Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksachen 10/2163, 10/2175 —
Uns liegt auf Drucksache 10/2175 eine Dringliche Frage des Abgeordneten Dr. Emmerlich für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft vor:
Teilt die Bundesregierung die Sorge, daß infolge der laut Pressemeldungen unmittelbar bevorstehenden Fusion zwischen der Krupp Stahl AG, den Klöckner-Werken AG und der Conzino Riotinto of Australia Ltd. Betriebsstillegungen drohen und — unter Einbeziehung von Zulieferbetrieben, wie z. B. der Firma Wuppermann GmbH, Leverkusen — Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet werden, und was kann die Bundesregierung, etwa über bestehende Subventionsverträge oder auf andere Weise, unternehmen, um so schnell wie möglich Einfluß darauf zu nehmen und Klarheit darüber zu schaffen, daß beispielsweise die Klöckner-Werke in Georgsmarienhütte nicht stillgelegt werden und auch anderenorts Arbeitsplätze soweit wie möglich erhalten bleiben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Emmerlich, die Bundesregierung ist davon unterrichtet worden, daß Krupp und Klöckner beabsichtigen, ihre Stahlaktivitäten in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenzuschließen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit sind unternehmensübergreifende Rationalisierungen geplant, die zu Kosteneinsparungen führen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessern sollen. In diesem Rahmen wird es sicher auch zu weiteren Stillegungen kommen. Einzelheiten, insbesondere wo und in welchem Umfange Stillegungen und Arbeitsplatzabbaumaßnahmen geplant sind, sind der Bundesregierung bis jetzt nicht bekannt. Die Unternehmen haben zugesagt, die Bundesregierung alsbald nach der Aufsichtsratssitzung am 24. Oktober 1984, also am heutigen Tage, über Einzelheiten ihrer Pläne zu unterrichten. Sie sind dazu auf Grund der Subventionsverträge verpflichtet.
Die Bundesregierung hat immer darauf hingewiesen, daß auch deutsche Stahlunternehmen weitere kostenverbessernde Maßnahmen ergreifen
müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie dauerhaft zu erhalten. Das Stahlinvestitionszulagengesetz vom Dezember 1981 hat bereits ausdrücklich Kapazitätsabbaumaßnahmen sowie, soweit möglich, unternehmensübergreifende Maßnahmen als Voraussetzung für die Gewährung der Stahlinvestitionszulage gefordert. Die Entwicklung der Umstrukturierungskonzepte ist Aufgabe der Unternehmen. Dazu gehört auch die Entscheidung, welche Kapazitäten im Interesse der dauerhaften Lebensfähigkeit des gesamten Unternehmens und der vorhandenen Dauerarbeitsplätze aufrechterhalten werden können und welche geschlossen werden müssen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich.
Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen, daß das drei Tage vor der Bundestagswahl 1983 vom Bundeskanzler abgegebene Versprechen, alle Stahlstandorte einschließlich Georgsmarienhütte würden erhalten, eingelöst wird?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Emmerlich, der Bundeskanzler hat in einem Fernsehinterview am 3. März 1983 gesagt — und ich zitiere jetzt —:Unser Ziel ist es, die deutsche Stahlindustrie zu erhalten. Wir können nicht sagen: jeden Arbeitsplatz. Aber wir wollen auch versuchen, die Stahlstandorte zu erhalten.Zur Erreichung dieses Ziels hat diese Bundesregierung große finanzielle Leistungen erbracht. Sie hat zudem im Rahmen der EG und im Vergleich zu den Drittländern große Anstrengungen unternommen, um die deutschen Stahlunternehmen zu schützen. Sie wird das Ziel weiterverfolgen. Jedoch ist angesichts der nach wie vor weltweit sehr ernsten Stahlmarktsituation keineswegs sicher, daß es immer und auf Dauer erreicht werden kann. Ob das Ziel nunmehr akut gefährdet ist, läßt sich mangels der nötigen Detailkenntnis nicht sagen. Jedoch ist nach Kenntnis des Bundeswirtschaftsministeriums z. B. der Schmiedebereich des Klöckner-Konzerns am
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6796 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Parl. Staatssekretär Dr. SprungStandort Osnabrück-Georgsmarienhütte erst vor kurzem durch eine Teilfusion mit Krupp gesichert worden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ihre nach den Subventionsverträgen für neue Umstrukturierungspläne erforderliche Genehmigung davon abhängig machen, daß keine Vernichtung von Standorten erfolgt, wird sie insbesondere zukünftige Subventionen dann sperren, wenn es zu einer Schließung von Standorten kommt, und wird sie wie die niedersächsische Landesregierung die Rückzahlung bereits gezahlter Subventionen verlangen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Emmerlich, die Unternehmen sind auf Grund der Subventionsverträge verpflichtet, die Genehmigung der Bundesregierung für wesentliche Änderungen der Konzepte einzuholen. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob und in welchem Umfang die Pläne von Krupp und Klöckner geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze auf die Dauer zu verbessern. Eine Bewertung der Pläne ist insoweit aber erst möglich, wenn sie der Bundesregierung im einzelnen bekannt sind. Wir kennen noch nicht die Konsequenzen der Maßnahmen, die die Unternehmen ergreifen werden bzw. das neue Unternehmen ergreifen wird, wenn die Fusion endgültig beschlossen werden sollte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jobst.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Sorge, daß bei der bevorstehenden Fusion der genannten Unternehmen auch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen in dem revierfernen Stahlstandort in der Oberpfalz in dem Unternehmen Maxhütte, Haidhof, gefährdet sind — es wird davon gesprochen, daß das Kaltwalzwerk stillgelegt werden solle —, und wird sich die Bundesregierung nachhaltig dafür einsetzen, daß diese wichtigen Arbeitsplätze in diesem revierfernen Raum erhalten bleiben?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Jobst, die Bundesregierung kann dazu im Augenblick noch nichts sagen. Sie kennt die Details der Fusion und vor allem die Maßnahmen, die anschließend beschlossen werden sollen, nicht. Wir sind darauf angewiesen — und ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, daß dies zugesagt worden ist —, daß wir von den Unternehmen über die Maßnahmen unterrichtet werden, die man ergreifen will. Wir müssen die Aufsichtsratssitzung vom heutigen Tage abwarten, bevor wir dazu — auch zu Ihrer Frage — Näheres sagen können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roth.
Herr Staatssekretär, mir ist wichtig, daß Sie uns ganz exakt, verbindlich sagen, wann die erste Fühlungnahme der beiden Konzerne mit dem Thema Fusion der drei Unternehmen an Sie herangetragen worden ist, wann Sie informiert wurden, daß ein englischer bzw. australischer Konzern, der Bergbauinteressen hat, an dieser Sache teilnimmt, und mit welchen Informationen — grob dargestellt
— diese erste Fühlungnahme zwischen den Konzernen und der Bundesregierung stattgefunden hat?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Roth, die Unternehmen haben die Bundesregierung in der vergangenen Woche über ihre Absicht unterrichtet
— in der vergangenen Woche, ich kann Ihnen den Tag nicht genau nennen —, die Stahlunternehmen zusammenzulegen. Details haben sie bei dieser Unterrichtung nicht mitgeteilt. Diese wollen sie nach der heutigen Aufsichtsratssitzung nennen, so wie ich es Ihnen schon vorhin erklärt habe.
In die Vorbereitung der Fusion war die Bundesregierung nicht einbezogen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sieler.
Herr Staatssekretär, können Sie, wenn die Bundesregierung dazu nichts sagen kann, wenigstens eine Erklärung für die Bundesregierung abgeben, ob sie sich für den Erhalt der Arbeitsplätze in den von der Fusion betroffenen Regionen, also an den Stahlstandorten, einsetzen wird, die ohnehin schon durch tiefgreifende Arbeitsmarktprobleme gebeutelt sind, wie das insbesondere bei der Maxhütte an den Standorten Haidhof und Sulzbach der Fall ist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich stets für Regionen eingesetzt, die mit großen Problemen zu kämpfen haben. Ich nenne das Beispiel Bremen, ich nenne das Beispiel Saarland. Sie kann aber nicht verhindern, daß auch in diesen Regionen Arbeitsplätze in unrentablen Betrieben abgebaut werden. Wollte sie einen strukturellen Anpassungsprozeß in diesen Regionen aufhalten, so würde dies die Probleme der Regionen nur noch erhöhen. Wie schädlich sich im übrigen derartige staatliche Eingriffe auswirken, zeigen die bitteren Erfahrungen, die unsere EG-Partner im Stahlbereich gesammelt haben. Dort führte die Erhaltung unrentabler Anlagen letztlich dazu, daß die gesamten Unternehmen mit allen ihren Arbeitsplätzen akut gefährdet wurden. Es mußten weit höhere Arbeitsplatzverluste hingenommen werden, als es bei einem rechtzeitigen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Handeln notwendig geworden wäre.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hornhues.
Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal auf das zurückkommen, was Sie eben über die Erklärung des Bundeskanzlers
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6797
Dr. Hornhuesvom 3. März 1983 gesagt haben: Ich habe Sie doch richtig verstanden, daß diese Zielformulierung, bezogen auf Standorte und auch auf Georgsmarienhütte, so gilt, wie sie damals gemacht worden ist?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich darf den Text noch einmal verlesen — das ist sehr wichtig; hier kommt es auf jedes Wort an, Herr Kollege Hornhues —:Unser Ziel ist es, die deutsche Stahlindustrie zu erhalten. Wir können nicht sagen: jeden Arbeitsplatz. Aber wir wollen auch versuchen, ...Das zeigt, daß der Bundeskanzler keine Erklärung abgegeben hat, die definitiver Natur ist. Das ist auch nicht möglich. Die Bundesregierung kann nur versuchen, die Stahlstandorte im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten zu erhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, teilen Sie meine Annahme — um nicht zu sagen: meine Sorge —, daß das Engagement der Australier u. a. zum Ziele hat, deren Energie- und Rohstoffinteressen in einem solchen Konzernverbund optimal zu vertreten, und sehen Sie darin eine Gefahr für unsere eigene Rohstoffund Energiepolitik?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Wolfram, da wir keine Kenntnis über die Überlegungen haben, von denen sich dieses australische Unternehmen leiten läßt, kann ich Ihnen auf Ihre Frage keine bestätigende Antwort geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stratmann.
Herr Sprung, mich interessiert die wettbewerbsrechtliche Seite der anstehenden Fusion. Wie beurteilt die Bundesregierung die anstehende Fusion vor dem Hintergrund dessen, was vor einem Jahr diskutiert worden ist, daß nämlich, sobald zwei größere Stahlkonzerne fusionieren, das aus Wettbewerbszwecken notwendig andere Fusionen nach sich zieht? In diesem konkreten Fall: Sollte es zu dieser Fusion Krupp/Klöckner kommen, werden andere Fusionen nicht lange auf sich warten lassen können. Wie beurteilt die Bundesregierung unter diesem Aspekt die Tatsache, daß z. B. ARBED Saarstahl nach wie vor und jetzt wieder aktuell in Zahlungsschwierigkeiten kommt, was um so mehr gilt, wenn diesem Konzern im Inland durch die Fusion noch stärkere Konkurrenten erwachsen? Denkt die Bundesregierung daran, eventuell von ihren wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um diese Fusion zu verhindern?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Stratmann, die geplante Fusion wird sowohl nach den Vorschriften des EGKS-Vertrages von der EG-Kommission als auch nach deutschem Kartellrecht vom Bundeskartellamt fusionsrechtlich zu prüfen sein. Das sind die rechtlichen Grundlagen für irgendwelche Maßnahmen.
Das Schwergewicht liegt jedoch eindeutig in Brüssel, da die Unternehmen weitgehend Produkte herstellen, die unter den Montanunionsvertrag fallen. Es kann nicht gesagt werden, wie die Entscheidungen dieser beiden Behörden ausfallen; doch hat die EG-Kommission in vergleichbaren Fällen erkennen lassen, daß sie eine Genehmigung erteilen würde.
Die Frage, ob eventuelle Hilfen durch die EG-Kommission genehmigt würden — die Frage haben Sie nicht gestellt; ich sage dazu jetzt schon deshalb etwas, weil sie noch kommen wird —, kann zur Zeit nur schwer beantwortet werden. Doch erscheint eine Genehmigung im Rahmen des Subventionskodex Stahl durchaus denkbar. Dabei dürfte von entscheidender Bedeutung sein, ob die beiden Unternehmen einen weiteren wesentlichen Beitrag zum Kapazitätsabbau leisten, den die EG-Kommission als unverzichtbar für die Gesundung des Stahlmarktes ansieht. Diese Fusion könnte diesen Beitrag leisten.
Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten immer wieder zum Ausdruck gebracht: Fusionen können solch eine Wirkung haben, nämlich zur Gesundung des Stahlmarktes beitragen. Allerdings gilt auch hier die Einschränkung, daß wir zunächst einmal die Details, die Einzelheiten über diese Fusion kennen müssen, bevor dazu Endgültiges gesagt werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Neumann.
Herr Staatssekretär, ich komme zurück auf das bereits zitierte Fernsehinterview — richtigerweise muß man wohl von einer Fernsehdiskussion sprechen — der Spitzenkandidaten anläßlich der Bundestagswahl. Wollen Sie ernsthaft bestreiten, was Millionen von Fernsehern, insbesondere auch im Rahmen Osnabrück, gesehen haben, daß nämlich der Bundeskanzler das Versprechen abgegeben hat, den Stahlstandort Georgsmarienhütte — er hat ihn namentlich genannt — zu erhalten?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich darf noch einmal auf den Text hinweisen; ich will ihn nicht ein zweites Mal zitieren.
Ich habe etwas zur Situation als solcher gesagt, welche Möglichkeiten bestehen. Die Möglichkeiten gehen nicht so weit, daß man diesen Standort für alle Zeiten festschreiben kann. Die Bundesregierung kann nur im Rahmen der Maßnahmen, an denen sie mitwirkt, tätig werden. Sie kann aber auf
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6798 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Parl. Staatssekretär Dr. Sprungkeinen Fall ein Unternehmen anweisen, solch einen Standort aufrechtzuerhalten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lutz.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung eine solche Standortgarantie nicht geben kann, warum erweckt dann der Bundeskanzler vor der Wahl den Anschein, er könne diese Garantie geben? Und wenn ich Ihre bemerkenswerte Uninformiertheit über den Gang der Dinge jetzt in Rechnung stelle: Wie, glauben Sie wohl, reagieren die Betroffenen auf eine solche Fragestunde?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, jetzt müßte ich den Text eigentlich wiederholen. Noch einmal: eine solche Garantie ist nicht gegeben worden. Ich glaube, ich habe deutlich gemacht, daß der Text das erkennen läßt. Der Text ist in sich klar und zeigt, daß eine solche Garantie nicht gegeben worden ist.
Auf der anderen Seite möchte ich auch darauf hinweisen — insoweit wiederhole ich mich —, daß die Bundesregierung in der Zwischenzeit alles getan hat, um die Stahlstandorte in der Bundesrepublik, soweit es irgend geht, zu erhalten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vosen.
Herr Staatssekretär, Sie haben mehrmals betont, daß Sie die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Fusion beschlossen wurden, nicht kennen bzw. erst heute erfahren werden.
Hat die Bundesregierung überhaupt Vorstellungen zur Neuordnung der deutschen Stahlindustrie, nachdem Leistungen von über 3 Milliarden DM erbracht worden sind?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Über die Vorstellungen der Bundesregierung bezüglich des weiteren Schicksals der Stahlindustrie ist in diesem Hause in den letzten Monaten sehr häufig diskutiert worden. Die Bundesregierung hat ihre Sicht der Dinge dargestellt. Sie hat zum Ausdruck gebracht, daß das, was in Brüssel beschlossen worden ist, insoweit ihre Zustimmung findet; denn sie weiß, daß eine Gesundung des Stahlmarktes nur möglich ist, wenn es in allen europäischen Stahlindustrien zu Kapazitätsanpassungen kommt. Nur so ist wieder eine gesunde Grundlage für diesen Industriezweig zurückzugewinnen. Sie hat bemerkenswerte Hilfen zur Verfügung gestellt, um diesen Anpassungsprozeß zu unterstützen. Die Programme kennen Sie. Ich könnte sie Ihnen aber gerne wiederholen, wenn sie dies wünschen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß Conzino Riotinto of Australia — das ist der dritte Partner, um den es geht — in der Branche als Unternehmenskiller bekannt ist? Und muß man davon ausgehen, daß es, wenn dieses Unternehmen seine Rohstoff- bzw. Kohleprobleme einbringt, zur Aufkündigung von Lieferverträgen bei den Kohleproduzenten in der Bundesrepublik kommt, insbesondere bei der Ruhrkohle AG?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, uns ist bekannt, daß es sich bei diesem Unternehmen um einen Erzlieferanten handelt.
Alles andere, was Sie eben vorgetragen haben, ist uns nicht bekannt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stockleben.
Herr Staatssekretär, in Anbetracht dessen, daß Sie die angebliche Garantie des Bundeskanzlers zu den Stahlstandorten hier nicht wiederholen bzw. in der hier vorgetragenen Form nicht bestätigen können,
meine -ich, daß das, was Sie hier eben ausgeführt haben, daß die Bundesregierung zur Zeit keine. Detailkenntnisse habe und erst nach der heutigen Aufsichtsratssitzung informiert werde, den Schluß zuläßt, daß die Bundesregierung im Grunde genommen auf diese Fusion so gut wie keinen Einfluß nimmt und nehmen wird, obwohl auch ein bundeseigener Stahlkonzern mittelbar oder unmittelbar durch solche Fusionen langfristig betroffen sein wird. Dies ist doch beschämend nicht nur für die Bundesregierung, die gestaltend tätig werden sollte
— es kommt nicht darauf an, Subventionen zu verwalten —, sondern auch im Hinblick darauf, daß es einen bundeseigenen Stahlkonzern gibt, dessen Interessen ja auch durch die Bundesregierung vertreten werden müssen.
