwort sehr bewußt auf die Presseveröffentlichung des deutschen Einzelhandels Bezug genommen und daraus Formulierungen wortwörtlich übernommen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120906800
Herr Kollege Hinsken, haben Sie noch so eine schöne Frage?

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120906900
Herr Staatssekretär, Bezug nehmend darauf, daß es verschiedene kommunale Einheiten gibt, in denen sich zwischenzeitlich die Geschäftswelt darauf geeinigt hat, daß sie am Donnerstagabend nicht geöffnet hält, ist an Sie die Frage zu richten: Ist die Bundesregierung bereit, in den nächsten sechs Wochen auf Äußerungen positiver oder negativer Art diesbezüglich zu verzichten, bevor nach einem Jahr endgültig gesagt werden kann, es habe sich bewährt oder nicht bewährt, was gerade hier an Veränderungen noch vorgenommen wurde?

(Sehr gut! bei der SPD)

Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich möchte hier ganz bewußt eine Zusage für unser Haus machen, daß wir uns mit Äußerungen sehr zurückhalten; denn man kann nicht einerseits sagen, eine abschließende Bewertung sei erst nach längerem Zeitablauf möglich, im Zwischenergebnis jedoch schon ständig sagen, es habe sich bewährt oder habe sich nicht bewährt. Wir haben uns sehr um eine differenzierte Antwort bemüht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1120907100
Herr Staatssekretär, liegt nicht ein Widerspruch darin, daß Sie einerseits sagen, es sei bei einem bestimmten Prozentsatz von Einzelhandelsbetrieben zu einer Umsatzsteigerung gekommen, andererseits aber darauf verweisen, daß die Gesamtumsatzentwicklung erst am Ende des Jahres beurteilt werden könne?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich habe aus einer Umfrage, die nicht von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, ein Zwischenergebnis zitiert, habe aber hinzugefügt, daß wir die ganze Geschichte, was die Umsatzentwicklung betrifft, wohl erst Ende des Jahres beurteilen können. Wir haben also unsere eigene Aussage relativiert, wenn Sie so wollen.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1120907300
Herr Staatssekretär, meine eigene Erfahrung aus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover ist, daß im Kernbereich der Stadt die großen Warenhauskonzerne dieses Angebot nutzen, daß aber schon hundert Meter weiter in den Querstraßen die ganzen kleinen Läden in der Zwischenzeit zumachen und sich nicht mehr beteiligen. Führt das nicht dazu, daß man behaupten kann, dieses Gesetz über die Einführung des Dienstleistungsabends schädige insbesondere die Kleinbetriebe und den Mittelstand in diesem Bereich und führe zu weiterer Konzentration und Wettbewerbsverzerrung zugunsten der großen?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Erstens. Die Äußerungen, die Sie als Antwort auf die erste Frage gehört haben, sind ganz überwiegend Feststellungen des Einzelhandelsverbandes in seiner Presseerklärung.
Zweitens — ohne daß Sie das jetzt falsch verstehen — : In dem Moment, in dem ein Gesetzgeber in Ladenschlußregelungen eingreift, gibt es diese Verzerrungen. Wir haben die gleiche Erscheinung wie am langen Donnerstag z. B. auch am langen Samstag. Auch hier haben wir die Situation, daß bestimmte Geschäfte am langen Samstag teilnehmen und manche nicht. Auch hier haben wir in etwa die Aufteilung, wie wir sie jetzt beim Dienstleistungsabend erleben, nämlich zwischen Ballungsräumen, Einkaufszentren sowie großen Einkaufshäusern und kleineren Läden. Das hat sich am langen Samstag genauso entwickelt, ohne daß Sie jetzt daraus den Schluß ziehen dürfen, daß der Bundesarbeitsminister der Auffassung wäre, man müsse den Ladenschluß beseitigen, um dieses Problems Herr zu werden.
Aber ich verweise nur darauf: In dem Moment, in dem man reglementierend eingreift, gibt es diese Verzerrungen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907400
Frau Abgeordnete Rönsch, bitte.

Hannelore Rönsch (CDU):
Rede ID: ID1120907500
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß dieser Dienstleistungsabend der von uns allen doch gewünschten Beendigung der Verödung der Innenstädte dient und daß weit über den Einzelhandel hinaus z. B. auch die Gastronomie an diesem Dienstleistungsabend partizipiert?

(Andres [SPD]: Das sieht der Hinsken aber ganz anders!)

Seehofer, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, die Bundesregierung ist auch einmal in der Lage, mit einem Wort zu antworten. Ich sage ja.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907600
Danke schön.
Dann folgt jetzt Frau Abgeordnete Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120907700
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts Ihrer Zusage, daß Sie Ende des Jahres Berichte darüber erstellen wollen, wie die Erkenntnisse nach noch längerer Beobachtung des Dienstleistungsabends sind, mit einbeziehen, daß außer der
Konzentration von Außengebieten in den Kernraum der Städte auch eine Konzentration von den Mittelstädten in die Großstädte stattfindet und daß große Kaufhäuser drohen, aus Werbegemeinschaften auszutreten, wenn diese sagen, es habe sich nicht gelohnt, man sollte den Donnerstagabend wieder beenden?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907800
Bitte, Herr Staatssekretär.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, schon aus tiefem Respekt Ihnen gegenüber werden wir natürlich diese Argumente bei einer Zwischen- oder Abschlußbilanz mit einbeziehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120907900
Hervorragend. Herr Opel, bitte.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120908000
Herr Staatssekretär, welche Höhe des Prozentsatzes der Beteiligung von Einzelhandelsgeschäften müßte denn unterschritten sein, damit die Bundesregierung den Mißerfolg der Einführung des Dienstleistungsabends einräumt?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Das ist eine hypothetische Frage. Frau Präsidentin, darauf möchte ich nicht antworten.

(Opel [SPD]: Sie hatten aber doch selbst vorhin 50% genannt!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120908100
Sie wollen nicht auf hypothetische Fragen antworten, okay.
Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Hinsken auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Landes- bzw. Kommunalbehörden zwischenzeitlich einen Dienstleistungsabend eingeführt haben, oder kann sie wenigstens Schätzzahlen nennen?
Herr Hinsken, ist diese Frage durch die ganze Diskussion nicht schon beantwortet?

(Hinsken [CDU/CSU]: Nein, sie ist noch nicht beantwortet, Frau Präsidentin!)

Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich hatte auch noch keine Gelegenheit zu antworten.
Herr Kollege, die gesetzliche Empfehlung zur Einführung eines Dienstleistungsabends müßte auf die Dienststellen des Bundes beschränkt werden, weil dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz nur im Rahmen seiner Verwaltungsorganisation zusteht.
Über die Teilnahme am Dienstleistungsabend entscheiden die Behörden der Länder und Gemeinden vollkommen selbständig. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wieviel Behörden der Länder und Gemeinden sich am Dienstleistungsabend beteiligen. Sie ist auch nicht in der Lage, eine Beteiligungsquote zu schätzen.
Beachtet man aber insoweit die neuesten Umfragen der HDE, so ist festzustellen, daß sich Sparkassen, Banken, Versicherungen, Post und Behörden nur in geringem Maße am Dienstleistungsabend beteiligen.
Der Bundesregierung verbleibt insoweit nur die Möglichkeit, ihre bereits mehrfach an die Behörden der Länder und Gemeinden gerichteten Appelle zu



Parl. Staatssekretär Seehofer
wiederholen, sich der Sogwirkung eines erfolgreichen Dienstleistungsabends im Einzelhandel nicht zu entziehen und sich am Dienstleistungsabend zu beteiligen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120908200
Eine Zusatzfrage, Herr Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120908300
Danke, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, in welcher Art und Weise hat hier die Bundesregierung auf die einzelnen Kommunen und die Länder eingewirkt, nicht nur in Form von Appellen, sondern auch in Form von Aufforderungen, sich den Gegebenheiten anzunähern und einen Dienstleistungsabend, von dem ja immer die Rede war, einzuführen?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Es gibt da auch die Möglichkeit des auffordernden Appells, den wir ebenfalls ausgesprochen haben. Nur haben wir kein rechtliches Instrumentarium.
Ich glaube, das beste ist, wenn wir alle zusammen helfen und auch in den Bereichen, für die wir selbst Verantwortung tragen, mit gutem Beispiel vorangehen. So ist der Bundesarbeitsminister bis zum heutigen Tage immer bereit gewesen, einen langen Dienstleistungsabend bei sich im Hause zu praktizieren. Ich lade Sie ein, morgen davon Gebrauch zu machen.

(Andres [SPD]: Wir können uns beherrschen!)

Sie können bis zum Ende des Dienstleistungsabends bei uns jederzeit einen sachkundigen Beamten erreichen. Wir hoffen, daß dieses gute Beispiel im Zeitablauf auch von anderen übernommen wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120908400
Aber die Kommunen gehören ja nicht zur Kompetenz des Bundes.
Herr Kollege Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1120908500
Sie gehören aber zum Dienstleistungsbereich, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, weiter daran festzuhalten, daß vom Dienstleistungsabend und nicht vom Einkaufsabend gesprochen wird? Ich frage das deshalb, weil in der Zwischenzeit seitens der FDP Bestrebungen im Gange sind, den Einkaufsabend total zu liberalisieren, die Ladenschlußzeiten also freizugeben, so daß zu welcher Zeit auch immer eingekauft werden könnte.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Wir halten an dem Begriff und dem gewollten Inhalt des Dienstleistungsabends fest, wenngleich man ehrlicherweise zur Stunde einräumen muß, daß man nicht in allen Bereichen von einem Dienstleistungsabend reden kann, weil sich die Dienstleistungsbetriebe gerade im öffentlichen Bereich nur in einem sehr bescheidenen Maß beteiligt haben. Das habe ich zum Ausdruck gebracht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120908600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Opel.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120908700
Herr Staatssekretär, würden Sie zustimmen, daß es den Gesetzen der Logik widerspricht,
wenn Sie einerseits nicht einmal sagen können, wieviel Prozent der Verwaltung und Behörden und der Kommunen und der Länder sich am Dienstleistungsabend beteiligen, und andererseits behaupten, daß dieser ein Erfolg sei?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Ich bin in der Beantwortung der ersten Frage ganz konkret auf die Auswirkungen bezüglich des Einzelhandels eingegangen. In der zweiten Frage des Kollegen Hinsken sind die Behörden genannt worden. Bei den Behörden habe ich nicht von einem Erfolg gesprochen.

Manfred Opel (SPD):
Rede ID: ID1120908800
Ich bedanke mich sehr, daß Sie das nicht tun.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120908900
Zusatzfrage, Abgeordneter Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1120909000
Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen, daß in der Gesetzesvorlage nur unmittelbar auf bundeseigene oder dem Bund unterstellte Behörden Einfluß genommen werden kann. Können Sie darüber berichten, welche Auswirkungen die Einführung des Dienstleistungsabends beispielsweise in der Arbeitsverwaltung hatte und wie die Frequentierung der Arbeitsverwaltung insbesondere im ländlichen Raum in bezug auf den Dienstleistungsabend in den betroffenen Zeiten aussieht?
Ich finde es ehrenwert, daß Ihr Ministerium am Donnerstagabend geöffnet ist — das wird auch den Publikumsverkehr im Ministerium ungeheuer beflügeln — , aber das hat ja mit der eigentlichen Zielsetzung, der Belebung der Innenstädte, relativ wenig zu tun. Deswegen bin ich sehr gespannt, was Sie mir darauf jetzt antworten können.
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Sie vermengen jetzt etwas.
Erstens. Die Belebung der Innenstädte hat stattgefunden. Zum Teil wird ja gerade kritisiert, daß nur die Belebung der Innenstädte stattgefunden habe.
Zweitens. Sie wissen, daß die Arbeitsverwaltung schon vor der Einführung des Dienstleistungsabends verlängerte Öffnungszeiten hatte und daß die auch in Anspruch genommen wurden.

(Frau Steinhauer [SPD]: Bis 18 Uhr)

Drittens. Als sachkundiger Kollege des zuständigen Ausschusses wissen Sie, daß wir bei manchen Behörden die Selbstverwaltung und somit keine rechtliche Möglichkeit haben, solche Behörden zu zwingen. Die sind eben selbstverwaltet. Dazu zählt die Bundesanstalt für Arbeit, und dazu zählen — vorsorglich gleich genannt — natürlich auch die Rentenversicherungsträger. Sie wissen, wir haben keine Möglichkeit, der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragenen Selbstverwaltung hier etwas vorzuschreiben.
Ich würde mir wünschen, daß die gleichen Arbeitgeber, die von der Politik so gerne die Umsetzung des Dienstleistungsabends verlangen, in den dafür zuständigen Selbstverwaltungsgremien genauso auf geschlossen eintreten.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120909100
Letzte Zusatzfrage zu diesem Thema, Herr Abgeordneter Hoyer.

