Rede von
Prof. Dr.
Eckhart
Pick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Vertreter der Koalition ist in der Tat Skepsis angebracht, Frau Minister, ob Sie ihre Vorstellungen, die Sie geäußert haben, auch tatsächlich umsetzen können.
Mir ist ein zweites aufgefallen: Es wird hier gerne von Ballungsräumen gesprochen, auf die sich angeblich die Notlage im Bereich der Mietwohnungen beschränke. Ich glaube, dem ist nicht so. Die Bundesrepublik ist ein sehr eng besiedeltes Gebiet. Wenn ich an den „Ballungsraum" Rhein-Main denke, muß ich sagen: Die Wohnungsnot ist nicht nur in Frankfurt, in Wiesbaden und in Mainz spürbar, sondern weit darüber hinaus im Umland, im ländlichen Gebiet. Deswegen ist es keine singuläre Erscheinung, sondern eine allgemeine, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.
Wir als Sozialdemokraten haben angesichts dieser dramatischen Situation auf dem Wohnungsmarkt seit langem ein Gesamtkonzept eingefordert, und zwar ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen, weil wir uns darüber im klaren sind, daß es hier eine Menge von Dingen gibt, die wir anpacken müssen. Uns ist klar, daß es kein Patentrezept nur in eine Richtung gibt, sondern daß viele Ansätze verfolgt werden sollen. Diese Fragen spielen insbesondere auch bei der Stärkung des Mieterschutzes eine Rolle.
Herr Gattermann, da sind wir mit Ihnen einig: Mieterschutz als solcher schafft sicher keine neuen Wohnungen. Wir sind im Moment aber in einer besonderen Lage. Wir sind in einer Lage, in der wir einen großen Mangel an Wohnungen haben. Wir haben diesen Mangel einigermaßen zu verwalten und haben die Aufgabe, das Sozialrecht des Wohnens zugunsten der Mieterinnen und Mieter zu gewährleisten. Deswegen kommt auch in einer solchen Zeit dem Mietrecht eine besondere Bedeutung zu.
16458 Deutscher Bundestag — 11 Wahlperiode — 209. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Mai 1990
Dr. Pick
Es ist darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung und die Koalition jahrelang die sich abzeichnende Fehlentwicklung ignoriert haben. Es sind ideologische Gründe gewesen, die 1982/83 dazu geführt haben, daß sie erhebliche Einschnitte in das soziale Mietrecht vorgenommen haben. Das Argument hieß damals: Es sind investitionshindernde Regelungen. Sie sind deswegen abzubauen. Ihr Credo war, daß der Markt für mehr Wohnungen sorgen werde. Die Entwicklung hat dann gezeigt, daß dies falsch war. Obendrein haben Sie das soziale Mietrecht noch als investitionsfeindlich diffamiert. Und nun haben wir die Situation, daß die Bundesregierung mit ihrer Wohnungs- und Mietrechtspolitik gescheitert ist.
Ich darf noch ein Zitat aus dem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 18. Januar dieses Jahres anführen. Da heißt es wörtlich:
Der Wegfall dieser Bedingungen und die Mietrechtsänderung 1982
— ich lasse den nächsten Halbsatz weg
— ich kann ihn auch noch einfügen:
— seither orientiert sich das allgemeine Mietenniveau an den in den letzten drei Jahren jeweils neu abgeschlossenen Verträgen
— jetzt geht es weiter —
wirken jetzt angesichts des Nachfrageüberhangs problemverschärfend.
Ich denke, daß dies eine sehr sachverständige Aussage gewesen ist.
Wir Sozialdemokraten fordern deswegen eine Rückkehr zum sozialen Mietrecht. Wir sind der Auffassung, daß sein Kernbereich u. a. im Schutz des Mieters vor ungerechtfertigter Kündigung durch die Vermieter besteht.
Denn wir wissen, daß das Mietrecht nicht nur eine sachenrechtliche Funktion, sondern auch eine soziale Funktion hat. Die Wohnung ist der Lebensmittelpunkt.
In diesem Sinne fordern wir Sie auf, an diesem Werk mitzuarbeiten und Ihre Ministerin hier nicht im Regen stehenzulassen.