Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute morgen ist darüber gerätselt worden, was der Bundeskanzler denn jetzt wirklich in dem Fernsehinterview gesagt hat. Wir haben da einmal reingehört, und ich bitte Sie, genau zuzuhören, weil es Sie direkt interessiert. Der Bundeskanzler hat nämlich gesagt: „Man kann nicht die Georgsmarienhütte von der Zukunft abkoppeln." Das ist der Punkt, der Sie wohl ganz genau interessieren wird. Daran möchten wir ihn erinnern.
Dieses Problem, über das wir heute morgen reden, ist kein Problem der Georgsmarienhütte oder der Maxhütte, sondern es ist ein Problem, das sich aus der verfehlten Stahlpolitik Ihrer Regierung ergibt.
Ich habe mir immer eingebildet, als ich hierher kam, daß Regieren irgend etwas mit Etwas-Tun zu tun hat. Aber Sie regieren nicht, sondern Sie reagieren, Sie warten nämlich darauf, was ein Unternehmen Ihnen vorgibt, um dann die Kasse aufzumachen und zu fragen: Was dürfen wir denn noch dazutun?
Meine Damen und Herren, Ihre Stahlpolitik ist in dem Moment gescheitert, als Sie nicht flexibel genug waren, Ihr eigenes Konzept umzusetzen, als Sie gehangen haben an einzelnen Punkten und die nicht umsetzen konnten.
Es ist hier soviel von der Wettbewerbsfähigkeit und gleichzeitig von der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit gesprochen worden. Herr Kollege,
betriebswirtschaftlich sind alle unsere Stahlunternehmen hervorragend geeignet, den Wettbewerb in Europa aufzunehmen. Kein Unternehmen in Deutschland hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht Probleme. Aus Subventionssicht, da haben wir Probleme. Wir legen in der Tat gute deutsche Stahlunternehmen still, um sie im europäischen Wettbewerb zu opfern. Auch darüber müssen wir uns klar sein. Die Folgen davon trägt der kleine Mann, trägt der Arbeiter hier in den Hüttenwerken.
Wenn Sie davon reden, die Hoffnung der Menschen ist da oder dort anders: Jeder Mensch in jedem Standort hofft darauf, daß er bei dieser Fusion verschont bleibt. Insofern hören Sie von Betriebsräten einmal diese Meinung und einmal jene Meinung. Die Sorge, die umgeht — die kann man ihnen nicht abnehmen —, geht um den Arbeitsplatz. Soviel ich bisher weiß — ich rede nicht wie ein Blinder von der Farbe —, werden mindestens 3 000 bis 5 000 Arbeitsplätze bei dieser Fusion daran glauben müssen. Es werden im Moment Zahlen gehandelt — die will ich hier offen auf den Tisch legen — zwischen 2 Millionen und 3 Millionen Tonnen Kapazität, die abgebaut werden müssen. Wenn ich das als Hüttenmann umsetze, komme ich allerdings sogar auf höhere Zahlen. Aber ich möchte nicht in den Kreis derer einstimmen, die Panik machen, sondern wir müssen ganz seriös sehen, was daraus zu machen ist.
Gegen Riotinto habe ich in zweifacher Hinsicht große Vorbehalte. In Duisburg hat Riotinto die Kupferhütte übernommen, mit 1 500 Arbeitsplätzen. Heute ist keiner mehr da, und Riotinto hat dafür genau ein Jahr und neun Monate gebraucht. Das möchte ich Ihnen als Warnung mitgeben.
Allerdings sind eine Menge Patente und eine Menge Know-how, das dort gewonnen wurde, an Riotinto,
einen in Australien und Großbritannien sitzenden international gesteuerten Konzern, gegangen. Ich fürchte, daß auch bei dieser Fusion durch die Beteiligung von Riotinto an diesen deutschen Unternehmen ein Ausverkauf von technischem Know-how stattfindet.
Ich danke Ihnen.