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1120909200
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß das vorschnelle Urteil, das hier über den Dienstleistungsabend in negativer Hinsicht abgegeben wird oder die etwas schiefe Wahrnehmung seines Erfolges darauf zurückzuführen ist, daß der Deutsche Bundestag donnerstags abends nie um 20.30 Uhr fertig ist und die Kollegen deshalb offensichtlich über ihr Bemühen hinaus, den Dienstleistungsabend zu boykottieren, überhaupt nicht die Gelegenheit haben, einmal persönlich Erfahrungen zu sammeln?
Seehofer, Parl. Staatssekretär: Wir haben heute offensichtlich eine sehr qualifizierte Fragestunde erreicht, denn auch hier kann ich nur uneingeschränkt ja sagen. Dabei möchte ich betonen: Die Bundesregierung hat hier kein negatives Bild des Dienstleistungsabends gezeichnet. Wir haben ein sehr differenziertes Bild gezeichnet.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120909300
Danke sehr, Herr Staatssekretär, für diese erschöpfenden Antworten.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Wimmer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Toetemeyer auf:
Wird die Bundesregierung im Zuge des Abtransports der amerikanischen C-Waffen aus der Pfalz zur Nordsee die an der Fahrtroute liegenden Städte über den Zeitpunkt und den Transportweg informieren, und sind Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung, die über den bloßen Polizeischutz hinausgehen, geplant?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1120909400
Herr Kollege Toetemeyer, alle Planungen und Vorsorgemaßnahmen sind eng mit den betroffenen Ländern abgestimmt. Die Länder sind umfassend über die geplanten Abtransporte einschließlich der Planungen zu Transportwegen und -zeiten informiert. Eine rechtzeitige Information aller zuständigen Behörden, also auch jener der an den möglichen Fahrtrouten liegenden Städte, in den Ländern ist daher sichergestellt.
Über den Polizeischutz hinaus werden u. a. folgende Schutzmaßnahmen einen sicheren Abtransport gewährleisten:
Erstens doppelte Verpackung der zu transportierenden Munition; zweitens strengste Sicherheitsauflagen für die Beförderungsmittel; drittens eine Vielzahl von verkehrstechnischen Vorsorgemaßnahmen; viertens Einrichtung von Gebieten mit Flugbeschränkungen über Lager- und Umschlagorten sowie Transportstrecken; fünftens Transportbegleitung durch speziell ausgebildetes und ausgestattetes Personal.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120909500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer.

Hans-Günther Toetemeyer (SPD):
Rede ID: ID1120909600
Im Interesse der Verantwortung meiner Frage 14 verzichte ich auf Zusatzfragen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120909700
Ich rufe daher jetzt die Frage 14 des Abgeordneten Toetemeyer auf:
Ist für die Transporte ein Warnsystem oder sind Vorkehrungen für eine eventuelle Evakuierung der Bevölkerung vorgesehen, und ist Kontakt mit den Trägern der Krankenhäuser, die am Transportweg liegen, aufgenommen worden, um festzustellen, ob diese im Eventualfall mit genügend Pflegepersonal und Intensivbetten ausgerüstet sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Wimmer, Parl. Staatssekretär: Alle Planungen zur Vorbereitung des Abzugs der chemischen Munition sind eng mit den betroffenen Ländern abgestimmt. Durch eindeutige Regelungen der Zusammenarbeit ist sichergestellt, daß auch unwahrscheinlichen, aber gedanklich nicht völlig auszuschließenden Gefahrensituationen wirksam begegnet werden kann und ein koordiniertes unmittelbares Eingreifen von Kräften der amerikanischen und der deutschen Streitkräfte, der zuständigen Polizeien sowie der entsprechend zuständigen Landes- und Kommunalbehörden gewährleistet ist.
Die zuständigen Behörden werden ständig über die Transporte informiert sein. Sie können daher alle ihnen übertragenen Aufgaben auch auf dem Gebiet des Gesundheitswesens auf der Grundlage der bestehenden Planungen wahrnehmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120909800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer? — Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Dr. Kübler, die Frage 17 des Abgeordneten Büchler (Hof) und die Frage 18 des Abgeordneten Hiller (Lübeck) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Wüppesahl werden nicht beantwortet, weil er nicht anwesend ist.
Ich rufe die Frage 21 der Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Wird die Deutsche Bundesbahn im Jahre 1990 alle vorhandenen Ausbildungsplätze besetzen, und wie sieht dies konkret für das Bahnbetriebswerk Siegen aus?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1120909900
Frau Kollegin, die Deutsche Bundesbahn wird auch in diesem Jahr alle 2 500 Ausbildungsplätze, die sie zur Deckung ihres eigenen Bedarfs benötigt, mit Nachwuchskräften zu besetzen versuchen. In Anbetracht des deutlichen Rückgangs der Nachfrage nach Lehrstellen ist aber noch nicht sicher, ob dies gelingt. Beim Bahnbetriebswerk Siegen sollen im Herbst 1990 zwölf Plätze im Ausbildungsberuf „Industriemechaniker" besetzt werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910000
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120910100
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, es sei fraglich, ob es gelinge, alle Plätze zu besetzen. Ich bin als Mitglied des Verwal-



Frau Steinhauer
tungsausschusses beim Arbeitsamt über die Zahl der zugewiesenen Bewerber im Bereich der Bundesbahn Siegen unterrichtet. Es sind 66 zugewiesen. Nur zwölf haben Sie eingestellt, während Sie etwa 40 Stellen haben. Wie können Sie mir die Diskrepanz erklären? Und meinen Sie nicht, daß Sie dem Fachkräftemangel auch durch Ausbildung von qualifizierten jungen Leuten entgegenwirken müssen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, in Siegen werden nur diese zwölf Leute gebraucht. Würden darüber hinaus zusätzliche junge Menschen eingestellt, so träte die Deutsche Bundesbahn über eine staatliche Förderung in Konkurrenz mit Wirtschaft, Gewerbe und Handwerk. Dies ist nicht erwünscht. Deswegen gibt es diese Ausbildungsprogramme, wie früher gehabt, nicht mehr. Wir haben jetzt andere Geburtenzahlen der Jahrgänge, die im Ausbildungsalter sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910200
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120910300
Herr Staatssekretär, ich unterstreiche, daß es problematisch ist, über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Aber die Bundesbahn wirbt nach wie vor um Fachkräfte. Um Lokomotivführer werden zu können, muß man z. B. Elektroanlagenmechaniker sein oder einen anderen Beruf haben. Schon dafür würden, soweit ich unterrichtet bin, über jene zwölf hinaus Fachkräfte benötigt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910400
Ich wäre dankbar, wenn Sie zur Frage kämen, Frau Abgeordnete.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120910500
Abgesehen davon: Meinen Sie nicht, daß wie alle anderen Arbeitgeber auch der Bund als Arbeitgeber in dieser Zeit entsprechend qualifizieren muß, um z. B. im Jahr 1995 Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, und zwar nicht nur im eigenen Bereich, sondern auch anderswo?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, nach Angaben der Deutschen Bundesbahn besteht bei der Dienststelle Siegen über die zwölf genannten Lehrstellen hinaus kein Eigenbedarf. Im übrigen verweise ich auf das, was ich vorher gesagt habe: Der Staat würde mit einer Förderung der Deutschen Bundesbahn in Konkurrenz zur freien Wirtschaft treten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.

Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1120910700
Herr Staatssekretär, bekanntermaßen verfügt die Deutsche Bundesbahn über hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten. Halten Sie es nicht auch für völlig verrückt, daß bei dem allgemeinen Gejammere um den angeblichen Facharbeiterfehlbestand die Bundesbahn sich auf eine solche Position zurückzieht, wie Sie sie hier geschildert haben?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn ist im Augenblick nicht einmal sicher, ob der Eigenbedarf gedeckt werden kann. Insofern haben sich also die äußeren Daten völlig gewandelt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 der Abgeordneten Frau Steinhauer auf:
Wie ist es — falls die Deutsche Bundesbahn nicht alle zur Verfügung stehenden Ausbildungskapazitäten ausnutzt — in Einklang zu bringen mit den Bemühungen um eine zukunftsorientierte berufliche Qualifikation und Facharbeiterausbildung?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Deutsche Bundesbahn will auch in den kommendenJahren ihre qualitativ hochwertige Ausbildung von Facharbeitern fortsetzen und jährlich rund 2 500 Ausbildungsplätze im gewerblich-technischen Bereich anbieten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120910900
Eine Zusatzfrage, Frau Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120911000
Herr Staatssekretär, ich frage noch einmal: Meinen Sie nicht, daß es auch volkswirtschaftlich unverantwortlich ist, gute Ausbildungsplätze eingehen zu lassen und auf der anderen Seite über Mangel an Fachkräften zu klagen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, zunächst einmal haben wir Mangel an jungen Leuten, die in diesem Jahr bereit wären, eine solche Lehrstelle anzutreten.

(Frau Steinhauer [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Dies hat die Bundesregierung dazu geführt, die alten Fördermaßnahmen, etwa Lehrstellen bei der Post oder bei der Bahn zu subventionieren, einzustellen. Darüber gibt es einen Kabinettsbeschluß, wie Sie wissen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120911100
Die letzte Zusatzfrage, da wir am Ende der Fragestunde sind.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1120911200
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß auch in dieser Zeit Ausbildungsplätze subventioniert werden sollten, wie es jeder Unternehmer tut und wie es die Bundesbahn als Unternehmer ebenfalls tun sollte? Mir ist bekannt, daß sich gerade Mädchen um eine technische Ausbildung bei der Bundesbahn bewerben. Haben Sie da nicht auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich weiß, was Ausbildung kostet; sie kostet auch die freie Wirtschaft Geld. Die freie Wirtschaft aber ist bereit und in der Lage, den Bewerbern im Augenblick einen Ausbildungsplatz zu gewährleisten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120911300
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, die Fragestunde ist damit beendet. — Danke Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Zusatztagesordnungspunkt: Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zur Verbesserung des Mieterschutzes im Hinblick auf die wachsende Wohnungsnot
Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde verlangt.



Vizepräsidentin Renger
Ich eröffne die Aussprache dazu. Das Wort hat Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1120911400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn des Jahres 1990 fehlten in der Bundesrepublik nach der untersten Schätzung eine Million und nach der obersten Schätzung 1,7 Millionen Wohnungen. Der Bedarf steigt jährlich um weitere 200 000 bis 300 000 Wohnungen; die zukünftigen Aus- und Übersiedler sind dabei nicht eingerechnet. Ohne den Neubau von Wohnungen würde der Wohnungsbedarf bis Ende 1992 auf 1,6 Millionen — das ist die Untergrenze — bis 2,5 Millionen — das ist die Obergrenze — steigen.
1988 wurden 208 000 neue Wohnungen gebaut. Das war der Tiefstand seit 1949, Frau Ministerin. 1989 waren es 240 000 neue Wohnungen, 1990 werden es hoffentlich 280 000 Wohnungen sein.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: 300 000!)

— Das sind Bruttozahlen, Herr Dr. Kansy, von denen wir die 60 000 Wohnungen abrechnen müssen, die in jedem Jahr durch Abriß, Umnutzung oder Zusammenlegung verlorengehen.
Die Bauministerin hat bis Ende 1992 1 Million neue Wohnungen versprochen. Nicht Baugenehmigungen, Frau Ministerin, neue Wohnungen haben Sie versprochen. In Baugenehmigungen kann man nicht wohnen. An diese Zahl werden wir Sie häufig erinnern; denn mit Ihrer unzureichenden Politik werden Sie diese Zahl nicht schaffen. Das sind nur Wahlkampfversprechungen, die Sie nicht einhalten können. Aber selbst wenn es gelänge, die Million zu erreichen, die Sie versprochen haben, hätten wir Ende 1992 immer noch einen offenen Bedarf von zwischen 600 000 und 1,5 Millionen Wohnungen.
Im Klartext: Ihre achtjährige Wohnungspolitik, Ihr achtjähriges Versagen wird bis tief in die 90er Jahre hinein in der Bundesrepublik Wohnungsbedarf, in vielen Fällen Wohnungsnot, erzeugt haben. Darüber helfen alles Gerede, alle Versprechungen nicht hinweg.

(Müntefering [SPD]: Leider wahr!)

Nun trifft die Wohnungsnot nicht nur Menschen, die eine Wohnung suchen, sie betrifft vor allem Mieter, die dem Druck steigender Mieten und der Kündigungsdrohung ausgesetzt sind. Wir fragen: Was tun Sie dagegen? Seit Sie regieren, steigen die Mieten schneller als die Löhne, steigen die Mieten schneller als die Preise. Jetzt explodieren die Mieten, und viele Menschen sind in ihren Lebensumständen existentiell von den Folgen Ihrer Wohnungspolitik betroffen. Was macht die Regierung? Was tut sie zum Schutz der Mieter? Nichts!
Wir haben an diesem Pult seit Jahren immer wieder gefordert, Bestandspolitik, Mieterschutz und Neubaupolitik miteinander zu verbinden. Sie haben das abgelehnt. Sie haben jede Änderung im Mietrecht abgelehnt, seitdem Sie 1982 das Mietrecht gelockert haben. Sie sind auch jetzt nicht willens, am Mietrecht etwas zu ändern.
Die FDP sagt eiskalt, sie wolle diese Mietsteigerungen.

(Grünbeck [FDP]: Warmherzig!)

