Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn des Jahres 1990 fehlten in der Bundesrepublik nach der untersten Schätzung eine Million und nach der obersten Schätzung 1,7 Millionen Wohnungen. Der Bedarf steigt jährlich um weitere 200 000 bis 300 000 Wohnungen; die zukünftigen Aus- und Übersiedler sind dabei nicht eingerechnet. Ohne den Neubau von Wohnungen würde der Wohnungsbedarf bis Ende 1992 auf 1,6 Millionen — das ist die Untergrenze — bis 2,5 Millionen — das ist die Obergrenze — steigen.
1988 wurden 208 000 neue Wohnungen gebaut. Das war der Tiefstand seit 1949, Frau Ministerin. 1989 waren es 240 000 neue Wohnungen, 1990 werden es hoffentlich 280 000 Wohnungen sein.
— Das sind Bruttozahlen, Herr Dr. Kansy, von denen wir die 60 000 Wohnungen abrechnen müssen, die in jedem Jahr durch Abriß, Umnutzung oder Zusammenlegung verlorengehen.
Die Bauministerin hat bis Ende 1992 1 Million neue Wohnungen versprochen. Nicht Baugenehmigungen, Frau Ministerin, neue Wohnungen haben Sie versprochen. In Baugenehmigungen kann man nicht wohnen. An diese Zahl werden wir Sie häufig erinnern; denn mit Ihrer unzureichenden Politik werden Sie diese Zahl nicht schaffen. Das sind nur Wahlkampfversprechungen, die Sie nicht einhalten können. Aber selbst wenn es gelänge, die Million zu erreichen, die Sie versprochen haben, hätten wir Ende 1992 immer noch einen offenen Bedarf von zwischen 600 000 und 1,5 Millionen Wohnungen.
Im Klartext: Ihre achtjährige Wohnungspolitik, Ihr achtjähriges Versagen wird bis tief in die 90er Jahre hinein in der Bundesrepublik Wohnungsbedarf, in vielen Fällen Wohnungsnot, erzeugt haben. Darüber helfen alles Gerede, alle Versprechungen nicht hinweg.
Nun trifft die Wohnungsnot nicht nur Menschen, die eine Wohnung suchen, sie betrifft vor allem Mieter, die dem Druck steigender Mieten und der Kündigungsdrohung ausgesetzt sind. Wir fragen: Was tun Sie dagegen? Seit Sie regieren, steigen die Mieten schneller als die Löhne, steigen die Mieten schneller als die Preise. Jetzt explodieren die Mieten, und viele Menschen sind in ihren Lebensumständen existentiell von den Folgen Ihrer Wohnungspolitik betroffen. Was macht die Regierung? Was tut sie zum Schutz der Mieter? Nichts!
Wir haben an diesem Pult seit Jahren immer wieder gefordert, Bestandspolitik, Mieterschutz und Neubaupolitik miteinander zu verbinden. Sie haben das abgelehnt. Sie haben jede Änderung im Mietrecht abgelehnt, seitdem Sie 1982 das Mietrecht gelockert haben. Sie sind auch jetzt nicht willens, am Mietrecht etwas zu ändern.
Die FDP sagt eiskalt, sie wolle diese Mietsteigerungen.
— Warmherzig wollen Sie das, warmherzig für die Leute, die dabei kassieren. Sie selber haben diesen Wohnungsmangel zielbewußt mit herbeigeführt, um die Mieten heraufsetzen zu können.
Die CSU macht vage Versprechungen. Im OB-Wahlkampf in München hat der Sprecher der Bundesregierung versprochen, die Mieten würden nicht mehr so schnell steigen. Auch von Ihnen, Frau Ministerin, lesen wir freundliche Worte. Aber umgesetzt wird nichts. Die Union hat für die Sorgen der Menschen keinen Blick mehr. Ihr Blick ist offensichtlich durch die nationale Besoffenheit so getrübt, daß Sie nicht mehr wahrnehmen was in diesem Land an Wohnungsnot vorhanden ist.
Wir fordern Sie auf: Begrenzen Sie den Anstieg der Mieten statt heute 10 % im Jahr auf maximal 5 % im Jahr, und lassen Sie uns das schnell machen! Begrenzen Sie den Mietanstieg bei Wiedervermietung auf maximal 10 % über der örtlichen Vergleichsmiete. Schieben Sie das nicht hinaus, sondern machen Sie das schnell! Regeln Sie die Vergleichsmiete so, daß nicht nur die teuren Wohnungen der letzten Jahre, sondern auch die Wohnungen, die in den letzten 10 Jahren vermietet worden sind, in die Vergleichsmiete eingerechnet werden!
Frau Ministerin, ich lese von Ihnen freundliche Presseerklärungen, die alle in diese Richtung gehen. Schauen Sie, daß Sie in Ihrer Koalition dafür eine Mehrheit bekommen! Wir werden noch vor der Sommerpause entsprechende Anträge einbringen. Dann kommt es zum Schwur, und der Öffentlichkeit wird dann deutlich, wer hier Sprüche macht und wer wirklich etwas für die Mieter tun will.