Wie beurteilen Sie das von mir soeben Gesagte in Anbetracht der Stahlstandort-Garantie?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, es geht um die Fusion Krupp/Klöckner. Der Bundesregierung sind — ich wiederhole es — bis zu diesem Augenblick keine Details bekannt. Dies ist auch nicht möglich; denn der Aufsichtsrat tagt erst heute. Heute wird entschieden, und danach wird die Bundesregierung unterrichtet werden.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6799
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Wieczorek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, liegen Ihnen keine Informationen vor; Sie warten die Aufsichtsratssitzung ab. Daher möchte ich Sie fragen: Wann haben die letzten Subventionsverhandlungen mit den beiden beteiligten Unternehmen, also Klöckner und Krupp, von Ihrer Seite aus stattgefunden, warum sind in diesem Zusammenhang, da ja Gerüchte darüber schon eine Weile auf dem Markt sind, nicht entsprechende Fragen gestellt worden, die zur Aufklärung des Tatbestandes rechtzeitig hätten beitragen können, und sehen Sie hier nicht einen Unterschied zu dem Vorgehen der Bundesregierung bei einem anderen Subventionsempfänger, der ARBED Saarstahl, der Sie Planungsauflagen im vorhinein, vor Aufsichtsratssitzungen gemacht haben?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen nicht auf den Tag genau sagen, wann die letzten Zuwendungen erfolgt sind. Ich müßte dies feststellen lassen. Ich habe die entsprechenden Daten hier nicht verfügbar.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dreßler.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt mehrmals erklärt, daß Sie keine Detailkenntnisse haben. Dem entnehme ich, daß Sie Globalkenntnisse haben. Können Sie uns erklären, welcher Art diese Globalkenntnisse sind, und uns wenigstens sagen, in welche Richtung das Fehlen der Detailkenntnisse geht?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ja, das habe ich hier bereits vorgetragen. Das, was die Bundesregierung weiß, ist von mir vorgetragen worden.
Ich will das nicht wiederholen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Grünbeck.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß in Anbetracht der jetzt laufenden Aufsichtsratssitzungen der deutschen Stahlindustrie und auch der Erhaltung der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie wenig damit gedient ist, wenn die Opposition dieses Hauses eine Hektik entfaltet, die der Gesamtentwicklung nicht guttut?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich teile diese Auffassung, Herr Kollege Grünbeck.
Herr Staatssekretär, hatten Sie bereits geantwortet? Ich konnte es nicht hören.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich habe geantwortet, daß ich diese Auffassung des Kollegen Grünbeck teile.
Meine Damen und Herren, keine Aufregung! Hier handelt es sich um das Fragerecht, und das wird hier durchgeführt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wiefel.
Herr Staatssekretär, ist es Ihnen geläufig, daß die Firma Wuppermann/Leverkusen erst kürzlich mit Krupp fusioniert hat, ist Ihnen denn angesichts der Fülle der Arbeitsplätze, die hier auf dem Spiele stehen — ich muß hier insistieren und Sie noch einmal ausdrücklich danach fragen —, wirklich nicht bekannt, wie es um die Zukunft dieses Betriebes steht, und ist es nicht so, daß Ihnen die Folgeentwicklungen solcher Entscheidungen klar sein müßten, wenn Sie schon finanziell beitreten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der erste Teil Ihrer Frage ist zu bejahen: Uns ist dies bekannt.
Zum zweiten Teil möchte ich sagen, daß der Bundesregierung bis jetzt keine konkreten Absichten der Unternehmen bekannt sind, im Falle der Firma Wuppermann Entscheidungen zu treffen — welcher Art auch immer.
Zusatzfrage, Herr Dr. Lammert.
Frau Präsident, es wäre dem Ablauf einer solchen Fragestunde sicher dienlich, wenn Kollegen, die Zusatzfragen stellen, schon bei der Antwort der Bundesregierung auf die ursprünglich eingereichte Frage zugegen gewesen wären, weil damit Wiederholungen vermieden werden könnten.
Verehrtester Herr Kollege, es gehört nicht zu Ihrem Bereich, eine solche Feststellung zu treffen.
Wenn Sie jetzt bitte Ihre Frage stellen.
Ich räume freiwillig ein, daß mir das durchaus bewußt war.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß angesichts der nun gleichzeitig stattfindenden Aufsichtsratssitzung, die der Bundesregierung ja frühestens heute abend halbwegs präzise Informationen über die Absicht der Fusionskandidaten vermittelt, die Einbringung einer solchen Dringlichkeitsfrage und eine sich daran möglicherweise an-
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6800 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Dr. Lammertschließende Aktuelle Stunde morgen allemal sinnvoller gewesen wären als heute, wenn die Opposition nicht an einer polemischen Auseinandersetzung mit der Haltung der Bundesregierung, sondern an einer nüchternen Aufklärung der Chancen und Risiken einer solchen möglichen Fusion interessiert wäre?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich teile diese Auffassung, Herr Kollege Lammert.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reschke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß Ihr Wissen und das Wissen der Bundesregierung ziemlich mager sind, nachdem schon am 30. Mai 1984 Dr. Alfons Gödde, Vorsitzender des Vorstands der Krupp AG, dem Oberbürgermeister der Stadt Essen, Horst Katzor, folgendes mitgeteilt hat — ich zitiere —:
Der von Krupp Stahl AG und Klöckner-Werke AG gegründeten Schmiedewerke Krupp-Klöckner-GmbH liegt eine Konzeption zugrunde, wonach gleiche Produkte, die heute noch an verschiedenen Standorten gefertigt werden, im Zuge der Strukturveränderung auf einen Standort konzentriert werden sollen. Hierdurch sollen, soweit das gesamte Umfeld die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, eine verbesserte Auslastung ... erfolgen.
Ist Ihnen dieses Konzept nicht bekannt? Sind die Umfeldaktivitäten dieser beiden Konzerne, die sich jetzt zusammengeschlossen haben, nicht bekannt? Ist überhaupt der seinerzeitige Vorstandsbeschluß bekannt? Was ist mit „Umfeldaktivitäten" gemeint worden?
Dr. Sprung Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Zusammenlegung der Schmiedeaktivitäten haben mit dem Gegenstand dieser Dringlichen Frage, nämlich der Fusion der beiden Unternehmen, nichts zu tun.
Herr Abgeordneter Dr. Jens, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß eine mögliche Fusion Krupp/ Klöckner zu erheblichen Verzerrungen auf dem deutschen Stahlmarkt führen würde, und sind Sie bereit, die anderen Stahlproduzenten vor einer Genehmigung einer derartigen Fusion ausführlich zu hören?
Dr. Sprung Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jens, ich kann den ersten Teil Ihrer Frage nicht bestätigen. Aber daß die anderen Stahlunternehmen unterrichtet und befragt werden, davon können Sie ausgehen. Dies wird die Bundesregierung tun.
Zusatzfrage, Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, hätten Sie die Güte, die Vollständigkeit oder Unvollständigkeit der Ihnen vorliegenden Mitschrift des Bundespresseamts jener Fernsehsendung mit Bundeskanzler Kohl zu überprüfen, sich für den Fall der Unvollständigkeit der Mitschrift die vollständige Fassung geben zu lassen und mir schriftlich mitzuteilen, ob die Nennung des Standortes Georgsmarienhütte die Bundesregierung zu einem anderen Handeln veranlassen würde oder aber ob der Kanzler in der Fernsehsendung den Mund zu voll genommen hat wie bei der Lehrstellengarantie?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, ich bin gerne bereit, Ihrem Wunsche zu entsprechen. Aber ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß der Text klar und eindeutig ist. Der Bundeskanzler hat eine solche Garantie nicht gegeben. Er hat davon gesprochen, daß wir, die Bundesregierung, versuchen wollen, die Standorte zu halten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, wenn Sie der Meinung sind, daß die Informationen der Bundesregierung sehr dünn und dürftig sind — darf ich Sie fragen, ob Sie vielleicht Möglichkeiten haben, mit dem Herrn Lambsdorff zu reden, der laut Zeitung erklärt hat, nach seinen wasserdichten Informationen würden die Krupp Stahl AG und Klöckner-Werke kurz vor einer Fusion ihrer Stahlaktivitäten unter Kapitalbeteiligung der genannten Firma stehen.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe hier für die Bundesregierung geantwortet. Die Bundesregierung hat keine weiteren Informationen als die, die ich Ihnen mitgeteilt habe.
Ein Abgeordneter hat die Möglichkeit, sich aktiv, direkt, im Zugehen auf die Firmen zu unterrichten. Die Bundesregierung ist in dieser Situation in einer anderen Lage.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reuter.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von notwendigen Anpassungen bzw. schlossen solche nicht aus. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Falle von Anpassungen, die ja zu Härten in den betroffenen Regionen führen werden, zur Abfederung der mit der Anpassung verbundenen Härten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Kollege, daß Sie die Fusion im Auge haben? — Wir werden abwarten, ob die Unternehmen — oder das neue Unternehmen — überhaupt Wünsche — und wenn j a, welche — vorbringen werden. Erst dann werden wir uns dazu äußern können. Wir haben keinen Anlaß, von uns aus Überlegungen anzustellen, die jene Zielsetzung haben, wie Sie sie eben formuliert haben.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Skarpelis-Sperk.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6801
Herr Staatssekretär, kann man Ihren Ausführungen entnehmen, daß zwar den Großunternehmen immer bekannt ist, was die Bundesregierung plant, nicht aber der Bundesregierung, was die Großunternehmen planen,
und sind Sie wirklich der Meinung, daß sich wohl die Abgeordneten, auf Grund von Presseinformationen um den Sachstand bemühen können, nicht aber die Bundesregierung?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das können Sie meinen Worten nicht entnehmen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.
Herr Staatssekretär, können Sie mir Auskunft darüber geben, ob die Bank der Arbeitgeber — in dem mitbestimmten Aufsichtsrat vertreten — und die Bank der Arbeitnehmer — durch die Gewerkschaften im Aufsichtsrat vertreten — unterschiedlich oder gleichstimmig votieren werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann Ihnen dazu leider in diesem Augenblick noch keine Antwort geben. Aber auf jeden Fall ist sicher, daß wir es mit mitbestimmten Unternehmen zu tun haben, und da ist die Situation so, wie Sie sie eben geschildert haben.
Vorletzte Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Weinhofer, bitte.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie auf Grund Ihrer Antworten meiner Annahme zu, daß diese Bundesregierung a) nicht sagt, was sie denkt, b) nicht sagt, was sie weiß, und c) nicht weiß, was sie sagt?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Keine Antwort auf diese ausgesprochen polemische und mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende Frage.
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. — Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Häfele zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Dr. Sperling auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in nächster Zeit die Abschreibungsmöglichkeiten für neue Energietechnologien und Fernwärme nach dem Einkommensteuerrecht zu ändern?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Sperling, die Antwort lautet so: Die Förderung für neue energiesparende Technologien und bestimmte Fernwärmeanschlüsse ist in § 82 a der EinkommensteuerDurchführungsverordnung geregelt. Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit keine Änderung dieser Vergünstigung.
Ich nehme aber an, daß sich Ihre Frage auch auf die von der Bundesregierung beabsichtigte Neuregelung der Förderung selbstgenutzten Wohneigentums bezieht. Wegen des ab 1987 vorgesehenen Wegfalls der Nutzungswertbesteuerung für selbstgenutztes Wohneigentum ist aus steuersystematischen Gründen insoweit für eine Abschreibungsvergünstigung kein Raum mehr.
Die Prüfung der mit der Neuregelung zusammenhängenden Probleme ist noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, darf ich, da ich für die steuersystematischen Gründe ein gewisses Verständnis habe, dann fragen, ob der Finanzminister — wie ich hoffe: selbstverständlich —, wenn steuersystematische Gründe zum Wegfall dieser Regelungen zwingen, dafür sorgen wird, daß das mit diesen bisherigen Regelungen geförderte Energiesparen auf andere Art und Weise mindestens ebenso unterstützt wird wie mit diesen Regelungen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, ich habe Ihnen gesagt, daß die Überlegungen noch nicht abgeschlossen sind. Aber Sie kennen auch die Diskussion, die wir im Grunde seit Jahren führen, ob man für ewige Zeiten diese Anstoßwirkung für energiesparende Maßnahmen im Wege des Steuerrechts schaffen soll oder ob nicht der Markt im Eigeninteresse der Betroffenen selbst es längst schon eigentlich besser löst.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, ich nehme an, daß eine Energiesparpolitik, die wohl einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren umfassen wird, für die Bundesregierung nicht schon eine Ewigkeit ist.Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein. Herr Kollege Dr. Sperling, Sie wissen doch, daß es weitgehend heute schon lohnend ist, wenn einer vernünftig in sein Häusle etwas einbaut. Und das wird von Jahr zu Jahr besser. Es geht ja nur um die eigengenutzte Wohnung. Und da hier insgesamt eine verbesserte Dauerförderung eingeführt wird, ist die
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6802 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Parl. Staatssekretär Dr. HäfeleFrage, ob darüber hinaus Sonderförderungen überhaupt noch notwendig sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Weinhofer auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt ist die Bundesregierung bereit, dem Beispiel vieler Städte und Kommunen zu folgen, Fahrzeuge des Fuhrparks des Deutschen Bundestages und der Ministerien entweder mit Abgaskatalysatoren auszustatten oder Kraftfahrzeuge zu kaufen, die dann den heute geforderten Umweltschutzrichtlinien genügen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weinhofer, die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß sie ihren Fahrzeugpark im Rahmen der Ersatzbeschaffungen zügig auf abgasarme Fahrzeuge umstellen wird. Sie hat am 3. Oktober 1984 in Übereinstimmung mit der Anregung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages beschlossen, daß der Bund vom Haushaltsjahr 1985 an nicht nur für den Fahrzeugpark des Deutschen Bundestages und der obersten Bundesbehörden, sondern für die gesamte Bundesverwaltung als Dienst-Pkw grundsätzlich nur noch Fahrzeuge beschafft, die die von der Bundesregierung am 19. September 1984 festgelegten Abgasgrenzwerte einhalten. Soweit im Einzelfall die benötigten Fahrzeuge nicht angeboten werden und/oder die Versorgung mit bleifreiem Kraftstoff noch nicht sichergestellt ist, ist zu prüfen, ob die Beschaffung zeitlich aufgeschoben werden kann. Bundesbahn und Bundespost sind aufgefordert, entsprechend zu verfahren.
Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Weinhofer.
Herr Staatssekretär, plant die Bundesregierung, Katalysatoren auch in anderen Bereichen, sprich BGS und Bundeswehr, einzuführen; wenn ja: bis wann?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich habe gesagt: Es gilt für den gesamten Dienstfahrzeugbereich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie damit gleichzeitig den Bundesminister der Verteidigung und nicht nur die dort zivil genutzten Fahrzeuge, sondern auch die militärisch genutzten Fahrzeuge meinen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Da müssen Sie natürlich schauen, wie weit die Technik insofern bei speziellen Fahrzeugen ist. Ich habe von den eigentlichen Dienstfahrzeugen im zivilen Dienst gesprochen. Ob militärisch die Voraussetzungen geschaffen sind, ist eine Frage der Entwicklung. Da müssen Sie die Militärsachverständigen fragen. Das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das von Ihnen aufgezeigte Problem, nämlich daß genug bleifreies Benzin an genug Tankstellen angeboten wird, zu lösen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Wir haben ja Gespräche mit der Mineralölwirtschaft geführt, und sie werden fortgesetzt. Es besteht Grund zu der Annahme, daß das jetzt in den nächsten Monaten doch sehr zügig in Gang kommt.
Herr Kollege, wünschen Sie eine Zusatzfrage? — Nein.
Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf.
Der Fragesteller der Frage 3, der Abgeordnete Stiegler, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Antretter auf:
Bestätigt die Bundesregierung, daß der Bundesinnenminister vor Jahresfrist einer Gruppe von interessierten EuropaAbgeordneten die Erstellung und regelmäßige Übersendung der sogenannten Grenzaufgriffsstatistiken, getrennt nach Binnengrenzen zwischen den EG-Ländern, Grenzen zu Drittländern und Flug- oder Seehäfen bzw. sonstigen zugesagt, diese Zusage aber weder eingehalten, noch ihre eigenen Überlegungen und Beurteilungen auf diese Dreiteilung und entsprechend gruppierte Vergleiche abgestimmt hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Antretter, die Bundesregierung kann eine solche Zusage nicht bestätigen. Der Vorwurf, eine solche Zusage weder eingehalten noch für entsprechende Abstimmung gesorgt zu haben, ist unbegründet. In einem Gespräch des Bundesministers des Innern mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments am 31. August 1983 wurde diesen eine Übersicht über die nationalen und internationalen Initiativen des Bundesministers des Innern zur Erleichterung des Grenzübertritts für Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft an den Binnengrenzen der EG zugesagt. Diese Übersicht wurde den Abgeordneten mit Schreiben vom 29. September 1983 zugesandt. Auf Anforderung wurde einem der Abgeordneten mit Schreiben vom 20. Februar 1984 zusätzlich eine aktualisierte Fassung übermittelt. Die grenzpolizeiliche Erfolgsstatistik ist nach Grenzschutzämtern gegliedert. Für das 1. Halbjahr 1984 wurde sie erstmals auch nach Binnengrenzabschnitten zu unseren EG-Nachbarstaaten aufgeschlüsselt und einem der oben genannten Abgeordneten des Euro-
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Parl. Staatssekretär Sprangerpäischen Parlaments mit Schreiben vom 11. September 1984 übersandt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Antretter.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihre Auskunft so verstehen, daß die Europaparlamentarier, die mich über diesen Tatbestand unterrichtet haben, mir nicht die Wahrheit gesagt haben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte meine Antwort nicht interpretieren, weil sie eindeutig ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Antretter auf:
Welches Stichprobenmaß ist den noch verbliebenen Kontrollbeamten an den Binnengrenzen bei Personenkontrollen anhand gegeben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Antretter, eine Stichprobenkontrolle findet bisher nur an der deutsch-französischen und der deutschösterreichischen Grenze für EG-Staatsangehörige bzw. Deutsche und Österreicher statt. Den Beamten ist dabei kein bestimmtes Stichprobenmaß vorgegeben. Dies wäre polizeitaktisch auch nicht sinnvoll. Der Wert grenzpolizeilicher Kontrollen liegt unter anderem darin, daß sich ihre Intensität und Häufigkeit nicht vorausberechnen läßt. Bei Inhabern von Europa-Plaketten — Grünen Scheiben — soll nach dem deutsch-französischen Abkommen vom 13. Juli 1984 über den schrittweisen Abbau von Grenzkontrollen an der deutsch-französischen Grenze und nach dem entsprechenden Abkommen mit Österreich vom 21. August 1984 die Stichprobendichte aber deutlich geringer sein als bei anderen Reisenden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Antretter.