— Warmherzig wollen Sie das, warmherzig für die Leute, die dabei kassieren. Sie selber haben diesen Wohnungsmangel zielbewußt mit herbeigeführt, um die Mieten heraufsetzen zu können.

(Dr. Hitschler [FDP]: Sie haben das gemacht!)

Die CSU macht vage Versprechungen. Im OB-Wahlkampf in München hat der Sprecher der Bundesregierung versprochen, die Mieten würden nicht mehr so schnell steigen. Auch von Ihnen, Frau Ministerin, lesen wir freundliche Worte. Aber umgesetzt wird nichts. Die Union hat für die Sorgen der Menschen keinen Blick mehr. Ihr Blick ist offensichtlich durch die nationale Besoffenheit so getrübt, daß Sie nicht mehr wahrnehmen was in diesem Land an Wohnungsnot vorhanden ist.

(Beifall der Abg. Frau Teubner [GRÜNE] — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Na, na, na! — Geis [CDU/CSU]: Das muß doch nicht sein!)

Wir fordern Sie auf: Begrenzen Sie den Anstieg der Mieten statt heute 10 % im Jahr auf maximal 5 % im Jahr, und lassen Sie uns das schnell machen! Begrenzen Sie den Mietanstieg bei Wiedervermietung auf maximal 10 % über der örtlichen Vergleichsmiete. Schieben Sie das nicht hinaus, sondern machen Sie das schnell! Regeln Sie die Vergleichsmiete so, daß nicht nur die teuren Wohnungen der letzten Jahre, sondern auch die Wohnungen, die in den letzten 10 Jahren vermietet worden sind, in die Vergleichsmiete eingerechnet werden!
Frau Ministerin, ich lese von Ihnen freundliche Presseerklärungen, die alle in diese Richtung gehen. Schauen Sie, daß Sie in Ihrer Koalition dafür eine Mehrheit bekommen! Wir werden noch vor der Sommerpause entsprechende Anträge einbringen. Dann kommt es zum Schwur, und der Öffentlichkeit wird dann deutlich, wer hier Sprüche macht und wer wirklich etwas für die Mieter tun will.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120911500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kansy.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1120911600
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Aktuelle Stunden sollten eigentlich aktuell sein. Obwohl es natürlich wichtig ist, immer wieder die Meinung der Bundesregierung zum Wohnungsbau und zum Mieterschutz zu erfragen, Herr Kollege Conradi, hätten Sie heute doch vielleicht eine Aktuelle Stunde zum skandalösen Verhalten Ihrer Genossen im DGB und in der Neuen Heimat beim Verkauf von 33 000 Wohnungen in Bayern machen sollen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)




Dr.-Ing. Kansy
Sie legen hier solche moralischen Maßstäbe an, und wenn es dann konkret wird, wird knallhart anders gehandelt,

(Geis [CDU/CSU]: Wenn es zum Schwur kommt!)

wie beim pauschal beschimpften Wohnungsvermieter.

(Grünbeck [FDP]: Eiskalt! — Reschke [SPD]: Die Gemeinnützigkeit haben Sie doch aufgehoben, nicht wir!)

— Ich weiß, daß es weh tut, Herr Reschke, aber ich kann es nicht ändern. Sie müssen sich bei Herrn Matthöfer beschweren, doch nicht bei mir.

(Reschke [SPD]: Es tut weh, Ihnen zuzuhören, immer wieder!)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben im letzten Jahr mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel auf die veränderte Situation am Wohnungsmarkt reagiert. Wir haben das hier oft besprochen; ich kann das in dieser Aktuellen Stunde nicht wiederholen. Es braucht natürlich — zugegebenermaßen, Herr Conrade: — ein, zwei, drei Jahre Zeit, um diese auseinanderklaffende Schere wieder zu schließen.
Aber wir haben das gemacht, weil nämlich der beste Mieterschutz ausreichende Wohnungen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Statt sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, nach den Gründen zu suchen — die wir alle kennen — und die Situation zu überwinden, kommen Sie mit Ihrer Leier der Polemik jeden Monat wieder. Sie sollten sich eingestehen, daß wir uns alle geirrt haben, Bund, Länder und Gemeinden.

(Widerspruch bei der SPD)

-- Die stärkste Reduzierung — vielleicht hört der eine oder andere in Nordrhein-Westfalen zu — des sozialen Wohnungsbaus ist von Herrn Rau 1982 eingeleitet worden — in Nordrhein-Westfalen — , wo er von 1,7 Milliarden DM für Förderungsmittel auf 0,6 Milliarden DM herunterging. Allein 1 Milliarde der fehlenden Mittel sind in Nordrhein-Westfalen gestrichen worden.

(Müntefering [SPD]: Keine Ahnung!)

Ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf. Wir haben uns alle geirrt, auch die Wissenschaft hat sich geirrt. Wir sollten jetzt nach Wegen suchen und keine billige Polemik machen.

(Müntefering [SPD]: Sie haben keine Ahnung, Herr Kansy, das ist das Problem!)

Natürlich sind in einer solchen schwierigen Situation insbesondere einkommensschwächere Gruppen von den Schwierigkeiten betroffen. Deswegen ist es unsere Pflicht, abzuwägen zwischen der Wohnung als einem wichtigen, hohen Sozialgut auf der einen Seite und der Wohnung als einem teuren Investitionsgut auf der anderen Seite, das im übrigen zu mehr als 90 % mit privaten Geldern erstellt wird, trotz aller unserer Anstrengungen.
Nun haben sich in den letzten Tagen und Wochen viele — das Berliner Abgeordnetenhaus, die Bauministerkonferenz der Länder, auch Frau Minister Hasselfeldt, manche Parteien usw. — überlegt: Wägen wir eigentlich noch zwischen Sozialgut und Investitionsgut so ab, daß wir sowohl genügend Wohnungen bekommen als auch soziale Spannung möglichst vermeiden?
Darüber wird zu diskutieren sein. Wenn die Bauminister der Länder das von uns wünschen, werden wir uns als Parlament diesem Auftrag nicht versagen.

(Müntefering [SPD]: Sehr mutig!)

Aber eines muß ich auch sagen: Es gilt, abzuwägen und nicht populistische Forderungen zu stellen. Es werden zu Recht auch starke Bedenken aus der Wohnungswirtschaft vorgetragen, daß Beschränkungen zusätzlich zu dem derzeit durchaus vorhandenen Mieterschutz zwar sicherlich die Mieter noch ein Stückchen besser schützen, dadurch aber der Neubau von Wohnungen insgesamt zurückgeht. Wenn dies so wäre — das werden wir abzuwägen haben —, wäre das natürlich ein Pyrrhussieg, ein Feuerwerk, das nichts bringt. Deswegen bitte ich alle Seiten um Besonnenheit. Es geht nicht darum, populistische Forderungen durchzusetzen. Es geht auch nicht grundsätzlich darum, nein zu sagen, weil man schon immer nein gesagt hat, sondern es geht darum, eine Abwägung derart zu treffen, daß wir unserer Verantwortung gerecht werden.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120911700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Teubner.

Maria Luise Teubner (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120911800
Frau Präsidentin! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Frau Ministerin, ich hoffe ich nehme nichts von Ihrer heutigen Rede vorweg, wenn ich etwas aus Ihrer Rede von vorgestern zitiere. „Vorgestern" meine ich nicht im übertragenen Sinne, sondern ich meine Ihre Rede von Montag, dem 7. Mai. Dort haben Sie auf einer Veranstaltung gesagt:
Der noch bestehende Wohnungsmangel, vor allem in den Ballungsregionen, verschärft die sozialen Probleme. Er ist verantwortlich dafür, daß gerade dort die Mieten immer stärker und immer schneller steigen. Die Zahl der Haushalte, die die hohen Mietsteigerungen nicht mehr verkraften können, nimmt sprunghaft zu. Eine sozial verantwortungsbewußte Wohnungspolitik kann diese Situation nicht einfach übergehen.

(Zustimmung bei der SPD) Der Grundsatz

— immer noch Zitat Frau Hasselfeldt —
nicht an den bestehenden mietrechtlichen Rahmenbedingungen hin- und herzudrehen, kann nicht mehr gelten, sobald immer mehr Mieter trotz Wohngeld über für sie nicht mehr tragbare Belastungsgrenzen hinausgedrängt werden.
Frau Hasselfeldt ist endlich aufgewacht. Die Frage ist: Wo bleibt die Praxis aus dieser Erleuchtung? Sie haben endlich völlig richtig festgestellt — Herr Kansy hat eben zum Teil auch darauf hingewiesen — : Sie haben zwar umfangreiche Maßnahmen beschlossen,



Frau Teubner
aber sie greifen natürlich nicht so schnell, wie das Wohnungsproblem es erfordert.
Die GRÜNEN haben schon lange, während der ganzen Wahlperiode, darauf hingewiesen, daß die Wohnungsnot besteht, daß durch die bestehende Wohnungsnot sich auch eine Verschärfung für die Lage der Mieterinnen und Mieter ergeben hat, und zwar durch extreme Mietsteigerungen.

(Dr. Knabe [GRÜNE]: Ganz klar!)

Wir haben im vergangenen Jahr darauf reagiert, indem wir am 18. Mai 1989 einen Gesetzentwurf zur Begrenzung des Mietpreisanstiegs eingebracht ha- ben. Die erste Lesung dazu war hier am 5. Oktober 1989. Wir haben heute im Bauausschuß diesen Gesetzentwurf abschließend beraten. Er enthält einen Teil haargenau jener Forderungen, auf die Frau Hasselfeldt sich jetzt endlich auch hat einlassen wollen. Kann sie es heute noch, nachdem ihr natürlich von allen Seiten in die Parade gefahren wurde?
Zum Beispiel haben wir damals schon gefordert — das haben wir heute im Bauausschuß wieder eingebracht — , mögliche Mieterhöhungen von derzeit 30 auf 15 % zu begrenzen; die neuen Mieten auf die ortsüblichen Vergleichsmieten zu begrenzen und bei Ermittlung der Vergleichsmieten künftig nicht mehr die besonders teuren Mieten der letzten drei Jahre, sondern alle Mieten der vergangenen Jahre zu berücksichtigen.

(Zustimmung des Abg. Dr. Knabe [GRÜNE])

Diese Forderung haben wir heute im Zusammenhang mit unserem Gesetzentwurf zur Abstimmung gestellt. Beide Koalitionsfraktionen und auch die SPD hätten die Gelegenheit gehabt, diese Forderungen, zumindest die wesentlichen Forderungen, hier herauszunehmen. Wir hätten zumindest darüber heute abstimmen können, damit endlich etwas in Richtung Mieterschutz geschieht; denn ganz offensichtlich ist es ja so — —

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Wir haben angeboten, darüber zu diskutieren!)

— Wir wollten das heute abgestimmt haben; Sie wollten vertagen.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Sie haben die Ablehnung provoziert!)

Sie wollen immer weiter vertagen, noch mal überlegen und noch mal beraten. Ich habe eben gesagt: Der Gesetzentwurf ist lange bekannt. Sie hätten sich darüber seit langem ein Urteil bilden können. Die Situation ist bekannt. Es geht nicht an, jetzt noch weiter zu verzögern.
Wenn Sie, Frau Hasselfeldt, im Zusammenhang mit der Neuen Heimat in München jetzt fordern, daß zu den drängenden Fragen des notwendigen Mieterschutzes Stellung genommen werden muß, heißt das doch nur ganz deutlich, daß Sie sich selber nicht sicher sind, daß der Mieterschutz, den wir in diesem Lande haben, ausreicht, daß Sie also selber Bedenken haben, ob das, was wir hier haben, für die Betroffenen der Neuen Heimat — aber generell gilt das natürlich für alle Mieterinnen und Mieter — ausreichend ist; das muß auf jeden Fall verbessert werden. Der Fall in München ist nur ein Beispiel dafür. Ich finde es ein bißchen widersprüchlich, aber gleichzeitig ziemlich entlarvend, wenn Sie in diesem Fall sagen, dem Herrn — wie heißt er? —,

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Der Verkäufer ist wichtiger als der Käufer!)

dem Käufer, der diesen Deal gemacht hat, könne man nicht glauben, wenn er Versicherungen abgibt, der Mieterschutz sei gesichert. Ich glaube wohl, daß man dem nicht glauben kann; denn der Mieterschutz, so wie er bei uns besteht, ist nicht ausreichend.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dafür kann man sich wirklich nichts kaufen; darauf kann man sich wirklich nicht verlassen. Heute hätte die Gelegenheit dazu bestanden, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Diese Gelegenheit ist vergeben worden. Ich kann daraus nur den Schluß ziehen, daß die Äußerungen der Ministerin, wie sie in Bayern in den letzten Tagen zu hören waren, ausschließlich im Zusammenhang mit dem Wahlkampf zu interpretieren sind. Wie die Praxis aussieht, wird man heute sehen. Man wird vielleicht ein deutliches Wort von ihr hören.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120911900
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID1120912000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Mieten explodieren. Der Wohnungsmangel wird immer drückender. Alle Möglichkeiten zur Mieterhöhung werden bis zur äußersten Grenze ausgeschöpft.

(Conradi [SPD]: Wohl wahr!)

Der Druck auf die Mieter wird immer größer. Hemmungslos wird die Marktlage — man sollte besser sagen: die Notlage — beim Wechsel der Mieter ausgenutzt. Frau Hasselfeldt spricht in diesem Zusammenhang von preistreibendem Mietenanstieg.
Aber wir wollen nicht nur allgemeine Feststellungen treffen. Der Ring Deutscher Makler hat in einer Marktuntersuchung von Anfang dieses Jahres festgestellt, daß bei Neuvermietungen von Wohnungen in mittlerer Wohnlage mit mittlerem Komfort in Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern der Mietenanstieg innerhalb eines Jahres durchschnittlich oberhalb von 10 % liegt; in Bremen und Hannover bei mehr als 20 %; in Hamburg und Stuttgart bei mehr als 30 %. In den wirtschaftlich zentralen Städten Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt, um nur einige zu nennen, liegt der durchschnittliche Mietpreis zur Zeit bei über 13 DM pro Quadratmeter; ein Anstieg um rund 20 % gegenüber dem Vorjahr.
Aber die Mietsteigerungen sind nicht nur auf wirtschaftsstarke Ballungszentren beschränkt. In der Zeitschrift „DM" vom Mai finden Sie eine bemerkenswerte Aufstellung über Preissprünge bei Mietwechsel: in Bonn 30 % vom Frühjahr 1989 bis zum Frühjahr 1990, also innerhalb eines Jahres; in Braunschweig 20 %; in Bremen 24 %; in Hamburg 33 %; in Oldenburg 33 %; in München 11 % , aber das heißt in nack-



Jahn (Marburg)

ten Zahlen: von 13,60 DM auf 15,15 DM pro Quadratmeter.
Diese Entwicklung kann auf die Dauer nicht so hingenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie ist die Folge einer Wohnungspolitik, die Sie seit 1982 betrieben haben. Ich muß Sie daran erinnern: Wir haben damals gewarnt und vorausgesagt, daß die Vergleichsmiete unter Ihrem Gesetz ihre soziale Schutzfunktion verliert. Damals haben Sie mir maßlose Übertreibung vorgeworfen; Anstiftung zum Unfrieden im Lande, so haben Sie vollmundig getönt. Jetzt haben wir die Situation genau so, wie sie damals beschrieben worden ist.
Heute sagt die von Ihnen gestellte Bundesbauministerin: Die Mieten sind am Rande des Unbezahlbaren; die Mieten müßten gebremst werden. Sie hat zu Recht auf dem Deutschen Mietertag vor einem knappen Jahr in Düsseldorf gesagt: Der Druck muß von den Mietern genommen werden. Heute stellt sie mit Recht die Frage: Wie können wir den Mieterschutz stärken? Der bayerische Innenminister fordert mietrechtliche Maßnahmen, um den Anstieg der Mieten besser in den Griff zu bekommen. Münchens CSU-Vorsitzender Gauweiler fordert massive Dämpfungsmaßnahmen. Was in Bayern gedacht wird, geht — niemand kann es bestreiten; wenn sie recht haben, haben sie recht — in die richtige Richtung. Die Arbeitsgemeinschaft der Bauminister hat am 4. Mai einen Forderungskatalog aufgestellt, der nicht nur des Nachdenkens wert ist, Herr Kansy, sondern aus dem nun auch etwas gemacht werden muß, nämlich die Begrenzung der Mieterhöhung bei Neuvermietung auf 10 % der Vergleichsmiete, die Herabsetzung der Kappungsgrenze im Bestand von 30 % in drei Jahren auf 10 % bis 15 % , Verschärfung des Wucherparagraphen, neue Maßstäbe für die Vergleichsmiete. Mein Kollege Conradi hat gesagt: mindestens die letzten zehn Jahre. Besser wäre noch, wenn Sie den Zustand vor dem 31. Dezember 1982 wieder herbringen würden.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage: Wann werden alle diese guten Gedanken aus der Mitte der CSU in der Koalition so diskutiert, daß sie mehrheitsfähig werden, und Mieterschutz in diesem Lande wiederhergestellt wird?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Geis [CDU/CSU]: Welches Lob für die CSU!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120912100
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

(Frau Teubner [GRÜNE]: Der Bremser! — Müntefering [SPD]: Jetzt kommt der, der es zu sagen hat!)


Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID1120912200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müntefering, ich weiß nicht, ob es so ist. Es würde mir schmeicheln. Aber ich glaube, es ist nicht so.
Meine Damen und Herren, die Philosophie dieser Bundesregierung ist es, auf der Grundlage unseres bewährten sozialen Mietrechts Probleme bei der Versorgung und beim Mietpreisanstieg durch eine Vermehrung des Angebots in den Griff zu bekommen. Das ist der einzig vernünftige marktwirtschaftliche Ansatz, den es gibt.

(Beifall bei der FDP)

Insofern ist eine ganze Menge getan worden, was überhaupt noch nicht wirken konnte oder gerade erst zu wirken beginnt.

(Menzel [SPD]: Seit 1982 nicht!)

Von daher erscheint es uns nicht hundertprozentiger Verantwortung zu entsprechen, wenn man erneut Panikmache in diesem hochsensiblen Bereich betreibt.

(Conradi [SPD]: Um Gottes Willen! — Frau Teubner [GRÜNE]: Mieterschutz kann sofort wirken!)

Meine Damen und Herren, die Versorgungsprobleme und die Mietpreisanstiege haben wir insbesondere in Ballungsgebieten und nicht im ländlichen Raum oder in den kleinen oder mittleren Städten, dort nur in sehr begrenztem Umfang. Wenn man sich die Genehmigungsziffern auf Grund der neuen Maßnahmen anschaut, stellt man zwischen kleinen und mittleren Städten und ländlichem Raum und den Ballungsgebieten ein Verhältnis von 2: 1 fest. Das zeigt sehr deutlich, daß die Probleme in den Ballungsgebieten liegen und nicht beim Bundesgesetzgeber, Herr Jahn.

(Lachen bei der SPD — Jahn [Marburg] [SPD]: Herr Gattermann, nehmen Sie die Zahlen zur Kenntnis!)

Jetzt soll wieder einmal Bonn die Fehler reparieren, die andernorts gemacht worden sind. Das ist die Lage.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Conradi [SPD]: Das ist eine Frechheit gegen über den Städten! — Müntefering [SPD]: Rommel! — Menzel [SPD]: Die Flucht aus der Verantwortung!)

Meine Damen und Herren, es stimmt mehr als nachdenklich, wenn der mögliche Ausbau von 30 000 Dachgeschoßwohnungen in München erst jetzt von der Regierung von Oberbayern erzwungen werden muß.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Seien Sie ein bißchen höflicher zu Ihrer Ministerin!)

Es stimmt mehr als nachdenklich, wenn man aus vielen Städten hört, daß der mögliche Ausbau von vorhandener Gebäudesubstanz für Wohnzwecke am starren Festhalten an Stellplatzverordnungen scheitert. Es stimmt auch nachdenklich, wenn in einer solchen Situation das Bauerleichterungsgesetz im Bundesrat einschließlich der bayerischen Stimmführerschaft aufgehalten wird.

(Müntefering [SPD]: Mit der! — Jahn [Marburg] [SPD]: Aufgehalten und verbessert wird!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn jeder Bürger in unserer Republik einen halben Quadratmeter mehr Wohnfläche beansprucht — in den letzten zwölf Jahren waren es ungefähr zehn pro



Gattermann
Kopf — , dann kostet das rund 60 Milliarden DM. Der Anteil der öffentlichen Gelder am Finanzierungsvolumen in diesem Sektor macht knapp ein Zehntel aus. Das heißt für denjenigen, der das weiß, daß jede Diskussion und jedes Drehen an den Rahmenbedingungen, die die privaten Investoren verscheuchen, unverantwortlich sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Conradi [SPD]: Weiter so!)

Meine Damen und Herren, es nimmt überhaupt nicht wunder, daß in einer solchen Lage wieder einmal das Mietrecht herhalten soll. Aber jeder weiß, daß mit dem Mietrecht keine einzige zusätzliche Wohnung geschaffen wird. Jeder weiß, daß jeder Mietpreisstopp mehr oder weniger elegant verkleidet in diesem Bereich die Altsassen schützt und zu Lasten derjenigen geht, die draußen vor der Tür stehen und eine Wohnung suchen und sie nicht finden können.

(Müntefering [SPD]: Was sagen Sie zu dem Vorschlag von Frau Hasselfeldt?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die ganz große Mehrheit aller Mietverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ist in Ordnung. Die Vermieter werden hier dargestellt als eine Horde von abkassierenden, mittels Wucherparagraphen zu bestrafenden Mitbürgern. Das sind diejenigen, die überhaupt erst für die Wohnungsversorgung unserer Bevölkerung sorgen.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Ich habe das nicht gesagt! Sie führen solche Begriffe hier ein! — Roth [SPD]: Das war eine blanke Fälschung! Wie gediegen Herr Jahn ein ernstes Problem angeht, daran können Sie sich ein Beispiel nehmen, Sie kleiner Demagoge!)

— Können Sie nicht ein einziges Mal mit Ihrem Geschrei aufhören? Können wir uns darauf verständigen, daß wir nacheinander reden, damit man das auch verstehen kann? In diesem zusammengeschnittenen Konzert kommt nichts, aber auch gar nichts über die Rampe.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Es ist einfacher, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben!)

— Meine Damen und Herren, es würde Ihnen so passen, wenn die Stimme der Vernunft in einer Situation schwiege,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

wo publikumswirksam in einem sensiblen Bereich im Trüben gefischt werden soll.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Meine Damen und Herren, es gibt Probleme. Wir werden darüber nachdenken, ob wir flankierend zu all dem, was wir bereits getan haben, noch irgend etwas machen können. Ich sage Ihnen aber jetzt schon, daß ich glaube oder so gut wie sicher bin, daß
das Mietrecht der ungeeignetste Ansatzpunkt ist, den es in diesem Zusammenhang überhaupt gibt.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Sie gucken immer auf die falsche Seite! Sie haben sowieso eine Schlagseite!)

— Meine Damen und Herren, mit dieser Schlagseite lebt sich's gut, Herr Kollege, zumal wenn man alle Argumente der ökonomischen Vernunft auf seiner Seite hat, wenn es darum geht, Wohnungen zu schaffen. Und das ist hier das einzige, was wir in diesem Lande tun müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Conradi [SPD]: Da haben Sie auch Tolles geleistet!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120912300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID1120912400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jahn, ich glaube, es geht hier nicht um die Wiederherstellung des Mieterschutzes. Ich glaube, wir haben in der Bundesrepublik Deutschland den besten Mieterschutz, den es auf der Welt gibt.

(Menzel [SPD]: Gehabt!) Das sollte man einmal klarstellen.

Es geht einfach darum, regionale Probleme zu bewältigen,

(Jahn [Marburg] [SPD]: Das sind keine regionalen mehr!)

in den Ballungsräumen, z. B. in München, wo es eine Wohnungsnot gibt und wo es darum geht, die Zahl der Wohnungen so zu vermehren, daß der Mietpreis auch für die sozial Schwachen stimmt. Es geht also in erster Linie um die Erhöhung des Angebots. Da ist München
— da haben wir unsere Erfahrungen — nicht gerade vorbildlich. Das Beispiel Dachwohnungsausbau wurde schon genannt. Herr Kollege Gattermann, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie das gesagt haben. Man wirft der Frau Ministerin vor, es würden Genehmigungen erteilt, aber keine Wohnungen gebaut. Man kann aber nicht sagen, daß in München sehr großzügig Genehmigungen erteilt würden.

(Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Die haben eine Koalitionsvereinbarung getroffen, daß nichts mehr gebaut wird!)

— Daß nichts mehr gebaut wird, daß kein Baurecht mehr ausgewiesen wird usw., das ist die Lage in der sozialistisch-grün regierten Landeshauptstadt München. Das sollte man hier nicht übersehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reschke [SPD]: Endlich wird sie mal vernünftig regiert!)

Meine Damen und Herren, das Musterbeispiel ist jetzt der Verkauf der Neuen Heimat. Mich würde schon interessieren — dafür sollten Sie sich, Herr Kollege Jahn, ebenfalls interessieren — , inwieweit die verkaufende Neue Heimat in den Verträgen, die mit dem Käufer — ich kenne ihn nicht — abgeschlossen worden sind, Sozialbindungen festgelegt hat. Das kann man vertraglich tun, das kann man sogar im



Dr. Wittmann
Grundbuch eintragen lassen. Es ist schon erstaunlich, daß diese Wohnungen 1987 320 Millionen DM gekostet haben und jetzt 950 Millionen DM kosten.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Spekulanten!) Das nennt man dann „angemessenen Preis".


(Jahn [Marburg] [SPD]: Wer hat die Gemeinnützigkeit beseitigt? Wir doch nicht!)

— Aber Herr Kollege Jahn, es wäre der Neuen Heimat doch ohne weiteres möglich gewesen, hier Vereinbarungen mit dem Käufer zu treffen.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Es wäre ihr möglich gewesen, wenn Sie die Gemeinnützigkeit nicht abgeschafft hätten!)