Herr Staatssekretär, besteht die früher gültige Regel noch, daß Anlaß zu besonderen Abfertigungsmaßnahmen für die Abfertigungsbehörden nur Warteschlangen von voraussichtlich über 20 Minuten geben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das wird jeweils abhängig sein von der Verkehrsbelastung und von den anderen Interessen, die die Beamten jeweils abzuwägen haben. Ich sagte schon, daß das unter dem Gesichtspunkt auch eine Frage der jeweiligen Polizeitaktik ist.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Sperling auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Jubiläen von Behörden unter möglichst großer Beteiligung der Mitarbeiter dieser Behörden gefeiert werden sollten, und warum verfährt sie nicht dementsprechend?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Sperling, allgemein verbindliche Richtlinien für die Veranstaltung von Jubiliäumsfeiern bestehen im Bereich der Bundesverwaltung nicht. Diese sind auch nicht erforderlich. Die verantwortliche Planung und Durchführung derartiger Veranstaltungen fällt als Ausfluß der Organisationsgewalt in die Zuständigkeit der einzelnen Behördenleiter. Je nach der Situation des Einzelfalls werden bei der Planung und Durchführung von Jubiläumsfeiern Kriterien wie z. B. Erfordernis verwaltungsexterner Repräsentanz, angemessene Beteiligung der Mitarbeiter, Umfang der verfügbaren finanziellen und sächlichen Mittel unter Beachtung des für das Verwaltungshandeln geltenden Sparsamkeitsprinzips berücksichtigt und in Einklang gebracht werden müssen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, war es denn im Einklang, das 30jährige Bestehen des Bundespresseamts unter weitgehender Aussperrung der Mitarbeiter zu feiern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe keine Informationen gehabt, daß sich Ihre Frage speziell auf das Bundespresseamt und sein Jubiläum bezogen hat. Nach Presseinformationen hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, daß das unter Ausschluß der Mitarbeiter geschehen ist.
Herr Staatssekretär, darf man aus Ihrer Antwort entnehmen, daß sich allgemeine Formulierungen möglichst nie auf spezielle Ereignisse beziehen sollen bei dieser Bundesregierung?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich wäre Ihnen sogar dankbar gewesen, wenn Sie Ihre Frage konkretisiert hätten. Das hätte mir dann sogar eine etwas konkretere Antwort ermöglicht.
Ich rufe Frage 15 des Herrn Abgeordneten Lambinus auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung sogenannte „Kameradschafts- bzw. Traditionstreffen" von ehemaligen Einheiten der früheren „SS", wie z. B. das Treffen der ehemaligen „4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division" am 13./14. Oktober 1984 in Marktheidenfeld ?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es handelt sich bei diesen Treffen um Zusammenkünfte von Personen, die Einheiten und Verbänden der ehemaligen Waffen-SS angehört haben. Tatbestände, die auf Grund strafrechtlicher, polizeirechtlicher oder versammlungsrechtlicher Gesetzesvorschriften ein behördliches Verbot solcher Zusammenkünfte rechtfertigen würden, sind nach Kenntnis der Bundesregierung nicht erfüllt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Lambinus.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Mitglieder der 4. SS-Polizei-Panzer-
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Lambinusgrenadier-Division in Griechenland in Distemon 218 Menschen ermordet haben, in Glisura 215 Menschen ermordet haben, in Kalawrita 1400 Menschen ermordet haben, daß dies festgestellt wurde vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, aber auch aus Akten der Staatsanwaltschaft II in München hervorgeht, und wie stellt sich die Bundesregierung zum Schreiben der bayerischen Staatskanzlei vom 18. September 1984, welche im Auftrage des bayerischen Ministerpräsidenten die Auffassung geäußert hat, daß das Auftreten von Kameradschaftsverbänden ehemaliger Einheiten der SS gegenüber den Opfern der NS-Politik mit Sicherheit „Zynismus" sei und daß den Auftritten ehemaliger SS-Einheiten im Rahmen der politischen Auseinandersetzung nachhaltig zu begegnen sei?Spranger, Parl. Staatssekretär: Die berechtigten Vorwürfe, die gegen Teile der Waffen-SS wegen im Zweiten Weltkrieg begangener Verbrechen zu erheben sind, lassen sich nicht unbesehen auf Vereinigungen übertragen, in denen sich Männer zusammengeschlosen haben, die Soldaten in Truppenverbänden der damaligen Waffen-SS waren, ohne daß gegen sie der Vorwurf einer persönlichen Teilnahme an Verbrechen erhoben werden kann.
Wer an derartigen Verbrechen beteiligt war, wurde und wird in unserem Lande strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, ich habe Sie gefragt, ob Ihre Antwort vor dem Hintergrund gegeben wurde, daß der Bundesregierung bekannt ist, daß speziell diese 4. Division die von mir genannten Verbrechen begangen hat — Regimenter dieser 4. Division trafen sich in Marktheidenfeld —; ich bitte Sie, Ihre Antwort deshalb noch einmal zu überlegen und sie vielleicht neu zu formulieren. Gleichzeitig darf ich Sie, noch einmal unter Bezugnahme auf das Schreiben der bayerischen Staatskanzlei, fragen: Wie stellt sich die Bundesregierung dazu, und wie stellt sich die Bundesregierung die nachhaltige politische Auseinandersetzung hinsichtlich des Auftretens ehemaliger SS-Einheiten eigentlich vor?
Herr Staatssekretär, bitte.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lambinus, ich habe eingangs meiner zweiten Antwort erklärt, daß der Bundesregierung bekannt ist, daß im Rahmen der Waffen-SS Verbrechen geschehen sind.
Ich habe aber hinzugefügt — vielleicht stimmt das etwas nachdenklich —, daß man diese Verbrechen nicht auf alle Angehörigen der Waffen-SS übertragen kann.
Ich darf hier einen Leserbrief vom 12. November 1965 aus der „Zeit" zitieren:
Man darf nicht in den Fehler verfallen, alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu beladen, und sie mit den NS-KZ-Bewachungsmannschaften in einen Topf werfen ... Man kann aber wegen dieser Umstände weder alle Soldaten der ehemaligen Wehrmacht noch alle Soldaten der Waffen-SS gemeinsam und ohne Unterschied öffentlich ächten oder brandmarken. Nach meiner Überzeugung müssen alle ehemaligen Soldaten, die sich nichts zuschulden kommen ließen, nach gleichem Recht behandelt werden.
Unterschrift: Senator Helmut Schmidt, Hamburg.
Ich nehme auf diese Bewertung Bezug.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwenninger.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß über diese Vorfälle in der letzten Woche eine Monitor-Sendung berichtet hat und daß in der Öffentlichkeit ein wirkliches Interesse daran besteht, zu erfahren, wie Sie zu diesen Vorfällen stehen.
Wollen Sie der Sache wenigstens nachgehen und die schweren Vorwürfe einmal überprüfen, die in dieser Sendung erhoben worden sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, ob Monitor die geeignete Sendung ist, historische Fakten zu belegen. Ich sagte aber schon: Wenn hier strafrechtliche, versammlungsrechtliche oder sonstige Fakten vorliegen, so werden diese selbstverständlich dem entsprechenden Wege gemäß behandelt. Wir haben bisher keinen Anlaß zu der Annahme — das sagte ich auf die erste Frage des Kollegen Lambinus —, daß derartige Voraussetzungen gegeben sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weinhofer.
Herr Staatssekretär, wie hat die Bundesregierung den Botschafter des Landes Griechenland beschieden, der gegenüber der Bundesregierung sehr nachdrücklich gegen das Treffen in Marktheidenfeld protestiert hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Mir ist nicht erinnerlich, daß der Botschafter im Bundesinnenministerium vorstellig geworden ist.
Was möglicherweise das Auswärtige Amt gesagt hat, ist mir nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peter.
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Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, eine Übersicht über die anläßlich dieses Treffens bei der Bundesregierung eingegangenen Proteste zu erstellen und sie der Öffentlichkeit oder zumindest den Fragestellern, die in dieser Fragestunde einschlägige Fragen gestellt haben, bekanntzugeben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich gehe davon aus, daß die Absender derartiger Briefe im Rahmen des Üblichen beschieden werden.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist dieser Geschäftsbereich beendet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sprung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Schwenninger auf:
Wie hoch war der Gesamtwert der mit Genehmigung der Bundesregierung für den Export nach Südafrika genehmigten Waren aus Teil I, Abschnitte A, B und C der Ausfuhrliste zur Außenwirtschaftsverordnung im ersten Halbjahr 1984?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Schwenninger, die Statistiken über die Ausfuhrgenehmigungswerte der Waren des Teils I der Ausfuhrliste werden jährlich nach Abschluß des laufenden Kalenderjahres erstellt. Aggregierte Genehmigungsdaten für 1984 liegen daher erst im Frühjahr 1985 vor.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwenninger.
Herr Staatssekretär, können Sie einen Zusammenhang herstellen zwischen dem, was gestern in den Medien berichtet worden ist über die Aufmärsche von 7 000 Soldaten in Südafrika, die mit deutschen Lastkraftwagen — ich konnte es erkennen — des Fabrikats MagirusDeutz und Daimler-Benz — Unimogs — aufgefahren sind und dort systematisch in eine militärische Aktion — —
Verzeihen Sie, Herr Kollege, ich kann den Zusammenhang mit der ersten Frage nicht erkennen; es tut mir furchtbar leid. Sie müssen schon eine konkrete Frage stellen. Sie können hier nicht Ausführungen machen, die mit Ihrer Frage keinen unmittelbaren Zusammenhang haben.
Bitte, stellen Sie Ihre Frage.
Können Sie sich vorstellen, daß es in den angesprochenen Bereichen Produkte, die von uns dorthin exportiert worden sind, geben kann, die in diesem Gesamtzusammenhang gegen die Schwarzen verwandt werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Schwenninger, Sie haben nach dem Gesamtwert der Exporte gefragt. Ich kann beim besten Willen keinen Zusammenhang zwischen Ihrer jetzigen Frage und der Frage sehen, die Sie zur Beantwortung eingereicht haben. Das hat bereits die Frau Präsidentin festgestellt; ich darf es wiederholen.
Herr Schwenninger, Sie wollen nicht weiter fragen? — Dann rufe ich, Herr Schwenninger, Ihre Frage 17 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Firma Zahnräderfabrik Renk AG, Augsburg, gemeinsam mit der im Panzerbau tätigen südafrikanischen Firma Sandrock-Austral Ltd. das Gemeinschaftsunternehmen Renk Südafrika Ltd. gegründet hat und sich somit ein weiteres bundesdeutsches Rüstungsunternehmen an der Rüstungsproduktion in Südafrika beteiligt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Schwenninger, über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens der Firma Zahnräderfabrik Renk AG, Augsburg, mit der südafrikanischen Firma Sandrock-Austral Ltd. ist der Bundesregierung nichts bekannt.
Die Bundesregierung wiederholt in diesem Zusammenhang, daß für Waren, die unter das Waffenembargo des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen nach der Resolution 418 vom 4. November 1977 fallen, keine Genehmigungen zur Ausfuhr nach Südafrika erteilt werden. Dies gilt auch für Fertigungsunterlagen und Lizenzen zur Herstellung dieser Waren.
Zusatzfrage? — Keine Zusatzf rage.Ich rufe dann die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Kübler auf:Ist die Bundesregierung bereit, bei der schwedischen Regierung und der Firma Avesta-Sanvik Tub alle Versuche zu unternehmen, das Tochterwerk Fagersta Sanvik Rohr GmbH in Lampertheim , dessen Schließung von der Mutterfirma für 1985 in Aussicht gestellt worden ist, zu erhalten, und dabei auch zum Ausdruck zu bringen, daß die Schließung als ein unfreundlicher wirtschaftspolitischer Akt gegenüber der Bundesrepublik Deutschland besonders auch im Hinblick auf den Verkauf von Produkten dieser Firma in der Bundesrepublik Deutschland betrachtet wird?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kübler, die Errichtung ist wie die Aufgabe von Produktionsstätten eine unternehmerische Entscheidung, auf die die Regierungen in Staaten mit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung keinen Einfluß haben. Die Firmen Sanvik und Fagersta sind private Unternehmen der schwedischen Edelstahlindustrie ohne staatliche Beteiligung. Sie haben Umstrukturierungsmaßnahmen getroffen, die auch in Schweden zu einem Kapazitätsabbau führten.Auch die deutsche Industrie investiert im Ausland. Auch dort können Schließungen nicht immer vermieden werden. Die Bundesregierung würde es zurückweisen, wenn die Regierung eines betroffenen Staates ihr eine solche Schließung als unfreundlichen wirtschaftspolitischen Akt vorhielte. Dies gilt unabhängig davon, wieviel an Ware in das betreffende Land geliefert wird.
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6806 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, darf ich gleichwohl die Frage stellen, ob sich die Bundesregierung zumindest darüber informiert hat, auch wenn sie diese grundsätzliche Haltung einnimmt, ob es sich hierbei um eine Maßnahme handelt, die auf Grund der Auftragslage bei der deutschen Tochter oder auf Grund struktureller firmenpolitischer Konzentrationsprozesse der schwedischen Mutter entstanden ist.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies haben wir getan. Wir haben entsprechende Informationen eingeholt. Wir haben von der diplomatischen Vertretung des Landes hier erfahren, daß diese Schließung sehr sorgfältig beobachtet wurde und daß auch das schwedische Unternehmen gebeten wurde, alles zu tun, was getan werden kann, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Aber es ist auch bestätigt worden, daß es vor dem Hintergrund von notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen innerhalb dieses Konzerns nicht möglich ist, diese Schließung zu vermeiden. Das gilt — ich wiederhole — auch für entsprechende Werke in Schweden selbst.
Zusatzfrage, bitte.
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es sich letztlich dann um eine Folge des Konzentrationsprozesses innerhalb der schwedischen Stahlindustrie handelt?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Wir haben auf diese Frage keine Antwort bekommen, weil wir sie auch nicht gestellt haben. Aber wir erleben doch, daß sich nicht nur in Schweden und in der Bundesrepublik, sondern überall in der Stahlindustrie Umstrukturierungsprozesse vollziehen, die etwas damit zu tun haben, daß sich die Marktlage für dieses Produkt grundlegend geändert hat. Bei uns müssen Kapazitäten eingeschränkt werden, und das ist ganz offenkundig auch für Schweden eine Notwendigkeit. Deshalb diese Maßnahmen des Unternehmens.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen und der Frage nachzugehen, ob diese geplante Schließung der einzigen Tochter des schwedischen Stahlkonzerns in der Bundesrepublik Deutschland auch im Interesse der deutschen Stahlindustrie liegen könnte, nämlich im Hinblick auf die Konkurrenz, die in Deutschland auf dem Edelstahlsektor herrscht, und könnte es sein, daß diesbezüglich entsprechende Absprachen vorliegen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn ich mir die Zahlen des Handels der Bundesrepublik mit Schweden und umgekehrt ansehe, insbesondere auch etwa die Zahlen für den Stahlhandel zwischen den beiden Ländern, so kann ich darin keine Bestätigung dafür finden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Danke, Herr Staatssekretär.
Die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Kunz wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Geldern zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Eigen auf:
Wo liegen nach Meinung der Bundesregierung die Ursachen dafür, daß die französischen Landwirte einen Preis für Weizen erhalten, der wesentlich unter dem abgeleiteten Interventionspreis liegt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Eigen, mehr als die Hälfte der französischen Weizenernte muß 1984/1985 exportiert werden. Um bei der Ausfuhr wettbewerbsfähig zu sein, nehmen die französischen Landwirte in Kauf, daß die Preise im Inland ungefähr um die Fracht- und Vermarktungskosten niedriger sind als in den Ausfuhrorten. Nur in den Ausfuhrorten erreicht der Marktpreis ungefähr den Stützpreis der Marktordnung. Wegen der besonders großen Ernte dieses Jahres liegen die Marktpreise für Weichweizen in den Ausfuhrorten auf oder leicht unter dem Interventionspreis für Futtergetreide.
Auf die vermarkteten Mengen an Weichweizen werden in Frankreich — im übrigen zu Lasten der Erzeuger — auch verschiedene Abgaben erhoben, die für bestimmte soziale, wirtschaftliche und auch für Verwaltungszwecke verwendet werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, hängt die Tatsache der billigen Importe in die Bundesrepublik Deutschland zu den rheinischen Mühlen nicht auch damit zusammen, daß die Kommission verschiedene Maßnahmen zur Aushöhlung der Getreidemarktordnung, wie z. B. 120 Tage Zahlungziel bei Intervention bzw. Abbau der Differenz zwischen Backweizen und Futterweizen, eingeleitet hat?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage auf dieses Verhalten der französischen Landwirtschaft hingewiesen, daß die Brotweizenintervention, nicht aber die Futtergetreideintervention in Anspruch genommen worden ist und daß deshalb bewußt — auch aus Exportgründen und um die Ernte unterzubringen — dieses Preisniveau von der französischen Landwirtschaft eingegangen ist.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6807
Herr Staatssekretär, ist möglicherweise die Zinshöhe für Lombardkredite in Frankreich wesentlich höher als in der Bundesrepublik Deutschland, und kann dies eventuell eine Ursache für den billigen Weizen in den rheinischen Mühlen sein?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich kann jetzt über die Zinsverhältnisse keine Auskunft geben. Das geht weit über das hinaus, was Sie zu den Getreidepreisen gefragt haben. Ich kann Ihnen aber noch ergänzend folgendes sagen: Großhandelspreise Anfang Oktober im Verhältnis zum Interventionspreis für Futtergetreide in den Ausfuhrorten Rouen/La Pallice bei 99 %, Metz 97 %, während in den Haupterzeugungsgebieten in Frankreich lediglich bis zu 94 % erreicht wurden.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Eigen auf:
Welche Maßnahmen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommission eingeleitet, um eine verstärkte Wettbewerbsfähigkeit von EG-Getreide im Inland und beim Export zu erreichen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, um die Absatzmöglichkeiten für Getreide auf dem Weltmarkt voll zu nutzen, hat die Kommission bereits frühzeitig, und zwar im Juni 1984, Ausschreibungen für die Festsetzung der Ausfuhrerstattung für Weichweizen und Gerste eröffnet. Bis zum 11. Oktober 1984 sind bereits Ausfuhrlizenzen für 7 Millionen t Weichweizen — einschließlich Mehl — und für über 4 Millionen t Gerste — einschließlich Malz — erteilt worden. Diese Mengen überschreiten bei weitem die vergleichbaren Ergebnisse der Vorjahre. Die Ausfuhrerstattungen sind in diesem Wirtschaftsjahr vor allem auf Grund des starken Dollars verhältnismäßig niedrig. Sie betragen bei Weichweizen zum Teil nur rund 7 DM pro Tonne.
Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, kann sich die Bundesregierung vorstellen, daß auch ein Beimischungszwang in Futtermittel möglicherweise eine verstärkte Nutzung des europäischen Getreides bedeuten könnte, und können Sie eine Auskunft über das Problem der Substitute geben?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, ich kann mir das natürlich vorstellen, was Sie im ersten Teil Ihrer Frage angesprochen haben, ohne daß ich jetzt eine rechtliche und politische Beurteilung dieser Möglichkeit vornehmen möchte. Ich kann Ihnen noch zwei Zahlen über die Entwicklung des Getreideeinsatzes nennen. Nach der vorläufigen Bilanz 1984/85 werden für die Gemeinschaft bis zu 26,5 Millionen Tonnen Getreide ausgeführt; das sind 30 % mehr als im Vorjahr. Und es werden 70,2 Millionen Tonnen Getreide verfüttert; das sind 1,2 % mehr als im Vorjahr.