— Darüber müßten wir eine längere Debatte und nicht eine Kurzdebatte führen.
Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat schon einiges für die Mieter geleistet. Denken Sie nur an die besondere Wohngeldstufe, die dann von einigen anderen als „lex München" diffamiert wurde, auch an die Abschreibungsverbesserungen und die Erleichterungen des Wohnungstausches. Davon wird nicht geredet. Längerer Mieterschutz nach Umwandlung wird in der Koalition derzeit diskutiert. Wir werden sicher eine vernünftigte Einigung erzielen.

(Müntefering [SPD]: Wann?)

Was wir wollen, ist ein Paket, das für besondere Fälle und nicht generell gilt, d. h. das nicht dort gilt, wo es nicht erforderlich ist. Darum haben wir auch die Gebiete mit besonderem Wohnungsbedarf und ähnliches mehr festgelegt. Darüber kann man in einigen Punkten nachdenken.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Wie lange noch? — Conradi [SPD]: Das Denken ist nicht leicht!)

— Wir müssen die Entwicklung abwarten, die jetzt auf Grund der neuen Maßnahmen folgt. Es gibt ja einige Maßnahmen, die erst noch greifen müssen. Und sorgfältiges Nachdenken hat bei Gesetzgebungsarbeit, Herr Justizminister a. D., noch nie geschadet. Ich glaube, darauf sollten wir uns verständigen können.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Man kann aber auch nachdenken, bis es zu spät ist!)

Wir werden sicherlich auch darüber nachzudenken haben, ob wir die Kappungsgrenze unter Umständen auch wieder regional verändern oder einschränken. Wir gehen aber, wie gesagt, nicht mit dem Rasenmäher oder mit der Gießkanne — wie Sie es jetzt sehen wollen — über das Mietrecht oder sonstige Rechtsvorschriften. Wir werden vielmehr dort unsere Maßnahmen ansetzen, wo sie notwendig sind. Das ist besonders in Ballungsgebieten wie etwa München der Fall.

(Reschke [SPD]: Sagen Sie doch einmal, welche und wann! — Zuruf von der FDP: Kappungsgrenzen für die öffentlichen Gebühren!)

— Ja, das wäre auch eine Lösung.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Folgen Sie Herrn Gauweiler! Dann wird es schon besser!)

— Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Mit dem arbeiten wir gut zusammen.
Wir werden allerdings auch eines machen — lassen Sie mich das sagen — , dies aber mit heißer Nadel: Es gibt Vorschläge zur Änderung des Strafrechts, z. B. des Wirtschaftsstrafrechts oder des Strafgesetzbuchs. Das werden wir uns sehr genau anzusehen haben. Was wir wollen, das ist, den wirklichen Wucherer zu treffen und nicht, wie es teilweise durch Sie geschehen ist, die Vermieter generell zu diffamieren. Das wollen wir eben nicht. Wir wollen vielmehr eine Partnerschaft zwischen Mietern und Vermietern erhalten.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Nicht einmal die CSU haben Sie dabei, Frau Ministerin!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120912500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pick.

Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1120912600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Vertreter der Koalition ist in der Tat Skepsis angebracht, Frau Minister, ob Sie ihre Vorstellungen, die Sie geäußert haben, auch tatsächlich umsetzen können.

(Beifall bei der SPD — Frau Teubner [GRÜNE]: Vielleicht waren sie auch nicht so gemeint!)

Mir ist ein zweites aufgefallen: Es wird hier gerne von Ballungsräumen gesprochen, auf die sich angeblich die Notlage im Bereich der Mietwohnungen beschränke. Ich glaube, dem ist nicht so. Die Bundesrepublik ist ein sehr eng besiedeltes Gebiet. Wenn ich an den „Ballungsraum" Rhein-Main denke, muß ich sagen: Die Wohnungsnot ist nicht nur in Frankfurt, in Wiesbaden und in Mainz spürbar, sondern weit darüber hinaus im Umland, im ländlichen Gebiet. Deswegen ist es keine singuläre Erscheinung, sondern eine allgemeine, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

(Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Kennen Sie eigentlich Herrn Doblinger?)

Wir als Sozialdemokraten haben angesichts dieser dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt seit langem ein Gesamtkonzept eingefordert, und zwar ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen, weil wir uns darüber im klaren sind, daß es hier eine Menge von Dingen gibt, die wir anpacken müssen. Uns ist klar, daß es kein Patentrezept nur in eine Richtung gibt, sondern daß viele Ansätze verfolgt werden sollen. Diese Fragen spielen insbesondere auch bei der Stärkung des Mieterschutzes eine Rolle.
Herr Gattermann, da sind wir mit Ihnen einig: Mieterschutz als solcher schafft sicher keine neuen Wohnungen. Wir sind im Moment aber in einer besonderen Lage. Wir sind in einer Lage, in der wir einen großen Mangel an Wohnungen haben. Wir haben diesen Mangel einigermaßen zu verwalten und haben die Aufgabe, das Sozialrecht des Wohnens zugunsten der Mieterinnen und Mieter zu gewährleisten. Deswegen kommt auch in einer solchen Zeit dem Mietrecht eine besondere Bedeutung zu.
16458 Deutscher Bundestag — 11 Wahlperiode — 209. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1990
Dr. Pick
Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung und die Koalition jahrelang die sich abzeichnende Fehlentwicklung ignoriert haben. Es sind ideologische Gründe gewesen, die 1982/83 dazu geführt haben, daß sie erhebliche Einschnitte in das soziale Mietrecht vorgenommen haben. Das Argument hieß damals: Es sind investitionshindernde Regelungen. Sie sind deswegen abzubauen. Ihr Credo war, daß der Markt für mehr Wohnungen sorgen werde. Die Entwicklung hat dann gezeigt, daß dies falsch war. Obendrein haben Sie das soziale Mietrecht noch als investitionsfeindlich diffamiert. Und nun haben wir die Situation, daß die Bundesregierung mit ihrer Wohnungs- und Mietrechtspolitik gescheitert ist.
Ich darf noch ein Zitat aus dem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 18. Januar dieses Jahres anführen. Da heißt es wörtlich:
Der Wegfall dieser Bedingungen und die Mietrechtsänderung 1982
— ich lasse den nächsten Halbsatz weg (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Na, na!)

— ich kann ihn auch noch einfügen:
— seither orientiert sich das allgemeine Mietenniveau an den in den letzten drei Jahren jeweils neu abgeschlossenen Verträgen
— jetzt geht es weiter —
wirken jetzt angesichts des Nachfrageüberhangs problemverschärfend.

(Dr. Hitschler [FDP]: Lesen Sie besser vor, was im Sachverständigengutachten steht!)

Ich denke, daß dies eine sehr sachverständige Aussage gewesen ist.
Wir Sozialdemokraten fordern deswegen eine Rückkehr zum sozialen Mietrecht. Wir sind der Auffassung, daß sein Kernbereich u. a. im Schutz des Mieters vor ungerechtfertigter Kündigung durch die Vermieter besteht.

(Dr. Hitschler [FDP]: Haben wir das nicht?)

Denn wir wissen, daß das Mietrecht nicht nur eine sachenrechtliche Funktion, sondern auch eine soziale Funktion hat. Die Wohnung ist der Lebensmittelpunkt.
In diesem Sinne fordern wir Sie auf, an diesem Werk mitzuarbeiten und Ihre Ministerin hier nicht im Regen stehenzulassen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Die Neue Heimat Bayern habt ihr auch im Regen stehengelassen! — Vahlberg [SPD]: Die Staatsregierung hat das getan! — Gegenruf des Abg. Geis [CDU/CSU]: Nein, ihr wolltet einen größeren Reibach machen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120912700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (CDU):
Rede ID: ID1120912800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In regelmäßigen Abständen, meistens vor Wahlen, verfällt die SPD in die primitive und erbärmliche Lust, die
Mieter zu verunsichern, Unfrieden zu stiften und billige Wahlkampfstimmung zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Grauenvoll!)

Liebe Kollegen, das hat 1983 schon nichts genutzt — die Wähler haben der SPD damals nach der Mietenlüge einen dauerhaften Denkzettel verpaßt —, und das wird Ihnen auch diesmal nichts nutzen.
Der beste Mieterschutz — das hat Herr Kollege Dr. Kansy soeben schon gesagt — ist nach wie vor eindeutig ein ausreichendes Angebot an Wohnungen.

(Conradi [SPD]: Nicht einmal das schafft ihr! — Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben zwar einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt, aber wir haben in der Tat Schwierigkeiten, ganz besonders in den Ballungsgebieten.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Nein, nein, stimmt nicht mehr! Braunschweig ist kein Ballungsgebiet, Oldenburg ist kein Ballungsgebiet!)

Diese Probleme, Herr Kollege Jahn, sind ganz besonders in Nordrhein-Westfalen hausgemacht. Die Wohnungspolitik der Regierung Rau hat deutlich versagt.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Sie machen sich was vor!)

Sie hat nicht rechtzeitig dafür gesorgt, daß genügend Wohnungen zur Verfügung stehen. Das ist in Nordrhein-Westfalen offenkundig.

(Geis [CDU/CSU] [zu Abg. Jahn [Marburg] [SPD] gewandt]: Jawohl, hören Sie mal zu! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Rolf Rau (CDU):
Rede ID: ID1120912900
Denn erstens hat sich die Bundesregierung aus dem sozialen Wohnungsbau nicht insgesamt zurückgezogen, sondern nur die Förderung des Mietwohnungsbaus eingestellt.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Ja, schlimm genug!)

Zweitens verschweigt der Herr Rau,

(Geis [CDU/CSU]: Jetzt kommt's!)

daß das auch mit seiner Zustimmung geschehen ist. Im Oktober 1984 hat nämlich Ministerpräsident Rau mit den anderen Ministerpräsidenten die Bundesregierung aufgefordert, die sogenannte Mischfinanzierung im Wohnungs- und Städtebau unverzüglich abzubauen.

(Geis [CDU/CSU]: Haben Sie das gehört, Herr Müntefering? Ist das nicht wahr? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist dann geschehen. Hinzu kommt, meine Damen
und Herren: Die Landesregierung von NordrheinWestfalen hat darüber hinaus — seit 1984 — die Mittel



Dr. Möller
des Landes für den Wohnungsbau bis 1988 immer wieder weiter gekürzt.

(Zuruf von der FDP: Ist das wahr?)

Noch im März 1988, als unser Wohnungsbauausschuß Kölner Problemgebiete besuchte, geisterten Abrißpläne von Minister Zöpel

(Müntefering [SPD]: Von Dr. Schneider!)

durch die Lande. Die Wohnklötze von Köln-Chorweiler sollten abgerissen oder gekappt werden. Auch Mieterbund-Direktor — nicht der Präsident — Schlich wollte damals noch Wohnsilos — ich zitiere — „in die Luft sprengen".

(Geis [CDU/CSU]: Also der Mieterbund auch!)

Die landeseigene Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen war sich — ich zitiere — „mit Minister Zöpel einig, Hochhäuser zum Teil abzureißen".
Aus dieser Abbruch- oder Abrißmentalität, die auch unseren Kollegen Conradi beim Bundestag befallen hatte, hat die Regierung Rau dann Wohnungsbaupolitik betrieben.

(Conradi [SPD]: Mit eurer Hilfe haben wir es dann durchgesetzt!)

Sie hat deswegen ihre Landesmittel von 1,7 Milliarden auf 600 Millionen DM reduziert.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: So war es! — Geis [CDU/CSU]: Um 1 Milliarde, 1 000 Millionen!)

Ein Beispiel: Das Land Nordrhein-Westfalen hat von 1983 bis 1986 die Mittel für den Mietwohnungsbau bei uns im Rhein-Sieg-Kreis praktisch auf Null gekürzt. Nach 198 Wohnungseinheiten 1983 wurden 1986 nur noch sage und schreibe neun vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert.
Ich muß auch sagen, daß die SPD-geführten Städte in Nordrhein-Westfalen ebenfalls in diesem Punkt nicht das Höchstmaß an Weitblick gezeigt haben.
Zum Beispiel die Stadt Köln: Bei einer Anhörung — da waren Sie alle dabei, Herr Kollege Müntefering — hat der Wohnungsdezernent der Stadtverwaltung Köln mitgeteilt, daß die Stadt Köln jeden Tag 70 000 DM für die Unterbringung von Bürgern in Pensionen, Hotels oder bei anderen Vermietern ausgeben müsse. Wenn die Stadt Köln rechtzeitig geplant hätte und diese 70 000 DM pro Tag hochgerechnet hätte, dann hätte sie für 25,5 Millionen DM im Jahr Wohnungen bauen können. Aber das hat die Stadt Köln eben nicht getan; sie ist SPD-regiert.