Sie haben das Problem der Substituteinfuhren angesprochen. Dies muß in Verhandlungen mit den Lieferländern geklärt werden.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, hat es in letzter Zeit Ergebnisse solcher Verhandlungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und beispielsweise den USA gegeben?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich kann sagen, daß die Gespräche in vernünftiger Atmosphäre und in der richtigen Art und Weise geführt werden; aber Ergebnisse, über die man jetzt berichten könnte, liegen zur Zeit nicht vor.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Sind der Bundesregierung die Probleme der deutschen Waldbauern bekannt, die auf Grund der zunehmenden Waldschäden zu steigendem Holzeinschlag gezwungen sind, aber auf dem deutschen Markt nicht genügend Absatzmöglichkeiten finden, da sie preislich nicht mit den Holzimporten aus Drittländern konkurrieren können?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, der Bundesregierung ist bekannt, daß regional und einzelbetrieblich Waldbauern auf Grund der zunehmenden Waldschäden zu steigendem Holzeinschlag gezwungen sind. Im Durchschnitt des Bundesgebietes liegen die Holzanfälle auf Grund der neuartigen Waldschäden bei etwa 5 bis 10 %. Sie werden in der Regel im normalen Einschlag aufgefangen. Die vorliegenden Daten über Einschläge und Verkäufe von Holz für das Bundesgebiet zeigen hinsichtlich des Mengenabsatzes bei absolut höherem Stand der Einschläge und Verkäufe im Forstwirtschaftsjahr 1984 gegenüber dem Vorjahr ein normales Verkaufsgeschehen.
Die Rohholzpreise zeigen in den letzten Jahren bei einer gewissen Stabilisierung im Jahre 1984 insgesamt eine leicht fallende Tendenz. Die bisherige Preisentwickung ist in erster Linie mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation, verschärft durch Schneebruchschäden, in Verbindung zu bringen.
Die Preise für eingeführtes Holz aus Drittländern liegen, soweit der Bundesregierung bekannt ist, in der Regel nicht unter den Preisen für einheimisches Holz.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade die Waldbauern im Bayerischen Wald wegen der billigen Einfuhren aus dem Ostblock, vor allem aus der Tschechoslowakei, besondere Wettbewerbsschwierigkeiten haben?Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herrr Kollege Müller, ich habe auf regionale Probleme hingewiesen, die es jetzt gibt und auch in der Vergan-
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6808 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Parl. Staatssekretär Dr. von Gelderngennheit immer wieder gegeben hat. Die generelle Aussage, daß es diese billigen Einfuhren gebe, ist nicht berechtigt. Das Preisniveau entspricht durchaus dem inländischen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Aussage, die Sie hier machen, stimmt aber mit den Erklärungen der Waldbauern aus dem bayerischen Wald nicht überein; denn die haben uns mitgeteilt, daß gerade die Einfuhrpreise für Holz aus der Tschechoslowakei wesentlich unter den deutschen Holzpreisen liegen. Was sagen Sie dazu?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich werde in der Antwort auf Ihre zweite Frage gleich noch etwas zu den Einfuhren aus der DDR und CSSR sagen. Wir beobachten das sehr genau. Nur ist die generelle Aussage — das wiederhole ich —, daß sich hier die Billigeinfuhren eingestellt hätten, die unser Preis- und Marktgeschehen in Unordnung brächten, nicht richtig.
Darf ich zur Frage 23 des Herrn Abgeordneten Müller übergehen:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Wirtschaftslage der Waldbauern, die durch die Baumschäden ohnehin finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, zu verbessern, bzw. welche Möglichkeiten sieht sie, auf diesem Gebiet mit schnellwirkenden Maßnahmen tätig werden zu können?
Herr Staatssekretär, bitte.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Zur Unterstützung der Forstbetriebe, die von Waldschäden betroffen sind, wurden die forstlichen Förderungsmöglichkeiten im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" ab 1984 erweitert und ergänzt. So werden seit diesem Jahr die forstliche Düngung, die Unterpflanzung lückiger und verlichteter Bestände, die wiederholte Bestandespflege und die Wiederaufforstung von Flächen gefördert, deren Bestände auf Grund der Waldschäden vorzeitig eingeschlagen werden müssen. Die Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe wurden 1984 zu diesem Zweck um 20 Millionen DM erhöht.
Große Bedeutung für die wirtschaftliche Lage der Forstbetriebe haben auskömmliche Rohholzerlöse. Noch ist es gelungen, durch Einschränkungen beim Normaleinschlag den Mehranfall an Kalamitätsholz infolge der Waldschäden aufzufangen, so daß der Holzmarkt stabil geblieben ist. Den Ausschüssen des Deutschen Bundestages liegt ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Novellierung des Forstschädenausgleichsgesetzes vor. Ziel dieses Entwurfs ist es u. a., das Gesetz an die Bedingungen und Probleme, die durch die neuartigen Waldschäden entstanden sind, anzupassen. Ob und gegebenenfalls welche weitergehenden Maßnahmen zur Stützung des Holzmarktes bei einem starken Angebotsdruck zu ergreifen sind, kann im voraus nicht beantwortet werden. Hier spielt die jeweilige Konjunkturlage, insbesondere die Baukonjunktur, eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung steht aber in
Gesprächen mit der Wirtschaft, um auch die Möglichkeiten für die Erschließung zusätzlicher Märkte für unser Holz zu prüfen. Auch weitere Maßnahmen, die gegebenenfalls zur Stützung des Holzmarktes eingesetzt werden könnten, werden untersucht. Die Bundesregierung hat vorsorglich in Verhandlungen mit der DDR und der CSSR sichergestellt, daß deren Holzlieferungen auf den deutschen Markt der augenblicklichen Situation angepaßt werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, ist nicht schon nach dem jetzt gültigen Forstschädenausgleichsgesetz eine Importrestriktion auch durch einseitige Maßnahmen der Bundesregierung möglich, und sind nicht auch steuerliche Erleichterungen für die geschädigten Land- und Forstwirte möglich?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Auch das geltende Gesetz sieht so etwas vor. Ich könnte Ihnen eine Übersicht geben — ich möchte darauf verzichten, sie jetzt vorzutragen —, welche Regelungen des geltenden Gesetzes durch den Gesetzentwurf verbessert und der neuartigen Situation angepaßt werden sollen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, welche konkreten gesetzlichen Vorschriften die Bundesregierung bisher erlassen hat, um die Ursachen, die zu den Waldschäden führen, an der Quelle besser zu bekämpfen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatsekretär: Herr Kollege, damit verlassen wir den im engeren Sinne forstlichen Bereich und kommen auf das für den Wald sicher entscheidende Thema der Luftreinhaltungspolitik. Ich möchte nach den Debatten, die wir darüber in der letzten Zeit in diesem Haus gehabt haben, jetzt darauf verzichten, hier erneut über TA Luft, Großfeuerungsanlagen-Verordnung, Kraftfahrzeugproblematik usw. zu sprechen.
— Diese Bundesregierung hat auf dem Gebiet jedenfalls gehandelt. Das wissen Sie.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:Welcher Jahresumsatz ist bei einem landwirtschaftlichen Betrieb mit 330 Vieheinheiten zu erwarten, und welche Summe kann ein solcher Betriebsinhaber durch die Anhebung der Vorsteuerpauschale als Vorsteuer abziehen?Bitte, Herr Staatssekretär.Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, in der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur sehr wenige Betriebe, die einen Viehbesatz in der Größenordnung von 330 Vieheinheiten
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6809
Parl. Staatssekretär Dr. von Geldernaufweisen. Der Jahresumsatz eines fiktiven Betriebes, der 330 Vieheinheiten im Jahr gehalten hat, kann ohne Kenntnis der individuellen Betriebsstruktur nur sehr grob geschätzt werden. In der Regel werden nicht auschließlich Umsätze aus nur einer Produktionsrichtung erzielt. Ein Mastschweine-Betrieb hat z. B. zusätzliche Einnahmen aus dem Marktfruchtanbau. Ein Milch-Betrieb verkauft nicht nur Milch, sondern z. B. auch Kälber und Schlachtrinder. Daher kann ich an dieser Stelle nur den geschätzten Umsatz aus dem Verkauf von 330 Vieheinheiten Mastschweine bzw. aus dem Verkauf von Milch aus einem Bestand mit 330 Vieheinheiten — Milchkühe und Nachzucht — im Wirtschaftsjahr 1983/84 angeben. Überschlägig dürfte er sich bei einer Mastschweinehaltung auf rund 720 000 DM und bei der Milch auf rund 645 000 DM belaufen. 5% dieser eben genannten Summen wären im ersten Fall 36 000 DM, im zweiten Fall 32 250 DM. Diese Beträge würden dem Betrieb als Ausgleich für die zu erwartenden Einkommenswirkungen der Brüsseler Agrarbeschlüsse im Wirtschaftsjahr ab dem 1. Juli 1984 zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage, Herr Carstensen, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, den Herrn Kollegen — wie heißt er noch? — Kirschner schriftlich darauf hinzuweisen, daß kein Landwirt vom Umsatz, sondern daß jeder Landwirt letztendlich vom Gewinn lebt und daß die Anzahl der Vieheinheiten noch nichts über die Höhe seines Gewinns aussagt?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich bin dazu bereit.
Jetzt hat auch Herr Kirschner noch Zusatzfragen.
Wenn ich den Namen des Kollegen wüßte, würde ich ihn gerne nennen. Aber, Herr Staatssekretär, könnten Sie mir vielleicht erklären, ob sich die 5 %ige Vorsteuerrückerstattung am Gewinn oder am Umsatz orientiert?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, die Beschlüsse der Agrarminister der Europäischen Gemeinschaft vom 31. März 1984 haben Auswirkungen auf die Situation in der Landwirtschaft, die umsatzbezogen sind. Die Ausgleichsmaßnahme, die in der 5 %-Regelung bei der Umsatzsteuer liegt, ist in gleicher Weise umsatzbezogen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kirschner.
Herr Staatssekretär, diese Grenze von 330 Vieheinheiten ist j a die Obergrenze der Rückerstattung. Können Sie mir sagen, ob darunter beispielsweise auch Gewerbebetriebe fallen
und ab welchem Zeitpunkt diese Gewerbebetriebe von dieser Regelung ausgeschlossen sind?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, das Änderungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz, das diese 5 %-Regelung für die Landwirtschaft bringt, schließt gewerbliche Betriebe bereits seit dem 1. Juli 1984, also seit Geltung dieser Regelung, aus. Bäuerliche Betriebe, die über die Obergrenze der 330 Vieheinheiten hinausgehen, gleichwohl aber bäuerliche und nicht gewerbliche Betriebe sind, haben eine Frist bis zum 1. Juli 1985. Bis dahin gilt für sie noch die 5 %-Regelung.
Aber ich hatte schon in meiner Antwort auf Ihre Frage darauf hingewiesen, daß es sich hierbei um sehr wenige Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland handelt. Die Größenordnung liegt weit unterhalb des Bereiches von 1 %.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin die Frage des Abgeordneten der CDU/CSU beantwortet haben, der sagte, daß ein Bauer nicht vom Umsatz, sondern vom Gewinn lebe, darf ich Sie fragen: Ist es für mich eine Einnahme oder ein Verlust, wenn ich eine Umsatzsteuerrückvergütung bekomme?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klejdzinski, ich kann gerne wiederholen, daß die Beschlüsse der Agrarminister für die Landwirtschaft finanzielle Einbußen gebracht haben, die, was die jeweilige Größenordnung betrifft, umsatzbezogen sind. Die Ausgleichsmaßnahmen der Bundesregierung, denen der Bundestag zugestimmt hat, nehmen genau darauf Rücksicht. Diese Ausgleichsmaßnahmen sind ebenfalls an den Umsatz geknüpft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, können Sie sich eine Betriebsgemeinschaft von Bauern vorstellen, die mit drei Familien von einem Betrieb leben, der aber über dieser Obergrenze von 330 Großvieheinheiten liegt? Wenn j a: Wird die Bundesregierung auf dieses Problem eingehen, um auch solchen Kooperationen einen Ausgleich zukommen zu lassen, die nach meiner Meinung anders zu bewerten sind als ein Betrieb, der eine Familie ernähren muß?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ich nehme das zur Kenntnis, Herr Kollege Immer. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur eines sagen: Die Grenze von 330 Vieheinheiten als Obergrenze für die Gewährung dieser 5% zugunsten der Landwirtschaft ist, glaube ich, in der agrarpolitischen Diskussion nicht in der Weise umstritten, daß sie nach oben erneut geöffnet werden sollte. Wir werden an der Grenze als solcher sicherlich festhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
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6810 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Herr Staatssekretär, Sie haben zwar völlig zu Recht gesagt, daß die 5%-Regelung als Ausgleich für den Abbau des Währungsausgleichs umsatzbezogen ist. Ist es nicht dennoch so, daß dieser Ausgleich unter der Voraussetzung, daß Kostensteigerung und Rationalisierung gleichbleiben, etwa das Drei- bis Fünffache ausmacht, wenn man ihn auf das Einkommen bezieht?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, wir haben glücklicherweise — das ist ja auch eine Folge der Politik der Bundesregierung — die niedrigste Geldentwertungsrate und damit auch die niedrigste Betriebsmittelkostensteigerung seit vielen, vielen Jahren. Das ist für die Situation der Landwirte von großer Bedeutung.
Ich glaube, wir haben angesichts dessen, was an negativen Einflüssen von den Brüsseler Entscheidungen auf die Landwirtschaft zugekommen ist, eine faire politische Lösung gefunden, um die deutsche Landwirtschaft vor einem Sonderopfer zugunsten der Europäischen Gemeinschaft zu bewahren.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, ob alle landwirtschaftlichen Betriebe oder alle Produktionsarten durch die Senkung des Grenzausgleichs betroffen sind?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Direkt oder indirekt j a.
Es sind nicht alle Betriebe in gleicher Weise oder in gleichem Ausmaß betroffen, aber die direkten und indirekten Wirkungen betreffen die gesamte Landwirtschaft.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Kirschner auf:
Auf welche Höhe ist der Butterberg in der EG angewachsen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, die Butterbestände in der Europäischen Gemeinschaft betrugen am 11. Oktober 1984 als dem zuletzt verfügbaren Datum in öffentlicher Lagerhaltung 1 031 683 t und in privater Lagerhaltung 214 957 t. Das sind zusammen 1 246 640 t.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die EG-Kommission zur Verringerung dieses Butterberges beschlossen hat, daß Exporteure, die mindestens 50 000 t Frischbutter in die Sowjetunion zu Weltmarktpreisen verkaufen können, die gleiche Menge an Altbutter nahezu kostenlos bekommen, und können Sie mir sagen, was dies den Steuerzahler insgesamt kostet?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, ich bin gern bereit, auf diese Frage zu antworten, obwohl Sie in Ihrer eingereichten
Frage lediglich nach den Butterbeständen gefragt haben und jetzt darüber hinausgehen und Fragen zu den Absatzmaßnahmen der Kommission stellen.
Die Kommission hat verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die eine ist die Weihnachtsbutteraktion. Diese führt dazu, daß ab 23. November in der Bundesrepublik Deutschland 250 g Butter für 1,50 DM gekauft werden können, und zwar stehen hierfür insgesamt 50 000 t zur Verfügung.
Die zweite Maßnahme ist für den Export nach außerhalb der Europäischen Gemeinschaft gedacht. Hier gibt es einmal eine Verbilligung für mindestens sechs Monate alte Butter, die in etwa der Verbilligung entspricht, wie sie bei der Weihnachtsbutteraktion vorgenommen wird.
Weiter gibt es eine Verbilligung, die noch deutlich darüber hinausgeht: für Butter, die älter als 18 Monate ist. Man muß sich fragen, ob es sich dabei noch um Butter oder um Butteröl handelt.
Diese Verbilligungsaktion ist, wie Sie richtig gesagt haben, daran geknüpft, daß das Drittland, welches kauft, gleichzeitig zum normalen Preis 50 000 t frische Butter kauft.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wie hoch der Anteil der sogenannten Fremdsubstitute ist, der mit dazu beigetragen hat, den Butterberg in dieser Höhe entstehen zu lassen oder überhaupt die Milchproduktion zu beeinflussen, und können Sie das auch auf die einzelnen Staaten der EG aufschlüsseln?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, das kann ich aus dem Stegreif natürlich nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die Einfuhr von Substituten sicher mit dazu beigetragen hat. Ausschlaggebend war, daß in der Vergangenheit, in der Zeit, als Ihre Fraktion die Verantwortung für die Bundesregierung wesentlich mittrug, ein Garantiepreissystem in der Gemeinschaft aufrechterhalten wurde, das nicht begrenzt war und dazu geführt hat, daß die Produktion so weit an dem möglichen Absatz vorbeilaufen konnte, daß heute entsprechende Butterberge da sind, die diese Bundesregierung, wie Sie wissen, vorgefunden hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß sich insbesondere die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland außerordentlich bemüht hat, daß die Weihnachtsbutteraktion in der EG in diesem Jahr durchgeführt wird, damit auch einmal der Verbraucher einen Nutzen aus der Lagerhaltung der Europäischen Gemeinschaft hat?Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Das bestätige ich gern. Dies ist das ständige Drängen des
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6811
Parl. Staatssekretär Dr. von GeldernBundesministers Kiechle gewesen, das nun auch zum Erfolg geführt hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, wenn ich richtig gehört habe, haben Sie gesagt, daß das halbe Pfund Weihnachtsbutter 1,50 DM kosten soll. Wie erklären Sie es sich dann, daß im Augenblick in Supermärkten — etwa in meiner Heimatstadt — schon die Normalbutter, also die Frischbutter, die mit einer Frist versehen ist, zu 1,70 DM verkauft wird? Und meinen Sie, daß diese Aktion dann noch interessant ist, wenn die norddeutschen Molkereien mit ihren Butterüberschüssen in die Supermärkte drängen, weil sie anders keine Möglichkeit sehen, ihre Butter loszuwerden?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich habe soeben einen Preis genannt, der natürlich nicht verbindlich ist. Letztlich wird der Preis vom Handel bestimmt. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die für die Weihnachtsbutteraktion zur Verfügung stehende Menge Butter — in der Gemeinschaft sind das 200 000 Tonnen — pro Tonne um 4 070 DM verbilligt wird — und das entspricht in etwa der Hälfte des Interventionspreises —, so daß wir hier durchaus von einer deutlichen Preissenkung ausgehen können. Wenn örtliche Verhältnisse im Handel dazu beitragen, daß der Preis noch weiter sinkt, dann ist das für die Verbraucher sicher ein zusätzlicher Vorteil.
Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir die Frage inzwischen außerordentlich ausgeweitet haben. Aber Sie waren so freundlich, dies sozusagen anzuregen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.
Frau Präsidentin, ich darf dann wieder zur Ausgangsfrage zurückkehren. Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß das Problem des sicherlich viel zu hohen Butterberges nicht so stark, vielleicht auch gar nicht aufgetreten wäre, wenn man vor einigen Jahren, als noch eine andere Regierung an der Macht war, zu etwas schnelleren und mutigeren Entschlüssen gekommen wäre?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, ich bestätige das. Es ist eine Tatsache, daß eine Begrenzung des Garantiepreissystems im Milchsektor für die Landwirtschaft erstens wesentlich weniger einschneidend gewesen wäre, wenn sie vor zwei oder drei Jahren gekommen wäre, und zweitens verhindert hätte, daß derartige Produktionsüberschüsse entstanden wären.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, können Sie mir als agrarpolitischem Laien,
der Schwierigkeiten hat, sich die Dimension von Butterbergen vorzustellen, etwas dazu zu sagen, wie sich die Höhe des Butterbergs in den vergangenen Jahren gegenüber diesem Jahr entwickelt hat, und gibt es Butterberg-Perspektiven der Bundesregierung für die Zukunft?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt folgende Perspektive: Erstens. Zum erstenmal in der Geschichte der Gemeinschaft ist das Garantiepreissystem im Milchbereich durch die Mengenbegrenzung limitiert. Das heißt: Wir haben nicht mehr mit völlig unübersichtlichen, ausufernden Zuwachsraten wie in der Vergangenheit zu rechnen; das ist das Wichtigste.
Zweitens. Bei der gegenwärtigen Weltmarktsituation — und die kann sich ändern — sind normale Abflüsse dieses entstandenen Butterberges kaum zu erwarten, so daß solche Sonderaktionen wie die, über die gerade diskutiert worden ist und von denen ich berichtet habe — Weihnachtsbutter, Drittlandbutter —, notwendig sind, um den vorhandenen Berg allmählich abzuschmelzen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Herr Staatssekretär, haben die von Ihnen soeben noch einmal angesprochenen Sonderaktionen wie der Verkauf von billiger Weihnachtsbutter nicht logisch zur Folge, daß in dem betreffenden Zeitraum weniger Frischbutter gekauft wird und sich der sagenhafte Butterberg somit per Saldo doch nicht verringert?
Dr. von Geldern, Parl. Staatsekretär: Herr Kollege, der Erfolg einer solchen Aktion hängt zum einen mit dem Datum zusammen. Deswegen haben wir schon vor Monaten darauf gedrängt, daß die Weihnachtsbutteraktion von der Gemeinschaft durchgeführt wird. Er hängt zum anderen auch damit zusammen, welches Ausmaß an Verbilligung erreicht wird. Wir erhoffen uns von dieser Aktion, daß sie den Butterverbrauch tatsächlich erheblich zusätzlich fördert und damit wirklich dazu beiträgt, daß der Butterberg abgebaut werden kann.
Danke sehr, Herr Staatssekretär.
— Jetzt müssen wir aber Schluß machen.
— Nein, einmal muß ich auch recht behalten. Jetzt habe ich die Wortmeldung nicht mehr rechtzeitig gesehen.
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6812 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Vizepräsident Frau RengerWir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Vogt zur Verfügung.Die Frage 26 des Abgeordneten Kastning sowie die Frage 27 der Abgeordneten Frau Fuchs werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt,Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Egert auf:Beabsichtigt die Bundesregierung, über einen erhöhten Bundeszuschuß die Rentenanpassung 1985 nach oben zu korrigieren'?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Egert, das Bundeskabinett wird nach derzeitiger Terminplanung am 30. Oktober 1984 über den Entwurf eines Rentenanpassungsgesetzes 1985 beschließen. Dieser Beschlußfassung kann ich nicht vorgreifen. Ich muß Sie daher um Verständnis bitten, wenn ich Sie heute nur auf das Ergebnis der Kabinettssitzung am 30. Oktober 1984 verweisen kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Egert.
Herr Staatssekretär, werden bei den Überlegungen der Bundesregierung, die in der Kabinettssitzung am 30. Oktober stattfinden, auch Überlegungen des Senators Fink von Berlin berücksichtigt werden, der eine Anregung, wie ich sie hier nachgefragt habe, öffentlich gemacht hat?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bundesregierung ist selbstverständlich das angesprochene Interview des Berliner Senators Ulf Fink bekannt. Die Bundesregierung prüft alle Vorschläge. Der Kabinettsentscheidung vom 30. Oktober 1984 kann ich aber nicht vorgreifen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht angesichts der Finanzsituation der Rentenversicherung, die öffentlich diskutiert wird, den Eindruck, daß der Vorschlag des Senators Fink etwas mit dem Wahltag in Berlin im nächsten Jahr zu tun hat?
Vogt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Egert, das ist Ihre Bewertung des Vorschlags des Senators Ulf Fink. Es ist nicht meine Bewertung. Zur Sache habe ich keine weitere Erklärung abzugeben.
Keine weitere Zusatzfrage? — Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir haben noch einige Minuten.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frage 29 der Frau Abgeordneten Traupe:
Treffen Berichte aus der Sendung „Monitor" vom 16. Oktober 1984 zu, nach denen die „Pershing II" zur Zeit ihrer Stationierung im November 1983 nicht einsatzfähig war'?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, Frau Kollegin, die Berichte in der genannten Fernsehsendung treffen nicht zu.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Traupe.
Herr Staatssekretär, hatte die deutsche Bundesregierung die amerikanische Regierung im Oktober 1983 — also vor Beginn der Stationierung — um eine schriftliche Information zur Einsatzfähigkeit der Pershing II gebeten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung stand in direkter Verbindung zu der amerikanischen Regierung, unterhalb der Ebene der Regierung die Verteidigungsminister und die militärischen Fachleute. Wir sind laufend aktuell und bis ins Detail über die jeweiligen Ergebnisse der durchgeführten Tests, die eine ganz andere Zahl und eine ganz andere Art der Durchführung, als in der Sendung gezeigt, hatten, informiert worden. Die Ergebnisse im September und Oktober — also vor der Stationierung — zeigten, daß das Waffensystem einwandfrei erprobt, zuverlässig funktionierend ist und stationiert werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Würden Sie über die Informationen wenigstens im Verteidigungsausschuß eine schriftliche Unterlage der amerikanischen Regierung vom Stand September 1983 geben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich bin bereit, dies unter den gegebenen, üblichen, vorgeschriebenen Vertraulichkeitsgraden der zuständigen Stelle des Bundestages zur Einsicht für die dazu befugten Mitglieder zuzuleiten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß die zuständigen Redakteure von „Monitor" bei Ihnen recherchiert haben, und wenn ja, welche Ergebnisse oder Erkenntnisse haben Sie ihnen, bezogen auf den Sendebeitrag, mitgeteilt?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, hätten diese Redakteure — ich weiß nicht, welche Sie meinen — bei uns sachlich fundierte Erkundigungen eingeholt oder hätten sie in den Vereinigten Staaten von Amerika bei kompetenten Stellen nachgefragt, hätte sich diese Art der Darstellung, wie wir sie gemeinsam gesehen haben, verboten.Ich will auf zwei der Quellen, die zitiert wurden, hier kurz hinweisen. Der Admiral, also ein Marineoffizier, der als Zeuge dort vorgeführt wurde, hatte
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6813
Parl. Staatssekretär Würzbachschon auf Grund der Uniform, die er trägt, mit dem gesamten Projekt nichts zu tun,
ist im übrigen ein pensionierter Offizier der Marine. Der Herr Warnke, der zitiert wurde, ist ein ausgesprochen bekannter Gegner dieses NATO-Doppelbeschlusses gewesen, als der er sich geäußert hat. So könnte dies fortgesetzt werden bis in technische Details, wo völlig verschobene — ich sage: unrichtige, der Wahrheit widersprechende — Aussagen über die Art der Tests getroffen wurden.
Ich rufe Frage 30 der Abgeordneten Frau Traupe auf:
Was weiß die Bundesregierung über den heutigen Stand der Einsatzfähigkeit von „Pershing II" und „Cruise Missiles"?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, nachdem die Pershing seit September 1983 einsatzfähig ist, wurden weitere Test durchgeführt, so unter extremen Bedingungen, was Kälte, Hitze und vor dem Start auftretende Erschütterungen angeht. Auch hier hat sich das System als uneingeschränkt einsatzfähig erwiesen.
Ebenfalls ist nach übereinstimmender Aussage und nach Feststellungen, die auf Versuchen beruhen, aller betroffenen Verteidigungsminister und der gesamten NATO, das System Cruise Missiles uneingeschränkt einsatzfähig.
Zusatzfragae, Frau Abgeordnete Traupe.
Herr Staatssekretär, auf welchen schriftlichen Informationen der amerikanischen Regierung der letzten Woche beruht Ihre heutige Aussage zur Einsatzfähigkeit von Pershing II und Cruise Missiles?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das beruht auf laufendem Informationsaustausch. Der letzte aktuelle Informationsaustausch ist zwischen den Verteidigungsministern vor dem Treffen der Verteidigungsminister in Stresa und während dieses Treffens erfolgt. Sie wissen, daß ist erst ein paar Tage her.
Würden Sie uns auch dazu die letzte schriftliche Aussage der amerikanischen Bundesregierung im Verfahren zur Verfügung stellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Dies werden wir, soweit wir diese schriftlich haben, tun. Ansonsten werden wir sie anfordern und Ihnen gerne zuleiten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krizsan.
Herr Würzbach, nachdem Sie sich zu dieser Frage so überschäumend optimistisch äußern, möchte ich doch gerne wissen: Wie,
meinen Sie, kommen Redakteure einer offiziellen Fernsehsendung zu diesen Informationen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe mich hier nicht überschäumend, sondern im Gegensatz zu manchen Sendungen und Aussagen sehr sachlich geäußert, wie es der Bundesregierung in diesem Fall ansteht. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, zu untersuchen, welche Beweggründe den einen oder andere Journalisten in der einen oder anderen Sendereihe veranlaßt haben mögen, so und nicht sachlich, der Wahrheit entsprechend zu berichten.
Damit ist die Fragestunde beendet. Sie wird morgen fortgesetzt.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 b der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine
Aktuelle Stunde
zu der Antwort der Bundesregierung auf die Dringliche Frage des Abgeordneten Dr. Emmerlich verlangt.
Die Aussprache muß nach Nr. 2 a der Richtlinien unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden. Ich eröffne deshalb die Aussprache zum Thema
Fusion im Stahlbereich
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hatte vor der Fragestunde nicht geplant und nicht festgelegt, ob heute eine Aktuelle Stunde zu der Stahlfusion Krupp/ Klöckner stattfinden soll. Unsere Dringlichkeitsfrage war geplant zur Information über den Sachstand der ganzen Angelegenheit, insbesondere zur Information über das Wissen und Wollen der Bundesregierung, was den Stahlmarkt in der Bundesrepublik Deutschland anbetrifft.Was wir an Antworten der Bundesregierung erlebt haben, war ein industriepolitischer Skandal allererster Ordnung.
Da steht im Hintergrund aus dem Wahlkampf 1983 die Aussage des Bundeskanzlers am 3. März 1983 im Fernsehen: Wir, eine künftige Kohl-Regierung, wollen alle Stahlstandorte in der Bundesrepublik Deutschland garantieren. Das haben Millionen Menschen gehört; es gibt eine Nachschrift darüber. Da hat jetzt der Staatssekretär, der unglückselige Staatssekretär, das zu relativieren versucht. Nehmen wir nur einmal die Relativierung an, der Bundeskanzler hätte nur gesagt, er will das versuchen. — Selbst wenn ich das annähme, ist die Tatsache, daß am Tage einer der größten Fusionen in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte die Bundesregierung überhaupt nicht weiß, was geschieht, was an welchen Standorten geschieht und was mit den
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6814 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
RothArbeitsplätzen geschieht, ein industriepolitischer Skandal, wie er noch nie dagewesen ist.
Daß die Bundesregierung heute in der Fragestunde zugeben mußte, daß sie erst in der letzten Woche überhaupt Informationen eingesammelt hat, daß sie erst seit einer Woche versucht, diese Angelegenheit zu klären, obgleich seit Wochen immer wieder Informationen in der Presse auftauchen, das ist ein Skandal allererster Ordnung. So etwas haben wir in der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik weder zu Erhards Zeiten noch zu Schillers Zeiten noch zu Lambsdorffs Zeiten jemals erlebt.
Ich frage mich, was der neue Wirtschaftsminister eigentlich tut, wenn er solche Informationen hat. Anschließend sagt der Staatssekretär, er wisse nichts, er könne nichts sagen, er müsse auf eine Pressekonferenz heute um 15 Uhr verweisen. Dabei sind hier Probleme involviert, z. B. Riotinto, Kohleproduzent, Kokskohleproduzent, d. h. vielleicht die Frage des Jahrhundertvertrags.Was bedeutet es eigentlich für die Ruhrkohle, daß jetzt, nachdem die Stahlproduzenten ihre Kohleinteressen abgegeben haben, ein internationaler Rohstoffkonzern nach Deutschland kommt? Was bedeutet das? Keine Antwort des Staatssekretärs für die Bundesregierung auf diese Frage.Oder Standortprobleme? Was bedeutet es für die Region Osnabrück? Wir wissen schon heute aus den Informationen der Presse, daß Georgsmarienhütte auf Grund des Fusionskontraktes als Stahlstandort stillgelegt wird. Was bedeutet das? Da sagt die Bundesregierung: Wir wissen das nicht.Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Bundesregierung der Pannen und Skandale, sondern eine Bundesregierung der unglaublichen Schlamperei. Wir werden in den nächsten Tagen versuchen, diese Frage im Bundestag mit allen Möglichkeiten zu durchleuchten, und wir werden versuchen durchzusetzen, daß der Stahlstandort Georgsmarienhütte genauso wie der in Haidhof, genauso wie der in Leverkusen erhalten bleibt. Das ist die Aufgabe, die jetzt vom Parlament zu lösen ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lammert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Roth, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit genau das getan hätten, was Sie heute fordern, wäre diese Debatte wahrscheinlich gar nicht notwendig geworden.
Wäre, Herr Roth, die Stahlpolitik das Glanzstück der Regierung Helmut Schmidt gewesen, dann hätte die Sorge um Stahlstandorte nicht in die Ausmaße eskalieren können, über die wir uns heuteund bei anderen Gelegenheiten tatsächlich unterhalten müssen.
Dritte Vorbemerkung. Wenn Sie wirklich an einer nüchternen Debatte darüber interessiert gewesen wären, welche Absichten bei den Fusionskandidaten tatsächlich bestehen und welche Chancen und welche Risiken sich daraus ergeben, dann hätten Sie eine solche Aktuelle Stunde für morgen beantragt, wenn wir über die konkreten Ergebnisse von Aufsichtsratsverhandlungen hätten reden können und nicht gemeinsam mit der Stange im Nebel hätten stochern müssen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns in den vergangenen Jahren — wie ich denke, auch mit Erfolg — darum bemüht, in dem sehr schwierigen Geschäft der Stahlpolitik so etwas wie gemeinsame Grundlagen im Auge zu behalten, und ich hoffe, daß uns dies auch über die heutige Debatte hinaus gelingt.Ich bedaure wie Sie die höchst dürftige Information der Bundesregierung von seiten der betroffenen Unternehmen. Ich halte es, wie wahrscheinlich jeder hier im Saal, für absolut inakzeptabel, daß etwa die Entscheidungsfindung das exklusive Recht von Unternehmensvorständen ist, während anschließend bei der Finanzierung dieser Entscheidung die öffentliche Hand mit großer Selbstverständlichkeit herangezogen werden soll.
Ich vertrete, wie Sie das vorher auch gemacht haben, die Positionen, die ich und meine Fraktion zu dieser Frage zu formulieren haben, und ich halte auch die miserable Behandlung der Arbeitnehmervertreter in den betroffenen Unternehmen nicht für akzeptabel, was ihre Informationen über Absichten, Spekulationen oder Überlegungen der eigenen Vorstände angeht.
Ich will noch mal deutlich machen, Herr Emmerlich, nach welchen Grundsätzen wir in der Vergangenheit in dieser Frage und sicher auch in der Zukunft verfahren wollen, was die Vergabe öffentlicher Mittel bei dem Umstrukturierungsprozeß der Stahlindustrie betrifft.Erstens. Wir haben immer, übrigens ebenso wie die Vorgängerregierung, darauf bestanden, daß das Ziel der Umstrukturierung die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein muß, daß eine Dauersubvention von Unternehmen nicht in Betracht kommen kann.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6815
Dr. LammertJede Umstrukturierung, an deren Ende nicht mit Aussicht auf Erfolg die Wiederherstellung der Rentabilität von Unternehmenseinheiten stünde, wäre weder sozialpolitisch noch regionalpolitisch zu rechtfertigen, und wirtschaftspolitisch wäre es glatter Unfug.
An diesem Grundsatz werden wir in dieser Frage auch für die Zukunft festhalten.Zweitens. Wir haben mehrfach darauf verwiesen, daß dann, wenn der schwierige Umstrukturierungsprozeß in der deutschen Stahlindustrie allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien stattfände, dies zu sozial- und regionalpolitisch nicht hinnehmbaren Folgen führen würde und daß deswegen die Inanspruchnahme der öffentlichen Hand politisch zu rechtfertigen ist. Dies bedeutet im Umkehrschluß — genau das hat der Bundeskanzler zu Recht auch vor dem Wahltermin hervorgehoben —, daß wir mit den öffentlichen Mitteln auf Umstrukturierungsergebnisse hinwirken wollen, die über die betriebswirtschaftlich naheliegenden Ergebnisse hinausreichen, im Klartext also, überall da Standorte zu halten oder wieder wettbewerbsfähig zu machen, wo auf Grund der geschrumpften Substanz der betroffenen Unternehmen das mit rein betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulationen nicht bewerkstelligt werden könnte. Zu dieser Zusage stehen wir ebenfalls heute und für die Zukunft so wie in der Vergangenheit auch.
Lassen Sie mich eine Bemerkung über den Kontext machen, in dem wir diese Diskussion natürlich sehen müssen. Wir stehen nicht mehr sehr weit vor dem Ende des Auslaufens des europäischen Subventionskodex. Wir haben mehrfach — allesamt übrigens — erklärt, daß wir an einer Verlängerung dieses Kodex nicht nur kein Interesse haben, sondern daß wir größten Wert darauf legen, daß die hier vereinbarten Fristen tatsächlich eingehalten werden.