(Müntefering [SPD]: Da kommen mir die Tränen! — Geis [CDU/CSU]: Überall, wo die SPD regiert, wird es so gemacht!)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat rechtzeitig gegengesteuert, sie hat ihr Programm durch die Bundesministerin vorzüglich vorbereitet und dargelegt. Ich will das jetzt nicht wiederholen. Von den Maßnahmen greifen die wichtigsten Punkte. Ich bin darüber sehr froh. Auch gerade NordrheinWestfalen kommt in den Genuß der Anhebung der
Mittel. Ich bin sicher, daß das auch in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen wird.
Es ist also davon auszugehen, daß sich das Angebot an Wohnungen durch die Politik dieser Bundesregierung und dieser Koalition zügig verbessern wird. Je mehr Wohnungen verfügbar sind, desto besser ist es für Mieter. Diese Politik hat sich in der Vergangenheit bewährt, sie wird sich auch in Zukunft bewähren. Die Angstmacherei der SPD wird keinen Erfolg haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120913000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grünbeck.

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1120913100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Professor Pick, ich danke Ihnen sehr für Ihren wohltuenden Vortrag hier, insbesondere weil Sie sagen: Wir sind uns einig, daß der Nachfrageüberhang groß ist und abgebaut wird und daß man das nicht durch Kündigungsschutzgesetze machen kann. Sie haben nur den zweiten Satz weggelassen, nämlich daß man den Nachfrageüberhang nur abbauen kann, indem man mehr Wohnungen anbietet. Dieses ist, glaube, ich, der Bestandteil der Regierungsprogramme sowohl beim Bauerleichterungs- als auch beim Steuererleichterungsgesetz.
Was ist denn bei dieser ganzen Debatte um den Kündigungsschutz eigentlich Sache?

(Conradi [SPD]: Die Mieten steigen!)

Sache ist, daß es einige Übergriffe im Markt gibt, daß es im Markt einigen Mißbrauch gibt, indem da und dort Mieten erhöht werden oder auch bei Umwandlungen ein Mißbrauch vorliegt. Das sei gar nicht bestritten. Aber der Kollege Wittmann hat es richtig gesagt: Da ist ein anderer Ansatz. Dann reden wir doch über die Verschärfung der Wirtschaftsstrafgesetze! Aber wir sollten nicht 99 % der Vermieter und Investoren verunsichern, die wir brauchen, damit sie mehr Wohnungen bauen und damit wir wirklich den Mietwohnungsbau entlasten können. Das ist doch der einzige Weg.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Soll ich Ihnen zwei Zahlen nennen, damit ich die These von Herrn Gattermann noch mal belegen kann? 90 % aller Mietverhältnisse sind Dauermietverhältnisse von über zehn Jahren, d. h, die Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter ist längst da, und 90 % aller Mietverträge werden durch Mieter und nicht durch Vermieter gekündigt. Wenn das so ist, was wollen Sie dann eigentlich noch mit einem großen Palaver hier um das Mieterschutzgesetz?
Ich sage Ihnen nur: Besser wäre es schon, Herr Conradi, wenn Sie das Wort „eiskalt" an die FDP weggelassen hätten. Niemand hat so eiskalt

(Conradi [SPD]: Die Mieten hochgetrieben wie Sie!)

gegenüber den Mietern reagiert wie die Neue Heimat, was die Gewerkschaft abgesegnet hat. Ich muß Ihnen das einmal sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Grünbeck
Weil der Herr Gauweiler hier einige Male zitiert worden ist, will ich Ihnen gern mal wiederholen, was er am Freitagabend bei der Landesversammlung der Bayerischen Haus- und Grundbesitzer erklärt hat. Die Neue Heimat Bayern hat nach seinen Ermittlungen über 600 Millionen DM an Subventionen erhalten. Soll jetzt die Bayerische Staatsregierung, mit der ich sonst absolut nicht immer einig bin, etwa noch einmal überdrehte Summen bezahlen, damit die ganze „Kiste" noch einmal bezahlt wird? Das können Sie doch wohl ernsthaft von einem öffentlich Verantwortlichen — —

(Jahn [Marburg] [SPD]: Da hat doch die Bayerische Staatsregierung nur Wahlkampf gemacht, Herr Grünbeck!)

— Davon verstehen Sie noch mehr als die Bayerische Staatsregierung. Das kann ich Ihnen gern konzedieren.
Nur eines muß ich Ihnen sagen, Herr Jahn: Wo sind Sie als Präsident des Mieterschutzbundes bei den Verhandlungen gewesen, die seit Monaten zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Stadt München laufen?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich würde heute, wenn ich das Recht dazu hätte, den Oberbürgermeister von München zu einem Staatsschauspieler allererster Güte ernennen. Was hat der Mann gemacht? Seit Monaten läuft er überall herum und sagt: Wir gründen eine kommunale Auffanggesellschaft für die Neue Heimat. Der hat doch noch nicht einmal Geld; der muß doch morgen seinen Offenbarungseid leisten,

(Jahn [Marburg] [SPD]: Sie sind doch ein Schauspieler!)

weil er eine Wirtschafts- und kommunale Ausgabenpolitik betrieben hat, die natürlich verheerende Folgen hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Er hat ja selber erklärt, daß er kein Geld mehr hat. Ich brauche nur zu bestätigen, was er selber erklärt hat. Der hat weder Geld für dringend notwendige Aufgaben noch Geld, um eine kommunale Auffanggesellschaft zu gründen. Das wäre ja auch gar nicht schlimm, wenn er nicht noch herginge und anderen die Schuld zulese, wo er doch gar nicht in der Lage ist, dieses Problem zu lösen. Das ist, finde ich, ein schlechter Stil.
Wo ist der Deutsche Gewerkschaftsbund bei diesen ganzen Verhandlungen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Der steht in der Ecke und schämt sich!)

Wissen Sie, was die gemacht haben? Aller Respekt vor Herrn Matthöfer, der gestern abend gesagt hat: Ich mußte Kasse machen, um die kerngesunde Neue Heimat teuer zu verkaufen, um die Mißstände in anderen Landesverbänden zu reparieren.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Das war doch der einzige Grund für den leider teuren Verkauf.
Ich darf Ihnen sagen, ich habe gestern noch ein Gespräch mit der Geschäftsführung der Neuen Heimat in München geführt. Die Verunsicherung der Mieter, die Sie da betreiben,

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

ist aus vielerlei Gründen wirklich nicht zu verantworten. Erstens. Die Neue Heimat hat bereits in den letzten Jahren Wohnungen verkauft, die Neue Heimat in Bayern aber nur an Mieter und nur in beiderseitigem Einvernehmen. Zweitens. Die Erlöse aus diesen Verkäufen sind allesamt in Neubautätigkeit gegangen. Das heißt, man hat da verkauft und dafür neu gebaut, und zwar Sozialmietwohnungen. Drittens. 80 bis 90 % aller Mietverhältnisse der Neuen Heimat in München und in ganz Bayern haben noch eine Laufzeit von 8 bis 10 Jahren, ohne daß etwa schon die Nachwirkungsfrist gültig würde, die dann in Kraft tritt, wenn die Mittel vorzeitig zurückgegeben werden.

(Zuruf von der SPD: Warum reden Sie dann von „eiskalt"?)

— Das war eiskalt von der Neuen Heimat und vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Ich sage Ihnen nur, daß es die SPD und den Deutschen Gewerkschaftsbund den letzten Pfennig an Glaubwürdigkeit kostet, wenn Sie das so veranstalten, wie Sie das heute hier gemacht haben.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120913200
Das Wort hat die Frau Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau Hasselfeldt.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1120913300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach wie vor gilt: Der beste Mieterschutz ist ein ausreichendes Wohnungsangebot.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nur dann, wenn genügend Wohnungen da sind, verschwinden sozial unerwünschte Begleiterscheinungen wie beispielsweise Warteschlangen, hohe Mietsprünge bei Neuvermietungen oder auch die Tatsache: keine Auswahl bei der Wohnungssuche. Mehr Wohnungen bedeutet, der Druck auf die Mieten, auch bei bestehenden Vertragsverhältnissen, wird geringer. Die Erweiterung des Wohnungsangebots hilft also allen, die zur Zeit Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt haben. Auf die Erweiterung des Wohnungsangebots setzt auch die Politik der Bundesregierung. Daß wir auf dem richtigen Weg sind, zeigen z. B. die Baugenehmigungszahlen,

(Zurufe von der SPD)

zeigen auch die Bewilligungen im sozialen Wohnungsbau: 75 % mehr Bewilligungen im sozialen Wohnungsbau, 30 % mehr Baugenehmigungen als im vergangenen Jahr. Am Anfang dieses Jahres gab es 40 % mehr Baugenehmigungen; bei den Mehrfamilienhäusern sind es sogar mehr als 70 %.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das muß einmal gesagt werden!)




Bundesminister Frau Hasselfeldt
Die Investitionstätigkeit überall, in jedem Land, zeigt, daß nicht nur die Baugenehmigungen vorhanden sind, sondern daß auch die Bautätigkeit im Wohnungsbau da ist. Ich stehe nicht allein, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn ich sage, daß wir in diesem Jahr etwa 300 000 Fertigstellungen erreichen werden.

(Conradi [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)

Es sind mehrere Forschungsinstitute, die auch von dieser Größenordnung ausgehen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch allen danken, die mitgeholfen haben, daß wir diesen Erfolg verzeichnen können, den privaten Investoren, den Ländern, den Gemeinden, den Unternehmen der Bauwirtschaft und den Arbeitnehmern.
Allerdings muß ich auch sagen, nicht von überall haben wir Unterstützung erfahren, im Gegenteil: Einige SPD-regierte Länder haben unsere wohnungspolitischen Maßnahmen nicht nur nicht unterstützt, sondern behindert und blockiert. Ich nenne Ihnen einige Beispiele.

(Conradi [SPD]: Bayern hat den Vermittlungsausschuß angerufen!)

Beispiel Nordrhein-Westfalen: Für einen erleichterten Dachgeschoßausbau wäre in Nordrhein-Westfalen die Änderung der Landesbauordnung nötig. Sie wird nicht nur nicht initiiert, sondern eine entsprechende Initiative der Union wurde abgelehnt. Immer mehr Klagen von Gemeinden gerade in diesem Land kommen auf mich zu, Klagen über bürokratische Gängelei durch die Landesregierung, die in die kommunale Bauleitplanung hineinregieren will, ganz zu schweigen davon, daß es Nordrhein-Westfalen ablehnt, im sozialen Wohnungsbau die vereinbarte Förderung einzuführen.

(Conradi [SPD]: Na Gott sei Dank! — Müntefering [SPD]: Da haben sie recht!)

Die Möglichkeit, schnell viele Wohnungen zu bauen, wird hier nicht wahrgenommen. Ich würde nur wünschen, daß Sie Ihren Einfluß auf die Genossen hier im Lande, auf Ihre Genossen, ausüben würden, um wirklich einmal zu mehr Wohnungen in diesem Lande zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reschke [SPD]: Das ist doch kein sozialer Wohnungsbau, den Sie da wollen!)

Meine Damen und Herren, die Wohnungsbauverhinderungspolitik gibt es auch in SPD-regierten Städten. Auch hier nur einige wenige Beispiele. In Frankfurt wurde ein bereits festgelegtes Baugebiet wieder gestrichen. In Mannheim wurden die Flächen für Wohngebiete beschränkt,

(Conradi [SPD]: Weil sie nicht Silos von 3 000 Wohnungen haben wollten wie Sie!)

und in München ist die Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in den letzten Jahren dramatisch gesunken: von fast 7 000 Wohnungen auf nur noch etwa 800 Wohnungen. — Meine Damen und Herren, das sind konkrete Zahlen, die deutlich machen, wo die Versäumnisse sind.
Nun mag man natürlich über die Wahrnehmung der Verantwortung in der Wohnungspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden streiten können. Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, daß sich die Bürger, daß sich die Wohnungssuchenden ihr Urteil darüber bilden werden, wer ihnen wirklich hilft und wer nur redet. Die Bundesregierung kann sich diesem Urteil mit gutem Gewissen stellen. Sie tun sich dabei schon etwas schwerer.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Was ist denn mit dem Mietrecht?)

— Ich habe noch einige Minuten Redezeit, Herr Kollege.

(Conradi [SPD]: Nur auf, nur zu!)

Während Sie die umfangreichen wohnungspolitischen Sofortmaßnahmen der Bundesregierung mit verbalen Wahlkampfattacken wegreden wollen, sehen Sie seelenruhig zu, wie Ihre Parteifreunde im Deutschen Gewerkschaftsbund ein weiteres Mal Zigtausende von Sozialwohnungen verscherbeln.

(Frau Teubner [GRÜNE]: Zum Thema Mieterschutz!)

Wo waren Sie denn, meine Damen und Herren, als es darum ging, Ihren Genossen von der BGAG etwas vom Mieterschutz zu erzählen?
Diese mieterfeindliche Politik tragen wir nicht mit. Das ist Ihre sogenannte soziale Wohnungspolitik; das ist Ihr Verständnis von Mieterschutz. Darüber sollten wir heute — und nicht nur heute — reden. Das ist eine Politik, die den berechtigten Interessen der Mieter ins Gesicht schlägt.

(Zuruf von der SPD: Sprechen Sie über Ihre Vorschläge, wann, wo, wie!)

Unsere Politik ist eine andere. Wir haben bereits ganz konkrete Maßnahmen zum Mieterschutz ergriffen.
Erstens. Im Sozialwohnungsbestand sind bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung mögliche Mieterhöhungen begrenzt und die Belegungs- und Mietpreisbindungen um zwei Jahre verlängert worden.
Zweitens. Die Kündigungssperrfrist bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird von drei auf fünf Jahre verlängert werden.
Drittens. Das Wohngeld wird zum 1. Oktober für alle anspruchsberechtigten Haushalte erhöht. Bund und Länder werden dabei zusätzlich 1,2 Milliarden DM bereitstellen.
Nun, mehr Mieterschutz, zusätzliche Fördermaßnahmen, alles, was wir auf den Weg gebracht haben, kann natürlich nicht von heute auf morgen alle wohnungspolitischen Probleme draußen im Lande lösen. Wohnungen werden halt nicht über Nacht gebaut. Es sind jetzt erst sechs Monate vergangen, seit wir das Wohnungsbauprogramm aufgelegt haben. Noch drücken die fehlenden Wohnungen die Mieten nach oben, und dies ist vor allem in den Ballungsgebieten zu verspüren. Ich möchte dies ganz deutlich betonen. Es ist nicht überall im Land; es ist nicht in allen Städten; es ist in den Ballungsgebieten, wo die Zahl der Haushalte, die wirtschaftlich darunter leiden, grö-



Bundesminister Frau Hasselfeldt
ßer wird. Vor dieser Entwicklung kann ich und werde ich meine Augen nicht verschließen.
Deshalb suche ich nach Möglichkeiten, um diesen Mietern zu helfen. Es gibt dabei verschiedene Ansätze — Sie kennen sie —, über die in aller Ruhe und ausführlich diskutiert werden muß. Es ist eine wichtige Entscheidung, die hier zu treffen ist, die nicht von heute auf morgen unüberlegt zu treffen sein wird.
Es ist dabei auch zu berücksichtigen, daß mögliche Maßnahmen örtlich begrenzt und zeitlich befristet sein müssen. Darüber werden wir in der Bundesregierung sprechen, und wir werden, meine Damen und Herren, so wie bisher zu Lösungen kommen, die den Mietern helfen werden. Dabei werden wir auf eines ganz bestimmt achten — da bin ich bei dem, was ich am Anfang gesagt habe — , nämlich darauf, den wachsenden Wohnungsbau in diesem Land nicht kaputtzumachen. Deshalb gehen wir mit großer Behutsamkeit vor

(Conradi [SPD]: Steigende Zinsen!)

und mit großem Problembewußtsein an die Arbeit. Es bleibt dabei: mehr Wohnungsbau ist der beste Mieterschutz. Dafür steht diese Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120913400
Das Wort hat der Abgeordnete Müntefering.

Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1120913500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wohnungspolitik steckt in der Sackgasse.

(Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: In Nordrhein-Westfalen! )

Es wird nicht schnell genug nachgebaut. Die Zahl der neuen Wohnungen, die gebaut werden, liegt immer noch weiter unter dem Bedarf, den wir haben, um überhaupt die Bugwelle derer, die Wohnungen suchen, nicht noch größer werden zu lassen. Die Belastungen der Mieter nehmen zu. Mieter werden verdrängt. Mieten steigen sehr schnell. Mieter werden mit Eigenbedarfskündigungen konfrontiert.
Die Sozialdemokraten haben 1985 und 1989 hier im Deutschen Bundestag Anträge eingebracht, die etwas über die Begrenzung der Miethöhe — nicht mehr 30 % in drei Jahren, sondern maximal 10 bis 15 % — ausgesagt haben, die etwas ausgesagt haben über die Begrenzung bei der Neuvermietung, die etwas ausgesagt haben über die Verlängerung der Sozialbindung als Nachwirkungsfrist und die etwas ausgesagt haben über die Bremse gegen Umwandlung, verbunden mit der Verdrängung von Mietern aus den Mietwohnungen da, wo in Eigentumswohnungen umgewandelt wird. Das haben Sie 1985 abgelehnt. Das haben Sie 1989 abgelehnt. Jetzt plötzlich merkt ein Teil der Koalition, es könnte doch wohl etwas daran sein, daß man in dieser Situation des sich verschärfenden Wohnungsmarktes etwas für die Mieter tun muß.
Da gibt es nun plötzlich Signale aus Bayern und von anderen Bundesländern. Es heißt, man müsse sich bewegen.
Heute morgen hatten wir das Paradebeispiel im Bauausschuß. Der Freistaat Bayern hat beantragt, den
Schutz gegen Eigenbedarfskündigungen von drei auf sieben Jahre zu verlängern. Die Sozialdemokraten haben immer von 10 Jahren gesprochen, aber sieben Jahre sind auch etwas. Wir haben gesagt: Das machen wir. Deshalb haben die Sozialdemokraten heute im Ausschuß gegenüber dem Freistaat Bayern erklärt, daß sie mit sieben Jahren einverstanden sind. Nun knickt die Koalition ein. Ein CSU-Abgeordneter beantragt im Ausschuß des Deutschen Bundestages statt sieben Jahre fünf Jahre. Man hat Angst bekommen, weil der Herr Vernunft oder wer auch immer gesagt hat: Das können wir so nicht machen. Das muß wieder reduziert werden.
So geht das die ganze Zeit. Es wird erkannt: Man muß handeln. Es wird erklärt, es wird gehandelt. Es wird appelliert, wir müssen besonnen diskutieren und abwägen.

(Geis [CDU/CSU]: Fünf sind doch mehr als drei, Herr Müntefering!)

Aber es passiert dann überhaupt nichts. Wir schlagen Ihnen vor, mit uns zusammen unsere Mieterschutzvorschläge zu beschließen. Das wäre übrigens auch ein gutes Mittel, die Mieter in den 33 000 Wohnungen, um die es geht, über die Sie lange gesprochen haben, zu schützen.
Wenn Sie es mit dem Schutz der Mieter ernst meinen, dann sage ich der CSU:

(Geis [CDU/CSU]: Sagen Sie es uns!)

— Sie, Herr Geis, von der CSU haben mit uns, den Sozialdemokraten, zusammen im Bundestag eine Mehrheit, die beschließen kann, daß der Mieterschutz so verstärkt wird, daß die Mieter in den Wohnungen der Neuen Heimat keine Angst haben müssen. Wir sind dazu bereit, wenn Sie wollen, daß wir uns da bewegen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Teubner [GRÜNE])

Da Sie sich moralisch so entrüsten,

(Geis [CDU/CSU]: Sie hätten früher ansetzen müssen! Sie hätten den Verkauf verhindern müssen!)

will ich Ihnen doch noch ein paar Dinge sagen, die Sie sich noch einmal in Erinnerung rufen sollten.
Sie haben vor drei Jahren das Land Nordrhein-Westfalen dafür diffamiert und beschimpft — anders kann man das nicht sagen — , daß es die Wohnungen der Neuen Heimat aufgenommen und im Interesse der Mieter gesichert hat. Das war wohl ein guter Schachzug von Nordrhein-Westfalen. Es war übrigens auch sehr preiswert, was wir damals gemacht haben. Das Land Bayern hätte nicht solange schlafen sollen, denn dann hätte es die Wohnungen auch schon lange bekommen.

(Beifall bei der SPD — Geis [CDU/CSU]: Zu Wucherpreisen!)

Der Freistaat Bayern hat sich geweigert, dem zu folgen, was der Oberbürgermeister Kronawitter vorgeschlagen hat, nämlich eine Auffanggesellschaft zu gründen.

(Geis [CDU/CSU]: Ja, für 1 Milliarde!)




Müntefering
Diese Koalition hat zum 1. Januar 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit wegrasiert und 900 000 Wohnungen in den freien Markt überwiesen.

(Geis [CDU/CSU]: Das hat doch damit überhaupt nichts zu tun!)

Wenn Sie sich auch über diese Maßnahme des Streichens der Wohnungsgemeinnützigkeit so aufregten wie über das, was gestern leider in München passiert ist, dann wären Sie viel glaubwürdiger. Aber so sind Sie nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD — Grünbeck [FDP]: Das ist nicht in München, das ist in Berlin passiert! In Berlin haben Ihre Genossen beschlossen!)

Nun muß ich Ihnen noch einen Satz zu NordrheinWestfalen sagen, weil Herr Dr. Möller natürlich versucht hat, Nordrhein-Westfalen ins Spiel zu bringen.

(Geis [CDU/CSU]: Er hat die Wahrheit gesagt!)

Herr Dr. Möller, es werden in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen 26 700 Sozialwohnungen gebaut, und zwar echte Sozialwohnungen, nicht diese verkrümmelten Dinger, Frau Ministerin, die Sie da immer empfehlen, mit sieben Jahren Bindung, mit fünf Jahren Bindung und mit acht Jahren Bindung, die in Wirklichkeit gar keine richtigen Sozialwohnungen sind. 26 700 werden in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen gebaut. Davon bezahlt das Land aus eigenen Mitteln ungefähr 20 500. Das Land gibt 80 % der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen, und der Bund nur 20 %. Wer sich so unterproportional, Frau Ministerin, beteiligt, sollte hier nicht versuchen, auch Sie nicht, Herr Dr. Möller, das Land Nordrhein-Westfalen da besonders in die Pflicht zu nehmen.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Ihr habt lange geschlafen! Mitte der 50er Jahre habt ihr nichts getan!)

Nordrhein-Westfalen tut für den sozialen Wohnungsbau das, was möglich ist. Das wird auch vom 13. Mai an so bleiben. Die Menschen in NordrheinWestfalen wissen, auf wen sie sich verlassen können, wenn es darum geht, sozial und preiswert und sicher zu wohnen. Die Sozialdemokraten haben das bisher gemacht. Sie werden es auch künftig machen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120913600
Das Wort hat der Abgeordnete Geis.

Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1120913700
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müntefering, die bayerische Staatsregierung ist nicht dazu da, mit Steuergeldern, also mit fremdem Geld,

(Müntefering [SPD]: Wie war das denn mit den sieben Jahren?)

den Rachen der Neuen Heimat zu stopfen und damit deren Mißwirtschaft zu finanzieren. Dazu ist der bayerische Staat nicht da.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daß Sie sich heute hier hinstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition,

(Müntefering [SPD]: Fünf Jahre oder sieben Jahre?)

und sich als Wächter und Hüter der Interessen der Mieter aufspielen,

(Conradi [SPD]: Genau! — Großmann [SPD]: Sehr richtig!)

einen Tag nach dem Skandal von München, nach dem Verkauf der Neuen Heimat an ein dubioses Unternehmen durch die Gewerkschaft, durch Ihre Parteifreunde

(Lachen bei der SPD)

— es sind ja alles Ihre Parteifreunde, und es sind nicht irgendwelche Parteifreunde; denken Sie doch einmal an Herrn Matthöfer! —,

(Müntefering [SPD]: Da ist der Fink drin und der Blüm und alle von der Gewerkschaft! Die sollen sich melden!)

daß Sie sich heute hier hinstellen und so tun, als seien Sie die geborenen Hüter und Wächter der Interessen der Mieter, kann nur mit dem verzweifelten Versuch erklärt werden, aus der Ecke, in die Sie durch die Neue Heimat gerutscht sind, herauszukommen.

(Müntefering [SPD]: Sie haben das nicht verstanden!)

Es muß für Sie doch peinlich sein, daß die Neue Heimat 33 000 Wohnungen, davon 12 000 in München, einem Ballungszentrum,

(Reschke [SPD]: Ich kann es nicht mehr hören!)

— machen Sie nicht so dumme Bemerkungen! — zu einem Preis verkauft, den die bayerische Staatsregierung natürlich nicht finanzieren wollte und auch gar nicht finanzieren durfte, weil sie korrekt handeln sollte.
Es muß für Sie auch peinlich sein, daß Parallelen zwischen dem Verhalten der Gewerkschaften beim Verkauf der Neuen Heimat in München und dem Fall „coop" auftauchen.

(Müntefering [SPD]: Was ist mit den sieben Jahren?)

Ganz, ganz deutliche Parallelen tauchen da auf; dieselben handelnden Personen.

(Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Jawohl! Mit krimineller Energie!)

„coop" haben Sie aufgegeben, als Ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. Genauso verhalten Sie sich jetzt bei der Neuen Heimat. Sie wollen sie loswerden. Sie wollen die Häuser loswerden, um Ihre eigene Mißwirtschaft auf diese Weise zudecken zu können.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Sitzt Herr Lappas noch im Gefängnis? — Jahn [Marburg] [SPD]: Zur Sache!)




Geis
— Herr Jahn, ich komme zur Sache. Wo waren Sie eigentlich, Herr Jahn, als dieser Verkauf zustande kam?

(Conradi [SPD]: Was hat denn „coop" mit dem Mietrecht zu tun?)

Wo waren Sie als Präsident des Mieterbundes? Wo haben Sie die Interessen der Mieter gewahrt, als so gehandelt wurde? Warum sind Sie nicht eingeschritten? Sie laufen doch sonst draußen herum und machen bei Sonntagsreden großartige Ausführungen, wie schlecht die Politik der Bundesregierung ist und wie gut Ihre eigenen Prognosen immer waren.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Ja! Das waren sie auch!)