Der Wirtschaftsminister wie der Finanzminister haben für die Regierung keinen Zweifel daran gelassen, daß dies die unveränderte Position der Bundesregierung ist. Dies hat Konsequenzen auch für das Thema, über das wir heute hier reden. Wir können uns nicht selbst in die Situation bringen, womöglich ein Petent für die Verlängerung von Fristenregelungen zu werden. Alle Unternehmensvorstände, die jetzt mit neuen Fusionsüberlegungen die Öffentlichkeit überraschen, müssen wissen, daß sie sich in bestimmte Fristen und Haushaltstitel einfugen müssen, weil auf Grund der Rechtslage eine Veränderung dieser vorgegebenen Größenordnungen weder möglich noch beabsichtigt ist. Ich erkläre für die CDU-Fraktion jedenfalls auch an dieser Stelle und für diese Debatte, daß wir an dem Ziel der Beendigung des europäischen Subventionswettlaufs durch Auslaufen der Fristenregelung Ende 1985 ausdrücklich festhalten. Ich hoffe, daß dasHaus auch bei einer zugespitzten Problemlage an diesen grundsätzlichen Einsichten festhält.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Beckmann. — Entschuldigung, Herr Abgeordneter, ich habe mich geirrt.
Ich bitte um Entschuldigung. Das war nach unserer sonst einzuhaltenden Reihenfolge. Herr Beckmann, ich gebe nachher einen aus.
Herr Stratmann hat das Wort.
Diesen Durchmarsch der FDP habe ich ihr für die Zukunft nun doch nicht gewünscht.Nach einem Jahr scheinbarer Ruhepause in den Stahlunternehmen geht jetzt offensichtlich die nächste Runde des Stahlpokers mit der Kaputtsanierung weiter. In der vergangenen Woche, nachdem die ersten Gerüchte der anstehenden Fusion bekannt geworden waren, hat der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Krupp Stahl AG in Bochum, Kollege Rutetzki, bei Herrn Gödde, dem Vorstandsvorsitzenden der Ruhrstahl AG, nachgefragt, was denn da auf die Belegschaft zukomme. Er wurde abgekanzelt wie ein kleiner Junge, und das trotz Montanmitbestimmung, und verwiesen auf die heutige Aufsichtsratssitzung. Wir halten das unter dem Gesichtspunkt der Betriebsdemokratie für einen Skandal.Das erklärte Ziel der Bundesregierung als auch der privaten Stahlunternehmungen ist Kapazitätsabbau über Ausnutzung aller Rationalisierungspotentiale, Teilstillegung, Vernichtung von Arbeitsplätzen und gleichzeitig Inanspruchnahme von Staatssubventionen für diese Zwecke, und während Staatssubventionen dafür in Anspruch genommen werden, muß über regionale Wirtschaftsförderungsprogramme dafür Vorsorge getragen werden, daß Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden, die, wie die Vergangenheit zeigt, gar nicht geschaffen werden können, weil es kein industrielles Wachstum in dem Maße mehr gibt und auch in Zukunft nicht geben wird.
— Das sage ich Ihnen gleich. Ich will gerade noch auf die Folgen eingehen.Die geplante Fusion nicht nur von Krupp und Klöckner, sondern auch des Riotinto-Konzerns, wird in eine Richtung gehen, daß der Hüttenvertrag, der eh' 1988 ausläuft, wenn überhaupt, höchst unvollständig seine Verlängerung findet und damit sozusagen der nächste Schlag von australischen Kohleinteressen gegen Kohle und Stahl im Ruhrgebiet und im Saarland geführt werden wird. Zu nichts anderem dient die Einbeziehung des Riotinto-Konzerns in dieses Fusionskonzept, und das möglicherweise mit Hilfe von Staatsknete. Wir hal-
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6816 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Stratmannten das unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsplatzsicherung für vollkommen verfehlt, unter dem Gesichtspunkt der Wahrung von Belegschaftsinteressen für absolut skandalös.
Wir denken, daß die anstehende Fusion das vollkommene Versagen privatwirtschaftlicher Sanierungskonzepte wieder einmal zeigt.
Wir denken, daß es notwendig ist, den unausweichlichen Kapazitätsabbau in der Stahlindustrie im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die bundesdeutsche und die europäische Stahlindustrie zu bewerkstelligen. Nur ein Gesamtkonzept, das alle Stahlstandorte und alle Stahlkonzerne in der Bundesrepublik einbezieht, ist in der Lage, Standortsicherung, Arbeitsplatzsicherung und Kapazitätsabbau gleichzeitig zu bewerkstelligen.
Zu einem Gesamtkonzept gehört es, daß von vornherein, schon bei der Entwicklung dieses Konzeptes Belegschaftsinteressen berücksichtigt werden, und zwar über den Weg, daß die gewählten Vertreter der Belegschaften in die Entwicklung des Konzeptes einbezogen werden, aber nicht erst hinterher in Aufsichtsratssitzungen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, vor Tatsachen, die Privatunternehmervorstände ausgeheckt haben. Wir sind weiter der Meinung, daß auf privatwirtschaftlicher Grundlage ein solches Gesamtkonzept zur regionalen Standortsicherung gar nicht entwickelt werden kann. Die neueste Sanierungsrunde der Kaputtsanierung ist ein weiteres beredtes Beispiel dafür.
Wir müssen uns Gedanken machen, wie ein solches Gesamtkonzept unter demokratischer Einflußnahme der Belegschaften entwickelt werden kann. Die Montanmitbestimmung bietet keine Gewähr für demokratische Einflußnahme. Die augenblickliche Erfahrung mit diesem Fusionskonzept belegt das wieder einmal.
Wir müssen zu demokratischen neuen Formen der gesellschaftlichen Kontrolle und der gesellschaftlichen Einflußnahme kommen.
Verstaatlichungskonzepte sind kein Ausweg. Das haben der verstaatlichte Stahlkonzern in Großbritannien wie auch viele andere Beispiele gezeigt. Wir müssen aber Modelle der Vergesellschaftung der Stahlindustrie, der demokratischen Kontrolle von unten entwickeln. Es gibt diese Modelle in der Realität bisher nicht. Die augenblickliche Stahlkrise gibt aber die Möglichkeit, solche Modelle auszuprobieren, und zwar unter Einflußnahme unter Beteiligung der Betriebsräte und der Belegschaftenvon vornherein, nicht erst im nachhinein wie nach dem Montanmitbestimmungskonzept.
Nur mit einem solchen demokratisch entwickelten Gesamtkonzept sind die Ziele zu erreichen. Ich nenne das Ziel der regionalen Standortsicherung, und zwar nicht nur bei Krupp und nicht nur bei Klöckner, sondern für alle Stahlstandorte in der Bundesrepublik. Nur so ist es möglich, eine unausweichliche Folge des jetzigen Konzepts zu vermeiden — das möchte ich zum Schluß sagen —: Wenn diese Fusion Realität wird, wird sie aus Wettbewerbszwängen notwendigerweise weitere Fusionen nach sich ziehen. Es ist schon im Gespräch, daß Salzgitter — —
Letzter Satz, Herr Abgeordneter.
Ein letzter Satz. Es ist schon bekanntgeworden, daß sich Salzgitter möglicherweise an der Fusion beteiligt. Herr Bangemann, ich möchte klare Auskünfte der Bundesregierung.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich danke Ihnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Aktuellen Stunde und der Debatte, die wir hier führen, liegt eine Anfrage des Kollegen Dr. Emmerlich zugrunde, in der eine Besorgnis zum Ausdruck kommt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat großes Verständnis für die Sorgen und Fragen der Menschen in den betroffenen Stahlregionen.
— Lassen Sie mich doch aussprechen, Herr Kollege. Sie werden es gleich hören.Angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt, der schwierigen Situation der deutschen Stahlindustrie insgesamt und insbesodere der schwierigen Beschäftigungssituation in der Wirtschaftsregion Osnabrück wäre eine andere Haltung, wie ich meine, auch weder verständlich noch vertretbar. Ich muß allerdings darauf hinweisen — dies ist in der Aktuellen Stunde und auch vorhin in der Fragestunde schon angesprochen worden —, daß bis zur Stunde noch kein Beschluß der eigentlich zuständigen Gremien vorliegt, auf dessen Grundlage hier seriös debattiert werden könnte. Im übrigen ist es in unserem Wirtschaftssystem weder möglich noch
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6817
Beckmannwünschenswert, von hier aus auf die Unternehmensführungen einzuwirken.
— Herr Kollege, welche Folgen sich aus einer Fusion für die Arbeitsplätze und die Firmenstandorte ergeben werden, ist zunächst allein in die Verantwortung der Aufsichts- und Leitungsgremien der noch zu gründenden Gesellschaft gestellt.
Herr Kollege Lammert, ich wäre auch nicht so blauäugig, anzunehmen, daß derartig schwerwiegende Entscheidungen, wie sie zur Stunde im Ruhrgebiet gefällt werden, ganz ohne vorherige Information der Arbeitnehmerbank erfolgen. Alle Erfahrungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte sprechen dagegen. Ich habe hierzu aus dem Munde des Kollegen Roth auch nichts gehört. Ich nehme an, daß er über Insider-Informationen verfügt.Wie hier die Verantwortung liegt, ergibt sich aus dem deutschen Gesellschaftsrecht. Das wollen wir wohl nicht antasten.In der Sache selbst ist es immer die Politik der FDP-Bundestagsfraktion gewesen, den dringend erforderlichen Umstrukturierungsprozeß der deutschen Stahlindustrie insoweit konstruktiv zu begleiten, daß der Anpassungsprozeß ohne tiefgreifende soziale und politische Friktionen vonstatten geht. Die 3 Milliarden DM Hilfe des laufenden Jahres für die deutsche Stahlindustrie sind hierfür ein Beweis.Im übrigen, meine Damen und Herren, sehen wir in der Tatsache, daß die CRA Ltd., ein australisches Unternehmen, über 500 Millionen DM in ein deutsches Stahlunternehmen zu investieren bereit ist, ein ermutigendes Zeichen und den Ausdruck der Anerkennung unserer modernen Stahltechnologie.
Ausländisches Kapital in deutschen Stahlunternehmen ist uns jedenfalls allemal lieber als die ständige Fortsetzung von Subventionszahlungen in Milliardenhöhe aus der Tasche des Steuerzahlers.
Wir glauben, daß nicht nur die Kooperation im nationalen Rahmen, sondern auch darüber hinaus europäisch und weltweit den Herausforderungen des Weltstahlmarkts in der Zukunft allein gerecht werden wird.Panikmache, meine verehrten Kollegen von der SPD, und Hysterie, die sich allein schon aus der Fragestunde vorhin ergeben hat, sind deswegen völlig unangebracht.
In den nächsten Wochen und Monaten, meine Damen und Herren, werden alle Beteiligten — sowohl die Gebietskörperschaften als auch die Unternehmen und die Arbeitnehmervertretungen — sorgfältig überlegen, wie die bevorstehende Kooperationzum Nutzen unserer Volkswirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie beitragen kann. Die FDP-Fraktion jedenfalls wird sich der Mitwirkung hieran nicht entziehen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte gibt noch einmal Gelegenheit, die Grundzüge der Stahlpolitik herauszustellen, die übrigens nicht die Grundzüge allein dieser Regierung sind, sondern die auch schon von der vergangenen Regierung anerkannt worden sind,
nämlich in einem Gesamtkonzept über Stillegungen von Kapazitäten wettbewerbsfähige und damit lebensfähige Stahlunternehmen zu schaffen.
Dies ist die Konzeption der Europäischen Gemeinschaft, die in allen Ländern durchgeführt wird.Ich darf wiederholen, was Herr Sprung hier schon gesagt hat; offenbar muß man es mehrfach zitieren.
Nach dem Manuskript der Fernsehdiskussion hat der Bundeskanzler zum Problem der Stahlstandorte wörtlich gesagt:Wir können nicht sagen: jeden Arbeitsplatz, aber wir wollen auch versuchen, die Stahlstandorte zu erhalten.Ich glaube, das ist eine eindeutige Aussage, die Sie jetzt nicht durch Überinterpretation zu einer Waffe gegen den Bundeskanzler schmieden können. Das ist einfach sachlich nicht richtig.
Der zweite Punkt ist folgender. Wir haben in diesem Konzept eine schwierige Phase bis Ende 1985, und zwar nicht nur die Bundesrepublik, sondern alle Mitgliedsländer der Gemeinschaft. Alle haben nämlich festgestellt, daß der Wille, der übrigens von der französischen und der italienischen Regierung bei meinen letzten Besuchen dort noch einmal bekräftigt wurde, Ende 1985 den Stahlsubventionskodex auslaufen zu lassen, bei der Umsetzung in die Wirklichkeit auf einige Problemfälle in allen Ländern stößt. Wenn wir bis zu diesem Endtermin diese Problemfälle noch gemeinsam lösen wollen, dann müssen wir das mit Vernunft und Ruhe machen.Grundsätzlich hat die Bundesregierung — übrigens auch die vor dieser Bundesregierung unter Ihrer Beteiligung, meine Damen und Herren von der Opposition, gebildete Bundesregierung — nie einen Zweifel daran gelassen, daß Fusionen, die zu größeren und wettbewerbsfähigeren Unternehmungen
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6818 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Bundesminister Dr. Bangemann führen, auch einen Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen leisten.
Sie — ich sage das besonders dem Kollegen Stratmann — scheinen völlig vergessen zu haben, daß es in der Europäischen Gemeinschaft eine Regierung gibt — übrigens gar keine sozialistische, muß ich einmal zu Ihrer Beruhigung sagen, sondern eine im wesentlichen auch von liberalen und konservativen Parteien getragene Regierung —, die versucht hat, ihr sogenanntes Gesamtkonzept durchzusetzen,
nämlich die Umwandlung von staatlichen Hilfen in Eigenkapital des Staates, also praktisch eine Verstaatlichung der Industrie,
eine Garantie, daß jeder Arbeitsplatz erhalten wird. Das hat dazu geführt, daß diese Industrie größere Wettbewerbsrückstände hat und mehr Arbeitsplätze jetzt stillegen mußte, als sie vielleicht hätte stillegen müssen, wenn sie sich rechtzeitig um Wettbewerbsfähigkeit gekümmert hätte.
Im übrigen: Erzählen Sie doch keine Märchen! Auch die Arbeitnehmervertretungen — reden Sie doch mit den Arbeitnehmervertretungen in diesen Betrieben;
die werden Ihnen ganz andere Dinge erzählen, als Sie sie hier erzählen -- wissen natürlich ganz genau, daß man eine lebensfähige Konzeption braucht, nicht nur um Geld zu bekommen, sondern um auf Dauer ein Unternehmen zu erhalten, das Arbeitsplätze sichert.
Herr Roth, wir haben, wie ja schon Herr Sprung gesagt hat, in der letzten Woche ein Gespräch mit den beteiligten deutschen Unternehmen geführt.
— Ja, Herr Roth, ich bin selbst dagewesen. Stellen Sie sich vor. Sind Sie jetzt beruhigt?
— So viel Zutrauen hat er doch noch zu mir, daß er jetzt beruhigt ist. Das freut mich aber wirklich.
Wir haben dieses Gespräch geführt. Die Vertreter dort haben uns, als wir Fragen nach Einzelheiten aufgeworfen haben, erklärt: Sie müssen verstehen, daß wir zunächst einmal unsere Unternehmungsgremien über das unterrichten müssen, was wirvorhaben, und daß wir erst einmal deren Zustimmung bekommen, bevor wir Ihnen offiziell etwas sagen können.
— Das ist doch selbstverständlich. Was würde denn ein Arbeitnehmervertreter sagen, wenn er hört, daß Unternehmensleitungen über nebulöse Pläne, die noch nicht einmal von den Aufsichtsgremien genehmigt sind,
eine Regierung informieren, daran vielleicht Subventionsforderungen knüpfen, und wenn er dann aus der Presse erfährt, was vorgeht?
Wir haben ganz deutlich gemacht: Bevor diese Bundesregierung irgendeine Entscheidung trifft, und zwar entweder eine kartellrechtliche — denn das wird auch unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten geprüft —, eine energierechtliche — denn das wird auch unter energierechtlichen Gesichtspunkten geprüft —
oder eine Subventionsentscheidung, also eine Änderung dessen, was wir bisher beschlossen und zugesagt haben, brauchen wir nicht nur die Einzelheiten, sondern die genehmigten Einzelheiten. Denn bevor nicht die Aufsichtsratsgremien der Unternehmungen gesagt haben: Wir sind damit einverstanden, liegt ja nicht einmal eine Unternehmenskonzeption vor. Was soll denn dieses Gerede, wir seien nicht an Einzelheiten interessiert? Selbstverständlich sind wir das. Aber die Einzelheiten können nicht aus bloßen Absichten oder Gerüchten bestehen, sondern ich muß wissen: Was sagt der Aufsichtsrat dazu, was haben die Arbeitnehmer dazu gesagt, wie sieht die Konzeption insgesamt aus? Erst dann kann ich eine Antwort erteilen.
Jetzt will ich Ihnen sagen, wie die Antwort aussehen wird, wenn wir die Einzelheiten kennen. Selbstverständlich werden wir dabei alle Gesichtspunkte berücksichtigen, auch den Gesichtspunkt, ob man Standorte in Regionen erhalten muß, die Arbeitsmarktprobleme haben. Darauf können Sie sich verlassen. Auch diese Gesichtspunkte werden wir prüfen.
— Sagen Sie einmal: Wie glauben Sie eigentlich, Ihre Angriffe gegen diese Regierung motivieren zu können, wenn Sie von mir verlangen, daß ich ohne
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6819
Bundesminister Dr. BangemannPrüfung jetzt irgend etwas Definitives sagen soll? Wie stellen Sie sich das vor?
Sie müssen uns doch wenigstens einmal die Möglichkeit geben, ein Konzept zu prüfen, bevor wir etwas sagen.
— Vollendete Tatsachen können diese Unternehmungen nicht schaffen, weil sie, wenn sie auf die kartellrechtliche, energierechtliche und subventionsrechtliche Hilfe der damit befaßten Institutionen angewiesen sind, dieses Konzept, das sie beschließen werden, gar nicht durchsetzen können. Wenn sich z. B. kartellrechtliche Bedenken ergeben, wird das Bundeskartellamt — und zwar in seiner Zuständigkeit — eine solche Fusion schon untersagen. Wenn sich irgendwelche energierechtlichen Konsequenzen ergeben oder natürlich beim Subventionsrecht, wo wir über direkte Eingriffsmöglichkeiten verfügen, haben wir, wenn wir nicht einverstanden sind, die Möglichkeit, den Unternehmungen zu sagen: Damit sind wir nicht einverstanden. Bevor wir so etwas sagen — ich meine, das sollte man dann ernsthaft tun —, muß ich wissen: Was genehmigt der Aufsichtsrat? Ich muß auch wissen: Was genehmigt die Arbeitnehmerbank des Aufsichtsrats?Sie reden immer von Mitbestimmung und von Montanmitbestimmung. Nun nehmen Sie das doch einmal ernst! Warten Sie doch erst einmal ab, was die Leute sagen!