— Das waren sie gar nicht! Und wo waren Sie jetzt? Sie haben Ihre Pflichten als Mieterbund-Präsident in diesem Fall sträflich, ganz sträflich vernachlässigt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sind auf Tauchstation gegangen. Und das ist übel.
Irgendwo müssen Sie sich fragen, Herr Jahn,

(Müntefering [SPD]: Was ist mit den sieben Jahren?)

was eigentlich Ihre Pflicht ist.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Ganz ruhig sein!)

Was ist eigentlich Ihr Auftrag? Sie müssen hier antreten und für die Mieter aufstehen. Einer muß ja für die Interessen der Mieter sorgen.
Sie aber haben es nicht getan. Sie haben sich sehr zurückgehalten, und Sie haben, auch heute bei dieser Rede, nichts darüber gesagt. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Müntefering [SPD]: Was ist mit den sieben Jahren? — Jahn [Marburg] [SPD]: Das ist nicht das Thema! Wir reden nicht über Bayern! Wir reden über Mieterschutz in der Republik!)

Es ist doch überhaupt kein Zweifel, daß dieser Verkauf auf dem Rücken der Mieter vonstatten geht. Die Mieter müssen doch diesen Verkauf finanzieren.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Sie haben nichts bemerkt!)

Es ist doch so, daß der Käufer 1 Milliarde DM aufbringen mußte. 2 Milliarden DM muß er über die Schulden finanzieren, die er übernommen hat. 3 Milliarden DM sind es, die die Neue Heimat in diesem Fall gutgemacht hat.
Und wer muß denn das bezahlen? Der Käufer wird so schnell, wie es ihm möglich ist,

(Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Verkaufen müssen!)

wenn die Mietbindungen gefallen sind, umzuwandeln versuchen und damit den Spekulanten Tür und Tor öffnen.

(Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Jawohl!)

Und er wird, wenn er nicht umwandeln kann, ganz schnell versuchen, ganz kräftig den Mietpreis hochzutreiben.

(Müntefering [SPD]: Mehr Mieterschutz!)

Da hätten Sie, Herr Müntefering, einschreiten müssen. Sie haben hier versagt. Jetzt versuchen Sie auf Kosten der Mieter, indem Sie den Leuten etwas vorgaukeln, sich als Wächter der Interessen der Mieter darzustellen. Das kann nicht gelingen.
Unsere Politik ist es, ein großes Angebot zu schaffen, weil das Angebot der beste Schutz für die Mieter ist.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Das sagen Sie seit 1982! Wo bleibt denn das Angebot?)

Unsere Politik ist es aber auch, solchen Entgleisungen, wie sie jetzt gerade in München passiert sind und die die Mieter solchen Haien wie dem Käufer ausliefern, dadurch entgegenzutreten, daß wir versuchen, da und dort Korrekturen am Mietgesetz anzubringen.

(Reschke [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu den 900 000 gemeinnützigen Wohnungen ab 1. Januar!)

Das ist aber nur eine Reaktion. Wir müssen agieren, indem wir versuchen, so schnell wie möglich so viele Wohnungen wie möglich zu bauen. Hier hat die Bundesregierung einiges getan.
Allein in Bayern sind im letzten Jahr 55 000 neue Wohnungen geschaffen worden, davon 22 000 auf dem Mietsektor. Hier ist also schon sehr viel gelaufen. Das sollten Sie nicht übersehen, und das werden die Wähler draußen auch nicht übersehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Wie lang können fünf Minuten sein!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120913800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Teubner.

Maria Luise Teubner (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1120913900
Wenn ich mich recht erinnere, war und ist das Thema der Aktuellen Stunde der Mieterschutz und nicht das, was gestern mit der Neuen Heimat passiert ist.

(Conradi [SPD]: Von Mieterschutz versteht die CDU nichts! — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Sie kennen den Zusammenhang nicht? Das ist ja entsetzlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

— Okay, wenn das so zusammenhängt, dann hängt aber auch folgendes zusammen: Wenn Sie, Frau Ministerin, in Ihrer Presseerklärung zur Neuen Heimat die Gefahr sehen, 100 000 Neue-Heimat-Mieter würden erneut „wohnungswirtschaftlicher Spekulation und Umwandlungswillkür" ausgesetzt, dann frage ich Sie, woher es denn überhaupt kommt, daß so etwas wie Umwandlungswillkür möglich ist. Welch ein Wort aus Ihrem Munde!

(Dr. Knabe [GRÜNE]: Die hört ja gar nicht zu!)




Frau Teubner
Das ist doch Ergebnis der von Ihnen verteidigten gesetzlichen Grundlagen, an denen Sie nach wie vor nicht rütteln wollen.
Nebenher gesagt: Ich glaube, es war Herr Kollege Wittmann — ich kenne ihn aus dem Ausschuß nicht; deswegen war ich auch so erstaunt —, der gefragt hat, ob denn in den Kaufverträgen für eine ausreichende Sozialbindung gesorgt sei. Im Ausschuß kämpfen wir darum, solange wir im Bundestag sind, daß Sozialbindungen längerfristig gewährleistet werden, während die gesamte Koalition immer einvernehmlich dagegen ist und drückt, daß diese Sozialbindungen aufgehoben werden. Bei der „Neuen Heimat" fällt Ihnen plötzlich ein, daß die Sozialbindung etwas unheimlich Gutes ist. Das paßt doch nicht zusammen.

(Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Für diese Wohnungen sind doch in der Vergangenheit entsprechende Zuschüsse gezahlt worden! — Glocke der Präsidentin)

— Lassen Sie mich noch einen Schlußsatz sagen, sonst klingelt mich die Frau Präsidentin vom Pult weg.
Die Probleme, die die Mieter und Mieterinnen und die Wohnungsuchenden haben, also diejenigen, die überhaupt keine Wohnung haben, sind darin begründet, daß Sie eine völlig unzureichende Gesetzgebung durchgehalten haben und, wie sich auch heute wieder gezeigt hat, nicht imstande und auch nicht willens sind, daran etwas zu ändern. Sie haben vor allem die Fahne des liberalen Staates und nicht des Sozialstaates, die Fahne des Prinzips des freien Wirtschaftens hochgehalten.

(Grünbeck [FDP]: Der liberale Staat ist sozial!)

— Davon merken die Leute, die auf der Straße stehen oder in den Wohnungsämtern warten, sehr viel, wie sozial dieser Staat ist. Er nennt sich zwar so, aber er ist alles andere als das.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der FDP: Bei Ihrer Mangelverwaltung hätten Sie nicht mehr!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120914000
Die letzte Wortmeldung, Frau Abgeordnete Rönsch.

Hannelore Rönsch (CDU):
Rede ID: ID1120914100
Frau Präsidentin! Meine Herren, meine Damen! Wir hatten ja in diesem Hause schon viele Aktuelle Stunden zum Thema „Neue Heimat"

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht das Thema der heutigen Aktuellen Stunde!)

Diese Aktuelle Stunde hat zwei Besonderheiten. Die eine ist, daß sie diesmal von der SPD beantragt worden ist. Wir danken Ihnen dafür ausdrücklich; denn wir wollen auch heute den Mietern der Neuen Heimat die Sicherheit geben, die sie verdienen und in der Vergangenheit auch verdient haben.
Die zweite Besonderheit ist, daß dies die erste Aktuelle Stunde zur Neuen Heimat ist, an der der Mieterschutzpräsident teilnimmt. Ich begrüße ihn ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hätten Sie auch gern schon früher zu Themen des Mieterschutzes hier gehabt.
Es ist ganz erstaunlich, wie viele falsche Propheten heute wieder gesprochen haben.

(Dr. Knabe [GRÜNE]: Und eine wahre Prophetin!)

In den Ausschüssen und hier hört man von Ihnen immer wieder, Sie hätten das alles vorhergesagt. Mein Kollege Möller hat dies bereits widerlegt, wie wir es in der Vergangenheit verschiedentlich getan haben.

(Müntefering [SPD]: Das war doch falsch, was er erzählt hat! Das ist doch kein Widerlegen! Wahlkampfmache!)

Ich möchte Ihnen auch noch ein paar Zeugen außerhalb des Parlaments nennen. Völlig unverdächtig müßte doch eigentlich für Sie der frühere Präsident des Deutschen Städtetags, der Herr Schmalstieg, sein, der Anfang der 80er Jahre eine Prognose hat erarbeiten lassen und gesagt hat, daß Anfang der 90er Jahre etwa 12 000 Wohnungsleerstände in Hannover zu erwarten seien. Das sind Zahlen, die für Sie vollkommen unverdächtig sein müßten. — Das ist ein unverdächtiger Zeuge.
Ich nehme jetzt einmal meine eigene Stadt Wiesbaden, sozialdemokratisch regiert. — Es sind heute schon viele sozialdemokratische Beispiele hier genannt worden, wo man sich einfach dem Wohnungsbau verweigert, wo man Politik damit macht, daß man die Mieter an den Wohnungsämtern anstehen läßt, aber selber als Kommune nicht bereit ist, auch nur das kleinste Stück Bauland auszuweisen, bzw. wo man sich in der Vergangenheit darauf verlassen hat, daß Wohnungen vorhanden sind — so wie Sie und so wie wir.
Ich nehme einmal meine Stadt Wiesbaden. Die Baulandreserven betragen dort 3 %. Wie sieht es bei anderen Großstädten im Bundesgebiet aus? Da betragen die Baulandreserven im Durchschnitt 10 %.

(Conradi [SPD]: Reden wir über Mieterschutz oder über Bauland?)

Wir hatten vor zwei Jahren eine Magistratsvorlage, in der gesagt wurde: Wir brauchen keinen Neubau mehr; wir haben im Bestand noch einiges zu tun, und das tun wir. Wir hatten natürlich auch noch aus der Konkursmasse Neue Heimat Gelände zur Verfügung. Jetzt fängt man an, darüber nachzudenken, was man damit macht.
Nehmen wir jetzt noch einmal die Stadt München. Der Dachgeschoßausbau ist schon angesprochen worden. Aber nun gibt es seit gestern die Miete, die sich durch die Neue Heimat wieder einmal betrogen fühlen. Da werden mit 800 Millionen DM öffentlicher Gelder, staatlicher Darlehen, Wohnungen gebaut.

(Geis [CDU/CSU]: 960 Millionen DM! — Zuruf von der SPD)

— 800 Millionen DM ist die Zahl, die Sie heute überall in der Zeitung lesen können; ich verstehe, daß Sie die Seiten gerne überblättern.
Aber das ist es nicht alleine: Es war eine gemeinnützige Gesellschaft, die natürlich unter Steuervorteilen bauen konnte, bevorzugt vor den privaten Haus-



Frau Rönsch (Wiesbaden)

besitzern. Aber das reicht immer noch nicht, nein: Sie hat auch auf öffentliche Grundstücke zurückgegriffen. Jetzt wird das Ganze verschleudert, diesmal nicht an einen Bäcker, sondern an einen Holzhändler. — Na ja, das ist Ihr Problem.

(Müntefering [SPD]: Wessen Problem?)

— Das ist Ihr sozialdemokratisches, hausgemachtes Problem.

(Müntefering [SPD]: Sind Sie nicht in der Gewerkschaft? Sie sind doch Gewerkschafterin! — Conradi [SPD]: Reden Sie doch nicht so daher! — Weiterer Zuruf von der SPD: Nebelwerfer!)

— Genau deshalb, weil ich Gewerkschafterin bin, tut es mir so weh. — Sie, meine Herren, kommen mir vor wie Feuerwehrleute, die diejenigen, die die Brände legen, in den eigenen Reihen haben, die dann mit großem Tatütata zu dem Brand fahren und sagen: Wir kommen und löschen.
Klären Sie erst einmal alles in den eigenen Reihen. Treten Sie einmal das Feuer aus, das Ihre Genossen überall anzünden, damit es in der Bundesrepublik Deutschland nicht zum Flächenbrand kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1120914200
Meine Damen und Herren, hier sind einige Zwischenrufe gefallen, die ich eigentlich hätte rügen müssen; aber da es mehrere waren und es sich dann gegenseitig aufgehoben hat

(Roth [SPD]: Nein, die waren so nett!)

— wenn Sie es wünschen, kann ich Sie zur Ordnung rufen, Herr Kollege Roth — , wollte ich das eigentlich lassen.
Ich würde doch sehr bitten, daß sich bei solchen Aktuellen Stunden, wo der Redner höchstens fünf Minuten hat, wo z. B. die Rednerin der GRÜNEN nur zwei Minuten zur Verfügung hat, die Zwischenrufe in Grenzen halten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man kann nämlich keinen einzigen Gedanken fassen, wenn man in dieser Weise gestört wird. Das betrifft alle Seiten, jeweils den, der gerade redet, manche Seiten mehr, je nachdem, wie er angegriffen wird.
Meine Damen und Herren, mit dieser Moralpredigt ist die Aktuelle Stunde beendet.

(Beifall)

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 10. Mai 1990, 9.00 Uhr ein.
Die Sitzung ist beendet.