Diese Bundesregierung wird eine Entscheidung treffen, die sie Ihnen auch rechtzeitig bekanntgeben wird, eine Entscheidung aus ihrer Verantwortung und in Kenntnis aller Tatsachen
und mit der Absicht, Arbeitsplätze zu erhalten, die durch keine Subventionspraxis, auch durch kein Gesamtkonzept, das auf staatlichen Interventionen beruht, erhalten werden können. Auf der ganzen Welt, nicht einmal in den Ländern, die überhaupt nur staatsdirigistisch vorgehen, können Sie auf Dauer einen Arbeitsplatz erhalten, der sich nicht rentiert. Wenn Sie diese Binsenweisheit der Wirtschaftspolitik endlich einmal anerkennen würden, dann würden Sie etwas für Arbeitnehmerinteressen tun; aber sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob — —
— Das ist j a das Schlimme, Herr Roth, daß ich mitIhnen gar nicht auf die Spezialfragen eingehenkann, was ich gerne möchte. Ihnen muß ich immerwieder Binsenweisheiten sagen. Das ist ja das Problem.
Wir werden Sie über diese Einzelheiten informieren, Ihnen unsere Konzeption vorlegen.
und dann können wir vernünftig debattieren. Darauf können Sie sich verlassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Nachricht von der drohenden Schließung der Georgsmarienhütte hat bei den betroffenen Arbeitnehmern, bei den Bürgern von Georgsmarienhütte, ja den Bürgern der gesamten Region Osnabrück, große Beunruhigung, große Sorge ausgelöst, aber auch große Enttäuschung und große Empörung. Wie vielen Millionen Bürgern dieses Landes ist nämlich den Bürgern unserer Region noch sehr deutlich das Versprechen des Bundeskanzlers in Erinnerung, er und seine zukünfte Regierung wollten sich um die Erhaltung der Stahlstandorte bei allen Notwendigkeiten in bezug auf Kapazitätreduzierung bemühen. Die Bürger unserer Region fragen den Bundeskanzler, fragen den Bundeswirtschaftsminister: was tun sie denn konkret, um dieses Ziel in bezug auf den Stahlstandort Georgsmarienhütte zu erreichen?Der Verlauf der heutigen Fragestunde und der bisherigen Aussprache, insbesondere das blamable Auftreten des Staatssekretärs Sprung und des Bundeswirtschaftsministers,
lassen doch nur einen einzigen Schluß zu: diese Bundesregierung tut nichts zur Erhaltung der Stahlstandorte,
diese Bundesregierung nimmt nicht einmal die ihr gegebenen Möglichkeiten wahr, sich über das zu informieren, was die Konzerne in bezug auf die Fusion und ihre Folgen beabsichtigen.
Die Bürger der Region Osnabrück und die Arbeitnehmer der Georgsmarienhütte fragen darüber hinaus: Wird die Schließung von Georgsmarienhütte zu allem Überfluß etwa auch noch dadurch möglich gemacht, daß Staatsgelder zur Subventionierung dieser Schließung gezahlt werden? Auf die entsprechenden Fragen, die wir unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes heute gestellt haben, hat
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6820 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Dr. EmmerlichStaatssekretär Sprung wieder nichts anderes getan als zu sagen: Darüber wissen wir nichts, darüber können wir jetzt noch nichts sagen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, die Betriebsräte der Klöckner AG, der Georgsmarienhütte, der Landrat von Osnabrück und der Oberstadtdirektor vom Landkreis Osnabrück wissen über das, was die Fusion beinhaltet und was durch die Fusion droht, mehr als die Bundesregierung, mehr als der Bundeswirtschaftsminister und mehr als sein Staatssekretär Sprung. Dies ist ein einziger Skandal,
ein Zeichen einer ungeheuren Verantwortungslosigkeit. Und wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU für diesen Sachverhalt hier nichts anderes übrig hat als ein dreckiges Lachen,
dann kennzeichnet das den beklagenswerten Zustand, in dem er und seine Fraktion sich befinden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hornhues.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mit dem Kollegen Emmerlich eines gemeinsam: den Wahlkreis. Uns war bisher gemeinsam das redliche Bemühen, für unsere Region zu kämpfen. Herr Kollege Emmerlich, nach dem, was Sie hier und wie Sie hier geredet haben, bin ich mir nicht sicher, ob wir da noch weiter am gleichen Strang ziehen.
Ich bin nicht der Überzeugung, daß der Tonfall, mit dem Sie hier geredet haben, mit all dem Drum und Dran den Arbeitnehmern, ihren Familien, den Menschen, die bei uns im Raum in Not sind, tatsächlich weiterhilft.Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedaure — und dies will ich in aller Klarheit sagen — eine Unternehmenspolitik, die es zuläßt, daß über Wochen eine solche Situation gegeben ist, daß man nicht weiß, was ist, obwohl an allen Ecken Pläne gehandelt werden und es nur noch um Details geht. Dies ist unverantwortlich. Es hat auch etwas mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu tun, daß man mit diesen Fragen behutsamer und menschlicher umgeht, als dies hier der Fall ist.
Diese Vorgänge geschehen, obwohl in Georgsmarienhütte in den letzten Jahren über 60% der Arbeitsplätze abgebaut worden sind, immer wieder mit der Zusicherung des Konzerns: Wenn ihr dies noch stillschweigend, brav hinnehmt und noch ein paar Mark besorgt, ist die Existenz gesichert. Dies geschieht, obwohl die Stadt Georgsmarienhütte, der Landkreis Osnabrück, das Land Niedersachsen und der Bund immer wieder das Ihre getan haben — immer wieder gedrängt von der Zusage: Wenn dies noch geschieht, ist der Rest gesichert. Jetzt wird offensichtlich über das Ende des Restes verhandelt.Ich bedaure in diesem Zusammenhang, daß es die Unternehmen nicht für notwendig erachtet haben, die Bundesregierung intensiver und weitergehender über die Konsequenzen ihrer Fusion zu unterrichten, obwohl ich ziemlich sicher bin, daß sie mit Deutlichkeit ihre Wünsche nach Hunderten von Millionen DM, die sie mit Sicherheit haben, avisiert haben.
— Ich bedaure dies genauso wie ich bedaure, Herr Roth, daß Sie — und des Eindrucks kann ich mich nicht erwehren — auf dem Hintergrund tiefer Not von Menschen hier als erstes versuchen, Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen. Das will ich mit aller Deutlichkeit sagen.
— Ich meine nicht den CDU-Landrat und ich meine nicht das, was bis gestern wir von allen Parteien zu Hause gesagt haben, sondern das, was Sie und der Herr Kollege Emmerlich hier gerade ausgeführt haben.
Ich begrüße den kompromißlosen Einsatz des niedersächischen Ministerpräsidenten für den Standort Georgsmarienhütte.
— Im Anmarsch zu Geprächen hier in Bonn, Herr Kollege Neumann.Ich begrüße die Feststellung der Bundesregierung, daß das, was da an neuem Konzern auf uns zukommt, in mehrfacher Hinsicht genehmigungspflichtig ist, kontrolliert und geprüft werden muß, bevor die Dinge entschieden werden.
Ich begrüße dies, weil es im Klartext heißt: Es gibt keinen Subventionsmechanismus. Und ich begrüße die Gewißheit, daß das, was der Bundeskanzler gesagt hat, auch heute noch Ziel der Politik der Bundesregierung ist, nämlich den Versuch zu machen, das Mögliche zu tun, um die Stahlstandorte — hier sprechen als örtlicher Abgeordneter für Georgsmarienhütte — zu erhalten. Ich erwarte, daß die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tut, um, dem Gemeinwohl verpflichtet, Lösungen zu ermöglichen, die, wie der Kollege Lammert deutlich gemacht hat, nicht nur die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse, sondern eben auch die Erfordernisse des Gemeinwohls im Blick haben. Die Hunderte von Millionen DM, um die es bei der Fusionierung geht, sind der Hebel dafür. Wir, die Bürger, die
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6821
Dr. HornhuesArbeitnehmer in Georgsmarienhütte, ihre Familien, erwarten, daß diese Chance genutzt wird.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Sieler.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich mit der Situation an den Stahlstandorten ein bißchen näher beschäftigt — und es sind eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, die das tun —, dem muß es schon eigenartig vorkommen, daß sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit der geplanten Fusion Klöckner/Krupp mit Unwissenheit darstellt, aber auch nichts anzubeiten hat, wie man den möglichen Folgen einer solchen Fusion und den bereits in der Presse nachzulesenden Konsequenzen begegnen könne. Ich frage Sie deshalb allen Ernstes: Was ist von einer solchen Bundesregierung zu halten, die noch bei den letzten Wahlen Garantieerklärungen abgegeben hat, an den verschiedensten Stellen. Mein Kollege Emmerlich hat vorhin einiges genannt.
Nun darf ich Ihnen aus einem Originalschreiben von Franz Josef Strauß, dem bayerischen Ministerpräsidenten, zitieren, und zwar vom 20. September 1983:
Ich kann Ihnen auch in Zukunft versichern, daß die Bayerische Staatsregierung unverändert zu ihrer Aussage steht, für die Erhaltung der Maxhütte einzutreten.
Sie hält
— nun kommt der entscheidende Satz, meine Damen und Herren —
in Übereinstimmung mit der Bundesregierung daran fest, daß der Stahlstandort Maxhütte erhalten werden muß und hierzu alle geeigneten Maßnahmen ergriffen und Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dieses Ziel zu erreichen.
So weit, so gut. Aber wenn ich mir in Erinnerung rufe, was der Herr Staatssekretär Sprung heute in der Fragestunde gesagt hat, dann muß ich ernsthafte Zweifel haben, ob das auch noch gilt. Ich stelle dann ganz konkret die Frage, auch an die Bundesregierung, ob das noch gilt.
Nun, meine Damen und Herren, die Arbeitnehmer, die Menschen bei uns in Sulzbach-Rosenberg, in Maxhütte-Haidhof und Auerbach sind außerordentlich beunruhigt über das, was da auf sie zukommt, was beabsichtigt ist und auch schon öffentlich gehandelt wird. Man hat seit langer Zeit viele Opfer von diesen Menschen gefordert. Mehr als zweitausend Arbeitsplätze sind zwischenzeitlich verlorengegangen. Es hat eine Kraftanstrengung
stattgefunden, mit öffentlichen Mitteln dieses Strukturkonzept,
das von der Bundesregierung gefordert worden ist, zu erfüllen. Nun, meine Damen und Herren, steht zu befürchten, daß die Auswirkungen, die sich aus der geplanten Fusion ergeben, zu einer Schließung des Kaltwalzwerkes in Haidhof führen und möglicherweise sogar mehr und damit den Standort Haidhof grundsätzlich, und zwar akut, in Gefahr bringen. Wer die Struktur dieses Unternehmens kennt, der weiß, daß damit möglicherweise die gesamte Maxhütte trotz gegenteiliger Beteuerungen der Muttergesellschaft Klöckner in existentielle Gefahr gerät.
Meine Damen und Herren, ich fordere daher die Bundesregierung auf, die Standorte und die Arbeitsplätze der Maxhütte in Haidhof und SulzbachRosenberg zu erhalten. Wenn die immer wieder beschworene Garantie in der Koalitionsvereinbarung überhaupt noch einen Sinn haben soll, darin tun Sie endlich etwas!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis, wenn der Kollege Dr. Emmerlich hier heraufgeht und die Sorge der Bürger in seinem Wahlkreis und in der betroffenen Region zum Ausdruck bringt. Ich habe aber kein Verständnis, wenn er, ohne Ahnung von den Dingen zu haben, in einer unvertretbaren Weise hier gegen die Bundesregierung polemisiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat in dieser wichtigen Frage gehandelt. Sie hat wichtige Entscheidungen getroffen,
daß die deutsche Stahlindustrie wieder eine Zukunft hat. Die Bundesregierung hat ein Umstrukturierungsprogramm von 3 Milliarden DM beschlossen — das wissen Sie, Herr Roth — 1,8 Milliarden DM für die Umstrukturierung und 1,2 Milliarden DM für Investitionshilfe. Das waren Anpassungs- und wertvolle Wettbewerbshilfen, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit die deutsche Stahlindustrie die Wettbewerbfähigkeit, die sie unter Ihrer Regierung verloren hat, zurückgewinnt.
Ich möchte der Bundesregierung danken, daß es ihr gelungen ist, die subventionierten Einfuhren von Stahl aus anderen EG-Ländern endlich abzuschotten.
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6822 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Dr. JobstDamit haben wir ein Bündel von Maßnahmen, das erfreulicherweise bereits wirkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden heute über Absichten. Es sind Absichten und Entscheidungen der Unternehmen und nicht der Bundesregierung. Hier haben wir es mit Unternehmen zu tun, bei denen die Montanmitbestimmung gilt, bei denen die paritätische Mitbestimmung praktiziert wird. Wir müssen heute deutlich machen, daß es bei der Ausführung der bekanntgewordenen Absichten und Entscheidungen der Unternehmungen um einen Sachverhalt geht, der erhebliche wirtschaftliche, soziale und regionalpolitische Auswirkungen hat.Die Unruhe und die Sorge unter den Arbeitnehmern und unter der Bevölkerung in der mittleren Oberpfalz ist sehr groß. Viele Familien wären betroffen, wenn das käme, wovon gesprochen wurde: daß das Kaltwalzwerk der Maxhütte stillgelegt werden und damit der Gesamtstahlstandort Oberpfalz gefährdet sein könnte.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht hier um Arbeitsplätze, für die es keine Alternative gibt. Die mittlere Oberpfalz mit ihrer revierfernen Randlage ist durch die Strukturveränderungen und vor allem durch die Rezession schwer gebeutelt worden. Wir haben dort heute eine hohe Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsamtsbezirk Schwandorf liegt in Bayern an der Spitze und liegt mit seinen hohen Arbeitslosenzahlen in der Bundesrepublik leider an führender Stelle. Viele Tausende von Arbeitsplätzen sind durch die Umstrukturierung und die Rezession verlorengegangen.Das Zweigwerk von BMW in Regensburg bringt wertvolle Arbeitsplätze. Eine mögliche Wiederaufarbeitungsanlage in der Oberpfalz bringt ebenfalls wertvolle Arbeitsplätze.
Aber dadurch können die Lücken, die vorher aufgerissen worden sind, nicht geschlossen werden.Ich möchte auf einen ganz besonderen sozialen Gesichtspunkt hinweisen. Die Belegschaft der Maxhütte ist überaltert. In den letzten Jahren sind keine jungen Arbeitskräfte mehr eingestellt worden. Wenn die Leute, die so um 40, 50 Jahre sind, ihren Arbeitsplatz verlören, hätten sie es schwer, woanders unterzukommen, es wäre nahezu aussichtslos.Bund und das Land Bayern haben der Maxhütte geholfen. Sie haben 120 Millionen DM öffentliche Mittel für ein Umstrukturierungsprogramm auf der Grundlage der Erhaltung der Produktenpalette gegeben. Diese Entscheidung war richtig und notwendig. Aber das Geld kann nicht dazu gegeben worden sein, daß Arbeitsplätze jetzt vernichtet oder gefährdet werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Maxhütte muß gehalten werden. Es darf kein Ast abgeschnitten werden, der eines Tages zu der Bestandsfrage des Unternehmens führt.
Es geht darum, daß von den betroffenen Menschen die Sorge weggenommen wird.Die Fusion der Konzerne mag aus wirtschaftspolitischen Gründen wünschenswert sein. Sie ist eine private Entscheidung der Unternehmen. Aber eine Fusion, die Arbeitsplätze in einer schwer ringenden, revierfernen Region vernichtet, wäre keine vernünftige Entscheidung; sie könnte mit öffentlichen Mitteln nicht unterstützt werden.
Deshalb bitte ich die Bundesregierung, sich zu ihrer Verpflichtung, die sie sich zu Beginn der Legislaturperiode auferlegt hat, nämlich den Stahlstandort Maxhütte zu halten, weiterhin zu bekennen und alles zu unternehmen, — —
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.
— — diese wichtigen Arbeitsplätze in der revierfernen Region auch künftig für die Menschen dort zu erhalten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Grünbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Etwa vor einem Jahr, Ende September 1983, fand die letzte Aktuelle Stunde zur Stahlpolitik statt. Heute vollzieht sich ein eigenartiges Schauspiel. Seit dieser Aktuellen Stunde hat sich die Opposition im Deutschen Bundestag von der Stahlpolitik verabschiedet. Sie ist auf Tauchstation gegangen.
Aber wenn — wie jetzt — irgendwann wieder einmal etwas dazu auftaucht, gehen Sie her und machen hier statt einer Aktuellen Stunde eine Schaufensterstunde.
Im Grunde genommen sind Sie seit einem Jahr verabschiedet. Der hektische, j a, hysterische Aktionismus, den Sie da aufziehen, nützt uns überhaupt nichts. Der ist niemandem von Nutzen. Es ist nicht der Skandal der Bundesregierung, sondern der Skandal von Ihnen, Herr Emmerlich, wenn man so verbal entgleist, wie Sie es heute getan haben. Dann hilft man weder der deutschen Stahlindustrie noch den Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie, sondern dann schadet man der gesamten Sache.
Die Bundesregierung hat dafür Sorge getragen — der Herr Wirtschaftsminister hat es Ihnen doch nahezu serviert; das war doch die Fortsetzung unserer noch gemeinsamen Regierungspolitik —, daß die Wende in der Stahlindustrie eingeleitet, daß die Wettbewerbsfähigkeit durch moderne Technologien
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6823
Grünbeckgestärkt wurde. Dies ist nicht nur durch staatliche Hilfe, sondern auch durch gewaltige Kapital- und geistig-innovative Anstrengungen der Industrie geschehen. Wir haben heute eine der modernsten Stahlindustrien der ganzen Welt.
Wir haben eine umweltfreundliche Stahlindustrie.
Wir haben für den Subventionsabbau in der Bundesrepublik wie auch für den Abbau der Wettbewerbsverzerrungen in der Europäischen Gemeinschaft gesorgt.
Wir haben nicht kaputtsaniert — solche schrecklichen Ausdrücke muß man einmal zur Kenntnis nehmen —, sondern rationalisiert, wie das erforderlich war. Und das, meine Damen und Herren, sind doch keine Entscheidungen, die aus einer Freudschen Fehlleistung entspringen. Die entstehen vielmehr aus dem dringenden Bedürfnis, durch Rationalisierung die Erhaltung von Arbeitsplätzen sicherzustellen. Das ist doch keine Freudenveranstaltung!
Das muß man einmal sagen, wenn Sie das hier so hinstellen.Herr Wirtschaftsminister, wir danken Ihnen ausdrücklich für die Besonnenheit, die Sie heute in Ihrer Rede an den Tag gelegt haben. Die Aufsichtsräte tagen, und ihre Entscheidung muß man erst einmal abwarten. Das ist ja keine einfache Entscheidung, weder in kapitalmarktpolitischer noch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht.
— Also, Herr Roth, ich könnte dem Herrn Wirtschaftsminister noch in weiteren Punkten zustimmen. Aber bei Ihnen ist es leider so, daß Sie es zwar verstehen, globale weltweite Sprüche zu klopfen, daß es aber hapert, wenn es ins Detail geht. Daher sollten Sie hier einmal zuhören. — Also, wir sollten die Entscheidung abwarten, Herr Minister, und dann erst sollten wir urteilen.Dann sollten Sie, meine Kollegen von der SPD, das tun, was von unserer Seite längst geschehen ist. Sie sollten einmal mit den Arbeitnehmervertretungen vor Ort reden. Die entwickeln bei weitem nicht die Hektik, keinen Aktionismus Ihrer Art. Vielmehr haben die Arbeitnehmervertreter ganz klare Forderungen aufgestellt. Mein Freund Klaus Beckmann und ich, wir haben ja einige Gespräche geführt.
— Mit Ihnen nicht, das wäre aussichtslos, wir haben mit den Arbeitnehmervertretern geredet. Diesind sehr besonnen und darauf bedacht, daß manjetzt eine Konzeption findet, nämlich die, daß die Rationalisierung unter sozialer Abfederung ihrer Ansprüche beendet wird, damit eine langfristige und dauerhafte Existenzsicherung der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie geschieht. Wenn dann noch staatliche Hilfe erforderlich sein sollte, dann wird sich diese Bundesregierung sicher zu überlegen haben, unter welchen Aspekten sie überhaupt erfolgen kann.Die Bundesregierung wird zu dem Wort stehen, daß der Subventionsabbau, den wir in der Europäischen Gemeinschaft mit Mühe und Not vereinbart haben, nicht durch nationalen Aktionismus unterbrochen werden darf, damit die europäische Einigung nicht gefährdet wird. Für uns ist die langfristige Erhaltung der Arbeitsplätze von allergrößter Bedeutung. In diesem Sinne, Herr Bundesminister, haben Sie unser Vertrauen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Opposition hat hier in diesem Hause über die Jahre, vor allen Dingen aber 1982 und 1983, ein umfassendes Programm zur Stahlsanierung vorgelegt. In diesem Zusammenhang ist vor allen Dingen das Stahlstandorte-Sicherungsprogramm vom März 1983 zu nennen. Vor 14 Tagen haben wir die Kleine Anfrage zur Stahlsituation in der Europäischen Gemeinschaft beantwortet bekommen. Wir unterstützen hier die Bundesregierung in der Frage des Auslaufens des Subventionskodexes voll.
Und da sagen Sie, die Opposition habe sich abgemeldet. Tatsache ist, daß Sie die Polemik in diesem Hause nicht mit Aufmerksamkeit verfolgt haben.
Heute ist keine Polemik betrieben worden.
Vielmehr sind hier zwei Dringlichkeitsfragen eingebracht worden,
die sich auf eine Region beziehen, in der die Bevölkerung, die Belegschaften und die Betriebsräte in große Schwierigkeiten kommen. Und das ist Polemik? Das ist die Aktualität, die notwendig ist, um der Bundesregierung zu sagen: Da habt ihr den Fall, und ihr habt nicht gehandelt! Das muß hier doch erörtert werden. Die Menschen sind doch unruhig. Sie haben das zu verantworten. Darum die Aktuelle Stunde.
Herr Staatssekretär, ich habe Sie gefragt, wie das mit Riotinto sei, was die Frage der Kohlelieferun-
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6824 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Urbaniakgen angeht. Sie haben hier mit dem Brustton der Überzeugung gesagt, die fördern keine, die liefern keine. Das ist ein großer Kohleproduzent! Das ist ein liefernder Kohleproduzent! Und er hat Interessen, Kohle in der Bundesrepublik abzusetzen.Wenn es zu dieser Fusion kommt, besteht die Gefahr, daß Sie eine weitere Region verunsichern, nämlich das Ruhrgebiet, denn es gibt ja die Verträge der Stahlindustrie mit der Ruhrkohle. Auch darüber konnten Sie hier nichts sagen.Der Herr Wirtschaftsminister fährt zu Krupp und zu Klöckner. Die Leute können ihm nichts sagen. Ja, was machen Sie denn eigentlich bei diesem Besuch? Stellen Sie denn nicht harte Fragen zu der weiteren Entwicklung der Unternehmen
und zu der Sicherung der Arbeitsplätze? Oder kommt man nur zum fröhlichen Mittagessen zusammen?
Ich stelle hier Fragen; nicht mehr und nicht weniger. Ich will Ihnen sagen, daß die Sozialdemokraten diese miese Situation, die sich in Europa auf diesem Feld ergeben hat, frühzeitig bekämpft haben. Wir möchten jetzt — eingebettet in die gemeinsame Politik, die einmal hier angedeutet worden ist — so weitermachen; dazu gehört, daß die Stahlstandorte nicht zur Disposition gestellt werden. Das, glaube ich, ist die Bundesregierung diesem Hause und der Bevölkerung notwendigerweise schuldig.
Ich habe Ihnen auch gesagt: Achten Sie bei dem weiteren Verlauf darauf: die Unternehmenskiller — Riotinto — sind in der Branche bekannt. Es ist nun einmal so: da wird hart gepokert. Das darf aber nicht zu Lasten der deutschen Stahlstandorte gehen, und es darf auch nicht zu Lasten der Energieversorgung und der Ruhrkohle gehen, sonst werden Sie Hunderte oder Tausende von Arbeitsplätzen im Siegerländer Bereich, im Ruhrgebiet und in anderen Regionen der Bundesregierung gefährden.Herr Wirtschaftsminister, ich hoffe, daß Sie das nächste Mal mit besseren Informationen von einem Besuch bei Damen und Herren der Stahlvorstände zurückkehren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schorlemer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Urbaniak, ich hätte z. B. gerne von Ihnen die Stellungnahme des nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten zu diesem Vorschlag gehört, da ich weiß, daß der niedersächsische Ministerpräsident bezogen auf Georgsmarienhütte bereits seine erheblichsten Bedenken geäußert und auch entsprechende Schritte eingeleitet hat.Ich habe mich aber besonders deshalb zu Wort gemeldet, weil ich Abgeordneter des Wahlkreises Osnabrück-Land bin. Als solcher bin ich natürlich zutiefst enttäuscht, Herr Kollege Emmerlich, von Ihrer Rede, einer Rede der billigen Polemik, die sich voll von dem unterscheidet, was alle Verantwortlichen des Osnabrücker Landes bei der Frage der Erhaltung der Arbeitsplätze in Georgsmarienhütte in den letzten Tagen angestellt haben.Folgendes ist doch im Grunde genommen das Faszinierende dabei: daß alle Wirtschaftsbereiche, alle politischen Gruppierungen in voller Solidarität hinter den Arbeitnehmern und für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze stehen.
Wenn z. B. heute selbst der Bischof von Osnabrück es für notwendig hält, sich in der Zeitung dazu zu äußern, wird deutlich, daß die gesamte Bevölkerung hier die Dinge sieht, und zwar nicht in billiger Polemik, wie sie von Ihnen hier zum Ausdruck gebracht wurde, sondern in großer Verantwortung.
Meine Damen und Herren, ich habe es sehr begrüßt, daß der Bundeswirtschaftsminister erklärt hat: Wenn hier die konkreten Pläne vorliegen, wird die Bundesregierung konkret untersuchen, konkret prüfen und dann zu der entsprechenden Entscheidung kommen. Deshalb möchte ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bezogen auf diesen Prüfungsgang einige Bitten vortragen, und zwar als Abgeordneter dieses Raumes, der weiß, daß in seinem Wahlkreis auch zahlreiche der unmittelbar Betroffenen wohnen.Sie sollten dabei berücksichtigen, daß einmal — der Kollege Hornhues hat es zum Teil schon ausgeführt — sowohl der Landkreis Osnabrück mit dem Kauf der Eisenbahn für 20 Millionen DM als auch weiter die Stadt Georgsmarienhütte mit dem Kauf von Grundstücken für 3,5 Millionen DM die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß das moderne KS-System in Georgsmarienhütte eingerichtet werden konnte.Sie sollten dabei berücksichtigen, daß auch bei einem Verschwinden nicht nur 2 400 Arbeitskräfte freigesetzt werden, sondern auch zahlreiche Menschen im Bereich der Zulieferindustrie und ebenfalls zahlreiche Handwerksbetriebe an die Grenze ihrer Existenz gedrückt werden. Sie sollten vor allen Dingen darauf dringen, daß es nicht nur um diese Zahl der Arbeitsplätze, sondern auch um die Zahl der Betroffenen in den Familien — diese Zahl ist doch noch größer — geht. Es kann nicht sein, daß diese Familienväter praktisch in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist heute schon darauf hingewiesen worden: Heute tagt der Aufsichtsrat. Auch der Aufsichtsrat hat eine große Verantwortung, und dieser Aufsichtsrat ist ein Aufsichtsrat der paritätischen Mitbestimmung.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6825
Freiherr von SchorlemerIch will z. B. für die Kundgebung am Freitag gegen die Stillegung der Georgsmarienhütte wissen: Wie hat denn der IG-Metall-Chef Mayr im Aufsichtsrat gestimmt? Wie hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, Herr Lojewski, als Mitglied des Aufsichtsrates gestimmt? Das interessiert mich schon, damit ich den Arbeitnehmern dies dort auch mitteilen kann.Bei dieser Kundgebung — das unterscheidet vielleicht Georgsmarienhütte von anderen Orten — werden wir keine Radikalinskis erleben, sondern hier sind besonnene Menschen, die sich aus Sorge um ihren Arbeitsplatz und ihre Firma treffen. Deshalb haben sie große Hoffnung in diese Bundesregierung, in diesen Bundeswirtschaftsminister.Herr Minister, darf ich damit abschließen, daß ich das zitiere, was der Kreistag des Landkreises Osnabrück in seiner Sitzung in einer einstimmig verabschiedeten Resolution abschließend gesagt hat: „Wir — so die Abgeordneten — hegen in diesem Sinne die feste Zuversicht, daß die Wirtschaft, die Gewerkschaft und die Politik die hoffenden Menschen hierzulande nicht im Stich lassen."
Das Wort hat der Abgeordnete Wieczorek .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute morgen ist darüber gerätselt worden, was der Bundeskanzler denn jetzt wirklich in dem Fernsehinterview gesagt hat. Wir haben da einmal reingehört, und ich bitte Sie, genau zuzuhören, weil es Sie direkt interessiert. Der Bundeskanzler hat nämlich gesagt: „Man kann nicht die Georgsmarienhütte von der Zukunft abkoppeln." Das ist der Punkt, der Sie wohl ganz genau interessieren wird. Daran möchten wir ihn erinnern.
Dieses Problem, über das wir heute morgen reden, ist kein Problem der Georgsmarienhütte oder der Maxhütte, sondern es ist ein Problem, das sich aus der verfehlten Stahlpolitik Ihrer Regierung ergibt.
Ich habe mir immer eingebildet, als ich hierher kam, daß Regieren irgend etwas mit Etwas-Tun zu tun hat. Aber Sie regieren nicht, sondern Sie reagieren, Sie warten nämlich darauf, was ein Unternehmen Ihnen vorgibt, um dann die Kasse aufzumachen und zu fragen: Was dürfen wir denn noch dazutun?
Meine Damen und Herren, Ihre Stahlpolitik ist in dem Moment gescheitert, als Sie nicht flexibel genug waren, Ihr eigenes Konzept umzusetzen, als Sie gehangen haben an einzelnen Punkten und die nicht umsetzen konnten.
Es ist hier soviel von der Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig von der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit gesprochen worden. Herr Kollege,
betriebswirtschaftlich sind alle unsere Stahlunternehmen hervorragend geeignet, den Wettbewerb in Europa aufzunehmen. Kein Unternehmen in Deutschland hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht Probleme. Aus Subventionssicht, da haben wir Probleme. Wir legen in der Tat gute deutsche Stahlunternehmen still, um sie im europäischen Wettbewerb zu opfern. Auch darüber müssen wir uns klar sein. Die Folgen davon trägt der kleine Mann, trägt der Arbeiter hier in den Hüttenwerken.
Wenn Sie davon reden, die Hoffnung der Menschen ist da oder dort anders: Jeder Mensch in jedem Standort hofft darauf, daß er bei dieser Fusion verschont bleibt. Insofern hören Sie von Betriebsräten einmal diese Meinung und einmal jene Meinung. Die Sorge, die umgeht — die kann man ihnen nicht abnehmen —, geht um den Arbeitsplatz. Soviel ich bisher weiß — ich rede nicht wie ein Blinder von der Farbe —, werden mindestens 3 000 bis 5 000 Arbeitsplätze bei dieser Fusion daran glauben müssen. Es werden im Moment Zahlen gehandelt — die will ich hier offen auf den Tisch legen — zwischen 2 Millionen und 3 Millionen Tonnen Kapazität, die abgebaut werden müssen. Wenn ich das als Hüttenmann umsetze, komme ich allerdings sogar auf höhere Zahlen. Aber ich möchte nicht in den Kreis derer einstimmen, die Panik machen, sondern wir müssen ganz seriös sehen, was daraus zu machen ist.
Gegen Riotinto habe ich in zweifacher Hinsicht große Vorbehalte. In Duisburg hat Riotinto die Kupferhütte übernommen, mit 1 500 Arbeitsplätzen. Heute ist keiner mehr da, und Riotinto hat dafür genau ein Jahr und neun Monate gebraucht. Das möchte ich Ihnen als Warnung mitgeben.
Allerdings sind eine Menge Patente und eine Menge Know-how, das dort gewonnen wurde, an Riotinto,
einen in Australien und Großbritannien sitzenden international gesteuerten Konzern, gegangen. Ich fürchte, daß auch bei dieser Fusion durch die Beteiligung von Riotinto an diesen deutschen Unternehmen ein Ausverkauf von technischem Know-how stattfindet.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Frage an Sie, Herr Kollege Wieczorek: Haben auch Ihre Kollegen im Landtag von Nordrhein-Westfalen eine Aktuelle Stunde beantragt?
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6826 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984
Müller
Wo ist denn beispielsweise Ihr Ministerpräsident Rau oder sein Vertreter, wo ist denn die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hier auf der Bundesratsbank vertreten? Diese Frage möchte ich stellen.
Wenn man sich jetzt Ihre Beiträge vergegenwärtigt, die Sie bis jetzt gehalten haben, — —
Die Beiträge, die bis jetzt hier von Ihnen geleistet worden sind, geben wirklich nicht viel her, vielleicht den einen oder anderen Artikel in der Lokalpresse.Die Stahlindustrie ist eine zyklische Industrie, die starken Schwankungen unterworfen ist.
Seit Anfang der 50er Jahre hat sie sehr stark expandiert. In 20 Jahren ist der Weltstlahverbrauch jährlich um 6 % gewachsen,
aber seit 1973 und 1974 erleben wir einen deutlichen Rückgang des Stahlverbrauchs, und damit ist auch eine Entwicklung von Überkapazitäten einhergegangen.
In der Region, aus der ich komme, ist in den letzten zehn Jahren ein Abbau von Stahlarbeitsplätzen in einer Größenordnung von 12 000 vonstatten gegangen. Dabei wissen wir — das ist vorhin auch schon vom Kollegen von Schorlemer gesagt worden —, daß jeder Stahlarbeitsplatz etwa zwei andere Arbeitsplätze bedeutet, im Zulieferbereich und in der Dienstleistung. Wir haben die Gründe hier schon oft diskutiert. Wir verlieren auf den Exportmärkten an Boden, weil zahlreiche Schwellenländer inzwischen auch Stahl kochen, und wir erleben, daß die indirekten Stahlimporte durch Kauf von japanischen Autos o. ä. zunehmen. Wenn sich in den hochindustrialisierten Ländern das Sozialprodukt weiter entwickelt, wenn das Wachstum voranschreitet, hinkt die Zuwachsrate des Stahls hinterher.Mich ärgert bei der Diskussion immer wieder folgendes. Meine verehrten Kollegen von der SPD, Sie tun so, als ob das mit Maßnahmen der nationalen Politik alles in den Griff zu kriegen wäre,
Sie erwecken überall den Eindruck, der Staat brauche sich nur um die Dinge zu kümmern, und dann sei die Arbeitsplatzgarantie gegeben. Als wenn das alles so einfach wäre, meine verehrten Damen und Herren!
Wo nehmen Sie eigentlich nur den Schneid her, sich hier hinzustellen und gegen uns zu polemisieren, wo wir in den letzten Jahren doch wirklich unsere Pflicht getan haben?
Wir haben die Anpassungsprozesse begleitet und sozial abgefedert.
Wir haben beispielsweise den Bezugszeitraum für das Kurzarbeitergeld verlängert,
wir haben beispielsweise die Investitionshilfen in Höhe von 3 Milliarden DM gewährt, von denen schon wiederholt die Rede war, und wir haben im vergangenen Jahr das Stahlinvestitionszulagenänderungsgesetz hier verabschiedet, das eine Entlastung bringt.
Jetzt ist wirklich alles andere als Polemik notwendig.Wir müssen auch dafür sorgen, daß wir eine gute Diskussionsgrundlage haben, wenn das jetzt in Brüssel verhandelt wird. Wir können überhaupt kein Interesse daran haben, daß die EG-Subventionierung über 1985 hinaus verlängert wird,
wie das beispielsweise der SPD-Fraktionsvorsitzende Läpple im Saarland fordert. Gegen die vereinigten Staatskassen des übrigen Europas können wir hier in Deutschland keine Stahlindustrie aufrechterhalten.
Meine verehrten Damen und Herren, ich habe großes Vertrauen in die Mitbestimmungsorgane der Betriebe, auf die es hier ankommt. Ich habe auch großes Vertrauen in die Bundesregierung, die weiter ihre Pflicht tun wird.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich bitte noch einen Moment um Gehör.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Oktober 1984 6827
Vizepräsident WestphalIch berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Oktober 1984, 8 Uhr ein. Als erster Punkt wird der Zusatzpunkt 5 der Tagesordnung, die von der Fraktion der CDU/CSU verlangte Aktuelle Stunde, aufgerufen, die das Thema hat: „Die Verurteilung des französischen Journalisten Abouchar und die dramatische Verschlechterung der Lage in Afghanistan".Meine Damen und Herren, die Sitzung ist geschlossen.